Raff, Joachim

positionsklasse für Frauen eingerichtet. – Raff führte mit der Schauspielerin Doris Raff (geb. Genast) eine Künstle- rehe, in der seine Ehefrau in den ersten Jahrzehnten der Ehe für den regelmäßigen Lebensunterhalt sorgte. Seine Haltung schlug sich besonders in der Ausbildung seiner Tochter Helene Raff nieder, die er privat unterrichten ließ, weil er die übliche Ausbildung für „höhere Töchter“ für ungenügend hielt. Helene Raff wurde zunächst Male- rin und dann als Schriftstellerin aktiver Teil der Frauen- bewegung in München. – Vergleichbar mit den Lebens- läufen zahlreicher Komponistinnen widersetzt sich Raffs Biografie den Maßstäben der „Heldengeschichtsschrei- bung“, die jene Komponisten zu alleinstehenden Meis- tern stilisierte, deren Werke bis heute einen Kanon im öf- fentlichen Konzertwesen bilden.

Orte und Länder

Joachim Raff wurde in Lachen am Zürichsee geboren und schlug zunächst eine Lehrerlaufbahn ein, die ihn Porträt des Schweizer Komponisten, Lehrers und Pianisten nach Rapperswil führte. Nachdem er sich auf Mendels- Joseph (1822-1882). sohns Rat hin ganz für den Musikerberuf entschieden hatte, lebte er wenige Monate in Zürich, Köln, Stuttgart Joachim Raff und Hamburg von Gelegenheitsarbeiten, bis er 1850 als Geburtsname: Joseph Joachim Raff Liszts Assistent nach Weimar zog, wo neben Instrumen- tations- und Arrangiertätigkeiten für seinen Mentor * 27. Mai 1822 in Lachen, Schweiz auch seine ersten größeren Werke entstanden. Raff † 24. Juni 1882 in Frankfurt am Main, Deutschland emanzipierte sich in den Folgejahren von dem Kreis der „Neu-Weimaraner“ und siedelte 1856 nach Wiesbaden Komponist, Musikpädagoge, Hochschullehrer, Dirigent, über, wo seine damalige Verlobte, Doris Genast, eine An- Pianist, Arrangeur stellung als Schauspielerin am Theater hatte. In Wiesba- den entstanden die bedeutendsten Werke v.a. auf den Ge- „Obgleich er ursprünglich aus einem Kreis stammte, wo bieten der Symphonik, der Sololiteratur und der Kam- die Frauen geringe Bildung und demgemäß wenig Anse- mermusik. Raffs Werke wurden in dieser Zeit weltweit hen genossen, hatte ihn die Erfahrung seines Lebens aufgeführt (z.B. in New York, London, Florenz, Mailand, zum Vorkämpfer der Frauen gemacht. Er vertrat über- Neapel) und Raff genoss in Künstlerkreisen höchste An- haupt die Ansicht, daß jedem denkenden Wesen Gelegen- erkennung als Komponist. Nach 21 Jahren als freischaf- heit zur Entwicklung seiner Fähigkeiten geboten werden fender Künstler wurde Raff 1877 zum Gründungsdirek- müßte. ‚Laßt die Leute heran!‘ – mahnte er – ‚unterd- tor des neuen Hoch’schen Konservatoriums nach Frank- rückt niemand! macht keine Märtyrer! Nichtige Dinge furt berufen, das dort ein Jahr später eröffnete. und Menschen erledigen sich von selbst.‘“ Biografie

(Helene Raff, Joachim Raff, Deutsche Musikbücherei Joseph Joachim Raff wurde am 27. Mai 1822 in Lachen Bd. 42, Regensburg 1925, S. 224). am Zürichsee geboren. Er war zunächst als Lehrer tätig, Profil bis er sich 1844 von Mendelssohn ermutigt dazu ent- schied, die Musikerlaufbahn einzuschlagen. Die folgen- Joachim Raff wirkte als Komponist und als Musikpädago- den Jahre verbrachte Raff mit unterschiedlichen Tätigkei- ge. Als Kompositionslehrer hat er in allen Stationen sei- ten u.a. als Privatlehrer, im Musikalienhandel und im nes Lebens auch Frauen unterrichtet und am Verlagswesen vor allem in den Städten Köln, Stuttgart Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt die erste Kom- und Hamburg. 1850 siedelte Raff nach Weimar über, um

– 1 – Raff, Joachim

Liszts Assistent zu werden. Raff entwickelte innerhalb Musikerin. Sehr sorgfältig reflektiert sie diese Rolle im des Parteienstreits zwischen Konservativen und Neudeut- Vorwort der Biografie, macht auf die unvermeidbare Lü- schen eine Mittlerposition und wurde damit in Weimar ckenhaftigkeit ihrer Quellen aufmerksam und relativiert zunehmend als Außenseiter wahrgenommen. 1856 ge- die Zuverlässigkeit ihrer Erinnerungen in manchem De- lang Raff die Loslösung von Weimar, indem er seiner tail. Diese Haltung verleiht den Berichten ein hohes Maß Ehefrau Doris Raff (geb. Genast) nach Wiesbaden folgte, an Glaubwürdigkeit (Raff 1925, S. 7). wo sie als Schauspielerin engagiert war. In Wiesbaden er- Schließlich zeigt Helene Raff ein hohes gesellschaftliches reichte Raff seine größte Popularität besonders als Kom- und politisches Bewusstsein. Immer wieder reflektiert ponist von zahlreichen Kammermusiken, Konzertstü- sie auch über zeit- und geistesgeschichtliche Entwicklun- cken und insgesamt zwölf Sinfonien. Raff bediente wäh- gen. Von perspektivischer Beschränktheit kann also kei- rend seiner Schaffenszeit nahezu sämtliche musikalische ne Rede sein. Gattungen und brachte es auf etwa 200 Opus-Nummern. Auf Grundlage dieser beiden Biografien erschien 1972 ei- 1877 wurde Raff nach Frankfurt/Main als Gründungsdi- ne Jubiläumsschrift zur Denkmaleinweihung in Lachen rektor des Hoch’schen Konservatoriums berufen, das ein (Schweiz) von Josef Kälin und Anton Marty: „Leben und Jahr später eröffnete. Die bekanntesten Lehrkräfte, die Werk des vor 150 Jahren geborenen Komponisten Joa- Raff dort engagierte, waren und Julius chim Raff“ (Lachen 1972), die Helene Raff in einigen De- Stockhausen. Raff starb in der Nacht vom 24. auf den 25. tails ergänzt, aber ansonsten ihre Darstellung überwie- Juni 1882 an einem Herzinfarkt in seiner Frankfurter gend paraphrasiert, wenn auch in Teilen etwas ungenau. Wohnung. Die neueste biografische Schrift stammt von Markus Rö- mer, „Joseph Joachim Raff (1822–1882)“ (Wiesbaden: Quellen Steiner 1982), und ist gegenüber Helene Raffs Büchern um einige Quellen (u.a. aus der UB Frankfurt/Main) rei- Als Primärquellen für das Leben Joachim Raffs liegen cher. uns zwei Schriften seiner Tochter Helene (1865–1942) vor: Die Biografie „Joachim Raff. Ein Lebensbild“ (Deut- sche Musikbücherei Bd. 42. Regensburg: Bosse 1925) Kindheit und Jugend und ihre eigene Biografie „Blätter vom Lebensbaum“ (München: Knorr & Hirth 1938.). Joseph Joachim Raffs Vater, Franz Joseph Raff, ent- Helene Raff hat sich bei ihren Recherchen überwiegend stammte dem Ort Wiesenstetten im Schwarzwald. Er auf zahlreiche Briefe gestützt, die in dem Familiennach- floh 1810 vor der Zwangsrekrutierung durch die mit Na- lass „Raffiana“ an der Bayerischen Staatsbibliothek Mün- poleon verbündeten württembergischen Truppen, die be- chen verwahrt werden. Hinsichtlich überprüfbarer Tatsa- reits einen älteren Bruder getroffen hatte, in die Schweiz. chen erweisen sich ihre Biografien in der Regel als sehr Dort ergänzte er seine Ausbildung im Zisterzienserklos- zuverlässig. ter Wettingen, wurde zunächst Hauslehrer in Luzern Zugleich ist Helene Raff auch als Schriftstellerin von Er- und kam schließlich als Schulmeister nach Lachen am zählungen und Legenden in Erscheinung getreten, die Zürichsee, wo er die Tochter des Landammanns, Kathari- ihr erzählerisches Talent bezeugen. Auch ihre biografi- na Schmid, kennen lernte. Sie heirateten am 19. Juli schen Schriften wirken sehr bildhaft und entfalten eine 1819 in Einsiedeln. Am 27. Mai 1822, einem Pfingstmon- starke plastische Wirkung auf die Leserschaft. Es wäre je- tag, wurde als erstes Kind Joseph Joachim Raff geboren doch voreilig, darauf zu schließen, dass diese Bildhaftig- und noch an demselben Tag katholisch getauft. 1824 sie- keit der Erzählweise die Zuverlässigkeit hinsichtlich his- delte die Familie für kurze Zeit nach Rapperswil über, torischer Tatsachen schmälern würde. Vielmehr muss an- wo der Vater eine Anstellung an der Knabenschule erhal- erkannt werden, dass ihr die eigenen Erinnerungen und ten hatte. Diese musste er jedoch wegen einer schleichen- die Berichte anderer Personen lebhaft präsent waren, als den Lungenerkrankung bald wieder aufgeben. Zurück in Helene Raff sie aufzeichnete. Beide Schriften sind damit Lachen eröffnete Raffs Mutter einen Laden für Glas und sehr ergiebige Quellen einer intensiv erlebenden und ver- Porzellan, während sich ihr Mann einer Höhenluftkur un- arbeitenden Zeitzeugin. terzog. Nach erfolgreicher Genesung kehrte dieser auf sei- Sie selbst wusste um ihre schwierige Rolle als Biografin ne alte Lehrerstelle in Lachen zurück. ihres eigenen Vaters, dem sie sehr anhing, und als Nicht- Raff zeigte als Kind außerordentliche geistige Begabun-

