Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7, Heft 1-2: 1-128 Mai 1992 Impressum:

Herausgeber: Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz - Oberste Naturschutzbehörde -

Schriftleitung: K. Fiedler, Kantstraße 7, D-6050 Offenbach am Main

Redaktion: Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Frankfurt am Main Dr. H.-J. Böhr, Wiesbaden Dr. W. Keil, Altenstadt W. Schindler, Solms Dr. W. Schütz, Eltville

Redaktions- Redaktion „Vogel und Umwelt" anschrift: c/o K. Fiedler, Kantstraße 7, D-6050 Offenbach am Main

Gesamt- herstellung: C. Adelmann, Frankfurt am Main

Wiesbaden 1992

Alle Rechte vorbehalten.

Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren verantwortlich; dieser gibt nicht in jedem Falle die Auffassung des Herausgebers wieder. Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7, Mai 1992 Heft 1-2: 1-128 ISSN 0173-0266

Herausgeber: Hessisches Ministerium für Landesentwicklung,Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz - Oberste Naturschutzbehörde - Zu dieser Ausgabe

Falls die avifaunistisch Interessierten unter unseren Lesern einen höheren Anteil an ornitholo- gischen Spezialarbeiten in dieser Ausgabe erwarten, sei darauf hingewiesen, daß wir es für notwendig und sinnvoll gehalten haben,einen möglichst großen Leserkreis ausführlich mit den Problemen des derzeit ablaufenden Strukturwandels in der Landbewirtschaftung vertraut zu machen. Die daraus resultierenden Tendenzen zur Brachflächen-Vergrößerung werden sich auf die Erhaltung und Pflege unserer seitherigen Grünland-Biotope auswirken. Für den Bestand der bedrohten Arten dieser Lebensräume wird dies weitere Konsequenzen mit sich bringen. Dokumentationen und Denkansätze, die sich mit dieser Problematik befassen und Lösungs- möglichkeiten zeigen, müssen daher frühzeitig einer weiten Verbreitung zugeführt werden.

Die Redaktion

2 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7 ISSN (1992 -1993) 0173-0266

Herausgeber: Hessisches Ministerium für Landesentwicklung,Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz - Oberste Naturschutzbehörde - Inhaltsverzeichnis

Berichte Seite

H. ANHÄUSER: Falken als Gebäudebrüter 289 G. BINKER: Lösungsvorschläge zum Konflikt „Holzschädlingsbekämpfung/Fledermäuse" 313

W. BRAUNEIS: Schlußwort zur Wanderfalken-Fachtagung in Eschwege 255

0. DIEHL: Bemerkungen zur Ansiedlung von Schleiereulen in Gebäuden 321

A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (20) 81

A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (21) 153 A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (22) 351 C. v. ESCHWEGE: Entwicklung der natürlichen Wanderfalkenbestände in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz 247 H. FISCHER: Fotoserie 219

M. GÖDDE: Zum Erhalt bedrohter Mauerpflanzenbestände 275 A. HARBODT& K. RICHARZ: Hat das Rebhuhn (Perdix perdix) in Hessen eine Zukunft? - Informationen zum hessischen Rebhuhn-Untersuchungsprogramm - Teil I: Projektbeschreibung 143 J. JORDAN: Naturschutzoffensive in Hessen 131 G. JUNG: Artenschutzbelange aus der Sicht der Denkmalpflege 319

J. KÄMPFE: Umweltschutz beim Bauen in Hessen 264 E. KAISER: Schutzmöglichkeiten für Mauersegler 307 W. KIRMSE: Wiedereinbürgerung baumbrütender Wanderfalken durch erneute Traditionsbildung 231 G. KLEINSTÄUBER: Die Bedeutung des nordhessischen Wanderfalkenprojektes für östlich angrenzende Räume 191

M. KÖHLER: Grüne Wände-Artenschutz durch Fassadenbegrünung? 267 A. KÖSTER: Untersuchung zur Etho-Ökologie der Elster (Pica pica) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) im Raum Korbach, Nordhessen 161 TH. MAERTENS & M. WAHLER: Der Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche - Beitrag zu einer ökologischen Leitplanung für Hessen 4 A. NORGALL: Dokumentation der Greifvögel-Populationsuntersuchungen in Hessen von 1984 bis 1992 331 K. RICHARZ: Wanderfalken-Tagung 11. Oktober 1992 in Eschwege - Begrüßungsworte 179

K. RICHARZ: Schwerpunktthema: Artenschutz an Gebäuden 263

K. RICHARZ: Fledermausschutz an Gebäuden 293 Berichte Seite

L. SERWATY: 15 Jahre Wanderfalken-Auswilderung in Hessen - Erfahrungen und Bewertung aus der Sicht der Fachbehörde 183 P. SÖMMER: Methoden bei der Baumauswilderung von Wanderfalken im Lande Brandenburg 241 G.TROMMER: Möglichkeiten und Methoden zum Wiederaufbau einer baum- brütenden Wanderfalkenpopulation durch gezielte Auswilderungsmaßnahmen 227 A. VON DER HEIDE: Gebäude als Wohnraum von Stechimmen 279 U. VON HALDENWANG &A. HARBODT: Schwalben - nicht gesellschaftsfähig? Zum rechtlichen Schutz von Mehlschwalben 325 P. WEGNER: Die Populationsdynamik des Wanderfalken in Baden-Württemberg von 1965-1991 209 U. WOLF: Kommentar zu den Artenschutzbelangen aus der Sicht von Wohnungsbaugesellschaften 329

Kleine Mitteilungen

K.-H. ANHUT: Erfolgreiche Brut des Bienenfressers (Merops apiaster) im Kreis Hersfeld-Rotenburg 123 P.& E. ERLEMANN: Bodenbrut vom Graureiher (Ardea cinerea) 171 K. FIEDLER: Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991 97 M. SCHROTH &J. ALTMANN: Fledermäuse als Beute des Wanderfalken (Falco perigrinus) 119

Mitteilungen

Die Redaktion: Willy-BAUER-Preis für Naturschutz in Hessen erstmals verliehen 358 Mitteilung der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt 359 C. M. WIELAND: Die Natur 327 Mitteilung der Redaktion 172

Persönliches

H.-J. BÖHR, H.-P. GOERLICH &W. SCHÜTZ: Hans-Jürgen Reiter zum Gedenken 361 0. JOST: Erich Heider (1914-1993) 362

Neue Literatur: 96, 118, 122, 125-128, 160, 173-176, 182, 190, 218, 257-260, 274, 278, 288, 292, 306, 312, 318, 328, 349, 350, 356, 366 Manuskriptrichtlinien 367 Impressum:

Herausgeber: Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz - Oberste Naturschutzbehörde -

Schriftleitung: K. Fiedler, Kantstraße 7, D-63067 Offenbach am Main

Redaktion: Oberste Naturschutzbehörde, Wiesbaden Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Frankfurt am Main Dr. H.-J. Bohr, Wiesbaden Dr. W. Keil, Altenstadt W. Schindler, Solms

Redaktions- Redaktion „Vogel und Umwelt" anschrift: c/o K. Fiedler, Kantstraße 7, D-63067 Offenbach am Main

Gesamt- herstellung: C. Adelmann, Frankfurt am Main

Wiesbaden 1993

Alle Rechte vorbehalten.

Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren verantwortlich; dieser gibt nicht in jedem Falle die Auffassung des Herausgebers wieder. Inhaltsverzeichnis Seite

TH. MAERTENS & M. WAHLER: Der Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche - Beitrag zu einer ökologischen Leitplanung für Hessen 4

A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (19) 81

Kleine Mitteilungen:

K. FIEDLER: Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991 97

M. SCHROTH &J. ALTMANN: Fledermäuse als Beute des Wanderfalken (Falco perigrinus) 119

K.-H. ANHUT: Erfolgreiche Brut des Bienenfressers (Merops apiaster) im Kreis Hersfeld-Rotenburg 123

Neue Literatur: 96, 118, 122, 125 -128

3 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen Vogel und Umwelt 7: 4 -80 (1992)

Der Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche - Beitrag zu einer ökologischen Leitplanung für Hessen *)

von THOMAS MAERTENS, Frankfurt/Main, und MATTHIAS WAHLER, Fulda

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Einleitung 6

2. Die Bedeutung des Grünlandes für den Arten- und Biotopschutz 8 2.1 Artenvielfalt und Vorkommen gefährdeter Arten in extensiven Grünlandgesellschaften 8 2.2 Auswirkungen moderner Bewirtschaftung auf die Grünlandbestände 10 2.3 Vorkommen von Grünlandgesellschaften in Hessen, die ihre Existenz der extensiven Bewirtschaftung durch den Menschen verdanken 12

3. Zur Gefährdung des Grünlandes in Hessen 15 3.1 Der agrarstrukturelle Wandel 15 3.1.1 Wandel der Betriebsstruktur 15 3.1.2 Wandel der landwirtschaftlichen Bodennutzung 31 3.2 Entwicklung des hessischen Grünlandbestandes 31 3.2.1 Ursachen der Bracheentwicklung 40 3.2.2 Entwicklung der Brachflächen in Hessen 41

4. Wahrscheinliche Lage zukünftiger Grünlandbrache in Hessen 45 4.1 Beschreibung der Indikatoren 45 4.2 Gemarkungen mit einem hohen Anteil G2-, G3- und A3-Böden an der LN 47 4.3 Gemeinden mit hohen Grünlandanteilen 50 4.4 Ortsteile ohne oder mit 1-2 Vollerwerbsbetrieben 50 4.5 Ergebnisse 51

5. Vorschläge zur Sicherung der Mindestbewirtschaftung im Rahmen einer ökologischen Leitplanung für Hessen 64

6. Danksagung 71

7. Verzeichnis der Literatur und der Mitteilungen 71

*) Diese Veröffentlichung ist die überarbeitete Fassung einer früheren Studie der Autoren: MAERTENS, TH.& M.VVAHLER,1989: Zunahme der Grünlandbrache in Hessen? Möglichkeiten und Grenzen der Brachflächenpflege. 4. Projekt am Institut für Landschaftspflege und Natur- schutz der Universität Hannover; Hannover. 4 Verwendete Abkürzungen:

AVP - Agrarstrukturelle Vorplanung HB - Hessenbauer, Wochenblatt des Hessischen Bauernverbandes, Friedrichsdorf HE-Betrieb - Haupterwerbsbetriebe: Vollerwerbsbetriebe + Zuerwerbsbetriebe HELELL - Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung HMLFN - Hessisches Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Wies- baden HSL - Hessisches Statistisches Landesamt, Wiesbaden LF - Landwirtschaftlich genutzte Fläche: Summe der genutzten Flächen von Acker- land, Gartenland (ohne Ziergärten), Obstanlagen, Baumschulen, Dauergrün- land, Rebland, Korbweiden, Pappel- und Weihnachtsbaumkulturen außerhalb des Waldes LK - Landkreis LN - Landwirtschaftliche Nutzfläche NE-Betrieb - Nebenerwerbsbetriebe: Betriebe, in denen das betriebliche Einkommen (< 50%) kleiner ist als das außerbetriebliche NR - Naturraum VE-Betrieb - Vollerwerbsbetriebe: Betriebe ohne außerlandwirtschaftliches Einkommen (< 10%) des Betriebsinhabers und seines Ehegatten ZE-Betrieb - Zuerwerbsbetriebe: Betriebe, in denen das betriebliche Einkommen (50-90%) größer ist als das außerbetriebliche

Verzeichnis der Karten

Karte 1: Rückzug der Landwirtschaft aus den standortbenachteiligten Regionen Hessens - Stand 1987 (vgl. Pkt. 4.2, 4.4, 4.5). Karte 2: Rückzug der Landwirtschaft aus den grünlandstarken Regionen Hessens - Stand 1987 (vgl. Pkt. 4.3, 4.4, 4.5). Karte 3: Vorkommen schützenswerter extensiver Grünlandökosysteme in den hessischen Gemeinden - Summe in ha (vgl. Pkt. 2.2, 4.5). Karte 4: Beitrag für eine ökologische Leitplanung in Hessen: Zonierungsvorschlag für die zukünftige Ausrichtung von Extensivierungs- und Pflegemaßnahmen aus der Sicht des Arten- und Biotopschutzes (vgl. Pkt. 5). 5 1. Einleitung

Die aktuelle Situation der Landwirtschaft läßt sich wie folgt skizzieren:

- Die Absatzmärkte für Agrarprodukte werden nicht weiter wachsen, Verbrauchsrückgänge z. B. bei Wurstprodukten oder Milchprodukten sind sicher. - Einzelbetriebliches Wachstum ist durch viele Faktoren (z. B. Milchquote) enorm erschwert. - Es gibt keine Anzeichen, daß die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren abgebaut werden könnte. Die Aufnahme einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit bleibt schwierig. - Die Finanzierbarkeit der Agrarpolitik ist an ihre Grenzen gestoßen. Preiserhöhungen sind auf absehbare Zeit unmöglich. Rascher technischer Fortschritt in der europäischen Land- wirtschaft macht weitere Agrarpreissenkungen unausweichlich. Die Einkommen der meisten Landwirte drohen deshalb weiter abzusinken, die finanzielle Situation sehr vieler Höfe verschärft sich. - Sehr viele Betriebe haben wegen dieser trüben Aussichten keinen Hofnachfolger, und sehr viele Ortschaften werden bald fast keine Bauern mehr haben!

Mit dieser beunruhigenden Vermutung und dem Hinweis auf einige sehr stark verbrachte Gemarkungen in Hessen (z. B. Heisa oder Aßlar) bekamen wir von seiten der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) die Anregung zu dieser Studie. Die Sorge von Naturschutz und Landschaftspflege gilt den Auswirkungen des jetzt durch die Produktionsaufgaberente zusätzlich beschleunigten Strukturwandels auf die Landbewirt- schaftung. Viele unserer Gesprächspartner befürchten mittelfristig einen neuen Bracheschub ökologisch wertvoller, aber von landwirtschaftlicher Nutzung absolut abhängiger Ökosy- steme, also Grünland aller Formen mit den dazugehörigen Landschaftsstrukturen.

Aber auch die hessische Landwirtschaftsverwaltung und Verbände beschäftigen sich seit einiger Zeit wieder intensiver mit dem Thema „Mindestbewirtschaftung und Pflege", wie einige bereits fertige oder in Auftrag gegebene Studien (ISERMEYER, BUCHWALD &DEBLITZ 1988; DRESBACH 1986; Arbeitsgruppe „Kulturkataster" in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst) oder Veranstaltungen (H ELELL, DLG und Naturland- stiftung: Landwirte als Partner des Naturschutzes; Tagung und Maschinenvorführung in Lich im Oktober 1988) zeigen. Nun kam aber von verschiedenen Seiten der Einwand, das Bracheproblem sei doch haupt- sächlich in den 60er und Anfang der 70er Jahre akut gewesen und stelle doch eigentlich heute kein ernst zu nehmendes Problem dar. Doch nach unserer Ansicht geht es hier nicht um das „Aufwärmen" einer alten Thematik, sondern das aktuelle Bracheproblem wird in seiner Bedeutung verkannt und seine Gefährdung für das Arten- und Biotopschutzpotential wird nicht ernst genommen! Zum ersten hat sich die agrarpolitische Bedeutung der Brache in der heutigen Zeit der Über- schußproduktion grundlegend gewandelt. Brache ist heute immer auch eine Fläche, die nicht zum Überschuß und den Kosten seiner teuren Beseitigung beiträgt. Flächenstillegung wird sogar gefördert! Zum zweiten liegen zur aktuellen Brachesituation schon seit überzehn Jahren keine halbwegs aussagefähigen Daten mehr vor. Nach den Änderungen in der Agrarberichterstattung (1979) wird Brache in der Statistik nicht mehr berücksichtigt, und neuere Einzelerhebungen in Hessen fehlen, was ebenfalls Gründe für das fehlende Problembewußtsein sind. Zum dritten ist das Bracheproblem der 60erJahre mit dem der 90erJahre nicht zu vergleichen! Die Brache der 60er Jahre hat nicht zu einem statistisch signifikanten Rückgang des Dauer- grünlandes in Hessen geführt (Pkt. 3.1.2), sondern ganz im Gegenteil, 1970 gab es noch mehr 6 Dauergrünland in Hessen als 1950, bis Mitte der 60er Jahre wurde das Dauergrünland sogar noch ausgedehnt. Die Grünlandbrache dieser Jahre war insofern für den Arten- und Biotop- schutz weniger bedrohlich, als damals genügend Grünland vorhanden war. Aber auch qualitativ (im ökologischen Sinne) gab es in den 50er und 60er Jahren keine stati- stisch signifikanten negativen Veränderungen. Das intensiver genutzte Dauergrünland (Wiesen und Mähweiden) war bis in die Mitte der 70er Jahre hinein konstant und auch das extensiver genutzte Dauergrünland (Weiden, Almen, Hutungen, Streuwiesen) blieb bis 1970 (I) in vollem Umfang erhalten. Die gravierenden Verluste an wertvollem extensivem Dauergrün- land (durch Intensivierung, Brache, Umbruch, Überbauung) fielen erst nach 1970 richtig ins Gewicht. Doch da erfuhr das Bracheproblem eine vollkommen neue agrarpolitische Bewer- tung und verschwand aus der Diskussion! Die Intensivierung des Grünlandes einerseits und das Ausscheiden aus der Nutzung anderer- seits ging jedoch weiter, das extensive Dauergrünland wurde im Verlauf dieser Entwicklung nahezu halbiert! Doch dies ist nur die „Spitze des Eisberges", denn die wirklichen Verluste lassen sich mit den Methoden der Agrarberichterstattung nicht erfassen, dazu wären schon Vergleichskartierungen vor Ort notwendig. Heute sind unsere Grünlandbestände in ihren Feuchte- und Nährstoffunterschieden überwiegend nivelliert, der ökologisch weitgehend uninteressante Einheitsstandort herrscht vor. Dies zeigen ganz deutlich auch die statistischen Verschiebungen im Verhältnis von extensivem/intensivem Dauergrünland zugunsten von intensivem Dauergrünland. Kurzum: wir verfügen heute, wenn wir über Brache diskutieren, nicht mehr über „das Grünland" der 60er Jahre, sondern über sehr viel weniger und ökolo- gisch sehr viel wertlosere Bestände als damals! Diese Verknappung macht die Reste der extensiven Bestände enorm wertvoll und wichtig für die Sicherung des Arten- und Biotop- schutzpotentials und verleiht der „neuen Brache" eine aktuelle Brisanz! Die durch spezielle Standortverhältnisse und eine entsprechende Nutzungsform geprägten Grünlandtypen gelten aus Gründen des Artenschutzes als besonders wertvoll, denn es besteht eine enge Bindung der meisten gefährdeten Arten an extensive Grünlandbewirtschaf- tungsformen. Gerade diese Vegetationsformen, deren reichhaltige Artenzusammensetzungen von einer extensiven Bewirtschaftung abhängig sind, sind durch die Aufgabe der Nutzung gefährdet, da dann innerhalb der Pflanzenbestände strukturelle Umwandlungen stattfinden, die aus der Sicht des Naturschutzes unerwünscht sind. Bei der Diskussion des Brachepro- blems bedenke man immer, daß 428 Arten, das sind 2/3 aller 680 Grünlandarten und fast die Hälfte aller Rote-Liste-Tierarten (PLACHTER 1985), in den Resten des extensiven Grünlandes überleben müssen.Weitere Nutzungsaufgabe bislang noch weitgehend extensiv bewirtschaf- teten Grünlandes wird, dies ist unbestreitbar, zu einem weiteren Artenschwund bei Pflanzen und Tieren führen. Oder deutlicher: erneute Grünlandverluste sind für viele Arten das endgül- tige „Aus" und können deshalb nicht mehr hingenommen werden! Wir sind deshalb in dieser Studie der Frage nachgegangen, ob in Gebieten mit hoher Dichte extensiver Kulturökosysteme und/oder hohem Grünlandanteil die Landwirtschaft heute schon erkennbar den Rückzug aus der Fläche antritt. Ziel soll es sein, ökologisch wertvolle Räume (Gemeinden) abzugrenzen, deren gleichzeitig hohes Bracherisiko eine Belastung für das Arten- und Biotopschutzpotential erwarten läßt, wenn die Landbewirtschaftung ausläuft, und für die deshalb dringend Maßnahmen zur Sicherung einer extensiven Mindestbewirt- schaftung einzuleiten sind. Aber welche Biotope sind wichtig und wo? Die Naturschutzverwaltungen verfügen, jedenfalls z. Z., zur Klärung dieser Frage nicht über ausreichend exakte Aufzeichnungen und Kartie- rungen. Von der Klärung dieser Frage hängt jedoch ein langfristig zu planender und ökono- misch und ökologisch effizienter Mitteleinsatz ab. Wir sahen uns deshalb gezwungen, 7 nochmals auf die hessische Biotopkartierung (mit all ihren Nachteilen) zurückzugreifen. Überraschend war, daß die hessische Biotopkartierung zuvor noch nie landesweit auf der Ebene der Gemeinden ausgewertet wurde, obwohl sie die einzige flächendeckend zur Verfü- gung stehende Kartierung ist, die Auskunft über die räumliche Verteilung von Ökosystemen geben kann. Die Biotopkartierung wurde also im Rahmen dieser Studie durch die Verfasser und mit Unterstützung durch Herrn Kosmas El N BROD, Student der Mathematikan der Univer- sität Gießen, erstmals bezüglich der Vorkommen von extensiven Grünlandökosystemen auf Gemeindeebene ausgewertet und die Ergebnisse in Karten dargestellt. Durch die Verknüp- fung dieser Ergebnisse der Biotopkartierung mit den Daten der Agrarberichterstattung sollte es möglich sein, ökologisch wertvolle Räume (mit hohem Bracherisiko) zu identifizieren.

Die Ausweisung von besonders wertvollen Räumen mit Priorität für die Aufrechterhaltung bzw. Wiedereinführung der extensiven Landbewirtschaftung ist auch deshalb überfällig, weil der Naturschutz gegenüber den verfehlten Agrarreformversuchen ein Konzept braucht. Die Reform der Agrarpolitik dient nicht, wie immer wieder fälschlicherweise kolportiert wird, auch den Zielen des Naturschutzes. „Das agrarpolitische Interesse scheint allein darin zu bestehen, schnell Überschußverringerungen vorweisen zu können, wobei bezüglich der Methodenwahl nicht nur fundierte Einwände der wissenschaftlichen Agrarökonomen ignoriert werden (WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT 1988), sondern auch in Kauf genommen wird, auf drin- gende und im Prinzip erreichbare Zielbeiträge zum Naturschutz zu verzichten" (HAMPICKE 1988).So entscheiden die Landwirte individuell,ob sie an einem Flächenstillegungsprogramm teilnehmen möchten. Die aus der Bewirtschaftung entlassenen Flächen werden deshalb nach unserer Einschätzung vollkommen ohne jeden systematischen Bezug zu ökologischen Erfor- dernissen im Raum verteilt liegen. Es bleibt daher auch mehr oder weniger dem Zufall über- lassen, ob die Flächen stillgelegt oder extensiviert werden, unabhängig von ihrer eventuellen Bedeutung für die Sicherung und Entwicklung des Arten- und Biotopschutzpotentials. Es liegt eben nicht im Interesse des Naturschutzes, daß die unwirtschaftlichen Flächen aus der Nutzung herausfallen und eventuell sogar noch aufgeforstet werden, denn das sind gerade die wertvollen und entwicklungsfähigen Standorte, die einmal zur Sicherung des Artenbestandes beitragen könnten! Die an sich vorhandenen Spielräume und Chancen, die in dieser Agrar- reform für den Naturschutz liegen könnten, werden so versäumt!

Eine besondere Aktualität erhalten die hier vorliegenden Ergebnisse durch die Absicht des Hessischen Ministers für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Natur- schutz, JORDAN, ab 1993 ein „Kulturlandschaftsprogramm" einzurichten. Die vorgeschla- genen „Vorrangräume für die Sicherung der Mindestbewirtschaftung" sollten Bestandteil der Gebietskulisse dieses Kulturlandschaftsprogramms werden und in den Förderrichtlinien eine bevorzugte Position einnehmen.

2. Die Bedeutung des Grünlandes für den Arten- und Biotopschutz 2.1 Artenvielfalt und Vorkommen gefährdeter Arten in extensiven Grün- landgesellschaften „Wir leben in einer Zeit, in der unsere bisherigen Befunde über viele anthropogene, aber auch von empfindlichen natürlichen Pflanzengesellschaften, die wir in den letzten Jahrzehnten gewonnen haben, nicht mehr gelten, weil diese Gesellschaften verschwunden sind oder verschwinden, genauer gesagt: verbraucht werden durch unsere maßlosen Ansprüche an den Wohlstand, der als Ziel des Fortschritts gepriesen wird." R. TÜXEN 8 Neben der Bedeutung des Grünlandes für den Arten- und Biotopschutz und die Landwirt- schaft erfüllt das Grünland auch weitere vielfältige sozio-ökologische Funktionen für den Bodenschutz, Klimaschutz, Wasserschutz und insbesondere die Erholung. Mit der Neuschaffung von Lebensraumtypen bei der Entwicklung unserer Kulturlandschaft (z. B. den verschiedenen Wiesentypen Magerrasen, Hutewald, Acker, Siedlung) war eine wesentliche Steigerung der Vielfalt der Lebensmöglichkeiten für nicht direkt genutzte Arten verbunden. Es handelt sich bei dieserVegetationsbereicherung weitgehend um Zuwanderung aus anderen Regionen, z. B. dem Mittelmeerraum! Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin werden heute etwa 2.660 Gefäßpflanzenarten gezählt, wobei nur knapp 1/4 dieser Arten auf Waldstandorte angewiesen ist, aber fast die Hälfte derArten auf die vom Menschen waldfrei gehaltenen Standorte (anthro- pozoogene Heiden und Wiesen) (SUKOPP, TRAUTMANN & KORNECK 1978). Durch unterschiedliche Standorte, Klima und Bodenverhältnisse sowie unterschiedliche Beweidungsintensität, Schnitthäufigkeit oder Pflege entstand eine ungewöhnlich große Zahl von Grünlandtypen (ELLENBERG 1986; KLAPP 1965), die zu den artenreichsten Pflanzen- gesellschaften Mitteleuropas gehören. Durch den großen Einfluß der Düngung und der Bewirtschaftungsintensität auf die Ausgestal- tung der Grünlandvegetation werden die natürlichen Variablen wie pH-Wert des Bodens, Bodenwasserhaushalt, Dauer derVegetationsperiode und Sonnenexposition sehr stark über- lagert (ELLENBERG 1986). Bei einem Gesamtartenpotential von 680 Grünlandarten (= 100 %) befinden sich 428 Arten (= 63 0/0) in extensiv bewirtschaftetem, d. h. unregelmäßig genutztem und ungedüngtem Grün- land (z. B. Streumahd, Hutung) und nur 91 Arten (= 13 %) im Kulturgrünland, das mit unter- schiedlicher Intensität gedüngt und mehrmals jährlich zu Futterzwecken genutzt wird (MEISEL 1984)! Zum Gefährdungsgrad von Pflanzengesellschaften ergab eine Untersuchung von SUKOPP, TRAUTMANN & KORNECK (1978), daß Feuchtwiesen und Trockenrasen mit 34 bzw. 41 % gefährdeter Arten zu den am stärksten gefährdeten Pflanzenformationen gehören. KUNZMANN, HARRACH &VOLLRATH (1985) konnten bei ihren Vegetationsaufnahmen und standortkundlichen Untersuchungen von Grünlandbeständen in drei Regionen Mittelhessens diese Aussagen präzisieren. Das Vorkommen bedrohter Arten bleibt fast ausschließlich auf trockene und nasse Standorte beschränkt. In mäßig frischen bis frischen Beständen ist kaum eine Art der Roten Liste vertreten. Die bedrohten Arten sind fast nur auf Flächen zu finden, die aus landwirtschaftlicher Sicht als minderwertig eingeschätzt werden und für intensive Grün- landwirtschaft nicht geeignet sind (vgl. Pkt. 3.2, 3.2.1)! Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ELLENBERG jun. (1983,1985),wobei er sich aber nicht nur auf den Ökogradienten „Wasserversorgung" beschränkte, sondern er untersuchte die Vertei- lung der Gesamtheit aller mit Zeigerwerten versehenen, gefährdeten und nicht gefährdeten Gefäßpflanzenarten der Bundesrepublik über sechs ausgewählte Ökogradiente (Stickstoff- Zeigerwerte, Licht-Gradient, Bodenreaktion, Wasserversorgung, Temperatur- und Kontinen- talitätsgefälle). In seiner Untersuchung verdeutlichte ELLENBERG jun., daß die bedrohten Arten der „anthropogenen Heiden und Wiesen" bezüglich aller ökologischen Ansprüche am häufigsten bei extremen Bedingungen zu finden sind, die also bei den Zeigerwertspektren nach ELLENBERG sen. (1979) entweder hohe oder niedere Werte aufweisen. So sind die gefährdeten Arten in den weitaus meisten Fällen nur auf nährstoffarmen Standorten konkur- renzfähig, sie sind besonders lichtbedürftig und im Temperaturgradienten steigt der Gefähr- 9 dungsgrad mit den Wärmeansprüchen. Daß die Arten extremer Standorte im Feuchte- gradienten stärker gefährdet sind als solche mit mittleren Zeigerwerten, wurde bereits erwähnt.

Entsprechendes gilt auch für die Tierwelt. Ein wesentlicher Teil der bedrohten Tierarten hat seinen derzeitigen Verbreitungsschwerpunkt in bestimmten, traditionellen, überwiegend extensiven bzw. kleingliedrigen Landnutzungsformen. So konstatiert PLACHTER (1985), daß fast die Hälfte (48 %) der bedrohten Rote-Liste-Arten in Bayern zumindest regional oder zeit- weise auf bestimmte Landnutzungsformen des Menschen angewiesen sind. Überwiegend handelt es sich um Arten, die auf klimaxferne Sukzessionsstadien der Vegetation oder auf spezifische, auf natürlichem Weg nicht mehr entstehende Strukturen angewiesen sind.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es sich bei der Mehrzahl der heute in ihrem Bestand gefährdeten Pflanzenarten um „lichtbedürftige Hungerkünstler" (ELLEN BERG1983) handelt, die vor konkurrenzstarken Arten auf die mageren Standorte ausweichen, weil sie nur dort nicht von diesen rascher wachsenden und stärker beschattenden Arten verdrängt werden.Es besteht eine enge Bindung der meisten gefährdeten Arten an extensive Grünlandnutzungsformen (MEISEL1984). Es überrascht deshalb nicht, daß bei der Auswertung der Roten Liste der Pflanzengesell- schaften der Wiesen und Weiden Hessens (BERGMEIER & NOWAK 1988) im Nördlichen Oberrheintiefland (mit Wetterau und Rhein-Main-Tiefland) zwei von 26 Gesellschaften als ausgestorben, elf als vom Aussterben bedroht, elf als stark gefährdet und zwei als gefährdet eingestuft werden. Mit anderen Worten: in diesem Raum kann derzeit keine der Gesellschaften als nicht gefährdet eingestuft werden. Im hessischen Mittelgebirgsland erscheint die Situation weniger dramatisch, eine von 30 Grünlandgesellschaften ist ausgestorben, sieben sind vom Aussterben bedroht, 16 sind stark gefährdet, vier sind gefährdet und zwei derzeit nicht gefährdet. Diese regionalen Unterschiede resultieren aus der intensiveren Landnutzung im klimatisch und edaphisch begünstigten Oberrheintiefland (BERGMEIER & NOWAK 1988).

2.2 Auswirkungen moderner Bewirtschaftung auf die Grünlandbe- stände

Ermöglicht durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und veranlaßt durch die sozio- ökonomischen Rahmenbedingungen, wandelte sich nach 1950 das Bild der bäuerlichen Kulturlandschaft grundlegend. Die jahrhundertealten Strukturen der bäuerlich geprägten Landschaft wurden innerhalb kürzester Zeit in wesentlichen Teilen zerstört (PFADENHAUER 1976). Mittlerweile dürfte es unbestritten sein, daß die industrialisierte Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland als der wichtigste Verursacher der Artenverarmung anzusehen ist, so gilt die Landwirtschaft nach vorsichtigen Schätzungen in etwa 2/3 aller Fälle als Allein- oder Mitverursacher der Gefährdung bei den Gefäßpflanzen (HAMPICKE 1987). Da in Deutschland 54% der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden und durch die Intensi- vierung und Mechanisierung der Landwirtschaft fast überall ein mittelfeuchter bis trockener „Grünland-Einheitsstandort" unter fortschreitender Nivellierung der Oberflächengestalt und der landschaftlichen Strukturen geschaffen wurde, erklärt dies eindrucksvoll den abträg- lichen Einfluß der Landwirtschaft auf die Ziele des Arten- und Biotopschutzes! An Stelle der Biotop- und Artenvielfalt des Grünlandes der vorindustriellen Landbewirtschaftung traten düngerintensive, artenarme, monotone Grünlandbestände (MEISEL 1983a).

Folgende Maßnahmen haben sich verändernd auf die Artenzusammensetzung des Grün- landes ausgewirkt: 10 (1) Flächenabnahme des Grünlandes

Mit der Reduzierung des Grünlandes (vgl. näher Pkt. 3.2) schrumpfte auch der potentielle Lebensraum für Grünlandpflanzen.

(2) Intensivierung der Grünlandbewirtschaftung

In der Literatur wird von allen Autoren übereinstimmend die Entwässerung ehemals feuchter und nasser Standorte in Verbindung mit Intensivierung der Nutzung für die Artenverarmung des Grünlandes verantwortlich gemacht (KUNZMANN, HARRACH & VOLLRATH 1985; SUKOPP 1981). Zur Verbesserung der Produktionsbedingungen erfolgten im Rahmen von Flurbereinigungen großflächige Entwässerungen, wobei z. B. in Norddeutschland die Feuchtwiesen von 70 bis 90 0/0 ihrer ehemaligen Standorte verdrängt wurden. Dies ist ein gravierender Lebensraumverlust für 60 bis 70 auf Nässe und Feuchtigkeit angewiesene Pflanzenarten (MEISEL & HÜBSCHMANN 1976). Die zunehmende Bewirtschaftungsintensität (vgl. Abb. 5) läßt sich durch Erhöhung des Düngeraufwandes (besonders Stickstoffgaben), stärkeren Viehbesatz (z. B. Einführung der Rotationsweide), Umstellung von Dauer- auf Mähweide (mit Nachmahd zur Verringerung von typischen Weideunkräutern, die vom Vieh nicht angenommen werden) sowie häufigere und wegen der Silageerzeugung oder Gärfutterbereitung vorverlegte Schnittnutzung charakteri- sieren (BRAUNEWELL, BUSSE & MARTEN 1985). Generell läßt sich im Vergleich zum Anfang der 50er Jahre aufgrund der Stickstoffdüngung ein starker Rückgang des Kräuteranteils, besonders auch der Leguminosen, am Aufwuchs und eine Massenzunahme nährstoffreicher Gräser beobachten. Während früher das Mengenverhältnis Gräser : Kräuter im Durchschnitt 70 :30 betrug, so liegt es heute bei 85 :15 (MEISEL 1984). Verdrängt werden vor allem Pflanzen mit geringen Ansprüchen an die Nährstoffversorgung (Magerkeitszeiger) sowie langsam wachsende, niedrig bleibende und/oder lichtliebende Kräuter. Von der Nutzungsintensivierung profitieren am stärksten gute Futtergräser (Poa pratensis, Poa trivialis, Lolium perenne, Alopecurus pratensis, Festuca prat., Phleum pratense) und einige Gräser mittleren bis geringen Futterwertes (z. B. Agropyron repens) (MEISEL 1983b). Neben der Höhe der Düngung zeigen auch Mehrschnittnutzung (Silagegewinnung), bei der die Schnittermine im Mai vor die Blütenbildung gelegt werden, der Umbruch artenreicher Wiesenbestände und der Ersatz durch artenarme Hochleistungsgrasansaaten, die gezielte Herbizidanwendung und die Abkehr von reinen Mähwiesen zugunsten von Mähweiden, die den Charakter der früheren durch alleinige Mahd bzw. Dauerbeweidung geprägten Bestände verwischen, die gleichen nivellierenden Wirkungen auf den Artenbestand.

Intensiv bewirtschaftete, gedüngte Pflanzengesellschaften (Queckenrasen und Fuchs- schwanz-Glatthaferwiesen) sind auf fast allen geologischen Ausgangsgesteinen anzutreffen, durch intensive Düngung und Nutzung lassen sich derartige Gesellschaften nahezu sub- stratunabhängig herstellen (HAAFKE 1987). Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Entwicklung der Grünlandbewirtschaftung (siehe auch Pkt. 3.2) führt zu einer Landschaftsnivellierung unter Reduzierung der Spezialistenge- sellschaften extremer Standorte und gleichzeitiger Förderung von „Opportunisten-Gesell- schaften" mit breiter ökologischer Amplitude (DIERSSEN 1984). 11 (3) Bewirtschaftungsaufgabe landwirtschaftlich unrentabler Standorte und Aufgabe exten- siver Nutzungsweisen Eng verbunden mit der Nutzungsintensivierung ist auch die Nutzungsaufgabe landwirtschaft- lich produktionsschwacher Standorte, einhergehend mit Aufforstung der Flächen, und der Wegfall der traditionellen, extensiven Bewirtschaftungsformen, die innerhalb der Pflanzen- bestände zu aus der Sicht des Arten- und Biotopschutzes unerwünschten strukturellen Umwandlungen führen (BOHNERT & HEMPEL 1987). Nach der Beseitigung von Sonderstandorten und der Entwässerung ist die Nutzungsaufgabe der wichtigste Faktor des Artenrückgangs bei Pflanzen (SUKOPP 1981).

2.3 Vorkommen von Grünlandgesellschaften in Hessen, die ihre Exi- stenz der extensiven Bewirtschaftung durch den Menschen ver- danken Für Hessen liegt landesweit eine Biotopkartierung (1978-1982) derfreien Landschaft (außer- halb des Waldes) vor. Die Daten der Freilandbiotopkartierung wurden damals aber fälschli- cherweise nur naturraumbezogen aufgearbeitet und auch kartographisch dargestellt. Auf die Mängel dieser Kartierung soll hier nicht eingegangen werden. Diese dringendst fortschrei- bungsbedürftige Kartierung ist jedoch die einzige landesweit verfügbare Informationsquelle für unsere Fragestellung. Trotz aller Vorbehalte bieten die „Rohdaten" der Biotopkartierung - sie wurden im Rahmen dieser Studie erstmals auf Gemeindeebene ausgewertet - doch die Möglichkeit, jene Gemeinden zu identifizieren, die sich durch einen hohen Anteil schützens- werter „Halbkulturformationen" auszeichnen, deren Existenz von extensiven Bewirtschaf- tungsbedingungen abhängig ist!

Anmerkungen zur Vorgehensweise Aus der Fülle der erhobenen Biotoptypen wählten wirjene Grünlandvegetationseinheiten aus, die im weitesten Sinne von einer extensiven Bewirtschaftung abhängig sind und deren Existenz durch Bewirtschaftungsaufgabe (Brachfallen) gefährdet sein könnte.

12

Lahn- -

Rhein-

Mainz. Mainz.

Landkreis Landkreis

Bingen Bingen

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Landkreis Landkreis

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DEN HESSISCHEN GEMEINDEN: GEMEINDEN: HESSISCHEN DEN

7

TENSIVER GRÜNLANDÖKOSYSTEME IN IN GRÜNLANDÖKOSYSTEME TENSIVER VORKOMMEN SCHÜTZENSWERTER EX- SCHÜTZENSWERTER VORKOMMEN

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IIIIII IIIIII

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4 4

bis 1000 ha ha 1000 bis

bis 100 ha ha 100 bis

bis 30 ha ha 30 bis

bis 10 ha ha 10 bis mehr als 1000 ha ha 1000 als mehr

keine Angaben Angaben keine

wwwierwee wwwierwee

Bad Kissingen Kissingen Bad

Landkreis Landkreis

Maßstab 1 150000 150000 1 Maßstab

Bearbeite, Th. Maertens und und Maertens Th. Bearbeite,

GRÜNLANDBRACHE AUF DEN ARTEN- DEN AUF GRÜNLANDBRACHE

Gemeinden - in ha - - ha in - Gemeinden

Karte Nr. 3: 3: Nr. Karte

UND BIOTOPSCHUTZ IN HESSEN. HESSEN. IN BIOTOPSCHUTZ UND

DER FLACHE! AUSWIRKUNGEN DER DER AUSWIRKUNGEN FLACHE! DER

RÜCKZUG DER LANDWIRTSCHAFT AUS AUS LANDWIRTSCHAFT DER RÜCKZUG

Grünlanddkosysteme in den hess. hess. den in Grünlanddkosysteme

Vorkommen schützenswerter extensiver extensiver schützenswerter Vorkommen

K Wahler, DipL-Inge. DipL-Inge. Wahler, K

huieto

Rhön-Grabt eld eld Rhön-Grabt

- 1, he w lan. 1991 1991 lan. w he 1, Kreis

Landkreis 11. Kreis

Siegen

• gite ov, -, rmm —m --Landkreis

P , rzi_ lie2 '; i ! - Fulda f Die Stagnation der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre vermittelte Landwirten, die ihre Erwerbsgrundlage in anderen volkswirtschaftlichen Sektoren suchen wollten, jedoch nicht mehr jenes Maß an Vertrauen in die Sicherheit eines neuen Arbeitsplatzes, das eine Aufgabe ihrer Betriebe hätte begründen können (STADLER & STÄRKEL 1986). Die in der Folge eingetretene Tendenzabschwächung konnte sich bis 1986 stabilisieren, hat sich danach jedoch wieder stark beschleunigt (1987: -4,6% Betriebe; vgl. Tab. 2). Der Rückgang der Betriebe hatte einen stetigen Anstieg derdurchschnittlichen Betriebsgröße der verbleibenden Betriebe von 5,8 ha (1949) auf 14,8 ha (1987) zur Folge. Bei der Betriebs- größenstruktur besteht in den Ländern der alten Bundesrepublik ein deutliches Nord- Süd-Gefälle. So lag die durchschnittliche Betriebsgröße z. B. in Schleswig-Holstein 1987 bei 36,5 ha LF. Die zu geringe Flächenausstattung ist mit eine Ursache für die schlechte Ertrags- lage der hessischen Landwirtschaft. Wie Abb. 1 verdeutlicht, schieden hauptsächlich kleinere Betriebe unter 20 ha LF aus. In den letzten Jahren hat der Schrumpfungsprozeß jedoch auch die Größenklasse 20 bis 30 ha erfaßt. Bei der Betriebsgrößenklasse 30 bis 50 ha ist seit 1989 ebenfalls eine Abnahme zu verzeichnen. Nach Angaben des HSL (1991) liegt die Wachstums- schwelle in Hessen z. Z. bei 55 ha.

Tabelle 2: Der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe in Hessen seit 1949 und Abnahme im Vergleich zum Vorjahr in 0/0

1949 161.000 1971 87.575 2,5 0/0/Jahr 1972 84.626 3,4 1973 80.884 4,4 1974 77.517 4,2 1975 74.811 3,5 1976 72.633 4,2 1977 69.600 4,2 1979 64.900 3,4 1980 63.200 2,6 1981 61.835 2,2 1982 60.385 2,4 1983 58.665 2,9 1984 57.418 2,2 1985 56.249 2,0 1986 54.996 2,3 1987 52.485 4,6 1989 48.347 3,9 1990 47.442 1,9

Quellen: Hessisches Statistisches Landesamt; HMLFN 1988a

16 Anzahl der Betriebe

5 - 10 ha __ ..- -______4 DO 10 - 20 ha 20 - 30 ha --- / 30 - 50 ha / 50 ha -- / / 4 Do insgesamt / / /

3 DO f' / / - ,-...._ / / / ----. -...,.. / / / N-- -...... ___ 2 DO / - - / ./i / -'...... , / ..... , / / / z / / / 1 00 ------75 - 50 ------:-.. 25 - t•-- z-_-_7_-= .:_-___: ._: 0 1949 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1986 1987 1989 1990

Abb. 1 : Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsgrößenstruktur in Hessen (1949 = 100 Betriebe)

Quellen: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT zit. in HMLFN 1988a; HSL1988b; 1991; Ergänzungen durch die Autoren. 17 Bei Fortsetzung des beschriebenen Strukturwandels, Experten erwarten in den nächsten zwei bis drei Jahren sogar noch eine Beschleunigung,werden im Jahr 2000 nur noch ca. 6.500 Betriebe im Haupterwerb geführt werden. Im Mittel sind das nur noch 2,4 HE-Betriebe je Ortsteil in Hessen, unabhängig von der Größe der Gemarkung!

Tabelle 3: Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsgrößenstruktur in Hessen

Größenklasse 1949 1971 1981 1983 1985 1987 1989 1990 in ha LF

1 bis unter 10 137.884 57.316 35.806 33.438 31.503 27.098 25.589 25.210 10 bis unter 20 18.606 19.520 12.788 12.104 11.414 10.552 9.618 9.185 20 bis unter 30 3.026 7.779 7.422 6.943 6.649 6.331 5.579 5.281 30 bis unter 50 949 2.329 4.628 4.781 4.987 5.101 5.032 4.949 50 und mehr 535 631 1.191 1.399 1.696 2.125 2.529 2.817

insgesamt 161.000 87.575 61.835 58.665 56.249 51.207 48.347 47.442

Quellen: HMLFN 1988a; HSL 1988c, 1991.

Strukturwandel in Hessen

Haupterwerb 1983 bis 1987 22.305 16.530 = -26 % 0 Jahr = -6,5%

Bei Fortsetzung des Strukturwandels: 6.500 Betriebe im Jahre 2000 1.700 Betriebe im Jahre 2020 195 Betriebe im Jahre 2050 (LICKFERS 1988)

THIEDE (1988) schätzt ebenfalls pessimistisch, „daß bis zum Jahr 2000 vielleicht die Hälfte der Betriebe aufgegeben sein werden" (HB 42/1988). SCHMITZ (HB 33/1988) ist in seinen Aussagen etwas moderater und schätzt, daß bis zum Jahr 2000 nur etwa 22 0/0 der Betriebe schließen werden. Für die gesamte EG würde dies bedeuten, daß 30 0/oder LF (=rd.35 Mio. ha) in elf Jahren nicht mehr benötigt würden (THIEDE in HB 3/1989), in der BRD sind das rd. 4 Mio. ha bis zum Jahr 2000, die überflüssig wären (MRASS 1988).

18 Die sozialökonomische Betriebsstruktur in Hessen

Bedingt durch die unterschiedlichen natürlichen und wirtschaftlichen Standortbedingungen sowie die Erbsitten haben sich in den verschiedenen hessischen Landesteilen unterschied- liche Betriebsstrukturen entwickelt. In den Regionen mit ungünstigen natürlichen Bedin- gungen und vor allem in den Realerbteilungsgebieten mit ihrer kleinbetrieblichen Agrar- struktur war es für die Bauern schon immer sehr schwierig, ein angemessenes Einkommen allein aus der Landwirtschaft zu ziehen, so daß sie schon sehr früh (Anfang des 16. Jh.; vgl. BORN 1974) zur Aufnahme außerlandwirtschaftlicher Arbeit angehalten waren. In der Abhän- gigkeit von diesen Standortbedingungen hat sich die in Abb. 2 am Beispiel der NE-Betriebe dargestellte regionale Verteilung der sozialökonomischen Betriebstypen herausgebildet. Demnach hat die NE-Landwirtschaft sehr große Bedeutung in den Kreisen Lahn-Dill, Fulda, Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner.

Der Wandel der sozialökonomischen Betriebsstruktur verlief gleichzeitig zur beschriebenen Entwicklung der Betriebsgrößen. Im Zuge der Flächenaufstockung gewann die VE-Landwirt- schaft etwas an Bedeutung (vgl. Tab. 4). Obwohl die Anzahl der VE-Betriebe zurückging, erhöhte sich ihre bewirtschaftete Fläche insgesamt. Die mittlere Betriebsgröße erhöhte sich von 18,5 ha (1971) auf 28,8 ha LF (1987). Insbesondere im Zeitraum von 1983 bis 1987 hat sich die jährliche Abnahmerate der VE-Betriebe in Hessen auf 4,6 0/0 erhöht und erreicht damit fast das Doppelte des entsprechenden Bundeswertes von 2,53%. Dies ist ein Beleg für einen in Hessen z. Z. sehr rasch verlaufenden Strukturwandel (WAGNER 1989).

Der anhaltende enorme Rückgang der Zuerwerbsbetriebe (um 75% auf knapp 4.000 Betriebe) führte jedoch insgesamt zu einer rückläufigen Entwicklung der Haupterwerbsland- wirtschaft. So nahm im Zeitraum 1971 bis 1987 die Zahl der HE-Betriebe um 50% und ihre bewirtschaftete Fläche um 14 0/0 ab. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der H E-Betriebe an allen landwirtschaftlichen Betrieben von 40 0/0 auf 34 0/0 und der entsprechende Anteil der LF von 71 0/0 auf 67% (KÜTTNER 1985a; HSL 1989 b).1)

1) An dieser Stelle sei eine Kritik an der statistischen Aussagekraft der Agrarberichte angefügt. In vielen Familien leben Angehörige mehrerer Generationen und weitere nicht unmittelbar Verwandte. Auch die Einkommensverflechtungen sind in Wirklichkeit größer, als dies die Statistik berücksichtigt. Die Beschränkung auf den Arbeitseinsatz des Betriebsleiters und die Erwerbseinkommen des Betriebsleiterehepaares bei der statistischen Definition von VE und NE hat deshalb zur Folge, „daß viele Betriebe als Vollerwerbsbetriebe eingestuft werden, obwohl sie nach der Arbeits- und Einkommenssituation der Gesamtfamilie in Wirklichkeit Zuerwerbs- oder Nebenerwerbsbetriebe sind. Infolge dieser fragwürdigen Definition geben die Agrarberichte für die Gliederung der Betriebe nach dem Erwerbscharakter kein realistisches Bild. ... Das bedeutet, daß die Zahl der Vollerwerbsbetriebe geringer ist, als aus den Agrarberichten hervor- geht,... Die Agrarberichte sind bemüht, ein anderes Bild zu geben und die Vollerwerbsbetriebe stärker herauszustellen. Sie tragen damit zu der weitverbreiteten Überschätzung des sozialen Bestandes der Landwirtschaft und der Möglichkeiten für eine weitere Verminderung von Betrieben und Arbeitskräften bei" (PRIEBE 1985). 19 Abb. 2: Anteil der NE-Betriebe an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe 1983/1987 - in % -

LK KASSEL 62/66

66/69 71/73 RRA-MEISSNE - LK WALDECK- KREIS FRANKENBERG SCHWALM-EDER- KREIS 62/65 LK HERSFELD- ROTENBURG LK MARBURG-BIEDENKOPF 73/77 67/71 LAHN- DILL-KRE S VOGELSBERGKREIS 83/86 64/69 LK GIESSEN LK FULDA 69/72 LK LIMBURG- 70/73 WEILBURG 48/51 WETTERAUKREIS HOCH- - 49/53 MAIN-KINZIG- KREIS KREIS RHEINGAU- 65/68 65/70 TAUNUS-KREIS 65/616 .47/4

K 0 FENBAC 40/42 LK GROSS GERAU LK DA- 34/36 DIEBURG 41/43

ODENWALD- LK BERGSTRASSE KREIS 64/66 52/54

Quellen: HMLFN 1988a; HSL 1989b

20 Tabelle4: Landwirtschaftliche Betriebe und ihre landwirtschaftlich genutzte Fläche 1971, 1983 und 1987

Zu- bzw. Art der Angabe 1971 1983 1987 Abnahme seit 1971 - in % -

Betriebe insgesamt 90.886 60.685 54.388 -40,1 davon Betriebe natürlicher Personen 90.422 60.524 54.217 -40,0 davon Haupterwerbsbetriebe 36.379 22.305 18.175 -50,0 davon Vollerwerbsbetriebe 19.979 17.373 14.198 -28,9 Zuerwerbsbetriebe 16.400 4.932 3.977 -75,8 Nebenerwerbsbetriebe 54.043 38.219 36.042 -33,3

Landwirtschaftlich genutzte Fläche (ha) Betriebe insgesamt 844.026 773.567 davon Betriebe natürlicher Personen 833.740 767.568 771.093 -7,5 davon Haupterwerbsbetriebe 600.563 529.857 513.446 -14,5 davon Vollerwerbsbetriebe 370.334 419.089 408.654 +10,3 Zuerwerbsbetriebe 230.229 110.768 104.792 -54,5 Nebenerwerbsbetriebe 233.177 237.711 257.647 +10,5

Quellen: KÜTTNER 1985a; HSL 1989b.

Interessanterweise gewann im Gegensatz hierzu die NE-Landwirtschaft an Bedeutung. Die Zahl dieser Betriebe nahm weniger stark ab (-33%) als die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe insgesamt (-40%) und die LF wurde auf 33% ausgeweitet (KÜTTNER 1985a; HSL 1989b). Dieser Trend der Zunahme der NE-Landwirtschaft setzte sich nach 1983 verstärkt fort (vgl. Tab. 4). Heute sind knapp 70% aller Betriebe NE-Betriebe, sie bewirtschaften 33% der hessischen LF! Dieser Betriebsform kommt deshalb ein eigenständiger, nach unserer Einschätzung jedoch unterbewerteter Rang im Strukturgefüge der hessischen Landwirt- schaft zu!

Angemerkt sei, daß die anhaltende Verschiebung des Verhältnisses HE/NE zugunsten der NE-Betriebe auch in anderen Bundesländern beobachtet wird. Experten rechnen damit, daß sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird (SCHMITZ in HB 33/1988). Nach Angaben von STADLER (schriftl.) ist es bemerkenswert, daß es in Baden-Württemberg bereits Kreise gibt, die 90% NE-Betriebe aufweisen. Auch KLEIN (mdl.) beobachtet für den Kammerbezirk Westfalen-Lippe seit 1977 eine relative Zunahme der NE-Betriebe, der Trend setzt sich nach seinen Angaben auch 1988 fort. 21 Wie Abb. 3 verdeutlicht, kommt in einigen Landkreisen der Betriebsform NE jedoch eine weit überdurchschnittliche Bedeutung zu, so z. B. im Rheingau-Taunus-Kreis, LK Gießen, Vogels- bergkreis, Kreis Marburg-Biedenkopf, LK Fulda und LK Hersfeld-Rotenburg. Im Lahn-Dill- Kreis sind die NE-Betriebe mit 52 % Anteil an der LF mittlerweile sogar Hauptbewirtschafter. Da grünlandstarke Landkreise gleichzeitig auch hohe NE-Anteile haben (vgl. Abb.3 und Abb. 4) und bei NE-Betrieben der Dauergrünlandanteil mit 39% der Betriebsfläche überdurch- schnittlich hoch ist (KÜTTN ER 1985b),wird deutlich, daß diese Betriebsform für die Sicherung der Grünlandbewirtschaftung unentbehrlich ist.

