Acta Classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis
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ACTA CLASSICA UNIVERSITATIS SCIENTIARUM DEBRECENIENSIS TOMUS XXXVIII–XXXIX 2002–2003 DEBRECINI 2003 redigit LADISLAUS HAVAS adiuvante CSILLA SZEKERES Commentarii eduntur sumptibus auctoritateque Universitatis Debreceniensis administrantur in aedibus universitatis H-4010 Debrecen, Pf. 51. (Hungaria) ACTA CLASSICA XXXVIII– 2002– UNIV. SCIENT. DEBRECEN. XXXIX. 2003. p. 5–12. CAESAR ALS LITERATURKRITIKER VON TAMÁS ADAMIK In meinem Vortrag möchte ich auf fünf Fragen antworten: 1. Hatte Caesar ge- nug Zeit und Bildung, Literaturkritik zu üben? 2. Hat er Werke geschrieben, die mit Literaturkritik verbunden sind? 3. Hatte er seine eigene Stiltheorie, aufgrund deren er auch den Stil der anderen beurteilen konnte? 4. Kann man dokumentieren, dass Caesars Zeitgenossen seine Kritik für wichtig hielten? 5. Wie kann man das Gedicht interpretieren, das unter seinem Namen in Vita Ter- enti erhalten ist? 6. Endlich möchte ich aus auf diese Fragen gegebenen Ant- worten einige Schlussfolgerungen ziehen. 1. Obwohl der um 100 vor Christus in Rom geborene Caesar seinem Wesen nach Aristokrat war1, hatte er sich an Marius angeschlossen, der eine Verwand- te Caesars geheiratet hatte. Als Politiker führte er ein sehr aktives Leben, in- dem er sich an Crassus und Pompeius anschloss. Nachdem er im Jahre 59 Kon- sul wurde, hat er alles allein administriert und gemacht. Wie Sueton schreibt: Unus ex eo tempore omnia in re publica et ad arbitrium administravit, ut nonnulli urbanorum, cum quid per iocum testandi gratia signarent, non Caesare et Bibulo, sed Iulio et Caesare con- sulibus actum scriberent bis eundem praeponentes nomine atque cognomine, utque vulgo mox ferrentur hi versus: Non Bibulo quiddam nuper sed Caesare factum est: nam Bibulo fieri consule nil memini (Caes. 20, 2). Er hat allein die römische Welt umgestaltet. In diesen Verhältnissen erhebt sich die Frage, konnte er die Bildung und Übung erwerben, die ihn fähig machten Literaturkritik zu üben? Er hat eine ausgezeichnete griechische und römische Bildung von Haus aus bekommen. Was nun den Kern und das Wesen des Unterrichts betrifft, welchen der junge Caesar erhielt, so war derselbe in erster Linie griechisch. Und das Übergewicht des Griechischen war jedermann 1 Vgl. M. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur. Bern 1992, 326. 5 selbstverständlich, schon von den bekanntlich ja recht späten Anfängen der literarischen Bildung und Production an, in einem Gemeinwesen, dessen früheste Schriftsteller entweder von griechi- schem Geblüt oder doch wenigstens durch das Griechische gebildet waren2. Neben Cornelia, der Mutter der Gracchen, ist Caesars Mutter Aurelia das Schulbeispiel einer Frau, welche die Erziehung ihres Kindes persönlich leitet und überwacht. In besonderem Masse ist das urbane Latein für Caesar Mutter- Sprache, die durch Gespräche mit dem geistreichen Oheim Caesar Strabo und den Unterricht bei Antonius Gnipho vermehrt wird. Später fährt er nach Rhodos, bei dem berühmten Molon Rhetorik zu studie- ren. Das Studium der Rhetorik wird durch den erfolgreichen Rachefeldzug ge- gen Seeräuber verzögert, deren Zugriff sich Caesar durch ein Lösegeld entzo- gen hat. In der Gefangenschaft der Seeräuber hat er – nach Plutarch – Gedichte und Reden für sie geschrieben und vorgeführt. Diese Geschichte zeigt, dass Caesar die Gabe hatte, Menschen zu beurteilen und lenken. Diese Angabe ist sehr wichtig für uns, weil sie beweist, dass Caesar sich schon in seiner Jugend für Poesie und Rhetorik interessierte (2). Plutarch betont auch, dass Caesar ein geborener Redner war, der sich immer weiterbildete (3). Auch im Kriege hatte er immer bei sich einen Stenographen, dem er diktierte (17). Laut Sueton: Eloquentia militarique re aut aequavit praestantissimorum gloriam aut excessit. Cicero ad Cor- nelium Nepotem de eodem ita scripsit: Quid? oratorem quem huic antepones eorum, qui nihil aliud egerunt? quis sententiis aut acutior aut crebrior? quis verbis aut ornatior aut elegantior? (55, 1–2)…Pronuntiasse autem dicitur voce acuta, ardenti motu gestuque, non sine venustate (55, 2). 2. Plutarch und Sueton behaupten eindeutig, dass Caesar Werke geschrieben hat, in denen Kritik und Literaturkritik ein konstruktives Element waren. Als Cicero nach Catos Tod ein Werk in Catos Interesse gegen Caesar geschrieben hat, antwortete Caesar mit der Schrift Cato, die er im Jahr 45 vor Munda ge- schaffen hat. Das Werk umfasste mindestens zwei Bücher, die man Anticatones nannte. Wie Michael von Albrecht bemerkt: Selbst wenn Caesar nur ‘feine Ironie angewandt haben sollte’ (was sich nicht sicher beweisen lässt), hat er sich hier dennoch in seinem Hass auf die Verkörperung altrömischer Sitte und re- publikanischer Gesinnung demaskiert. Der Untergang der Schrift ist ein Glückfall für das An- denken – nicht Catos, sondern Caesars3. Doch nach den Angaben Plutarchs bewunderten viele Leute beide Werke (54)4. 