– 2 – Raff, Joachim gen, die sein Vater energisch förderte. Lesen konnte Raff bereits mit sechs Jahren und zwei Jahre später übersetz- 1840 bestand Raff mit Leichtigkeit die Konkursprüfung, te er aus dem Lateinischen. Auch das musikalische Ta- die zur Erlangung des Lehrpatentes notwendig war. Dar- lent des Vaters, der neben der Orgel auch Violine und aufhin wurde ihm von der Regierung eine Stelle als Leh- Klarinette zu spielen gelernt hatte und als Jugendlicher rer an der oberen Primarschule in Rapperswil übertra- in seiner Heimat gelegentlich zum Tanz aufspielte, übert- gen, sodass er zum notwendigen Lebensunterhalt seiner rug sich auf den Sohn. Dieser lernte ebenfalls Orgel und Familie beitragen konnte. Geige und sang im Chor. Bereits als Zehnjähriger vertrat In die Rapperswiler Zeit fielen die ersten Kompositionen er gelegentlich seinen Vater, der häufig erkrankte, auf Raffs, der dort immer stärker seine Veranlagung zur Mu- der Orgelbank. sik spürte. Weiter gefördert wurde sein musikalisches Ta- Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit war Raffs Va- lent durch neue Freundschaften zu Musikern wie dem ter öfters jähzornig gegenüber seinem Sohn. Wenn Raff Züricher Kapellmeister Franz Abt, dessen Konzerte Raff nicht den Erwartungen seines Vaters entsprach, wurde häufig besuchte. Damit setzte Raff seinen heimlichen au- er mit der Rute gezüchtigt. Von einer dramatische Episo- todidaktischen Lehrgang fort, der mit dem Notieren ein- de berichtet Helene Raff (1925, S. 18f): Als sich der facher Melodien auf Geige und Orgel und mit dem Studi- 15-jährige Junge wieder einmal zu Unrecht gemaßregelt um einer alten Harmonielehre aus dem Besitz seines Va- fühlte, trat er in den Hungerstreik, den er erst beendete, ter begonnen und bereits in der Bibliothek der Jesuiten nachdem sein Vater ihm das Ausbleiben künftiger Miss- reichlich Material gefunden hatte. handlungen versprochen hatte. Dennoch vereinte Vater Raff spürte immer stärker den Drang zur Musik. Gegen und Sohn die Liebe zur Musik. eine musikalische Laufbahn stand aber der erbitterte Wi- Mit zwölf Jahren wurde Raff von seinen Eltern in das derstand seiner Familie. Vor allem sein Vater wollte ihm württembergische Rottenburg geschickt, um dort das die selbst erfahrene Enttäuschung ersparen, vom Musi- Gymnasium zu besuchen und damit möglicherweise eine zieren nicht leben zu können. In seiner Not wandte sich spätere Anstellung als Lehrer vorzubereiten. Er logierte Raff mit einem Brief und einigen beigelegten Kompositio- dort bei Freunden seines Vaters und war häufiger Gast nen an Felix Mendelssohn Bartholdy und bat um ein st- bei seiner väterlichen Verwandtschaft. In den Ferien wan- renges Urteil, da er für einen Berufsweg als Musiker sei- derte er regelmäßig zu Fuß an den Zürichsee. ne Stellung aufgeben und seine Familie verlassen müss- 1838 zwang ein Streit unter den Bauern im Kanton te. Die Antwort fiel sehr ermutigend aus und Mendels- Schwyz die Familie Raff, obgleich eigentlich unbeteiligt, sohn empfahl die eingesandten Stücke an den Verlag Lachen zu verlassen und über Schmerikon nach Schwyz Breitkopf und Härtel, der später tatsächlich etliche Wer- überzusiedeln. Dort betätigte sich der Vater als Musikleh- ke Raffs herausgab. rer, während die Mutter Studenten in Kost und Logis auf- 1844 schied Raff aus dem Schuldienst aus. Die zuständi- nahm. Für Raffs Schulbesuch in Württemberg fehlten da- gen Behörden entließen ihn mit hervorragenden Zeugnis- mit jedoch die Mittel, sodass er im örtlichen Jesuitenkol- sen. Raff zog von Rapperswil nach Zürich und versuchte leg angemeldet wurde, das ihn sehr prägte. In der Atmo- sich mit Stundengeben durchzuschlagen, stets unter- sphäre „harmonisch ausgeglichener Geistigkeit“ öffneten stützt durch Empfehlungen von Franz Abt. Dennoch mus- sich ihm reiche Bildungsquellen, die Umgangssprache ste Raff Schulden machen und geriet im Dezember 1844 dort war Latein, und der junge Raff genoss die Anrede regelrecht in Konkurs. als „Dominus“. Die Zeugnisse der Jahre 1839 und 1840 Am 18. Juni 1845 bot sich ihm die Gelegenheit, Franz bescheinigten ihm besondere Leistungen in Rhetorik Liszt in einem Konzert in Basel zu hören. Helene Raff be- und Philosophie (vgl. Raff 1925, S. 26f). richtet anekdotenreich (S. 37ff), er sei erheblich zu spät Die Patres hielten so viel auf Raffs Können, dass sie ihn und vom Platzregen durchnässt in Basel angekommen, als Dolmetscher für den päpstlichen Nuntius Monsigno- wo der Saal bereits ausverkauft war. Liszts Sekretär Bello- re Gizzi empfahlen, als dieser zur Ernennung eines Gene- ni habe dem Meister daraufhin von dem sonderbaren ralvikars nach St. Gallen reiste. Raff bewältigte seine Auf- Gast berichtet, woraufhin Liszt Raff auf dem Podium di- gabe so souverän, dass er sich damit den Herren von St. rekt neben sich platziert habe. Nach dem Konzert habe Gallen eindringlich empfahl. es ein längeres Gespräch zwischen Liszt und Raff gege- ben, der von dem künstlerischen Eindruck der Darbie- Lehrtätigkeit und Berufswahl tung noch vollkommen überwältigt war. Raff habe seine

– 3 – Raff, Joachim gegenwärtige Situation geschildert und dabei den Meis- schaft der Verleger Breitkopf und Härtel, Schuberth und ter durch sein musikalisches und sonstiges Wissen so be- Kahnt und lernte in Dresden noch Friedrich Wieck, den eindruckt, dass dieser ihn auf seine weitere Reise nach Vater Clara Schumanns, und Karl Gottlieb Reissiger ken- Straßburg, Köln und Bonn mitnahm. nen, mit dem er bis zu seinem Lebensende befreundet blieb. Die Möglichkeit zum Studium bei Mendelssohn Wanderjahre zerschlug sich mit dessen Tod am 4. November 1847. Die von Riemann aufgestellte und von Helene Raff wiederhol- Auf Liszts Empfehlung hin erhielt Raff eine Anstellung te Behauptung, Mechettis Tod habe Wien als Reiseziel bei der Musikalien- und Pianofortehandlung Eck und Le- für Raff zunichte gemacht, kann nicht stimmen, weil die- febvre in Köln, mit der er sich seinen Lebensunterhalt si- ser erst am 25. Juli 1850 starb. Es lässt sich deshalb nur chern konnte, die ihn jedoch wegen der Arbeitsbedingun- feststellen, dass Raff vermutlich nach Mendelssohns Tod gen und der herablassenden Behandlung durch seinen seinen ursprünglichen Plan wieder aufgriff, nach Stutt- Arbeitgeber bald verbitterte. Liszt stellte außerdem Kon- gart überzusiedeln. takt zu den Verlegern Mechetti (Wien) und Schott In Stuttgart konnte Raff seine Existenz nur mit Mühe (Mainz) her, die sich einiger Werke Raffs annahmen, die durch Stundengeben bestreiten. Er komponierte Lieder, unter Liszts Einfluss entstanden waren. Streichquartette, seinen groß besetzten 121. Psalm und Im Juni 1846 lernte Raff auf dem deutsch-flämischen seine erste Oper „König Alfred“, die trotz anderslauten- Sängerfest in Köln zu seiner großen Freude Felix Men- der Versprechen des Hofopernintendanten von Gall un- delssohn Bartholdy persönlich kennen (Todd, S. 570). aufgeführt blieb. Den vielfältigen Enttäuschungen der Mendelssohn besprach Raffs neuere Werke, machte ihn Stuttgarter Jahre stehen die Bekanntschaften mit Kuni- auf formale Mängel aufmerksam und warnte ihn davor, gunde Heinrich, einer verwitweten Musiklehrerin, die si- nur seine Vorbilder (erst Mendelssohn, dann Liszt) zu ko- ch mit mütterlicher Fürsorge Raffs annahm, und mit pieren, ohne aber „den inneren Grund ihrer Schreibart dem damaligen Gymnasiasten Hans von Bülow entge- zu erfassen“ (Raff 1925, S. 48). Als Raff ihm daraufhin ge- gen. stand, sich nach einer fundierten Ausbildung zu sehnen, Liszt warb brieflich mehrfach um Raff und bot ihm eine lud Mendelssohn ihn nach Leipzig ein, um bei Ihm zu Beschäftigung in seinem Umfeld. Raff lehnte jedoch ab studieren, sobald er von seiner Englandreise heimge- und provozierte Anfang 1848 durch seine schroffe Ant- kehrt sei. wort das erste Zerwürfnis mit Liszt. Liszt bot ihm zu dieser Zeit die Bearbeitung des vierten Der Stuttgarter Perspektivlosigkeit entfloh Raff im Sep- Aktes von Meyerbeers „Hugenotten“ an, um Raffs Na- tember 1848 nach Hamburg, wo ihm der Musikverleger men bekannt zu machen und ihm zu einer produktiven Julius Schuberth endlich die ersehnte Anstellung bot. Auseinandersetzung mit Meyerbeer zu verhelfen. Briefli- Schuberth stellte Raff auch als Komponist der Öffentlich- ch teilte Liszt Raff seine Absicht mit, ihn mit nach Wien keit vor und verewigte ihn in seinem „Musikalischen zu nehmen und ihn stärker als zuvor an seine eigene Handbüchlein für Künstler und Kunstfreunde“. Schuber- Laufbahn zu binden. th wollte Raff zum Musikalienhändler ausbilden und als In Köln geriet Raff in ein kompositorisches Produktions- Filialleiter nach Amerika schicken. fieber, das ihm Liszts Warnung einbrachte, bei den Verle- In Hamburg kam es auch zu einem erneuten Zusammen- gern als Vielschreiber und damit als unseriös zu gelten. treffen mit Liszt, dem versöhnliche Briefe Raffs vorange- Zusammen mit musikschriftstellerischen Tätigkeiten ver- gangen waren. Liszt erneuerte sein Angebot, Raff zu sich suchte Raff, sich von seinem Arbeitgeber unabhängig zu nach Weimar zu holen. Vermutlich sah Raff darin seine machen. Doch seine publizistischen Angriffe auf mehrere letzte Möglichkeit für eine musikalische Laufbahn und Persönlichkeiten der Kölner Musikszene führten ledigli- willigte schließlich ein – allerdings nicht ohne Schuberth ch dazu, dass er nach einem Zerwürfnis mit seinem Ar- zu versprechen, nach Hamburg zurückzukehren, falls die beitgeber selbst kündigte, um sich in Stuttgart als Musik- Tätigkeit in Weimar ihn enttäuschen würde. lehrer niederzulassen. Im Frühjahr 1847 verließ er Köln, um über Berlin, Leip- Weimar zig und Dresden nach Wien zu reisen, wo der Verleger Mechetti ihm auf Listzs Empfehlung hin eine Anstellung Am 24. November 1849 verließ Raff Hamburg, um Liszt anbot. Auf seinen Reisestationen machte er die Bekannt- zunächst nach Bad Eilsen und im Januar 1850 nach Wei-