Unterscheidet man nach sozialökonomischen Betriebstypen, so wird nach Ansicht von LICKFERS (1988) erkennbar, daß „in den letzten vier Jahren der Strukturwandel mit einer Abnahmerate von 6,5%/Jahr nahezu voll zu Lasten der Haupterwerbsbetriebe ging" (vgl.Tab. 5). Die zitierte Schlußfolgerung, der Strukturwandel gehe voll zu Lasten der HE-Betriebe, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Völlig außer acht gelassen wurden bei dieser üblichen Interpretationsweise der Statistik die NE-Betriebe, deren Zahl nur vordergründig relativ stabil erscheint. Viele NE-Betriebe geben nämlich die Landwirtschaft auf, es erfolgt jedoch eine Kompensation durch den ständigen Übergang von HE-Betrieben zum Neben- erwerb. Geht man bei einer überschlägigen Berechnung davon aus, daß die aus dem Bestand an HE-Betrieben Ausscheidenden nicht ganz aufgeben, sondern vorerst zum Nebenerwerb übergehen, so müssen gleichzeitig mindestens ebensoviel NE-Betriebe schließen, wenn ihre Anzahl statistisch etwa gleichbleibt (vgl. Tab. 5). Rechnet man 5.775 zum NE über- gehende HE-Betriebe ab, so zeigt sich, daß in diesem Zeitraum rd. 6.300 NE-Betriebe in Hessen aufgegeben haben müssen. Der Bestand ist also keineswegs stabil, wie hier von LICKFERS unterstellt wird))

1 ) „Das eigentliche 'Wanderungsverhalten' der einzelnen Betriebe bleibt beim einfachen Bestands- und Saldenvergleich letztlich jedoch unbekannt. Ein Zuwachs von beispielsweise 100 Betrieben in einer Größenklasse kann gleichermaßen bedeuten, daß 100 ehemals kleinere Betriebe zugewandert sind oder daß doppelt so viele zuwanderten und gleichzeitig 100 Betriebe ausgeschieden oder in andere Größenklassen übergewechselt sind. Um das tatsächliche 'Wanderungsverhalten' der Betriebe sichtbar zu machen, bedarf es daher der Beobachtung des Einzelbetriebs im Zeitablauf durch eine sogenannte Longitudinalanalyse" (STADLER&STÄRKEL 1986). 22

Abb. 3: Anteil der NE-Betriebe an der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Kreise 1983/1987- in %-

LK KASSEL 26/31

29/31 31/34 RRA-MEISSNE - LK WALDECK- KREIS FRANKENBERG SCHWALM-EDER- KREIS 27/29 LK HERSFELD- ROTENBURG LK MARBURG-BIEDENKOPF 40/40 35/40

LAHN- DILL-KRE S VOGELSBERGKREIS 51/52 36/40 LK GIESSEN LK FULDA 38/39 LK LIMBURG- 40/42 WEILBURG 22/23 WETTERAUKREIS HOCH- TAUNUS- 22/24 MAIN-KINZIG- KREIS KREIS RHEINGAU- 34/36 TAUNUS-KREIS 36/39 8

LK 0 FENBAC 22/24 LK GROSS GERAU LK DA- 18/1: di DIEBURG f1 6/1 8

ODENWALD- LK BERGSTRASSE KREIS 31/35 22/2

Quelle: HSL 1985, 1989b

23

HE+ NE NE HE+

2,2 2,2

43,6 43,6

56,4 56,4

27,9 27,9

33,8 33,8

36,0 36,0

20,7 20,7

15,3 15,3

39,4 39,4

24,6 24,6

100,0 100,0

100,0 100,0

100,0 100,0

der jeweiligen jeweiligen der

Gruppe Gruppe

1987 in % % in 1987

%) %)

32 32

(= (=

700 700

978 978

722 722

926 926

616 616

514 514

915 915

882 882

439 439

126 126

676 676

740 740

371 371

11 11

107 107

247 247

139 139

522 522

145 145

176 176

770 626 626 770

776 776

188 188

306 306 160 160

191 191

118 118

1987 1987

%) %)

LF ha ha LF

Landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) (LF) Fläche genutzte Landwirtschaftlich

17 529 529 17

120 692 692 120 237 711 (-31 (-31 711 237

117 019 019 117

529 857 857 529

100 693 693 100

167 834 834 167

767 568 568 767

243 801 801 243

772 580 580 772

111 682 682 111

137 525 525 137

345 670 670 345

177 703 703 177

1983 1983

8,8 8,8

1,4 1,4

0 0

- -

+31,4 +31,4

- -

-25,9 -25,9

+39,6 +39,6

-32,4 -32,4

- 54,7 54,7 -

-10,5 -10,5

+50,0 +50,0

+ 6,3 6,3 +

-14,9 -14,9

- 11,6 11,6 -

in % % in

Zu- bzw. bzw. Zu-

Abnahme(-) Abnahme(-)

Haupterwerbsbetriebe Haupterwerbsbetriebe

Nebenerwerbsbetriebe Nebenerwerbsbetriebe

Landwirtschaftliche Betriebe insgesamt insgesamt Betriebe Landwirtschaftliche

4,0 4,0

9,7 9,7

75,3 75,3

24,7 24,7

50,0 50,0

11,0 11,0

11,7 11,7

27,3 27,3

54,2 54,2

32,1 32,1

100,0 100,0

100,0 100,0

100,0 100,0

1987 in % % in 1987

der jeweiligen jeweiligen der

Gruppe Gruppe

% %

69 69

(= (=

9 331 331 9

1 825 825 1

4517 4517

1 927 927 1

8 261 261 8

2 097 097 2

5 084 084 5

54 233 233 54

37 703 703 37

28 372 372 28

16 530 530 16

16 840 840 16

52 485 485 52

28 464 464 28

1987 1987

Anzahl Anzahl

7 101 101 7

4 515 515 4

1 307 307 1 4 256 256 4

4 781 781 4

1 399 399 1

60 524 524 60

38219(63°/o) 38219(63°/o)

31 118 118 31

22 305 305 22

12 227 227 12

58 665 665 58

19 047 047 19

33 438 438 33

Anzahl Anzahl

1983 1983

Betriebe Betriebe

Landwirtschaftliche Betriebe 1983 bis 1987 in Hessen nach Größenklassen und nach sozialökonomischen Betriebstypen Betriebstypen sozialökonomischen nach und Größenklassen nach Hessen in 1987 bis 1983 Betriebe Landwirtschaftliche

1 - unter 10 ha ha 10 unter - 1

1 - unter 10 ha ha 10 unter - 1

1 - unter 10 ha ha 10 unter - 1

über 10 ha ha 10 über

HE+ NE NE HE+

Summe Summe

Summe Summe

über 50 ha ha 50 über

10 - unter 30 ha ha 30 unter - 10

30 - unter 50 ha ha 50 unter - 30

10 -unter 30 ha ha 30 -unter 10

über 50 ha ha 50 über

30 - unter 50 ha ha 50 unter - 30

Summe Summe

nach der landwirt- der nach

schaftlich genutzten genutzten schaftlich

Fläche in ha ha in Fläche

Betriebsgrößenklasse Betriebsgrößenklasse

Quelle: LICKFERS 1988 1988 LICKFERS Quelle:

Tabelle 5: 5: Tabelle ND ND Zum Persistenzverhalten von Nebenerwerbsbetrieben

Wie Tab. 6 über die Wanderungsbewegungen im Kammerbezirk Westfalen-Lippe zeigt, sind NE-Betriebe einerseits eine sehr stabile Gruppe, 73% der Betriebe haben ihren Status nicht aufgegeben, andererseits waren am Ende des untersuchten Zeitraums 17,5 0/0 der NE-Betriebe nicht mehr zu identifizieren, d. h. sie haben den Betrieb geschlossen. Umgerechnet sind das rd. 3,5 0/0 NE-Betriebe, die pro Jahr aufgeben. Die Ergebnisse von STADLER & STÄRKEL (1986) sind vergleichbar. 15.800 NE-Betriebe wurden zwischen 1979 und 1983 in Baden-Württemberg aufgelöst, das sind 16,7% des Ausgangsbestandes oder 4,2 0/0 pro Jahr (vgl. Tab. 7). Es erscheint uns also durchaus realistisch, auch für das Land Hessen einen jährlichen Verlust von im Mittel 4 0/0 NE-Betrieben anzunehmen.

Dieser mittlere Wert gilt jedoch für große, mit den unterschiedlichsten Standorten ausge- stattete Regionen. Bei der vorliegenden Fragestellung ist aber das Persistenzverhalten von NE-Betrieben in benachteiligten Regionen mit hohen Grünlandanteilen von Interesse. Betrachtet man einige Gemeinden in einer typischen grünlandstarken Mittelgebirgsregion, so ergeben sich höhere Verluste von NE-Betrieben.

Zur genauen Bestimmung der Betriebswanderungen zwischen den sozialökonomischen Betriebstypen führen die LandwirtschaftskammerWestfalen-Lippe und auch das Statistische Landesamt Baden-Württemberg sog. Verlaufsanalysen durch. Eine vergleichbare Studie liegt für Hessen bedauerlicherweise nicht vor (HASSKAMP, mdl.; BÜDI NG ER, mdl.).

Eine solche Untersuchung führte die Landwirtschaftskammer Rheinland 1984/85 in vier Eifel- gemeinden durch. Aus dieser Strukturanalyse mit Betriebsbefragung ergab sich ein Rück- gang für die Gruppe der NE-Betriebe von jährlich 6 0/0 (MÜLLER-LIST 1985; vgl. Tab. 8). Für einige Gemeinden Hessens versuchten wir die Entwicklung der NE-Betriebe ebenfalls nach- zuvollziehen. Aus dem Bestand der in Karte 2 dargestellten Gemeinden mit hohen Grünland- anteilen wurden 20 ausgesucht, die im Jahre 1987 im größten Teil ihrer Ortsteile keinen VE-Betrieb mehr aufwiesen. Ausgehend von der Überlegung, daß in diesen Gemeinden nicht sehr viele HE-Betriebe zum NE übergehen konnten,wurde für den Zeitraum 1979 -1983 -1987 der Rückgang der NE-Betriebe ermittelt 1 ) (vgl.Tab. 9). Es zeigte sich, daß im Extremfall bis zu 96 0/0 (!) aller NE-Betriebe (in Mittenahr) in einem Zeitraum von acht Jahren ausschieden. In einer Gemeinde erwies sich der Bestand als sehr stabil (Allendorf/Eder). Die Tab. 9 zeigt jedoch, daß im überwiegenden Teil der Gemeinden die NE-Betriebe stark abgenommen haben. Nach diesen Ergebnissen und den Ergebnissen von MÜLLER-LIST muß also ins- besondere in den benachteiligten, grünlandstarken Regionen Hessens eine erhöhte Auf- gabequote bei NE-Betrieben von rd. 6%/Jahr angenommen werden. Folgt man dieser Annahme, so ist davon auszugehen, daß „der Nebenerwerbsbetrieb vom Übergang bis zur Aufgabe im Durchschnitt etwa 16 Jahre überdauert, er kann also höchstens für eine Bewirt- schaftungsgeneration als Existenzform gelten" (MÜLLER-LIST 1985).

1) Es wird darauf hingewiesen, daß diese Zahlen nur Anhaltswerte sein können, da sich im Saldo immer noch einige wenige abstockende HE-Betriebe befinden, die die Ergebnisse eher nach unten beeinflussen. Diese Tabelle kann eine richtige Verlaufsanalyse nicht ersetzen. Eine weiter- gehende Bearbeitung des Zahlenmaterials erscheint deshalb nicht angebracht. 25 Überraschenderweise zeigt sich in allen hier angeführten Untersuchungen, daß immer auch einige NE-Betriebe wieder zum HE übergehen. In Westfalen-Lippe waren es 9,3%, in Baden- Württemberg 5,3% und in der Eifel 8% des Ausgangsbestandes (vgl. Tab. 7 und 10). Dies zeigt, daß sich aus NE-Betrieben auch HE-Betriebe entwickeln lassen und der Strukturwandel nicht in jedem Fall eine „Einbahnstraße" ist. Doch nur der kleinste Teil dieser Betriebe, es sind nur 1,7 0/0 neue Vollerwerbsbetriebe in Westfalen-Lippe bzw. 0,5 0/0 in der Eifel neu entstanden, zeigte sich wachstumsorientiert (Tab. 8 und 10). Insgesamt war für neue Übergangs-und Zuerwerbsbetriebe eine weitgehend „stagnierende Flächen- und Viehausstattung ein deut- liches Kennzeichen" (KLEIN 1985; Tab. 10). Die Umstellung dieser Betriebe wurde meistens von älteren Betriebsleitern vollzogen (nur 41 0/0 unter 50 Jahre), möglicherweise nach Verlust des außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatzes. Nach Einschätzung von KLEIN kann die haupt- berufliche Landbewirtschaftung dieser Betriebe nur als vorübergehend angesehen werden, verdeutlicht auch durch den enorm hohen Anteil der Hofnachfolger mit außerlandwirtschaft- licher Ausbildung (Tab. 10).

Die verharrenden NE-Betriebe zeigten ebenfalls kein wachstumsorientiertes Verhalten. Im Kammerbezirk Westfalen-Lippe sind diese Betriebe durch eine leicht abnehmende Flächen- und Viehausstattung sowie ein stagnierendes Produktionsvolumen gekennzeichnet (Tab.10). Die Befragungsergebnisse in der Eifel sind vergleichbar, nur 13% der hier befragten NE- Betriebe erklärten, sie wollten ihren Betrieb in Zukunft durch Zupacht aufstocken, dem- gegenüber erklärten rd.1/3 der NE-Betriebe, daß sie in den nächsten fünf Jahren wohl aufgeben werden oder daß sie die Zukunft als sehr ungewiß einstufen. Die beim einfachen Saldo- vergleich (bezogen auf alle NE-Betriebe; Tab. 5) feststellbare leichte Erhöhung der Flächen- ausstattung und der Viehbestände ist also nur auf Zugänge von immer größeren, zum NE abstockenden HE-Betrieben zurückzuführen und darf deshalb nicht als allgemeines Wachstum der NE-Betriebe fehlinterpretiert werden!

Wie in den Karten 1 und 2 dargestellt, gibt es in Hessen zahlreiche Gemeinden bzw. Ortsteile, in denen es keine oder nur noch sehr wenige Vollerwerbsbetriebe gibt. Hier wird die Land- bewirtschaftung fast gänzlich durch NE-Betriebe garantiert. Dargestellte Ergebnisse sind für diese Räume von erheblicher Bedeutung, kann doch hier der abnehmende Bestand der NE-Betriebe (vgl.Tab. 9) durch Übergänge aus dem Haupterwerb nicht mehr ergänzt werden. Der Strukturwandel geht gerade hier ausschließlich zu Lasten der für die Mindestbewirtschaf- tung unentbehrlichen NE-Betriebe!

Einerseits sind die NE-Betriebe für unsere Mittelgebirgsregionen unentbehrlich, andererseits kann jedoch von diesen Betrieben bei herkömmlicher Wirtschaftsweise eine Übernahme größerer Flächen und deren Weiterbewirtschaftung nicht erwartet werden. Die Flächen- aufnahme kann langfristig nurvon durchhaltewilligen Landwirten, meist sind dies Vollerwerbs- betriebe, deren Anteil in einigen Räumen jedoch außerordentlich gering ist (vgl. Karten 1 und 2; Pkt. 4.5 und 5.), erwartet werden (MÜLLER-LIST1985)! Dieses Ergebniszeigt,daß auch in den benachteiligten Regionen in Zukunft nicht auf Vollerwerbsbetriebe verzichtet werden kann, einewirkungsvolle Förderung der noch existierenden und gegebenenfalls die Neugründung von VE-Betrieben ist anzustreben. Aber von ebenso großer Wichtigkeit ist die gezielte verstärkte Förderung der NE-Betriebe, um die hohe Aufgabequote von 6 %/Jahr deutlich zu senken. Ein weiterer Verlust von Betrieben ist in einigen Regionen nicht mehr akzeptabel (vgl. Pkt. 5.)!

26 Wir können deshalb die Schlußfolgerung von WAGNER (1989) nicht teilen, daß wegen der „völlig indiskutablen Gewinne der kleinen Betriebe der in Gang gekommene Strukturwandel aus gesamt(land)wirtschaftlicher Sicht nicht nur zu begrüßen ist" und daß „dieser Prozeß weder aufgehalten werden kann noch aufgehalten werden darf". Diese rein betriebswirtschaft- liche Sichtweise vernachlässigt die enormen Probleme bei der Sicherung der Mindestbewirt- schaftung.

Tabelle 6: Wanderungsbewegungen der Betriebe nach sozialökonomischen Betriebstypen von 1977 bis 1982

Zahl der Betriebe ab 5 ha LF (0/0) (40 146 Betriebe über EDV und 959 Betriebe manuell identifiziert)

davon 1982 Betriebstyp 1977 VE- UE- ZE- NE- nicht zu Betriebe Betriebe Betriebe Betriebe identifizieren

VE 19 436 14 196 3 676 171 642 751 0/0 (73,0) (18,9) (0,9) (3,3) (3,9)

UE 12 508 1 529 6 699 243 2 248 1 789 oh, (12,2) (53,6) (1,9) (18,0) (14,3)

ZE 1 237 105 258 294 472 108 0/0 (8,5) (20,9) (23,8) (38,1) (8,7)

NE 12 820 215 700 279 9 378 2 248 0/0 (1,7) (5,5) (2,2) (73,1) (17,5)

Zus. 46 001 16 045 11 333 987 12 740 4 8961) 0/0 (34,9) (24,6) (2,2) (27,7) (10,6)

Betriebe 1982 deren Herkunft nicht bestimmt werden konnte - 1 974 313 391 36 1 234 - 0/0 (15,9) (19,8) (1,8) (62,5)

Betriebe 1982 insges. - 43 079 16 358 11 724 1 023 13 974 - % (38,0) (27,2) (2,4) (32,4)

1) 4 698 Betriebe über EDV und manuell nicht zu identifizieren, zuzüglich der 198 Betriebe, deren Identifikation unsicher ist. Quelle: KLEIN 1985

27 hp Tabelle 7: Strukturentwicklung landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetriebe 1) nach Verhaltensgruppen und Größenklassen der landwirtschaftlich co genutzten Fläche (LF) zwischen 1979 und 1983 in Baden-Württemberg Größenklassen von ... bis ... unter ... ha LF Verhaltensgruppen ins- 45-50 50 0-5 5-10 10-15 15-20 20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 u. mehr gesamt Betriebe 1979 62 063 20 900 7 603 2 460 841 333 143 69 40 24 75 94 551 insgesamt 1983 56 521 19 094 7 755 2 889 1 084 468 198 104 60 47 107 88 327 o/ 2) 91,1 91,4 102,0 117,4 128,9 140,5 138,5 150,7 150,0 195,8 142,7 93,4 3 7 4 775 17 16 5 2 993 1 224 350 112 48 Absteiger Betriebe - 12,5 12,5 9,3 5,1 2) 14,3 16,1 14,2 13,3 14,4 11,9 23,2 % - 33 66 527 11 5 Verharrer Betriebe 45 245 14 588 4 788 1 303 372 124 43 15 0/02) 44,0 70,4 20,8 72,9 69,8 63,0 53,0 44,2 37,2 30,1 21,7 27,5 5 2 403 Aufsteiger Betriebe 932 715 408 209 71 32 16 7 8 - 20,0 20,8 2,5 2) 3,4 5,4 8,5 8,4 9,6 11,2 10,1 % 1,5 - 34 29 61 14 622 Zugänge Betriebe 7 994 2 589 1 958 1 081 464 243 108 61 0/02) 85,0 120,8 81,3 15,5 12,9 12,4 25,8 43,9 55,2 73,0 75,5 88,4 davon Übergänge aus dem Haupt- Betriebe 3 129 2 258 1-2931 -I I- 688 -I I 224 1 59 9 289 3 39,1 87,2 1 96,6 I 96,7 63,5 erwerb ) % der Zugänge I- 96,4 -I I- 97,3 -I Neugrün- Betriebe 4 865 331 I-- 108 -I I 19 -I I 8 I 2 5 333 I 3,6 I 3,4 3,3 36,5 dungen % der Zugänge 60,9 12,8 I- -I I- 2,7 -I 15 886 2 604 1 183 598 286 129 67 31 16 11 35 20 846 Abgänge Betriebe %2) 46,9 44,9 40,0 45,8 46,7 22,1 24,3 34,0 38,7 25,6 12,5 15,6 davon Übergänge in den Haupt- Betriebe 1 747 1 272 I- 1493 -I I- 391 -I 1 112 I 31 5 046 3 1 89,6 I 88,6 24,2 erwerb ) % der Abgänge 11,0 48,8 I- 83,8 -I I- 94,2 -I Auflösungen Betriebe 14 139 1 332 I- 288 -I I- 24 -I I 13 I 4 15 800 0 51,2 I 5,8 I 10,4 I 11,4 75,8 /0 der Abgänge 89,0 I- 16,2 -I -I 2) In Prozent des Bestandes von 1979. - 1) Betriebe mit überwiegend außerbetrieblichem Einkommen (nur Betriebe in der Hand natürlicher Personen). - 3) Betriebe mit überwiegend betrieblichem Einkommen (nur Betriebe in der Hand natürlicher Personen). Quelle: STADLER & STÄRKEL 1986 Tabelle 8: Entwicklung der Betriebe 1977 bis 1982 im Untersuchungsgebiet Eifel

1982 1977 davon in Typ ausge- 1977 nicht noch vor- erfaßt VE UE ZE HE NE schieden klassifziert handen

Betriebe insges. 927 713 102 175 12 289 424 214 59

davon VE 91 85 66 15 1 82 3 6 7 1977: UE 328 252 34 121 3 158 94 76 21 ZE 20 16 0 8 2 10 6 4 1 HE zusammen 439 353 100 144 6 250 103 86 29 NE 488 360 2 31 5 39 321 128 30

Quelle: MÜLLER-LIST 1985

Tabelle 10 Wanderung identifizierter Nebenerwerbsbetriebe im Kammerbezirk Westfalen- Lippe 1977 bis 1982.

Milchkühe NF-Anteil 1977 Zahl LF/Betr. Pacht- GV/ BL- m. außer- der anteil Halter Halter 100 ha Anteil landw 1982 Betriebe Anteil Stück < 50 J. Ausbild. ha v. H. v. H. Stück GV v. H. v. H.

1977 NE 194 22,8 31 56 13 140 91 55 1982 VE 28,0 40 48 20 217 78 49

1977 NE 687 13,0 28 67 7 116 61 75 1982 UE 13,4 30 54 9 120 41 76

1977 NE 277 5,2 33 60 8 121 75 79 1982 ZE 15,7 34 52 10 133 57 83

1977 NE 9 245 10,8 27 63 6 114 78 84 1982 NE 10,6 27 43 7 112 62 89

(BL= Betriebsleiter, NF= Hofnachfolger über 15 Jahre)

Quelle: KLEIN 1985 29 Tabelle 9: Der Rückgang der NE-Betriebe in den Zeiträumen 1979 -1983 -1987 in 20 ausge- wählten, grünlandstarken Gemeinden Hessens Anzahl der Rückgang der NE-Betriebe in den NE-Betriebe Zeiträumen 1979 1983 1987 1979-1983 1983-1987 1979-1987

Landkreis Bergstraße Neckarsteinach 15 11 13 -27 +18 -13

Hochtaunuskreis Glashütten 23 14 17 -39 +21 -26 Königstein 8 7 2 -12 -71 -75 Schmitten 37 28 23 -24 -18 -37 Grävenwiesbach 102 78 69 -24 -12 -32

Main-Kinzig-Kreis Biebergemünd 166 121 113 -27 -7 -32 Odenwaldkreis Hesseneck 36 27 22 -25 -17 -39 Main-Taunus-Kreis Eppstein 24 17 18 -29 +6 -25 Landkreis Waldeck-Frankenberg Allendorf (Eder) 251 244 221 -3 -9 -12 Werra-Meißner-Kreis Berkatal 189 148 128 -22 -14 -32 Groß-Almerode 121 91 62 -25 -32 -49 Lahn-Dill-Kreis Aßlar 89 70 62 -21 -11 -30 Bischoffen 138 108 90 -22 -17 -35 Breitscheid 72 62 51 -14 -18 -29 Dillenburg 53 46 44 -13 -4 -17 Ehringshausen 109 97 81 -11 -15 -25 Haiger 107 83 69 -22 -17 -36 Hohenahr 182 143 110 -21 -23 -42 Mittenaar 26 20 1 -23 -95 -96 Siegbach 38 36 25 -5 -31 -34

Quellen: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT 1982, 1984, 1989

30 3.1.2 Der Wandel der landwirtschaftlichen Bodennutzung

Die landwirtschaftliche Bodennutzung ist flächenmäßig der wichtigste Zweig der Boden- nutzung überhaupt. 1950 wurden in Hessen 1,045 Mio. ha Fläche landwirtschaftlich genutzt (vgl.Tab. 11), das waren 50 0/0 der Gesamtfläche des Landes. In der Folgezeit wurde die LF ständig reduziert! Bis 1985 nahm sie um 266.800 ha (= -25%) ab. Im Durchschnitt dieses Zeitraumes von 35 Jahren schieden also täglich rd.21 ha, dies ist ein kleiner Bauernhof, aus der Nutzung aus. Gründe dafür sind eine einerseits enorme Ausweitung der Bau- und Verkehrs- flächen und andererseits blieben in einigen Räumen viele „Flächen aufgelöster Betriebe brach liegen, weil keine oder zu wenige aufstockungswillige Betriebe vorhanden waren. Hängige, sumpfige oder andere ertragsarme Flächen, auf denen der Einsatz von Maschinen nicht möglich oder unrentabel war, schieden aus der Bewirtschaftung aus" (KÜTTNER 1975a) (vgl. Pkt. 3.2 ff.). Ein Teil dieser Brachflächen wurde mit Hilfe von Sonderprogrammen aufgeforstet. Dieser enorme Rückgang der LF war in den vergangenen drei Jahren zum Stillstand gekommen, ja sie nahm sogar wieder leicht zu (+4.000 ha). Nach Angaben von BÜDINGER (mdl.) lagen die Gründe in der Erwartung der Bauern auf neue landwirtschaftliche Programme (Flächenstillegung, Extensivierung) und in den schlechten Erfahrungen, die bei der Einfüh- rung der Milchquotenregelung gemacht wurden. Es wurden deshalb bei der Landwirtschafts- zählung auch die letzten Flächen angegeben, mit der Erwartung, dann auch dafür Entschä- digung zu erhalten. Der Flächenzuwachs lag bei etwa 1 %, dies ist zwar noch der Fehlerbereich, aber die Tatsache, daß sich die Vorzeichen geändert haben, zeigt eine Trendwende an. KÜTTNER (1987) macht ebenso wie STADLER &STÄRKEL (1986) anhaltend schlechte außer- landwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten und das Streben vieler verbleibender Landwirte, ihre Betriebe aufzustocken, dafür verantwortlich. Im Jahr 1988 ist jedoch wieder eine deutliche Einschränkung der LF um 7.200 ha (= -0,9%) zu beobachten (KÜTTNER 1988). Vom Rückgang der LF war das Ackerland absolut am stärksten betroffen. Es nahm bis 1979 um rd. 160.000 ha (= -24%) ab, seitdem ging das Ackerland nicht mehr zurück. Sein Anteil an der LF nahm deshalb bei weiter abnehmender LF relativ etwas zu (+1,5%) (vgl.Tab 11). Diese starke Reduzierung ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Bau- und Verkehrsflächen in den dichter besiedelten Gebieten mit den traditionell besseren Böden kräftig erweitert wurden. Schlechtere Ackerstandorte wurden oftmals in Dauergrünland umgewandelt.

3.2 Entwicklung des hessischen Grünlandbestandes

Die Fläche das Dauergrünlandes blieb in Hessen bis 1970 (!) trotz abnehmender LF nahezu konstant (vgl.Tab 11). Es wurde erst nach 1970 stark reduziert und seit Ende der70erJahre ging der Rückgang der LF ganz zu Lasten des Dauergrünlandes. Rd. 70.000 ha Dauergrünland (= -21%) wurden bis 1985 umgebrochen, aufgegeben, überbaut etc. Zusätzlich zu dieser Reduzierung wurden die verbleibenden Flächen entweder intensiviert - worauf die gestie- genen Leistungen der Viehhaltung, die Meliorationen, die verstärkte Düngung, häufiger Umbruch und Neuansaat und die verbesserte Weidetechnik hinweisen - oder aufgegeben, worauf die rasch zunehmenden Grünlandbrachflächen schließen lassen (vgl. Pkt. 3.2.2). Die Intensivierung des verbleibenden Grünlandes verdeutlicht auch Abb. 5.Während das intensiv genutzte Dauergrünland (Wiesen und Mähweiden) nur um rd.17% reduziert wurde,wurde das extensivere Grünland (Weiden, Almen, Hutungen, Streuwiesen) um rd. 40% (!) vermindert. Intensive Mähweiden-Nutzung nimmt zu, während immer weniger Dauergrünlandflächen entweder nur gemäht oder nur beweidet werden! 31 N(^) Tabelle 11 Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Bodennutzung in Hessen von 1950 bis 1987 (nach dem Betriebsprinzip)

Dauer- Rück- davon Rückgang Weiden, Rückgang Landwirt- Rück- Dauer- Wiesen undWeiden, Acker- RückgangAcker- grün- gang Wiesen der WiesenAlmen, der schaftlich gang grün- MähweidenAlmen, flächen der Acker-flächen land des DG + Mäh- + Mäh- Hutungen, Weiden genutzte der LF land in % des Hutungen, gesamt flächen gesamt weiden weiden StreuwiesenAlmen etc.Fläche (LF) in % Dauer- Streuw. in in 0/0 in ha in % in ha in % in ha in % in ha in % der LF grünlandes % des DG in ha in % der LF

1950 331 335 100 264 345 100 66 990 100 1 045 474 100 31,7 671 150 100 64,2 1955 319 282 96 252 505 95,5 66 777 99,6 1 034 373 98,9 30,9 673 184 100,3 65 1960 320 707 96,7 240 296 90,9 80 411 120 1 014 592 97,0 31,6 652 945 97,3 64,4 1965 354 768 107 235 175 89 119 593 178 991 358 94,8 35,8 591 290 88,1 59,6 1970 333 877 100 265 725 100 68 152 100 948 920 90,7 35,2 79,6 20,4 576 729 85,9 60,7 1975 324 418 98 267 021 100 57 397 84 919 291 87,9 35,3 82,3 17,7 562 670 83,8 61,2 1978 311 983 94,1 262 179 99 49 804 73 888 614 85 35,1 84 16 564 385 81,4 61,5 1979 278 690 84,1 232 347 87 46 343 68 797 940 76,3 34,9 83,4 16,6 510 513 76 64 1980 272 808 82,3 225 329 85 47 479 70 792 605 75,8 34,4 82,6 17,4 510 578 76 64,4 1985 258 836 78,1 215 957 81 42 879 63 778 613 74,5 33,2 83,4 16,6 512 752 76,4 65,9 1987 261 926 79 219 459 83 42 467 62 778 271 74,4 33,6 83,7 16,3 509 560 75,9 65,5 1988 771 038 73,7

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT, schriftl. Abb. 4: Anteil des Dauergrünlands an der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Gemeinden in Hessen 1983

Quelle: KÜTTNER 1985b

1811111111811=11111111

fliI11:11

Dauergranland in % der landwirt- schaftlich genutzten Flache

Unter 10

• 0 3. unter m

20 Pie unter 20

32 nie unter 40

• 40 bre unter 60

XeSSISCh. $10.113.0 Lanaegerm 1435 111 = t0 o0er mehr

33 Abb. 5: Entwicklung der Grünlandbestände in Hessen von 1970 bis 1987- in Wo -

1970 1975 1980 1985 1987 100

90

83% Wiesen + Mähweiden 80 Dauergrünland 79% gesamt

70

62% Weiden, Almen, 60 Hutungen, Streu- • wiesen

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT, schriftl.

Überdurchschnittlich hoch waren die Abnahmeraten des Dauergrünlandes in den Gebieten mit einem sowieso schon geringen Dauergrünlandanteil. „Dies bedeutet, daß sich diese Nutzungsart noch stärker auf die Gebietsteile mit ungünstigen natürlichen Standortbedin- gungen konzentriert" (KÜTTNER 1984) (vgl. Abb. 4). Die seit April 1984 bestehende Milch- quotenregelung hat zu einer weiteren Verringerung beigetragen (BÜDINGER 1988). Daß dennoch das Grünland in Hessen seit etwa 1985 um rd. 3.000 ha ausgeweitet wurde (+1,2 0/), ist hauptsächlich auf eine Sonderentwicklung im Lahn-Dill-Kreis zurückzuführen. Hier wurde das Ackerland verringert, das Dauergrünland um rd. 1.000 ha ausgedehnt, der Milchkuhbe- stand abgebaut, aber der Schafbestand im Zuge der Förderungsprogramme für benachteil igte Gebiete um rd. 700 Tiere (+19%) erweitert (BÜDINGER 1988).

Der beschriebene enorme Rückgang verdeutlicht, daß das Grünland in der Vergangenheit von seiner wirtschaftlichen Bedeutung für den landwirtschaftlichen Betrieb verloren hat. Zu dieser Entwicklung, die z. Z. zu stagnieren scheint, die aber nach Einschätzung von Experten sicherlich fortschreiten wird, trugen/tragen folgende Faktoren bei: 34 (1) Eine enorme Bestandsabnahme in der grünlandgebundenen Tierhaltung:

Da die tierische Arbeitskraft heute ohne Bedeutung ist, wurden allein 117.600 Arbeitspferde (1949) durch rd. 30.000 Freizeitpferde (1987) ersetzt. 242.800 Arbeitskühe und 6.700 Zugochsen (1949) mußten ebenfalls der beginnenden Mechanisierung weichen. Nach Einschätzung von EISENKRÄMER (1988) waren allein für die Fütterung dieser Arbeitstiere rd. 25% der LF des Jahres 1948 notwendig. Die Schafbestände in Hessen wurden seit 1950 um rd. 40 % auf heute 138.800 Tiere reduziert, die Ziegenhaltung verkam praktisch zur Bedeu- tungslosigkeit. Von 258.406 Ziegen des Jahres 1950 sind 1977 (letztes Erhebungsjahr in Hessen) nur 2.272 Tiere geblieben (KÜTTNER 1975a,b; STATISTISCHES BUNDESAMT, schriftl.; HSL, mdl.).

(2) In den milcherzeugenden Betrieben wurde das Grundfutter (Heu, Gras, Silage) sehr stark durch zugekauftes Kraftfutter substituiert. Nach POPPINGA (1988) ist dies ein überzogener und vielfach wirtschaftlich unsinniger Einsatz von Kraftfutter. Die Quotenregelung hat jedoch in den Grünlandregionen zu erheb- lichen Einkommenseinbußen und damit zu einer vollkommenen Neubewertung des Kraft- futteraufwandes geführt. Da Einkommenssteigerungen durch Mengenausweitung heute unmöglich sind, besinnt man sich auf die erheblichen Kostenvorteile des selbst produzierten Grundfutters. Das HELELL (Kassel) hat im Rahmen des Programms „Milcherzeugung bei reduziertem Kraftfutteraufwand" festgestellt, daß „eine Anpassung des Kraftfutteraufwandes an die Milchleistung ...in vielen Betrieben zu einer Kraftfuttereinsparung führt. Damit kann eine erhebliche Aufwandsminderung erreicht werden, die bei festgeschriebenem Produktionsum- fang die einzige Möglichkeit darstellt, die Rentabilität der Milcherzeugung noch zu verbessern" (WEISS 1988), d. h. mehr Einkommen zu erzielen (vgl. dazu ausführlich POPPINGA 1988). PELZER (mdl.) bestätigt an Beispielen aus dem Odenwaldkreis, daß die Landwirte sich in beschriebener Weise bereits verhalten und zumindest dort das Grünland z. Z. als gesichert angesehen werden kann.

(3) Erzeugerpreissteigerungen für Milch sind längerfristig nicht zu realisieren. Die Milchproduktion liefert gegenwärtig in den Betrieben der Grünlandregionen den höchsten Einkommensbeitrag. Da diese Gebiete durch hohe Niederschläge und ertragsarme Böden gekennzeichnet sind, gibt es keine wirtschaftlichere Alternative zur Grünlandnutzung. Da es für das Grünland wiederum z.Z. keine alternative, ebenso wirtschaftliche Verwendung als die Milcherzeugung gibt, hängen die Betriebe und damit der Grünlandbestand einseitig vom Milchabsatz und Milchpreis ab. Der Milchpreis ist agrarpolitisch abgesichert und wies als Folge der Quotenregelung, ganz im Gegensatz zu anderen Erzeugerpreisen,1988 eine leicht steigende Tendenz auf. Milch wurde zu höheren Preisen auch aus dem ausländischen EG-Raum nachgefragt, etwa aus Holland (HB 22/1988). In den letzten beiden Jahren (1990/91) war bundesweit ein starker Rückgang der Erzeugerpreise um rd. 10 Pf./kg Milch zu verzeichnen! Gegenüber dem Bundesdurch- schnitt ist der Milchauszahlungspreis in Hessen um rd. 3,4 Pf/kg geringer (WAGNER 1989)! Nach Einschätzung von ISER MEYER, BUCHWALD & DEBLITZ (1988) „sind die Aussichten auf mögliche Erzeugerpreissteigerungen wegen derzu erwartenden technischen Fortschritte, die im Milchviehbereich besonders hoch sein werden, jedoch längerfristig gleich Null". Der Grünlandrückgang wird also auch aus diesem Grund wahrscheinlich weitergehen. 35 (4) Milchimitate werden nach ihrer Zulassung zu deutlichen Nachfragerückgängen bei Milch führen.

Z. Z. läuft die EG-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof Sturm gegen das deutsche Milchgesetz, das Milchimitationen noch verbietet. Aus Sojabohnen hergestellte Imitate von Milchprodukten haben in den USA heute schon starke Marktanteile, so z. B. Sojakäse mit 15 0/0 (HB 38/1988). Der Imitatanteil von Streichfetten hat sich in Großbritannien von 1984 bis 1986 von 8% auf 18% erhöht, Irland lag 1986 bei 15% (TOP AGRAR 12/1988). Es wird damit gerechnet, daß die Nachfrage nach Milchprodukten entsprechend zurückgeht, wenn in Zukunft Milchimitate zugelassen würden. Die Folge: innerhalb von drei bis vierJahren müßten die Quoten nochmals um ca. 6-7°/o gekürzt werden, der Milchpreis gerät unter Druck (TOP AGRAR 1/1988).

(5) Der Einsatz von Bovinem Somatotropin (BST) in der Milcherzeugung wird zu erheblichen Steigerungen der Milchleistung führen.

Bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften liegen zwei Anträge auf Zulassung von Bovinem Somatotropin (BST) zum Einsatz in der Milcherzeugung vor. Nach Angaben von ZEDDIES & DOLUSCHITZ (1988) lagen die in den USA damit erzielten Steigerungen der Milchleistung bei im Mittel 22 %. Ihre Hochrechnung für die Bundesrepublik Deutschland ergibt, daß der Bestand an Milchkühen bei gleichbleibender Milchquotenregelung um bis zu 108.000 Kühe reduziert werden müßte, wodurch wiederum Grünlandflächen freigesetzt werden! Nach Einschätzung des CDU-Politikers RÜTTGERS könnte die Zahl der Milchkühe nach Einführung von BST sogar um etwa 300.000 Tiere verringert werden (FR v.17.9.1988). Diese Ertragssteigerungen haben erheblichen Einfluß auf die Zahl der Milcherzeuger. Ein Blick in die USA, ebenso in die Niederlande, zeigt die Perspektiven bereits auf. Nach Angaben von THIEDE (1988a) gehen einige Untersuchungen in den Niederlanden davon aus, daß es um die Jahrhundertwende bei Ausschöpfung aller biotechnologischen Möglichkeiten zu Durch- schnittsleistungen des gesamten niederländischen Milchkuhbestands von rd.10.000 kg pro Kuh und Jahr kommen wird! Eine auf deutsche Verhältnisse übertragene überschlägige Berechnung von THIEDE (1988a) kommt zum Ergebnis, daß bei (optimistischer) gleich- bleibender Milchmenge (abzg1.9,5 0/0 Minderquote) von 1989 bis zum Jahr 2000 (bei rd.7.000 kg Milchleistung) nur noch rd. 3- 3,2 Mio. Milchkühe gebraucht würden. Unterstellt man einen mittleren Bestand von 25 Kühen je Betrieb, dann „müßten also in den folgenden 13 bis 14 Jahren etwa 190.000 (= 60% der heutigen) Milcherzeuger ausscheiden" (THIEDE 1988a). Der Strukturwandel wird zusätzlich beschleunigt, wenn der Transfer von Milchquoten erleich- tert werden sollte und große Betriebe ihre freiwerdenden Stallkapazitäten durch Quotenkauf aufstocken können (ZEDDIES & DOLUSCHITZ 1988). Sollten die Milchquoten einmal völlig ohne die Flächenbindung handelbar werden - eine freie Handelbarkeit auch über die natio- nalen Grenzen hinweg ab 1992 wird von holländischen Molkereien gefordert -, könnte dies unerwünschte Folgen haben. Es wäre möglich, daß „strukturschwache Regionen von struktur- stärkeren buchstäblich aufgekauft werden. Die Milchviehhaltung könnte aus den Grünlandre- gionen der Mittelgebirgslagen -wo sie zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur und des Land- schaftsbildes erwünscht ist - in Ackerbauregionen oder an Standorte mit billigem impor- tiertem Kraftfutter (Küstenregionen) abwandern" (TOP AGRAR 1/1988). Aber auch ohne BST liegt die jährliche Milchleistungssteigerung je Kuh heute bei 1,8 0/0. Die züchterischen Reserven sind noch nicht ausgeschöpft. Schreibt man die Leistungssteigerung auf einen überschaubaren Zeitraum von 10 Jahren fort, so werden schon allein aus diesem Grund rd. 20% weniger Kühe zur Milcherzeugung erforderlich sein (VÖLKL und ELLER- BROK-KUBACH, mdl.). 36 (6) Die Referenzmengen werden durch Abzugsregelungen ständig weiter reduziert.

Bei Einführung der Milchquotenregelung 1984 gingen dem Einzelbetrieb max.12,5 0/0 und 1987 nochmals 8,5% seiner Milchmenge durch Abzug verloren, dies hat eine enorme Reduzierung der Milchkuhbestände bewirkt und nach BÜDING ER (1988) „zu einer weiteren Verringerung der Grünlandnutzung beigetragen" (vgl.Tab.12).Vergessen wird jedoch, daß die Quoten weiter permanent reduziert werden. Überträgt ein Landwirt seine Lieferrechte an einen anderen, fallen derzeit 20% an den Bund zurück. Bei Quotenübertragung im Rahmen des FELEG soll sich diese Abzugsquote nochmals auf 30 oder 50% erhöhen (HB 4/89).

(7) Bei Quotenübertragung wird das Grünland nach Ertragsfähigkeit selektiert.

Die Nachfrage nach freien Milchquoten ist groß, das dazugehörige Grünland wird jedoch oft nicht genutzt, da es oftmals zu weit entfernt liegt und die die Quote übernehmenden Betriebe durch die erzwungene Abstockung alle selbst über ausreichend Grünland verfügen. Zusätz- lich wird bei der Quotenübertragung nach der Ertragsfähigkeit selektiert. Ertragsärmere, aber ökologisch wertvollere Flächen scheiden aus der Produktion aus (VÖLKL und ELLER BROK- KUBACH, mdl.). Die in Pkt. 2.1 beschriebenen extensiven, aber von landwirtschaftlicher Nutzung abhängigen schützenswerten Grünlandbestände haben unter diesen Bedingungen weiter an wirtschaftlicher Bedeutung verloren.

(8) In der Milchkuhhaltung wird fast ausschließlich die arbeitsaufwendige Stallhaltung praktiziert.

Mit zunehmender Bestandsgröße nimmt die Stallhaltung und damit der Ackerfutterbau zu. So zeigen beispielsweise ISERMEYER, BUCHWALD & DEBLITZ (1988), daß in fünf nord- hessischen Dörfern drei Viertel aller Betriebe auch im Sommer ihre Kühe permanent im Stall halten. Das andere Viertel, fast ausnahmslos Vollerwerbsbetriebe, hält die Kühe halbtags auf der Weide und nicht ein einziger Betrieb praktiziert im Sommer noch Weidegang rund um die Uhr. Bei der Bullenmast kommt Weidegang überhaupt nicht mehr vor. Es besteht deshalb bei weiterer Konzentration in der Milchkuhhaltung immer weniger Verwendung für Weiden (vgl. Tab. 12)!

37 (9) Die neue Milchhygiene-Verordnung wird vor allem kleine Milchbetriebe zur Aufgabe zwingen. Die weitere Verlängerung der Milchabholungsintervalle zwingt zu noch weiterer Verschärfung der Milchhygienestandards. Oftmals sind zu ihrer Erreichung Investitionen notwendig, die von kleinen Milchbetrieben, vor allem Nebenerwerbsbetrieben, nicht getätigt werden können. Sie stellen die Milchkuhhaltung dann oftmals ganz ein (SCRIBA, mdl.; ELLERBROK-KUBACH und VÖLKL, mdl.). Bei dieser Erschwerung der Milchkuhhaltung verdeutlicht sich die grund- sätzliche Instabilität kleinerer Betriebe (meist NE-Betriebe) auf Grünlandstandorten, weil es hier z. Z. noch kaum Betriebsformen gibt, die sowohl arbeitswirtschaftlich als auch einkom- mensmäßig befriedigen (LANDWIRTSCHAFTSKAMMER WESTFALEN-LIPPE 1988).

(10) Über die Hälfte aller Milchkühe in Hessen steht in Betrieben, deren Zukunft als nicht gesi- chert angesehen werden muß. Nur 3% aller MK-haltenden Betriebe in Hessen haben mehr als 40 Kühe; dies ist die notwen- dige Produktionskapazität, um ein entwicklungsfähiges Einkommen in der Größenordnung von DM 50.000/Jahr zu erzielen (LICKFERS 1988). Hessen hat also eine ausgesprochen schlechte Betriebs- und Produktionsstruktur der Milchviehhaltung (vgl. Tab. 13). Nach Einschätzung von VÖLKL und ELLERBROK-KUBACH (mdl.) stehen deshalb rd. 70% aller hessischen Milchkühe in Betrieben, deren Zukunft als nicht gesichert angesehen werden kann. In der Folge werden in Zukunft also erhebliche Milchquoten zur Übernahme frei werden. Übernahmewilligen Betrieben fehlen jedoch oftmals wegen der schlechten Preise die Mittel, um die Aufstockung durch Um- und Anbau der Ställe zu ermöglichen. Investitionen in neue Standplätze sind kostspielig. Fördermittel stehen z. Z. nicht zur Verfügung. In anderen Regionen gibt es keinen zur Übernahme der Quote bereiten Betrieb mehr. Das Grünland steht zur Disposition, wird nicht mehr genutzt, die Quote verfällt. Der z.Z. andauernde Verzicht auf eine gezielte Förderung langfristig existenzfähiger Betriebe in unseren Grünlandregionen ist „also der sicherste Weg, auf Dauer die Milchviehhaltung aus diesen Regionen ganz zu verbannen" (TOP AG RAR 1/1988). Eine Umstellung auf Rindermast ist ebenfalls keine Alternative mehr. Auch hier sind die Preise wegen großer Überschüsse und gesenkter Interventionspreise rückläufig! Zusammenfassend kann man festhalten, daß die Milchkuhzahlen in Hessen weiter schrumpfen werden, das Grünland wird wegen dieser Entwicklungen eine immer geringere wirtschaftliche Bedeutung für die hessische Landwirtschaft haben. Die aus dem Struktur- wandel hervorgehenden hochspezialisierten Milcherzeuger mit großen Kuhbeständen werden jedoch nicht in den grünlandstarken Mittelgebirgsregionen zu finden sein, sondern die guten Lagen mit hoher Eignung für den Ackerfutterbau bevorzugen. Derartige Vorgänge werden von der hessischen Landwirtschaftsverwaltung bereits beobachtet So ist z. B. im Vogelsberg festzustellen, daß die Milchquoten in die benachbarte Wetterau abwandern. Bei den Kauf- und Pachtpreisen wird es deutlich: „Für Grünlandflächen ohne Milchquote finden sich auch bei Preisen wesentlich unter DM 10.000/ha kaum Käufer" (HB 39/1988). Eine Tatsache, die in Gesprächen mit Ortslandwirten sehr häufig bestätigt wurdet).

1 ) Amtliche Grünland-Kauf- und Pachtpreisstatistiken sind nach Auskunft des HSLnicht erhältlich, befinden sich jedoch in Vorbereitung (BÜDINGER, mdl.)! 38 Tabelle 12: Entwicklung der Milchkuhhaltung in Hessen Jahr Halter Tiere gehalten Milcherzeugung Milchkühe 0 je Kuh/Jahr (*) 1973 52 000 6,3 4 000 328 134 1975 46 000 6,8 4 070 313 562 1977 41 000 7,5 4 200 306 907 1979 34 800 8,6 4 460 300 317 1981 30 200 9,5 4 500 287 915 1983 28 000 10,5 4 800 295 871 1984 26 588 284 664 1985 24 500 11,3 4 600 274 688 1986 23 300 11,7 4 810 272 207 1987 21 200 11,9 4 950 253 300 1988 20 621 12,1 249 791 1990 17 719 13,0 231 089 0 73-83 -2 200 +0,4 + 72 kg 0 81-83 -1 100 +0,5 +150 kg $ 83 -88 -1 720 +0,4 + 40 kg 86 -88 = -11,5 88-90 = -14% (!)

Quellen: LICKFERS 1988; STATISTISCHES BUNDESAMT, schriftl. (*); HSL 1991

Tabelle 13: Die Struktur der Milchviehhaltung in der BRD, Hessen und Schleswig-Holstein

Bund Hessen Schleswig-Holstein

Zahl der Halter über 300 000 22 000 14 700 Durchnschnitts- bestand Stück 16 Kühe 12,5 Kühe 35 Kühe mehr als 40 Kühe haben Halter über 20 000 600 5 500 in 0/0 aller Haltungen 7% 3% 37% Anteil der Kühe in Beständen über 40 22% 13% 59%

Quellen: Agrarberichte und Rinderreport SH zit. in LICKERS 1988 39 3.2.1 Ursachen der Bracheentwicklung Sichtbarstes Resultat des Strukturwandels ist die Aufgabe der Landnutzung, die Entwicklung von Brachland. Mehrere Ursachen, häufig in Zusammenwirkung, führen zur Aufgabe der Bewirtschaftung. Ohne Zweifel die größte Bedeutung kommt dabei den ökonomischen Faktoren zu (ROOS u. a. 1977).

(1) Ökonomische Faktoren - landwirtschaftliche Gegebenheiten, wie natürliche Produktionsbedingungen, betriebs- strukturelle Verhältnisse, Eignung und Qualifikation der Bewirtschafter, - allgemeinwirtschaftliche Voraussetzungen, wie Vorhandensein außerlandwirtschaft- licher Arbeitsplätze.

(2) Soziale und persönliche Faktoren - fehlende oder unsichere Hofnachfolge - schlechte Gesundheit - hohes Alter. (verändert nach ROOS u.a. 1977)

Die Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion wird im wesentlichen von den landwirt- schaftlichen Gegebenheiten bestimmt. Zeichnen sich die Produktionsbedingungen durch ungünstiges Klima, starke Hangneigung, unzureichende Flächenerträge oder geringe Erlöse je Flächeneinheit aus der Tierhaltung (Rindviehhaltung) aus, so entfällt der notwendige Einkommensanreiz zur Landbewirtschaftung. Flächen mit genannten Nachteilen müssen nicht zwangsläufig brachfallen, denn häufig stehen außerökonomische Gründe (z. B. „Boden- verbundenheit oder Dorfmeinung") oder fehlende außerlandwirtschaftliche Beschäftigungs- möglichkeiten dem entgegen. In der Realität zeigt sich jedoch eine bevorzugte Flächen- aufgabe auf sog. Grenzertragsstandorten (= Grenzertragsbrache) (vgl. KÜTTNER 1969; ROOS u. a. 1977). „Grenzertragsstandorte sind Flächen, deren gegenwärtige landwirtschaft- liche Nutzung ein Faktoreinkommen -Wertschöpfung - hervorbringt, das die Kosten der dabei eingesetzten Faktormengen nicht abzudecken vermag" (NEANDER 1973). Grenzertrags- standorte werden immer ökonomisch, d. h. relativ zur wirtschaftlichen Situation (Agrarmarkt) definiert. Dabei muß der Stand der Agrartechnik mit einbezogen werden! Bei günstiger Preis- Kosten-Relation werden sie in die landwirtschaftliche Nutzfläche einbezogen und bei ungün- stigerwieder aufgegeben. Maßnahmen der Markt-und Preispolitik wirken sich in Abhängigkeit von den natürlichen Ertragsvoraussetzungen deshalb regional unterschiedlich aus. Die lang- fristig sinkenden Agrarpreise (hier speziell die Milchpreise) und die Entwicklung der Agrar- technik zu immer größeren Einheiten werden deshalb zu einer Ausweitung der Flächen führen, die als Grenzertragsböden bezeichnet werden müssen (vgl. Pkt. 3.2). Das heißt, tendenziell immer bessere Grenzertragsböden werden aus der Bewirtschaftung ausscheiden (KOMM. D. EUROP. GEMEINSCHAFTEN 1979; KOLT 1973; HENZE 1987).

Grünland, auch unabhängig von seiner Qualität, wird allgemein in der Bundesrepublik Deutschland als Wirtschaftserschwernis angesehen. Die Landwirte sehen sich bei hohem Kapitaleinsatz zum Bau teurer Milchkuhstallungen mit entsprechenden Melkvorrichtungen gezwungen. Dies ist mit erhöhtem wirtschaftlichen Risiko verbunden (vgl. Pkt. 3.2, bes. Unter- punkt 3 und 9). In Frankreich z. B. ist die vergleichsweise aufwandarme, extensive Weide- haltung üblich und auch rentabel!

