7. Ammoniten 7
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60 (1): 201 – 240 16 Oct 2014 © Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 2014. 7. Ammoniten 7. Ammonites Markus Wilmsen 1 und Emad Nagm 2 1 Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Museum für Mineralogie und Geologie, Sektion Paläozoologie, Königsbrücker Landstraße 156, 01109 Dresden, Deutschland; [email protected], [email protected] — 2 Geology Department, Faculty of Science, Al-Azhar University, Assiut, Ägypten und Geology Department, Faculty of Science, Taibah University, Saudi Arabia; [email protected] Revision accepted 25 June 2014. Published online at www.senckenberg.de/geologica-saxonica on 16 October 2014. Kurzfassung In dieser synoptischen Zusammenstellung werden die Ammonitenfaunen aus der Kreide von Sachsen (Deutschland, Elbtal-Gruppe, Un- tercenomanium bis Unterconiacium) neuen taxonomischen Konzepten folgend systematisch vorgestellt, kurz beschrieben und photogra- phisch illustriert. Die Synonymielisten sind dabei ausschließlich an wichtigen Zitaten zur regionalen Paläontologie ausgerichtet und zielen darauf, die historischen (und teilweise immer noch verwendeten) Namen in die neue Taxonomie zu übersetzen. Insgesamt werden 35 Taxa vorgestellt. Von Morrowites subdepressus Cobban & Hook, 1983 wird dabei zum ersten Mal aus der Kreide von Sachsen berichtet. Das Ammoniteninventar der Elbtal-Gruppe erlaubt es, alle Standardbiozonen der unteren Oberkreide, vom Obercenomanium bis in das Oberturonium, anhand der gut dokumentierten Index-Taxa zu erkennen. Im Obercenomanium sind dieses die Calycoceras-naviculare-, Metoicoceras-geslinianum- und Neocardioceras-juddii-Zonen, im Unterturonium die Watinoceras-coloradoense- und Mammites-nodoso- ides-Zonen sowie die Collignoniceras-woollgari-Zone des Mittel- und die Subprionocyclus-neptuni-Zone des Oberturonium. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Kenntnis der Biostratigraphie und Paläobiogeographie der Ammonitenfaunen der frühen Oberkreide geleistet. Abstract In this synoptic account, the ammonite faunas from the Cretaceous of Saxony (Germany, Elbtal Group, Lower Cenomanian to Lower Coni- acian) are systematically briefly described and photographically illustrated following new taxonomic concepts. The synonymies are biased exclusively towards important regional paleontological citations and aim to translate the historical (and sometimes still used) names into the new taxonomy. A total of 35 taxa is presented and Morrowites subdepressus Cobban & Hook, 1983 is reported for the first time from the Cretaceous of Saxony. The ammonite inventory of Elbtal Group allows recognizing all standard biozones of the lower Upper Cretaceous, from Upper Cenomanian to the Upper Turonian, based on the well documented presence of their index taxa. In the Upper Cenomanian, these are the Calycoceras naviculare, Metoicoceras geslinianum and Neocardioceras juddii zones; in Lower Turonian, the Watinoceras coloradoense and Mammites nodosoides zones, as well as the Collignoniceras woollgari Zone in the Middle and the Subprionocyclus neptuni Zone in the Upper Turonian. The present paper is thus an important contribution for the biostratigraphy and paleobiogeography of early Late Cretaceous ammonites. 7.1. Einführung Vertreter der Ammonoideen gehören zu den wichtigsten (siehe z. B. Klug & Korn 2004, Kröger & Mapes 2007) Leitfossilgruppen der Erdgeschichte. Nach ihrer Ent- entwickelten sich die Ammonoideen erdgeschichtlich ste h ung im Devon vor etwa 390 Millionen Jahren (Ma) betrachtet sehr rasch und stellten bis in die späte Kreide ISBN 978-3-910006-52-2 | ISSN 1617-8467 201 M. Wilmsen, E. Nagm: Ammoniten Abb. 1. Taxonomisch wichtige Merkmale des Ammonitengehäuses; D = Durchmesser, U = Nabelweite, Wb = Windungsbreite, Wh = Win- dungshöhe. Fig. 1. Taxonomically important features of the ammonite shell; D = diameter, U = umbilical width, Wb = whorl breadth, Wh = whorl height. (65 Ma) hinein für gut 300 Millionen Jahre die mit Ab- U-Boot gleich, durch langsame osmotische Verände- stand besten Leitfossilien, d. h. sie erfüllen wesentliche rung des Verhältnisses von Gas zu Kammerflüssigkeit, Merkmale eines „guten“ Leitfossils, wie hohe Evoluti- die Position in der Wassersäule regulieren konnte. Man onsgeschwindigkeit, leichte Kenntlichkeit, Häufigkeit, geht davon aus, dass das Phragmocon einen annähernd gutes Erhaltungspotential und weite paläobiogeographi- neutralen Auftrieb erzeugte (Klug 2010). Vortrieb wurde, sche Verbreitung. Auch in der späten Kreidezeit gehören wie bei anderen Cephalopoden, wohl durch Kontraktion Ammoniten zusammen mit den inoceramiden Muscheln der Mantelhöhle und das Herauspressen von Wasser über zu den wesentlichen biostratigraphisch relevanten ma- den Trichterapparat erreicht (Wasserstrahlantrieb). Über rinen Makrofaunen. Neben den planspiral aufgerollten die Weichkörperanatomie der Ammonoideen hingegen Vertretern sind in dieser Zeit auch heteromorphe („an- ist vergleichweise wenig bekannt (siehe z. B. Klug et al. dersgestaltige“) Ammoniten von Bedeutung. 