– 4 – Raff, Joachim mar zu folgen. Raff arbeitete für Liszt in Weimar in der nicht verwirklichten Goethe-Stiftung oder als Kustos der Rolle eines Faktotums. Seine Tätigkeiten bestanden aus weimarischen Bibliothek zu qualifizieren. Raff sammelte einfachen Kopierarbeiten, Korrespondenz, Übersetzun- reichlich Material über den biblischen „Samson“, das gen, bis hin zu den Instrumentationen der großen Or- ihm nach dem Abbruch der Dissertation als Grundlage chesterwerke Liszts (vgl. dazu Raabe, aber einschrän- für seine spätere gleichnamige Oper diente. 1852 bewies kend Bertagnolli). Das von Liszt versprochene Honorar sich Raff bei der Ausrichtung des Musikfestes Ballens- dafür war von Fürstin Sayn-Wittgenstein, die Liszts tedt und der Berlioz-Woche in Weimar als hervorragen- Haushalt führte, deutlich beschnitten worden. Der Ar- der Organisator. Die Bewerbung auf eine Stelle als zwei- beitsaufwand grenzte an Ausbeutung, der aber die enor- ter Kapellmeister in München im Sommer 1853 wurde je- me Förderung durch Liszt gegenüberstand. doch durch einen Haftbefehl aus der Schweiz vereitelt, In der ihm verbleibenden Zeit komponierte Raff neben wo Raff noch unbeglichene Schulden aus dem Notjahr Liedern, Klavierwerken und Kammermusik schließlich 1845 hatte, der jedoch auf Liszts Betreiben hin in Zim- auch seine erste Große Symphonie e-Moll (1854, ver- merarrest umgewandelt wurde. schollen). Seine Oper „König Alfred“ unterzog er einer Musikalisch stellte sich Weimar für Raff zunehmend als Überarbeitung. Am Weimarer Hoftheater kam sie am Sackgasse dar. Neben den Arbeiten für Liszt kam er 9.3.1851 endlich zur Uraufführung, obgleich die Krank- kaum zu eigenen Kompositionen, und was er schuf, wur- heit der Fürstin Sayn-Wittgenstein Liszts Dirigat verhin- de von außen nur als Produkt der Förderung durch Liszt derte, sodass Raff selbst die Aufführung leitete. Bei den angesehen. Eine selbständige Wahrnehmung als Künst- Vorarbeiten lernte er auch den Regisseur Eduard Genast ler neben dem Meister schien unmöglich. Die inneren kennen, bei dessen Familie er das Weihnachtsfest 1850 Differenzen zu den ästhetischen Prinzipien der „Neu- verbrachte. Hier traf er erstmals mit der zweitältesten Weimaraner“ verstärkten Raffs Wunsch, Weimar zu ver- Tochter des Hauses, Dorothea (genannt Doris), zusam- lassen. Darin wurde er von seiner Verlobten Doris Gen- men, die als Schauspielerin am Hoftheater wirkte und ast energisch unterstützt, die vor allem seine kräftezeh- mit der er sich 1853 verloben sollte. rende Aufopferung für Liszt wahrnahm. Doris Genast Zwischen Raff und Liszt entwickelte sich eine enge wurde im Herbst 1853 nach mehreren Jahren an der Freundschaft, die ihm nicht nur das musikalische Um- Dresdner Hofbühne nach Wiesbaden engagiert, wo sie feld in Weimar erschloss, sondern auch die Häuser der am Herzoglich-Nassauischem Theater große Erfolge fei- traditionsreichen bürgerlichen Familien der Stadt. In erte. Während Raffs häufiger Besuche in Wiesbaden sch- Liszts Kreis traten bald auch Joseph Joachim und Hans loss er Bekanntschaft mit den dort ansässigen Musikern, von Bülow ein, die in diesen Jahren zusammen mit Raff die im Januar 1856 die Aufführung seiner Großen Sym- ein unzertrennliches Trio bildeten. phonie e-Moll erwirkten. Das Werk fand derartigen Bei- Es gab regelmäßig starke Spannungen zwischen Raff und fall fand, dass das Konzert wiederholt werden musste. der Fürstin Sayn-Wittgenstein, die Raff für einen Gelehr- Raff löste sich im darauffolgenden Sommer endgültig tentypus hielt, der besser hätte Mathematiker werden sol- von Weimar und siedelte nach Wiesbaden über. len, während Raff ihr musikalisches Urteilsvermögen in Das Verhältnis mit Liszt, der gekränkt war, blieb herzlich Abrede stellte (vgl. Raff 1925, S. 88f). und von gegenseitiger Wertschätzung getragen. Raff be- Raff geriet schon sehr bald in innere Distanz zur Neu- mühte sich um eine Einladung Liszts nach Wiesbaden, deutschen Schule, der er sich von Anfang an nicht zuge- um dort seine Symphonischen Dichtungen zu dirigieren. hörig fühlte. An Liszts Werken kritisierte er den Mangel Liszt musste aus terminlichen Gründen absagen, zeigte an Form, den dieser Raff gegenüber freimütig einge- sich Raff gegenüber jedoch sehr dankbar. In Weimar ver- stand. Mit Raffs Schrift „Die Wagnerfrage“, einer Ab- suchte Liszt, sich weiterhin für Raffs Werke einzusetzen, handlung über die Oper „Lohengrin“, kam es 1854 zum doch sein dortiger Einfluss wurde durch Differenzen mit offenen Bruch mit den „Neu-Weimaranern“. Raffs kriti- dem biederen Weimarer Publikum so geschmälert, dass sche, aber im Grundsatz positive Intention wurde dabei er schließlich Ende 1858 seine Stellung als Hofkapell- hinter seinem schroffen und oft belehrenden Schreibstil meister aufgab. übersehen. Liszt versuchte mehrfach, Raff eine eigenständige Stel- Wiesbaden lung zu verschaffen und riet ihm zur Promotion, um sich als Sekretär der von ihm geplanten, später allerdings Kurz nach Raffs Abschied aus Weimar wurde am 28. Au-