Eine überragende Rolle bei der Weiterführung der Landbewirtschaftung kommt den betriebs- strukturellen Verhältnissen zu, also der Flächenausstattung, den Bestandsgrößen und der inneren Verkehrslage (Flurzersplitterung, Feldentfernung). Die Betriebsstruktur eines Raumes kann insgesamt so ungünstig sein, daß die notwendige Arbeitsproduktivität nur von wenigen 40 Betrieben erreicht wird und es in der Folge zu Strukturbrache kommen kann. Dieser Einfluß verschärft sich mit zunehmenden Grünlandanteilen an der LF (s. o.). Am Ende eines langen Strukturwandels steht oftmals der Extremfall: das vollkommene Fehlen eines ausbaufähigen Vollerwerbsbetriebes, der zur Aufnahme freiwerdender Flächen in der Lage wäre. Soweit es sich nicht um Grenzertragsflächen handelt, kann hier eine Behebung der agrarstrukturellen Mängel, etwa durch Flurbereinigung oder einzelbetriebliche Förderung (vgl. Pkt. 3.2, Unter- punkt 10), die Bedingungen der Landbewirtschaftung entscheidend verbessern.

Wie ROOS u. a. (1977) nachweisen, hängt die Aufgabe der Bewirtschaftung auch sehr stark vom Vorhandensein ausreichend attraktiver Erwerbsalternativen ab. Gute Arbeitsmöglich- keiten finden sich in der Regel in derUmgebung der Ballungsgebiete und in Regionen mit einer guten Gewerbestruktur (z. B. Lahn-Dill-Kreis; vgl. Pkt. 3.2.2). Wie bereits erwähnt (Pkt. 3.1.2; 3.1.1), ist dieser Weg durch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit stark erschwert. Unter diesen Bedingungen wird die Frage der Weiterbewirtschaftung zunehmend erst bei Generations- wechsel gestellt, die Hofnachfolge entscheidet.

3.2.2 Zur Entwicklung der Brachflächen in Hessen Eine quantitative Beschreibung der hessischen Brachflächenentwicklung ist wegen stati- stischer Mängel unmöglich. Ständig haben sich in den letzten 30 Jahren die Erhebungs- begriffe und Erfassungsprinzipien geändert, so daß Ergebnisse nicht mehr miteinander vergleichbar sind. Allenfalls Schwerpunkte der Brache auf Kreisebene lassen sich zuverlässig beschreiben, doch davon sind nur wenig Erkenntnisse für unsere Fragestellung (Gemeinde- ebene) abzuleiten. Den Begriff „Brache" kennt die Statistik nicht. Brache verbirgt sich hinter den verschiedensten Erhebungsbegriffen, wie z. B. Unland, Bauland, Ödland, Wald, oder sie erscheint einfach beim Dauergrünland, weil es sehr viele Übergänge zwischen der eigentlichen Grünland brache und einer extensiven Grünlandnutzung (Hutungen und Weiden) gibt (KÜTTN ER 19 69 ; BÜDING ER, mdl.). Auch die „laufende Raumbeobachtung" der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung in Bonn verfügt nach eigenen Angaben aus beschriebenen Gründen bereits seit den 70er Jahren nicht mehr über Daten zu Brachevorkommen (RACH, mdl.). Die frühesten Angaben über Grünlandbrache sind der Vorerhebung zur Bodenbenutzungs- erhebung von 1957 (eine direkte Befragung der Betriebsinhaber) zu entnehmen. Insgesamt wurden damals in Hessen 5.219 ha (= 0,5 0/0 der landwirtschaftlichen Nutzfläche) nicht bewirt- schaftet, 1.765 ha waren unbewirtschaftetes Grünland und 3.454 ha unbewirtschaftetes Ackerland. Doch es bestehen sehr große Unterschiede zwischen den Landkreisen. Die Schwerpunkte der damaligen hessischen Brachevorkommen liegen hauptsächlich in den Realerbteilungs- gebieten mit kleinbetrieblicher Agrarstruktur bei gleichzeitig ungünstigen Standortbedin- gungen und sicheren außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen, wie Dillkreis (3,4% der LN), Kreis Usingen (3,2 0/0 der LN), im Untertaunuskreis (1,9 Woder LN), im Rheingaukreis (3,5 0/0 der LN), im Kreis Offenbach (3,9% der LN) und im Main-Taunus-Kreis (2,5% der LN). In den elf stärker betroffenen Kreisen und Städten lassen sich auch auf Gemeindeebene nochmals Schwerpunkte erkennen. Ungenutztes Grünland ist nur in etwas mehr als der Hälfte der Brach- landgemeinden (5 5,9 0/0) vorhanden, während fast alle (9 8,2 %) ungenutztes Ackerland besitzen. Insgesamt konzentrierten sich in diesen elf Kreisen und Städten 6 4 %der gesamten hessischen Brache (FRANK 1957). Wie im folgenden noch deutlich wird, waren damit die Grundmuster der regionalen Bracheverteilung in Hessen bereits 19 57 festgelegt! 41 Im Zeitraum bis 1968 weitete sich das Brachland auf 25.060 ha aus, das sind bereits 3% der LN. Besonders stark war die Zunahme der Gemeinden mit großen Brachlandflächen von 20 ha und mehr. Noch 1957 war nur 1/3 des Brachlandes nichtgenutztes Grünland, der größte Teil, rd. 2/3, war nichtgenutztes Ackerland. Bis 1968 hat sich diese Zusammensetzung jedoch voll- kommen umgekehrt. 62% sind Gründlandbrachen und 38 0/0 Ackerbrachen, während sich damit die Ackerbrache verdreifacht, wird die Grünlandbrache um das Neunfache ausgeweitet! Diese bemerkenswerte Entwicklung ist „hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß das Land vor allem in ertragsarmen Lagen brach liegenbleibt, in denen das Dauergrünland gegenüber dem Ackerland überwiegt" (KÜTTNER 1969; Abb. 6). KÜTTN ER betont, daß die stark betrof- fenen „Brachegemeinden" (Gemeinden mit mehr als 20% Brache) dadurch gekennzeich- net sind, daß die Betriebe dort fast ausschließlich nebenberuflich bewirtschaftet werden. „Somit fehlen auch die Betriebe, die bereit sind, das freiwerdende Land abgabewilliger Betriebe aufzunehmen" (vgl. Pkt. 3.2.1). Ab 1979 ist es nur noch möglich, Schwerpunkte der Brache aus der Differenz zwischen Land- wirtschaftsfläche und der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) zu ermitteln. Bei dem folgenden Vergleich muß deshalb betont werden, daß die Differenzfläche nicht mit Brache gleichgesetzt werden darf, da eine Reihe weiterer Flächen (neben den Brachflächen) darin enthalten ist. Abb. 7 verdeutlicht aber sehr gut die Dominanz der Differenzflächen und damit auch der nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Fläche (Brache) in den Verdichtungs- räumen.

Ein Vergleich von Abb.6 und Abb.7 zeigt,daß sich die Schwerpunkte seit 1968 nicht verändert haben. Auf die Regionen mit 2 5 % Differenzfläche und mehr entfallen mit rd. 61.000 ha ein Drittel der hessischen Differenzflächen bei einem Anteil an der gesamten Landwirtschafts- fläche von lediglich 17 0/0 (!). Der mittlere Anteil der Differenzfläche lag hier 1981 bei fast 37 0/0 (NAUMANN 1982).

Bis 1983 nimmt diese Differenzfläche, also auch die Brache, noch zu (1983: rd.191.500 ha). Die bereits in Pkt. 3.1.2 erwähnte, nur kurzzeitige Trendumkehrung (Zunahme der LF) führt auch zu einer deutlichen Verringerung der Differenzflächen (1987: 169.000 ha). Es ist jedoch anzunehmen, daß die LF in Zukunft auch weiterhin eingeschränkt wird (vgl. BÜDING ER 1988).

42 Abb.6: Brachland in Hessen 1968

Brachland in 'VD der land- wirtschaftlichen Nutzflache

Unter 1

1 bis unter 3

3 bis unter 5

5 bis unter 10

BZ 10 und mehr

Quelle: KÜHNER 1969

43 Abb. 7: Landwirtschaftsfläche außerhalb der betrieblichen Nutzung in den Verwaltungsbezirken Hessens 1981 Quelle: NAUMANN 1982

•••••••• 3•11••••••••••• ••••••••••• ••• • •••••• 111••••••••• •••••:••••••••••:••• ,annOn,/en+ • •••• l•••••••••••••••••• •••••••••••••••11 ••• ••••••••••••••••

asfflose••••••••• ••••••••••• .•••••• ••••••••••• ads••••••• l•.••• 4•11811 1•4

Anteil der Landwirtschaftsfläche auberhalb der betrieblichen Nutzung an der Landwirtschaftsfläche insgesamt

Unter 15

15 tda unter 25 n•

iii - 25 55 und rnenr

Hesa.a.-nes Stesnsems tennement /12

44 4. Wahrscheinliche Lage zukünftiger Grünlandbrache in Hessen

4.1 Beschreibung der Indikatoren Im allgemeinen ist es bei regionalplanerischen Aufgabenstellungen üblich,notwendige Unter- suchungen auf der Ebene von Landkreisen durchzuführen. Dies beruht darauf, daß auf dieser Aggregationsebene der größte Teil der massenstatistischen Unterlagen verfügbar ist (ROOS u. a. 1977). Die Aussagekraft für unsere Fragestellung wäre jedoch auf dieser Ebene sehr stark eingeschränkt, verbergen sich hinter den Kreisdaten doch enorme Unterschiede. Der Wetteraukreis z. B. umfaßt gleichzeitig die besten Ackerbaustandorte bei Friedberg und äußerst benachteiligte Gemarkungen des Hohen Vogelsberges, z. B. Gedern. Damit würde im vorliegenden Zusammenhang ein unhaltbarer Nivellierungseffekt erreicht. Aber auch die Gemeindeebene ist noch mit hohen Informationsverlusten verbunden. So zeigte sich, daß bei unmittelbar benachbarten Ortsteilen der gleichen Gemeinde der Anteil der schlechten Grünlandstandorte (G 2, G 3) um bis zu 60 %differieren kann! Es ist sicher,daß die Grünland- anteile in vergleichbarer Weise streuen. Bei der Wertung der Grünlandanteile/Gemeinde (Karte 2: vgl. Pkt. 4.3) auf Basis der Ergebnisse der Bodennutzungserhebung (Betriebs- prinzip) muß deshalb beachtet werden, daß hier ein Gesamtwert ausgewiesen wird, der diese Unterschiede verwischt. Eine wünschenswerte weitere Aufschlüsselung der Daten bis auf die Ortsteilebene ist aus methodischen Gründen unzulässig. Bei der unbedingt anzustrebenden Datenebene „Ortsteil/Gemarkung" erreicht man jedoch sehr schnell Größenordnungen, die unter datenschutzrechtliche Bestimmungen fallen. In Zusammenarbeit mit dem HESS. STATISTISCHEN LANDESAMT konnten diese Schwierig- keiten jedoch gelöst werden. Wir mußten auf die Angaben zurAnzahl derverschiedenen sozial- ökonomischen Betriebstypen verzichten und fragten statt dessen nach den Ortsteilen (OT), über die aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen keine Auskünfte (dies sind alle OT mit weniger als drei VE-Betrieben) erteilt werden können. Dies führte dann zu einer Sonder- auswertung der Agrarberichterstattung 1987 hinsichtlich der in Pkt. 4.4 näher beschriebenen Indikatoren. Eine weitere Schwierigkeit wurde bereits angedeutet: für die angestrebte niedrige Aggrega- tionsebene sind nur wenige Indikatoren flächendeckend für ganz Hessen erhältlich. Es mußte also bei der „Indikatorenauswahl" von der Datenverfügbarkeit ausgegangen werden. Einige zur Beschreibung eines Bracherisikos sicher gut geeignete Kriterien konnten deshalb nicht benutzt werden, z. B. Standardbetriebseinkommen, Hofnachfolge (die Angaben zur Hofnach- folge in der Agrarberichterstattung 1987 beruhen auf einer repräsentativen Stichprobe und sind deshalb nur auf Landesebene zuverlässig) oder Anteil der förderungswürdigen Betriebe. Der geäußerte Einwand, die gewählten bzw. zur Verfügung stehenden Indikatoren seien unzu- reichend, da sie keine Aussage zur einzelbetrieblichen Situation,wie wirtschaftliche Stabilität, Ausbaufähigkeit, Aufstockungsverhalten in der Vergangenheit und in der Zukunft und damit letztlich auch zum Bracherisiko, zuließen, ist teilweise berechtigt. Es muß jedoch nochmals betont werden, daß ein solch umfangreiches und der Komplexität der Bracheursachen sicher- lich angemesseneres Meßprogramm mit vorhandenen Daten auf OT/Gemeindeebene niemals landesweit durchführbar sein wird, allenfalls auf Kreisebene sind die Daten erhältlich, oder es müssen eigene Sondererhebungen durchgeführt werden. Die Aussagekraft dieser auf Kreis- ebene vorhandenen Daten ist jedoch zur Ableitung landschaftspflegerischer Maßnahmen vollkommen unzureichend! Bei der Erstellung der Karten beschränkten wir uns nicht auf die Auswertung offizieller Statistiken: Es floß auch eine Unzahl von Einzelinformationen aus Gesprächen, Diskussionen mit Ortskundigen, Ortslandwirten, Vertretern der Landwirtschaftsverwaltung und aus 45 Veröffentlichungen (AVPs, Gutachten) in die Karten mit ein. Die unbestreitbar vorhandenen Schwachstellen der Statistiken konnten so teilweise ausgeglichen werden (vgl. Pkt. 4.4).

Wie bereits erwähnt, ist Brache das Ergebnis des Zusammenwirkens einer Vielzahl von Faktoren (vgl. Pkt. 3.2.1). Die Beziehungen und Beeinflussungen zwischen den einzelnen Bestimmungsgründen sind sehr komplex. „Anhand der bislang vorliegenden, wissenschaft- lich gesicherten Unterlagen lassen sich die Beziehungen zwischen der Vielzahl der hiermit angesprochenen Einzelursachen jedoch nicht quantifizierend betrachten" (ROOS u. a. 1977). Sie werden in den weiteren Ausführungen deshalb vernachlässigt. Auslösend ist in der Tat das genannte Zusammenwirken von schlechter natürlicher Ertragsgrundlage und ungün- stiger Betriebsstruktur mit guten Erwerbsalternativen. Den natürlichen Produktionsbedin- gungen werden geringere Auswirkungen auf das Brachfallen von Flächen zugeschrieben als den betriebsstrukturellen. „Letztere sind gemeinsam mit den außerlandwirtschaftlichen Wirt- schaftsbedingungen eines Gebietes am bedeutungsvollsten, wenn es gilt, eine Vorhersage über die voraussichtliche Weiterbewirtschaftung der Landwirtschaftlichen Nutzflächen zu begründen" (ROOS u. a. 1977). Darüber hinaus läßt sich die Intensität der einzelnen Faktoren nicht genauer quantifizieren, es bestehen hier noch zu viele Wissenslücken. Eine Umsetzung der vorhandenen Kenntnisse in „handfeste Richtwerte oder Schwellenwerte", ab deren Errei- chung mit Sicherheit mit Brache zu rechnen ist, müßte deshalb scheitern (ROOS u. a. 1977). Schwellenwerte zu erarbeiten wäre aber auch wenig sinnvoll, denn tatsächlich vollziehen sich Veränderungen in dynamischen Systemen nur allmählich und in momentan wenig bemerkbaren Schüben.

Aber Mängel in Qualität und Quantität der zur Verfügung stehenden Daten lassen von vorn- herein nur Aussagen im Sinne gut begründeter Einschätzungen zu.Wir verzichten deshalb auf ein formalisiertes, mit eindeutigen Meßgrößen quantifizierendes Bewertungsverfahren. Statt dessen wird einer argumentativen Erklärung der Vorzug gegeben, die konkrete Daten und wissenschaftlich gesicherte Analogieschlüsse miteinbezieht. Wir sprechen somit immer von „Bracherisiken" oder „Brachegefährdung' Nicht die Ermittlung der Brache soll also das Ziel sein, sondern das Aufzeigen bestimmter konkreter Belastungsrisiken und Gefahren, aus denen sich entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Arten- und Biotopverluste ableiten lassen.

Aus bisher Gesagtem entwickeln sich folgende Kriterien bzw. Indikatoren: A (1) Je schlechter die natürlichen Ertragsbedingungen (Anteil der G 2, G 3 und A3-Standorte an der LN der Gemarkung in v. H.), (2) je höher der Grünlandanteil (Anteil des Grünlandes in v. H. an der LF der Gemeinde) und (3) je weniger Vollerwerbsbetriebe vorhanden sind (OT ohne bzw. mit ein bis zwei VE-Betrieben), desto größer ist das Bracherisiko. B (4) Je höher der Anteil der von extensiver landwirtschaftlicher Nutzung abhängigen, schützenswerten Biotope (Vorkommen je Gemeinde in ha) und (5) je höher der Grünlandanteil (Anteil des Grünlandes an der LF der Gemeinde in v. H.), desto eher muß eine Bewirtschaftung aus ökologischen Gründen sichergestellt sein.

Die Indikatoren sind teils in Kombination miteinander kartographisch aufbereitet dar- gestellt. Bei Überlagerung/Vergleich der Karten können OT/Gemeinden/Regionen mit hohem 46 Bracherisiko angesprochen werden, deren hoher Grünlandanteil und hoher Anteil extensiver Kulturökosysteme eine starke Belastung für das Arten- und Biotopschutzpotential erwarten läßt.

Mit Hilfe dieser Indikatoren läßt sich jedoch nur eine Momentaufnahme der im ständigen Wandel befindlichen Betriebsstruktur in Hessen machen. Die Entwicklung schreitet fort, und wir versuchten deshalb, auch die Räume zu identifizieren, für die in der nahen Zukunft aus betrieblichen Gründen ein heftiger Strukturwandel zu erwarten ist. Das HELELL (Abt. Land- entwicklung, Wb.) stellte uns zu diesem Zweck die Ergebnisse der Betriebserhebung zur AVP auf Gemeindeebene zurVerfügung (GFK&ÄLL1979/1981,1982,1985). Hier bot sich eine Reihe von Indikatoren an, die geeignet erschienen, die oben erwähnten Mängel auszugleichen.

(1) Durch Betriebsabstockung und Betriebsaufgabe freiwerdende LF (in v. H. der LF aller befragten Betriebe). (2) Betriebe ohne Hoferben (in v. H. aller befragten Betriebe). (3) Hoferben außerhalb der Landwirtschaft tätig (in v. H. aller befragten HE-Betriebe). (4) Betriebsinhaber älter als 60 Jahre (in v. H. der befragten Betriebe). Die mit diesen Daten erstellten Karten zeigten jedoch eine disperse und teilweise auch wider- sprüchliche Verteilung gefährdeter Gemeinden, ohne daß eine Gesetzmäßigkeit, eine Häufung in bestimmten Regionen, z. B. in Abhängigkeit von Standortqualitäten, erkennbar wäre. Offenbar sind die zur Verfügung stehenden Indikatoren noch zu grob, um den weiteren Verlauf der agrarstrukturellen Differenzierung mit vieldimensionalen Ursachen zu beschreiben. Eine Aussage, wo und mit welchem Zeithorizont sich zukünftige (Brache-)Problemräume entwik- keln könnten oder eine Verschärfung des Problems in bereits gefährdeten Räumen eintritt,war deshalb mit vorliegenden Daten im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Durch weitere Unter- suchungen mit verfeinerten Methoden, etwa eine Regressionsanalyse, ließen sich eventuell doch noch verwertbare Ergebnisse erzielen.

4.2 Gemarkungen mit einem hohen Anteil G2-, G3- und A3 -Böden an der LN These: Grünland und Ackerland mit den größten Mängeln scheidet zuerst aus der Bewirtschaftung aus. Folgt man dieser Annahme, dann sind Gemarkungen mit einem hohen Anteil G2-, G3- und A3 -Böden an der LN stark durch Brache gefährdet!

In Pkt. 3.2 wurden die Ursachen der nachlassenden wirtschaftlichen Bedeutung des Grünlandes für den landwirtschaftlichen Betrieb in Abhängigkeit von der Nachfrage- und Technologieentwicklung geschildert. In der Vergangenheit trat Brache immer besonders häufig in Gemarkungen mitvielen Grenzertragsstandorten auf (vgl. Pkt. 3.2.2). Ein hoher Anteil von G2-, G3- und A3-Böden ist hervorragend geeignet, um die strukturellen, ökonomischen und sozialen Nachteile für den betroffenen Landwirt zu beschreiben (ROOS u. a. 1977). Ein hoher Anteil dieser Böden gibt außerdem Hinweise auf Vorkommen entwicklungsfähiger Standorte für Aufgaben des Arten- und Biotopschutzes.

In die Bewertungen der natürlichen Standorteignung sind alle wesentlichen natürlichen Standortfaktoren (Boden,Wasserverhältnisse, Relief, Klima,Vegetationsperiode) eingeflossen (vgl. Tab. 14 und 15). 47

Tabelle 14: Einzelfaktoren und Bewertung für Grünlandeignung (Vorläufige Gruppierung = Einzelwertung)

Grünlandgruppen Standortfaktoren G 1 G 2 1 G 2 G 2 2 G3

1.Grünlandgrundzahl >45 45-32 45-25 31-25 <25 (RBS)

2. Hangneigung <12 0/0 12-240/0 >24% (Top.-Karte)

3. Vegetationsperiode >200 200-180 <180 (Tagesmittel> +5°C) Tage Tage Tage

4. Lokalklima (Exposition) günstig mittel ungünstig (Top.-Karte, Gelände)

Quelle: LANDESKULTURAMT HESSEN 1976

Tabelle 15: Einzelfaktoren und Bewertung für Ackerlandeignung (Vorläufige Gruppierung = Einzelwertung)

Ackerlandgruppen Standortfaktoren A 1 A 2 1 A2 A 2 2 A3

1.Bodenzahl (RBS) >50 50-38 50-30 37-30 <30

2. Hangneigung <80/0 8-180/0 > 1 8 0/0

3. a) Niederschlag 550- 500-550mm <500 mm (Klimaatlas) 700 mm 700-800 mm (>800 mm)

b) Vegetationsperiode >220 200-220 <200 (Tagesmittel Tage Tage Tage > +5 °C) (Klimaatlas) 4. Lokalklima günstig mittel ungünstig Exposition) (Top.-Karte, Gelände)

Quelle: LANDESKULTURAMT HESSEN 1976

Die Nutzungseignung wird wie folgt definiert:

A 1 bzw. G 1 vorrangig geeignet A 2 bzw. G 2 bedingt geeignet A 2 1 bzw. G 2 1 besser bedingt geeignet A 2 2 bzw. G 2 2 schlechter bedingt geeignet A 3 bzw. G 3 schlecht geeignet 48 Diese Einstufung natürlicher Gegebenheiten im Hinblick auf optimale landbauliche Nutzungs- möglichkeiten einer Fläche verspricht eine Gültigkeit über größere Zeiträume, natürliche Standortfaktoren sind längerfristig konstant. Soziale und ökonomische Faktoren, die u. U. von stärkerem Einfluß auf die Nutzung einer Fläche sein können, sind kurzfristig veränderbar und führen in Wechselwirkung mit der die Basis bildenden Nutzungseignung zu Aussagen über die „Ökonomische Nutzbarkeit" einer Fläche (LANDESKULTURAMT HESSEN 1976).

I.Ökonomisch nutzbar : A 1, G 1, A 2 1, (G 2 1, A/G, A 2 2) II. Noch ökonomisch nutzbar : G 2 1, A 2 2, A/G, (G 2 2, A 3, G 1?) III. Nicht ökonomisch nutzbar : G 3, A 3, G 2 2, (A 2 2, G 2 1 ?)

Vorrangig geeignet für Grünland (G 1) sind Flächen mit günstigen Standortfaktoren für eine intensive Mähweidenutzung (optimale Wasserverhältnisse, Trittfestigkeit). Bedingt geeignet für Grünland (G 2) sind Flächen, deren Standortfaktoren eine Grünlandnutzung einschränken, so daß nur eine Nutzung mittlerer Intensität als Wiese oder Weide betrieben werden kann. Schlecht geeignet für Grünland (G 3) sind Flächen mit ungünstigen natürlichen Gegeben- heiten, die sowohl eine Wiesen- als auch eine Weidenutzung erheblich einschränken und nur eine extensive Grünlandnutzung zulassen (z. B. Flachgründigkeit), Geröll, Vernässungen, Trockenheit).

Bei G3-Flächen ist die Grenzertragssituation vorgegeben. Bei bereits brachgefallenen Flächen handelt es sich um realisierte Grenzertragsstandorte, d. h. aktuelle Grenzertrags- flächen entweder von schlechter Eignung ( A 3; G 3) oder um aktuelle erweiterte Grenz- ertragsflächen (A 2; G 2). Diese Tendenz kann bei weiter steigender Bedeutung der sozio-ökonomischen Faktoren anhalten (LAN DESKULTURAMT H ESSEN 1976; vgl. Pkt. 3.2.1). Neben den G3-Standorten werden deshalb zunehmend auch die G2-Böden als „nicht ökono- misch nutzbar" eingestuft!

Vorrangig geeignet für Ackerland (A1) sind die Flächen, die die günstigsten oder nur gering- fügig eingeschränkten Standortfaktoren für eine vielseitige Ackernutzung besitzen. Bedingt geeignet für Ackerland (A2) sind die Flächen, auf denen eine Ackernutzung durch weniger günstige Standortfaktoren eingeschränkt wird. Diese Mängel wären entweder nur mit größerem Aufwand zu beheben (Bodenverdichtung, Vernässung, Gründigkeit) oder die Nutzung ist den Einschränkungen angepaßt. Schlecht geeignet für Ackerland (A 3) sind Flächen mit ungünstigen Standortfaktoren, die eine Ackernutzung erheblich einschränken bzw. deren Verbesserung wenig wirkungsvoll oder unmöglich ist (Flachgründigkeit, Steinig- keit, Trockenheit). Die Angaben für die einzelnen Gemarkungen konnten direkt aus der Liste der Ertragswert- zahlen der hessischen Gemarkungen (GFK 1982) entnommen werden und sind in Karte 1 dargestellt. Obwohl die Nutzungseignungsermittlung bereits vor knapp zehn Jahren abge- schlossen wurde, haben die Ergebnisse weiterhin volle Gültigkeit. Lediglich in den Auenbe- reichen haben sich teilweise die Grundwasserstände durch Trinkwasserentnahme, selten durch Dränage verändert. Ein G1-Standort würde so zu einem ackerfähigen A2-Standort werden. Die Angaben haben deshalb in den Auen etwas an Aussageschärfe verloren (RICHTSCHEIDT mdl.).

49 4.3 Gemeinden mit hohen Grünlandanteilen an der LF These: Allgemein hohe Grünlandanteile, unabhängig von ihrer Qualität, sind Ursache eines erhöhten Bewirtschaftungsrisikos (vgl. ausführlich Pkt. 3.2 ff.). Folgt man dieser Annahme, dann sind Gemeinden mit hohen Grünlandanteilen stärker durch Brache gefährdet. Die Angaben für die einzelnen Gemeinden konnten direkt der Agrarberichterstattung 1987 (HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT 1988b) entnommen werden und sind in Karte 2 dargestellt.

4.4 Ortsteile ohne oder mit ein bis zwei Vollerwerbsbetrieben These: Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb abstockt oder ausscheidet und seine LF ganz oder teilweise auf den Bodenmarkt kommt, so sind es i. d . R. die aufstockungswil- ligen VE-Betriebe, die diese Flächen aufnehmen können. Das Land fällt mit hoher Wahrscheinlichkeit brach, wenn es keine wachstumsorientierten VE-Betriebe im OT mehr gibt. Auch wenn noch ein oder zwei Betriebe wirtschaften sollten, können nicht mehr alle Flächen aufgenommen werden, und sie fallen brach. Bei einem großen Bodenangebot wird nach Qualitäten selektiert. Das schlechtere Dauergrünland wird zuerst aus der Nutzung ausscheiden. OT ohne VE-Betrieb oder mit nur ein bis zwei VE-Betrieben besitzen, folgt man dieser Annahme, ein hohes Bracherisiko! In Pkt.3.ff.wurden die betriebsstrukturellen und sozialökonomischen Faktoren der Brachland- bildung beschrieben. Der hier benutzte Indikator ist das Ergebnis ungünstiger betriebsstruk- tureller Verhältnisse und zumindest ausreichender außerlandwirtschaftlicher Beschäfti- gungsmöglichkeiten. Bei der Interpretation der in den Karten 1 und 2 dargestellten Ergebnisse ist zu beachten, daß der Indikator ein Ergebnis des statistisch Machbaren ist (vgl. Pkt. 4.1). Eigentlich läßt sich ein Bracherisiko nicht unabhängig von der landwirtschaftlich genutzten Fläche betrachten. Es ist z. B. nicht plausibel, warum OT A mit 100 ha LF und ohne VE-Betrieb brachegefährdeter sein soll als OT B mit 500 ha LF und drei VE-Betrieben, wobei letzterer OT mit drei und mehr VE-Betrieben bei der Auswertung nicht erfaßt wurde und in den Karten auch nicht erscheint. Zur exakteren Beschreibung wäre es notwendig gewesen, auch OT mit drei und mehr VE-Betrieben zu betrachten und die Zahl der VE-Betriebe ins Verhältnis zur bewirtschaf- teten Fläche zu setzen (etwa Anzahl der VE-Betriebe/100 ha). Es sei hervorgehoben, daß durch diesen unvermeidbaren Mangelviele OTnnit durchaus vergleichbar hohem Bracherisiko somit nicht ausgewiesen werden können! Allerdings entfallen so auch Definitionsprobleme eines Grenzwertes im Verhältnis VE-Betriebe/LF, ab dessen Erreichung das Bracherisiko erhöht sein soll. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Aktualität derAgrarberichterstattung. So hat nach Angaben von BÜHNEMANN (mdl.) eine Nachkartierung in Knüll und Rhön fürdie Agrarstruk- turelle Vorplanung II seiner Gesellschaft (GFK) gezeigt, daß in der Statistik des Hess. Stat. Landesamtes noch viele in der Realität nicht mehr existierende VE-Betriebe enthalten sind. Nach seiner Einschätzung ist die Situation in anderen Regionen durchaus ähnlich.Wenigstens in Knüll und Rhön konnten wirdie Daten der Agrarberichterstattung durch die Ergebnisse der AVP II ergänzen (GFK 1987a, 1987b), ein grundlegender Unterschied ist dabei aber zu beachten. Die Agrarberichterstattung kann bedauerlicherweise keine Angaben zur Ent- wicklungsfähigkeit der Betriebe machen. Die Einführung der Kriterien „ohne entwicklungsfähi- gen HE-Betrieb" und „mit einem entwicklungsfähigen Haupterwerbsbetrieb", wie sie in der 50 genannten Kartierung zur AVP II Verwendung finden, führt sicherlich zu einer Ausweisung von wesentlich mehr OT mit aus strukturellen Gründen hohem Bracherisiko. Viele OTm it eigentlich hohem Bracherisiko im übrigen Hessen bleiben auf diese Weise unbekannt. Außen vor blieben bei diesem Indikator die Zuerwerbsbetriebe und die NE-Betriebe. So hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß Zuerwerbsbetriebe oftmals stabiler, unabhängiger und besser finanziert sind als kleine VE-Betriebe. In einem Indikator zur Beschreibung der Betriebsstruktur müßten sie eigentlich berücksichtigt werden. Wir teilen jedoch die Einschät- zung des Hess. Stat. Landesamtes (BÜDINGER, mdl.), daß in der Gruppe der Zuerwerbs- betriebe die Bandbreite am größten ist. Der Teil der Zuerwerbsbetriebe, die eigentlich zum NE tendieren, ist sehr groß, und dies würde die Aussageschärfe beeinträchtigen. Bei vorliegender Fragestellung sollten möglichst alle Betriebe ausgeschieden werden, von denen in Zukunft ein wachsender Beitrag zur Landbewirtschaftung erwartet werden kann! Zudem geht der Anteil der Zuerwerbsbetriebe weiter stark zurück (Rückgang seit 1971 um 76%; vgl. Tab. 3). Dem Einwand, dieser Indikator vernachlässige die traditionell starke Rolle der NE-Betriebe in Hessen, wurde schon in Pkt. 3.1.1 entgegnet. Hier wurde deutlich, daß von den Ne-Betrieben kein Flächenwachstum zugunsten einer Mindestbewirtschaftung zu erwarten ist.

4.5 Ergebnisse

In Hessen gibt es 2.703 Ortsteile oder Gemarkungen (=100 0/0; ohne kreisfreie Städte). In 272 Orten (=10 %) gibt es keinen Vollerwerbslandwirt mehr, 682 (=25%) Orte haben nur noch ein oder zwei VE-Betriebe. In 954 Orten, das sind 35,3 °/o aller hessischen Ortsteile, muß deshalb ein erhöhtes Bracherisiko festgestellt werden!), da es keine oder nur einzelne Betriebe zur Flächenübernahme gibt.

Regionale Schwerpunkte mit mehr als 35 0/0 brachegefährdeten Gemarkungen sind der Lahn- Dill-Kreis (80 %), Hochtaunuskreis (73%), Rheingau-Taunus-Kreis (58%), Werra-Meißner- Kreis (45 %), Kreis Hersfeld-Rotenburg (39 %), Main-Taunus-Kreis (38 %), Main-Kinzig-Kreis (37%), Odenwaldkreis (38 0/0), Kreis Bergstraße (37%) sowie der Kreis Marburg-Biedenkopf (37%) (vgl.Tab.16). Diese grobe Auswertung gibt noch keine Auskunft, welche Gemarkungen welchen Typs ein hohes Bracherisiko besitzen. Aus einer statistisch differenzierten Betrachtung der Karten 1 und 2 geht deutlich hervor: Die Landwirtschaft zieht sich schwerpunktmäßig aus den „grünlandstarken" und „standortbe- nachteiligten" Gemarkungen zurück! (Abb. 8 und 9; Tab. 17 und 18).

So sind 58,5 0/0 aller Gemarkungen mit mehr als 70% Dauergrünland brachegefährdet, weil sie nur noch mit zwei und weniger VE-Betrieben ausgestattet sind. Dies ist ein eindrucks- voller Beweis für die Befürchtung vieler Experten, daß die Milcherzeugung generell aus den höheren Mittelgebirgsregionen in die Regionen mit besseren Bedingungen für den Acker- futterbau verdrängt wird (vgl. Pkt. 3.2). Gleiches gilt für die Gemarkungen mit einem Anteil von G2-, G3- und A3-Böden von mehr als 70 %. Rund 60% dieser Gemarkungen sind brache- gefährdet. Wie erkennbar, nimmt der Anteil der brachegefährdeten OT mit abnehmendem Grünlandanteil bzw. mit abnehmendem Anteil der schlechteren Standorte deutlich ab. Ein sehr hohes Bracherisiko trifft jedoch auch noch die Orte der mittleren Klassen. Hier sind durchweg zwischen 40 % und 55 %der Orte ohne ausreichende Betriebsausstattung. In all diesen Orten kann nicht erwartet werden, daß freiwerdende landwirtschaftliche Flächen neue Nutzer finden!

1) Das wirkliche Ausmaß dürfte noch gravierender sein, da diese Ergebnisse eher im unteren Bereich anzusiedeln sind (vgl. Pkt. 4.4).

51 Tabelle 16: Verteilung der Ortsteile mit hohem Bracherisiko auf die Landkreise (ohne kreisfreie Städte) davon Anzahl OT davon mit 1-2 der ge- insgesamt ohne VE- VE- fährdeten =100% Betrieb in % Betrieben in % OT in %

Bergstraße 106 8 8 31 29 39 37 Darmstadt-Dieburg 89 2 2 24 27 26 29 Groß-Gerau 34 1 3 1 3 2 6 Hochtaunus 66 25 38 23 35 48 73 Main-Kinzig 154 15 10 42 27 57 37 Main Taunus 32 8 25 4 13 12 38 Odenwald 99 9 9 29 29 38 38 Offenbach 31 1 3 5 16 6 19 Rheingau-Taunus 113 24 21 42 37 66 58 Wetterau 149 5 3 32 21 37 25 Gießen 112 6 5 34 30 40 36 Lahn-Dill 151 55 36 66 44 121 80 Limburg-Weilburg 112 6 5 30 27 36 32 Marburg-Bidenkopf 186 17 9 51 27 68 37 Vogelsberg 186 2 1 32 17 34 18 Fulda 224 19 8 48 21 67 30 Hersfeld-Rotenburg 163 25 15 38 23 63 39 Kassel 124 13 10 16 13 29 23 Schwalm-Eder 245 9 4 49 20 58 24 Waldeck-Frankenberg 190 9 5 36 19 45 24 Werra-Meißner 137 13 9 49 36 62 45

2703 272 10,1 682 25,2 954 35,3

Quelle: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT 1988 a

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z

ohne VE

mit 1-2 VE-Betriehen

- 19

ms.siia.a

OT OT

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20 - 29

60 - 69 40 - 49 A 3- Böden an der LN 50 - 59

Naharaurngrenze (4 Ordnun91 70 und mehr - -

LEGENDE: 30 - 39

Anteil der G 2, G 3 und

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1

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40 - 49 49 - 40 30 - 39 39 - 30

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GRÜNLANDBRACHE IN IN GRÜNLANDBRACHE

Rhön-Grabfeld Rhön-Grabfeld

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Westerwaldkreis Tabelle 17: Gesamtübersicht - Ortsteile ohne, mit 1 oder 2 und mit 3 und mehr Vollerwerbs- betrieben in Korrelation mit dem Anteil der G 2-, G 3- und A 3-Böden an der LN.

Anteile der Orts- davon OT davon OT davon mit 3 brachegefährd. G 2, G 3 teile ohne mit 1-2 und mehr OT; Summe der und A 3- (100%) VE-Betriebe* VE-Betrieben* VE-Betrieben Spalten mit* Böden an der LN (%) abs. abs. % abs. % abs. % abs. %

70 - 100 191 41 21,5 73 38,2 77 40,3 114 59,7 60- 69 140 20 14,3 49 35,0 71 50,7 69 49,3 50 - 59 181 34 18,8 69 38,1 78 43,1 103 56,9 40 - 49 176 25 14,2 61 34,7 90 51,1 86 48,9 30- 39 275 43 15,6 76 27,6 156 56,7 119 43,3 20- 29 377 40 10,6 101 26,8 236 62,6 141 37,4 0- 19 1 363 69 5,1 253 18,6 1 041 76,4 322 23,6

2 703 272 10,1 682 25,2 1 749 64,7 954 35,3

Quellen: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT 1988 a GFK 1982, 1987a, 1987b, SEIBERTu. a.1987; ISERMEYER,BUCHWALD&DEBLITZ1988; HMLFN 1986,1988 PELZER, mdl.; Gespräche mit Ortslandwirten; eigene Berechnungen. OT

80

60 5 9,7 56,9 4 9,3 48,9 40 43,3 37,4

23,6

0 - 19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-100 % G 2,G 3 + A 3-Böden Abb. 8: Verteilung der brachegefährdeten Ortsteile mit 2 und weniger VE-Betrieben auf die verschiedenen Eignungsgruppen (Anteil der G2-, G3- und A3-Böden an der LN der Gemarkungen). Quelle: siehe Tab.17 55 Tabelle 18: Gesamtübersicht -Ortsteile ohne, mit 1 oder 2 und mit 3 und mehr Vollerwerbs- betrieben in Korrelation mit dem Dauergrünlandanteil an der LF.

Anteile des Orts- davon OT davon OT davon mit 3 brachegefährd. Dauer- teile ohne mit 1-2 und mehr OT; Summe der grünlandes VE-Betriebe* VE-Betrieben* VE-Betrieben Spalten mit* an der LF 0/0 abs. abs. % abs. % abs. % abs. %

70 -100 171 40 23,4 60 35,1 71 41,6 100 58,5 60- 69 227 39 17,2 74 32,6 114 50,2 113 49,8 50- 59 272 26 9,6 83 30,5 163 59,9 109 40,1 40- 49 424 55 13,0 124 29,2 245 57,8 179 42,2 30- 39 577 49 8,5 155 26,9 373 64,6 204 35,4 20- 29 513 35 6,8 110 21,4 368 71,7 145 28,3 0- 19 519 28 5,4 76 14,6 415 80,0 104 20,0

2 703 272 10,1 682 25,2 1 749 64,7 954 35,3

Quellen: HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT 1988 a; 1988 b; GFK 1987a, 1987 b; SEIBERT u. a. 1987; KLAUSING 1974; ISERMEYER, BUCHWALD & DEBLITZ 1988; HM LFN 1986,1988; PELZER, mdl.; Gespräche mit Ortslandwirten; eigene Berech- nungen. OT

80

60 58,5

49,8

40 42,2 40,1 35,4 28,3 20,0

0 - 19 20-29 30 -39 40-49 50-59 60-69 70-100 % Dauergrünlandanteil an der LF

Abb. 9: Verteilung der brachegefährdeten Ortsteile mit 2 und weniger VE-Betrieben auf die verschiedenen Gruppen der Grünlandanteile (Anteil des Dauergrünlands an der LF der Gemarkungen; ohne kreisfreie Städte). Quelle: siehe Tab. 18. 56 Durchaus ähnlich sieht es bei einem Vergleich der Karte 3 (Vorkommen schützenswerter extensiver Grünlandökosysteme in Hessen) mit diesen Ergebnissen aus. Von rd. 105 Gemeinden mit mehr als 100 ha schützenswerter Grünlandökosysteme muß ziemlich genau die Hälfte als stark brachegefährdet eingestuft werden.

Diese Situation (Stand 1987) ist natürlich nicht statisch, sondern der Strukturwandel wird fortschreiten. Bei sehr vielen Betrieben ist abzusehen, daß sie nicht weiterbewirtschaftet werden. Produktionsaufgaberente und Flächenstillegung werden diese bei unveränderter Agrarpolitik vorgezeichnete Entwicklung einer scharfen Zweiteilung der Landschaft in Inten- sivregionen und „Bracheregionen" noch beschleunigen! Nach diesen Ergebnissen halten wir es für realistisch, daß mittelfristig (etwa bis zum Jahr 2000) zwischen 40 und 50% der hessischen Grünlandbestände (aller Klassen) aus der Bewirtschaftung herausfallen. Dies sind gegenwärtig rd.100.000 bis 130.000 ha, für deren Erhaltung eigentlich ab sofort Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen! In ganz besonderer Weise sind von dieser Entwicklung die extensiven, ökologisch wertvollen, aber landwirtschaftlich immer uninteressanteren Halbkulturformationen betroffen (vgl. Pkt. 3.1.1).

Wie der Kartenvergleich zeigt, wird sich das brachfallende Grünland überwiegend in den benachteiligten, grünlandstarken Regionen Hessens konzentrieren. Die kreisweise Betrach- tung zeigte bereits eindeutige Schwerpunkte. Diese statistische Aufbereitung wird jedoch der Gefährdung einzelner Räume nicht gerecht. Im Folgenden werden deshalb die besonders gefährdeten Regionen beschrieben; dies erlaubt auch für einzelne Beispiele den Blick „in die Gemeinde hinein". Die bisher noch etwas abstrakten Ergebnisse werden in ihren Folgen für die einzelne Gemarkung dadurch verdeutlicht. Eine textliche Bewertung erscheint hier dem komplizierten Sachverhalten angemessener als die Ermittlung der gefährdeten Regionen durch eine absolute Grenzwertsetzung.

Besonders belastend für das Arten- und Biotopschutzpotential ist das Bracherisiko (vgl. Karten 1 u. 2) in den folgenden betroffenen Regionen/Gemeinden, weil große Vorkommen von schützenswerten Grünlandökosystemen (Karte 3) und/oder hohe Grünlandanteile auf eine ungenügende Ausstattung mit VE-Betrieben treffen:

(1) Die Hohe Rhön und der Vo gelsberg bilden Kernzonen größerer benachteiligter Agrarzonen. Kurze Vegetationszeit, hohe Niederschläge und hängiges Gelände lassen fast keine Alternative zur Grünlandnutzung zu (vgl. Pkt. 3.2). Hinzu kommen besonders in der Rhön und im nördlichen Vogelsberg die Nachteile der peripheren Lage, wie beschränkte Erwerbs- alternativen und ungünstige Bezugs- und Absatzbedingungen. Schwere Winter machen auch heute noch das regelmäßige Pendeln fast unmöglich (FREUND 1986; STEIN mdl.).

Der komplette Naturraum (NR) „Hohe Rhön" (NR 354) und die unmittelbar angrenzenden Gemarkungen der Vorder- und Kuppenrhön (NR 353) sind stark durch Nutzungsaufgabe gefährdet.

Bis auf fünf OT der Gemeinde Gersfeld haben alle Gemarkungen zuwenig VE-Betriebe, von denen ein wachsender Beitrag zur Bewirtschaftung erwartet werden könnte. Die gefährdeten Gemeinden: Ehrenberg, Hilders, Poppenhausen und Gersfeld. Hier in diesem Naturraum (NR 354) liegen sowohl in ihrer Qualität als auch in ihrer Quantität hervorragende extensive Grün- landökosysteme:

250 ha Feuchtwiesen, 790 ha großflächige Magerrasen (= 50% der gesamten hessischen Vorkommen), 60 ha Niedermoorvegetation (= 10 % der hessischen Vorkommen) und 160 ha Silikatmagerrasen. 57 Jede der vier Gemeinden hat in der Summe mehr als 100 ha schützenswerte Vorkommen aufzuweisen! Herausragend sind die Gemeinden Ehrenberg (Summe rd.720 ha) und Gersfeld (in der Summe rd. 770 ha) (vgl. Karte 3). Damit sind dies neben Zierenberg (LK Kassel) die Gemeinden mit den höchsten Anteilen in Hessen! Schon Anfang der 70er Jahre kommt die AVP Hessische Rhön (1970/71) zu dem Ergebnis, daß „die Aufgabe der Bewirtschaftung des Grünlandes in der gesamten Region zu erheblichen Schädigungen des Landschaftsbildes führen wird" (REINFELD 1977). Die in der Folge der Bewirtschaftungsaufgabe von seiten des Landes Hessen forcierten, streng geometrischen und nicht standortgerechten Fichtenaufforstungen sind in dieserweiten Parklandschaft in der Vergangenheit ästhetisch besonders belastend in Erscheinung getreten, sie gefährden dadurch auch das Erholungspotential der Rhön. Aber auch waldbaulich muß die Fichte in der Rhön als eine Fehlbestockung angesehen werden. Das extreme Klima und die Schadstoff- immissionen haben die Bestände bereits sehr stark geschädigt.

Die stark gefährdete Hohe Rhön ist eines der letzten Mittelgebirge Mitteleuropas, das sein weitgehend historisch geprägtes Landschaftsbild bis auf den heutigen Tag erhalten konnte. Die Erhaltung und Pflege der charakteristischen Kulturlandschaft ist auch von eminent wichtiger Bedeutung für die Fremdenverkehrswirtschaft im Naturpark „Hohe Rhön" (vgl. MAERTENS &WAHLER 1987). Der Naturparkeinrichtungsplan weist auf die Bracheprobleme ausführlich hin: „Es ist dringend erforderlich, eine Mindestanzahl aufstockungswürdiger, vor allem aufstockungswilliger Betriebe zu erhalten", um eine Mindestbewirtschaftung garan- tieren zu können (REINFELD 1977). Der Plan sieht auch die Einrichtung mehrerer Pflegehöfe/ Auffangbetriebe vor. Nach Information der Verfasser ist bis heute kein einziger installiert!

In betriebswirtschaftlicher Hinsicht ist die Rhön ein Sonderfall. Nach Einschätzung von ELLERBROK-KUBACH (HELELL-Kassel mdl.) ist hier die Mentalität der Betriebsleiter von äußerster Sparsamkeit geprägt, die Betriebe sind gering verschuldet. Dies ist ein interes- santes Phänomen, denn hier existieren Betriebe, die nach normalen Maßstäben eigentlich nicht mehr existieren könnten!

Am Beispiel der Gemeinde Ehrenberg wird die prekäre Situation der landwirtschaftlichen Betriebe deutlich. Die Gemeinde Ehrenberg liegt vollständig im Kerngebiet nach EG-Eintei- lung der benachteiligten Gebiete. Die Vegetationsperiode ist hier reichlich 50 Tage kürzer als z. B. in der Wetterau. 90 0/0 der LF sind Dauergrünland, es besteht keine Alternative zur Grün- landwirtschaft. Es existieren in Ehrenberg nur noch vier VE-Betriebe (= 2% aller Betriebe). Mit 8,9 ha im Schnitt sind die Betriebe unterdurchschnittlich groß (14,8 ha in Hessen; vgl. Pkt. 3.1.1). VE-Betriebe bewirtschaften nur rd. 8 % der LF (=161 ha). Rd.1.900 ha werden durch NE-Betriebe bewirtschaftet. „Ein Ausgleich der ungünstigen natürlichen Standortbedin- gungen in den Strukturverhältnissen und Betriebsgrößen ist nicht zu erkennen" (SEIBERT u. a. 1987). Die Betriebseinkommen im Bereich der HE-Landwirtschaft liegen bei lediglich rd. 17.700 DM/Betrieb und Jahr (SEIBERT u. a. 1987). Bei einer dermaßen ungünstigen Situation der Landbewirtschaftung ist nicht erkennbar, wie dieser für Erholung und Arten- und Biotop- schutz enorm wertvolle Raum bei fortschreitendem Strukturwandel und ohne Maßnahmen erhalten werden kann.