2 E. G. Sihler, C. Iulius Caesar. Sein Leben nach den Quellen. Leipzig und Berlin 1912, 3–4. 3 M. von Albrecht, op. cit. 329. 4 Vgl. H. J. Tschiedel, Caesar und der berauschte Cato. WJA NF 3 (1977) 105–113. 6 Zwar war die Rede für Caesar nur Mittel zum Zweck, doch handhabte er sie bewusst. Schon früh wird er durch seinen Oheim Iulius Caesar Strabo und den Grammatiker M. Antonius Gnipho zu überlegten Umgang mit der Sprache an- geregt. Sueton summiert seine literarische Tätigkeit wie folgt: Reliquit et de analogia duos libros et Anticatones totidem ac praeterea poema quod inscribitur Iter. Quorum librorum primos in transitu Alpium, cum ex citeriore Gallia conventibus peractis ad exercitum rediret, sequentes sub tempus Mundensis proelii fecit; novissimum, dum ab urbe in Hispaniam ulteriorem quarto et vicensimo die pervenit (56, 5). Ohne die Vorbildung bei Gnipho wäre die rasche Abfassung einer Spezial- schrift De analogia während einer Alpenüberquerung undenkbar. In diesem Werk behandelt er die durch Vergleichen gewonnene Regel der Bildung, Ab- wandlung und Zusammensetzung der Worte5. Caesar deklinierte den Genitiv Plural von panis als panium (während später Verrius Flaccus, der Lehrer der Enkel des Augustus, panum verlangte. Die Identität der Form im Dativ und Ablativ von Worten wie mare, calcar, animal wurde als Regel festgestellt, während der Ablativ von iubar iubare sei. Auch war Caesar geneigt, das i im Dativ Singular der Deklination, die wir die vierte nennen, ausfallen zu lassen6. Gellius hat aus diesem Werk einige Stellen zitiert, zum Beispiel: tamquam scopulum, sic fugias inauditum atque insolens verbum (1, 10, 4)7 . Auf dem Weg von Rom nach Spanien, im Jahre 46 entsteht das Reisegedicht Iter. Noch eine interessante Angabe teilt uns Sueton mit: Feruntur et ab adulescentulo quaedam scripta, ut Laudes Herculis, tragoedia Oedipus, item Dic- ta collectanea: quos omnis libellos vetuit Augustus publicari in epistula, quam brevem admodum ac simplicem ad Pompeium Macrum, cui ordinandas bibliothecas delegaverat, misit (56, 7). D. h., Augustus hat dafür gesorgt, dass von Caesar selbst nicht veröffentlichte Werke keine Verbreitung fanden: Das Lob des Herkules, eine Tragödie Oedi- pus, das Reisegedicht und eine Sammlung von Apophthegmata8. 3. Jetzt sehen wir, ob Caesar seine eigene Stiltheorie hatte. Ciceros Meinung nach hatte Caesar seine eigene Stiltheorie und er konnte seine Theorie in der Praxis verwirklichen. In Ciceros Brutus spricht Atticus über Caesars Stil wie 5 J. Bühler, Kultur der Antike. II. Römertum. Stuttgart 1957, 145. 6 E. G. Siehler, op. cit. 237–238. 7 H. Dahlmann, Caesars Schrift über die Analogie. RhM NF 84 (1935) 258–275; vgl. B. Axelson, Unpoetische Wörter. Lund 1945, 131–133. 8 V. Valcárcei, La pérdida de la obra poética di César. Un caso de censura? In: Symbolae L. Mitxelena septuagenario oblatae, Bd. l, Vitoria 1985, 317–324. 7 folgt: Caesar autem rationem adhibens consuetudinem vitiosam et corruptam pura et incorrupta consuetudine emendat. Caesar korrigiert den schlechten Sprachgebrauch mit dem reinen und korrekten Sprachgebrauch. A. E. Douglas erläutert, wie man diesen Satz verstehen soll: Consuetudo, the language actually used, is the given phenomenon from which appropriate prin- ciples must be deduced. But where there is a choice between consuetudines, as when through his- torical circumstances a language is ‘corrupted’ by outside influence, ratio is the touchstone for selecting the better usage. … On this view ‘analogical’ forms and words which were too far from common usage should be avoided9. Itaque cum ad hanc elegantiam verborum Latinorum – quae, etiam si orator non sis et sis ingenuus civis Romanus, tamen necessaria est – adiungit illa orato- ria ornamenta dicendi, tum videtur tamquam tabulas bene pictas conlocare in bono lumine. Hanc cum habeat praecipuam laudem in communibus, non video cui debeat cedere. Splendidam quamdam minimeque veteratoriam rationem dicendi tenet, voce motu forma etiam magnificam et generosam quodam modo (361). Nach Ciceros Urteil erfüllen Caesars Reden einerseits die Forderung der Elegantia, d. h. des jeweils treffenden Ausdrucks. Damit entspricht Caesar dem attizistischen Ideal, (ohne dass man ihn deshalb zum Attizisten stempeln darf). Aber Ciceros weitere Worte führen über den strengen Attizismus hinaus und zeigen, dass Caesar sich als Redner nicht mit bloßer Korrektheit begnügt. Und wenn Caesar dann noch zur treffenden Wortwahl die rednerischen Schmuckmittel hinzufügt, dann scheint er mir gleichsam gut gemalte Bilder in guter Beleuchtung aufzustellen10. Ciceros Lob bestätigt also, dass Caesar in seinen Reden nicht in der Art der commentarii gesprochen hat. Cicero