– 5 – Raff, Joachim gust 1856 die Oper „König Alfred“ unter Raffs Leitung reichte Raff die Nachricht, dass auch seine Kantate im Wiesbadener Theater aufgeführt. In Wiesbaden be- „Deutschlands Auferstehung“ (entstanden im Winter gann für Raff eine Phase der Unabhängigkeit und des 1862/63) bei einem Preisausschreiben des Verlegers kompositorischen Schaffens, die endlich zu seinem Kahnt in Leipzig prämiert wurde. Durchbruch führte. Raffs Erfolg breitete sich bald weit über die Grenzen Der Anfang in Wiesbaden gestaltete sich jedoch nach wie Deutschlands hinaus aus. Die Jahre 1871 bis 1876 bilde- vor bescheiden: Raff gab an zwei Mädcheninstituten der ten außerdem die produktivste Periode in Raffs Leben. Stadt Unterricht in Klavier und Harmonielehre, verding- Es entstanden fünf neue Symphonien und etliche Solo- te sich als Klavierlehrer und verfasste weiterhin Artikel werke. Besonders erfolgreich wurde die 3. Symphonie für Musikzeitschriften. Immerhin sicherten ihm die An- „Im Walde“ op. 153, die bis 1877 außerhalb Deutschlands stellung am Geyerschen Institut und seine Tätigkeit für auch in „Amerika, Belgien, England, Frankreich, Russ- die „Nassauische Zeitung“, die ihn zur „Besprechung land und Italien“ (Mendel-Reissmann, S. 229) aufge- sämtlicher dramatischen und musicalischen Aufführun- führt wurde, gefolgt von der 5. Symphonie „Lenore“ op. gen“ verpflichtete, ein regelmäßiges Einkommen (Ar- 177. Leopold Damrosch berichtete von zahlreichen Raff- beitsverträge in der Bayerischen Staatsbibliothek Mün- Aufführungen in New York, während Hans von Bülow chen, Raffiana III). Daneben arbeitete er fieberhaft an ebenfalls sein Möglichstes zur Verbreitung der Werke sei- der Fertigstellung des „Samson“, dessen Uraufführung nes Freundes im In- und Ausland tat. 1858 wegen unüberbrückbarer Schwierigkeiten in Darms- Um 1870 zählte Raff für mehrere Jahre zu den meistauf- tadt scheiterte und schließlich auch in Weimar platzte. Ei- geführten Symphonikern Deutschlands. Es folgten Einla- ne Inszenierung in Wiesbaden hatte Raff ausgeschlagen, dungen nach Paris und London (die Raff allerdings nicht um Liszt den Vorzug geben zu können, sodass das Werk annahm), Ehrenmitgliedschaften diverser musikalischer unaufgeführt blieb. Gesellschaften und Vereine im In- und Ausland (Dres- Am 15. Februar 1859 wurde die „stille bescheidene“ den, Königsberg, Wiesbaden, Florenz, Mailand, Neapel, Hochzeit mit Doris Genast gefeiert. Verwandte waren we- New York) und Raff wurde Träger hoher Orden und Me- gen zu hoher Reisekosten nicht gekommen (Raff 1925, S. daillen. 151). Durch einen Unfall, der ihre Gesundheit für längere In die Wiesbadener Zeit fiel auch die engere Bekannt- Zeit beeinträchtigte, verlor Doris Raff ihr erstes Kind no- schaft Raffs mit Richard Wagner, als dieser im Sommer ch vor der Geburt. Am 31. März 1865 wurde Helene Raff 1862 in Biebrich weilte. Es ist verbürgt, dass Raff Wag- geboren und blieb das einzige Kind dieser Ehe (Raff ner die Anregung dazu gab, dem Verleger Schott die fünf 1938, S. 7). „Wesendonck-Lieder“ als einstweiligen Ersatz für die In den Jahren 1861 bis 1866 entstand vorwiegend Kam- „Meistersinger von Nürnberg“ anzubieten, als Wagner mermusik, so auch das Quintett op. 107, das Raff selbst wegen einer verletzten Hand die Weiterarbeit an seinem als eines seiner Hauptwerke ansah und das von Bülow Musikdrama unterbrechen musste (Wagner, 2. Bd, S. als das bedeutendste Kammermusikwerk seit Beethoven 818). Raffs Schwägerin Emilie Genast sang die Lieder überhaupt betrachtet wurde. Die „Cavatine“ op. 85 Nr. 3 Schott vor, der sofort zugriff. für Violine und Klavier, die später vielfach bearbeitet Trotz regelmäßiger Besuche entwickelte sich das Verhält- und Raffs bis heute bekanntestes Werk wurde, war be- nis zwischen Raff und Wagner zwiespältig. Raff hegte reits 1859 entstanden und erschien 1862 im Druck. Dane- große Bewunderung für die „Meistersinger von Nürn- ben verfasste Raff wieder zahlreiche Arrangements und berg“, hatte jedoch namentlich an „Tristan und Isolde“ Salonmusiken, um den Lebensunterhalt zu sichern. seine Zweifel. Ihn ermüdete besonders die Länge, er kriti- Das Jahr 1863 brachte den endgültigen Durchbruch für sierte bei Wagner den Mangel an Polyphonie und die vor- Raff: Seine 1. Symphonie „An das Vaterland“ op. 96 (be- herrschende Rolle der Harmonik, die für Raff nur das gonnen im Spätsommer 1859) wurde bei einem Preisaus- Produkt melodischer Abläufe zu sein habe. (Römer, S. schreiben der Gesellschaft der Musikfreunde Wien mit 33–35) Raff hat Wagner seine Kritik offensichtlich nicht dem 1. Preis ausgezeichnet und sehr erfolgreich aufge- vorenthalten und dieser muss sich derart gekränkt ge- führt. Sogar Eduard Hanslick resümierte: „Jedenfalls fühlt haben, dass das Urteil über Raff in seiner Autobio- bleibt man nach Raff’s an- und aufregender Symphonie graphie „Mein Leben“ reichlich abschätzig ausfiel (S. begierig, dieselbe wieder einmal (am liebsten freilich 800f). stückweis) zu hören.“ (Hanslick, S. 314) Noch in Wien er- Mit der 7. Symphonie „In den Alpen“ op. 201 begannen

– 6 – Raff, Joachim sich erneut die Stimmen zu mehren, die Raff zunehmend marer Berlioz-Woche ausgezeichnet hatte, dass nach ei- „Vielschreiberei“ und einen damit einhergehenden Man- nem Jahr am 25. September 1878 der Unterrichtsbetrieb gel an Qualität vorwarfen. Raff ließ sich davon jedoch reibungslos beginnen konnte. Um Kosten zu sparen, ver- nicht beeindrucken und berief sich auf Mozart, der unter zichtete Raff auf Sekretär und Bibliothekar und erledigte 300 Werken auch nicht nur Meisterwerke hinterlassen diese Aufgaben selbst. Neben den Direktionspflichten lei- habe. Überdies hatte er die langsam Schaffenden im tete Raff außerdem die Kompositionsklasse, die 1880 um Verdacht mangelnder Erfindungsgabe (Raff 1925, S. eine Parallelklasse für Frauen erweitert wurde. 206). Raffs pädagogische Begabung, sein Organisationstalent 1874 hinterließ der Frankfurter Musikliebhaber Joseph und seine Gelehrsamkeit gingen in seinem neuen Amt ei- Paul Johannes Hoch seiner Heimatstadt eine große Erb- ne glückliche Allianz ein, die einen erfolgreichen Start schaft mit der Auflage, mit diesen Mitteln ein Musikkon- mit 139 Schülerinnen und Schülern begünstigte. Seine servatorium zu gründen, das seinen Namen tragen sollte. wissenschaftlichen Ansprüche, die er bereits in seiner Er- Ende 1876 wurde ein Kuratorium unter Vorsitz des Ober- öffnungsrede darlegte, bildeten den Grundstein für eine bürgermeisters Heinrich Mumm von Schwarzenstein ge- akademisch ausgerichtete Musikausbildung nach moder- bildet, das nach kurzer Suche Raff die Direktion des neu- nen Maßstäben. Von Raffs hervorragendem Unterricht le- en Instituts antrug. Für Raff stellte der Posten die feste gen die Berichte seiner Schüler Fritz Bassermann und Anstellung dar, um die er sich immer wieder vergeblich Heinrich Spangenberg Zeugnis ab (Raff 1925, S. bemüht hatte. Er nahm sofort an und wurde für 10 Jahre 225–227). in das Amt gewählt. Das Verhältnis zu Clara Schumann wandelte sich im Lau- fe der Jahre. Während Raff sie als Künstlerin hoch ver- Frankfurt/Main ehrte, stand sie ihm menschlich und als Komponist kriti- sch gegenüber. In ihrem Tagebuch bezeichnete sie ihn Im Sommer 1877 siedelte Raff nach 21 Jahren in Wiesba- als „durchaus unsympathisch“ (Litzmann, S. 369). Ihrer den, wo wichtige Werke entstanden waren, mit seiner Fa- Berufung stimmte sie wegen ihrer Bedenken gegen die milie nach Frankfurt am Main über, um mit den Vorar- Zusammenarbeit mit ihm nur sehr zögerlich zu. Als Raff beiten zur Eröffnung des Hoch’schen Konservatoriums sie aber am 20. Oktober 1878 mit einem Fest des Konser- zu beginnen. Innerhalb eines Jahres musste Raff etliche vatoriums zu ihrem goldenen Bühnenjubiläum über- organisatorische, technische und finanzielle Probleme lö- raschte, das sie sehr bewegte, begann sich ihr Verhältnis sen. Dazu gehörten die Suche nach geeigneten Räumlich- kontinuierlich zu entspannen. Während Raffs Krankheit keiten, die im alten Saalhof gefunden wurden, und die im April 1882 bezeugte sie in ihrem Tagebuch besorgte Bestellung der Lehrkräfte. Dabei legte Raff, entspre- Anteilnahme und zeigte sich schließlich auch von seinem chend der eigenen musikalischen Sonderstellung als Tod im Juni 1882 tief getroffen (Litzmann, S. 425, 429f). Komponist, der sich weder den Neudeutschen noch den Während der folgenden Jahre wurde das Konservatori- Konservativen eindeutig zuordnen ließ, großen Wert auf um immer wieder Reiseziel für bedeutende Künstlerin- eine ausgeglichene Vertretung der vorherrschenden Par- nen (Marianne Brandt, Marie Wilt, Pauline Viardot-Gar- teien. Auf Empfehlung Julius Stockhausens hin, der cia) und Künstler (, Hans von Bülow, nach zähen Verhandlungen gegen ein Jahreshonorar von Georg Henschel, Ferdinand Hiller, ). Durch 9000 Reichsmark verpflichtet werden konnte, wurde Cla- die häufigen Besuche von Johannes Brahms entwickelte ra Schumann in das Kollegium berufen. Einen Vertreter sich das Konservatorium zu einem „Zentrum authenti- für die neue Richtung fand Raff in dem Wagner-Vereh- scher Brahms-Interpretation“ (Cahn, S. 61). Franz Liszt rer Joseph Rubinstein (1847–1884), der jedoch wegen besuchte gleich zwei Mal die Lehranstalt seines geschätz- Krankheit bereits ein Jahr später von Karl Heymann ten Freundes. (1854–1922) abgelöst werden musste. An alten Bekann- Trotz Raffs immensen Arbeitspensums für das junge In- ten verpflichtete Raff nur den Cellisten Bernhard Coß- stitut entstanden in Frankfurt bedeutende Werke wie die mann (1822–1910), den er schon aus den Weimarer Ta- vier Orchestervorspiele zu Shakespeare-Themen WoO gen kannte, und seinen ehemaligen Schüler Anton Ursp- 49–52 und das Oratorium „Welt-Ende, Gericht, Neue ruch (1850–1907). Welt“ op. 212, das noch am 17. Januar 1882 in Raffs Ge- Es zeugt von Raffs organisatorischem Geschick, das ihn genwart in Weimar uraufgeführt wurde. Dennoch be- bereits 1852 beim Musikfest Ballenstedt und bei der Wei- gann das Bild des Hochschullehrers das des Komponis-