Ebenfalls stark durch Bewirtschaftungsaufgabe gefährdet ist die Brückenauer Kuppenrhön (NR 353,20) mit der Gemeinde Kalbach und den südlichen Gemarkungen von Eichenzell. Die Grobrasterstrukturdaten weisen für fünf OT Kalbachs eine schlechte, in Mittelkalbach und Heubach sogar eine sehr schlechte Agrarstruktur aus. Sehr ungünstige Bodenverhältnisse (vgl. Karte 1), daraus folgend ein sehr hoher Grünlandanteil von im Mittel der Gemarkungen 67% (= 2.258 ha) (vgl. Karte 2), ein Anteil der HE-Betriebe in allen OTvon unter 15 0/0 und die 58 Tatsache, daß die entwicklungsfähigen H E-Betriebe weniger als 20 %der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften, haben zu dieser Einstufung geführt. Ein Vergleich mit den Ergeb- nissen der Landwirtschaftszählung von 1970 zeigt, daß die „Haupterwerbslandwirtschaft in einem bedenklichen Maß zurückgegangen ist" (GFK 1986). Lediglich die OT Uttrichshausen und Veitsteinbach haben noch vier bzw. fünf HE-Betriebe aufzuweisen. 78% der LF werden bereits von 241 NE-Betrieben (= 93 0/0 aller Betriebe) bewirtschaftet. Nur elf Betriebe haben mehr als 15 Milchkühe. In der Gemeinde wird in den nächsten 5 -10 Jahren aufgrund der fehlenden Hofnachfolgeschaft ein Flächenpotential von geschätzten rd. 500 ha freigesetzt. Dies erlaubt entwicklungsfähigen Betrieben eine Aufstockung (G FK 1986). Ob diese Flächen jedoch aufgenommen werden können, erscheint zweifelhaft, da ein Teil der lediglich 19 HE-Betriebe schon als nicht entwicklungsfähig eingestuft werden mußte. Die beschrie- benen Gemarkungen waren bei der Biotopkartierung eher unauffällig. Wegen der sehr hohen Grünlandanteile auf schlechten Standorten ist jedoch ein erhebliches Arten- und Biotop- schutzpotential vorhanden. (2) Region Vogelsberg: Der Vogelsberg verfügt z. Z. noch, verglichen mit den Hochlagen der anderen Mittelgebirge, über eine gewisse Ausstattung mit VE-Betrieben (Karten 1 und 2). Darin liegt eine große Chance zur Erhaltung der für die Mindestbewirtschaftung erforderlichen Betriebe und damit einer wertvollen Kulturlandschaft. Erkennbare Ausnahme ist im Hohen Vogelsberg (NR 351) die Gemeinde Schotten mit einigen OTvon Grebenhain und Ulrichstein. Im Unteren Vogelsberg (NR 350) sind es OT von Feldatal, die Gemeinden Nidda, Hirzenhain, Birstein und die Gemeinde Ortenberg (NR 143). Der Kartenvergleich (Karten 1, 2 und 3) zeigt, daß der größte Teil dieser brachegefährdeten OT in den für den Arten- und Biotopschutz wertvollen Gemeinden liegt! Besonders in Schotten (rd.105 ha Silikatmagerrasen), Ulrichstein (220 ha Hecken und Gehölze) und Nidda (110 ha extensiver Obstbau) sind große wertvolle Bereiche von der extensiven Bewirtschaftung abhängig. In Schotten gibt es nach Einschätzung des NP-Geschäftsführers z. Z. noch keine nennens- werten Brachflächen. Er befürchtet jedoch, daß es in Kürze dazu kommt. Im OT Schotten gibt es z. Z. noch drei VE-Betriebe, nach seinen Informationen werden aber sehr viele NE- Betriebe bald schließen, da kein HofnachfolgerzurWeiterbewirtschaftung bereit ist. Sehr viele Landwirte wollen z. Z. offenbar Grünland aufforsten. Bedenklich ist, daß sowohl die Zahl der Anträge als auch die beantragte Fläche sich in der letzten Zeit verdrei- bis vervierfacht hat! Pachtpreise für Grünland sind in Schotten „nicht mehr existent" (HAPPEL mdl.). Der bisher gut florierende Heuexport nach Holland kam zum Erl iegen, da in Grenznähe in Eifel und Sauerland genügend gutes Grünland zur Verfügung steht (HAPPEL mdl.). Sehr viel gravierender wird die Bracheentwicklung offenbar in Grebenhain beurteilt. In Grebenhain waren im Herbst 1987viele genneindeeigene Grundstücke nicht mehrverpachtbar. Die Gemeinde ist sehr bemüht, das Brachfallen weiterer Flächen zu vermeiden, und hat zu diesem Problem bereits Bürgerversammlungen durchgeführt. Das ALL hat hier eine modell- hafte Untersuchung angekündigt mit dem Ziel, eine Mindestbewirtschaftung der Flächen aufrechtzuerhalten (HB 31/1988). Selektive Weiterbewirtschaftung lediglich der besseren Standorte wird nach Einschätzung des Kreislandwirts DÖRR in Zukunft jedoch eine weitere Ausdehnung der Brache bewirken (H B 22/1988). Symptomatisch für die schwierige Situation der Landwirtschaft im Vogelsberg ist die Feststellung eines Agrarexperten, daß die Milchquote offenbar aus den Höhenlagen „abwandert", und zwar hauptsächlich in die besseren Lagen der Wetterau (vgl. auch Pkt. 3.2). Bedrohlich erscheint uns die Situation in der ökologisch besonders wertvollen Gemarkung Völzberg (Gemeinde Birstein) (vgl. BIOLOGISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT MITTEL- 59 HESSEN 1985). Nach Auskunft des Ortslandwirtes WINTER blieben im Jahr 1988 erstmalig 20% des Grünlandes ungemäht liegen. Alle drei HE-Betriebe des Ortes sind ohne Hof- nachfolger, diese pendeln zur Arbeit bis nach Frankfurt. „Die Landwirtschaft läuft hier aus" (WINTER mdl.). (3) Region Spessart: Besonders brachegefährdet ist der südliche Teil des nördlichen Sandsteinspessarts (NR 141,5) und der östliche Büdinger Wald (NR 143). Die gefährdeten Gemeinden Bad Orb, Biebergemünd, Flörsbachtal, Sinntal, Brachttal, Wächtersbach, Geln- hausen und Gründau sind alle sehr stark nach Frankfurt orientiert (vgl. Pkt. 3.2.2). In diesem Raum ist schon sehr früh Brache aufgetreten. Auch in den angrenzenden bayerischen Gemeinden mit leichten Sandsteinverwitterungsböden, tief eingeschnittenen Tälern, geringen Betriebsgrößen und starker Flurzersplitterung werden die guten Arbeitsmöglichkeiten im Rhein-Main-Gebiet genutzt.ZELLFELDER (1972) beschreibt Gemarkungen, in denen bei 80% Brache die Landwirtschaft zum Erliegen gekommen ist. Schon Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wurden im Kreis Aschaffenburg in den Gemeinden Heigenbrücken, Hessenthal, Wald- aschaff, Weibersbrunn und Heimbuchenthal erste Modellvorhaben zur Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft durchgeführt (ZELLFELDER 1972). In ihrer Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz herausragend sind die Gemeinden Biebergemünd (115 ha Naßwiese), Wächtersbach (300 ha Brachflächen), Gründau (150 ha Brachflächen), Gelnhausen (150 ha Brachflächen) und ganz besonders die Gemeinde Sinntal mit ihren rd. 160 ha Zwergstrauch- und Ginsterheiden und 60 ha Kalkmagerrasen. Darüber hinaus ist der Spessart wegen der insgesamt sehr hohen Grünlandanteile auf schlechten Standorten (Karten 1 und 2) für die zukünftige Entwicklung von neuen, extensiven und vor allem großräumigen Grünlandökosystemen von Bedeutung. Der Spessart ist eine wichtige Erholungsregion für die Bewohner des Rhein-Main-Gebietes, seine Sicherung ist jedoch von einer Mindestbewirtschaftung abhängig. Die allgemein deprimierende Lage in der hessischen Mittelgebirgslandwirtschaft ist auch in den Ortschaften des Spessarts anzutreffen. Nach Aussage verschiedener Landwirte in Flörs- bachtal-Lohrhaupten ist z. Z. auch hier absolut keine Nachfrage nach Grünland festzustellen (ebenso im Jossatal). Pachtpreise haben hier nur noch symbolischen Charakter. Wer Inter- esse hat, kann sich kostenlos Heu erwerben. Der einzige VE-Betrieb in Lohrhaupten ist durch die Milchkontingentierung, aber auch durch seine betriebliche Situation in seiner weiteren Ausdehnung sehr behindert und nimmt schon seit einiger Zeit kein Grünland mehr auf. Auch die Bauern aus der benachbarten Gemarkung Lettgenbrunn, die bis vor einigen Jahren immer noch Flächen benötigten, haben kein Interesse mehr, da ihre eigenen Flächen heute aus- reichend sind. Ebenso wie im Vogelsberg kauften 1988 auch hier holländische Aufkäufer erstmals kein Heu mehr. Von früher rd. 70 Milchbauern sind heute sechs milchabgebende Betriebe (1 HE/5 NE) übriggeblieben (LINDENBERGER mdl.). Der einzige Betrieb, der z. Z. einen wachsenden Beitrag zur Landbewirtschaftung leistet, ist ein expandierendes Trakehner-Gestüt. Nach Angaben des Betriebsinhabers, er ist bemerkens- werterweise vollkommen berufsfremd, ist der Betrieb am Aufkauf weiterer Grünlandflächen interessiert. Kaufpreis je nach Lage und Qualität ca.1,00 bis 1,50 DM/qm2 (PRZEWDZINK mdl.). Insgesamt scheint die Trakehner-Zucht in der Gemarkung Lohrhaupten dazu beizutragen, auch bereits brachliegende Flächen wieder zu bewirtschaften, der Betrieb mäht z. Z. schon wesentlich mehr Fläche als der größte Milchviehbetrieb im Ort. Verglichen mit den Nachbar- gemarkungen Flörsbach und Kempfenbrunn wird die Situation in Lohrhaupten „als nicht so schlimm" bezeichnet. Für die Zukunft sieht Ortslandwirt LINDENBERGER keine andere Möglichkeit als die verstärkte Haltung von Schafen. Zwei Schäfer versorgen die Flörsbachtaler 60 Gemarkungen bereits. Sie sind jedoch nach unserem Eindruck nicht in der Lage, die um- fangreichen Flächen zu pflegen. Im Jahr 1988 sind ungefähr 20% des Grünlandes ungemäht liegengeblieben (LINDENBERGER mdl.).

Nicht nur aus der Sicht der Flächenfreihaltung, auch aus ökologischen Gründen erscheint die Pferdezucht ein Glücksfall für die Gemarkung. Für die Pferdehaltung ist ein etwas späterer Schnittermin um den 15. Juli herum sehr vorteilhaft. Positiv bemerkt wird der noch hohe Kräuteranteil im Heu, der für die Pferde wichtig ist (PRZEWDZINK mdl.).

Weitere Aufforstungen werden vom Ortslandwirt abgelehnt. Schon die Aufforstungen der steilen Lagen in Ortsnähe in der Vergangenheit lassen den Ort heute dunkel und eng erscheinen und haben negative Auswirkungen auf den Fremdenverkehr. Diesen Eindruck können wir nur bestätigen. Zusätzlich wird eine weitere Zunahme der ohnehin schon großen Wildschäden erwartet, wenn in der Feldflur noch mehr Deckungsmöglichkeiten geschaffen würden.

In der bayerischen Nachbargemeinde von Flörsbachtal, in Frammersbach, ist das geringe Interesse der Landwirtschaft an den Auwiesen nach unserer Einschätzung mit Ursache für die Ausweisung und Erschließung vollkommen überdimensionierter„Gewerbeparke" in verschie- denen Ortsteilen. Dies waren einmal die produktivsten Standorte der Landwirtschaft.

In der Gemarkung der Stadt Bad Orb ist in der Vergangenheit ebenfalls Grünlandbrache aufgetreten. Die Gemeinde war jedoch wegen des Fremdenverkehrs angehalten, sehr viel eigene Initiative zur Freihaltung der Gemarkung zu entwickeln (STEINMETZ mdl.).

(4) Die Region Knüll ist ebenfalls in weiten Bereichen brachegefährdet. Dazu zählt der südliche Teil des Knüll-Hochlandes (NR 356) mit den Gemeinden Schwarzenborn, Homberg/ Efze, der südwestliche Teil des Fulda-Werra-Berglandes (NR 357) mit den Gemeinden Knüll- wald, Alheim, Ludwigsau sowie der nordöstliche Teil des Fulda-Haune-Tafellandes (NR 355) mit den Gemeinden Neuenstein, Kirchheim und Haunetal. Für den Arten- und Biotopschutz besonders belastend wäre eine verstärkte Brache- entwicklung in den Gemeinden Schwarzenborn (60 ha Niedermoorvegetation), Alheim (500 ha Hecken und Gebüsche), Ludwigsau (65 ha Zwergstrauchheiden) und in Kirchheim (200 ha Hecken und Gebüsche und 112 ha Niedermoorbereiche). Die dort vorkommenden besonders wertvollen Bereiche sind von der Nutzungsaufgabe sicherlich zuerst betroffen. ISERMEYER, BUCHWALD & DEBLITZ (1988) untersuchten im Auftrag des HMLFN am Beispiel von fünf Ortschaften dieser Region, wie durch rentablere Produktionsverfahren ein Brachfallen von landwirtschaftlichen Flächen verhindert werden könnte, denn „es mehren sich auch im Knüll Berichte über angeblich nicht mehr zu verpachtende Grünlandflächen". Ein erschreckendes Ergebnis ist die ermittelte geringe Arbeitsproduktivität in den Betrieben. Die Arbeitseinkommen liegen, weitgehend unabhängig vom Standort, unter 3 DM/Stunde! In zumindest zwei der untersuchten OT wird mit erheblicher Bracheentwicklung gerechnet, weil dort zahlreiche Betriebe Flächen abgeben wollen, aber nur drei Betriebe aufstockungswillig sind. „Längerfristig besteht auch in den anderen Dörfern die Gefahr des Brachfallens von Flächen, denn die Pläne der Familien hinsichtlich der Hofnachfolgesituation und der Flächen- nachfrage sind in vielen Fällen noch offen" (ISERMEYER, BUCHWALD & DEBLITZ 1988).

(5) Region Meißner: Ein besonders brachegefährdeter Schwerpunkt ist der nordwestliche Teil des Fulda-Werra-Berglandes (NR 357) mit den Gemeinden Helsa, Groß-Almerode, Hessisch Lichtenau, Berkatal und Melsungen. Die Gemeinde Helsa soll bereits zu 80 0/0 brach- liegen (NITSCHE mdl.). Über diesen Schwerpunkt hinaus ist im ganzen NR eine disperse Verteilung brachegefährdeter OT erkennbar. Eine verstärkte Nutzungsaufgabe ist in den 61 Gemeinden Groß-Almerode (100 ha Hecken und Gebüsche) und besonders in Hessisch Lichtenau (70 ha Kalkmagerrasen, 390 ha Hecken und Gebüsche, 34 ha Naßwiesen, 34 ha Niedermoorvegetation) wegen der hohen Anteile schützenswerter, extensiver Grünland- ökosysteme zu vermeiden.

Auch der nach Hessen hineinreichende Teil des Unteren Werralandes (NR 358) mit den Gemeinden Witzenhausen, Bad Sooden-Allendorf, Meißner, Meinhard usw. (vgl. Karten 1 und 2) hat in rd. der Hälfte seiner Gemarkungen keine bzw. zuwenig VE-Betriebe. Die Grünland- anteile an der LF sind in dieser Region eher niedrig (bis 39%), aber die Gemeinden haben trotzdem sehr hohe Anteile schützenswerter Grünlandvorkommen (Karte 3), so z. B. Witzen- hausen (91 ha Kalkmagerrasen), Bad Sooden-Allendorf (210 ha Hecken und Gebüsche) und Meißner (200 ha Hecken und Gebüsche und 20 ha Kalkmagerrasen).

(6) Der Raum Habichtswälder Bergland (NR 342) verfügt nicht über besonders hohe Anteile Dauergrünland und besitzt mit 2 oder 3 Ausnahmen in allen seinen Gemarkungen bessere Böden. Es treffen hier jedoch ungewöhnlich große Flächen schützenswerter Grünlandöko- systeme auf eine ungenügende Betriebsausstattung, so in Habichtswald (160 ha Hecken und Gebüsche, 20 ha Kalkmagerrasen) und ganz besonders in Zierenberg. Die Gemarkungen der Gemeinde Zierenberg weisen 550 ha Hecken und Gebüsche, 505 ha extensive Streuobstwiesen und 305 ha Kalkmagerrasen auf.

Die Gemeinde Zierenberg ist mit rd. 1.400 ha schützenswerter Grünlandökosysteme die hessische Gemeinde mit den höchsten Anteilen überhaupt! Nach Angaben von NITSCHE (mdl.) erweist es sich als ungeheuer schwierig, für die Pflege der Kalkmagerrasen geeignete Landwirte zu finden.

(7) Im Westen Hessens zieht sich eine fast zusammenhängende, stark brachegefährdete Zone in nord-südlicher Richtung über sechs Landkreise: Waldeck-Frankenberg, Marburg- Biedenkopf,Lahn-Dill,Limburg-Weilburg,Hochtaunuskreis,Main-Taunus-Kreis und Rheingau- Taunus-Kreis. Große Teile dieser Region sind altbekannte Bracheregionen (vgl. Pkt. 3.2.2). Ein Vergleich der Karten 1 und 2 mit Karte 3 zeigt deutlich, daß die brachegefährdeten Gemeinden nicht nur überwiegend sehr hohe Grünlandanteile besitzen, sondern auch mit sehr hohen Anteilen schützenswerter extensiver Grünlandökosysteme ausgestattet sind. Auch hier decken sich brachegefährdete und ökologisch wertvolle Gemeinden also weitgehend!

Hochsauerland (NR 333): stark gefährdet in allen seinen nach Hessen hineinreichenden Teilen, schlechte Böden, sehr hohe Grünlandanteile. Folgende Gemeinden sind betroffen: Willingen (Upland), Hatzfeld (Eder), Biedenkopf, Dietzhölztal und Haiger.

Ostsauerländer Gebirgsrand (Nr. 332): gefährdet sind besonders die östlichen Gemein- den Bromskirchen, Allendorf/Eder, Battenberg und Hatzfeld/Eder sowie einige OT von Frankenberg/Eder.

Burgwald (NR 345): Schwerpunkt ist die an den NR 332 anschließende Gemeinde Burgwald.

Gladenbacher Bergland (NR 320): der gesamte NR ist stark brachegefährdet. Folgende Gemeinden: Biedenkopf, Breidenbach, Steffenberg, Angelburg, Dautphetal, Bad Endbach, Dillenburg, Siegbach, Bischoffen, Mittenaar, Hohenahr, Aßlar, Ehringshausen und Biebertal.

Am Beispiel der Gemeinde Aßlar wird das hohe Bracherisiko in diesen Naturräumen deutlich. Aßlar hat im Mittel seiner Gemarkungen 50% Dauergrünland an der LF (vgl. Karte 2), aber im Vergleich keine ausgesprochen schlechten Böden. DerAnteil der G2-, G3- und A3-Böden liegt 62 zwischen 7% (in Berghausen) und 27% (in Bechlingen; vgl. Karte 1). Momentan existieren noch 59 NE-Betriebe und zwei VE-Betriebe. Die beiden einzigen VE-Betriebe scheiden jedoch als zukünftige Flächenbewirtschafter aus, sie stehen kurz vor der Betriebsaufgabe. 45 0/0 der Aßlarer Landwirte sind älter als 60 Jahre, nur acht Betriebe (=13%) erklärten, sie hätten einen Hofnachfolger. Pachtflächen werden schon heute (vgl. Situation im Spessart) in der Regel ohne Pachtzahlungen genutzt, z.T. ohne Wissen der Eigentümer. Für vier OT(Bermoll, Bechlingen, Werdorf, Aßlar) wird eine Brachfläche von mehr als 200 ha angegeben. Die Ergeb- nisse der Umfrage lassen nach Ansicht von MELCHER & BELLACH (1988) eindeutig die Aussage zu, daß innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre mehr als 90 % der landwirtschaftlichen Betriebe aufgeben werden. Hier sind also in erheblichem Umfang neue Brachflächen zu erwarten. Die ökologischen Auswirkungen, wie Vernichtung von Lebensräumen, Klimaverän- derungen und Belastungen des landwirtschaftlichen Erholungswertes, erfordern Maß- nahmen einer gezielten Landschaftspflege (MELCHER & BELLACH 1988).

Kellerwald (Nr. 344): Eine Reihe brachegefährdeter Ortschaften zieht sich bandartig über die Hochlagen des Kellerwaldes. Es sind OT von Vöhl, Edertal, Bad Wildungen und Haina.

Dilltal (Nr. 321): Der gesamte NR mit z. B. 180 ha Feuchtwiesen, 150 ha Silikatmagerrasen, 75 ha Zwergstrauchheiden ist stark brachegefährdet. Es sind die Gemeinden Eschenburg, Dillenburg, Haiger, Herborn, Sinn und Ehringshausen betroffen.

Hoher Westerwald (NR 322): Der gesamte NR mit seinen 130 ha Magerrasen, 300 ha Silikat- magerrasen usw. in nur drei Gemeinden (Breitscheid, Driedorf, Greifenstein) ist stark brache- gefährdet.

Oberwesterwald (NR 323): Gefährdet sind insbesondere die nördlichen, an die NR 322 und 320 angrenzenden Gemeinden Dillenburg, Herborn, Greifenstein und einige OTvon Mengers- kirchen, Waldbrunn und Merenberg.

Östlicher Hintertaunus (NR 302): Die Landbewirtschaftung erscheint KLAUSING (1974) im gesamten NR rückläufig. Besonders gefährdet sind die Gemeinden Wetzlar, Weilmünster, Grävenwiesbach, Weilrod, Schmitten, Neu-Anspach und OT von Usingen und Wehrheim.

Hoher Taunus (NR 301), Vordertaunus (NR 300) und Westlicher Hintertaunus (NR 304): In den Höhenlagen des Hochtaunus lagen bereits 1969 rd. 75% der Flächen brach. Schon 1971 versuchte man, durch Gründung eines Zweckverbandes und von Landschaftspflege- höfen eine weitere Bracheausweitung zu verhindern (MLU & R PU 1971). Besonders gefährdet sind die Gemeinden Glashütten, Königstein, Kronberg, Eppstein, , Bad Schwalbach, Schlangenbad, Niedernhausen und Lorch (NR 290; 210 ha Silikatmagerrasen, 30 ha Weinbergsbrache). (8) Region Odenwald: stark gefährdet ist der gesamte südöstliche Sandsteinodenwald (NR 144) mit den Gemeinden Grasellenbach, Waldmichelbach, Rothenberg, Hirschhorn (Neckar), Neckarsteinach, Sensbachtal, Hesseneck, sowie einige OT von Erbach und weiter nördlich die Gemeinde Breuberg. Im Vorderen Odenwald (NR 145) mit der Nördlichen Bergstraße (NR 226) sind insbesondere die Gemeinden Fischbachtal, Lindenfels, Seeheim- Jugenheim und einige OT von Reichelsheim (80 ha Hecken und Gebüsche, 60 ha ext. Streuobstbau) betroffen.

63 5. Vorschläge zur Sicherung der Mindestbewirtschaftung im Rahmen einer ökologischen Leitplanung für Hessen.

Das Bracheproblem ist nicht nur eine Erscheinung unserer Zeit mit ihren spezifischen agrar- strukturellen Rahmenbedingungen, sondern Brache hat es schon immer gegeben, wobei man nicht bis in die spätmittelalterlichen Wüstungsperioden zurückzugehen braucht, um dies zu dokumentieren.

Die verstärkte Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung und das Sich-selber-Überlassen der Flächen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre stellen ein eindrucksvolles Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit dar (vgl. Pkt. 3.2.2).

Auf die unterschiedliche Beurteilung des Phänomens Brache wurde bereits einleitend verwiesen. Sprach man noch vor 20 Jahren im Zusammenhang mit der Brache von einem „Landschaftsschaden", den es zu beheben galt, und sah bereits die bedrohliche Vision einer allmählichen Versteppung Deutschlands in naher Zukunft verwirklicht, so wird heute die „Flächenstillegung", d. h. das Brachlegen landwirtschaftlicher Flächen, als die agrarpolitische Strategie zur direkten Entlastung der Agrarmärkte propagiert! Inwieweit wenigstens die mit diesem Programm beabsichtigte Marktentlastung tatsächlich realisiert werden kann, bleibt abzuwarten, ihre Wirksamkeit wird aber von vielen Agrarexperten bezweifelt (vgl. SCHARPF 1988a; HAMPICKE 1988).

Beim angebotenen „Flächenstillegungsprogramm" ebenso wie bei den laufenden Biotop- sicherungsprogrammen der einzelnen Länder kann der einzelne Landwirt individuell entscheiden, ob er an dem Programm teilnimmt oder nicht bzw. welche Flächen er zur Ver- fügung stellen will. Es erübrigt sich eigentlich darauf hinzuweisen, daß eine gezielte ökolo- gische Wirkung mit einer solchen Verfahrensweise nicht erreicht werden kann, da die aus der landwirtschaftlichen Nutzung entlassenen Flächen ohne jeden systematischen Bezug zu ökologischen Erfordernissen im Raum verteilt liegen. „Es bleibt daher mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob Flächen stillgelegt oder extensiviert werden, die eine besondere Bedeu- tung für die Sicherung bzw. Entwicklung der natürlichen Ressourcen aufweisen" (SCHARPF 1988b). Aus der Sicht des Naturschutzes laufen diese Programme darauf hinaus,,,daß in öko- logischer Hinsicht die bestehenden Probleme nicht gemildert werden, sondern die Gefahr einer weiteren Verschärfung besteht" (SCHAR PF1988a), da sie die Tendenz einer noch schär- feren Zweiteilung der Landschaft beinhalten. (Der augenblickliche Stand dieser Entwicklung wurde in Pkt. 4.5 beschrieben.) Es werden stets die Flächen immer zuerst aus der Produktion ausscheiden, wo die höchsten Durchschnittskosten der Produktion bestehen, und das sind die ertragsschwachen, unrentablen Grenzertragsstandorte (vgl. Pkt. 3.2.1). Landschaften, in denen die Intensität der Landwirtschaft ansteigen wird, stehen solchen Regionen gegenüber, in denen die landwirtschaftliche Nutzung extensiviert oder ganz eingestellt wird. Eine derar- tige Landschaftsaufteilung beinhaltet ebenso die Ausblendung der gravierenden ökolo- gischen Probleme, die sich nachweislich in und aus den landwirtschaftlichen Vorranggebie- ten ergeben und die tendenziell eine weitere Zuspitzung der schon bestehenden Probleme bedeuten (HAAFKE1988).Wie durch den Kartenvergleich (Pkt. 4.5) gezeigt werden konnte, ist durch den „Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche" die Bewirtschaftung gerade in den Regionen stark gefährdet, die einen hohen Grünlandanteil haben und sehr gut mit schützens- werten „Halbkulturformationen" ausgestattet sind. Diese sind von einer extensiven Bewirt- schaftung abhängig und ihre Existenz ist durch die prognostizierte Aufgabe der landwirt- schaftlichen Nutzung stark gefährdet (z. B. im gesamten Naturraum Hohe Rhön)!

Die Betriebe, die hier in der Lage wären, aus der Nutzung fallendes Grünland aufzunehmen und weiter zu bewirtschaften, fehlen. Auch die Entgegnung, Hessen verfüge über sehr viele 64 Nebenerwerbsbetriebe, die vorerst noch die Bewirtschaftung sichern, ist nicht zutreffend. Alle statistischen Ergebnisse (Pkt. 3.1.1) beweisen, daß z. Z. von den hessischen Nebenerwerbs- betrieben eine Übernahme von Flächen, das heißt Betriebsvergrößerung, nicht zu erwarten ist.

Eine rentable Milchkuhhaltung in den Mittelgebirgen ist zur Betriebserhaltung unerläßlich. Die mit ihr verbundene Art und Intensität der Grünlandnutzung reicht aber nicht aus, die extensiven, schützenswerten „Halbkulturformationen" zu erhalten. Aber bei der unverän- dert schlechten Ertragssituation (Pkt. 3.1.2) geben gerade die Betriebe auf, die einmal für die Pflege und Bewirtschaftung des Grünlandes (auch des extensiven) dringend gebraucht werden!

Die Nutzungsaufgabe in den ertragsschwachen, grünlandstarken Räumen muß auch aus der Sicht von Freizeit und Erholung kritisch beurteilt werden. Das Fremdenverkehrsgewerbe, oftmals in den Gemeinden ein wichtiger Wirtschaftszweig, ist auf die Erhaltung der typischen hessischen Mittelgebirgslandschaften mit bunten Wiesen und Weiden angewiesen. Im speziellen Fall kommt die Gemeinde um ein kommunales Pflegeprogramm (z. B. Bad Orb) nicht herum.

Bislang zielten die Strategien des Naturschutzes zur Lösung des Konfliktes Landwirtschaft und Naturschutz immer auf eine Herausnahme bestimmter Flächen aus der landwirtschaft- lichen Produktion ab, man strebte tendenziell eine Trennung von Landwirtschaft und Naturschutz an und bezeichnete Naturschutz sogar als eine Nutzungsform, als die sog. „ökologische Nutzung" (HAAFKE 1988). WEINZIERL (1970) erwartete entsprechend dieser Grundüberlegung drei Landschaftsformen: die „Zivilisationslandschaft", darunter verstand er die Siedlungen und Ballungsräume, in denen „die Naturschutzidee allenfalls in ihrem gestal- tenden Prinzip Platz findet", die „Produktionslandschaft", die der „höchstentwickelten, voll- mechanisierten und rationellen Agrarproduktion" dienen soll, eine Landschaft „nicht gerade schön, aber sie ist eine Realität, und wir Naturschützer sollten uns damit abfinden". Im dritten Landschaftstyp „Erholungslandschaft" sollte „das bewahrende Prinzip des Naturschutzes noch ein wenig Raum vorfinden." Unter der völligen Preisgabe der beiden erstgenannten Landschaftsformen sollte sich nach WEINZIERL der Naturschutz vollkommen auf die „Erholungslandschaften" konzentrieren.

Beim derzeitigen ökologischen Kenntnisstand kann aber kaum mehr ein Zweifel bestehen,daß die klassische, statische, vorwiegend konservierende Schutzgebietsausweisung, die die Landwirtschaft außerhalb dieser Gebiete weitgehend von naturschutzrechtlichen Beschrän- kungen und Verboten freistellt, nicht ausreicht, um den rapiden Rückgang an Tier- und Pflanzenarten zu stoppen, geschweige denn eine Verbesserung der Situation herbeizuführen (SCHARPF 1988b). Auch bei der Realisierung von Flächenschutzkonzepten, die von der Sicherung von 8 bis 12 0/0 der Landesfläche für Naturschutzzwecke ausgehen (HEYDEMANN 1983) muß bezweifelt werden, ob eine dauerhafte Bestandssicherung der heimischen Flora und Fauna möglich ist, wenn das Flächenschutzkonzept weiterhin von einer strikten Trennung zwischen Naturschutzflächen einerseits und andererseits Nutzflächen, die eine weitere Nutzungsintensivierung im bisherigen Sinn zulassen, ausgehen! HABER (1971) und ERZ (1980) entwickelten Vorstellungen über eine differenzierte Einflußnahme des Naturschutzes auf die Ansprüche der anderen Landnutzungen. Sie erhoben den Anspruch, daß Naturschutz im Rahmen eines „Programms der differenzierten Naturschutzansprüche" auf der gesamten Fläche der Bundesrepublik Deutschland stattzufinden hat!

Da das Ziel des Naturschutzes darin besteht, dauerhaft die produktiven und reproduktiven Funktionen des Naturhaushaltes zu sichern, muß die landwirtschaftliche Nutzung auf der gesamten Fläche einen langfristig wirksamen Ressourcenschutz gewährleisten! 65 Die landwirtschaftliche Nutzung ist so auszurichten, daß - „die Bewirtschaftung nachhaltig die Bodenstruktur, die Bodenbiologie und die Boden- fruchtbarkeit sichert und nachhaltig deren Regenerationsfähigkeit gewährleistet, - die Bodenerosion verhindert und typische Landschaftselemente erhalten werden, - keine Belastung des Grundwassers und der Oberflächengewässer erfolgen, - Belästigungen durch Geruch und Lärm vermieden werden und die Luft nicht mit Schadstoffen belastet wird und - die wildlebenden Pflanzen- und Tierarten sowie die wertvollen Biotope und Landschafts- elemente nach den Ansprüchen des Arten- und Biotopschutzes gesichert werden" (SCHAR PF 1988b). Wenngleich den naturschutzrelevanten Förderprogrammen (und auch unserem Vorschlag einer „ökologischen Leitplanung für Hessen") eine enorme Bedeutung als gezielte sektorale Instrumentarien zukommt (ZIELONKOWSKI 1988), die die anfallenden ökologischen Krisen zu begrenzen versuchen, so können sie letztendlich (Problematik Bodenschutz,Wasserschutz z. B.) keine Alternative zu der anzustrebenden allgemeinen flächendeckenden Extensivierung mit der Zurücknahme der Spitzenintensität vordringlich in den produktivsten landwirtschaft- lichen Kernregionen darstellen! Da aber die ökologischen Extensivierungsanforderungen zur Erhaltung und Entwicklung der extensiven Grünlandökosysteme sehrviel umfangreicher sind, als dies die agrarpolitischen Extensivierungsmöglichkeiten zulassen, leitet HAMPICKE (1988) daraus die Schlußfolgerung nach einer räumlichen Planung ab, damit die in der Reform stek- kenden Spielräume (finanziell und räumlich) zur Berücksichtigung des Naturschutzes nicht versäumt werden. Es gibt keine räumlich homogene Lösung für die Probleme, es müssen vielmehr die naturräumlichen und agrarstrukturellen Verschiedenheiten bei entsprechenden Planungsaussagen und Maßnahmen mitberücksichtigt werden. So zeigt die Karte 3, daß die kartierungswürdigen schützenswerten Biotoptypen in Hessen in räumlich sehr unterschied- lichen Konzentrationen vorkommen. Aber auch die sehr unterschiedliche Ausstattung Hessens mit landwirtschaftlichen (VE- + NE-) Betrieben legt eine differenzierte planerische Bearbeitung nahe. Die in ihrer Betriebsstruktur gefährdeten Räume bedürfen einer intensiven Förderung, denn die heute noch vorhandenen (VE- + NE-) Betriebe, soweit deren endgültige Aufgabe noch zu vermeiden ist, werden für die Erhaltung der Kulturlandschaft dringend benötigt! Unser Vorschlag zielt deshalb darauf ab, alle zukünftigen Maßnahmen der Extensivierung, der Pflege, der betrieblichen Förderung und der mit diesen Programmen verbundenen Einkom- mensübertragungen auf der Basis einer„Ökologischen Leitplanung für Hessen"vorzunehmen. Alle Maßnahmen müssen sich in eine ökologische Rahmenkonzeption einordnen, „die räum- liche Schwerpunkte, Extensivierungsmodalitäten und Langfristigkeit der Maßnahmen in ein Gesamtkonzept des Ökosystemschutzes einbindet" (SCHARPF 1988a). Eine solche ökolo- gische, regionalisierte Leitplanung liefert räumlich und sachlich konkretisierte Hinweise, wo die Maßnahmen der Extensivierung bis zur Stillegung aus dem Blickwinkel des Naturschutzes besonders zu begrüßen sind. Außerdem bietet die Landschafts(rahmen) planung, sie sollte auf regionaler wie auf kommunaler Ebene die Funktion einer ökologischen Leitplanung für eine stärker regionalisierte Agrarpolitik übernehmen, die Möglichkeit, die Art der Maßnahmen in der betreffenden Region zu spezifizieren, so daß für die große Palette schutzwürdiger Biotop- typen Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen erarbeitet werden können (vgl. MAERTENS& WAHLER 1989). Der Umfang der brachfallenden und pflegebedürftigen Flächen ist enorm.Wir schätzen den Pflegebedarf in Hessen auf rd.100.000 bis 130.000 ha (Pkt. 4.5).Allein aus finan- ziellen Gründen ist diese Fläche nicht für „alle Zeiten" zu unterhalten. Es müssen Prioritäten gesetzt werden, und das bedeutet die Bevorzugung knapper und damit wertvoller Standorte bei der Pflege. Aus ökonomischen Gründen, zur Steuerung eines ökologisch effizienten 66 Mitteleinsatzes, müssen sich Pflegemaßnahmen in ein räumliches Rahmenkonzept einfügen. Um die für die Pflege bzw. Extensivierung aufgewandten Mittel ins rechte Licht zu rücken, sei darauf hingewiesen, daß es sich bei dem geschätzten Gesamtvolumen der bisherigen Exten- sivierungsprogramme aller Bundesländer von etwa 40 Mio. DM/Jahr nur „um ein Fünfzigstel der Beträge handelt,welche für konventionelle agrarstrukturelle Maßnahmen mit überwiegend negativen Folgen für die Natur ausgegeben werden" (HAMPICKE1988). Hier muß eine umwelt- verträglichere Neuverteilung der Mittel erzielt werden.

Unter dem Aspekt eines ökologisch möglichst effizienten Mitteleinsatzes müssen auch die in vielen Gemeinden (z. B. in Lich) begonnenen Biotopvernetzungsinitiativen zunehmend kritisch beurteilt werden. Die Defizite bei der Pflege wertvollster Standorte selbst in den Naturschutz- gebieten sind enorm. Es ist deshalb eine Konzentration der naturschützerischen Maßnahmen auf bestehende, aber gefährdete Biotope notwendig. Die Neuanlage von Biotopen hat keine Berechtigung, solange gleichzeitig wertvollste Bestände wegen personeller und finanzieller Mängel aufgegeben werden müssen.

Es muß darauf hingewiesen werden, daß neben dem Biotopschutzpotential auch die anderen Potentiale (Erholungs-, Bodenschutz-, Wasserschutz- und Klimaschutzpotential) bestimmt und deren Empfindlichkeit gegenüber physikalischen Einwirkungen (Wind- und Wasser- erosion) bzw. gegenüber anthropogenen Stoffeinträgen in Boden und Grundwasser ermittelt werden müssen, da auch sie in gravierender Weise von den Folgen einer falschen Agrarpolitik betroffen sind.

In Hessen bieten sich hierfür die Karte der Erosionsgefährdung (6 Gefährdungsstufen) und die Hydrogeologische Karte mit ihrer Aussage über die Verschmutzungsempfindlichkeit (6 Gefährdungsstufen) des Grundwassers an. Als Beispiel sei hier nur auf die Probleme sehr vieler Gemeinden hingewiesen, die die neuen Grenzwerte für Nitrate im Trinkwasser nicht werden einhalten können (SRU 1985). Diese Potentiale müssen in vergleichbarer Weise in eine umfassende ökologische Leitplanung einfließen, um so zu räumlich konkreten Abgren- zungen zu kommen, die zur Bestimmung einer ressourcenschonenden landwirtschaftlichen Nutzungsform, die sich wieder an den natürlichen Nutzungsmöglichkeiten und den zu erhal- tenden ökologischen Funktionen orientiert, notwendig sind. Als Ergebnis ließe sich Hessen dann in Räume unterschiedlich intensiver landwirtschaftlicher Nutzung unterteilen, wo sich die Landbewirtschaftung mit den zu schützenden Funktionen des Naturhaushaltes in Einklang bringen läßt.

Wir berücksichtigen das Biotopschutz- und Biotopentwicklungspotential, das die Eignung bestehender, schutzwürdiger und entwicklungsfähiger Biotopflächen bezüglich des Arten- und Biotopschutzes mit Ausrichtung auf Grünlandökosysteme beschreibt. Der hier vorgetra- gene Ansatz stellt deshalb nur einen Teilbeitrag für eine „Ökologische Leitplanung in Hessen" dar.

Abgrenzung von Vorranggebieten für die Maßnahmen der Landwirtschaft und des Natur- schutzes zur Sicherung der Mindestbewirtschaftung

Das bereits in Pkt. 4.1ff. beschriebene Indikatorengerüst wurde mit Schwellenwerten versehen. Dies erlaubt es, die wertvollsten und gleichzeitig am stärksten gefährdeten Gemeinden zu identifizieren. Es soll besonders betont werden, daß ausschließlich der zeitlichen Dringlichkeit wegen in besonders wertvolle Regionen erster Priorität, in denen unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen sind, und in besonders wertvolle Räume zweiter Priorität unterschieden wurde.

67 Vorrangräume für die Sicherung der Mindestbewirtschaftung

(A) Besonders wertvolle Räume 1. Priorität mit höchstem Bracherisiko erfüllen folgende Bedingungen: (1) Mindestens die Hälfte der Gemarkungen einer Gemeinde hat zwei und weniger VE-Betriebe. (2) Mindestens die Hälfte der Gemarkungen hat einen Anteil an G2-, G3- und A3- Böden von 50% und mehr an der LN. (3) Die Gemeinde hat mindestens 50% Dauergrünland an der LF. (4) Die Gemeinde hat mindestens 100 ha schützenswerter Grünlandökosysteme lt. hessischer Biotopkartierung.

(B) Besonders wertvolle Räume 2. Priorität erfüllen folgende Bedingungen: Entweder (1) die Gemeinde hat einen Grünlandanteil von mehr als 50% und gleichzeitig hat mindestens die Hälfte der Gemarkungen einen Anteil von G2-, G3- und A3- Böden an der LN von 50% und mehr oder (2) die Gemeinde hat einen sehr hohen Anteil von schützenswerten Grünlandöko- systemen von mindestens 100 ha und gleichzeitig einen Anteil von mindestens 20% Grünland an der LF.

Die Gestaltung der Indikatoren und der Schwellenwerte stellt sicher, daß nur Gemarkungen/ Gemeinden herausgefiltert werden, in denen eine sehr hohe ökologische Effizienz der einge- setzten Mittel zu erwarten ist (siehe Karte 4). Die Gebietskulisse orientiert sich an den realen Vorkommen von schützenswertem Grünland und dem augenblicklichen Stand der Betriebs- struktur in den Ortschaftenl).

Die zeitliche Prioritätensetzung der zu ergreifenden Maßnahmen soll bewirken, daß der akuten Brachegefährdung der wertvollsten Regionen zuerst Rechnung getragen wird.

In den abgegrenzten Vorrangräumen liegen insgesamt 152 Gemeinden. Das sind rd. 36 0/0 von insgesamt 421 hessischen Gemeinden. 24 Gemeinden gehören zur ersten Priorität (höchstes Bracherisiko wertvollster Gemarkungen), hier sollten möglichst unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Mindestbewirtschaftung ergriffen werden.128 Gemeinden zählen zur zweiten Priorität. In der Reihenfolge der zeitlichen Dringlichkeit werden folgende Maßnahmen- komplexe vorgeschlagen: (1) Rigoroser Erhalt aller noch vorhandenen und besonders schützenswerten „Halbkultur- formationen" durch Aufrechterhaltung oder Nachahmung der Bewirtschaftung (vgl. MAER- TENS &WAHLER 1989).

1) Der von uns vorgestellte Ansatz bietet den Vorteil, daß er mit allgemein in allen Bundesländern vorhandenen Informationsgrundlagen leicht kartographisch umgesetzt werden kann und relativ schnell ohne lange Neukartierungen die wertvollsten Gemarkungen ausscheidet und gleich- zeitig noch Informationen zum Bracherisiko liefert. 68

Kreis Kreis

Siegen Siegen

Vogelsbergkre s s Vogelsbergkre Kreis Kreis

(2) Wie eingangs bereits erwähnt, plant die hessische Landesregierung, ab 1993 ein eigenes 'Kulturlandschaftsprogramm' zur direkten Stützung der Landbewirtschaftung in „umwelt- sensiblen" Räumen anzubieten. Die in der Karte 4 ausgewiesenen „Vorrangräume für die Sicherung der Mindestbewirtschaftung" sind als umweltsensible Räume zu bezeichnen und müssen deshalb zur Gebietskulisse eines hessischen Kulturlandschaftsprogramms gehören. Bei der Gestaltung der Förderrichtlinien sollten sie besonders bevorzugt werden.

(3) In den Vorrangräumen sollen die weiter zunehmenden Aufforstungen in Abhängigkeit von der Flächennutzung genehmigt werden. Die Aufforstung von extensiven oder entwicklungs- fähigen Grünlandstandorten ist aus der Sicht des Arten- und Biotopschutzes abzulehnen! Zudem ist die Walddichte in weiten Bereichen bereits sehr hoch (vgl. Pkt. 4.5 (2)). Der Erlaß eines generellen Aufforstungsverbotes für Grünland und die sofortige Einstellung der finan- ziellen Förderung, zumindest in den Vorrangräumen, wären sinnvoll. Statt dessen sollen die anzubietenden Bewirtschaftungs- und Extensivierungsverträge einen finanziellen Ausgleich bieten.

(4) Bevorzugte Förderung derVE- und NE-Betriebe in den Vorrangräumen erster und zweiter Priorität. Landwirtschaft muß für die Hofnachfolger wieder eine berufliche Perspektive bekommen. Nebenerwerbsbetriebe müssen gleichberechtigt in den Genuß der staatlichen Fördermaßnahmen kommen.

Ein wichtiges Instrument bleibt die bevorzugte Zuteilung von Milchquoten. Freiwerdende Milchquoten und weitere Kontingente müssen generell in Hessen, zumindest in den vorge- schlagenen Vorrangräumen, unverzüglich und möglichst abzugsfrei entwicklungsfähigen Betrieben zugeführt werden. Milchrentenprogramme sind aus unserer Sicht abzulehnen (vgl. WAGNER 1989).

Grundsätzlich müssen alle Maßnahmen und Förderinstrumente von Naturschutz und Land- wirtschaft aufeinander abgestimmt werden. Als Beispiel sei die einzelbetriebliche Investitions- förderung genannt, deren Bestimmungen auf die Förderung extensiver Wirtschaftsweisen auszurichten sind. Letztendlich ist die Realisierung einer nicht nur umweltverträglichen, sondern die Umwelt aktiv gestaltenden und pflegenden Landbewirtschaftung nur im Rahmen eines integrierten Konzeptes möglich. Untersuchungen zu den ökologischen und ökonomischen Effekten des bereits seit 1988 laufenden bayerischen Kulturlandschaftsprogramms haben gezeigt, daß es tatsächlich zu einer stärkeren Extensivierung kam, allerdings häufig in vorher bereits extensiv wirt- schaftenden Betrieben. Dies deshalb, weil die Teilnahme am Programm um so häufiger war, je extensiver gewirtschaftet wurde. Der „klassische" Vorwurf der reinen Mitnahmeeffekte beim Kulturlandschaftsprogramm konnte jedoch widerlegt werden (BALDOCK & VON MEYER 1991).

Ein hessisches Kulturlandschaftsprogramm hat in den Vorrangräumen der ersten Priorität hauptsächlich die Funktion, die Mindestbewirtschaftung zu sichern, u. a. indem sich positive Einkommenswirkungen einstellen. Dies sind benachteiligte Gebiete, wo die bestehende Landwirtschaft sowieso bereits umweltverträglich produziert. In den Vorrangräumen zweiter Priorität sind die Spielräume einer weiteren Extensivierung sehr viel größer.

70 II11111 Landkreis ikf ai II I I ' Landkreis Rhön-Grabfeld Rhein- Lahn- Landkreis Kreis Ni Bad Kissingen Main- Kinzi. - Kreis

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RÜCKZUG DER LANDWIRTSCHAFTAUS BEITRAG FÜR EINE ÖKOLOGISCHE DER FLÄCHE! AUSWIRKUNGEN DER LEITPLANUNG IN HESSEN GRUNLANDBRACHE AUF DEN ARTEN- UND BIOTOPSCHUTZ IN HESSEN. ZONIERUNGSVORSCHLAG FÜR DIE ZUKÜNFTIGE AUSRICHTUNG VON Karte Nr. 4: EXTENSIVIERUNGS- UND PFLEGE- Beitrag für eine ökologische Leit - MASSNAHMEN AUS DER SICHT planung in Hessen DES ARTEN- UND BIOTOPSCHUTZES.

Neckar• Vorranggebiete für grossräumige Bearbeiter Th. Maertens und Extensivierung und Sicherung der M. Wahler, Dipl. -Inge. Mindestbewirtschaftung: Maßstab 1 Iso.000 Odenwald- GEMEINDEN / REGIONEN 1 MRD. BTSONIXRSND HOC OBLITVElLf GOOPRILUNGEN Rhein- NSTEM EN SOFORTMASSIIMMEN NOTWOOG I Kreis

GEMOWEN / REGMEN 2 PRIODITAT, 0 3 75 IS. reis BESONDERS WERTVOLLE GINARKUNGEN IWF TEEWEISE H131.1 BRACHERISIKO 111111111 Frankfurt Fobia in Januar 1991 (5) Aufbau neuer landwirtschaftlicher Betriebsmodelle als Einstieg in die großräumige exten- sive Tierhaltung, Förderung landwirtschaftlicher Zusammenschlüsse und Organisations- formen zur landespflegerischen Flursicherung durch extensive agrarische Nutzungsformen. Dadurch wird sehr wirtschaftlich eine überwiegend mechanische Flächenpflege mit musealer Landschaftstendenz zugunsten einer von Mensch und Tier belebten und bewirtschafteten Kulturlandschaft vermieden. Als entsprechende Planungs- und Durchführungsinstrumente sind die Landschaftsplanung und die Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz in beson- derer Weise geeignet, fach- und interessenübergreifende Konzepte zu entwickeln, abzu- stimmen und zu verwirklichen (ISER MEYER, BUCHWALD & DEBLITZ 1988; VON MEYER & SCHWARZMANN 1991). (6) Die Umweltprobleme der Intensivlandwirtschaft werden noch nicht entscheidend bekämpft. Neben den vorgeschlagenen, aber regional begrenzten Maßnahmen zur Sicherung der Mindestbewirtschaftung in den Vorrangräumen ist deshalb eine umweltgerechte Land- bewirtschaftung durch flächendeckende Extensivierung anzustreben. Erst danach sollte mit dem Neuaufbau vernetzender Strukturen in den landwirtschaftlichen Intensivregionen begonnen werden.

6. Danksagung Wirdanken allen, die uns durch Auskünfte und ihre Diskussionsbereitschaft unterstützt haben. Unser besonderer Dank gilt: Dipl.-Ing. agr. A. Büdinger, Hessisches Statistisches Landesamt, Wiesbaden, Dipl.-Ing. agr. C. Schwarzmann, Institut für ländliche Strukturforschung an der Johann Wolfgang Goethe- Universität, Frankfurt und Dr.Török, Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung, Wiesbaden.

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BÜHNEMANN, Gesellschaft für Kommunalbetreuung (GFK), Bad Homburg, (1) 24.11.88

HAHN-HERSE, Landesanstalt für Umwelt des Landes Rheinland-Pfalz, Oppenheim, (1) 22.9.1988 HAPPEL, Geschäftsführer des NP Hoher Vogelsberg, Schotten, (1) 2.9.1988

HASSKAMP, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, (1) 24.10.1988 HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT (HSL), Wiesbaden, (1), Ziegenbestände in Hessen KLEIN, Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe, Münster, (1) 31.10.1988 KLAPP, Landwirt in Marjoß, (1) 15.7.1988 LINDENBERGER, Ortslandwirt von Flörsbachtal-Lohrhaupten, (1) 15.7.1988

NITSCHE, BFN-Kassel, Zierenberg, (1) 23.8.1988

PELZER, Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung, Wies- baden, (1) 3. 6. 88, 3.11.88 PRZEWDZINK, Inhaber des Gestüts Erlenhof in Flörsbachtal-Lohrhaupten, (1) 15.7.1988 RACH, Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, Bonn, (1) 24.10.1988 R ICHTSCH EID, Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung, Wiesbaden, (1) 15. 6.1988 SCRIBA, Ortslandwirt von Ortenberg-Wippenbach, (1) 12.7.1988

STADLER, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, (2) 5.1.1989 STATISTISCHES BUNDESAMT, Wiesbaden, (2), Pferdebestand, Schafbestand, Rinderbe- stand im Dezember seit 1950; Landwirtschaftlich genutzte Fläche und Anbau auf dem Ackerland 1950-1987 STEIN, Ortslandwirt von Feldatal-Stumpertenrod, (1) 12.7.1988 STEINMETZ, Hessisches Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Wies- baden, (1) 20.5.1988 TÖRÖK, Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung, Wies- baden, (1) versch. VÖLKL& ELLERBROK-KUBACH, Hessisches Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung, Kassel, (1) 7.9.1988 WINTER, Ortslandwirt von Birstein-Völzberg, (1) 12.7.1988

Anschriften der Verfasser: THOMAS MAERTENS, Letzter Hasenpfad 59, 6000 Frankfurt/Main 70 MATTHIAS WAHLER, Friedenstraße 12a, 6415 Petersberg 1 80 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 81-96 (1992)

Hessens neue Naturschutzgebiete (19) von ALBRECHT ENSGRABER, Eltville am Rhein

NSG „Häuserbachtal bei Möttau" (Kreis Limburg-Weilburg) VO vom 23. Dezember 1988 (StAnz. S. 298); in Kraft getreten: 17. Januar 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd, - die Ausübung der Angelfischerei im Häuserbach. Das 11,56 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Weilburger Hintertaunus". Der Häuserbach ist ein kleiner südwestlicher Zulauf des Solmsbaches.Ausgenommen von kurzen Strecken des Unter- und Oberlaufs deckt ihn das knapp 1,5 km lange und 50 bis 200 m breite Naturschutzgebiet gänzlich ab. Im schmalen Talbereich bestand früher eine ununterbrochene Kette von neun Fischteichen; vier davon sind z. Z. noch bespannt. Die beiden untersten werden aufgrund einer Ausnahmegenehmigung von einem Fischereiverein weiterbewirtschaftet. Im Bereich eines kleinen linksseitigen Nebentälchens befindet sich darüber hinaus ein hoch- gelegener, annähernd runder Teich mit einer kuppenförmigen Insel mit altem Baumbestand, die sog. Wasserburg. In den heute wasserfreien Teichflächen haben sich artenreiche Binsen- rasenwiesen, Seggenrieder sowie Gebüsch und Vorwaldstadien eingestellt. Schon am Oberende des Naturschutzgebietes weist der Bach eine beträchtliche Wasser- führung auf. Weiteren Zufluß erhält er im Bereich des großen Erlenbruches unterhalb des Forsthauses. Er durchfließt die aufgelassenen Teiche, verläuft im Bereich der „Wasserburg" an der rechten Talseite in schönen schluchtartig vertieften Windungen und weiter im unteren Gebietsteil mit unterschiedlichem Gefälle, auch in kleinen Staustufen, rechts unterhalb der bewirtschafteten Teiche. Die Grünländereien im kleinen linken Seitental über der „Wasser- burg" und unterhalb des Forsthauses werden zur Heugewinnung zwecks Wildfütterung weiter genutzt. Das Gebiet scheint botanisch erst unvollständig untersucht zu sein: Rispensegge und Breit- blättriges Knabenkraut sind nachgewiesen. Zahlreiche bedrohte Vogelarten sind als Brut-und Gastvögel nachgewiesen. Von den zehn Amphibienarten kommen Gelbbauchunke, Geburts- helferkröte, Wechselkröte, Kreuzkröte und Laubfrosch vor. Unter zahlreichen Säugetierarten sind besonders Mausohr, Wasserfledermaus, Hermelin, Mauswiesel, Iltis, Baummarder, Igel, Dachs besonders zu nennen. Nachgewiesen wurden ferner Steinkrebs, Teichmuschel, elf Schmetterlingsarten und neun Libellenarten.

NSG „Hinterste Neuwiese bei Kronberg" (Hochtaunuskreis) VO vom 14. Februar 1989 (StAnz. S. 747); in Kraft getreten: 21. März 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Einzeljagd auf Schalenwild in der Zeit vom 16. Juli bis 31. Januar, verboten: - Koppelviehhaltung zu betreiben oder die Wiesen vor dem 20. Juni zu mähen. Das 12,58 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Vortaunus, Kronberger Taunus- fuß", direkt nördlich angrenzend an die B 455 zwischen Kronberg und Oberursel. Das große, leicht ansteigende Feuchtwiesengelände ist an drei Seiten von Wald umgeben. Es enthält ein 81 Erlenwäldchen und mehrere Gebüschgruppen, einen Streuobstbestand, Binsenwiesen und Pfeifengrasbestände. 80% der Gesamtfläche sind Grünland, 10 0/0 Wiesenbrache, meist in nassen Senken, 10 0/0 sind ein rekultiviertes Müllkippengelände mit Hecken. Das kleinparzel- lierte Gelände steht zur Hälfte im Eigentum der Stadt Kronberg, die andere Hälfte gehört 40 privaten Eigentümern. Sowohl botanische als auch zoologische Gründe, nicht zuletzt aber auch die vielfache Gefährdung in unmittelbarer Nähe der Bebauung und der Straße waren für die Naturschutzgebietsausweisung maßgebend.

NSG ;riefenbachwiesen bei Rommerode" (Werra-Meißner-Kreis) VO vom 1. März 1989 (StAnz. S. 750); in Kraft getreten: 21. März 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Einzeljagd, nicht jedoch auf Federwild, - der im Einvernehmen mit der Oberen Naturschutzbehörde zugelassene Bergbau, verboten: - Drainmaßnahmen durchzuführen, - Stallmist zu lagern oder Freigärhaufen anzulegen, - Wiesen vor dem 1. Juli eines jeden Jahres zu mähen, - Tiere weiden zu lassen. Das 38,36 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Fulda-Werra-Bergland"/Unterein- heit „Söhre" in einer Höhe von 460 bis 520 m NN am Südwestfuß des 643 m hohen Hirsch- berges. Es handelt sich um Reste eines ehemals durchgehenden Wiesenzuges zwischen den Orten Rommerode und Wickenrode. Etwa die Hälfte der Hochlagenwiesen in der Gemarkung Rommerode sind bereits in den fünfziger und sechziger Jahren aufgeforstet worden. Danach hat sich vor allem die Nutzungsaufgabe auf manchen Flächen sehr negativausgewirkt. Erst seit kürzerer Zeit werden verstärkt Nutzungen in Verbindung mit Gülle-Düngung, Entwässerung und Rodung von Hecken an den hochwertigsten Flächen wieder aufgenommen, so daß die vorhergegangene Einstweilige Sicherstellung erfolgen mußte. Den dagegen erhobenen Widerspruch sowie eine Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es dominieren im Gebiet wechselfeuchte bis nasse, relativ magere bis sehr magere Wiesen- typen. Borstgrasrasen, Wiesenrispengras-Goldhaferwiesen, Waldbinsenwiesen, Rasen- schmielen-Knöterich-Feuchtwiesen, Kleinseggensumpf und Kammseggenried sind die vorherrschenden Grünlandgesellschaften. Bemerkenswert ist die Vielzahl vorkommender montaner Pflanzenarten, die unterhalb von 600 m sehr rar geworden sind, darunter 15 Pflan- zenarten der Roten Liste Hessen, insbesondere Breitblättriges Knabenkraut und Trollblume in Massenbeständen. Für die Kugelteufelskralle ist der Hirschberg der nördliche Eckpunkt ihrer Verbreitung.Arnika, Nordisches Labkraut, Sparrige Binse,Sumpf-Herzblatt,Wald-Läusekraut, Grüne Waldhyazinthe und Wiesen-Leinblatt sind weitere Rote-Liste-Arten. Es gibt im Gebiet kein Flurstück ohne Vorkommen einer oder mehrerer gefährdeter Pflanzenarten, d. h. die vier Teilflächen des NSG müssen als Kernflächen geschützt werden. Notwendige Pufferflächen sollen über den Vertragsnaturschutz angestrebt werden.