2012). Mutmaßlich zehn saugnapfbewährte Arme umga- Bei den Ammoniten handelt es sich um ectocochle- ben den mit einem zweiteiligen Kieferapparat (Aptychus/ ate (außenschalige) Kopffüßer (Cephalopoden). Das ge- Anaptychus) und einer Radula (Reibzunge) bewehrten kammerte Gehäuse aus Aragonit (Phragmocon) ist, aus- Mund. Bevorzugter Lebensraum der Ammoniten waren gehend von einer kleinen, eiförmigen Anfangskammer die Schelfmeere (und mit Einschränkungen auch der of- (Protoconch), zumeist spiralig in einer Ebene aufgerollt. fene Ozean), in denen sie verschiedene Niveaus in der Die Kammerscheidewände (Septen) sind randlich oft Wassersäule besiedelten (z. B. Westermann 1996, Tsujita stark verfaltet, sodass auf den meist nur als Steinkern & Westermann 1998). Eine ausgeprägte Faziesabhängig- vorliegenden Fossilien die komplexen Lobenlinien (Su- keit und auch (sub-)letale Schalenverletzungen durch bo- turen) gut sichtbar sind. Die einzelnen Kammern waren denlebende Räuber, wie z. B. dekapode Krebse (Kröger mit dem in der terminalen, etwa eine halbe bis ganze Win- 2000, Keupp 2006), legen für viele jurassisch – kretazi- dung umfassenden, Wohnkammer positionierten Weich- sche Ammoniten eine bodenbezogene (nektobenthische körper des Tieres durch einen organischen Schlauch oder demersale) Lebensweise nahe (vgl. Kennedy & (Sipho) aus Conchiolin verbunden; dieser Sipho ist ganz Cobban 1976, Moriya et al. 2003). Viele Aspekte der Pa- überwiegend auf der Außenseite der Spirale (extern, d. h. läobiologie von Ammoniten werden noch immer kontro- ventral) gelegen. Phragmocon und Sipho bildeten den vers diskutiert und der Leser sei hier auf Landman et al. hydrostatischen Apparat des Tieres, mit dem es, einem (1996), Keupp (2000), Klug & Korn (2004), Klug (2010) 202 GEOLOGICA SAXONICA — 60 (1): 2014 sowie die die aktuelle Zusammenfassung von Ritterbush 7.2. Beschreibung der Taxa et al. (2014) verwiesen. Das Ammonitengehäuse (sowohl Phragmocon als auch die Wohnkammer) bestand aus metastabilem Ara- Die Synonymielisten sind an wichtigen Zitaten zur regi- gonit, sodass der fossile Bericht der Ammoniten ganz onalen Paläontologie ausgerichtet und zielen darauf, die überwiegend durch Steinkernerhaltung dominiert wird. historischen (und teilweise immer noch verwendeten) Die Gehäuse sind oft mit Rippen, Dornen und Kno- Namen in die neuen taxonomischen Konzepte zu über- tenreihen ornamentiert, deren Funktion im Bereich der setzen. In keinem Fall ist eine vollständige Auflistung Feindesabwehr und Gehäusestabilisierung zu suchen ist. aller früheren Zitate beabsichtigt gewesen. Auch wird Das Ornament ist dabei oft ontogenetischen Trends un- nur auf die stratigraphische und räumliche Verbreitung ter worfen (Abschwächung/Verstärkung bzw. Verände- der Ammoniten in der Elbtal-Gruppe eingegangen. Unter rung gewisser Merkmale durch allometrisches Wachs- Bemerkungen werden aber in der Regel wichtige neue tum). Sichere Adultmerkmale sind die Ausbildung von Revisionsarbeiten genannt, die das entsprechende Taxon Mundsaumdifferenzierungen und die Approximation der betreffen und weitere Informationen liefern. Der geneig- terminalen Kammerscheidewände (sogenannte Loben- te Leser sei auf diese Arbeiten verwiesen. drängung). Kleinwüchsige Ammoniten haben adulte Ge- Einige sehr seltene Arten, die nur als Einzelfunde be- häusedurchmesser von ≤ 50 mm, mittelgroße zwischen kannt sind und sich in privaten Sammlungen finden, sind 50 – 100 mm und großwüchsige ≥ 100 mm. Für viele hier nicht detailliert beschrieben worden. Dazu gehören Taxa ist allerdings ein ausgeprägter Sexualdimorphismus Scaphites obliquus Sowerby, 1813 aus dem Unterceno- mit großwüchsigen Weibchen (Makroconche) und klein- manium, Meißen-Formation in Meißen-Zscheila (Köhler wüchsigen Männchen (Mikroconche) nachgewiesen (Ma- 1988, Prescher & Tröger 1989) sowie Pseudocalycoceras kowski 1962, Callomon 1963, siehe auch Landman et al. angolaense (Spath, 1931) [aufgeführt als Pseudocaly- 1996). co ceras dentonense (Moreman) bei Köhler 1993: 40, Taxonomisch wichtige Merkmale (Abb. 1) beziehen Abb. 5, Fig. 3, 4], Hamites cimarronensis (Kauffman & sich auf die Art der Gehäuseaufrollung (eng- oder weit- Powell, 1977) (Köhler 2004: 211, Abb. 1, 2) und Wortho- nabelig, heteromorph), den Windungsquerschnitt (breit- ceras vermiculum (Shumard, 1860) (Köhler 2012: 43, oder hochmündig), die Windungsform (z. B. platycon, Abb. 5, Fig. 7) aus dem Obercenomanium der unteren oxycon, …), das Ornament (glattschalig, berippt, bekno- Dölzschen-Formation von Niederau-Oberau. Auf den tet, bedornt, …) und