– 7 – Raff, Joachim ten zu überlagern. Schon zu seinem 60. Geburtstag muss- lie von Mandelsloh (1829–1906), die damals als Hoffräu- te Raff enttäuscht feststellen, dass man ihn ausschließli- lein in den Diensten von Großfürstin Maria Pawlowna ch als Konservatoriumsdirektor ehrte, jegliche Glückwün- stand (vgl. Raff 1925, S. 135). In Wiesbaden unterrichtete sche aus der Musikwelt jedoch ausblieben. Er selbst hat Raff an zwei großen Mädcheninstituten Klavier und Har- seinen Nachruhm sicherlich dadurch nicht gefördert, monielehre. Private Kontrapunktstunden gab er u.a. der dass er seinen Lehrkräften und SchülerInnen am Konser- später als Scherenschnittkünstlerin bekannt gewordenen vatorium untersagte, seine Werke zu spielen, um jeden Marie Rehsener (1840?–1917) (vgl. Raff 1938, S. 10). Wettkampf um seine Gunst im Keim zu ersticken. Auch Als Raff Gründungsdirektor des Hoch’schen Konservato- zuhause stieß er häufig Gäste vor den Kopf, indem er die riums in Frankfurt am Main wurde, führte er dort die Darbietung seiner Werke verbot, weil er darin eine Art Kompositionsklasse des Instituts. Sie wurde zunächst Bezahlung für seine Gastfreundschaft sah (Raff 1938, S. nur von Männern besucht, deren Anzahl zwischen 8 78). (1879/80) und 15 (1881/82) schwankte (1878/79: 12; Bereits 1879 kam es zu einem langwierigen Streit mit Ju- 1880/81: 10). Im dritten Schuljahr 1880/81 gliederte lius Stockhausen, der schließlich 1880 in dessen Kündi- Raff dieser Klasse jedoch eine Parallelklasse für Frauen gung und in der Errichtung eines konkurrierenden Ges- an, die im ersten Jahr von vier Schülerinnen besucht wur- angsinstituts mündete. Seitdem verschlechterte sich de: Victoire Lyon (Lebensdaten unbekannt), Olga von Ra- Raffs Gesundheitszustand zusehends. Hinzu kamen be- detzki (1856?–?), Agathe Schultz (Lebensdaten unbe- lastende Auseinandersetzungen mit dem Kuratorium um kannt) und Mary Wurm (1860–1938). Raffs Kompositi- eine Neuorganisation des Konservatoriums. Raffs Arbeit- onsklasse für Frauen war die erste an einem Konservato- seifer blieb davon unberührt. Nach der Uraufführung rium in Deutschland. (Viele Komponisten unterrichteten des Oratoriums „Welt-Ende“ begann er sofort mit den Frauen zuvor bereits privat. An der Berliner Akademie Planungen zu einem Oratorium über Johannes den Täu- der Künste erhielten Kompositionsschülerinnen bei Max fer. Im Frühjahr 1882 erlitt Raff einen nächtlichen Ersti- Bruch und Heinrich Barth Einzelunterricht. 1879/80 ckungsanfall. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine wurde mit Mathilde Fleckeisen am Dresdner Konservato- unheilbare Herzerkrankung und verbot Raff die Arbeit rium erstmals eine einzelne Frau als Kompositionsschüle- am Konservatorium sowie jegliche Anstrengung. Nach rin in die Klasse Franz Wüllners aufgenommen. Sie er- Wochen der Linderung nahm Raff die Arbeit nach sei- hielt 1882 ein Reifezeugnis „für die selbständige Weiter- nem 60. Geburtstag wieder auf, weil der Arzt die Mei- entwicklung als Komponist“. In München findet sich nung vertrat, die durch Raffs Abwesenheit entstehenden 1894/95 eine erste Kontrapunktschülerin bei Viktor Glu- Probleme am Konservatorium würden diesen genauso th – in Rheinbergers Kompositionsklasse allerdings zeit- stark belasten wie die Arbeit selbst, die ihm immerhin Be- lebens keine einzige. Raffs Leistung besteht in der Institu- friedigung verschaffe. – Raffs unermüdliches Schaffen tionalisierung der Ausbildung in der Größenordnung ei- endete mit seinem plötzlichen Tod infolge eines Herzin- ner ganzen Klasse.) Am 4. Juli 1881 fand zum Ende des farktes in der Nacht vom 24. Juni 1882. Schuljahres ein öffentliches Prüfungskonzert mit Wer- ken aller Schülerinnen und einiger Schüler Raffs statt, Würdigung die ihr erstes Unterrichtsjahr in Komposition absolviert Raff als Kompositionslehrer hatten. Im Schuljahr 1881/82 traten schließlich Anna Mo- Joachim Raff wirkte neben seiner Tätigkeit als Kompo- zer und Annie Wirsing (beider Lebensdaten unbekannt) nist intensiv und nachhaltig als Pädagoge. Für seine ge- neu in Raffs Klasse ein (vgl. Cahn, S. 82), die damit auf samte Schaffenszeit lässt sich nachweisen, dass er auch sechs Schülerinnen anwuchs. Mädchen und Frauen unterrichtete. Bereits während sei- Raffs Engagement für eine Kompositionsklasse für Frau- nes Aufenthalts in Hamburg (1849) nahm er sich der en war auch insofern folgerichtig, als die Gesamtzahl der Tochter des Verlegers Julius Schuberth (1804–1875), Ma- Schülerinnen in Frankfurt stets deutlich über derjenigen ry Schubert (Lebensdaten unbekannt), für Kompositions- der Schüler lag – ein Phänomen, das an den Konservato- stunden an (Raff 1925, S. 70). Neben seiner Assistenztä- rien schon damals sehr verbreitet war – und diese im tigkeit für Franz Liszt betätigte sich Raff auch in Weimar zweiten und dritten Schuljahr sogar um das Dreifache als Kompositionslehrer. Neben seinen männlichen Schü- übertraf (1878/79: 97 weiblich, 42 männlich; 1879/80: lern Alexander Ritter (1833–1896) und Edmund Singer 132 w., 44 m.; 1880/01: 158 w., 50 m.). Allerdings be- (1830–1912) nennt Helene Raff als Schülerin auch Nata- schränkte sich die Wahl der Hauptfächer fast ausschließ-

– 8 – Raff, Joachim lich auf Klavier und Gesang, in denen die Schülerinnen sches Aushängeschild der Anstalt wahrgenommen. Raff in der absoluten Überzahl waren. Violine und auch Kom- überraschte sie mit einer Gedenkfeier im Konservatori- position wurden als Hauptfach vergleichsweise selten ge- um zu ihrem goldenen Bühnenjubiläum am 20. Oktober wählt, Violoncello bis 1894/95 gar nicht. 1878 und „hielt eine herzliche Anrede“. In der anschlie- Dennoch kommt Helene Raff hinsichtlich der schöpferi- ßenden Matinee wurden ausschließlich Kompositionen schen Kraft der Kompositionsschülerinnen zu einem zeit- von Clara Schumann aufgeführt, die davon sehr gerührt typischen Resümee: „Durch hingebenden Fleiß und war (Litzmann, S. 387). durch musikalisches Feingefühl haben seine Kompositi- Allerdings stellte die künstlerische Wertschätzung für onsschülerinnen ihm manche Freude bereitet: sie arbeite- Clara Schumann als Frau bei Raff zunächst eine absolute ten gewissenhaft und faßten leicht, doch mußte Raff be- Ausnahme dar, wie folgender Brief an eine Bewerberin kennen, daß starke und eigenartige Erfindung im Gan- für das Kollegium zeigt: zen bei ihnen selten war. Die meisten von ihnen wurden „Sehr geehrtes Fräulein! der Kunst verhältnismäßig bald entzogen: nur eine von Mit Ausnahme von Mme Schumann ist und wird im Con- Raffs Schülerinnen, Mary Wurm, ist mit eigenen Vokal- servatorium keine Lehrerin angestellt. Mme Schumann und Instrumentalwerken sowohl in England als in Deut- selbst kann ich ebenwohl als Mann rechnen. Wenn Sie schland hervorgetreten.“ (Raff 1925, S. 224) Teilweise be- daher frei Unterricht geben wollten, so könnte dies nur fremdlich hinsichtlich des (freilich für 1925) unterstell- privatim geschehen.[…]“ (Brief vom 3. Juli 1879 an eine ten Bekanntheitsgrades wirkt dagegen ihre Einschätzung unbekannte Empfängerin, D-F, Sign. Mus.Autogr. Raff, von Raffs männlichen Schülern: „Dagegen haben viele Joachim A 25). von Raffs Kompositionsschülern klingende Namen in Diese Aussage muss jedoch dadurch relativiert werden, der Musikwelt erlangt wie Gottfried Angerer, Algernon dass Raff selbst ein Jahr später die Anstellung der Töch- Ashton, Fritz Bassermann, Adolf Göttmann, Max Löwen- ter Clara Schumanns anstrebte. Diese schrieb am 6. Juni gard, Edward Mac Dowell,† Theodor Müller Reuter, † Jo- 1880 an Brahms: „Raff kam neulich und bat sehr, ob Ma- hannes Meschäërt [Messchaert], Silvio Rigutini, Hein- rie und Eugenie sich nicht dazu verstehen wollten eine rich Spangenberg, Lazzaro Uzielli.“ (Raff 1925, S. Vorbereitungsklasse für mich zu übernehmen er wollte 224–225) sie dann definitiv als Lehrerinnen (d.h. nur Hülfslehre- Über Raffs Verständnis des Komponierens als Tätigkeit rinnen für mich) anstellen. Marie war entschieden dage- überliefert Helene Raff folgende Anekdote: „Freunde gen uns noch mehr an die Schule zu fesseln und schrieb und Verehrer schenkten ihm einen Stich nach einem et- ab; nun aber kam Dr. Hartmann im Auftrage des Curato- was süßlichen Bilde: ‚Webers letzter Gedanke‘. Malerisch riums mit derselben Bitte und da bekömmt es denn doch lehnte der Schöpfer des ‚Freischütz‘, eine Hand auf den ein anderes Ansehen und wir überlegen.“ (Litzmann, S. Tasten, im Klavierstuhl und wandte das Haupt nach ei- 410f). Raff stellte 1880/81 Marie Schumann an – erst nem ihn umschwebenden weiblichen Genius mit der Har- 1884/85 folgte Eugenie Schumann – und 1881/82 als fe. Raff sah das Bild geradezu mitleidig an und bemerkte weitere Frau im Lehrkörper die mit Raff seit 1862 be- trocken ‚Die haben eine Ahnung, wie man komponiert!‘“ kannte Sängerin Malvine Schnorr von Carolsfeld (vgl. (Raff 1925, S. 256) Cahn, S. 51) als Nachfolgerin Julius Stockhausens, der Damit kehrt sich Raff von dem verbreiteten Bild des Ton- nach Meinungsverschiedenheiten mit Raff aus dem Kon- dichters als stets männlich gedachter Schöpferfigur ab, servatorium ausgeschieden war. der der Inspiration durch eine selbstverständlich weibli- Helene Raff berichtet schließlich, dass das Institut unter che Muse bedurfte. Vielmehr scheint das Komponieren Raff auch für renommierte Musikerinnen weit über für Raff eine rein geistige Tätigkeit gewesen zu sein, die Frankfurt hinaus attraktiv war: „Häufig besuchten durch- in erster Linie harte Arbeit war (vgl. Raff 1925, S. 254f). reisende namhafte Musiker das Konservatorium, wohn- ten einer Schüleraufführung bei, äußerten ihre Befriedi- Raff als Konservatoriumsdirektor gung und Anerkennung, so Marianne Brandt, Georg Hen- Der größte Erfolg Raffs bei der Gründung des Konserva- schel, Pauline Viardot-Garcia, Marie Wilt u.a.“ (Raff toriums war die Gewinnung Clara Schumanns für den 1925, S. 232. Besuche Pauline Viardot-Garcias lassen si- Lehrkörper, deren Vertrag mit allerlei Privilegien ausges- ch durch andere Quellen bislang nicht belegen). tattet war. Sie siedelte von Berlin nach Frankfurt über Nachdem Raff unerwartet in der Nacht vom 24. Juni und wurde bis zu ihrem Ausscheiden 1892 als künstleri- 1882 verstorben war, wurde er in Frankfurt vor allem als