Die große Hauptfläche wird von zwei Landwirtschaftswegen erschlossen. Von besonderer Bedeutung ist hier der nordöstliche Wiesenstreifen, auf dem in jüngster Zeit mehrere schäd- liche Eingriffe erfolgt sind. Ein Flurstück wurde für den Naturschutz angekauft. Im mittleren Wiesenstreifen befinden sich die wertvollsten Pflanzenstandorte, auch ein flächenhafter Borstgrasrasen. Leider bildet die Fichtenanpflanzung auf einer Parzelle einen sehr störenden Gehölzriegel.Bei der kleinen nördlichen Teilfläche befindet sich ein Stollenmundloch für einen 82 Braunkohlentiefbau. Das dortige Vorkommen von Borstgrasrasen war schon im Rahmen- betriebsplan vor jeglichen Eingriffen geschützt worden. Borstgrasrasen befinden sich auch auf der kleinen Fläche im Nordosten. Die Fläche im Süden trägt insbesondere Kleinseggen- sümpfe, Wollgras und Sumpf-Herzblatt. Auch hier ist zwischenzeitlich eine schwerwiegende Entwässerungsmaßnahme erfolgt.

NSG „Hessische Schweiz bei Meinhard" (Werra-Meißner-Kreis) VO vom 28. April 1989 (StAnz. S.1179); in Kraft getreten: 23. Mai 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - Maßnahmen der Waldpflege soweit sie dem besonderen Schutzzweck des Gebietes dienen, - die Ausübung der Jagd auf Haarwild, - die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der vorhandenen Erholungs- einrichtungen. Das 244,60 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Nordwestliche Randplatten des Thüringer Beckens"/Untereinheit „Gobert". Nur etwa 10 km in östlicher Richtung befindet sich, ebenfalls in diesem Naturraum, das seit 1960 bestehende Naturschutzgebiet „Plesse und Konstein" bei Wanfried. Aufgrund sehr ähnlicher Verhältnisse, insbesondere auch gleichen geologischen Ursprungs und gleicher Entwicklungsvorgänge, können beide Gebiete als eine Einheit angesehen werden. Die Besonderheit in diesem Landschaftsteil um Hitzelrode ist die aufgelöste Linie der Kalkstein-Abrißwände. Es gibt eine Kette von Abrißwänden östlich von Hitzelrode mit den Wandstellen Salzfrau, Pferdeloch, Wolfstisch, Weißer Graben sowie eine solche am Westrand des Gebietes vom Uhlenkopf bis zum Hohestein, wo sich diese zur Hohe Bahn und zur Hörne (hornartiger Wandvorstoß) verzweigt. „Hörnelücke" ist eine Vertiefung der Kammlinie, wo die Wand durch Einstürze gänzlich eingeebnet ist. Unter der Nordwand der Hörne befindet sich einer der letzten großen Bergstürze in einem Vorsprung des Naturschutz- gebietes. Der Hohestein ist mit 569 m NN nach dem Meißner die zweithöchste Erhebung im Werraland. An vielen Stellen hat man an der Oberkante der Kalkwände eine ausgezeichnete Sicht auf die nähere und weitere Umgebung. Das Gebiet ist als „Hessische Schweiz" beliebtes Wanderziel. Die Unterschutzstellung richtet sich nicht gegen das durch ein gekennzeichnetes Wegenetz geregelte Wandern. Im Gebiet kamen durch einen Waldtausch 199 ha Privatwald in das Eigentum des Landes Hessen. Die NSG-Ausweisung tritt an die Stelle von nicht weniger als acht im Gebiet bisher ausgewiesenen Naturdenkmalen. Ferner wird eine „Brandwall" genannte, wahrscheinlich frühgeschichtliche Befestigungsanlage in Gipfelnähe miterfaßt. Eine kleine Exklave oberhalb von Motzerode enthält einen Kalksumpf und landwirtschaftlich genutztes Grünland. Bis zur Öffnung der deutsch-deutschen Grenze verlief nordwestlich des Gebietes in unmittelbarer Nachbarschaft der Drahtgitterzaun der DDR-Grenzanlagen. Dort entlang ist ein Stück der Kalkwand bis zum Uhlenkopf mitausgewiesen worden. Zweck der Unterschutzstellung ist es, einen Bergsturz, Kalkfelsfluren, Kalksümpfe, Mager- rasen, Blockschuttwälder und großflächige Laubholzbestände mit den hier beheimateten z.T. seltenen und stark gefährdeten Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und langfristig zu sichern. Erstmals in Hessen wird eine Waldfläche dieser Größenordnung vollkommen aus der Bewirt- schaftung herausgenommen und der natürlichen Entwicklung überlassen. Künftig soll sich ein Naturwald entwickeln, in dem letztlich alle Entwicklungsstufen von der Verjüngung bis zur Zerfallsphase nebeneinander zu finden sind. 83 NSG „Werra-Altarm bei Albungen" (Werra-Meißner-Kreis) VO vom 27. Januar 1989 (StAnz. S. 1181); in Kraft getreten: 23. Mai 1989

Das 5,60 ha große Naturschutzgebiet liegt als einer der letzten drei Altarme derWerra im Natur- raum „Unteres Werraland, Schwebda-Jestädter Werraaue". In Form eines 40 bis 50 m breiten und ca. 1300 m langen Bandes umfaßt es ausschließlich den Altarm selbst, der ein flaches U mit einer Öffnung von ca. 800 m nach Osten bildet. Beim Bau der Eisenbahnlinie Ende vorigen Jahrhunderts ist das Gewässer von der Werra abgeschnitten worden. Lediglich ein Graben am unteren Ende verbindet es jetzt noch mit dem Fluß. Mit geringem Abstand bildet die B 27 auf erhöhtem Damm im Westen einen großen Bogen um das Gebiet, deren abschirmender Effekt die von ihr ausgehenden Störungen überwiegen dürfte. Der fast lückenlose Saum von Gehölzen und Hochstauden läßt von dort wie auch vom gegenüberliegenden Ufer aus nur an wenigen Stellen den Blick auf die Wasserfläche frei, so daß hier im echten Wortsinn von einem Stillwasser gesprochen werden kann. Die Aue im Bogen des Altarms blieb von der NSG- Ausweisung unberührt, da die hier seit Jahren bestehende Auskiesung noch in vollem Gange ist. Langfristig soll der Altarm mit den Kiesteichen der Albunger Aue zu einem NSG zusammen- gefaßt werden. Er wird dann im Verbund mit dem seit 1978 bestehenden NSG „Jestädter Wein- berg" am gegenüberliegenden rechten Ufer der Werra eine große Einheit bilden. Schon 1982 wurde der Altarm einstweilig sichergestellt und die Sicherstellung 1985 verlän- gert. Die außergewöhnliche Verzögerung der Ausweisung trat bei der Durchsetzung des Angel- und Fischereiverbotes ein. Von seiten der Fischerei wurde argumentiert, daß sich das Fischen und andere damit verbundene Hilfeleistungen für die Pflege des Naturschutzgebietes einsetzen lasse. Schließlich setzte sich aber die durch mehrere Gutachten belegte Auffassung durch, daß das Angeln als Pflege- und Kontrollmethode im NSG ungeeignet sei. Das Angeln wirke dazu nicht ausreichend schnell, gründlich und spezifisch, auch bei der Eutrophierungs- bekämpfung versage das Angeln. Der geringen Pflegewirkung des Angelns stehe dessen er- hebliche Schadwirkung auf naturnahe Gewässerökosysteme gegenüber. Die Ufervegetation würde beschädigt, und besonders die seltenen Wasservogelarten reagierten bereits auf mäßiges Beangeln ihrer Lebensräume äußerst empfindlich. Auch die Jagd wurde aus ähnlichen Gründen im Gebiet vollständig untersagt.

Seit Wirksamwerden der Einstweiligen Sicherstellung wanderten als Brutvögel oder Vogel- arten mit Brutverdacht u. a. bereits ein: Zwergdommel, Reiherente, Rohrweihe, Kiebitz, Fluß- uferläufer, Knäckente, Zwergtaucher, Wasserralle und Flußregenpfeifer. Als Nahrungsgäste wurden beobachtet: Graureiher,Tafelente,Kormoran,Eisvogel,Spießente,Schellente und Uhu.

NSG und LSG „Erlenberg bei Weichersbach" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 9. Februar 1989 (StAnz. 5.1206); in Kraft getreten: 30. Mai 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist im NSG verboten: - Wiesen, Weiden und Brachflächen zu drainieren, - die Anlage von Freigärhaufen sowie die Lagerung von Stallmist, Stroh und Heu, - Wiesen vor dem 15. Juni eines jeden Jahres zu mähen. Das kombinierte Natur- und Landschaftsschutzgebiet (ersteres 47,62 ha groß) liegt im Natur- raum „Brückenauer Kuppenrhön". Es handelt sich um einen Bergrücken von 422 m Höhe, der zwischen den nordöstlich bzw. südwestlich überragenden Basaltkuppen „Stiftes" und „Hopfenberg" verläuft. Infolge der komplizierten geologischen Verhältnisse sind die Böden im 84 Gebiet außergewöhnlich verschiedenartig: In einem nordost-südwestlich verlaufenden tertiären Grabenbruch stehen im NSG-Bereich hauptsächlich Kalksteine an. Im Bereich der Grabenränder sind im Gebiet randlich Buntsandstein und von den benachbarten Basalt- kuppen her Basalttuff und Nephelin-Basalt sowie tertiärer Ton vorhanden. Es gibt zahlreiche Quellhorizonte, die z. T. großflächig versumpfte Hanglagen bewirken, sowie zwei am Nord- hang bzw. am Südhang des Erlenberges verlaufende Quellbäche. Ausgedehnte Feucht- bereiche bestehen vorwiegend in den tiefer gelegenen Geländeteilen.

Am Nordhang des Erlenberges stocken größtenteils Eichen-Hainbuchenwälder. Das Gebiet besteht im übrigen vorwiegend aus Grünland und ist von zahlreichen meist hangparallel verlaufenden Heckenstreifen untergliedert, durch die es seinen besonderen landschafts- ästhetischen Reiz erhält. Über das ganze Gebiet verteilt kommen Stattliches und Kleines Knabenkraut vor. In mehr oder weniger feuchten Bereichen wachsen Massenbestände von Trollblume und große Mengen von Breitblättrigem Knabenkraut und Bach-Nelkenwurz. In Halbtrockenrasen bilden Fliegenrag- wurz, Deutscher Enzian und Schopfiges Kreuzblümchen, auf schattigen Standorten Berg- Kuckucksblume, Rotes Waldvögelein und Akelei die wertvollsten Pflanzenbestände.

Unter den zahlreichen Vogelarten bedürfen Neuntöter in mehreren Brutpaaren, mehrere Greif- vogelarten, Braunkehlchen, Hohltaube, Gebirgsstelze, Kleinspecht und Mittelspecht beson- derer Erwähnung. Schlingnatter, Blindschleiche und Bergeidechse finden an den sonnen- exponierten, trockenwarmen und mit vielen Lesesteinzeilen ausgestatteten Hangbereichen zusagenden Lebensraum. Erdkröte, Grasfrosch und Bergmolch kommen vor. Elf Schnecken- arten sind nachgewiesen, darunter Gemeine und Weiße Heideschnecke, auch Käfer- und Hummel- sowie 33 Schmetterlingsarten, namentlich Violetter Silberfalter und Schwarzblauer Bläuling, wurden festgestellt.

NSG „Hochheimer Mainufer" (Main-Taunus-Kreis) VO vom 14. Februar 1989 (StAnz. 5.1208); in Kraft getreten: 30. Mai 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Einzeljagd auf Kaninchen in der Zeit vom 16. Juli bis 31.Januar, - das regelmäßige Zurückschneiden des Gehölzbestandes der bestehenden Kaltluftschneisen in der Zeit vom 1. September bis Ende Februar, verboten: - Tiere weiden zu lassen.

Das 13,14 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Untermainebene, Hochheimer Mainaue". Es bildet zwischen Mainufer und Uferweg einen ca. 50 m breiten Streifen von Hofheim bis Flörsheim-Keramag (Flußkilometer 5,0 bis 8,7) mit einer Unterbrechung bei einer Industriefläche. Der Wicker-Bach mündet am oberen, östlichen Gebietsende.

Da zwischen Hanau und Mainz entlang des Mains keine Gehölzgruppen mehr vorhanden sind, hat diese Unterschutzstellung „den letzten Rest naturnaher Mainuferlandschaft zu erhalten, zu entwickeln und ein Regenerationspotential zur Wiederbesiedlung des Mainufers zu sichern". Das Vegetationsbild wird von Wald, Gebüsch, Hochstauden und Grünland beherrscht. Es wurden 198 Blütenpflanzen festgestellt. Die Flora ist geprägt von feuchtigkeits- und stickstoff- liebenden Pflanzenarten. Eine ganze Reihe von diesen sind Stromtal-Pflanzen, einige kommen in Hessen nur in Ufergesellschaften von Rhein und Main vor: Arznei-Engelwurz 85 (Angelica archangelica), Schwarzer Senf, Pappel-Seide (Cuscuta lupuliformis),Sumpf-Ampfer, Fluß-Greiskraut und Gelbe Wiesenraute. Arznei-Engelwurz mit den üppigen Blütendolden und die gelbblühenden Herden des Fluß-Greiskrautes sind sehr markante, bis zwei Meter hohe Stauden. Andere vorgefundene Pflanzenarten sind in Hessen ziemlich selten, kommen aber in den Ufergesellschaften der großen Flüsse regelmäßig vor: Rüben-Kälberkropf, Feigen- blättriger, Graugrüner und Roter Gänsefuß, Niedriges Fingerkraut (Potentilla supina) und Wasserkresse (Rorippa amphibia). Typisch sind hier ferner die kniehohen dichten Gestrüppe der Kratzbeere und der Haselblattbrombeere (Rubus corylifolius agg.) auf besonnten Stein- schüttungen am Ufer. Der Anteil an Rote-Liste-Arten (Schwarzes Bilsenkraut, Sumpf-Ampfer und Mauer-Gänsefuß, diese nur an einzelnen Stellen') ist im Gebiet sehr niedrig, weil feuchte, stickstoffreiche Standorte und damit auch die meisten Besiedler dieser Standorte z. Z. nicht gefährdet sind. Dagegen ist die Anzahl eingebürgerter und unbeständiger Neophyten im Gebiet hoch, denn solche dringen in Flußgesellschaften gerne ein. Die älteren Baumbestände werden von Silber- und Fahlweide aufgebaut und bilden an den breiteren Uferstreifen einen schönen galeriewaldartigen Silberweiden-Auewald. Die niedrigen Gehölzbestände, Mandelweiden-Purpurweiden-Gebüsch, sind Vorwaldstadien des Auewaldes. 73 Vogelarten, davon mindestens 34 als Brutvögel mit acht Arten der Roten Liste, sind bekannt. Zu den häufigeren Arten im Gebiet zählen Nachtigall, Sumpfrohrsänger und Zaunkönig. In den Kieslagerstätten zwischen den beiden NSG Teilen brütet der Flußregenpfeifer. Weitere Brut- vogelarten der Roten Liste Hessen sind Grauschnäpper, Gelbspötter, Kuckuck und Teich- rohrsänger. Die auffälligen Lücken im Auewald sind auf starken Druck des Weinbaues geschlagen worden, um den Kaltluftabfluß zugunsten der oberhalb gelegenen Rebflächen zu schaffen. Die Notwendigkeit bzw. der Nutzen dieser Schneisen ist durch Analogie aus Verhältnissen in anderen Gebieten geschlossen worden, direkte Nachweise wurden jedoch nicht erbracht.

NSG „Mainflinger Mainufer" (Kreis Offenbach) VO vom 14. Februar 1989 (StAnz. 5.1210); in Kraft getreten: 30. Mai 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Tätigkeiten und Maßnahmen der Behörden der Wasser- und Schiffahrts- verwaltung für die Unterhaltung der Bundeswasserstraße und in Wahrung deren sonstiger Belange. Das 6,77 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Östliche Untermainebene, Auheim- Kleinostheimer Mainniederung". Es bildet einen ca. 1 km langen und 75 bis 150 m breiten Streifen am Prallhang des linken Mainufers. Der Uferweg (landseitiger als der verschwundene Leinpfad) bildet in der überwiegenden Länge nördlich die Obergrenze, im südlichen Drittel ist das Gebiet über den Uferweg hinaus bis an das seit 1977 bestehende Naturschutzgebiet „Bong'sche Kiesgrube" erweitert. An einen Teilbereich im Norden grenzt ein Neubaugebiet von Mainflingen. An mehreren Stellen des Uferstreifens tritt Grundwasser an der vom Fluß angeschnittenen kiesigen Terrasse aus, hier bestehen dauernd vernäßte Flächen und Tümpel. 86 Im Vergleich zum NSG „Hochheimer Mainufer", das gleichzeitig ausgewiesen worden ist, wachsen in diesem Gebiet die landschaftsprägenden Silberweiden und einige Fahlweiden als Solitäre oder eingebunden in das Mandelweiden-Ufergebüsch. Die ruderalen Offen- landbereiche sind hier wie dort von stickstoffliebenden Hochstauden überwiegend der gleichen pflanzensoziologischen Einheiten und auch der gleichen Arten geprägt, so die Zaun- winden-Engelwurz-Gesellschaft, die Fluß-Greiskraut-Gesellschaft und die Schwarzsenf- Gesellschaft bzw. die seltenen Arten Steife Rauke (Sisymbrium strictissimum) und Gelbe Wiesenrauke (Thalictrum flavum). Bei Mainflingen bestimmt andererseits das Schilf den Charakter der Flußaue. Der Erlen-Auewald im Südteil unterhalb des Talweges bildet hier eine weitere Eigenart. Auf den sonnigen Rohbodenflächen im Süden oberhalb des Uferweges haben zahlreiche gefährdete und seltene Pflanzenarten passende Pionierstandorte gefunden: Heide- Löwenzahn (Taraxacum laevigatum) in einer blaufrüchtigen und einer rotfrüchtigen Sippe, Sand-Wicke (Vicia lathyroides), Weg-Distel (Carduus acanthoides), Kahles Bruchkraut (Herniaria glabra), Hügel-Vergißmeinnicht (Myosotis ramosissima), Sprossende Felsennelke (Petrorhagia prolifera), Schmalblättriger und Straußblütiger Sauerampfer (Rumex tenuifolius und thyrsiflorus), Rote Schuppenmiere (Spergularia rubra) und gekielter Feldsalat (Valerianella carinata). Es wurden 43 Vogelarten, davon 30 Brutvögel,festgestellt, unter ihnen die Beutelmeise mit zwei Brutpaaren, der Teichrohrsänger mit fünf Brutpaaren, davon maximal 15 singende Männchen, Kuckuck und Nachtigall. Von einer vielfältigen Insektenfauna sind besonders zu erwähnen: Die Heuschreckenarten Blauflügelige Ödlandschrecke und Zweifarbige Beißschrecke, der Laufkäfer Ocys harpaloides, eine sehr seltene auf Flußufer beschränkte Art, von 54 Spinnenarten die Ammen- Dornfingerspinne und die Baldachinspinne, von sechs Weberknechtarten als bemerkens- wertester Fund Astrobunus faevipes, eine südosteuropäische, wahrscheinlich thermophile Art, in Deutschland nur von Mainz und Dresden bekannt, und Nemastoma dentigerum, mediterran, nur in wenigen Arealsplittern nördlich der Alpen.

NSG und LSG „Schwadelsberg und Seiffertshain bei Marborn" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 10. März 1989 (StAnz. S.1212); in Kraft getreten: 30. Mai 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist im NSG gestattet: - die Ausübung der Jagd, verboten: - die Gewässerufer zu beweiden, - Wiesen, Weiden oder Brachflächen zu drainieren, - die Anlage von Freigärhaufen sowie die Lagerung von Stallmist, Stroh und Heu.

Das kombinierte Natur- und Landschaftsschutzgebiet mit zwei NSG Teilflächen von insge- samt 11,20 ha befindet sich im Naturraum „Südlicher Unterer Vogelsberg" im Bachgebiet des Ulmbaches. Das reichgegliederte Landschaftsbild ist hier durch ein Mosaik von Grünland mit zahlreichen Bauernwäldchen und einem außerordentlich hohen Bestand an Heckenzügen geprägt. Ferner sind Quellmulden, Erlenbrüche, Streuobstbestände und eine Bachschwinde des Ulmbaches vorhanden.

Die kleinere der beiden NSG Teilflächen im Mittelteil der Bachaue enthält in drei bachnahen Parzellen eine Feuchtwiese mit Fieberklee sowie Breitblättrigem, Stattlichem und Kleinem 87 Knabenkraut. Sie ist durch Intensivierung akut gefährdet gewesen. Die andere Teilfläche am rechten Talhang enthält eine größtenteils flachgründige Grenzertragsfläche im Besitz der Stadt Steinau, genannt „Gemeindestück". Sie zeigt im oberen Hangbereich deutliche Halb- trockenrasenmerkmale und floristische Weiser einer Extensivweide wie Feldmannstreu. Besondere Erwähnung verdienen mindestens 150jährige Hute-Linden.

NSG „Jossaaue bei Breitenbach" (Kreis Hersfeld-Rotenburg) VO vom 11. Mai 1989 (StAnz. S.1245); in Kraft getreten: 6. Juni 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Einzeljagd auf Haarwild, - die Ausübung der Fischerei am Ostufer des Mühlgrabens, verboten: - Stallmist zu lagern und Freigärhaufen anzulegen.

Das 4,61 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Fulda-Haune-Tafelland, Ottrauer Bergland" im Randbereich des weiten Bachtales der Jossa. Das Gebiet ist geprägt durch den hochangestauten Mühlgraben, welcher dessen östliche Grenze bildet, und (im negativen Sinne) durch den sehr hoch aufgeschütteten Bahndamm, welcher das Gebiet in eine größere nördliche und eine kleinere südliche Teilfläche zerschneidet, allerdings mittels zweier hoher Durchlässe einen ausreichenden ökologischen und hydrologischen Zusammenhang der beiden Gebietsteile aufrecht erhält. Das Gebiet wird ausschließlich durch Buntsandstein bestimmt. An Verwerfungen tritt Grundwasser aus, das im Nordteil basen- und stickstoff- reicher und im Südteil davon stickstoffärmer ist. Das Wasser wird (vermutlich durch Drainagen und) von mehreren Gräben dem Mühlgraben zugeführt. Der Hauptflutgraben wird jedoch verrohrt unter dem Mühlgraben hindurchgeführt und in die dort etwa drei Metertiefer liegende Jossa eingeleitet. Der Mühlgraben macht einen weitgehend natürlichen, bachartigen Ein- druck und besitzt an seinem linken, dem Gebiet zugekehrten Ufer einen gutentwickelten,wenn auch lückigen Erlensaum.

Etwa ein Hektar in der Nordoststecke des nördlichen Gebietsteils ist mit Pappeln bepflanzt. Weitere Störungen stellen in diesem Teil ein Wildacker an der westlichen Grenze und am Nordrand eine hohe Erdanschüttung von einer angrenzenden Fläche dar. Das gesamte Grün- land im Nordteil ist brachgefallen. Großseggen, örtlich auch Mädesüß, bilden einzelne Bestände. Ähnlich verhält es sich mit der nördlichen Häfte des Südteils; die südliche ist hingegen bewirtschaftet und soll in dieser Form erhalten werden.

Von 141 ermittelten Gefäßpflanzen stehen acht Arten auf der Roten Liste. Dabei handelt es sich ausschließlich um amphibische Arten, die besonders auf den südlichen Gebietsteil mit dem nährstoffärmeren Wasser konzentriert sind. Besonders das Breitblättrige Knabenkraut mit über 100 Exemplaren ist hervorzuheben. Brutvögel bzw. Nahrungsgäste sind im Gebiet u. a. Bekassine, Graureiher, Eisvogel, Gebirgsstelze und Wasseramsel. Auch der Laubfrosch kommt vor.

Durch Anstau der Abzugsgräben soll das Gebiet stärker durchnäßt werden. Im Nordteil wird als Schutzziel ein Eichen-Hainbuchen-Auewald bzw. Erlen-Sumpfwald vorgeschlagen.

Zur Ausweisung dieses Naturschutzgebietes hat die Herzberg-Gemeinde eine sehr positive Stellung eingenommen, die privaten Eigentümer sind zum Verkauf ihrer Grundstücke bereit. 88 NSG „Wasserschöpp bei Unter-Hambach" (Kreis Bergstraße) VO vom 8. Juni 1989 (StAnz. S. 1454); in Kraft getreten: 4. Juli 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd, - Tiere weiden zu lassen.

Das nur 3,17 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „NördlicherTeil der mittleren Berg- straße" an einem Mittelhang mit west- und südlicher Exposition einer Randhöhe des Oden- waldes. Das Gebiet besteht größtenteils aus einer ziemlich stark geneigten Grünfläche (ca. 30 m Höhendifferenz) und aus dem oberhalb anschließenden Waldrand. Unterhalb grenzen ebene Wiesenflächen und ein Pappelwäldchen an. Durch die Lage am halben Hang, die für die Sonneneinstrahlung günstige Exposition und den vom Wald gegen Nord-und Ostwind ausge- henden Schutz liegt eine ausgezeichnete geländeklimatische Situation vor. Der Wiesenhang ist teilweise terrassiert worden u. a. zur Herstellung eines hangparallelen Fahrweges. Dabei wurde eine Verschiebung der Lößlehmauflage verursacht und teilweise der Verwitterungs- boden aus kristallinem Urgestein freigelegt, was die Vielfalt der Vegetationstypen vermehrt haben dürfte. Auf den so geschaffenen Böschungen hat sich Gebüsch angesiedelt Im übrigen stehen noch einige alte Obstbäume, wahrscheinlich Reste einer früheren geschlossenen Bepflanzung. Es wachsen hier thermophile Halbtrockenrasengesellschaften und Saumgesellschaften von folgenden Typen: Arrhenatheretum salvietosum et brometosum, Geranio-Trifolietum alpestris, Geranion sanguinei, Melico-Fagetum convallarietosum. Es gibt folgende seltene und bemer- kenswerte, z.T. in der Roten Liste aufgeführte Pflanzenarten: Ästige Graslilie, Berg-Aster, Großes Windröschen, HeIm-Knabenkraut, Kanten-Lauch, Sand-Veilchen, Wald-Klee, Büschel-Nelke (Dianthus armeria), Blut-Storchschnabel, Süße Wolfsmilch, Hasenlattich (Prenanthes purpurea), Berg-Ehrenpreis, Große Brunelle, Heil-Ziest, Rauhe Gänsekresse und Berg-Johanniskraut, eine wahrlich überzeugende Liste.

NSG „Am Bubenrain bei Waldensberg" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 7. Juli 1989 (StAnz. S. 1727); in Kraft getreten: 15. August 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die landwirtschaftliche Bodennutzung in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang in der Schutzzone II, jedoch ohne Umbruch des Grünlandes, - die Ausübung der Einzeljagd auf Haarwild, nicht jedoch die Fallenjagd. Das 14,88 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „BüdingerWald". Es handelt sich um ein kleines Feuchtgebiet an der Grenze der ausgedehnten Waldenser Feldflur zum Nordrand des Büdinger Waldes, das zum Quellgebiet der Gründau gehört. Der etwa von NO nach SW in der Längsachse des Gebietes verlaufende Graben dürfte zur Entwässerung künstlich ange- legt worden sein. Südlich an diesen Graben grenzt ein Streifen Erlenbruchwald, an dem auch Arnika und Heidenelke wächst. Weiter südlich anschließend folgt als größter und wichtigster Gebietsteil von hohem landschaftlichem Reiz eine Naßwiese mit einem teilweise sehr dichten, stellenweise aber auch weitständigen Weidenbruch. Hier steht das Wasser fast überall bis zur Oberfläche an, obwohl ein Abzweig des Entwässerungsgrabens in diesem Gebietsteil vorhanden ist.Arznei-Engelwurz (Angelica archangelica) und Sumpf-Helmkraut kommen hier vor. Es kann sich bei der Fläche um eine weitgehend ursprüngliche Ausbildung derVegetation 89 handeln, doch könnte der jetzige Zustand teilweise auch als Sukzessionsstad iunn nach vor- übergehender Nutzung aufgefaßt werden. Solche Brachen liegen jedenfalls östlich und west- lich anschließend auf den trockeneren Wiesenteilen vor. In der nördlichen Hälfte des Westteils dominieren teils durch Pflanzung eingebrachte, teils durch natürliche Sukzession aufgekommene Gehölzbestände.

Nördlich an den Hauptgraben grenzen Feuchtwiesen mit Wassergreiskraut und Teufelskralle, die teilweise als Standweide benutzt werden. Diese Wiesen bilden die Schutzzone II der NSG- Verordnung, in der Düngung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gestattet sind. Anläßlich mehrjähriger ornithologischer Beobachtungen sind als Rote-Liste-Arten Bekassine mit zwei Brutpaaren, Neuntöter als Brutvogel, Turteltaube, Rebhuhn sowie weitere 31 Vogel- arten nachgewiesen worden. Ferner hat man 28 Arten von Tagschmetterlingen und Widderchen festgestellt, darunter Großer Schillerfalter, Großer und Kleiner Eisvogel, Violetter Perlmutterfalter, Märzveilchenfalter und verschiedene Dickkopffalter.

NSG und LSG „Weseraltarm von Gieselwerder" (Kreis Kassel) VO vom 14. August 1989 (StAnz. 5.1860); in Kraft getreten: 5. September 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Handlungen der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung im Rahmen der Unter- haltung des Weserufers, verboten: - das Naturschutzgebiet zu betreten. Das Natur- und Landschaftsschutzgebiet mit einem NSG-Anteil von 6,4 ha liegt im Naturraum „Weser-Leine-Bergland, Weserdurchbruchtal". Es umfaßt einen ausgezeichnet erhaltenen Altarm derWeser, der einzige derWeser in Hessen, und die durch ihn gebildete ca.700 m lange Halbinsel. Der Altarm, durch Röhrichte, Hochstauden und vereinzelte Weidengehölze weitge- hend abgeschirmt, ist in einer Breite von ca.10 m am unteren Ende mit der Weser verbunden; flußaufwärts verflacht sich das Gewässerbett, das obere Ende ist eingeebnet. Der Altarm ist bereits 1966 zum Fischschonbezirk erklärt worden. Er stellt ein ganz bedeu- tendes Rückzugsgebiet für Fischarten dar, die in der Weser bedroht sind, da seine Wasserqua- lität wegen drei ihm zufließender Kleingewässer erheblich besser ist als die der Weser. 18 Entenarten kommen vor, Eisvogel und Graureiher sind Nahrungsgäste. Über die Länge der Halbinsel führt ein Wirtschaftsweg. Betreten ist auch hier, wie im ganzen Gebiet, untersagt. Ein ehemals bei der Mündung vorhandener Steg über den Altarm wurde schon früher entfernt. Die Wiesen auf der Halbinsel nördlich des Weges sollen extensiv bewirt- schaftet werden. Eine Grunddienstbarkeit, nach der die Wasserfläche des Altarms zur Unterbringung von Baggergut aus der Werra genutzt werden durfte, wurde im Zuge der NSG-Ausweisung auf- gehoben.

Nach Süden und Südosten schließt sich im landwirtschaftlichen Gelände das gleichzeitig ausgewiesene 14,87 ha große Landschaftsschutzgebiet an. Namentlich die angestrebte Ausdehnung des unmittelbar westlich anschließenden Campingplatzes in den Nahbereich des Altarms konnte hierdurch abgewehrt werden. 90 NSG „Basaltmagerrasen bei Gundhelm" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 9. August 1989 (StAnz. 5.1955); in Kraft getreten: 19. September 1989

Das nur 2,87 ha große Gebiet liegt im Naturraum „Landrücken" der Haupteinheit „Vorder- und Kuppenrhön". Wo die Straße von Gundhelm nach Oberzell einen großen Bogen nach Süden beschreibt und dabei dem Gremmelbach nahe kommt, liegt nördlich die kleine Kuppe (die „Kaupe"), die sich mit 520 m NN nur etwa 20 m über ihre Umgebung erhebt. Auf dem ca. 500 m sich längs der Straße erstreckenden, größtenteils mit etwa 5° nach Süden geneigten Rücken besteht eine schöne Heidefläche mit großen Steinen und Steinhaufen aus Olivinbasalt. Durch die Charakterarten Silberdistel, Frühlings-Segge und Pyramiden-Kammschmiele ist der Rasen als Subassoziation „agrostietosum" der Enzian-Schillergrasrasen (Gentiano- Koelerietum) auf kalkfreiem, aber basenreichem Untergrund gekennzeichnet. Im Bereich des kleinen Plateaus bestehen echte Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum). Der gute Erhaltungs- zustand der Rasen ist einer bis jetzt geübten Beweidung zuzuschreiben, diese wird fortgeführt und Buschwerk auf eine windschützende Gebüschzeile am Nordrand der Fläche zurück- gedrängt. Bergwohlverleih, Silberdistel, Stattliches und Kleines Knabenkraut, Weiße Wald- hyazinthe, Schopfiges Kreuzblümchen, Filzrose (Rosa tomentosa), Begrannter Klappertopf (Rhinanthus aristatus) kommen als Rote-Liste-Arten vor. Letzterer hat in der Rhön seine Nord- grenze. Besonders im Hochsommer bietet der Blütenteppich für viele Insekten ein reiches Nahrungsangebot. Es wurden nicht weniger als 291 Arten von Geradflüglern,Wanzen,Zikaden und Käfern, und diese teilweise sehr individuenreich, nachgewiesen. Unter diesen vielen befanden sich nur drei als bemerkenswert eingestufte Arten. Sehr häufig sind im Gebiet die Zaun- und die Waldeidechse.

NSG „Steinaubachtal bei Steinau an der Straße" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 28. August 1989 (StAnz. S. 2031); in Kraft getreten: 3. Oktober 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung der vorhandenen Drai- nagen. - die Ausübung der Jagd vom 15. Juli bis Ende Februar, - die Ausübung der Angelfischerei vom 15. Juli bis Ende Januar, - die Düngung mit stickstofffreien Düngemitteln, verboten: - Pferde weiden zu lassen. Das 73,20 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Sandsteinspessart, Schlüchterner Becken". In einer Länge von etwa 3 km und größtenteils nur etwa 200 m breit erstreckt es sich mit geringem Gefälle zwischen etwa 250 und 215 m NN östlich der Straße nach Kressenbach. Nur im nördlichen Gebietsteil verbreitert sich das Gebiet durch Einbeziehung der Forstorte Buchgraben-Knittelsrain. Längs des Baches stockt Bach-Eschen-Erlenwald. Der Bach nimmt im Gebiet mehrere Nebenbäche auf, darunter auch das Gewässer aus der benachbarten Teufelshöhle. Er unter- schneidet an mehreren Stellen den Hang, so daß Klippen entstehen. Der schmale Grünland- streifen längs des Baches wird als Mähwiese und Weide genutzt. Er ist bis auf zwei Fichten- querriegel bisher weitgehend ungestört, z. B. auch ohne befestigten und befahrbaren Weg.

Die Randhänge des Tales tragen bis in das Naturschutzgebiet hinein naturnahe Laubwaldge- sellschaften vor allem mit Buchen. Die Bodenflora der Wälder zeigt am westlichen Talhang 91 bevorzugt frische Böden an, am östlichen Talhang befinden sich alle Übergänge von feuchten Standorten bis zu Kalkbuchenwäldern trockener Hanglagen.

Gelber Eisenhut, Akelei, Rotes Waldvögelein, Kleinblättrige Stendelwurz, Türkenbund, Statt- liches und Purpur-Knabenkraut, Weiße und Grüne Waldhyazinthe, Lungenkraut, Wintergrün, Schuppenwurz und Märzbecher kommen von den bestandsbedrohten Pflanzenarten vor.Alle bis auf die zwei zuletzt angeführten Arten sind in relativ reichen Beständen anzutreffen.

NSG „Stollwiese bei Erzbach" (Odenwaldkreis) VO vom 28. September 1989 (StAnz. S. 2111), in Kraft getreten: 17. Oktober 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - in Schutzzone I die Düngung mit Ausnahme von Stickstoff, Gülle, Jauche und Klärschlamm, - in Schutzzone II die Düngung mit Ausnahme von Gülle,Jauche und Klärschlamm, - Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung eines naturnahen Bach-Erlen- Eschenwaldes, - die Ausübung der Jagd auf Haarwild ab 15. Juli bis Ende Februar, - die Ausübung der Fischerei ab 15. Juli bis Ende Februar, verboten: - eine Pferdekoppelhaltung und Schafpferchhaltung vorzunehmen. Das 6,5 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Vorderer Odenwald", Untereinheit „Trommodenwald," und zwar an dessen äußerstem Ostrand. Zu erhalten ist hier ein kleiner nord-südlich verlaufender Quellbach der Gersprenz mit angrenzenden Hangstandorten. Östlich des Baches beansprucht das Naturschutzgebiet nur schmale Bereiche, dagegen erweitert sich das Gebiet links des Baches im südlichen Quellbereich, am nördlichen Ende und besonders durch Einbeziehung einer großen Mähweide im mittleren Gebietsteil. An der Westseite des Gebietes schließt sich eine Waldfläche an, am Rande im Osten liegen Äcker und Wiesen. Die Südgrenze wird bei etwa 340 m NN durch einen Forstweg gebildet. An der Nord- grenze verläuft bei etwa 310 m NN eine Nebenstraße. Während sich im Nordteil einige Mähwiesen befinden, sind die übrigen bewirtschafteten Flächen ausschließlich Mähweiden und reine Koppelweiden.Viele davon zählen zu den vege- tationskund lichen Kostbarkeiten des Gebietes. Im späten Frühjahr zeigen sie farbenprächtige Blühaspekte. Es wird angenommen, daß es sich um heute intensiv genutzte ehemalige Rispen- gras-Goldhaferwiesen handelt, die bei extensiver Nutzung sich wieder zu solchen rückentwik- keln können. Andererseits ist bei Fortführung der bestehenden intensiven Nutzung mit einer weiteren ökologischen Entwertung zu rechnen. In Naßwiesen kommt zerstreut dieTraubentrespe (Bromus racemosus) vor; sie zeigt an, daß die Bestände vermutlich aus Wassergreiskrautwiesen hervorgegangen sind. Im äußersten Norden des Gebietes wächst kleinflächig eine Kleinseggenwiese (Caricetum fuscae) mit Igel-Segge, Fieberklee, Schmalblättrigem Wollgras und Schnabelsegge. Diese in Hessen hochgradig gefährdete Gesellschaft dürfte im Bereich der Stollwiese ehemals viel weiter verbreitet gewesen sein. Die flächenmäßig bedeutendste Naßbrache stellt die große Schilffläche im Norden dar. Hier wächst in Randbereichen der Sumpffarn (Thelypteris palustris) und das Breit- blättrige Knabenkraut. Von diesem sind es mit Sicherheit nur kümmerliche Restbestände, da sie als Folge der Bracheentwicklung dezimiert worden sind. In beweideten Naßstandorten kommt die Einspelzige Sumpfbinse (Eleocharis uniglumis) vor. Als weitere seltene Arten sind 92 im Gebiet noch Igel-, Grün-, Blaugrüne und Zittergras-Segge (Carex echinata, demissa, flacca und brizoides), Teufelsabbiß, Gewöhnliche Kreuzblume, Dreizahn (Danthonia decumbens) und Kleiner Klappertopf zu nennen. Dank der Strukturvielfalt kommen als Brutvögel Neuntöter, Teichrohrsänger (im Schilfgebiet) und Grauspecht (in den Streuobstbeständen) vor. Schutzzone II der Verord nung umfaßt im wesentlichen die Mähweide in der Mitte des Gebietes auf der linken Bachseite. Es ist bedauerlich, daß entgegen der eindeutigen Aussage des Gutachters ausschließlich auf der Schilffläche die Düngung verboten worden und in Schutz- zone II, einer der wichtigsten Flächen des Gebietes, außer mit Gülle,Jauche und Klärschlamm, die Düngung uneingeschränkt erlaubt geblieben ist.

NSG „Großer Goldgrund von Hessenaue" (Kreis Groß-Gerau) VO vom 28. September 1989 (StAnz. S. 2111); in Kraft getreten: 17. Oktober 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die ackerbauliche Nutzung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art auf 6 Flurstücken in der Mittelgewann, - Maßnahmen zur Unterhaltung der Rhein-Sommerdeiche sowie eines 5 m breiten Streifens entlang am wasserseitigen Deichfuß des Rhein-Winterdeiches, - Unterhaltungsarbeiten an Gewässern ohne Sohlenvertiefung in der Zeit vom 1. September bis 1. März, wobei nur abschnittsweise und wechselseitig geräumt werden darf, - die Ausübung der Jagd, jedoch nicht auf Federwild mit Ausnahme des Fasans, - die Angelfischerei am Neurhein, - die Angelfischerei am „Großen Goldgrund" in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Januar beidseitig am Altrheinende an der südlichen Zuwegung abwärts auf einer Länge von 450 m und von der Altrheinmündung aufwärts auf einer Länge von 400 m, - die Berufsfischerei in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Januar, verboten: - mit Wasserfahrzeugen aller Art einschließlich Surfbrettern und Luftmatratzen die Gewässer, soweit sie nicht zur Bundeswasserstraße Rhein zählen, oder über- flutete Flächen zu befahren, - Wiesen vor dem ersten Grasschnitt zu düngen und nach dem ersten Grasschnitt mit stickstoffhaltigen Düngemitteln, Gülle, Jauche oder Klärschlamm zu düngen.

Das 130,48 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Mannheim-Oppenheimer Rhein- niederung". Es erstreckt sich zwischen Rheinstrom und Winterdeich in seiner größten Breite von etwa 1,2 km sowie zwischen dem Yachthafen im Norden und den Kiesteichen im Süden in einer Länge von ca. 2,3 km. In der Fließrichtung des Rheins verlaufen im Gebiet drei bis vier Altarmsysteme in verschiedenen Verlandungsstufen: 1. der breite und lange „Goldgrundarm" mit Öffnung zum Neurhein und einem flachen Nebenast auf der von ihm gebildeten Halbinsel, 2. das „Altwasser" am Nordostrand des Gebietes und 3. ein isoliertes „Altwasser in den Hubteilen". Der im ganzen S-förmige „Goldgrundarm" hat steile, fast senkrechte, vegetationslose Ufer. Am Südende befinden sich Kopfweiden, im übrigen werden die Ufer durch Hybridpappeln geprägt. Bis auf die letzten 300 m vor der Mündung ist der „Goldgrundarm" als Laichschon- bezirk ausgewiesen; etwa 900 m im Mittelstück dürfen nicht beangelt werden. 93 Das „Altwasser" ist bis auf den Mittelteil stark verlandet. Die dortige offene Wasserfläche, ein 20 bis 25 m breites Band, ist eher für Amphibien als für Wasservögel geeignet. Unter ver- schiedenen Vegetationstypen gibt es einen großen Ufer-Seggen-Bestand. Der namensgebende Gebietsteil „Das Große Goldgrund", Halbinsel zwischen Rheinufer und dem „Goldgrundarm" ist eine riesige geländemorphologisch stark bewegte Wiese, die intensiv genutzt wird. Sie wird in einem flachen Nebenarm des „Goldgrundarms" von einem band- artigen Pappelforst durchzogen. Am Rheinufer befindet sich im Mittelwasserbereich eine Weichholzaue mit Silberweiden, in der Kernzone mit gepflegten Kopfweiden. Die „Hubteile" im Nordosten zwischen „Altwasser" und Sommerdamm sind der struktur- reichste Gebietsteil. Es wechseln Hecken und Waldstreifen mit Kopfweidenbeständen und Grünland. Dazwischen befinden sich große Röhrichte, Wasserflächen und Streuobstwiesen. Die „Mittelgewann", das südöstliche Anhängsel des Gebietes, ist die völlig verlandete Fort- setzung des „Altwassers". Sie ist im mittleren Streifen ackerbaulich genutzt; im Randbereich befindet sich extensives Grünland. Eine weitere vorspringende Fläche ragt am Südende in den Gemarkungsteil „Der Kuhstall" hinein. In der „Rohrlache" lehnt sich das Gebiet an den Winterdeich beim Ortsteil Hessenaue an. Hier zweigt der „Kleine Rhein" ab. Die Fläche diente früher als Schutt-Deponie. Im Zentrum befindet sich eine große Röhricht-Fläche, auf drei Seiten ringsum ein Pappel-Weiden-Forst. Das Gebiet ist botanisch nicht sehr bedeutend, wenn auch 12 Arten der Roten Liste vorhanden sind, darunter die vom Aussterben bedrohte Bastard-Schwertlilie (Iris spuria), Kantenlauch, Färberscharte, Langblättriger Ehrenpreis und Hohes Veilchen (Viola elatior). Doch sind 81 Vogelarten, darunter 58 als Brutvögel - dabei 8 Arten der Roten Liste - nachgewiesen, dar- über hinaus möglicherweise auch Rohrweihe und Blaukehlchen.

NSG „Alter Hagen bei Willingen" (Kreis Waldeck-Frankenberg) VO vom 3. Oktober 1989 (StAnz. S. 2173); in Kraft getreten: 14. Oktober 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd auf Haarwild und Ringeltauben, - die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Erholungseinrichtungen, - Skilanglauf auf den festgelegten Loipen. Das 143,55 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Hochsauerland, Langenberg". Es überdeckt die Quellbereiche und oberen Seitentäler der Itter auf einer Bachlänge von ca. 5 km von der Hauptquelle an. Das Gebiet reicht von der Rhein-Weser-Wasserscheide am Hoppekopf bis zur Sprungschanze am Mühlenkopf oberhalb des Ortes Stryck. Entsprechend dem Bachsystem ist das Gebiet in drei Hauptäste verzweigt, der mittlere Quellbach ist der bedeutendste, der nördliche wird auch „Die Hermeke" genannt. Das Naturschutzgebiet verbindet im Sinne der Konzeption des Großflächennaturschutzes und der Bitotopvernetzung die bestehenden Naturschutzgebiete „Die Grebensteine" und „Jägers Weinberg" sowie das Naturschutzgebiet „Neuer Hagen" in Nordrhein-Westfalen zu einem relativ großen, zusam- menhängenden geschützten Landschaftsausschnitt. Die Meereshöhe zwischen 600 und 800 m NN, die sehr hohen Jahresniederschläge von 1200 bis 1300 mm und die niedrige Jahresmitteltemperatur von 6 °C bis 7°C bedingen das Vorkommen borealer und subborealer Florenelemente. Das Zurücktreten anthropogener Einflüsse (bis auf den untersten Talbereich) 94 gestatten den Bestand unbelasteter oligotropher Moore, Sumpfwiesen und Gewässer. Das Gebiet ist ausschließlich von Wald umgeben und weitgehend von Wald bedeckt. Die heutigen Wiesenbereiche im Gebiet dürften noch auf den Betrieb zweier Eisenhütten in Stryck und am Alten Hagen bis Anfang des 18. Jahrhunderts zurückgehen.

Im oberen Teil des Alten Hagen finden sich Birkenmoorwälder in montaner Ausbildungsform, die sich durch das Fehlen von Moosbeere und Scheidigem Wollgras vom Birkenbruchwald unterscheiden. An einigen Stellen, besonders im Quellbereich des nördlichen Quellbaches, ist der Übergang des Moorbirkenwaldes zu einem bodensauren montanen Erlenbruchwald zu erkennen. Entlang der Bachläufe finden sich Kleinseggensümpfe mit Braunsegge, die verschiedenen Gesellschaften des Caricion canescentis-fuscae angehören sowie orchideen- reiche Naß- und Streuwiesen, die mit Hochstaudenfluren verzahnt sind. Von besonderer Bedeutung sind artenreiche submontane Wiesen an drei Stellen im oberen Teil des mittleren Quellbaches. Sie dürften dem Verband Polygono-Trisetion, Unterverband Lathyro liniifolii- Trisetion angehören. Als Arten der Roten Liste sind in den Moor- und Bruchwäldern Spros- sender Bärlapp (Lycopodium annotinum) und Rippenfarn, in den Kleinseggensümpfen bzw. Sumpfwiesen Fuchs-Knabenkraut (wesentlich häufiger) und Breitblättriges Knabenkraut (selten), in den submontanen Wiesen Arnika und Preiselbeere, in Staudensäumen Blauer Eisenhut und an feuchten Wiesenstellen Sumpf-Dreizack (Triglochin palustre) besonders hervorzuheben. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen des Gebietes ist gegenwärtig auf dessen Verarmung zu schließen, welche durch Fichtenanpflanzungen verursacht sein dürfte.

Die Tierwelt ist bisher nur flüchtig untersucht, doch sind bereits 60 Arten von Wasserinsekten und anderen Wirbellosen, davon 10 Rote-Liste Arten, gefunden worden. Die Vogelwelt wurde noch nicht untersucht, doch sind Rauhfußkauz und Waldschnepfe als Brutvögel bekannt. Als forstwirtschaftliche Maßnahme wird u. a. die Entfernung aller Fichten auf einem Streifen von mindestens 10 m Breite beiderseits der Bäche, aus ihren Quellbereichen und aus den sumpfigen Hangbereichen innerhalb der nächsten drei Jahre und die Entfernung aller Fichten aus den mittelbaren Talauenbereichen innerhalb der nächsten zehn Jahre empfohlen. Die Birken-Moorwälder sollen sich auf weitere geeignete Standorte ausdehnen können.

NSG „Fohlenweide von Dieburg" (Kreis Darmstadt-Dieburg) VO vom 23. Oktober 1989 (StAnz. S. 2304); in Kraft getreten: 7. November 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - Unterhaltungsarbeiten an Gewässern ohne Sohlenvertiefung in der Zeit vom 1. September bis 31. Januar, - die Ausübung der Jagd in der Zeit vom 15. Juli bis Ende Februar, jedoch ohne Fallenjagd. Das 23,52 ha große Naturschutzgebiet liegt an der Grenze der Naturräume „Messeler Hügel- land" und „Untermainebene, Gersprenz-Niederung". Die nassen Riedwiesen haben sich an einer Stelle ausgebildet, an der drei Bäche mit größerem Einzugsgebiet vom Westen und Südwesten einer ebenen Randbucht der Gersprenz-Niederung zufließen. Die ca.700 m lange und bis zu 400 m breite Lichtung unterbricht hier die sonst regelmäßig angelegten Distrikte des Dieburger Stadtwaldes. Die nördliche und südöstliche NSG-Grenze fällt mit der Wald- Grünland-Grenze zusammen, im Nordosten und Südwesten sind die Waldteile bis an die 95 Schneisen einbezogen. Die drei hinzuführenden Bäche bilden im Gebiet ein fächerförmiges Grabensystem. Entlang der Gräben stehen truppweise Weiden. Im westlichen Teil befinden sich ausgedehnte Großseggen- und Röhrichtbestände, im Osten hauptsächlich Hochstau- denfluren. Schutzgrund ist der Erhalt der Feuchtwiesen selbst und der hier vorhandenen Vogel- und Amphibien-Arten.

Anschrift des Verfassers: Dr. ALBRECHT ENSGRABER, Schwalbacher Straße 17, 6228 Eltville am Rhein

Neue Literatur

AMMER, U.& U. PRÖBSTEL (1991): Freizeit und Natur.- 228 5.,183 Abb., 47 Tab., Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin

Die moderne Industriegesellschaft ermöglicht im wesentlichen durch den Einsatz technischer Geräte bedingt, u. a. eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitsstunden. Hieraus resultiert eine verlängerte Freizeit. Letzteres hat dazu geführt, daß sich eine vielfältige Palette an Freizeit- angeboten entwickelt hat. Nicht nur, daß die herkömmlichen Aktivitäten verbessert und attrak- tivergemacht wurden, es wurden und werden immer neue Möglichkeiten der Freizeitbeschäfti- gung entwickelt und durch ganze Wirtschaftszweige „vermanagrViele dieser Freizeitbeschäf- tigungen finden in der freien Natur, d. h. in Wald und Flur, in Gebirgs- und Küstenregionen statt. Die Technik macht auch heute vieles möglich, was vor ein paar Jahrzehnten noch als Utopie angesehen wurde. Hinzu kommt, daß gewisse sportliche Aktivitäten einen sogenannten „gehobenen" Lebenstil präsentieren.

Das jetzt im Parey-Verlag vorgestellte Buch befaßt sich, wie es der Untertitel nennt, mit „Problemen und Lösungsmöglichkeiten einer ökologisch verträglichen Freizeitnutzung". Diese werden in 6 Abschnitte (Einflußgrößen auf die Gestaltung der Freizeit, Freizeit und Landschaft, Freizeitaktivitäten im Wald und der offenen Landschaft, Belastungen durch den Erholungsver- kehr, Erholungsplanung, Beispiele zur Erholungsplanung) vorgestellt. Wer sich insbesondere mit dem Kapitel „Freizeitaktivitäten im Wald und in der offenen Landschaft" beschäftigt, wird schnell feststellen, daß einige wichtige die jeweilige Biozönose stark beeinflussende Aktivi- täten noch nicht einmal erwähnt wurden. Genannt sei hier stellvertretend der Flugsport, wie etwa die Modellfliegerei in Talauenbereichen, das Drachenfliegen, die Problematik des Ultra- leichtflugzeugsports u. ä. Die beiden Autoren, offenbar überwiegend mit der süddeutschen Situation vertraut, bringen daher auch jeweils Beispiele von Schäden, wie planerische Hinweise, Empfehlungen und Konzepte, die vornehmlich für diese Region zugeschnitten sind. Die von den als Landschaftsarchitekten tätigen Autoren gemachten Vorschläge einer „ökolo- gisch verträglichen Freizeitnutzung" sind durchaus akzeptabel und für diejenigen, die sich mit der hier vorgestellten Materie befassen von sicherlich hohem Wert.Vorhandene Lücken sollten geschlossen werden. Hierdurch würde der Gehalt des Buches noch verbessert werden. W. KEIL 96 Kleine Mitteilungen

Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991 zusammengestellt von KLAUS FIEDLER, Offenbach am Main

Von folgenden Damen und Herren wurden der Schriftleitung bemerkenswerte Brutzeit- beobachtungen 1991 gemeldet:

ANHUT, Dr. K.-H. Fritz-Rechberg-Straße 114,_5430 Bad Hersfeld LT , 1 ARNDT, H. Parkstraße 39, 6082 Mörfelden-Walldorf BENDER, H. Lärchenweg 10, 6270 Idstein BRAUNEIS, W. Brückenstraße 21-23, 3440 Eschwege ERLEMANN, P. Gräfenwaldstraße 30, 6053 Obertshausen FEHSE, C. Rosenpark 12, 6234 Hattersheim FIEDLER, K. Kantstraße 7, 6050 Offenbach am Main FLEHMIG, B. Mühlstraße 12, 6200 Wiesbaden-Erbenheim FREY, K. Hofwiesenweg 15, 6320 Alsfeld FRITZ, L. Heinrich-Becker-Straße 7, 6000 Frankfurt am Main 50 GREGOR, TH. Siebertshof 22, 6407 Schlitz HEIDER, E. Petersberger Straße 82, 6400 Fulda HEIL, M. Goldhecke 5, 6403 Flieden HEIMER, Dr.W. Dieburger Straße 1, 6114 Groß-Umstadt JOST, Dr. 0. Ederstraße 6, 6400 Fulda KEMPF, B. Am Trieb 28, 6463 Freigericht KOPP, F. Giselherstraße 13 6140 Bensheim 2 KRAFT, Dr. M. Dörfflerstraße 5a, 3550 Marburg KREUZIGER, J. Schulstraße 13, 6140 Bensheim 2 LANDAU, G. Jugendheimstraße 14, 3500 Kassel-Oberzwehren LOB, G. Am Laubersberg 24, 6450 Hanau 7 LUCAN, V. Ahornstraße 36, 3549 Wolfhagen MENIUS, H.-J. Bergstraße 12 G, 6239 Eppstein-Vockenhausen MEINEN, H.-J. Eisenacher Straße 186, 6444 Wildeck-Obersuhl MOHR, R. Kastanienweg 14, 6370 Oberursel SCHAUB, H. Prof.-Carl-Bantzer-Straße 5, 3579 Willingshausen 2 SCHINDLER,W. Mainbachstraße 9, 6336 Solms SCHROTH, M. Dietesheimer Straße 22, 6000 Frankfurt am Main 61 SEUM, U. Eichenstraße 1, 6363 Echzell 2 SIEGEL, H. Rehbachstraße 42, 6708 Neuhofen VEIT, W. Pfaffenrain 2, 6336 Solms-Burgsolms WAGNER, G. In den Erlengärten 10, 3571 Wohratal-Langendorf

Haubentaucher - Podiceps cristatus Stadt und Kreis Kassel: Im NSG Hengstwiese, Naumburg, konnte 1991 erstmals eine Brut nachgewiesen werden: 2 Junge wurden groß (seit 1983 angestaut). LUCAN

Kreis Mar bu rg -Bieden kopf : Der erst wenige Jahre bestehende Brutbestand hat sich weiter stabilsiert: 4 Bp (5 Bruten) mit 13 Jungen in den Baggerteichen Kirchhain wurden fest- gestellt; ein Brutversuch am Baggerteich Großfelden. Das Gelege wurde durch Badende zerstört. WAGNER 97 La hn-Dill-Kreis : Im NSG Aartalsperre hat sich eine bemerkenswerte Brutpopulation entwickelt: 1990 9 Bp. mit 18-22 flüggen Jungen und 1991 9-10 Bp. mit 13 flüggen Jungen. SCHINDLER Wetterau kreis : 12 Bp. wurden gemeldet; 11 Bp. hatten 18 Jungen. Die Hälfte des Brut- bestandes (6 Bp. mit 8 Jungen) wurde am Wölfersheimer See beobachtet (SEUM). Im Vorjahr konnten nur 9 Bp. festgestellt werden. SEUM Main -Taunus -Kreis : 7- 9 Bp. wurden gemeldet: 1 Bp. Baggersee Okriftel, 1-3 Bp. im NSG „Massenheimer Kiesgruben" (vermutlich ohne Bruterfolg) und mind. 5 Bp. am Mainufer der Eddersheimer Staustufen-Insel. FEHSE Main-Kinzig- Kreis : 25 Bp. wurden gemeldet; 6 Bp. hatten nur 11 Junge. KEMPF Stadt und Kreis Offenbach: 24-26 Bp. wurden gemeldet; 17 Bp. hatten 35 Junge. ERLEMANN Kreis Bergstraße: Auch in diesem Jahr war der Bruterfolg aufgrund des niedrigen Wasserstandes im NSG Lampertheimer Altrhein sehr gering. Nur wenige Brutpaare hatten insgesamt 15 Junge. SIEGEL

Schwarzhalstaucher - Podiceps nigricollis Vogelsberg kreis : Im NSG „Obermooser Teich" konnten 6 Bp. beobachtet werden, die insgesamt etwa 10 Junge hatten. Im Vorjahr (8-10 Paare) konnte kein Bruterfolg festgestellt werden. HEIDER

Zwergtaucher - Podiceps ruficollis Stadt und Kreis Kassel: Je ein Bp. im NSG Hengstwiese (2 Junge) (DUX, LUCAN), Naumburg, Teich in Eschberg (LUCAN, REINHARD) und 2 Bp. im NSG Bodenhäuser Teiche (LUCAN). LUCAN Kreis Marbu rg - Biedenkopf : Lediglich an zwei Brutgewässern fanden erfolgreiche Bruten statt: 1 Bp. mit 3 Bruten (1+4+? Junge) im NSG „Krämersgrund", Burgwald (HENKEL) und 1 Bp. mit 2 Bruten (3+2 Junge) bei Hatzbach (ERLEMANN). Auf dem seit Jahrzehnten erfolgreich genutzten Brutgewässer im NSG „Merzhäuser Teiche" fand aufgrund von Störungen durch ein Schwanenpaar und Wassertrübung durch Schleien und Karpfen keine Brut statt, obwohl zu Beginn der Brutsaison bis zu 4 Ex. anwesend waren. WAGNER La hn-Dill-Kreis : 1 Bp. auf einem Teich in der Gemarkung Griedelbach (SCHINDLER, VEIT). VEIT 1 Bp. mit 2 flüggen Jungen (1990: 3 Bp.+ 6-8 flügge Junge) im NSG Aartalsperre. SCHINDLER Kreis Fulda: Auf zwei kleinen Teichen im Fuldatal brüteten je ein Paar erfolgreich (GROSS, HEIDER, JOST, KRÖNUNG, SEYDEL). JOST Wette rau kreis : Im Kreisgebiet gelang der Nachweis von 8 Bp. mit 17Jungen (-2,1 Junge/ Paar). Im Vorjahr wurden 10 Bp. ermittelt; 7 Bp. hatten 15 Junge (-2,1 Junge/Paar). SEUM Frankfurt am Main: 2 Bp. mit je 2 Jungen auf dem Ostparkweiher (FIEDLER, SCHROTH) und 1 Bp. mit 3 Jungen im Stadtwald (BÖHM). FIEDLER, SCHROTH Main-Kinzig-Kreis : Je 1 Bp. Wellbachweiher, Somborn, Entensee von Gelnhausen- Höchst (SCHROTH) und Klesberger Weiher (BASSERMANN). KEMPF 98 Stadt und Kreis Offenbach: Insgesamt konnten 6 Bp.festgestelltwerden,die13Junge großzogen. Das NSG „Nachtweide von Patershausen" erwies sich abermals als ein hervor- ragendes Brutgebiet: 3 Paare hatten 10 flügge Junge (RAABE, RICHTER, R. & W. SCHLÄFER). ERLEMANN

Kreis Darm stadt- Die b u rg : Für den Altkreis Dieburg wird die Brutpopulation mit 6-7 Bp. angegeben. Damit wird weiterhin eine fallendeTendenz registriert (1989:12 Bp.,1990: 8 - 9 Bp.). HEIMER

Kormoran - Phalacrocorax carbo

Kreis Bergstraße: Die Kolonie im NSG Lampertheimer Altrhein ist gegenüber dem Vorjahr um weitere 20-25 Bp. auf 95-100 Bp. angewachsen. Mind. 150 Junge sind ausge- flogen. SIEGEL

Graureiher - Ardea cinerea

Sc h wa I nn -Ed er-Kre is: Neuansiedlung von 2-3 Bp. (Einzelpaare) an der Fulda bei Melsungen (ANGERSBACH, RANK). SCHAUB

We rra -Meißner-Kreis : Die Kolonie bei Witzenhausen hat sich vergrößert.1991 hatten 20-23 Bp. 50-60 Junge großgezogen (BRAUNEIS, LÄTSCH). BRAUNEIS

Kreis Marburg-Biedenkopf : 2 Bp.Geiersberg bei Roth (mind.5Junge) und ein Horst westlich von Fronhausen (KRAFT). Brutverdacht Waldbereich Wetzstein bei Hatzbach (ERLE- MANN), 2 mal Brutverdach bei Cölbe-Burgeln (ALTEMÜLLER, PABST) und Brutverdacht zwischen Haddamshausen und Hermershausen (KRAFT). Weitere Brutplätze (Einzelbruten) sind wahrscheinlich. WAGNER Kreis He rsfeld-Roten b urg : Am Rande des NSG Rhäden von Obersuhl konnten 4 Bp. festgestellt werden. MEINEN La hn-Dill -Kreis: Zwei neue Kleinkolonien (2 Bp. in Ehringshausen,2 - 3 Bp. in Schöffen- grund-Schwalbach) wurden bekannt. VEIT Vogelsbergkreis: In der Kolonie bei Queck 10 Bp. GREGOR Ein Bp. bei Romrod-Strebendorf. FREY Kreis Fu Ida : Die im südlichen Kreisteil bestehende Kolonie hat sich von den Störungen erholt und besteht aus 7-9 Bp. (HEIL, STRAUBE). HEIL, JOST Die zweite Kolonie bestand aus 5-6 besetzten Horsten (HEIDER, JOST). JOST

Hochtaunuskreis: Neuansiedlung: 1 Bp mit 4 Jungen nördlich Grävenwiesbach (MOHR). Auf dem Gelände des Hessenparks bereits 1989 eine Brut (PLANZ), inzwischen (1991) ist eine Kleinkolonie entstanden von vermutlich 5-6 Bp. (PLANZ). MOHR

Wette rau kreis : Auch in diesem Jahr war die Kolonie im NSG „Finkenloch von Wallern- hausen" unbesetzt (KOCH, SEUM). Die Kolonie in Ortenberg ist weiterhin angewachsen: 73 besetzte Horste wurden gezählt. In den Erlen an der Nidder konnten 1991 keine besetzten Horste festgestellt werden (SEUM u. a.). Das Paar im Park von Lindheim wurde durch das Errichten einer Pferdekoppel gestört; die Brut wurde abgebrochen (FRÜHLING). SEUM

Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden: AufderRüdesheimerAuemind.65Bp., auf der Petersaue ein Bp. und im Wasserwerksgelände in Wiesbaden-Schierstein 4 Bp. FLEHMIG 99 Main -Taunus -Kreis : Auf der Insel an der Main-Staustufe Eddersheinn/Talseite hat sich eine Kolonie von 5-8 Bp. gebildet. FEHSE Main-Kinzig-Kreis: 25-30 Bp. im Wildpark „Alte Fasanerie", Klein Auheim (LOB, SCHWAB, SCHROTH). KEMPF, SCHROTH, SCHWAB 14 Bp. am Ahler Stausee (BASSERMANN); die Kleinkolonien bei Wächtersbach und Marjoß wurden nicht kontrolliert (PETER). KEMPF Kreis G roß- G era u : Hessens größte Kolonie ist nach wie vor im NSG Kühkopf-Knob- lochsaue: ca. 170 Bp. wurden festgestellt (ZETTL). ARNDT Kreis Darm st ad t- Die bu rg : mind. 3 Bp. konnten im NSG Reinheimer Teich (Schilf- bruten) beobachtet werden. Der Brutplatz im Fischbachtal war 1991 nicht besetzt. HEIMER

Kreis Bergstraße : Im NSG Lampertheimer Altrhein konnten 138 besetzte Horste festge- stellt werden. Die Anzahl der ausgeflogenen Jungen war nicht exakt zu ermitteln. SIEGEL

Weißstorch - Ciconia ciconia Werra-Meißner-Kreis: Eine erfolgreiche Brut (2 Jungvögel) in Heldra auf einem Scheu- nendach mit künstlicher Nistunterlage. Die einzige in Hessen bekannt gewordene Wildbrut. BRAUNEIS

Schwarzstorch - Ciconia nigra Sch wa I nn- Eder- Kre is : Ein Bp. mit 3 Jungen wurde im Kreisgebiet festgestellt; darüber- hinaus gelangen in zwei bis drei weiteren Gebieten noch 24 Brutzeitbeobachtungen, so daß man mit weiteren Paaren rechnen konnte (LUDOLPH, RANK, STANEK). SCHAUB Werra-Meißner-Kreis: Für das Ulfetal, den Meißner und zwei bis drei weitere Teile des Kreisgebietes bestand Brutverdacht; der Bestand wird mit 4 -5 Paaren angegeben. BRAUNEIS

Graugans - Anser anser Stadt und Kreis Kassel: Zum dritten Mal in Folge konnte eine erfolgreiche Brut (4 Gössel) im Großpark Karlsaue in Kassel festgestellt werden. LANDAU Wette ra us kre is : 1 Bp. mit 4 Gössel im NSG „Klosterwiesen von Rockenberg" (LANG, SEUM). SEUM Frankfurt am Main: Im Ostpark wurde ein Bp. mit einem Gössel beobachtet. FIEDLER, SCHROTH Main-Kinzig- Kreis : 1 Bp. mit 4 Jungen im NSG-Projekt „Entensee von Gelnhausen- Höchst" (SCHROTH). KEMPF, SCHROTH

Kanadagans - Branta canadensis Stadt und Kreis Kassel: Ein Bp. mit zwei Jungen im NSG Hengstwiese, Naumburg (1990: 1 Bp. mit 3 Jungen) (DUX, LUCAN). LANDAU & LUCAN Kreis Bergstraße : Im NSG Lannpertheimer Altrhein konnte eine Brut beobachtet werden. Vier Gössel wurden flügge. SIEGEL Desweiteren wurden je ein Bp. in dem NSG Oberlücke von Viernheim und im Lörzenbacher Rückhaltebecken, Fürth, beobachtet. KOPP 100 Nilgans - Alopochen aegyptiacus Kreis Bergstraße : Im NSG Oberlücke von Viernheim wurde eine erfolgreiche Brut beobachtet; vier Junge wurden großgezogen. KOPP

Schnatterente - Anas strepera Wetteraukreis: KOBURGE,ROLAND und SEUM konnten ein Bp.im NSG „Bingenheimer Ried" beobachten. SEUM (Das Brutvorkommen 1990 auf dem südlichen Knappensee von 2 -3 Bp.liegt im Kreis Gießen!)

Krickente - Anas crecca Kreis Marbu rg -Biedenkopf: Brutverdacht NSG „Schweinsberger Moor" (ECKSTEIN, KLIEBE, PABST). WAGNER Kreis Fu I d a : Auf dem Großen Moorteich im NSG Rotes Moorfand wiedereine erfolgreiche Brut statt: am 3.7. konnte eine Ente mit acht Jungen beobachtet werden (HEIDER, JOST). Der Brutplatz liegt 805 m NN. JOST Wette rau kreis : 18 Bp. im NSG „Bingenheimer Ried" (KOBURGE, ROLAND, SEUM) und 3 Bp. im NSG „Nidderauen von Stockheim" (DEIS) konnten festgestellt werden. SEUM Kreis Darm st adt-Die b u rg : zwei Bp. im NSG Reinheinner Teich und ein Bp. im NSG Rallenteich von Eppertshausen. HEIMER

Spießente - Anas acuta Wette rau kreis : KOBURGE, ROLAND und SEUM konnten im NSG „Bingenheimer Ried" 2 -3 Bp. feststellen. SEUM

Knäkente - Anas querquedula We ra -Meißner- Kreis : In folgenden geplanten oder bestehenden Naturschutzgebieten bestand Brutverdacht: „Frankenloch bei Heldra", „Kiesteich/Krötenteich bei Frieda", „Werra- altarm bei Schwebda und bei Albungen". BRAUNEIS Kreis Marbu rg -Biedenkopf: Brutverdacht Schönungsteich der Kläranlage Roth. 8. 4.-15. 6. ein Paar z.T. mit intensiver Balz; 28.7. - 31. 7. zwei diesj. Enten, die möglicherweise hier erbrütet wurden (KRAFT). WAGNER Wette rau kreis : In dem NSG „Bingenheimer Ried" konnten nicht wenigerals 25 Bp. ermit- telt werden (KOBURGE, ROLAND, SEUM). Ein weiterer Brutplatz war das NSG „Mittlere Horloffaue (Kuhweide)" mit 3 Bp. (SEUM). SEUM Kreis Darmstadt- Diebu rg : Ein brutverdächtiges Paar im NSG Reinheimer Teich. HEIMER

Löffelente - Anas clypeata Sch wa I m - Ed e r- Kreis : Einmal Brutverdacht im NSG „Storchenteich Niedergrenze- bach" (H.& S. STÜBING). SCHAUB

La hn-Dill -Kreis: Erneuter Brutnachweis im NSG Aartalsperre. Ein 4 mit 5 Jungen wurde beobachtet. SCHINDLER 101 Wette rau kreis : 17 Bp. im NSG „Bingenheimer Ried" (KOBURGE, ROLAND, SEUM) und ein Bp. im NSG „Nachtweid von Dauernheim" (SEUM). SEUM

Tafelente - Aythya ferina Lahn-Dill-Kreis : Wie im Vorjahr eine erfolgreiche Brut: 1 9 und 3 flügge Junge (1990: 1 9 mit 7 flüggen Jungen) im NSG Aartalsperre. SCHINDLER Vogelsberg kreis : Im NSG „Obermooser Teich" wurde ein 9 mit 2 Jungen beobachtet. HEIDER

Reiherente - Aythya fuligula Sc hwa I m- Ed er-Kreis : SCHAUB und Mitarbeiter konnten einen Brutbestand von 45 -49 Bp. ermitteln, die mind. 242 Junge hatten (= 4,9 bis 5,4 Junge/Paar). Gegenüber dem Vorjahr (26 -28 Bp.) wurde eine Zunahme von ca. 60% registriert. SCHAUB La hn-Dill -Kreis: Die Brutpopulation im NSG Aartalsperre hat weiter zugenommen: 1991 wurden 20 Bp. ermittelt. Von 132 Jungen sind 90-95 flügge geworden. SCHINDLER Main-Kinzig-Kreis : 4 Bp. wurden gemeldet: 2 Bp. (5 und 6 Junge) am IllnhäuserWeiher und 2 Bp. (ohne Bruterfolg) im NSG „Graf-Dietrich-Weiher" bei Fischborn (PETER). KEMPF

Rohrweihe - Circus aeroginosus

Stadt und Kreis Kassel: Ein Bp. im NSG Kelzer Teiche (MODES). LUCAN BEHREND konnte ein weiteres Bp. im NSG Im oberen Essetal nachweisen. LANDAU Kreis Marbu rg -Bieden ko pf : 2 Bp. im NSG „Schweinsberger Moor", jedoch ohne Bruterfolg (HAHN), 1 Bp. im NSG „Teichwiesen von Heskem", evtl. erfolgreiche Brut, da im August 1 Jungvogel in der Umgebung beobachtet wurde (GRÜN, NAU). WAGNER Wette rau kreis : SEUM und Mitarbeiter konnten für das Kreisgebiet 18 Bp. ermitteln. Nur 4 Bp. wurden außerhalb von Naturschutzgebieten beobachtet. Alle Bp. haben erfolgreich gebrütet: bei 15 Bp. wurden 34 Junge beobachtet. SEUM (1990 wurden für den Kreis Gießen irrtümlich 7 Bp. angegeben, die im Wetteraukreis brüteten. 1990 brüteten im Kreis Gießen 4 Bp.)

Main -Taunus -Kreis : Ein Bp. mit 2 -3 Jungen im NSG „Weilbacher Kiesgruben" und ein Brutversuch im NSG „Massenheimer Kiesgruben". FEHSE Main-Kinzig-Kreis : Ein Bp. im NSG Rauhensee bei Steinheim (Hanau) - Neuansied- lung; Bruterfolg ungewiß. LÖB, SCHROTH Zwei weitere Bruten wurden bekannt: je ein Bp. in einem Getreidefeld in der Nähe des NSG „Bornwiese von Büdesheim", 3 Junge und bei Neuberg-Rüdigheim im Odengrund (2 Junge) (FROMM,KÜRSCHN ER). KEMPF Kreis Groß-Ge ra u : Vier Bp. konnten festgestellt werden. Zwei Bruten wurden durch Störungen abgebrochen (KRAFT, SCHÖNEMANN). ARNDT Kreis Darm sta dt-Diebu rg : Im Altkreis Dieburg wurden 7-8 Bp. beobachtet: 6 -7 Bp. im NSG Reinheimer Teich (HILLERICH) und erstmals ein Bp. im NSG Bruchwiesen von Dorn- diel (DIEHL, RUHLAND). HEIMER 102 Wiesenweihe - Circus pygargus Kreis Kassel: Ein Brutversuch im Getreide bei Immenhausen (REUBERT); trotz Schutz- versuche wurde das Gelege verlassen. LUCAN

Baumfalke - Falco subbuteo Kreis Marbu rg -Biedenkopf : Im Kreisgebiet konnten 8 Bp., einmal Brutverdacht und 4 weitere Reviere ermittelt werden. 7 Bp. hatten 15-16 Junge (ERLEMANN, KLIEBE, KLINGEL- HÖFER, JEIDE, KRAFT). Im Raum Biedenkopf waren bekannte Brutpätze nicht besetzt (PETRI). WAGNER

La hn-Dill- Kreis : Eine Bestandserfassung im Altkreis Wetzlar ergab 7 Bp. und einen Brut- versuch. VEIT Kreis Offenbach: Nurzwei Brutnachweise gelangen:1Bp. mit 3 Jungen (EGLOFFSTEIN) und 1 Bp. mit 2 Jungen (KLEE). ERLEMANN Main-Kinzig- Kreis : Von 5 Bp., die gemeldet wurden, hatten 3 Bp. insgesamt 4 Junge (KÜRSCHNER). KEMPF

Wanderfalke - Falco peregrinus Stadt Kasse I : Seit 1988 dient ein Kirchturm in Kassel einem Bp. als Brutstätte.1991 wur- den 4 Jungfalken flügge (HAMMER). LANDAU Stadt Wiesbaden: Im dritten Jahr hintereinander eine erfolgreiche Brut auf dem Schorn- stein der Fa. Kalle AG.: 5 Junge (4 44 und 1 e) flogen aus. FLEHMIG Main-Kinzig- Kreis : Ein Bp. mit 3 Jungfalken im Kühlturm des Staudinger Kraftwerkes, Groß Krotzenburg (JUNG, ULLRICH, SCHROTH). KEMP, SCHROTH Kreis Bergstraße: Ein Bp. mit drei Jungen konnte am Kühlturm des Atomkraftwerkes Biblis beobachtet werden. KREUZIGER W. BRAUNEIS gibt den Bestand in Hessen mit 11 Bp.an ; 6 Bp.waren erfolgreich und hatten 20 Junge. BRAUNEIS, FIEDLER

Rebhuhn - Perdix perdix

Stadt und Kreis Offenbach: 129 -133 Reviere wurden gemeldet,wobei einige wenige Gemarkungen nicht kontrolliert wurden. Ein Vergleich für 11 Gemarkungen ergab für 1986 67-68 Reviere und für 1991 69 -71 Reviere! ERLEMANN

Wachtel - Coturnix coturnix Kreis Marbu rg -Biedenkopf: Nur 12 Rufnachweise liegen aus dem Kreisgebiet vor (KRAFT u. a.). WAGNER

Kreis Fu Ida : Nach einem besonders guten „Wachtel-Jahr" 1989 mit insgesamt 90 rufenden Ex., konnten 1990 acht Nachweise und 1991 nur noch vier rufende Ex. festgestellt werden (HERBIG, JOST, KRÖNUNG, WALTHER). JOST Stadt und Kreis Offenbach: Nur 3 rufende ecT wurden gemeldet: NSG „Rotsohl und Thomassee" in Dudenhofen (KLEE). ERLEMANN 103 Kreis Darmstadt-Dieburg: 10-12 rufende n'\ (Reviere) konnten im Altkreis Dieburg festgestellt werden. HEIMER

Wasserralle - Rallus aquaticus Schwa I m - Ed e r- Kreis : Besetzte Reviere konnten ausschließlich in Naturschutz- gebieten festgestellt werden: 4 Reviere im NSG „Leist bei Rommershausen" (SCHAUB, STÜBING), je ein Revier im NSG „Wieragrund Treysa" (RHEINWALD, SCHAUB, STÜBING). NSG „Storchenteich Niedergrenzebach" (HOLLAND-LETZ, SCHAUB, STÜBING) und NSG „Ederauen Obermöllrich-Cappel" (WILKE). SCHAUB

Kreis Marburg -Biedenkopf : Im NSG „Schweinsberger Moor" 4-5 rufende c« (HAHN), ein Bp. (mind. 1 Junges) am Absetzteich der Kiesgrube Niederweimar (KRAFT). WAGNER

Wetteraukreis: 38 rufende Rallen (Reviere), die bis auf zwei Reviere allesamt in Natur- schutzgebieten ermittelt wurden. Verbreitungsschwerpunkt war das NSG „Bingenheimer Ried" mit 20 Bp. (KOBURGE, ROLAND, SEUM). SEUM (1990: 13 Reviere; das NSG „Mähried von Rodheim" mit 2 Bp. liegt im Greis Gießen!)

Kreis Groß-Gerau : In den Naturschutzgebieten „Mönchbruch" (2 Bp.) und „Wächter- stadt" (1 Bp.) konnten Brutpaare beobachtet werden. Für das NSG „Endlache" bestand Brut- verdacht (ARNDT, KRUG, SCHWARZE). ARNDT

Kreis Da rm stadt-Dieburg : Im Altkreis Dieburg wurden 15-20 rufende Ex. festge- stellt: davon etwa die Hälfte im NSG Reinheimer Teich, weitere Feststellungen u. a. in den Naturschutzgebieten „Taubensemd", „Rallenteich von Eppertshausen" und „Bruchwiesen von Dorndiel". HEIMER

Tüpfelralle - Porzana porzana Wetteraukreis: 22 rufende Vögel (Reviere) wurden von SEUM und Mitarbeitern regi- striert. Bis auf ein Revier wurden alle Nachweise in Naturschutzgebieten erbracht. Im NSG „Bingenheimer Ried" konnten 15 rufende Rallen festgestellt werden (KOBURGE, ROLAND, SEUM). SEUM

Kreis Da rm stadt- Diebu rg : Im Altkreis Dieburg gelangen nur zwei Beobachtungen (HEIMER, ULRICH) und zwar bei Münster/Altheim und im NSGTaubensemd. HEIMER

Wachtelkönig - Crex crex Sc h wa I m - Ed e r-Kre i s : DerWachtelkönig scheint im Kreisgebiet verschwunden zu sein. Der letzte Nachweis eines Revieres gelang im Jahre 1986! SCHAUB Kreis Marburg-Biedenkopf : Je ein rufendes e im Juli in der Gemarkung Schröck (NAU) und Niederwalgern (KRAFT). WAGNER Wetteraukreis: Im Kreisgebiet wurde nur ein Nachweis bekannt: in der Nidda-Niederung von Dauernheim bis Staden ein rufender Vogel (SEUM). SEUM

Flußregenpfeifer - Charadrius dubius Schwa I nn - Ed e r-Kreis : Insgesamt wurden 52 Bp. ermittelt (SCHAUB und Mitarbeiter). Unter Berücksichtigung einiger nicht kontrollierter Brutplätze kann der Gesamtbestand mit ca. 60 Bp. angegeben werden. SCHAUB 104 Kreis Mar burg -Bieden kopf : Im Kreisgebiet wurden 18 Bp. bekannt (BUSCH,KLIEBE, KRAFT, PABST, WAGNER, WEN D1). WAGNER La hn-Dill-Kreis: Im NSG Aartalsperre konten 6 -10 Bp. (1990: 5 -10 Bp.) nachgewiesen werden. Von mehr als 15 geschlüpften Jungen wurden 12 flügge (1990: 5-10 flügge Junge). SCHINDLER Main -Taunus- Kreis : Im Gebiet Hattersheim-Weilbach konnten 6 Bp. ermittelt werden. FEHSE Stadt und Kreis Offenbach: 10 Bp. wurden bekannt. Das NSG „See am Goldberg" in Heusenstamm dürfte zu den wichtigsten Brutgebieten in Hessen zählen: 5 Bp. wurden beobachtet (RAABE, RICHTER, R.&W. SCHLÄFER). ERLEMANN Kreis Darm stadt-Diebu rg : Der Brutbestand im Altkreis Dieburg ist weiterhin rückläufig. Während im Vorjahr noch 8-10 Bp. gemeldet wurden, wurden 1991 nur 4 - 5 Bp. beobachtet (ohne Grube Messel). HEIMER Main-Kinzig-Kreis : 5 Bp. wurden gemeldet: je ein Bp. im Basaltsteinbruch in Breiten- born (SAUER), auf einer Ackerfläche (3 Junge) in Bruchköbel (KÜRSCHNER) und in Kiesgrube in Erlensee-Rückingen (PETER); zwei Bp. in Kiesgrube in Klein Auheim (LÖB). KEMPF

Kiebitz - Vanellus vanellus Sc h wa lm-Eder- Kre is : STÜBING und Mitarbeiter geben den Gesamtbestand im Kreis- gebiet mit ca. 120 Bp. an. SCHAUB Kreis Marbu rg -Biedenkopf: Die bekannten Brutplätze im „Neustädter Satterwurden weitgehend aufgegeben: nur 4-5 Bp. im NSG, „Sohlgrund von Erksdorf" wurden ermittelt, ein Bruterfolg blieb aus. ERLEMANN La hn-Dill- Kreis : Bestandszunahme im NSG Aartalsperre.Von 20-25 Bp. (1990: 5-10 Bp.) waren nur 10 Bp. (1990: 5 Bp.) erfolgreich.Von mehr als 30 geschlüpften Jungen wurden nur 13-15 flügge (1990: 10 flügge Junge). SCHINDLER Main-Taunus-Kreis : Folgende Brutreviere wurden gemeldet: 4- 5 Bp. im NSG „Kiesgrube Weilbach"; 2 Bp. auf einer Rekultivierungsfläche östlich von Wicker; nur 7 Bp. (1990: 13 Bp.) auf einer 12 qkm großen Fläche; zwischen Hattersheim und Wicker nur eine Feldbrut (1990: mind. 8 Bp.). Das Brutrevier Steinbruch „Dyckerhoff" bei Flörsheim blieb unbesetzt (1990: noch 2 Bp.). FEHSE Main-Kinzig-Kreis : Im gesamten Kreisgebiet konnten 154 Bp. ermittelt werden. Der Bruterfolg war äußerst schlecht: bei nur 25 Bp. konnte ein Bruterfolg festgestellt werden, 14 Junge wurden flügge! Bei 35 Paaren bestand Brutverdacht und 94 Bp. (!) waren ohne Bruterfolg. KEMPF Stadt und Kreis Offenbach: 94-104 Bp. wurden gemeldet. Ein Verbreitungsschwer- punkt ist die Gemarkung Dudenhofen: KLEE konnte 38-45 Bp. ermitteln. ERLEMANN Kreis Darm sta dt- Diebu rg : Der Brutbestand im Altkreis Dieburg ist starken Schwan- kungen unterworfen, wobei in den letzten zehn Jahren ein steter Rückgang beobachtet wird. Mitarbeiterdes AK Dieburg haben für den Altkreis Dieburg einen Brutbestand von 118 -120 Bp. ermittelt (1966: 134 -157 Bp.; 1974: 148 Bp.; 1977: 209 Bp.; 1982: 167 Bp.; 1986: 140 Bp. und 1990: ca. 100 Bp.). HEIMER (Anmerkung der Redaktion: Bestandtrends dieser Vogelart aus anderen repräsentativen hessischen Landschaftsteilen sind sehr erwünscht! Wir bitten um Meldungen.) 105 Bekassine - Gallinago gallinago

Schwa I m - Ed e r- Kre i s : SCHAUB und Mitarbeiter konnten 22 Bp.ermitteln, die zu 90 0/0 in der Schwalm-Niederung im Bereich Schwalmstadt-Willingshausen zu finden waren. SCHAUB Kreis Marbu rg -Biedenkopf: 8 Reviere im „Neustädter Sattel" und Neustadt (ERLE- MANN); der Bestand kann alsstabil betrachtet werden.Aus den übrigen Gebieten liegen keine Meldungen vor, obwohl mit weiteren 12 -16 Revieren gerechnet werden kann. WAGNER

Stadt und Kreis Offenbach: Nur 4-5 Bp.wurden gemeldet. ERLEMANN

Kreis Da rm st a dt-Dieburg : Nach einem Tiefststand der Brutpopulation 1990 (max. 15 Bp.) im Altkreis Dieburg wurde für 1991 eine deutliche Erholung des Brutbestandes fest- gestellt: 20 -25 Bp. wurden registriert (1974:38 Bp.; 1977: 48 Bp.; 1982: 42 Bp.; 1986: 27 Bp. und 1990 max. 15 Bp.). HEIMER

Uferschnepfe - Limosa limosa Wetteraukreis: Für das NSG „Rußland und Kuhweide von Lindheim" meldete FRÜHLING 2mal Brutverdacht. SEUM

Großer Brachvogel - Numenius arquata

Wetteraukreis: Insgesamt 20 Bp., jedoch kein Brutverfolg. Die Hälfte der Bruten ging durch die Silagebewirtschaftung der Wiesen verloren (SEUM u. Mitarb.). SEUM Kreis Darm stadt- Diebu rg : Nurein Paarwar im Altkreis Dieburg anwesend,das jedoch durch den Betrieb von Schußautomaten in angrenzenden Sonnenblumenfeldern vertrieben wurde. Erst nach Wirksamwerden einer Artenschutzanordnung kehrte das Paar zurück; es blieb jedoch ohne Brut (AK Dieburg). HEIMER

Flußuferläufer - Actitis hypoleucos

Offenbach am Main: Im NSG „Rumpenheimer und Bürgeler Kiesgruben" konnte zum vierten Mal eine Brut nachgewiesen werden: HERRMANN beobachtete ein Paar mit einem nicht flüggen Jungen. ERLEMANN

Lachmöwe - Larus ridibundus

Kreis G ro ß- Ge ra u : 3 Bp. auf den Schlämmteichen der Südzucker AG, Groß-Gerau (ARNDT, KRAFT). ARNDT

Schleiereule - Tyto alba Kreis Marburg-Biedenkopf : In den Gemeinden Lohra,Gladenbach und Bad Endbach wurden in den letzten drei Jahren 22 Nistkästen installiert 1991wurden 19 von der Schleiereule angenommen; 8 Bruten (7 Paare) fanden statt. Ein weiteres Bp. brütete in einem Taubenschlag. Aus insgesamt 43 Eiern wurden 30 Jungeulen flügge. Nach einer ähnlichen Nistkastenaktion in der Gemeinde Dautphetal wurden hier 7 Bp. fest- gestellt, von denen fünf in Nistkästen brüteten. 28 Junge wurden flügge (KLINGELHÖFER u. a.). Alle vier Großgemeinden liegen ganz oder überwiegend im Naturraum Gladenbacher Bergland, aus dem in den vergangenen Jahren nur sehr vereinzelt Bruten gemeldet wurden. Aus dem übrigen Kreisgebiet wurden noch 9 Bp. und 4 besetzte Reviere bekannt (ECKSTEIN, KRAFT, NAU, PETRI). WAGNER 106 Lahn-Dill- Kreis : Im Altkreis Wetzlar konnten VEITund Mitarbeiter 11 Bp. feststellen. VEIT Stadt und Kreis Offenbach: Im Kreisgebiet wurden 7 Bp. bekannt. ERLEMANN

Main-Kinzig-Kreis : Eine Bestandserfassung ergab 59 Bp. KEMPF

Kreis G roß- Gera u : 9 Bp. mit 42 Jungen wurden registriert. Die Jungenzahl pro Bp. schwankte zwischen 2 und 7 Jungen (MUNDSCHENK, SCHAFFNER, SCHÖNEMANN). ARNDT

Kreis Darm stadt-Diebu rg : Im Altkreis Dieburg konnte 0. DIEHL17 Bp.feststellen.19 Bruten fanden statt, und 77 Junge sind ausgeflogen. HEIMER

Uhu - Bubo bubo Stadt und Kreis Kassel: Infolge von Störungen wurde der Brutplatz im Diemeltal aufge- geben (MODES). LUCAN Werra-Meißner-Kreis : Ein Brutnachweis gelang nicht. Im September wurde ein Junguhu am Johannisberg bei Witzenhausen beobachtet (LÄTSCH,WI NTER), so daß eine Brut im Kreisgebiet nicht ausgeschlossen werden kann. BRAUNEIS

Lahn-Dill- Kreis : Ein Bp. in der Gemarkung Herbornseelbach, jedoch ohne Bruterfolg. VEIT

Vogelsberg kreis : Wie im Vorjahr war der Steinbruch bei Schwalmtal-Brauerschwend wieder mit einem Bp. besetzt. FREY Wette rau kreis : 1 Bp. mit 2 Jungen in einem Basaltsteinbruch. SEUM

Sumpfohreule - Asio flammeus Wetteraukreis: Seit „vielen Jahren" konnte 1991 wieder eine Brut nachgewiesen werden: 1 Bp. hatte 2 ausgeflogene Jungeulen (SEUM, WINTER). SEUM

Sperlingskauz - Glaucidium passerinum Werra-Meißner-Kreis : Die aus dem Vorjahr bekannten Reviere waren wieder besetzt: Hochfläche des Meißners (DILLING) und im Ringgau (BRAUNEIS). Eine Brut konnte nicht nachgewiesen werden. BRAUREIS

Steinkauz - Athene noctua Kreis Marbu rg -Bieden kopf : Seit über einem Jahrzehnt wieder eine Brut (mind. 2 Junge) im Lahntal bei Bellnhausen sowie zwei weitere Plätze mit balzsingenden Je' zwischen Fronhausen und Oberwalgern und ein rufendes 0, im NSG „Kehnaer Trift" (KRAFT). KRAFT, WAGNER

Lahn-Dill- Kreis : VEIT und Mitarbeiter konnten 24 Bp. ermitteln. 5 Bp. hatten 14 Junge; „hohe" Verluste durch Marder. VEIT

Kreis Gießen: VEIT und Mitarbeiter konnten 13 Bp. feststellen. 6 Bp. hatten insgesamt 19 Junge. VEIT

Kreis Limburg-Weilburg: FRIEDRICH und Mitarbeiter konnten im Kreisgebiet wie im Vorjahr 28 Bp. ermitteln. 20 Bp. hatten 51 Junge (= 2,5 Junge/Paar). VEIT 107 Main-Taunus-Kreis und Wiesbaden: FLEHMIG und Mitarbeiter konnten 65 Bp. ermitteln; 44 Bp. hatten insgesamt 137 Junge (= 3,1 Junge pro erfolgreichem Paar). Bei 21 Paaren blieb der Bruterfolg aus. FLEHMIG Main-Kinzig-Kreis: PETER und Mitarbeiter konnten 76 Bp. ermitteln; gegenüber dem Vorjahr eine Abnahme um ca. 12% (11 Bp.). KEMPF Stadt und Kreis Offenbach: In der Stadt konnten 3 Bp. (HERRMANN) und im Kreis 16 -17 Bp. festgestellt werden. ERLEMANN

Rauhfußkauz - Aegolius funereus

Schwa I m - Ed e r- Kre i s : Im Riedforst Melsungen konnte RANK 27 Bp. feststellen. SCHAUB Kreis Marburg-Biedenkopf: Im Raum Biedenkopf (Sackpfeifenmassiv) konnten 16 Bp. ermittelt werden; 10 Bruten fanden in Nistkästen statt (PETRI). Je ein Bp. in Angelburg (KRETZ, SÄNGER) und Wommelshausen (KLINGELHÖFER); mind. 21 Reviere im Burgwald (ALTEMÜLLER,WAGNER). WAGNER

La hn-Dil I- Kreis : FRANZ und KLEIN konnten 42 Bp. ermitteln. VEIT Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden: Seit nnehrals 10 Jahren gelangen hin und wieder Beobachtungen in den Wäldern nördlich von Wiesbaden und im Rheingaugebirge. Ein Brutnachweis konnte jedoch nicht erbracht werden. Seit 1985 werden dem Rauhfußkauz mardersichere Nistkästen angeboten. Schließlich gelang 1991 der erste Brutnachweis: 4 Bp. (3mal 3 und einmal 4 Junge) konnten ermittelt werden (BENDER, FLEHMIG, WEBER). FLEHMIG Kreis Offenbach : 2 Bp. hatten 3 und 4 Junge, die beringt wurden (HILLERICH, KLEE). Die Entfernung der Brutbäume betrug nur 300 Meter. ERLEMANN

Ziegenmelker - Caprimulgus europaeus

Kreis Offenbach: In dem traditionellen Brutgebiet in der Gemarkung Dudenhofen konnte KLEE 6 -7 Reviere feststellen. Daneben wurde noch ein zweites Vorkommen bekannt: MALTEN fand im Seligenstädter Stadtwald noch 2 Reviere. ERLEMANN

Eisvogel - Alcedo atthis

Stadt und Kreis Kassel: Eine erfolgreiche Brut im Diemeltal bei Haueda. Fütternde Altvögel wurden beobachtet (NEUMANN, NITSCHE). LANDAU Schwa I nn - Ed e r- Krei s : Wie im Vorjahr wurden 7 Bp. bekannt, daneben gelangen zahl- reiche weitere Brutzeitbeobachtungen, die trotz des harten Winters einen nur geringen Bestandsabfall vermuten lassen. SCHAUB We rra-Meißner-Kre i s : 9 Brutreviere wurden im Kreisgebiet bekannt, u. a. in den Natur- schutzgebieten „Werraaltarm bei Schwebda und Albungen" und „Kiesteich/Krötenteich bei Frieda" sowie an den Seen des Freizeitzentrums in Mainhard. BRAUNEIS Kreis Mar b u rg -Biedenkopf : Zwei erfolgreiche Bruten wurden gemeldet: 1 Bp. an der Lahn bei Argenstein und 1 Bp. mit 2 Jungen an der Lahn bei Cappel. In Marburg und an der südlichen Lahn vereinzelte Reviere sowie ein Revier in der Kiesgrube Niederwalgern und Bürgeln. KRAFT 108 La h n- Dill- Kreis : Eine Bestandserfassung im Altkreis Wetzlar erbrachte 10 -11 Bp.VEIT

Kreis Fulda: 11 Brutplätze wurden gemeldet. Es ist anzunehmen, daß noch einige weitere Paare an abgelegenen Plätzen im Kreisgebiet gebrütet haben. JOST

Wette ra ukreis: Im Kreisgebiet konnten an den Flüßchen Nidda,Wetter,Horloff und Nidder 6 Bp. festgestellt werden. SEUM

Frankfurt am Main: Ein Brutversuch am Eschbach. Nachdem die Brutröhre fertig war, wurde das Paar durch Freizeitaktivitäten Jugendlicher vertrieben. FRITZ Main-Kinzig-Kreis : 10 Bp. und 3mal Brutverdacht wurden gemeldet. SAUER

Kreis Offenbach: 2 Bp. und einmal Brutverdacht wurden gemeldet. ERLEMANN Kreis Groß - G e ra u : 2 Bp. konnten im Kreisgebiet beobachtet werden (ITTNER, WITT- MANN). ARNDT

Kreis Da rm sta dt- Di e b u rg : Im Altkreis Dieburg konnte nur ein Bp. beobachtet werden (1990: 3 Bp.). HEIMER

Bienenfresser - Merops apiaster Kreis Hersfeld- Roten bu rg : 2 Bp. konnten in einer Sandgrube bei Lüdersdorf beobachtet werden. Eine Brut war erfolgreich, zwei Junge flogen aus (BOTH, ANHUT). (s. auch S.123) ANHUT

Schwarzspecht - Dryocopus martius Kreis Groß - Gerau : Überall, wo im Kreisgebiet etwas größere Waldgebiete vorhanden sind, wird der Schwarzspecht beobachtet: 1991 wurden 15 Bp. ermittelt (ARNDT, KISSEL, SCHAFFNER). ARNDT

Heidelerche - Lullula arborea Kreis Marbu rg -Biedenkopf : Brutzeitbeobachtungen liegen nur noch aus dem Sackpfeifengebiet vor: 1 Bp. und 2 weitere Reviere wurden festgestellt (PETRI). WAGNER Kreis Offenbach : Neben 2 Revieren bei Dudenhofen (KLEE) wurden noch 4 weitere Reviere bekannt. ERLEMANN

Haubenlerche - Galerida cristata Stadt und Kreis Fulda: Einziges Brutvorkommen „seit Jahren" in Fulda mit 1-'2 Paaren. 1991 konnten an zwei Stellen nur noch 1-2 Ex. beobachtet werden (HEIDER, JOST, KRÄTZ- NER). Ein Bruterfolg war nicht festzustellen. JOST

Main-Taunus-Kreis : Je ein Brutrevier (Bp.) konnte in den Gemeinden Sulzbach, Hattersheim und Hofheim festgestellt werden. FEHSE

(Anmerkung der Redaktion: Die Haubenlerche - ein typischer Bewohner der Dörfer und Städte-scheint viele traditionelle Brutplätze in Hessen aufgegeben zu haben. Angaben hier- zu, Neu- und Wiederansiedlungen sind sehr erwünscht.) 109 Uferschwalbe - Riparia riparia Stadt und Kreis Kassel: Der Bestand geht im Kreisgebiet ständig zurück.1991 konnte nur noch eine Kolonie in einer Sandgrube in Fuldabrück entdeckt werden: etwa 40 Bp.wurden beobachtet (HENKEL). LANDAU Sch wa lm-Eder-Kre is : In 9 Kolonien konnten 1000 -1200 Bp. beobachtet werden (KRAFT, SCHAUB, STÜBING). SCHAUB Kreis Marbu rg - Bieden kopf : Neben je einer Kolonie in Bürgeln, 50 Röhren in Kies- grube (ALTEMÜLLER) und in Betiesdorf, 42 Röhren in Sandgrube (WAGNER), noch ein kleines Brutvokommen (2 Bp.) am Baggersee Niederweimar (KRAFT). WAGNER Wette rau kreis : Wie im Vorjahr nur eine Kolonie in Kalksandsteinwerk Gambach. 74 Bp. wurden ermittelt (LANG, SEUM). SEUM Main-Kinzig-Kreis: Nur eine Kolonie mit 65 -70 Röhren bei Klein-Auheim wurde be- kannt (LÖB). KEMPF Kreis Offenbach: Drei Kolonien wurden gemeldet: 60 Bp. am Langener Waldsee (OHLER), 70 Bp. im NSG. „Bong'sche Kiesgrube" (MALTEN) und 70 Bp. bei Zellhausen (MALTEN). ERLEMANN Kreis G roß- Gera u : 4 Brutkolonien (lx 8 Bp., 3x 20 -40 Bp.) konnten FLEISCHMANN, KRAFT, SCHAFFNER und WITTMANN feststellen. ARNDT

Schafstelze - Motacilla flava Stadt und Kreis Fulda: Neben einem Einzelvorkommen bei Flieden (1 Bp., HEIL) konnte auf einer ca. 230 ha großen landwirtschaftlichen Nutzfläche (Zuckerrüben, Feld- bohnen, Erbsen, Roggen und Mais) ein größeres Brutvorkommen beobachtet werden: ca. 13 -15 Bp.wurden ermittelt. JOST Kreis Darmstadt Dieburg: Im Altkreis Dieburg konnten 40 Reviere festgestellt werden (AK Dieburg). HEIMER

Brachpieper - Anthus campestris Schwa Im-Eder- Kreis : Brutverdacht im gleichen Gebiet wie 1990 (bei Borken): ad. und 3 Junge wurden beobachtet (SCHAUB, STÜBING). SCHAUB Wetteraukreis: SEUM konnte zwei Brutplätze feststellen: 3 Bp. im „Tagebau 3" in Heuchelheim und 1-2 mal Brutverdacht im „Tagebau 4" in Dornassenheim. SEUM Kreis Da rm st a d t- Diebu rg : Am vorjährigen Brutplatz im Altkreis Dieburg gelangen nur wenige Beobachtungen (ULRICH u. a.), ein Bruthinweis konnte nicht erbracht werden. Es muß mit der Aufgabe dieses traditionellen Brutplatzes gerechnet werden. HEIMER

Wiesenpieper - Anthus pratensis Sch wa I m- Ed er- Kreis: Siedlungsdichteuntersuchungen im Kreisgebiet ergaben fol- gendes Ergebnis: 19 Reviere auf 80 ha im „Tagebau Gombeth",15 Reviere auf 92 ha im NSG „Schwärzwiesen Hülsa" und Umgebung, 12 Reviere auf 38 ha im NSG „Borkener See", 10 Reviere auf 170 ha nordöstlich von Willingshausen und 8 Reviere auf 17 ha im „Tagebau Ostheim". SCHAUB 110 Wetteraukreis : 4 Reviere im NSG „Bingenheimer Ried" (KOBURGE, ROLAND, SEUM), 2 Reviere Rückhaltebecken Düdelsheim (SEUM) und 3 Reviere im NSG „Nessel von Stockheim" (DEIS). SEUM La hn-Dill- Kre i s : Wie im Vorjahr 7-10 Reviere im NSG Aartalsperre. SCHINDLER

Kreis Offenbach : In den Götzenhainer Rohrwiesen (geplantes NSG) beobachtete BÖHM 2-3 Bp. (futtertragende Altvögel). ERLEMANN

Kreis Darm stadt-Diebu rg : Im Altkreis Dieburg konnten 29 Reviere ermittelt werden (AK Dieburg). HEIMER Main - Kinzig -Kreis : Eine Bestandserhebung (Wiesenbrüter-Programm, BÄUMER- MÄRZ &WALTHER) ergab 26 Bp. Bei nur 3 Bp. konnte ein Bruterfolg beobachtet werden. KEMPF

Neuntöter - Lanius collurio Kreis Marbu rg -Bieden kopf : Auf einer Probefläche bei Langenstein (1275 ha) wurden 6 Bp. ermittelt. Der Brutbestand auf einer zweiten Probefläche bei Kirchhain-Stausebach (600 ha) ging auf 5 Bp. zurück (1990: 10 Bp.) ERLEMANN Fürden Bereich des Marburger Lahntaleswerden von KRAFTmind. 30 Reviere benannt. KRAFT

Stadt und Kreis Offenbach: Auf einer Probefläche bei Lämmerspiel und Hausen (87,5 ha) wurde mit 5 Paaren der niedrigste Bestand seit zehn Jahren festgestellt (Maximum: 10 Bp. 1985). Für das gesamte Gebiet wurden ca. 40 Reviere gemeldet. ERLEMANN

Rotkopfwürger - Lanius senator Kreis Marburg-Biedenkopf : 1 Bp. mit mind. einem flüggen Jungvogel in einem Streuobstbestand bei Fronhausen. Dies ist seit 1967 die erste Brut in diesem Gebiet. KRAFT

Raubwürger - Lanius excubitor Stadt und Kreis Kassel: Ein erfolgreiches Bp. (4 Junge) bei Calden, zwei Reviere im Reinhardswald und ein Revier bei Espenau (MODES). LUCAN Sch wa I m -Ede r-Kreis: 3mal Brutverdacht und aus fünf Gebieten wurden weitere Brut- zeitbeobachtungen gemeldet; dies war seit fünf Jahren der höchste Bestand (SCHAUB, STÜBING u.a.). SCHAUB Kreis Marbu rg -Bieden kopf : 7 Bp. im Naturraum Gladenbacher Bergland; 3 Bp. hatten 3,4 bzw. 5 Junge (KLINGELHÖFER, KRETZ, PETRI). Einmal Brutverdacht bei Hatzbach im Naturraum „Neustädter Sattel" (ERLEMANN). WAGNER Vogelsbergkreis : 6 Reviere wurden bekannt: 1 Bp. mit 3 Jungen (1990:2 Junge) an den Schalksbachteichen (GREGOR), je ein Revier in Romrod-Zell, Schwalmtal-Rainrod,-Brauer- schwend, Lauterbach-Wallmrod und Feldatal. FREY, GREGOR Stadt und Kreis Fulda: Vier wahrscheinliche Brutplätze wurden bekannt (GROSS, HEIDER, MÜLLER, WEISENBORN). JOST

Wasseramsel - Cinclus cinclus

Kreis Marbu rg - Bi ed en kopf : Im Marburger Lahntal konnte ein Bestand von mind.23 Brutrevieren ermittelt werden. KRAFT 111 Kreis Gießen : An der Horloff bei Ruppertsburg bis „Jägerhaus" registrierte WÖLKE 4 Bp. SEUM Wetteraukreis: WÖLKE und Mitarbeiter konnten an den Bächen und Flüssen des Kreis- gebietes 25 Bp. ermitteln. An der Nidder von Selters bis Gedern wurden 11 Reviere festgestellt (SEUM, WÖLKE). SEUM

Rohrschwirl - Locustella luscinioides

Kreis Da rm stadt- D i eb u rg : Im Altkreis-Dieburg konnten zeitweise drei singende «o festgestellt werden: eins im NSG Reinheimer Teich und bis zu zwei de in der Gemarkung Münster/Altheim (AK Dieburg). HEIMER

Schlagschwirl - Locustella fluviatilis Sc hwa I m - Ed e r-Kre is: Brutverdacht bestand für das NSG „Wieragrund" (ECKSTEIN); 2 Reviere im NSG „Ederauen Obermöllrich-Cappel" (DELPHO, SCHAUB, STÜBING,WILKE). SCHAUB Marburg : 1 singendes c am 13. und 14. Juni im neuen Botanischen Garten, Lahnberge. KRAFT