– 9 – Raff, Joachim

Konservatoriumsdirektor – weniger als Komponist – ge- Doris Raff ehrt. Seine Kompositionsschülerinnen finden bei Helene Am Weihnachtsfest 1850 lernte Raff Doris Genast näher Raffs kennen, die einer Schauspielerfamilie entstammte. Ihr Schilderung der Trauerfeier eine besondere Erwähnung: Vater Eduard Genast war Sänger, Schauspieler und Re- „Ein unendlich großer Leichenzug, eröffnet durch sämtli- gisseur. Er galt als Goethe-Schüler und veröffentlichte che Zöglinge des Konservatoriums. Das rührendste Bild seine Erinnerungen unter dem Titel: „Aus dem Tagebuch gewährten vielleicht die Schülerinnen aus Raffs Komposi- eines alten Schauspielers“ (4 Bände. Leipzig: Voigt & Gu- tionsklasse: sie schritten dahin, umschlungen von einer enther 1862-1866). Ihre Mutter Christine Genast-Böhler großen Girlande weißer Rosen, die sie hernach am Grabe war ebenfalls auf der Bühne tätig und genoss die beson- niederlegten.“ (Raff 1925, S. 253) dere Wertschätzung Goethes, der ihr 1822 das Gedicht „An Madame Genast“ zueignete. Nach Helene Raffs Aus- Nachwirkungen in Frankfurt/Main kunft habe Goethe einigen Freunden aus ihrem Dankesb- Raffs Nachfolger als Direktor des Hochʼschen Konserva- rief vorgelesen und sie „raten lassen, ob der Verfasser ein toriums in Frankfurt wurde der Komponist Bernhard Sc- Mann oder eine Frau sei. Schon die ungewöhnlich schö- holz. Trotz aller Veränderungen, die nun eintraten, wirk- ne klare Handschrift erweckte sein Wohlgefallen.“ (Raff ten Raffs Impulse weit über seinen Tod hinaus. Unter 1938, S. 62) den Kompositionsschülerinnen im Schuljahr 1882 findet Doris Raff „war auf Wunsch der Eltern, ohne rechte sich zunächst nur noch eine einzige Schülerin aus seiner Lust, in Weimar zur Bühne gegangen und dann in Dres- ehemaligen Klasse: Victoire Lyon. Die anderen Schülerin- den engagiert worden; eben dort ward ihr mählig klar, nen – wie auch die meisten Schüler Raffs – haben dem was Raff ihrem Leben bedeutete, und sie kehrte auf Ur- Konservatorium wohl nach seinem Tod den Rücken ge- laub heim, mit der Absicht, ihm ihr Jawort zu geben.“ kehrt. Annie Wirsing war zuletzt neben ihrem Studium (Raff 1925, S. 124f) Kurz nach der Verlobung hatte Doris als Hilfslehrerin für Klavier angestellt, verließ das Kon- Raff im Herbst 1853 die Wahl zwischen zwei Engage- servatorium aber 1882 zusammen mit Anton Urspruch, ments in Riga und Wiesbaden. Helene Raff führt nun al- als die Lehrkräfte die konservative Neuausrichtung des lerdings nicht den Verlobten sondern ausschließlich „ih- Konservatoriums durch Scholz vorausahnten. 1883 re zarte Gesundheit“ und „das milde Klima“ als Gründe tauchte aber mit der Clara Schumann-Schülerin Fanny dafür an, dass sie sich für Wiesbaden entschied (Raff Davies ein neuer weiblicher Name in Scholz’ Kompositi- 1925, S. 139). Raff war noch an Weimar gebunden, so- onsklasse auf – wenn auch nur für ein Schuljahr. Es folg- dass die Verlobten eine „Fernbeziehung“ führten. Doris ten Augustine Becker und Molly Klimsch (1885/86) in Sc- Raff unterstützte Raff finanziell durch eigene Enthaltsam- holz’ Klasse und Ida Müller (1887/88 bis 1889/90) in keit und wirkte auf Raffs Loslösung von Weimar hin der Klasse von Iwan Knorr. In den Klassen von Scholz (Raff 1925, S. 139). Trotz seiner Anstellung bei Liszt war und Knorr verzeichnen die Listen in diesen Jahren regel- Raff also finanziell teilweise von seiner Verlobten abhän- mäßig weitere Schülerinnen, die im Kontrapunkt unter- gig. Das mag ihn nicht weiter verwundert haben, da er be- wiesen wurden. Zwischen 1888 und 1903 wurden Kontra- reits erlebt hatte, dass seine Mutter – in Zeiten der Not – punktstudien, aber auch Kompositionen der Schülerin- berufstätig gewesen war (Raff 1925,S. 16, 26). nen des Konservatoriums zunehmend in den öffentli- Indem Helene Raff Raffs Frauenbild im Allgemeinen dar- chen Konzerten aufgeführt. stellt, beschreibt sie eine weitere Art seiner Abhängigkeit Auch hinsichtlich der Zusammensetzung des Lehrkör- von Doris Raff: „Von Liebe und Ehe, vom Weibe über- pers wurde Raffs Frauen gegenüber offene Praxis fortge- haupt, dachte niemand höher als Raff. Eine im Innersten setzt: Scholz verpflichtete im Februar 1883 die polnische keusche Natur, konnte er zynische und gemeine Reden Pianistin Nathalie Janotha, ebenfalls eine Schülerin Cla- weder im Gespräch noch gedruckt vertragen. Der erwähl- ra Schumanns, und berief im April 1883 Louise Héritte- ten Frau hing er mit unverbrüchlicher Treue bis zu sei- Viardot, die Tochter von Pauline Viardot-Garcia, zur nem Tode an. Völlig überließ er sich ihr in bezug auf Nachfolgerin Stockhausens. Nachdem Clara Schumann praktische Dinge, infolge seiner Abneigung gegen Realitä- im Februar 1892 krankheitsbedingt kündigen musste, ten.“ (Raff 1925, S. 261) wurde 1893 mit Lina Mayer eine weitere Schülerin von Klärungsbedürftig ist die Bedeutung des Umstandes, ihr als ihre Nachfolgerin berufen (Cahn, S. 127). dass sich in Raffs Freundeskreis auffallend viele Musiker- ehepaare befanden (Hans und Ingeborg von Bronsart, Fe-