Gelbspötter - Hippolais icterina La hn-Dill-Kreis : Auf einer zusammenhängenden Strecke von 4,5 km Dill- und Lahnufer wurden im Stadtgebiet von Wetzlar 10 Reviere ermittelt (NEITZSCH,VEIT). VEIT

Sperbergrasmücke - Sylvia nisoria Kreis Darm stadt-Dieburg : ULRICH konnte ein singendes c in der Gemarkung Münster/Altheim (1.7.) beobachten. HEIMER

Schwarzkehlchen - Saxicola torquata Kreis Marburg-Biedenkopf: Nurein Revier bei Kirchhain-Niederwald wurde bekannt; eine Brut konnte nicht festgestellt werden (ERLEMANN, WAGNER). WAGNER Wetteraukreis: Nur ein Brutplatz -Tagebau 3, Heuchelheim -wurde bekannt: SCHERER und SEUM beobachteten ein Bp. mit 2 Jungen. SEUM Kreis Offenbach : 3 Bp. und 2 weitere Reviere wurden gemeldet. 3 Bp. hatten 7 Junge; ein Bp. hatte zwei erfolgreiche Bruten. ERLEMANN Kreis G roß- Gera u : Der Brutbestand bei Mörfelden (1991: 15 Bp.) ist seit vier Jahren konstant. Durch einen speziellen Pflegeplan soll das Brutgebiet erweitert werden (HELBIG, SCHWARZE). ARNDT Kreis Darmstadt- Diebu rg : In der Gemarkung Münster beobachtete ULRICH zwei Bp. (1990: 1 Bp.). Weitere Bruten wurden nicht bekannt. HEIMER

Braunkehldien - Saxicola rubetra Sc hwa I m -Eder-Kreis : Bestand weiterhin rückläufig. Erstmals im Kreis kein Brutnach- weis; nur 7 sichere Reviere wurden bekannt (ANGERSBACH). SCHAUB 112 Werra-Meißner-Kreis: Im Kreisgebiet wurden 10 Brutgebiete bekannt; 28 -43 Bp. wurden gemeldet. BRAUNEIS

Kreis Marburg-Biedenkopf : Zwei erfolgreiche Bruten in den Gemarkungen Momberg und Mengsberg (Naturraum Neustädter Sattel). ERLEMANN La hn-Dill-Kreis : 16 Bp. im NSG Aartalsperre. Die Anzahl der ausgeflogenen Jungen konnte nicht ermittelt werden (1990: 8-10 Bp. und 20-25 Junge). SCHINDLER

Wetteraukreis: Folgende Brutnachweise wurden bekannt: 1 Bp. + 3 Junge Stockborn Bingenheim (SEUM), 2 Bp. mit 5 Junge, „Tagebau 3" Heuchelheim (SCHERER, SEUM), 2 Bp. NSG „Mittlere Horloffaue (Kuhweide)" und 1 Bp + 2 Junge NSG „Stadener Mähried" (SEUM), je 2 Bp. NSG „Klosterwiesen von Rockenberg" (LANG) und bei Effolderbach (DEIS). SEUM

Main-Kinzig-Kreis: Bestandserhebungen (BÄUMER-MÄRZ & WALTHER) ergaben 15-17 Bp.; bei nur 2 Bp. konnte ein Bruterfolg beobachtet werden. KEMPF Stadt und Kreis Offenbach: Nur 2 Bruten wurden bekannt: 1 Bp.bei Langen (WEBER) und 1 Bp. mit 4 flüggen Jungen in Offenbach-Bieber (HERMANN). ERLEMANN

Kreis Darmstadt-Dieburg : Für den Altkreis Dieburg wurden 3 -5 Bp. gemeldet (AK Dieburg). HEIMER

Blaukehlchen - Luscinia svecica Sc hwa I nn -Ed er-Kreis: Nach der Neubesiedlung 1990 konnten 1991 drei Bp. mit Junge, sowie 2 weitere Reviere gefunden werden. Die Brutplätze befanden sich im Bereich der „Borkener Seenplatte" und in der „Waberner Senke" (SCHAUB, STÜBING). SCHAUB

Kreis Marbu rg - Bi edenko pf : Zwei singende oc? und Revierkämpfe am Absetzteich des Baggersees Niederweimar und ein weiteres e in einem Erlenbruch westlich Fronhausen. Ein Brutnachweis gelang nicht. KRAFT

Wetteraukreis : Drei Brutnachweise wurden bekannt: 2 Bp. im NSG „Mittlere Horloffaue" (SEUM), 2-3 Bp. im NSG „Klosterwiesen von Rockenberg" (LANG, SEUM) und ein Bp. im Tagebau 3, Heuchelheim (SCHERER, SEUM). SEUM Kreis Bergstraße: Der Brutbestand im NSG „Lampertheimer Altrhein" wird mit mind. zehn besetzten Revieren angegeben. SIEGEL

Steinschmätzer - Oenanthe oenanthe Sc h wa Im-Eder-Kreis : Im Kreisgebiet gab es nur noch einen Brutplatz: auf 80 ha Rohböden im „Tagebau Gombeth" wurden 5 Bp. mit Jungen und noch 2 unverpaarte die beobachtet (SCHAUB, STÜBING). SCHAUB Kreis Marbu rg - Bi eden kopf : Nur ein Brutnachweis wurde bekannt, und zwar im Bereich der Baggerteiche Kirchhain. Ein Bp. hatte mind. ein Junges (PABST). WAGNER Stadt und Kreis Fulda : In der Nähe der Stadt Fulda gelang ein Brutnachweis: ein 0'1 fütterte flüggen Jungvogel (JOST).Weitere Brutzeitbeobachtungen aus verschiedenen Teilen des Kreisgebietes lagen noch vor. JOST Wetteraukreis: Fünf Brutgebiete konnten ermittelt werden: 2 Bp. Bingenheimer Stein- bruch Kissel, 6 Bp. Steinbruch Nickel, Ober Widdersheim, je 3 Bp. Tagebau 3, Heuchelheim, und Tagebau 5, Weckersheim, und 2 Bp.Tagebau 4, Reichelsheim. SEUM 113 Main -Taunus -Kreis: Auf einer Fläche von etwa 300 ha im Bereich Hattersheim-Weilbach 4-5 Bp. FEHSE

Stadt und Kreis Offenbach: Nur 2 Bp. konnten nachgewiesen werden: in Hausen (ERLEMANN) und im NSG „Rumpenheimer und Bürgeler Kiesgruben" in Offenbach (HERR- MANN). ERLEMANN

Kreis Groß- Gera u : Im nördlichen Teil des Kreises konnten ARNDT und SCHWARZE zwei Bp. feststellen. ARNDT

Kreis Darm stadt-Dieburg : Während 1990 noch 5-8 Bp. im Altkreis Dieburg beobach- tet wurden, war die Brutpopulation 1991 auf 3 Bp. geschrumpft (AK Dieburg). HEIMER

Beutelmeise - Remiz pendulinus

Schwalm-Eder- Kreis : Mit insgesamt 23 Bp. und der Besiedlung einiger neuer Brut- gebiete, wie „Tagebau Gombeth", Ederauen, war der Bestand weiterhin leicht zunehmend (RANK, SCHAUB, STÜBING, WILKE). SCHAUB

Werra-Meißner-Kreis: Steigende Tendenz gegenüber dem Vorjahr (nur 5 - 7 Bp.). Das gesamte Werratal ist besiedelt; Verbreitungschwerpunkt sind die Teiche des Freizeitzentrums bei Meinhard und die angrenzenden Angelsport-Gewässer. Hier konnten 7-9 Bp. festgestellt werden. BRAUNEIS

Kreis Marburg-Biedenkopf : Je eine Brut im NSG „Schweinsberger Moor" (HAHN), Baggerteiche Kirchhain (PABST) und Bürgeln (1 ad. + 5 Junge), Lahnufer bei Ronhausen (KRAFT) und in Kiesgrube Niederweimar (5 Junge). KRAFT, WAGNER

Kreis Hersfeld-Roten burg : Je 2 Bp.wurden inder„Aue"undamAueteich in Obersuhl festgestellt. MEINEN

La hn-Dill-Kreis : In der Lahnaue bei Dutenhofen und Atzbach konnten 8 Bp. ermittelt werden. VEIT Wetteraukreis : In zehn Brutgebieten konnten SEUM und Mitarbeiter 13 Bp. feststellen. SEUM

Rheingau -Ta unus-Kreis und Wiesbaden: Eineerfolgreiche Brut innWasserwerks- gelände,Wiesbaden-Schierstein (Erstnachweis), (GIPPERT, MALLACH). FLEHMIG

Main -Taunus -Kreis : Im NSG „Weilbacher Kiesgrube" wurden 1-2 Bp. beobachtet. FEHSE 4 erfolgreiche Bruten im NSG „Massenheimer Kiesgruben", Erstnachweis (FLEHMIG). FLEHMIG

Main-Kinzig- Kreis: 5 Bp. wurden gemeldet: 2 Bp. am See Kraftwerk Staudinger, Groß Krotzenburg (ULLRICH),je ein Bp.Wenzelsee und Tistrasee in Klein Auheim (SCHROTH) und an einem See westlich von Dörnigheim. KEMPF Stadt und Kreis Offenbach: 3 Brutplätze wurden gemeldet: 2 Bp. im NSG „Rumpen- heimer und Bürgeler Kiesgruben" (HERRMANN), 1-2 Bp. im NSG „Bong'sche Kiesgruben" (MALTEN) und 2 Bp. am Mainufer bei Mainflingen (MALTEN, SCHROTH). ERLEMANN

Kreis Groß-Ge ra u : 8 Bp. konnten beobachtet werden. Die Brutgebiete lagen ausschließ- lich in den Rheinauen (ITTNER, KRAFT, KRUG, WITTMANN). ARNDT 114 Grauammer - Emberiza calandra

Schwel m -Ede r-Kreis : Nur ein Brutgebiet wurde bekannt: auf Ackerflächen zwischen Werkel und Obervorschütz haben RHEINWALD und STÜBING 6-7 Reviere festgestellt. SCHAUB

Kreis M arb u rg -Bieden ko pf : Für das Amöneburger Becken wurden lediglich 2 Re- viere gemeldet (ECKSTEIN, JEIDE). WAGNER

Kreis Offenbach: Drei Brutplätze konnten gefunden werden: 6 Reviere in Egelsbach (FISCHER, WEBER), 4 Reviere in Weiskirchen (ERLEMANN) und ein Revier im NSG „Rotsohl und Thomassee" (SCHROTH). ERLEMANN Kreis Groß- Ge rau : Im südlichen Kreisgebiet wurden 10 Bp. bekannt. Der Brutbestand ist stark rückläufig (KRAFT, SCHAFFNER). ARNDT Kreis Darm stadt- Die b u rg : Im Altkreis Dieburg konnten insgesamt 34 Revierefestge- stellt werden (AK Dieburg). HEIMER

Ortolan - Emberiza hortulana Schwel m -Ed e r-Kreis : Am 9. und 26. Mai Beobachtung eines im „Tagebau Gombeth" (SCHAUB, STÜBING). SCHAUB

Kreis Marburg-Biedenkopf : Vom 23.April bis28.Mai konnte eine (auch singend) am Baggersee Niederweimar beobachtet werden; am 20. Mai gelang auch die Beobachtung eines 9. Ein weiteres singendes 2 nahe der Kläranlage Roth. KRAFT

Zippammer - Emberiza cia

R he ingau-Tau n u s-Krei s : Eine Bestandserfassung am Mittelrhein, d. h. von Rüdes- heim, Strom-km 527, bis zur Landesgrenze, Strom-km 544, konnten FLEHMIG und Mitarbeiter 43 Reviere feststellen. Der Bestand war gegenüber der Erfassung 1989 konstant geblieben. Auffallend war, daß sich die Mehrzahl der Reviere im unteren Bereich der Hänge konzentrierte. FLEHMIG

Erlenzeisig - Carduelis spinus Kreis Marbu rg -Biedenkopf : Auf den Marburger Lahnbergen wurden 2 Bp. beobach- tet; ein Paar hatte 3 Junge. KRAFT

Birkenzeisig - Carduelis flammea Schwel m -Eder-Kreis : Brutnachweise und -hinweise wurden aus 14 Gemeinden bekannt. „Jahr für Jahr" werden neue Brutvorkommen entdeckt (STÜBING und Mitarbeiter). SCHAUB

Werra-Me i ßner-Kreis : Erfolgreiche Bruten wurden in Eschwege-Struth (WAM- MESSER) und in Sontra (SCHLEUNING) beobachtet.SCHLEUNING beobachtete MitteJuni und Anfang September je einen Familienverband mit 3 bzw. 2 Jungen in Sontra und vermutet zwei Bruten eines Paares. BRAUNEIS 115 Kreis M arbu rg -Bieden kopf : Brutzeitbeobachtungen (Bruten, Reviere, singende 22) gelangen in folgenden Gemeinden: Biedenkopf-Wallau, Wetter, Cölbe, Marburg, Gisselberg, Wenkbach, Kirchhain, Rauischholzhausen, Stadtallendorf, Neustadt, Momberg. Neben der Besiedlung des gesamten Lahntales und Teilen des Ohmbeckens sind nun auch die östlichen und nordöstlichen Kreisteile besiedelt. Damit besteht ein Anschluß zur Population im Schwalmbecken. WAGNER KRAFT konnte z. B. folgende Revierzahlen ermitteln: im Südviertel der Stadt Marburg (ca.100 ha) 20 Reviere, im Bereich Cappel mind. 25 Reviere, Marburg Nordstadt, Ortenberg, Schüler- park ebenfalls 25 Reviere, im südlichen Lahntal 10 Reviere und 4 Reviere auf den Lahnbergen (Marburg). KRAFT

La hn-Dill -Kreis: In Solms wurden 18 Bp. beobachtet. Erstnachweise gelangen für die Gemarkungen Bonbaden, Biskirchen, Mudersbach und Hermannstein (NEITZSCH, VEIT). VEIT

Vogelsbergkreis: 2 Bp. wurden in Alsfeld beobachtet. FREY Stadt und Kreis Fulda: Eine weitere Ausbreitung der Brutpopulation in die nördlichen und westlichen Stadtteile Fuldas sowie in das Zentrum der Stadt (Plätze mit Gehölzen, Parkan- lagen und Gärten) wird beobachtet. In der angrenzenden Gemeinde Petersberg gelangen ebenfalls Bruthinweise. Es gibt z. Z. keinerlei Anzeichen dafür, daß sich die Art auch im übrigen Landkreis ausbreitet. JOST Wetteraukreis: Brutverdacht bestand in folgenden Gemeinden: ein Paar in Assenheim (EICHELMANN), je 2 Paare in Bingenheim und Büdingen (SEUM) und 5 Bp. im Raum Bad Vilbel (ARMBRUST, KRÜGER). SEUM Wiesbaden : An mind. drei Stellen wurden fütternde Altvögel beobachtet. FLEHMIG

Main -Tau-Kreisnus : Je ein Bp. in Hattersheim (Sportplatz/Schwarzbach) und Kriftel (Schwarzbach-Park). FEHSE

Karmingimpel - Carpodacus erythrinus Schwel nn- Ed er- Kreis : Am 27. und 28. Juni ein ausgefärbtes d' singend bei Melsungen (RANK). SCHAUB Stadt Wiesbaden: Auf dem Wasserwerksgelände in Schierstein konnte vom 11. Juni bis zum 9. September ein 9-farbenes, singendes beobachtet werden (GIPPERT, MALLACH). FLEHMIG

Pirol - Oriolus oriolus Sch wa I m - Ed er- Kreis : Nach wie vor sehr niedriger Bestand mit nur 5 -6 Revieren; viele alte Brutplätze waren nicht mehr besetzt (WILKE). SCHAUB Marbu rg : Im Lahntal konnten nur noch 8 Reviere festgestellt werden; Population ist rückläufig. KRAFT Wetteraukreis: 7 Brutreviere mit insgesamt 26 -29 singenden cl'e wurden bekannt: 4 Reviere im Park und Wald von Bad Nauheim (KOCH, NEIN),je 2 Reviere in Schwalheim (NEIN), Bingenheim (SEUM), Schloßpark und Wald in Assenheim (EICHELMANN), ein Revier in Nieder Florstadt (EICH ELMANN), 3 Reviere an derWetter bei Rockenberg bis Griedel (LANG) und 12-15 Reviere im Raume Bad Vilbel (ARMBRUST, KRÜGER u. a.). SEUM 116 Dohle - Corvus monedula Werra-Meißner-Kreis : Im gesamten Kreisgebiet nur als Gebäudebrüter bekannt: Burg Ludwigstein bei Witzenhausen, Margot-von-Schutzbar-Stift in Wommen und Autobahn- brücke in Wommen. BRAUNEIS Kreis Marburg -Biedenkopf : Neben den Brutkolonien (Gebäudebruten) in Schweins- berg und Marburg (mind. 31 Bp./KRAFT) gibt es noch 3 Waldkolonien. 3 Bp. in Buchenaltholz bei Neustadt (Erstnachweis, ERLEMANN) und 2 ebenfalls in Buchenaltholz-Beständen im Burgwald (WAGNER). WAGNER Wette rau kreis : Drei größere und zwei kleine Kolonien wurden gemeldet: 35 Bp. Schloß in Ortenberg, ca. 40 Bp. im Stadener Park in Platanen, ca. 5 Bp. bei den „24 Hallen" in Friedberg (SEUM) und je ca. 2 Bp. Dankeskirche, Bad Nauheim (NEIN) und Christmühle an der Wetter (LANG). SEUM Kreis Offenbach: 3 Baumbruten im Staatsforst Langen (BÖHM). ERLEMANN Kreis Da rmstadt- Die bu rg : Im Altkreis Dieburg konnte HILLERICH und Mitarb. 12 -15 Bp.feststellen,davon brüteten 9 Pare im „Mittelforst" in derGemarkung Semd. HEIMER

Saatkrähe - Corvus frugilegus Frankfurt am Main: Im Stadtteil Höchst existieren 3 Kolonien: 8 Bp. Werksgelände der Höchst AG, 5 Bp. Hostato-Schule und 9 Bp. in der Liederbacher Straße. Die größte Kolonie mit 18 Bp. befindet sich auf der südlichen Mainseite in Schwanheim (MEIXNER). MENIUS Main-Kinzig -Kreis: Zwei Neuansiedlungen wurden bekannt: 10 Bp. am Mainufer in Hanau-Klein Auheim und 6 Bp. am Main bei Groß Krotzenburg. Alle Nester befanden sich auf Pappeln. LÖB, SCHROTH 6 weitere Kolonien wurden registriert:16 Bp. und 12 Bp. in Erlensee (NEUMANN, PETER), 68, 82 und 2mal 20 Bp. in Gelnhausen (PETER). KEMPF

Kolkrabe - Corvus corax Schwa I m - Ed er-Kreis: 2 Bp. (einmal 3 Junge) sowie möglicherweise ein weiteres Revier, keine weitere Ausbreitung (RANK, SCH RÖDER, WILKE u. a.). SCHAUB Werra-Meißner-Kreis : In allen Waldungen des Kreisgebietes wird der Kolkrabe beobachtet. Der Gesamtbestand wird mit 7-10 Bp. angegeben. BRAUNEIS Kreis MarburgMarburg-Biedenkopf: Das seit Jahren im Burgwald ansässige Paar hatte wohl eine erfolgreiche Brut: es konnte ein ausgeflogener Jungrabe beobachtet werden. Der Horst- platz blieb unbekannt. Ein zweiter Brutplatz bei Schönstadt war - wie 1990 - nicht besetzt (WAGNER). WAGNER Vogelsberg kreis: 1 Bp. wurde gemeldet; Brutplatz in Grebenau-Schwarz. FREY Stadt und Kreis Fulda : Sowohl im Nord- und Nordostteil des Landkreises als auch in der Stadt Fulda konnten mehrfach Kolkraben beobachtet werden. Ein Brutnachweis gelang bisher jedoch nicht. JOST

Zitiervorschlag: LANDAU, G. in K. FIEDLER (1992): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991. - Vogel u. Umwelt 7: 110. oder FREY, K. u. TH. GREGOR (1992): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991. - Vogel u. Umwelt 7: 111.

Anschrift des Verfassers: KLAUS FIEDLER, Kantstraße 7, 6050 Offenbach/Main 117 Neue Literatur

KÖTHE, R. (o. J.): Kleine Geschichten fürVogelfreunde.- Gesammelt und herausgegeben von RAINER KÖTH E. - 144 S., 38 SW-Zeichnungen. - Engelhorn Verlag, Stuttgart. - ISBN 3-87203-126-0. In dem von RAINER KÖTHE herausgegebenen Bändchen „KLEINE GESCHICHTEN FÜR VOGELFREUNDE" finden sich lustige und ernste Erzählungen und Gedichte aus aller Welt, von der Antike bis zum 20. Jahrhundert: von brasilianischen Reihern bis zum finnischen Hühnerhabicht,von den römischen Gänsen des Kapitols biszu den schwedischen Wildgänsen Selma Lagerlöfs. Und natürlich fehlt -neben weiteren Autoren wie Charles Baudelaire,Wilhelm Busch, Rainer Maria Rilke, Horst Stern, Eduard Mörike und Annette von Droste-Hülshoff- auch Christian Morgenstern nicht: „Die Möwen sehen alle aus, als ob sie Emma heißen ... " Dieses sehr lesenswerte Büchlein (10 x15,5 cnn) kann empfohlen werden, wenngleich der Preis dem Rezensenten etwas zu hoch erscheint. K. FIEDLER

PETER, H. (1990): Waldrappdämmerung am Euphrat. - 106 S., 15 SW-Fotos, Paperback, 13,5 x19,5 cm. - Max Kasparek Verlag, Heidelberg. - ISBN 3-925064-08-7. Vor einigen Jahrzehnten brüteten noch Hunderte der sagenumwobenen Waldrapps in den weißen Kalkwänden über dem Euphrat an der türkisch-syrischen Grenze. Die Bevölkerung des Städtchens Birecik schützte und verehrte den „Kela9nak", wie sie „ihre" Waldrappe nannten. Massive Pestizideinsätze führten zu einem steten, unaufhaltsamen Rückgang der Brutkolonien, bis letztlich 1989 diese Ibisart im Nahen Osten ausstarb. Der Autor beschreibt sehr eindrucksvoll seine Erlebnisse, die er während mehrerer Aufenthalte in Birecik hatte. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Kolonie, sondern bezieht auch die Landschaft mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt in seine Schilderungen ein. Dieser Erlebnisbericht mit einem „traurigen Ende" dürfte nicht nur für Türkeireisende eine interessante Lektüre sein! K. FIEDLER

MÜCKE, H. (1991): Vogelvolk im Garten. -152 S., 36 Farbfotos, LB Naturbücherei.- Landbuch- Verlag, Hannover. -12 x 17 cm. ISBN 3-7842-0456-2. Gärten können für bedrohte Tiere, auch Pflanzen wichtig sein; ja man kann sie als Biotop- inseln und Ökozellen bezeichnen. Je größer und vielgestaltiger ein Garten ist, umso reichhal- tiger ist seine Vogelwelt. Was wäre ein Garten ohne Vögel? Der Autor stellt in seinem Büchlein 36 Vogelarten vor, wobei jede Art durch ein Farbfoto bester Qualität dargestellt wird. Zu jeder Vogelart (Ringeltaube, Buntspecht, Wendehals und 33 Singvögel) werden kurze, prägnante Aussagen zur Verbreitung, zum Lebensraum, zu den Merkmalen, zur Stimme, zum Verhalten, Nest, Gelege, zur Nahrung und Brut gemacht. „Vogelvolk im Garten" ist ein ansprechendes Bändchen, das nicht nur Gartenbesitzer empfohlen werden kann, sondern auch allen anderen an der Vogelwelt Interessierten. K. FIEDLER 118 Fledermäuse als Beute des Wanderfalken (Falco peregrinus)

1. Einleitung

Bei der jährlichen Kontrolle eines Wanderfalkenhorstes wurde unter den Beuteresten auch der Flügel einer Fledermaus aufgefunden. Dieser bemerkenswerte und ungewöhnliche Fund gab Anlaß zu weiteren Nachforschungen, die hier kurz dokumentiert werden.

2. Eigene Beobachtungen

Der Horst eines seit 1986 erfolgreich brütenden Wanderfalkenpaares im Main-Kinzig-Kreis wurde nach Abschluß der Brutsaison am 26. 9. 1991 auf Beutereste untersucht. Die Horstplatt- form befindet sich am Kühlturm eines Großkraftwerkes in ca. 100 m Höhe auf dem Metall- gitterrost einer Außenleiter. Auf der Horstplattform konnten Reste folgender Beutetiere aufgesammelt werden: Haustaube (Columba livia forma domestica) 22 Exemplare Star (Sturnus vulgaris) 10 Ex. Mauersegler (Apus apus) 2 Ex. Buntspecht (Dendrocopus major) 1 Ex. Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) 1 Ex. Stieglitz (Carduelis carduelis) 1 Ex. Fledermaus, rechter Flügel 1 Ex. Nach Messungen an dem im Horst aufgefundenen Flügel und nach dem Vergleich der Maße mit Fledermaus-Präparaten im Senckenberg-Museum, Frankfurt/M., kann eindeutig davon ausgegangen werden, daß es sich bei dervom Wanderfalken erbeuteten Fledermaus um einen Abendsegler (Nyctalus noctula) handelt.

Tabellel: Maße (in mm) des am 26. 9. 1991aufgefundenen Flügels im Vergleich zu Präparaten von Nyctalus noctula aus dem Senckenberg-Museum (SMF 7312 d SMF 7313 9 Marburg/Lahn, E. Zippelius leg. 2. 3. 1948).

leg. 26. 9. 91 SMF 7312 2 SMF 7313 9

Unterarm: 54,2 52,0 52,4 Daumen: 5,9 5,8 5,5 3. Finger Metacarpale: 50,7 51,8 50,7 1. Phalange: 20,2 20,5 20,1 2. Phalange: 14,8 14,6 14,2 4. Finger Metacarpale: 49,5 49,3 50,4 1. Phalange: 19,6 19,8 19,4 5. Finger Metacarpale: 39,3 39,3 40,0 1. Phalange: 10,2 11,1 11,1

119 3. Fledermäuse im Beutespektrum des Wanderfalken

Zunächst mag es verwundern, daß ein tagaktiver Beutegreifer nachtaktive Tiere, wie es Fleder- mäuse sind, schlägt. Dies kann jedoch in folgenden Ausnahme-Situationen eintreten:

Einige Fledermausarten wie Abendsegler (Nyctalus noctula), Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) bewältigen jährlich saisonale Wanderungen, ähnlich wie Zugvögel. Bei der Herbstwanderung im September in südwestlicher Richtung zum Aufsuchen der Winterquartiere können besonders Abendsegler auch schon in den hellen Nachmittags- stunden fliegend beobachtet werden, z.T. gemeinsam mit Schwalben (eigene Beobach- tungen). Dabei konnten Wanderstrecken zwischen Sommer- und Winterquartier bis zu 1600 km nachgewiesen werden (SCHOBER & GRIMMBERGER 1987). Bei diesen Wanderflügen können Fledermäuse somit Beute von Tag-Greifvögeln werden, wie auch andere Beobachter melden und in der Literatur berichtet wird. Neben dem Wanderfalken wurden auch sehr selten Turmfalke (Fa/co tinnunculus), Baumfalke (Falco subbuteo) und Sperber (Accipiter nisus) bei der Fledermausjagd beobachtet (UTTENDÖRFER 1952).

4. Weitere Beobachtungen und Literaturfunde

Dr. WINTER, Seligenstadt (persönl. Mitteilung) hat bei Beizflügen seiner Zucht-Wanderfalken wiederholt Kontakte zwischen Wanderfalken und Fledermäusen beobachtet. Allerdings kam es nach seinen Angaben nie zum erfolgreichen Beuteflug des Falken. Vielmehr konnte die Fledermaus aufgrund ihrer hohen Wendigkeit jedesmal entkommen. SCHMID (1981) berichtet von einem Wanderfalken-Jagdflug am Thunersee (Schweiz) auf eine Fledermaus, wobei der Falke rund zehnmal ansetzen mußte, um das Tier schließlich zu erbeuten und in der Luft zu kröpfen. SCHULZE (1989) fand den Flügel einer Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) am Kröpf- platz eines Wanderfalken, der sich auf dem Flachdach eines Büro-Hochhauses in Sanger- hausen, Sachsen-Anhalt, befand. STRIJBOS (1941a, b) berichtet von zwei beringten Fledermausflügeln in den Beuteresten eines Wanderfalken, die anhand der Ringnummern als Abendsegler identifiziert werden konnten (Hemsteede, Niederlande). Zwei weitere Beobachtungen liegen aus dem französischen Jura (Doubs-Tal) vor. In beiden Fällen wurde die Fledermaus in der Luft gegriffen und sofort gekröpft, wobei einmal sogar die Flügel mitgefressen wurden (DUQUET& MORLET 1986). AYMERICH & GARCIA de CASTRO (1982) fanden in Humanes, Prov. Guadalajara (Spanien), Reste einer Bulldogfledermaus (Tadarida teniotis) an einem Wanderfalkenhorst. Einen frühen Nachweis erbrachte VASVARI bereits 1930 bei der Präparation eines Wander- falken, in dessen Magen die Reste eines Abendseglers gefunden wurden. Das Tier stammte aus ZemplAn, Ost-Slowakei. FISCHER (1977) berichtet u. a. von texanischen Wanderfalken, die abends regelmäßig vor großen Fledermaushöhlen die ausfliegenden Tiere (Tadarida spec.) erbeuten. Dabei soll es ausnahmsweise vorkommen, daß der Falke in der großen Menge der Fledermäuse mit beiden Fängen gleichzeitig je ein Tier schlägt und dann im Fluge kröpft. 120 5. Zusammenfassung

Säugetiere zählen nur in Ausnahmefällen zum Beutespektrum der Wanderfalken (G LUTZ von BLOTZHEIM et al.1971). Noch seltener werden Fledermäuse vom Wanderfalken erbeutet. Die spärlich vorhandenen Beobachtungen dieses ungewöhnlichen Verhaltens sind im vorlie- genden Beitrag gesammelt und durch weitere neue ergänzt worden.

6. Danksagung

Herrn E. JUNG, Hainburg-Hainstadt, danken wir für die Organisation der Möglichkeit, den o.g. Wanderfalkenhorst zu besichtigen. Herrn Dr. D. KOCK, Senckenberg-Museum Frankfurt/M., sei herzlich für Literaturhinweise und die Bereitstellung von Sammlungsmaterial gedankt.

7.Literatur

AYMERICH, M. & R. F. GARCIA de CASTRO (1982): Predaciön de Falco peregrinus y Falco subbuteo sobre Quiröpteros. - Donana, Acta Vertebrata 9: 396 - 397. DUQUET, M. & L. MORLET (1986): Capture d'un chiroptbre par le Faucon p6lerin. - Nos Oiseaux 38: 297. FISCHER, W. (1977): Der Wanderfalk. - Neue Brehm-Bücherei, Nr. 380. - Ziemsen-Verlag; Wittenberg-Lutherstadt. GLUTZ von BLOTZHEIM, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1971): Handbuch der Vögel Mittel- europas, Bd. 4: Falconiformes. - Akad. Verlagsges.; Frankfurt/M.

SCHMID, H. (1981): Wanderfalke Falco peregrinus schlägt Fledermaus.-Ornithol. Beob. 78: 47. SCHOBER, W. & E. GRIMMBERGER (1987): Die Fledermäuse Europas. - Franckh'sche Verlagshand lung. - Stuttgart.

SCHULZE, W. (1989): Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) als Beute des Wanderfalken (Falco peregrinus).- Nyctalus (N. F.) 2 (6): 544. STRIJBOS, J. P. (1941a): Vleermuizen. - De Levende Natuur 45 (8/9): 158. STRIJBOS, J. P. (1941b): Slechtvalk en Vleernnuis.- De Levende Natuur 46 (7): 139 -140. UTTENDÖRFER, 0. (1952): Neue Ergebnisse über die Ernährung der Greifvögel und Eulen. -Verlag E. Ulmer; Stuttgart.

VASVARI, N. (1930): Fledermaus im Magen des Wanderfalken.- Aquila 36/37: 345.

Anschriften der Verfasser: MARTIN SCHROTH, Untere Naturschutzbehörde Hanau, Altstraße 24 - 30, 6450 Hanau 1. JULIA ALTMANN, Senckenberg-Museum, Senckenberg-Anlage 25, 6000 Frankfurt/M. 1. 121 Neue Literatur

HAMPICKE, U. (1991): Naturschutz-Ökonomie. - 342 S., 25 Abb., 32 Übersichten, UTB für Wissenschaft: Uni Taschenbuch 1650, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart. Anthropogene Eingriffe sind die wesentlichen Ursachen für Rückgang oder Verschwinden zahlreicher Tier-und Pflanzenarten. Wirtschaftliche Zwänge der Land-, Forst- und Wasserwirt- schaft sind - neben einer Reihe weiterer Faktoren -die Hauptgründe dafür. Es ist daher an der Zeit, diese überJahrzehnte erstreckende Fehlentwicklung zu stoppen und nach neuen Wegen zu suchen, die zu einer den ökologischen Gegebenheiten angepaßten Konzeption führen muß, d. h. es ist eine ökonomische Umorientierung zu vollziehen, die die ökologische Substanz erhält und fördert. Der Autor des vorliegenden Buches, Hochschullehrer für Ressourcen- und Umweltökonomie an der Gesamthochschule in Kassel, hat es sich zur Aufgabe gemacht, anstehende Probleme zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu machen, eine sicherlich nicht einfache Aufgabe. Behandelt werden: Umrisse des Problems, Ökonomische Analyse, sowie Anwendungen und Fallbeispiele. Ein Nachwort, ein Literaturverzeichnis und ein Sachregister beschließen das Buch. Es werden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die sich durchaus rea- lisieren lassen. Vermittelt werden auch Grundwissen und notwendige Argumentationshilfen. Eine,wie alle UTB-Bücher, vornehmlich an Studenten gerichtete Schrift, die aber auch dem im Naturschutz Tätigen nützlich sein dürfte. Es werden u. a. Denkanstöße gegeben, die sich lohnen, weiter verfolgt zu werden. W. KEIL

SCHULZE, A. (1991): Vögel in der Stadt. - 64 S., 70 Farbfotos, Verlag Gräfe und Unzer GmbH, München. In der Reihe GU Kompaß wird jetzt ein Bändchen „Vögel in der Stadt"vorgestellt. Unsere Städte sind kein optimaler Lebensraum.Trotzdem haben sich in ihm eine ganze Reihe von Arten ange- paßt. Zu den typischen Vögeln gehören Haussperling, Amsel, Mauersegler, Stadt-und Türken- taube. Aber auch Turmfalke (z. B. im Stadtbereich Frankfurt mit 30 - 50 Brutpaaren vertreten) und Waldkauz finden geeignete Brutplätze. In den letzten Jahren tritt sogar derWanderfalke als Brutvogel auf (z. B. an Fernmeldetürmen und Kirchen). Darüberhinaus bietet Bewuchs an Häusern Starenschwärmen im Winterhalbjahr einen Schlafplatz. Größenordnungen von bis zu 5000 Tieren an einem solchen Schlafplatz sind keine Ausnahme. Insgesamt werden 49 Voge- larten in Wort und Bild vorgestellt. Darüberhinaus werden aber auch Hinweise zu Vogelschutz- maßnahmen gegeben, wie etwa die Schaffung von Nistmöglichkeiten, die der Neuanlage bzw. Verbesserung von Lebensräumen dienen. Das sehr handliche Büchlein gibt die Möglichkeit, „Natur in der Stadt neu zu entdecken". Für den Stadtbewohner ein sehr preiswerter Begleiter bei Spaziergängen vor der eigenen Haustüre. W. KEIL

Naturschutz und Landschaftsplanung - Zeitschrift für angewandte Ökologie. - Schriftleitung Dr. E. JEDICKE. Erscheinungsweise 6 mal jährlich. Eugen Ulmer Verlag Stuttgart. - Preis für das Jahresab. DM 90,-, für Studenten u. Schüler DM 54,-. Von der Zeitschrift liegt jetzt H. 1/1992 vor. Auch dieses Heft bringt wieder eine ganze Reihe kleinerer und größerer Beiträge zu Fragen angewandter Ökologie. Beispielhaft genannt seien: Biotopverpflanzung als Ausgleichsmaßnahme, Einfluß des Bisams auf die Vegetation,Avifauna im Sippenauer Moor bei Kehlheim und Naturschutz in der Bauleitplanung. Der von mir bei der Besprechung auf S. 372 in H. 5/6, 1991 von „Vogel und Umwelt" genannte relativ hohe Preis wurde für das Jahresabonnement ab 1992 von 120,- DM auf DM 90,- (für Studenten und Schüler auf DM 54,-) gesenkt. Nunmehr ein sicher akzeptabler Preis. W. KEIL 122 Erfolgreiche Brut des Bienenfressers (Merops apiaster) im Kreis Hersfeld-Rotenburg

Das Brutareal des Bienenfressers erstreckt sich von Marokko und Spanien über Süd- frankreich, Italien, Griechenland, den vorderen Orient und Mittelasien bis nach Nordindien. Weiter gibt es Brutvorkommen im Wiener Becken, Ungarn und Polen. Im 20. Jahrhundert hat sich die Art allmählich nordwärts ausgebreitet. Vereinzelte Vorstöße bis auf die Britischen Inseln und nach Skandinavien sind dokumentiert. Aus Deutschland wurden über 20 Bruten in diesem Jahrhundert bekannt, darunter kleine Kolonien bis zu sechs Brutpaaren (BEZZEL et al. 1980, HÖLZI NG ER et al. 1970). Der Bundesdeutsche Seltenheitenausschuß geht davon aus, daß einzelne Bruten wohl alljährlich in allen Teilen Deutschlands stattfinden. Aus Hessen liegen bisher Meldungen über drei Bruten vor: je ein Brutpaar 1889 bei Ziegenhain, 1971 bei Hofgeismar (SCHUMANN 1971) und 1973 in Dutenhofen, Lahn-Dill-Kreis (PFAFF 1974). Nach- folgend soll über eine weitere erfolgreiche Brut in Hessen bei der Ortschaft Lüdersdorf im Kreis Hersfeld-Rotenburg berichtet werden, wobei darauf verzichtet wird, hinreichend bekannte Daten aus der Brutbiologie zu wiederholen. Es sollen nur die spezifischen Angaben für diese Brut dargestellt werden. Der Brutbiotop liegt im Naturraum Fulda-Werra-Bergland 240 m NN in einer etwa 200 m langen und 80 m breiten Sandgrube, die zunn Teil noch ausgebeutetzum Teil bereitswieder mit Erdaushub verfüllt wird. Die Brutwand ist nach SE exponiert, ca.35 m breit und bis zu 8 m hoch. Die beiden Brutröhren lagen 90 bzw. 120 cm unterhalb der Oberkante im mittleren und damit höchsten Abschnitt derWand, ihr Abstand voneinander betrug ca. 8 m.Vergesellschaftet waren sie mit 110 Röhren von Uferschwalben Riparia riparia, davon 30 besetzt. Am Rand der Grube erstrecken sich schmale Ruderalflächen, östlich stehen ein paar alte Obstbäume, westlich ein größeres Feldgehölz, dahinter ein kleiner Fischteich und Weideflächen. Am Südrand verläuft ein kleiner Bach mit üppiger Ufervegetation. Die flach hügelige weitere Umgebung besteht aus intensiv genutztem Ackerland, etwa 2 km westlich beginnt ein Waldgebiet. Die Erstbeobachtung von drei Altvögeln muß retrospektiv auf den 6. 7. 1991 datiert werden. Balz und Höhlenbau wurden nicht bemerkt. Am 21. 7. 1991 wurden Ein- und Ausflüge an zunächst einer bereits fertiggestellten Röhre beobachtet, möglicherweise schon Brutablösungen. Am 28.7. beobachteten wir gleichzeitig vier Altvögel und entdeckten eine zweite beflogene Röhre. Am 7.8. konnten erstmals eindeutig futtertragende Altvögel an dieser Röhre gesehen werden. Bis zum 17.8. wurden noch Brutablösungen an der ersten Röhre registriert, danach scheint dieser Brutversuch aufgegeben worden zu sein. Von diesem Zeitpunkt an fütterten an der zweiten Röhre drei Altvögel, d. h. ein Aufzuchthelfer aus dem gescheiterten Brutversuch an der ersten Röhre. Über den Verbleib des einen Altvogels kann nur spekuliert werden. Da mehrfach Sperber Accipiter nisus und Habicht Accipiter gentilis in der Sandgrube gesehen wurden, erscheint ein Verlust durch Predation nicht unwahrscheinlich. Vom 24. 8. 1991 an konnten deutliche Bettellaute von Jungvögeln vernommen werden, und am 28.8. saß ein erster Jungvogel im Röhreneingang. Am 3. 9. 91 war mindestens ein Jungvogel flügge, übernachtete aber noch in der Bruthöhle, wo ein weiterer im Eingang zu sehen war. Am 9. 9. 1991 schließlich war die Röhre verlassen. In der Umgebung der Sandgrube konnte der ganze Familienverband, bestehend aus drei Altvögeln und drei Jungvögeln, bei Nahrungs- flügen beobachtet werden. Spätere Nachkontrollen erbrachten keinen Nachweis mehr. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es sich wie meist bei den sporadischen nördlichen Bruten um eine Spätbrut handelte. Der Bruterfolg des erfolgreichen Paares war mit drei flüggen Jungen sehr gut, da in nördlichen Regionen meist nur 1-2 Junge aufgezogen werden können. Vermutlich hat sich das günstige Wetter positiv ausgewirkt. 123 Fütterungsfrequenzen, tageszeitliche Aktivitäten, Beutespektrum etc. entsprachen den bekannten Verhältnissen, wobei Schmetterlinge wegen des reichlichen Vorkommens an erster Stelle standen. Erwähnenswert erscheint noch, daß im Gegensatz zu Angaben in der Literatur Schmetterlinge (z. B. Tagpfauenauge Inachis io, Admiral Vanessa atalanta) und Libellen (Blau- grüne Mosaikjungfer Aeschna cyanea) offensichtlich mit Flügeln verfüttert wurden.

Ein Merkmal derJungvögel wird in der Bestimmungsliteratur nicht genannt. Bei den im Röhren- eingang sitzenden Jungen war in der hellgelben Färbung der Kehle eine deutliche dunkle Längsstrichelung zu erkennen.

Die Brut wurde vom Erstbeobachter Karlheinz BOTH dem Bundesdeutschen Seltenheiten- ausschuß gemeldet.

Literatur:

BEHRENS, H., K. FIEDLER, H. KLAMBERG & K. MÖBUS (1985): Verzeichnis der Vögel Hessens. - Frankfurt/M. - S. 68 BEZZEL, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas. -Wiesbaden. - S. 686 - 689. BEZZEL, E., F. LECHNER & H. RAN FTL (1980): Arbeitsatlas der Brutvögel Bayerns. -Themen der Zeit Nr. 4. - Greven. - S. 88.

GEBHARDT, L. &W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. - Frankfurt/M. - S. 298.

G LUTZ V. BLOTZH E I M, K. N. & K. BAUER (1980): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. -Wies- baden - Bd. 9: 790 ff.

HÖLZI NGER, J., B. KROYMANN, G. KNÖTZSCH &K.WESTERMANN (1970): Die Vögel Baden- Württembergs - eine Übersicht. - 5.109 - 110.

PETERSON, R., G. MOUNTFORT & P. A. D. HOLLOM (1985): Die Vögel Europas. - 14. Aufl. Hamburg Berlin.

PFAFF, H. in K. FIEDLER (1974): Kurze faunistische Mitteilungen aus Hessen (8). - Luscinia 42: 149.

SCHUMANN, G. (1971): Brut des Bienenfressers 1971 in Nordhessen.-Luscinia 41: 153 -159. STAATL. VOG ELSCHUTZWARTE FÜR HESSEN, RHEINLAND-PFALZ U. SAARLAND &NESS. GESELLSCHAFT FÜR ORNITHOLOGIE U. NATURSCHUTZ E.V. (Hrsg.) (1987): Rote Liste der bestandsgefährdeten Vogelarten in Hessen - 7. Fassung, Stand 1. Januar 1988. - Vogel und Umwelt 4: 335 - 344.

Anschrift des Verfassers: Dr. KARL-HEINZ ANHUT, Fritz-Rechberg-Str. 114, 6430 Bad Hersfeld 124 Neue Literatur

BURTON, R. (1991): Vogelflug. - 160 S., 135 Farbf., 49 Grafiken, 4 Tab., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. Stuttgart.

Der Vogelflug hat schon seit Jahrtausenden den Menschen fasziniert. Ebenso lange wird aber auch der Frage nachgegangen, wie der Vogel fliegt. Erst durch die Verwendung moderner Techniken war es möglich, Einzelheiten von Vogelbewegungen aufzuzeichnen und deren Abläufe zu analysieren. Der Flug spielt in allen Lebensphasen eine wichtige Rolle, geht es dabei um den Beuteerwerb, die Werbung um den Partner im Frühjahr oder den jahreszeitlich bedingten Zug in das Winterquartier oder umgekehrt.

Das von einem englischen Autor verfaßte Buch wurde von einem der besten Kenner der Materie, Prof. Dr. Rüppell, Braunschweig, in seiner deutschen Fassung überarbeitet. Die Hauptkapitel befassen sich mit dem Vogel als Flugmaschine, den besonderen Flugmanövern, dem Flugstil und dem Leben in der Luft. Ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Namen, Literaturangaben und ein Register beschließen den Band. Die denn Text beigefügten Farbfotos sind besonders brillant und begeistern selbst den verwöhnten Betrachter. Das populär- wissenschaftliche Sachbuch informiert umfassend über den neuesten Stand der Forschung. Ein sehr empfehlenswertes Werk, nicht nur für Lehrende, sondern auch für den Feld- ornithologen und naturwissenschaftlich Interessierten. W. KEIL

SCHÜTT, P., H. J. SCHUCK & B. STIMM (1992): Lexikon der Forstbotanik. - 581 S., über 400 Farbabb., 33 Bildtafeln rund 300 SW-Abb., ecomed-Verlagsgesellschaft Lands- berg/ Lech. In erschreckendem Maße breitet sich das Waldsterben aus. Die jährlich von der Forstwirtschaft veröffentlichten Zahlen über Waldschäden sind alarmierend. Während anfangs überwiegend Nadelholzbestände gefährdet schienen, werden nunmehr in steigendem Umfang auch Laub- holzbestände betroffen. Dies gilt nicht nur für Europa, sondern die gesamten Waldbestände unseres Planeten sind betroffen. Dazu kommt noch der verantwortungslose Raubbau im Bereich der tropischen Regenwälder. Es ist - von Spezialisten abgesehen - nicht einfach, die recht komplexen Zusammenhänge, die als Ursache für das Waldsterben angesehen werden, zu durchschauen. Es tauchen in Schadensberichten Fachausdrücke auf, die auch in vielbän- digen Lexika nicht zu finden sind. Das jetzt vorgestellte Lexikon der Forstbotanik erklärt über 8500 Stichwörter der Morphologie, Pathologie, Ökologie und der Systematik von Baum- und Straucharten. Die rund 1000 Kurzbeschreibungen dieser Pflanzen geben u. a. Auskunft über Kennzeichen, Standortansprüche, Lebensraum, Wuchsleistung und wirtschaftliche Nutzung. Die Bearbeitung der verschiedenen Themenkreise erfolgte durch ein mit der Materie wohl vertrautes Autorenteam. Das Lexikon ist ein Standardwerk, welches nicht nur den in der Forst- wirtschaft Tätigen ein unentbehrlicher Ratgeber ist. Auch für den Nichtforstmann sollte das Werk einen Stammplatz in der Hausbibliothek haben. Sein Kauf kann sehr empfohlen werden. W. KEIL

GOSLER, A. (1991): Die Vögel der Welt. - 381 5.,1400 Farbfotos, Franckh-Kosmos Verlags- GmbH & Co. Stuttgart. Rund 9000 Vogelarten leben auf der Erde, von denen etwas mehr als 1000 von der Ausrottung bedroht sind. Das jetzt in deutscher Übersetzung vorliegende Buch beschreibt rund 1400 125 Arten und nennt sich „Eine Kosmos-Enzyklopädie". Nach den 6 tiergeographischen Regionen (Nearktis, Neotropis, Paläarktis, Afrotropis, Orientalis,Australiasis) gegliedert,werden einzelne Arten in Wort und Farbfoto vorgestellt. Nach einem Vorwort von Dr. Christopher Perrins, dem Direktor des Edward Grey Institute of Fieldornithology, folgen allgemeine Abschnitte, die in das Buch einführen (Entstehung der Vögel, Systematik,Vogelbestimmung). Nach dem Kapitel „Die Vogelfamilien der Welt", in dem kurze Angaben über Merkmale, Verbreitung und Lebensraum, Brutbiologie und Nahrung gemacht werden, stellt der Autor nach den genannten tiergeo- graphischen Regionen die einzelnen Arten vor. Hauptteil bildet dabei die Beschreibung. Fernerwerden Angaben zurVerbreitung gemacht und diejenigen Arten angegeben, die wegen eines ähnlichen Federkleides zu Verwechslungen führen können. Eine Liste derVögel derWelt (mit Angaben zu ihrer Verbreitung und Gefährdung), ein Register und ein Adressenverzeichnis beschließen das sehr informative Buch. Die beigegebene Bebilderung mit Farbfotos ist von hoher Qualität. Hier wird ein Band angeboten, der ein außergewöhnliches Nachschlagewerk darstellt und eine wertvolle Bereicherung einer jeden ornithologisch/naturwissenschaftlich ausgerichteten Bibliothek ist. W. KEIL

STEINBACH, G. (Hrsg.); (1991): Werkbuch Naturbeobachtung.-128 S., 61 Fotos, 263 Zeichn., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. Stuttgart.

Wer mit wachen Sinnen durch Feld und Wald wandert, wird bald über den Wissensstand des Gelegenheitsbeobachters hinauswachsen und versuchen, in die Materie tiefer einzudringen. Dazu bedarf es aber einer entsprechenden Anleitung. Das hier vorgestellte „Werkbuch Natur- beobachtung" ist hierfür prädestiniert. Ein Team von 22 Autoren, die über reiches Wissen und über entsprechende Erfahrung verfügen, konnte dazu gewonnen werden. So wird der Leser unter den Oberbegriffen Naturbeobachtung-Naturerlebnis, über systematische Natur- beobachtung und Naturschutzarbeit informiert. Vom richtigen Verhalten in der Natur, über Beobachtungstips während des ganzen Jahres, Phänologie, Wetterbeobachtung, Tierspuren, Arbeitsmethoden verschiedenster Art, Beobachtung von Wirbeltieren, Insekten, Schnecken bis zur systematischen Naturbeobachtung spannt sich der Wissensstoff. Auch die praktische Naturschutzarbeit wird vorgestellt. Sehr umfangreich sind Literatur-und Adressenverzeichnis. Ein Register beschließt den Band. Fotos und eine Vielzahl guter Zeichnungen ergänzen den Text. Das Buch ist eine gelungene Sache und dürfte ein breites Publikum ansprechen. Für die Mitnahme bei Exkursionen ist der Band wegen seiner Großformatigkeit leider weniger geeignet. W. KEIL

LOHMANN M. & E. RUTSCH KE (1991): Vogelparadiese, Ost- und Mitteldeutschland. -3. Band, 241 S., 46 Farbfotos, 52 farbige Karten, 28 Vogelzeichn. - Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin.

Mit dem nunmehr vorliegenden 3. Band der Reihe Vogelparadiese ist die Übersicht über die bedeutendsten Vogelschutzgebiete in Deutschland abgeschlossen. Es werden insgesamt 48 Areale in den neuen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vorgestellt. Neben der Gebietsbeschreibung werden Angaben zur Größe und Lage, zur Vogelwelt (einschließlich Tabellen über die Brut- und Gastvogelarten) und deren jeweiligen typischen Vertretern, sowie über Vogelschutz, Betreuung, Beobach- tungsmöglichkeiten, lokale Betreuer und Literatur gemacht. Kartenausschnitte und Farbfotos ergänzen den jeweiligen Text. Insbesondere für den westdeutschen Ornithologen ist dieser Band eine überaus wertvolle Informationsquelle und ermöglicht die Vorbereitung und Durch- führung ganz gezielter Exkursionen in die einzelnen Gebiete. Es sollte dabei für jeden 126 Besucher jedoch oberstes Ziel sein, sich entsprechend der Bedeutung dieser Areale zu verhalten. Dies gilt insbesondere für viele Fotografen. Die gesetzlichen Bestimmungen sind denen in Westdeutschland voll angeglichen. Der 3. Band der Vogelparadiese ist eine wertvolle Informationsquelle für jeden natur- und vogelkundlichen Interessierten. W. KEIL

KREMER, B. P. (1991): Naturspaziergang Alpen. - 128 S., 143 Farbfotos, 7 Farbzeichn. - Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. Stuttgart.

KREMER, B. P. & K. JANKE (1991): Naturspaziergang am Meer. - 128 S., 152 Farbfotos, 16 Farbzeichnungen. - Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. Stuttgart.