– 10 – Raff, Joachim dor und Rosa von Milde, Karl und Elvira Müller-Berg- ne Raff berichtet außerdem von einem Gespräch zwi- haus, Ludwig und Malvine Schnorr von Carolsfeld). schen Raff und Johannes Brahms, zu dem Raff sagte: Die lange Zeit der räumlichen Trennung und die unste- „‚Sie sind beneidenswert, Brahms, können reisen, kön- ten wirtschaftlichen Verhältnisse mögen Gründe dafür nen persönlich der Interpret Ihrer Werke sein; unsereins gewesen sein, dass Joachim und Doris Raff erst sechs ist gebunden.‘ Das war ein Scherz, denn für Kunstreisen Jahre nach ihrer Verlobung am 15. Februar 1859 in Wies- eignete sich mein Vater keineswegs. Aber Brahms’ Züge baden katholisch heirateten. Auch in den kommenden verfinsterten sich, und fast grollend stieß er hervor: ‚So, Jahren scheint Doris Raff trotz des zunehmenden Er- dagegen könnte ich sagen: Sie sind ein glücklicher Mann, folgs ihres Mannes innerhalb der Künstlerehe für den re- sind beneidenswert, der Sie die Frau haben und das gelmäßigen Lebensunterhalt gesorgt zu haben. – Etwas Kind!‘“ (Raff 1938, S. 79) bissig formuliert Richard Wagner ihre Rolle in der Ehe so: „Frau Raff, eine Schwester der mir von Weimar her Helene Raff vortheilhaft bekannten Emilie Genast, war als Schauspie- Für die Zeit sehr ungewöhnliche Maßstäbe legte Raff bei lerin am Wiesbadener Hoftheater angestellt. Von ihr er- der Ausbildung seiner Tochter Helene an, da er die da- zählte man mir das Vorzügliche, dass sie durch ungemei- mals übliche Schulbildung für „höhere Töchter“ für unge- ne Sparsamkeit und Ordnungspflege die Lage ihres, bis nügend hielt. Helene Raff berichtet: „Mein Vater äußer- dahin in diesem Punkte sehr verwahrlosten Gemahles zu te: er würde es einfach nicht ertragen, ein halbgebildetes einem vortrefflichen Gedeihen umgewandelt hatte.“ (S. Geschöpf, das nicht imstande sei, auch nur ein Stück 800) Brot redlich zu verdienen, um sich herumlungern und Unklar ist Doris Raffs Rolle bei den ersten Konzerten auf den Mann warten zu sehen. Meine Mutter, selbst Be- Raffscher Werke am 23. Januar (Große Symphonie) und rufsfrau, pflichtete ihm völlig bei. Beide einigten sich da- am 28. August 1856 („König Alfred“) (Raff 1925, S. 140, hin, daß ich nach meines Vaters Lehrplan daheim, mit 144). Helene Raff erwähnt keine Einflussnahme ihrer- Hilfe eines guten Hauslehrers, unterrichtet werden soll- seits auf den Hofkapellmeister oder auf den Hofintendan- te.“ (Raff 1938, S. 29). Als Heranwachsende litt Helene ten, sondern führt die Aufführungen allein auf Raffs neu Raff freilich auch unter ihrer Sondererziehung, durch die entstandene Kontakte zurück. Andererseits zitiert sie ei- sie sich in Sprache und Verhalten von ihren Altersgenos- nen Brief Raffs an Kunigunde Heinrich, in der er Doris sen unterschied und wegen der sie in den Augen man- Raff beschreibt als „das treffliche Mädchen, dem er die cher Erwachsener als „das drollig altkluge Produkt einer jetzige Verbesserung seiner Lage großenteils verdankt.“ wunderlichen Aufzuchtsmethode“ angesehen wurde (Raff 1925, S. 144) (Raff 1938, S. 44). Mit dem Dienstantritt Raffs in Frankfurt beendete Doris Helene Raff trat als jüngste Schülerin in das neugegrün- Raff ihre Tätigkeit am Wiesbadener Theater. Eine Pensi- dete Hoch’sche Konservatorium ein, doch sie selbst be- on wurde ihr aufgrund ihres langjährigen Engagements schreibt ihr pianistisches Talent als sehr beschränkt zugesprochen, obwohl sie nicht die vorgeschriebenen 25 (Raff 1938, S. 76). Neben schriftstellerischen Versuchen Dienstjahre erreicht hatte. So emanzipiert die Rolle von widmete sie sich in ihrer Jugend vor allem der Malerei Doris Raff insgesamt auch wirken mag, scheint sie ihre unter ihrem Lehrer Angilbert Göbel, der Doris Raff wäh- Berufstätigkeit vor allem aus wirtschaftlicher Notwendig- rend einer Jugendkrise ihrer Tochter nahelegte, sie aus keit und nicht aus künstlerischer Überzeugung ausgeübt dem Konservatorium zu nehmen, um ihr Zeitpensum zu zu haben, wie Helene Raffs Kommentar über ihre Pensio- reduzieren: Doch Doris Raff sah keine Überlastung und nierung zeigt: „Der ganz seltene Fall trat nun ein, daß je- „befürchtete auch, mein Vater würde, schon des schlech- mand, der Bühnenblut von zwei Seiten hat und seit dem ten Beispiels wegen, nie erlauben, daß seine Tochter vor 16. bis fast zum 50. Jahre darstellerisch tätig war, ohne Abschluß des vierjährigen Kursus aus dem Konservatori- jedes Bedauern, ja freudig vom Theater Abschied nimmt. um austräte.“ (Raff 1938, S. 86) Meine Mutter war nie mit dem Herzen bei der Bühne ge- Raff förderte frühzeitig besonders das schriftstellerische wesen.“ (Raff 1938, S. 72; vgl. auch Raff 1925, S. 124) Talent seiner Tochter. Dies tritt am deutlichsten in der Ihre Rolle in Raffs Leben brachte ihr die Wertschätzung Vertonung ihrer Texte in der Kantate „Die Tageszeiten“ von Dritten ein: Als Liszt von ihren Entbehrungen er- op. 209 und in dem Liederzyklus „Blondes de Nesle“ op. fuhr, um Raff in Weimar zu unterstützen, habe er ausge- 211 zutage. Raff hatte ihr das Verfassen dieser Gedichte, rufen: „Die Frau ist eine Heldin“ (Raff 1925, S.139). Hele- die sie unter dem Pseudonym Helge Heldt veröffentlich-

– 11 – Raff, Joachim te, als Aufgabe gestellt, um ihre schriftstellerische Ent- zum Komponisten zugedacht. Von den verbleibenden wicklung voranzutreiben. Sie selber wertete dagegen die- sind 50 Werke Männern, zwei Werke Ehepaaren und se Aufgabe rückblickend insofern als Überforderung, als vier Werke musikalischen Ensembles zugeeignet. dass Lyrik nicht ihrer Veranlagung entsprochen habe Unter den weiblichen Widmungsträgerinnen sind (vgl. Raff 1938, S. 85). - Familienmitglieder Raffs (Doris Raff, Emilie Merian- Es dürfte nicht zuletzt auf ihren Vater zurückzuführen Genast); sein, dass Helene Raff zu Beginn des 20. Jahrhunderts - Frauen aus Raffs Freundes- und Bekanntenkreis (u.a. zunächst als Malerin und später als Schriftstellerin in Cosima von Bülow, Maria Marchand, Betty Schott); der Münchner Frauenbewegung, namentlich u.a. als Mit- - eine große Anzahl an nicht identifizierbaren „Fräu- glied im Münchner Schriftstellerinnenverein, aktiv war leins“, vermutlich aus dem Schülerinnenkreis Raffs und (Raff 1938, S. 286). Auf diesem Engagement ruhte ver- z.T. Hofdamen aus Weimar; mutlich auch Helene Raffs enge Freundschaft zu Henrik - Angehörige von Herrscherhäusern (Sophie Großherzo- Ibsen, den sie wegen seines Frauenbildes sehr schätzte: gin von Sachsen-Weimar-Eisenach und Olga Königin „Es konnte geschehen, daß er z.B. mitten im Gespräch von Württemberg); meine Hand nahm und triumphierend ausrief: ‚Ja, ja, - zahlreiche Berufsmusikerinnen (v.a. Pianistinnen) von Kind, die Zukunft ist unser!‘, was ich auf den Umstand teils internationalem Rang (u.a. Ingeborg von Bronsart, bezog, daß ich durch meinen Vater, der ähnlich wie Ib- Pauline Erdmannsdörfer-Fichtner, Elvira Müller-Berg- sen in Hinsicht der Frauenbildung dachte, eine völlig haus, Sophie Popper-Menter). vom Herkömmlichen abweichende Erziehung empfan- Rezeption gen hatte.“ (Raff 1938, S. 169–170) Die Vater-Tochter-Beziehung lässt sich im Allgemeinen Raffs Rezeption unterlag ähnlichen Mechanismen, die als sehr intensiv beschreiben. Das war auch nach außen auch zu dem Vergessen zahlreicher Frauen, die als Musi- hin sichtbar. Clara Schumann schrieb zum Tode Raffs an kerinnen im 19. Jahrhundert erfolgreich waren, beigetra- Brahms: „Ich bin, obwohl er mir innerlich nicht nahe gen haben. stand, doch tief betrübt für die arme Frau und seine Raffs Biografie eignet sich nicht für den Typus einer „Hel- Tochter, die schwärmerisch an ihm hing.“ (Litzmann, S. dengeschichte“ und ermangelt bis zur Frankfurter Zeit ei- 429) Helene Raff verlor ihren Vater mit 17 Jahren. Mit ih- nes traditionellen Wirkungsortes, der Raff eine Öffent- ren biografischen Veröffentlichungen setzte Helene Raff lichkeit gegeben hätte (vgl. Unseld). Weist sein Lebens- ihrem Vater historische Denkmäler, die auch von dieser lauf zu viele Inkohärenzen auf, die keine zusammenhän- Beziehung Zeugnis ablegen. gende Karriere ergaben und die sich auch nicht geschönt darstellen lassen? Die natürlichen Suchbewegungen (in Vertonungen der Berufswahl, in der Lehrerwahl, in der Existenzform) Wie oben erwähnt, vertonte Raff in der Kantate „Die Ta- scheinen im Gegenteil bezeichnend für Raffs Lebensbild geszeiten“ op. 209 und in dem Liederzyklus „Blondel de zu sein, münden sie doch gerade in seiner Stellung als Nesle“ op. 211 Texte seiner Tochter Helene Raff, die die- „Sondergänger“ im Parteienstreit des 19. Jahrhunderts. se im Auftrag ihres Vaters unter dem Pseudonym Helge Schließlich minderte sein Wirken als Konservatoriumsdi- Heldt verfasst hatte. rektor nicht nur seine Schaffenskraft sondern überlager- Daneben finden sich Texte folgender Dichterinnen in te auch seine Außenwahrnehmung als Komponist gerade Raffs Werk: in einer Lebensphase, in der andere Komponisten an der - Helene Branco (Ps. Dilia Helena): „Sanges-Frühling” Festigung ihres Rufs arbeiteten. op. 98 Nr. 2 und, 3, „Todte Liebe” WoO 20A Nr. 9; Die vorliegenden Quellen tun ihr Übriges, um einen besc- - Henriette von Schorn (Ps H. Nordheim): „8 Lieder“ op. hönigenden Eindruck zu verhindern: Raff selbst hat sich 173 Nr. 8; nie um seine Außendarstellung bemüht und nicht wie - Adelheid von Stolterfoth: „Sanges-Frühling” op. 98 Nr. z.B. Brahms dafür gesorgt, dass nur bestimmte Informa- 5. tionen der Nachwelt überliefert wurden. Seine Überbe- scheidenheit (das Aufführungsverbot seiner Werke am Widmungen Konservatorium und in seinem Hause) widersprach ei- 102 Werke Raffs tragen eine Widmung. 45 Werke davon ner von anderen offensiv praktizierten Lenkung der sind Frauen unterschiedlicher Herkunft und Stellung Wahrnehmung durch die Nachwelt diametral.

– 12 – Raff, Joachim

Raff starb außerdem unerwartet früh – er selbst hatte no- vor. ch Pläne für Kompositionen, die nach Helene Raffs Ein- 1972 wurde in Raffs Schweizer Geburtsort Lachen am Zü- schätzung „noch etwa fünfzehn Jahre, gering gerechnet,“ richsee eine Joachim Raff-Gesellschaft gegründet, die si- in Anspruch genommen hätten (Raff 1925, S. 237) – und ch seitdem um die Förderung seiner Werke und um das er hatte direkte Hinterbliebene, die sich der Aufgabe der Andenken seiner Person bemüht. Bewahrung des Andenkens annahmen. Welche Rolle Do- Seit 1999 betreibt der britische Liebhaber Mark Thomas ris Raff dabei spielte, ist bislang nicht konkret greifbar. auf www.raff.org die umfangreichste Datensammlung Sie scheint ihre Aufgabe jedoch in den Augen von Bü- über Raff im Internet. lows zuweilen übertrieben zu haben, da dieser Helene Quellen Raff zurief: „Lene, ich bitt’ dich, heirate nicht! Es schadet der Gerechtigkeit und Kritik. Die Gattinnen sind ein be- Schriften Raffs sonderer Schlag: päpstlicher als der Papst.“ (Raff 1938, S. 92) Raff, Joachim: Die Stellung der Deutschen in der Ge- Schließlich übernahm Helene Raff die Aufgabe der Bio- schichte der Musik. In: Hofmann von Fallersleben/Scha- grafin mit der kritischen Distanz einer Tochter, die vor al- de, Oskar: Weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, lem immer wieder bemängelte, dass ihr Vater es aus wirt- Literatur und Kunst. Bd. I Nr. 6. Hannover u.a.: Rümp- schaftlicher Unfähigkeit versäumt habe, Vorkehrungen ler 1854. S. 171–214. für die Sicherung der Existenz seiner Familie zu treffen. Helene Raff hatte ein ausgeprägtes historisches Bewussts- Raff, Joachim: Die Wagnerfrage. Erster Theil: Wagner's ein, wusste um ihre schwierige Rolle als Biografin ihres letzte künstlerische Kundgebung „Lohengrin“. Braun- Vaters und um das damit verbundene Dilemma: „Denno- schweig: Vieweg 1854. ch bin ich darauf gefaßt, da, wo ich meinem Vater viel- leicht nicht ganz beipflichte, der Pietätlosigkeit geziehen Artikel in: Leipziger Illustrierte Zeitung, Signale für die zu werden, hingegen da, wo ich aus Überzeugung für ihn musikalische Welt, Deutsche Allgemeine Zeitung, Neue eintrete, den Vorwurf der Parteilichkeit zu hören. Ich Zeitschrift für Musik. muß es auf beide Gefahren hin wagen.“ (S. 7) Nicht zu Raffs Popularität hat Hugo Riemanns Urteil über ihn (S. 427–433) beigetragen. Riemann hatte sich Primärquellen in den Jahren 1872 bis 1874 mehrfach vergeblich darum bemüht, Raffs Kompositionsschüler zu werden. Die Grün- Bülow, Hans von: Briefe und Schriften. 7 Bde. (1841 bis de für Raffs ablehnende Haltung sind nicht greifbar (vgl. 1894). Hg. von Marie von Bülow. Leipzig: Breikopf und Cahn, S. 30–36). Unabhängigere Stimmen wie Mendel- Härtel 1895–1908. Reissmann wurden dagegen von der Generation Rie- manns übertönt. Bülow, Hans von: Neue Briefe. Hg. und eingel. von Ri- Schließlich aber geriet Raffs Werk wie das vieler anderer chard Graf Du Moulin Eckart. München: Drei Masken Komponisten vor allem deshalb in Vergessenheit, weil es 1927. innerhalb des Parteienstreits zwischen Neudeutschen und Konservativen, auf den sich die Geschichtsschrei- Dr. Hoch’sches Konservatorium für Alle Zweige der Ton- bung nach 1900 als Deutung des vorangegangenen Jahr- kunst (Hg.): Jahresberichte, Jg. 1 (1879) – 30 (1908). hunderts konzentrierte, eine schwer greifbare Rolle spiel- Frankfurt. te. Auch Bruckner bedurfte energischer Fürsprecher, die seine Symphonien verbreiteten. Mit Hans von Bülow st- Hanslick, Eduard: Aus dem Concertsaal. Kritiken und arb jedoch 1894 Raffs entschiedenster Förderer, der bis- Schilderungen aus 20 Jahren des Wiener Musiklebens lang noch keinen entsprechenden Nachfolger gefunden 1848–1868. Wien/Leipzig: Braumüller 21897. hat. Während die Raff-Renaissance im Konzertsaal noch zö- Hornstein, Ferdinand von (Hg.): Memoiren von Robert gerlich einsetzt, liegen bereits diverse Einspielungen sei- von Hornstein. München : Süddeutsche Monatshefte ner Symphonien (u.a. von Urs Schneider und Hans Stadl- 1908. mair, zuletzt von Neeme Järvi) und vieler anderer Werke

– 13 – Raff, Joachim

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– 14 – Raff, Joachim

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– 15 – Raff, Joachim

chungen über die Werke Raffs wie auch über die Rezepti- http://www.raff.org/ onsgeschichte Raffs fehlen fast vollständig. Bestehende Erwähnungen von Raffs Schaffen und Auslassungen http://www.joachim-raff.ch/ über seine Person gehen in der Regel über die Wiederho- lung ungeprüfter Klischees nicht hinaus, die sich somit http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Raff seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Literatur unver- ändert halten. Arbeiten zu Genderfragen liegen ebenfalls http://www.musikwissenschaft-leip- noch nicht vor. zig.com/2013/10/10/raff-als-kompositionslehrer/ Normdaten Forschung Virtual International Authority File (VIAF): Speziell zu Genderaspekten liegen keine Forschungser- http://viaf.org/viaf/34644328 gebnisse vor. Einige aktuelle Veröffentlichungen widmen Deutsche Nationalbibliothek (GND): sich explizit Einzelaspekten von Raffs Schaffen (Bevier http://d-nb.info/gnd/118597779 1982, Wiegandt 1994 und 1995, Bomberger 1997, John- Library of Congress (LCCN): son 1997, Steinbeck 1997, Wiegandt 1999, Boresch 2001, http://lccn.loc.gov/n82055934 Bayreuther 2002, Bertagnolli 2002, Hinrichsen/Sack- Autor/innen mann 2004). Eine umfangreiche biografische Quellen- sammlung legte Res Marty 2014 vor. Simon Kannenberg Die Quellen in der Erinnerungsliteratur des 19. Jahrhun- Bearbeitungsstand derts sind überreich und zeugen von der Wirksamkeit Raffs zu seinen Lebzeiten. Briefe sind in großer Zahl in di- Redaktion: Martina Bick versen Archiven und Bibliotheken vorhanden, allen vor- Regina Back an im Familiennachlass „Raffiana“ in der Bayerischen Zuerst eingegeben am 27.02.2014 Staatsbibliothek München. Zuletzt bearbeitet am 25.04.2018 Mehrere Musikwissenschaftler behandeln in ihren aktuel- len Vortragstätigkeiten Themen zu Raffs Schaffen: Rai- mugi.hfmt-hamburg.de ner Bayreuther, Walter Labhart. In Vorbereitung ist eine Forschungsprojekt an der Dissertation über „Joseph Joachim Raff und Hans von Hochschule für Musik und Theater Hamburg Bülow – ihre Beziehung anhand der überlieferten Doku- Projektleitung: Prof. Dr. Beatrix Borchard mente“ (Simon Kannenberg). Harvestehuder Weg 12 In der Edition Nordstern (Stuttgart) erscheinen regelmä- D – 20148 Hamburg ßig bislang unveröffentlichte Werke Raffs. Die Musikpro- duktion Jürgen Höflich bietet Reprints vergriffener Parti- turen an. Eine Übersicht über verfügbare Noten ist zu fin- den unter: http://raff.org/scores/newscore.htm

Forschungsbedarf

Über Raffs Unterrichtstätigkeit in Wiesbaden (1856–1877) liegen bislang nur wenige Informationen vor. Bekannt ist lediglich Raffs Unterrichtstätigkeit an zwei Mädcheninstituten und als Privatlehrer der Ge- schwister Marie und Johanna Rehsener (vgl. Raff 1938, S. 10, und Hust 2013). Über die Wiesbadener Zeit über- haupt (Sachs 1999) sowie über die Wanderjahre liegen nur sehr wenige Informationen vor. Der gesamte Forschungsstand ist sehr lückenhaft: Seit den Schriften der Tochter Helene Raff (1925/1938) ist keine biografische Arbeit mehr erschienen. Untersu-

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