In der Reihe der Kosmos Naturführer werden jetzt zwei Bände vorgestellt, die sich mit den Lebensräumen Alpen und Meeresküste befassen. Beide Regionen sind in jedem Jahr das Urlaubsziel vieler Besucher. Leider fallen dem Massentourismus viele Gebiete zum Opfer. Die Erstellung neuer Hotelbauten, die Intensivierung von Wasser- und Wintersport und andere dem Fremdenverkehr dienende Einrichtungen verdrängen mehr und mehr die autochtone Flora und Fauna auf die wenigen vorhandenen Schutzzonen. Nach einer allgemeinen Ein- führung in den Lebensraum Alpen bzw. Meeresküste wird der Leser nach den Jahreszeiten gegliedert mit Flora und Fauna bekannt gemacht. Eine brillante Bebilderung ergänzt den Text. Abschließend werden weiterführende Literatur und nützliche Adressen genannt. Ein Register beschließt den jeweiligen Band. Beide Bücher bieten dem naturkundlich interessierten Leser eine Fülle von Informationen und einen guten Einblick in die jeweiligen Lebensgemeinschaften im Jahresablauf. Die handlichen Naturführer werden sicher ihre Käufer finden. W. KEIL

BIELFELD, H. (1992): Weber, Witwen, Sperlinge. -164 5., 58 Farbfotos, 2. überarb. Auflage. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Zu den Kleinvogelfamilien der Weber, Witwen und Sperlinge gehören eine Vielzahl an farben- prächtigen Arten, was sicherlich einer der Hauptbewegungsgründe für deren Haltung ist. Hier werden dann an diesen exotischen Vogelarten in Käfig und Voliere u. a. Biologie und Verhalten studiert, und es wird der Versuch gemacht, diese Arten zur Fortpflanzung zu bringen. Letztlich ist für den Vogelliebhaber der Zuchterfolg der Höhepunkt seiner Bemühungen um die betref- fende Vogelart. In einführenden Kapiteln wird der Leser mit dem Leben dieser meist in sozialer Gemeinschaft lebenden Vögeln bekannt gemacht. Eine Ausnahme bildet die Familie der Witwen. Sie sind Brutparasiten, die ihre Jungen von anderen Arten aufziehen lassen. Weiter wird über Haltung und Pflege, Ernährung und Zucht berichtet. Im Hauptteil des Buches werden 157 Arten vorgestellt. Sie werden beschrieben, und es wird über ihre Herkunft und Lebens- weise berichtet, ebenso über Zucht in Gefangenschaft, soweit diese gelungen ist. Farbige Vogelfotos ergänzen den Text. Hinweise über Vereine, Zeitschriften und Literatur sowie ein Register beschließen das Buch. Für den Liebhaber dieser Exoten ist die Publikation sicherlich eine Fundgrube fachlichen Wissens und praktischer Ratschläge.

Leider wird ein Kapitel über das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen vermißt. Die WA-Bestimmungen werden nun schon seit Jahren praktiziert. Nach Auffassung des Rezen- senten sind gerade in einem Buch über Exoten entsprechende Hinweise erforderlich.Auch die Frage des Transportes vom Fangort in Afrika oder Asien über den Luftweg nach Europa und letztlich zum Käufer sollte diskutiert werden. Er ist für die Vögel mit hohen Verlusten verbunden. Rechtfertigt die zumindest aus Tierschutz-Sicht sehr bedenkliche Verfahrensweise die Haltung dieser Vogelarten in Käfig oder Voliere? Hier sind m. E. Autor und Verlag gefordert. W. KEIL 127 WITT, R. (1992): Naturoase Wildgarten. -167 5.,141 Farbfotos, 1 SW-Foto, 38 farb. Grafiken. - BLV Verlagsgesellschaft München. Sich einen naturnahen Garten anzulegen, ist heute der Traum vieler Haus- und Grundstücks- besitzer. Meist beginnt es mit einem kleinen Tümpel, oft ein kreisrundes oder ovales einige Quadratmeter großes und bis zu 50 cm tiefes Loch, welches mit einer wasserundurchlässigen Folie ausgekleidet wird. Eingebracht werden mehr oder weniger einheimische Wasser- pflanzen, und der stolze Besitzer hofft nun, in kürzester Zeit einen mit Leben erfüllten Platz hergerichtet zu haben. Meist erweist sich die Wasserstelle als algenüberwucherte und mit Schnakenlarven angereicherte grünlich stinkende Brühe. Jetzt werden noch illegal schnell und heimlich irgendwo Frosch- oder Krötenlaich, ferner Wasserinsekten jeder Art entnommen, um den „Öko-Teich" zu sanieren. Die einzig Überlebenden - die Stechmücken - bleiben, die dann mit chemischen Mitteln bekämpft werden. Auch die Umwandlung eines mehr oder weniger gepflegten Rasens in eine Wildblumenwiese bedarf erheblicher Kenntnisse. Das jetzt vom BLV-Verlag vorgestellte Buch „Naturoase Wildgarten" - Überlebensraum für unsere Pflanzen und Tiere, Planung, Praxis und Pflege - bietet die Möglichkeit, Fehler zu vermeiden und ermöglicht so den systematischen Aufbau einer Zufluchtstätte für eine ganze Reihe von Tieren und Pflanzen. Die einzelnen Kapitel behandeln folgende Themen: Ein Wildgarten für jeden, Wildtiere im Wildgarten, Von der Planung bis zur Praxis, Beispiele helfen planen,Wiesen- garten, Wildstaudengarten, Wassergarten, Stein- und Felsengarten, Kletterpflanzengarten, Dachgarten, Der ideale Wildgarten. Eine umfassende tabellarische Übersicht über Wild- pflanzen, ein Literaturverzeichnis, Adressen und ein Register beschließen den sehr informa- tiven Band. Eine gute Bebilderung unterstreicht und ergänzt den Text. Ein rundum empfehlens- wertes Buch. W. KEIL

NORGALL, A. (1988): Beobachtungen zum Balzverhalten des Habichts (Accipiter gentilis) im Freiland. - Diplomarbeit an der Forstwiss. Fakultät der Univ. Göttingen, 187 S (DIN A5). Bezug: Überweisung von DM 15,90 auf das Konto 101116 028 der Stadtsparkasse Göttingen (BLZ 260 500 01). Der Habicht zählt zu den Greifvogelarten, die schon sehr lange und sehr intensiv beobachtet wurden und zu denen viele Veröffentlichungen vorliegen, so daß man der Meinung sein könnte, allzu viel Neues lasse sich kaum noch herausfinden. Liest man aber diese Arbeit, wird man erstaunt feststellen, wieviele Wissenslücken bisher noch bestanden haben, die - im Nach- hinein gesehen -durchaus eine so intensive Beschäftigung mit einer einzelnen Vogelart recht- fertigen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der sehr detaillierten Beschreibung und Analyse des gesamten Balzverhaltens. Dazu zählen die Balzrufe beider Partner, das Spreizen der Bruck und die Kopulation, das Horstzeigen des Männchens und das Inspizieren des Horstes durch beide Brutpartner, die Bettelrufe des Weibchens und die Beuteübergabe. Hinzu kommen Demonstrations- und Imponierflüge außerhalb des direkten Horstbereiches sowie das sog. exponierte Sitzen, mit dem vor allem unverpaarte Vögel auf sich und ihr Brutrevier aufmerksam machen wollen. Viele der beschriebenen Details hat der eine oder andere vielleicht auch schon beobachtet, ohne ihnen aber große Beachtung zu schenken. Der Autor dieser Arbeit analysiert jedoch jede noch so kleine Beobachtung und versucht, die Ursachen für die Verhaltensweisen des Habichts, die dadurch deutlich werden, zu ergründen. Nur dadurch ist es ihm möglich, bisher unbekannte oder falsch verstandene Verhaltensweisen des Habichts neu zu beschreiben und zu interpretieren, so daß selbst versierte Habichtskenner viele neue Hinweise finden werden. Neben dem Inhalt ist vor allem die Methode, wie beobachtet wurde und welche Schlüsse aus den Beobachtungen gezogen wurden, einer der interessantesten Teile dieser Arbeit. H. FRIEMANN 128

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Aoffleees

7"" Unna O Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7 Heft 3: 129-176 Dezember 1992 Inhaltsverzeichnis Seite

Berichte

J. JORDAN: Naturschutzoffensive in Hessen 131

A. HARBODT& K. RICHARZ: Hat das Rebhuhn (Perdix perdix) in Hessen eine Zukunft? - Informationen zum hessischen Rebhuhn-Untersuchungsprogramm - Teil I: Projektbeschreibung 143

A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (21) 153

A. KÖSTER: Untersuchung zur Etho-Ökologie der Elster (Pica pica) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) im Raum Korbach, Nordhessen 161

Kleine Mitteilungen:

P.& E. ERLEMANN: Bodenbrut vom Graureiher (Ardea cinerea) 171

Mitteilung der Redaktion 172

Neue Literatur: 160, 173 -176

130 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 131 -142 (1992)

Naturschutzoffensive in Hessen*) von JÖRG JORDAN, Wiesbaden

Gliederung Seite

1. Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden 132

2. Eine neue Offensive für den Naturschutz tut Not 133

3. Verstärkter Einsatz in traditionellen Bereichen 133

4. Das Rückgrat der neuen Naturschutzstrategie: Der landesweite Biotopverbund 134

5. Neue Verwaltungsstrukturen für neue Politik 135

6. Der notwendige Umbau der Landwirtschaftspolitik 136

7. Die Einführung der naturgemäßen Waldwirtschaft 137

8. Defizitfeld Bodenschutz 138

9. Ökologische Offensive auch in der Wohnungspolitik 138

10. Neue Anstöße für eine ökologisch orientierte Landesplanung 139

11. Eine neue Offensive für den Naturschutz braucht die Unterstützung der Bevölkerung 140

12. Im Sinne Willy Bauers wirken 142

*) Rede von Staatsminister Jörg Jordan anläßlich der Frühjahrstagung der Hessischen Gesell- schaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. am 10. Mai 1992 in . 131 1. Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden

Ich freue mich, die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz anläßlich ihrer Frühjahrstagung für die Hessische Landesregierung begrüßen zu können. Sie gehört zu den wichtigsten hessischen Naturschutzverbänden. Ihr Mitbegründer und langjähriger Vorsitzen- der Willy Bauer war über viele Jahre der eigentliche Motor der hessischen Naturschutzpolitik. Nicht zuletzt mit seinem Powerplay für den Naturschutz in diesem Lande und mit der von ihm personifizierten Form der engen Zusammenarbeit mit der Landesverwaltung für dieses Ziel hängt es zusammen, daß Hessen, was die Unterstützung des ehrenamtlichen Naturschutzes angeht, schon vorJahren Initiativen ergriffen hat, die in anderen Bundesländern zum Teil heute noch als unerreichte, vorbildliche Beispiele den Regierungen vorgehalten werden, z. B.

• das in der Selbstverwaltung der Verbände für die naturschützerische Nachwuchs- und Bildungsarbeit wirkende Naturschutzzentrum Hessen mit derzeit 21 Mitarbeitern, dessen Kosten das Land größtenteils trägt, ohne die Arbeitsinhalte zu bestimmen,

• die Stiftung Hessischer Naturschutz zur Förderung von Investitions- und Publikations- projekten des nichtstaatlichen Naturschutzes mit einem vom Land eingezahlten Stiftungs- kapital von 7 Mio. DM, die alljährlich so gestellt wird, als betrage das Stiftungskapital 10 Mio. DM und in deren Entscheidungsgremien eine Mehrheit der Naturschutzverbände verankert ist,

• die Beteiligung der 29er Verbände wie Träger öffentlicher Belange an allen öffentlichen Planungsverfahren, von der Flurbereinigung bis zum Straßenbau, von der Bauleitplanung bis zum Raumordnungsverfahren. Das gibt es in vielen anderen Bundesländern ebenso- wenig wie das Verbandsklagerecht.

Das Verbandsklagerecht besteht in Hessen seit 1980. Demgegenüber fehlt es selbst 1992 noch im neuesten Entwurf Bundesminister Töpfers für das neue Bundesnaturschutzgesetz. Anläßlich der Bundesvertretertagung des Naturschutzbundes im April diesesJahres in Fulda habe ich mich selbst bei Herrn Töpfer dafür engagiert. Denn allein schon durch die drohende Möglichkeit einer Verbandsklage wird die Eingriffsplanung vielfach qualifizierter. Leider habe ich vom Bundesminister keine positive Resonanz erfahren. So konfliktbereit er ist,wenn es gilt, seine Atompolitik gegen Hessen durchzusetzen, so konfliktscheu ist er, wenn es gilt, Natur- schutzbelange gegenüber anderen Bundesressorts zu vertreten. Wäre es anders, hätten wir z. B. auch eine andere Verkehrspolitik der Bundesregierung.

Wir dagegen werden bei der Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes die Klage- rechte der Verbände noch erweitern. Das Klagerecht soll künftig auch dann gegeben sein, wenn die Behörde in Fällen, in denen eine klagefähige Entscheidung ergehen könnte, eine andere Form des Verfahrensabschlusses wählt (z. B. Plangenehmigung statt Planfest- stellung). In den Koalitionsvereinbarungen ist außerdem vorgesehen, daß künftig über den engeren Naturschutz hinaus das Verbandsklagerecht auf das gesamte Umweltrecht in Hessen erweitert wird. Ich gehe davon aus, daß der dafür zuständige Minister Fischer in absehbarer Zeit einen Entwurf vorlegen wird.

Sie sehen also, die Unterstützung der Arbeit der Naturschutzverbände hat in Hessen eine besondere Tradition, und diese Tradition wird durch die neue Landesregierung fortgesetzt, auch neue Impulse erfahren. Ich bin heute zu Ihrer Frühjahrstagung gekommen, um das auch persönlich zu demonstrieren. 132 2. Eine neue Offensive für den Naturschutz tut not Seit 1970 gibt es in Hessen ein Umweltministerium. Diesem Beispiel sind nach und nach alle anderen Bundesländer und schließlich auch die Bundesregierung gefolgt. Seitdem hat es viel Verwaltungsaufbau, viele neue rechtliche Regelungen und auch viel Geld für den Umwelt- schutz gegeben, auch für den Naturschutz. Aber die Datenerhebungen über den Zustand der natürlichen Lebensgrundlagen signalisieren einen allgemein fortschreitenden Verfall trotz aller Verbesserungen in einzelnen Teilbereichen. Waldsterben, Grundwasserbelastung, Klimakatastrophe sind die Stichworte hierfür in der öffentlichen Diskussion. Weniger spekta- kulär, aber ebenso dramatisch schreitet das Aussterben der freilebenden Tier- und Pflanzen- arten voran, auch bei uns in Hessen. Für mich liegt das daran, daß Umweltpolitik de facto nach wie vor als Reparaturressort betrachtet wird, insbesondere auf Bundesebene. Ein bloßer umweltpolitischer Nachklapp kann aber den laufenden Verfall nie einholen. Wenn Umweltpolitik mehr sein soll als eine Art Randsteinsetzen am Verbrauch und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, dann darf sie nicht länger ein Fachbereich neben vielen anderen sein. Dann muß die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Ziel aller Politikbereiche werden, auch der Wirtschaftspolitik, auch der Verkehrspolitik. Dann darf sich auch die engere Naturschutzpolitik nicht auf Reser- vatsstrategien beschränken, sondern muß sich zur ökologisch orientierten Flächensteuerung verändern. Wenn wir ganz im Sinne Willy Bauers die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten in Hessen bewahren wollen als wichtigen Teil der natürlichen Lebensgrundlagen ebenso wie als heraus- ragenden Indikator für den ökologischen Gesamtzustand, dann muß der Naturschutz in die Offensive kommen und zu einem Gestaltungselement auf breiter Fläche werden. In Hessen ist die Artenvielfalt die Frucht jahrtausendelanger menschlicher Landschaftsnut- zung. Urlandschaften haben wir hier fast nicht. Der mitteleuropäische Mischwald, den die natürliche Sukzession in Hessen ziemlich flächendeckend hervorbringen würde, wäre sicher- lich artenärmer als die über Jahrhunderte durch Landwirtschaft und Gartenbau, Forstwirt- schaft und Siedlungstätigkeit entstandene Kulturlandschaft. Eine neue Offensive für den Naturschutz muß also die Flächennutzung in der Breite erfassen und beeinflussen und sich auf die Ökologie in der Kulturlandschaft richten. Die Bildung unseres Ministeriums mit der Zusammenfassung der Bereiche Landesplanung und Raumordnung, Wohnungsbau und Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz war nach meiner Überzeugung bei den bestehenden Verwaltungsstrukturen die Voraussetzung, um eine solche Offensive erfolgreich beginnen zu können.

3. Verstärkter Einsatz in traditionellen Bereichen Naturschutzoffensive - das heißt natürlich zunächst einmal, die traditionellen Instrumente zu nutzen und zu verstärken. Dabei geht es um Rechtsnormen und Personal, um Geld und Flächen.

So haben wir • gleich nach dem Regierungswechsel den heldenhaften Kampf unserer Vorgängerin gegen die Rabenvögel beendet und deren Schutz gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie wiederher- gestellt,

• durch Verordnung vom 14. November 1991 die Jagd auf Rebhühner und Waldschnepfen gegen den flammenden Protest des Landesjagdverbandes zunächst einmal ausgesetzt. 133 Unter Federführung der Staatlichen Vogelschutzwarte ermitteln Naturschutzverbände und Landesjagdverband jetzt erst einmal die tatsächlichen Bestandszahlen, • mit Verordnung vom 5. November 1991 das Wettfischen verboten. Für die Überarbeitung des Hessischen Naturschutzgesetzes haben wir umfangreiche Vorgaben in der Koalitionsvereinbarung formuliert, die Sie kennen. Es gibt inzwischen schon ein ausformuliertes Konzept für die wesentlichen Eckpunkte der Novelle. Wir werden noch in diesem Sommer den Entwurf in die Beratung geben und damit auch den Naturschutzver- bänden für Diskussion und Anregungen zur Verfügung stellen. Ebenfalls in diesem Jahr beginnen wir damit, bei den drei hessischen Regierungspräsidien eigenständige Naturschutzabteilungen einzurichten und die bisherige Anbindung des Natur- schutzes an die Forstverwaltung aufzuheben. Im Zuge dieser Reform ist die annähernde Verdoppelung des für Naturschutz arbeitenden Personals auf der Ebene der Mittelinstanz auf ca. 200 Stellen geplant. In diesem Jahr erfolgt die Einrichtung der Abteilung beim Regierungspräsidium Gießen.1993 wird das Regierungspräsidium Darmstadt entsprechend ausgestattet, 1994 Kassel. Und am Rande, aber nicht unwichtig: Auch eine bessere Personalausstattung der Staatlichen Vogel- schutzwarte in Frankfurt wurde im Haushalt 1992 sichergestellt. Eine erhebliche Aufstockung hat auch die Finanzausstattung für Naturschutz im Sachnnittel- bereich erfahren. Das mag in manchen Bereichen immer noch nicht alle Wünsche erfüllen. Aberwir haben mit dem Landeshaushalt 1992 die Ansätze doch immerhin von 21 auf 30,5 Mio. DM angehoben, also um etwa ein Drittel. Damit können wir uns im Ländervergleich durchaus sehen lassen. Wir haben die Ausweisungen von Naturschutzgebieten vorangetrieben und werden demnächst das 500. Naturschutzgebiet ausweisen. Allerdings haben wir dann erst ca. 1,2 % der Landesfläche unter Naturschutz. Zum Vergleich: der Bundesschnitt liegt bei 1,38 0/0. Nach den Koalitionsvereinbarungen zwischen den Regierungsparteien ist es Ziel, 10% der Landesfläche unter verschiedene Schutzstufen unterschiedlicher Qualität zu stellen. Das läßt sich aber nur in einem langjährigen Prozeß verwirklichen und setzt auch ökonomisch trag- fähige Kulturlandschaftspflegekonzepte voraus.

4. Das Rückgrat der neuen Naturschutzstrategie: der landesweite Biotopverbund Die Ausweisung von Naturschutzgebieten für die mehr oder weniger von ökologisch verhäng- nisvollen Veränderungen verschont gebliebenen naturnahen Restflächen ist eine zwar unab- dingbare, aber keinesfalls zureichende Voraussetzung, um dem auch in Hessen rasch fort- schreitenden Arten- und Biotopschwund erfolgreich begegnen zu können. Nacherhebungen haben ergeben, daß bei mehr als der Hälfte aller hessischen Naturschutz- gebiete seit ihrer Ausweisung eine Verschlechterung der Bestände der dort geschützten Tier- und Pflanzengesellschaften festzustellen ist. Das hat verschiedene Gründe. Nicht zuletzt ist dies eine Folge der Kleinheit und fetzenhaften Verstreutheit der Gebiete über das Land und der damit verbundenen Isolierung der Popu- lationen. Entscheidend für den Fortbestand der Artenvielfalt in Hessen ist deshalb die Herstellung eines landesweiten Lebensraumverbundes für die Lebensgemeinschaften der Kulturland- schaft. 134 Die Naturschutzgebiete als Kernbestände und Knotenpunkte eines landesweit zwischen 10 und 20 Prozent der Flächen umfassenden Netzes naturbetonter Biotope, Landschafts- strukturen und Lebensräume, und dieser Lebensraumverbund wiederum eingebettet in landwirtschaftliche und forstliche, aber auch gärtnerische und siedlungsbezogene Flächen- nutzungen, die ihrerseits an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und ihrer Kreisläufe orientiert sind - das ist das Bild der hessischen Landschaft, das als Ziel und Maßstab für die neue hessische Offensive für den Naturschutz gilt. Für den landesweiten Verbund bestehender und teilweise auch erst noch zu schaffender Lebensräume in der Kulturlandschaft brauchen wir • eine neue Biotopkartierung. Sie wird in diesem Jahr begonnen; • eine zielorientierte kommunale Landschaftsplanung. Sie ist Voraussetzung einer qualifi- zierten Bauleitplanung, und als Bauministerium haben wir bei der Prüfung kommunaler Bauleitpläne auch die Möglichkeit, darauf zu achten; • Geld für Grunderwerb und Investitionen und für beides kommunale Motivation. Deshalb - wurden erstmals in 1992 im Haushalt 5 Mio. DM im Kommunalen Finanzausgleich, für kommunale Maßnahmen zur Verwirklichung des Biotopverbundkonzeptes reserviert; - wird Hessen die Ausgleichsabgabe nach dem Hessischen Naturschutzgesetz für Eingriffe in die Natur, insbesondere für Bauvorhaben, im besiedelten und beplanten Bereich ebenso erheben wie in der freien Landschaft.Wirwerden in Kürze das Verfahren vereinfachen und damit erstmals so ausgestalten, daß es hessenweit wirksam durchge- setzt werden kann. Daraus sind erhebliche Summen zu erwarten. Obwohl dieses Geld rechtlich eine Landeseinnahme ist, haben wir festgelegt, daß es in den Kreisen, in denen die Abgabe anfällt, auch wieder ausgegeben werden kann, und zwarvon den Kommunen und ausschließlich für Maßnahmen, die der Verwirklichung des landesweiten Biotopver- bundsystems dienen. Im neuen hessischen Naturschutzgesetz werden wir dies künftig auch gesetzlich so regeln. Der Biotopverbund erfordert außerdem gezielte Pflegemaßnahmen auch außerhalb der Naturschutzgebiete und auch hierfür Geld und Organisation. - Deswegen werden gegenwärtig in Hessen auf Kreisebene, angelehnt an das fränkische Beispiel, Landschaftspflegeverbände gegründet für ein ökologisch orientiertes Flächen- management und entsprechende Pflegemaßnahmen, die vom Land gefördert werden. Gegenwärtig haben wir solche Verbände in vier Landkreisen. - Deswegen wird auch der hessische sog. Vertragsnaturschutz weiterentwickelt, mit dem, in Ergänzung des hoheitlichen Naturschutzes, Landschaftspflegemaßnahmen Dritterauf langjähriger vertraglicher Grundlage vom Land finanziell gefördert werden. Derzeit haben wir für dieses spezielle Programm 3 Mio. DM im Haushalt. Wir werden dieses Programm mit den landschaftspflegerischen Sonderprogrammen des Agrarhaushaltes (Ackerschonstreifen- und Ökowiesenprogramm) zu einem hessischen Landschaftspflegeprogramm zusammenfassen und auch dieses zur dauer- haften Sicherung von Biotopverbundsystemen vorrangig einsetzen.

5. Neue Verwaltungsstrukturen für neue Politik Schließlich brauchen wir für unsere neuen Ansätze in der Natur- und Landschaftsschutzpolitik eine neue Verwaltungsstruktur und zusätzliches Fachpersonal auf der Ausführungsebene. Deswegen werden im Zuge der jetzigen Strukturreform der Agrarverwaltung in Hessen die bisherigen Ämter für Landwirtschaft und Landentwicklung zu Ämtern für Regionalentwick- lung, Landschaftspflege und Landwirtschaft umgewandelt. 135 Alle Ämter der Agrarverwaltung erhalten Abteilungen für Landschaftspflege, die als tech- nische Fachbehörden unter der Fachaufsicht der oberen Naturschutzbehörden auch die neuen Möglichkeiten der EG-Extensivierungsprogramme für ein ökologisch orientiertes Flächenmanagement und für Projekte der Biotopvernetzung nutzen sollen. Rund 100 Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter werden landesweit hierfür von anderen Aufgaben freigestellt. Schon 1992 wurden in Hessen etwa 9 0/0 der Ackerflächen stillgelegt, und weitere 8 Prozent befinden sich in extensiver Bewirtschaftung des ökologischen Landbaues oder anderer extensiver, ökologisch verträglicher Wirtschaftsweisen gemäß EG-Richtlinie.

Damit geht einher, daß die Flurbereinigung auch organisatorisch ihre Sonderstellung ver- liert und sie mit ihren doch recht wirksamen Instrumenten in den Dienst der Landschafts- bereicherung gestellt wird. Sie wird in Hessen auch organisatorisch mit den übrigen Bereichen der neuen Verwaltung für den ländlichen Raum verschmolzen. Sie wird mit einem Teil ihrer Kapazität den neuen Landschaftspflegeabteilungen zugeordnet und an einem Amt als Modellversuch sogar dieser Landschaftspflegeabteilung unterstellt.Wichtig ist, daß diese neuen Abteilungen für Landschaftspflege, wie Ihnen schon gesagt, fachlich nicht der oberen Landwirtschaftsbehörde, sondern den Naturschutzabteilungen bei den Regierungspräsidien unterstellt werden. Neben den neuen 100 Stellen für die Naturschutzabteilungen bei den Regierungspräsidien also noch zusätzlich gut 100 Stellen für Landschaftspflege und Natur- schutz auf der unteren Verwaltungsebene. Das soll uns in diesen Zeiten knapper Kassen erst einmal jemand nachmachen. Sie sehen, wir finden auch die organisatorischen Möglichkeiten, um unserem Ziel der Öko- logisierung aller flächenbezogener Politik nicht nur mit Programmsätzen, sondern ganz handfest näherzukommen.

6. Der notwendige Umbau der Landwirtschaftspolitik Die Reform der Agrarverwaltung spiegelt im übrigen wider, was als Notwendigkeit der Reform der Agrarpolitik unter ökologischen, aber auch ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten erforderlich ist. Diese Reform muß auf der EG-Ebene durchgesetzt werden. Sie steht jetzt an, denn die Sackgasse bisheriger Politik ist ganz offensichtlich. Die neue hessische Landesregierung ist sicherlich in einer Vorreiterrolle,was die programma- tische Diskussion der ökologiegerechten Reform der Agrarpolitik angeht. Zur Erhaltung der Kulturlandschaft müssen wir es auf einem großen Flächenanteil schaffen, daß uns die Landwirtschaft überhaupt erhalten bleibt und der bisher unaufhaltsame Nieder- gang der Betriebe gestoppt werden kann und daß umweltverträglich gewirtschaftet wird. (In Hessen gaben auch zur Zeit der CDU-Landesregierung etwa 5 0/oder Landwirte pro Jahr auf.) Statt Milliarden für Überschußeinlagerung und Export-Dumping zu verschleudern, müssen wir die Kulturlandschaftspflegeleistung der Bauern entlohnen und ökologiegerechte Land- baumethoden fördern. Mit den bisher fehlgeleiteten Milliardenaufwendungen der EG-Agrar- politik steht hier grundsätzlich viel Geld zur Verfügung. Der Einsatz von EG-Finanzmitteln für direkte einkommenswirksame flächenbezogene Aus- gleichsleistungen für die Kulturlandschaftserhaltung durch die Bauern wird zwischenzeitlich von fast allen Länder-Agrarministern für notwendig und richtig gehalten. Es ist dies auf hessischen Antrag im Bundesrat einstimmig beschlossen worden. Ich hoffe, auch die Bundesregierung schwenkt auf diesen Kurs ein und setzt ihn bei den EG- Agrarreformverhandlungen um. 136 Dies sollte ihr umso leichter fallen, als solche Finanzleistungen bei den GATT-Verhandlungen über den freien Welthandel zu den sog. Green-box-Maßnahmen gehören, die aus Umwelt- gründen gerechtfertigt sind und deshalb nicht zu den wettbewerbsverzerrenden abzu- bauenden Handelsbeschränkungen gehören.

Wie auch immer: Über die Frage, ob es jetzt gelingt, durch die Reform der EG-Agrarpolitik zu einer Finanzierung umweltgerechter Landwirtschaft zu kommen oder ob das bisherige produktmengenbezogene, die immer weitere Intensivierung unterstützende System bleibt, daran entscheidet sich für die hessische Landschaft sehrviel, mehr als überviele naturschutz- rechtliche Detailregelungen. Und je nachdem, wie sich ökologische Prinzipien in der Agrar- wirtschaft umsetzen lassen, gewinnt auch der Naturschutz eine weitere offensive Dimension.

7. Die Einführung der naturgemäßen Waldwirtschaft In der Waldwirtschaft ist der Ausgangspunkt für ökologischen Umbau günstiger, weil hier weitgehend Landeskompetenzen gegeben sind. Hessen ist das waldreichste Bundesland. 42 0/oseiner Fläche sind bewaldet, der Laubwaldanteil ist mit 45 0/0vergleichsweise hoch. 40 0/0 des Waldes sind im Landesbesitz, 35% gehören weiteren öffentlichen Händen, sie werden überwiegend vom Staatsforstbetrieb bewirtschaftet, nur 2 5 % sind Privatbesitz.

Gute Voraussetzungen also für eine wirksame staatliche Politik. Auch die Forstwirtschaft muß sich dem ökologischen Umbauprozeß stellen. Er soll nicht durch eine großflächige Herausnahme von Wäldern aus der Bewirtschaftung erfolgen, was ange- sichts der weltweiten Waldvernichtung und Verknappung des Rohstoffes Holz, des einzigen nachhaltig erzeugbaren Rohstoffes, den wir haben, geradezu kontraproduktiv wäre. Ich habe aber mit Erlaß vom 3. November 1991 für den Hessischen Staatswald den naturgemäßen Waldbau als Wirtschaftsform eingeführt. Das ist nicht nur der notwendige Weg, um die Wald- flächen überall zu optimalen Lebensräumen für vielfältige Tier- und Pflanzenarten zu entwik- keln und dennoch zu bewirtschaften, sondern auch die forstpolitische Möglichkeit, in Zeiten der Immissionsschäden auf breiter Fläche und der drohenden Klimaveränderungen den Waldbeständen in größtmöglichem Umfang Stabilität zu sichern. Dies bedeutet:

• Die bestandsweise Bewirtschaftung wird durch die Einzelstammwirtschaft abgelöst. So entstehen stabile Mischwälder mit Bäumen aller Altersstufen.

• Kahlschläge unterbleiben grundsätzlich. Ausnahmen soll es nur bei der Umwandlung von Fichtenreinbeständen geben.

• Die natürliche Verjüngung wird gezielt gefördert und die Verjüngungszeiträume werden verlängert. • Reinbestände sollen im Regelfall nicht mehr angepflanzt werden.

• Der Einsatz von Bioziden ist zukünftig nur noch mit Ausnahmegenehmigungen möglich. Diese werden in diesem Jahr wegen einer drohenden Borkenkäferplage höchsten Ausmaßes wohl nicht zu vermeiden sein. Als zentrales Anliegen gehört hierzu auch, daß die Forstämter verpflichtet wurden, den Wild- bestand so abzusenken, daß diese Ziele überhaupt erreicht werden können.

Aber alle diese Maßnahmen werden,wie Sie wissen,vergeblich sein,wenn es uns nicht gelingt, dem Waldsterben ernsthaft Einhalt zu gebieten, und das heißt vor allem, den Ausstoß von Stickoxiden und Kohlendioxid stark zu verringern und auch die übrigen Luftschadstoffe entscheidend abzubauen. 137 Wir brauchen also endlich eine wirksame Luftreinhaltepolitik, auch zum Beispiel durch Verkehrsvermeidung. Es ist aber sicher nicht richtig, im Warten hierauf die Hände in den Schoß zu legen. Vielmehr wollen wir auch im Waldbau alles tun, was zwischenzeitlich dazu beiträgt, die Überlebenschancen des Waldes zu verbessern.

8. Defizitfeld Bodenschutz Im besiedelten Bereich sind die Gärten und Parks wichtige Biotope der hessischen Arten- vielfalt. Das allerdings nur, wenn beim Gärtnern auf chemische Behandlungsmittel aller Art verzichtet wird. Gärtnern ohne Gift, ohne Biozide, ohne Herbizide, jedenfalls im Freizeitgärtnerbereich, Parkpflege ohne Herbizide, Rasenpflege ohne Gift müssen durchgängige Praxis werden. Bei meinen Gesprächen mit den Organisationen der Kleingärtner und der nichtgewerbs- mäßigen Gartenbauvereine habe ich viel Verständnis dafür gefunden, daß wir den Biozid- und Herbizideinsatz im nichterwerbsmäßigen Gartenbau und bei der Parkpflege verbieten wollen. Das geschieht in dem jetzt vorbereiteten Hessischen Bodenschutzgesetz, dessen Entwurf ebenfalls noch in diesem Jahr dem Landtag zugeleitet werden soll. Für die Erwerbsgärtner haben wir immerhin die notwendigen Schritte ergriffen, um den Natur- schutz zum Gegenstand der Berufsfortbildung zu machen.

9. Ökologische Offensive auch in der Wohnungspolitik Die Offensive für den Naturschutz darf auch vor den Gebäuden nicht haltmachen. Natürlich gibt es da Grenzen. Aber neue Schritte sind auch da möglich. In dieser Legislaturperiode will das Land 40.000 Sozialwohnungen fördern. Wir haben jetzt die Richtlinien für den sozialen Wohnungsbau in Neufassung zur Diskussion gestellt, die u. a. • den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren helfen sollen - weit über das Maß hinaus, das der Bund mit seiner angekündigten neuen Wärmeschutzverordnung verlangen wird - und • die bisher beim Bau regelmäßig vernachlässigten Anliegen des Naturschutzes berück- sichtigen, wie Dachbegrünung, Bepflanzungsmaterialien und nestbaugeeignete Hilfen sowie Nisthöhlen für bestimmte Vogel- und Fledermausarten im Mauerwerk. Das geschah in Zusammenarbeit mit der Vogelschutzwarte. Mauerseglernistplätze im sozialen Wohnungsneubau - ein kleiner Schritt nur, aber eben auch einer von vielen wichtigen Schritten. Die neue Hessische Bauordnung wird ebenfalls neue Schritte in die ökologische Richtung vorschreiben, z. B. zur Wärmedämmung und zur Regenwassernutzung. Wenn Bundesbauministerin Dr. Schwaetzer den Naturschutz als den großen Verhinderer des Wohnungsbaus brandmarkt, ist das falsch und soll nur von der Untätigkeit der Bonner Regie- rung im Wohnungsbau seit 1982 ablenken. Es gibt genügend Flächen, die planerisch für einen Bebauungsplan vorbereitet sind oder die sogar baureif in geltenden Bebauungsplänen liegen, die alleine aus Gründen der Bodenspekulation nicht ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung zugeführt werden. Grundstückshorten aus Gründen der Bodenspekulation wird aber im geltenden Einkommenssteuerrecht ausdrücklich belohnt. So erzielte Gewinne sind steuerfreie Einnahmen. Da hätte Frau Dr. Schwaetzer ein wichtiges Betätigungsfeld, wenn sie denn wirklich etwas für die Baulandmobilisierung für Wohnungsneubau tun wollte. 138 In Hessen fehlen gegenwärtig rechnerisch gut 160 000 Wohnungen. Wenn sich private und öffentliche Initiativen zusammentun, brauchen wir bei mäßiger Verdichtung etwa 4.000 ha Wohnbaufläche, bei hoher Verdichtung ca. 2 500 ha. Das ist weniger als in den gültigen Regio- nalen Raumordnungsplänen als Siedlungsflächenzuwachs schon akzeptiert ist und nur ein Bruchteil der Militärfläche, deren neue Verwendung der Bund blockiert. Nicht der Naturschutz ist also das Problem des Wohnungsbaues sondern die schlechte Politik der Bundesregierung.

10. Neue Anstöße für eine ökologisch orientierte Landesplanung - gegen den Straßenbau- wahn des Bundesverkehrsministers Die neue Offensive für Naturschutz heißt auch, Landesplanung und Raumordnung zu einem wesentlichen Instrumentarium des ökologischen Umbaues der Industriegesellschaft zu machen. Dies ist ein hoher Anspruch, der nur dann umgesetzt werden kann, wenn Landes- entwicklungsprogramm und Regionale Raumordnungspläne konsequent diesen Vorgaben angepaßt und für die nachfolgenden Planungsebenen konkrete Leitlinien vorgegeben werden. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen soll künftig über kurzfristige wirtschaftliche Interessen gestellt werden. Um in den notwendigen öffentlichen Abwägungsprozeß Umwelt- belange einzubringen, haben wir die hessischen Raumordnungsverfahren mit der Richtlinie vom 27. Juni 1991 mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung versehen. Auf der Ebene der Regionalplanung soll dies künftig durch einen selbständigen Landschafts- rahmenplan als gesonderten Teilplan des Regionalen Raumordnungsplanes erreicht werden. Dieser Landschaftsrahmenplan soll künftig nicht mehr, wie es das gültige Gesetz bisher vorsieht, durch die Landesplanungsbehörden, sondern durch die Naturschutzbehörden ausgearbeitet werden. Es muß einerseits als Fachplan die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Regionsebene konkretisieren, andererseits querschnittsorientiert die anderen Flächenansprüche auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersuchen, umweltverträg- liche Lösungen aufzeigen und Tabugrenzen festlegen. Daneben soll durch die künftigen Landschaftsrahmenpläne der Einsatz der staatlichen Programme für Naturschutz und Land- schaftspflege systematischer und damit wirkungsvoller gestaltet werden.

Für den Naturschutz und die Landschaftspflege ist das der Übergang vom Reagieren auf andere „Eingriffsplanungen" zum Agieren, d. h. zur aktiven Durchsetzung der Maßnahmen zur Erhaltung und ökologischen Ausgestaltung von Natur und Landschaft. Selbst bei Maßnahmen, für die die planungsrechtliche Entscheidungskompetenz beim Bund liegt, ist die so munitionierte Landesplanung besser gerüstet, um gegen ökologisch verfehlte Projekte Widerstand zu leisten. Das ist in der Verkehrspolitik besonders nötig. Ein kennzeichnendes Schlaglicht darauf, was da Sache ist, wirft eine von der Bundesregie- rung am 7. April 1992 dem Bundestag zugeleitete Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Daubertshäuser und der SPD-Fraktion. Da kann man nachlesen, daß nach den Plänen Bundesminister Krauses bis zum Jahre 2010 in Ostdeutschland der Personenverkehr mit dem Auto um 111 0/0 steigen, mit der Bahn um 13 % sinken soll. Der Güterverkehr auf der Straße soll um sage und schreibe 409 0/0 anwachsen. Auf der Schiene soll er mit 3 0/0 Zuwachs praktisch konstant bleiben.

Und aus solchen Vorstellungen heraus erwachsen dann Krauses Autobahnpläne für Hessen. A 4 Olpe-Hattenbach durch Rothaargebirge und Burgwald -sogar dieses Museumsstück aus Drakulas Verkehrsplanung will Krause jetzt wiederbeleben -, A 49 durch Löwensteiner Grund und Ohmtal, A 44 durch Söhrewald und Ringgau,-es scheint keine noch intakte Landschaft, 139 kein noch unberührtes Waldgebiet zu geben, das vor dem Straßenbauwahn dieses Verkehrs- ministers sicher ist. Für den Ausbau der Schienenverbindung Kassel - Bebra - Eisenach hat er dagegen angeblich kein Geld.

Es ist klar, daß die Hessische Landesregierung alle diese Autobahnprojekte ablehnt und in der Verkehrspolitik der Schiene Priorität gibt.

Wir waren auch - und da habe ich selbst mich besonders engagiert - gegen das Verkehrs- wegebeschleunigungsgesetz des Bundes für die neuen Länder, mit dem diese Bundesregie- rung einen gesetzlichen Weg gefunden hat, dort ökologische Bedenken und Bürgerproteste gegen die Bonner Verkehrspolitik platt zu machen. Wir werden uns nach Kräften gegen die schon bestehenden Pläne wehren, dieses antiökologische Durchsetzungswerkzeug einer verfehlten Politik auf die westdeutschen Länder zu übertragen. Hessen ist ohnehin von diesem Beschleunigungsgesetz mit den Verbindungsstrecken zum ostdeutschen Verkehrsnetz betroffen. Angesichts dieser und anderer Straßenbauorgien im neuen Bundesverkehrswegeplanent- wurf kann ich die wohltönenden Absichtserklärungen Bundesumweltministers Töpfer über seine Bemühungen um eine wirksame Verminderung des CO2-Ausstoßes ohnehin nicht mehr ernst nehmen.

Natürlich erfordert die neue deutsche Einheit auch Maßnahmen im Verkehrswegebau, vorrangig für den Schienen-, aber auch für den Straßenverkehr. Die in den Dörfern entlang der B 7 Kassel - Eisenach lebenden Menschen werden seit der Grenzöffnung von einem über alle Maßen angewachsenen Massenverkehr gequält, der einen leistungsfähigen Ausbau dieser Straße und vor allem den Bau von Ortsumgehungen unabweisbar macht. Auch das bringt Versiegelung jetzt freier Landschaft mit sich. Diesen Straßenbau aber deswegen abzulehnen,wäre nicht nur angesichts der tatsächlichen Problemlage vor Ort keine sachgerechte Abwägung, es würde auch zu einer dramatischen Diskreditierung des Natur- schutzgedankens bei der gesamten Bevölkerung dieser Region führen. Die Naturschutz- bewegung muß aber im Gegenteil ihre Massenbasis verbreitern.

11. Eine neue Offensive für den Naturschutz braucht die Unterstützung der Bevölkerung

Ich bin ein großer Fan der Theorie, daß Naturschutz erst dann seinen großen Durchbruch erreichen kann, wenn er nicht nur das Thema der Bevölkerungsschichten mit gewandelten neuen Werten in relativ guter materieller Position, also eines Teils der Mittelschicht, bleibt. Naturschutz ist eigentlich das Thema der kleinen Leute, bzw. er muß es werden. Sie brauchen eine intakte Natur überall, da sie nicht ausweichen und nicht große Summen für angenehmes Ambiente aufwenden können. Wenn wir mit unserer Offensive für den Naturschutz wirklich einen Durchbruch auf breiter Fläche erzielen wollen, brauchen wir, schon um die damit nach Zahl und Dimension rasch anwachsenden politischen Konflikte erfolgreich bestehen zu können, mehr gesellschaftlichen Rückhalt durch eine positive Verankerung unserer Ideen im Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten. Das müssen wir auch bei unseren fachlichen Abwägungen mitberücksichtigen.

Viele aktive Naturschützer und manche Naturschutzverbände sehen das leider noch nicht als ihr Problem an, richten sich aus meiner Sicht zu sehr im bequemen Ghetto der „eh' schon Gläubigen" ein.

Wenn beispielsweise eine Untere Naturschutzbehörde im Rahmen eines Baugenehmigungs- verfahrens als Auflagen im Bauschein einem Bauwilligen die Vorgartengestaltung bis ins 140 einzelne vorschreibt, z. B. ausdrücklich untersagt, Sommerflieder anzupflanzen, dann darf sich niemand wundern, daß Naturschutz zum Negativthema an allen örtlichen Stammtischen wird. Und das ist für unsere Offensive sehr schädlich.

Wenn die Naturschutzausgleichsabgabe gemäß Vorschlägen auch aus der HGON*) nach den Kosten für den Rückbau des Gebäudes und die Wiederherrichtung des ursprünglichen Zustandes bemessen würde, so wäre dies eine gleich dreifach kontraproduktive Vorgehens- weise:

• Die Berechnungsverfahren wären in aller Regel so kompliziert und langwierig, daß der ohnehin schon bestehende Verdruß über die Dauer der behördlichen Genehmigungsver- fahren massiv gesteigert und in einer allgemeinen Kritik an den Anliegen des Natur- schutzes münden würde.

• Die Höhe der Abgabe würde Ausmaße erreichen, die dem Normalbürger nicht mehrvermit- telbar wären.

• Vor allem aber würde verdichtetes Bauen bestraft. Je mehr Wohnungen auf einem Grund- stück entstünden - bei gleicher Flächeninanspruchnahme - desto höher die Kosten. Die Bauherren würden also zu landschaftsverbrauchender Bauweise motiviert - ein ökolo- gisch verfehltes Ergebnis.

Ich habe deshalb anders entschieden. Wir werden einen plausiblen Berechnungsweg des Vergleichs von Vor- und Nachzustand in Richtlinien fassen, der es erlaubt, möglichst zügig alle Baugenehmigungen zu bearbeiten, der - jedenfalls für den gutwilligen Bürger-zu nachvoll- ziehbaren Abgabehöhen führt und der erreicht, daß der Landschaftsverbrauch im Vergleich zum flächensparenden Bauen ökonomisch bestraft wird.

Der aktuellste Fall in dieser Reihe von Beispielen, die die breite Bürgerschaft gegen den Naturschutzgedanken aufbringen müssen, ist die Verbandsklage einiger Naturschutz- verbände, auch der HGON, gegen unsere differenzierten Bekämpfungsaktionen gegen die Schnakenplage in der Kühkopfregion. Übrigens wird unser entsprechender Bescheid auch von der CDU im Hessischen Landtag abgelehnt, weil er eben keine beliebige Bekämpfung erlaubt, sondern nur Spitzenbelastungen kappen soll.

Als 1987 eine starke Vermehrung der Stechmückenpopulation im Ried registriert wurde, gab die zuständige CDU-Ministerin die Bekämpfung auf der gesamten Fläche des Kühkopfes frei. Die HGON - aber auch BUND und DBV- sahen bei dieser Entscheidung meiner Vorgängerin keinen Anlaß zur Klage. In vergleichbaren Naturschutzgebieten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es bis heute überhaupt keine Beschränkungen für Bekämpfungs- maßnahmen. Die Naturschutzverbände haben damit offenbar keinen Konflikt. Nur wir, die wir einen differenzierten Weg zwischen den Belangen des Naturschutzes und den Nöten der Menschen suchen - wir werden beklagt.

Dabei geht es nicht um den Einsatz von Gift, sondern es werden biologische Mittel jetzt von Naturschutzverbänden als nicht vertretbar gebrandmarkt, deren Verwendung auf breiter Fläche ich nach den Forderungen derselben Naturschutzverbände in der Landwirtschaft aktiv durchsetzen soll.

Niemand kann ernsthaft glauben, daß die Menschen,die im Ried leben, auf diese Haltung der Naturschutzverbände anders als mit drastischer Ablehnung reagieren. Den öffentlich erteilten

HGON*- Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. 141 Rat des BUND*), die Leute sollten halt Türen und Fenster verschlossen halten, empfinden die Betroffenen als Provokation. Solcher Fundamentalismus schadet dem Ansehen des Natur- schutzes beträchtlich. Nicht „Menschen raus aus der Natur" kann eine erfolgreiche Parole sein, sondern für die Idee „Naturschutz nützt allen!" müssen wir die Menschen gewinnen.

12. Im Sinne Willy Bauers wirken! Daß es auch anders geht, zeigt die Entwicklung im Biosphärenreservat Rhön. Das war Willy Bauers letzte große Initiative. Hier haben wir gemeinsam mit den Naturschutzverbänden, aber auch mit den Bauern, den örtlichen gesellschaftlichen Kräften und den Kommunen einen Trägerverein für die regionalen Strategien, Diskussionen und Maßnahmen gegründet, über den ein wesentl icher Teil der Förderungen abgewickelt wird. In den Entscheidungsgremien ist das Land wieder relativ schwach vertreten. Die Geschäftsführung wurde einem renommierten, durchaus kämpferischen Naturschützer übertragen. Die Leitidee des Biosphärengebietes ist die Integration von Naturschutz und Ökologie in die Regionalentwicklung, getragen von den Menschen, die dort leben und arbeiten. Für dieses Projekt können wir unter Inanspruchnahme von EG-Mitteln 1992/1993 etwa 10 Mio. DM mobili- sieren. Ich denke, nicht nur der ganzheitliche inhaltliche Ansatz dieses Biosphärenprojektes, sondern vor allem auch diese Kooperation der Beteiligten, die natürlich auch von Kompromissen lebt, entspricht auch dem, was Willy Bauer mit seinem Wirken verfolgt hat. Er war auch in diesem Bemühen um eine breite gesellschaftliche Basis des Naturschutzes besonders weitsichtig. Um diese beiden Punkte,Willy Bauers Wirken und das Biosphärenreservat Rhön, auch öffent- lich zu verbinden, soll der von mir neu eingerichtete „Willy-Bauer-Preis" für besonders heraus- ragende persönliche Leistungen für Naturschutz im Frühherbst diesesJahres bei einer Veran- staltung in der Rhön erstmals verliehen werden. Den Stiftungserlaß werde ich dieser Tage unterzeichnen. Er sieht einen Preis von 10.000 DM vor, der alle drei Jahre vergeben wird. Frau Bauer hat der Stiftung des Preises zugestimmt; dafür danke ich ihr. Ich hoffe, daß der Name Willy Bauer so auch zukünftig mit einer Offensive für Naturschutz verbunden bleibt, die die Menschen mitreißt, sie gewinnt und überzeugt. Auf diesem Wege wollen wir unseren bescheidenen Dank für sein großes Werk abstatten,vor allem aber mit einer breitgefächerten nachhaltigen Offensive für Naturschutz in Hessen.

Anschrift des Verfassers: Staatsminister JÖRG JORDAN, Hessisches Ministerium für Landesentwickung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Hölderlinstr. 1-3, 6200 Wiesbaden

* BUND= Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. 142 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 143 -152 (1992)

Hat das Rebhuhn (Perdix perdix) in Hessen eine Zukunft? - Informationen zum hessischen Rebhuhnuntersuchungsprogramm - Teil I, Projektbeschreibung von ALBERT HARBODT und KLAUS RICHARZ, Frankfurt/Main 1.Status Das Rebhuhn (Perdix perdix) ist eine Charakterart der Kultursteppe.Wie viele andere Tier-und Pflanzenarten der Kulturlandschaft hat das Rebhuhn seinen Ursprung in den östlichen bzw. südöstlichen Steppen und Waldsteppen und konnte sich bei uns mit der Entwicklung und Ausdehnung landwirtschaftlicher Kulturformen verbreiten. Neben dem (im gleichen Lebensraumtyp) eingebürgerten Fasan zählt das Rebhuhn zusammen mit dem Feldhasen zu den Hauptarten der Niederwildhege und -jagd. Seit mehreren Jahrzehnten werden für weite Teile Europas abnehmende Rebhuhn-Jagd- strecken, sowie ein Rückgang der Brutbestände registriert (G LUTZ v. BLOTZHEIM et al.1973). Der deutliche Rückgang dieser Art nahezu im gesamten einheimischen Verbreitungsgebiet ist das Begründungskriterium für die Aufnahme des Rebhuhn in die Kategorie 2 (stark bedrohte Arten) der Roten Liste der bestandsgefährdeten Vogelarten in Hessen (7. Fassung/Januar 1988). Als Rote-Liste-Art in allen Bundesländern wird das Rebhuhn in der Roten Liste der in Deutschland gefährdeten Brutvögel in Kategorie 3 (gefährdet) geführt (DAA & DS/IRV 1991).

Um seine Situation einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde das Rebhuhn 1991vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) zum Vogel des Jahres erklärt. Diese Initiative führte sowohl zu kontroversen Diskussionen zwischen Jagd und Naturschutz wie auch zu zahlreichen (z.T.gemeinsamen) regionalen Schutzprojekten. Der Landesjagdverband Hessen beispielsweise führt seit 1990 landesweite Bestandserhebungen mittels Fragebogenaktionen durch. Viele seiner Mitglieder verzichteten in ihren Revieren auf eine Rebhuhnbejagung.

Als naturschutzpolitische Konsequenz auf den Bestandsrückgang erfolgte in Hessen eine Änderung der Jagdzeiten-Verordnung (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, 9.12.1991, 27: 358), in der die Jagd auf Rebhühner (und Waldschnepfen) bis zum 31.12.1994 ausgesetzt wurde. Damit setzte die Hessische Landesregierung eine ihrer Koali- tionsvereinbarungen um, wonach „Rote-Liste-Arten" Vollschonung erhalten sollen.

2. Rebhuhnuntersuchungsprogramm Hessen Mit Ministererlaß vom 3.1.1992 wurde der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rhein- land-Pfalz und Saarland (VSW) ein Auftrag für ein Rebhuhnuntersuchungsprogramm erteilt. Die bejagungsfreie Zeit soll dazu genutzt werden, gesicherte Informationen über den Bestand und populationsdynamisch wirksame Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Anläßlich einer Projektbesprechung im Ministerium wurde einvernehmlich folgende Vor- gehensweise für die Durchführung des Rebhuhnuntersuchungsprogrammes festgelegt.

2.1 Koordination Die Planung und Organisation der Untersuchungen erfolgt durch eine Arbeitsgruppe unter Federführung der VSW. Die Abwicklung führt im Rahmen eines Werkvertrages mit dem 143 Arbeitskreis Wildbiologie (AKW) ein Koordinator durch. In den Untersuchungsgebieten bilden Jäger, Landwirte und Vogelschützer Erfassungsteams, die fallweise von Spezialisten (u. a. Zoologen) unterstützt werden. Die Untersuchungen werden ständig von einem „Wissenschaftlichen Beirat" beratend be- gleitet. Dieses Fachgremium setzt sich aus Vertretern der beteiligten Verbände/Institutionen zusammen: Arbeitskreis Wildbiologie, Landesjagdverband, Naturschutzbund Deutschland, Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz, Naturlandstiftung, die Staatliche Vogelschutzwarte und das HMLWLFN.

2.2 Festlegung der Probeflächen Die Untersuchung erstreckt sich auf Probeflächen, die nach folgenden Kriterien ausgesucht wurden: - die Flächen sind repräsentativ und decken weitgehend das Spektrum der naturräum- lichen Gliederungen ab - die Einzelflächen umfassen sowohl „gute" wie „schlechte" Rebhuhnbiotope - für den Rebhuhnbestand liegen bereits Daten früherer Erhebungen vor - auf den Flächen sind Brachen unterschiedlicher Stadien vorhanden - auf den Flächen wurden biotopverbessernde Maßnahmen durchgeführt oder sind geplant.

2.3 Untersuchungsumfang - Erfassung des Rebhuhnbestandes durch Paarhuhn- und Kettenzählungen - Struktur- und Realnutzungskartierung der Rebhuhnhabitate unterstützt durch eine aktuelle Luftbildbefliegung - Erfassung der Auswirkungen von Nutzungsänderungen, biotopverbessernden Maßnah- men und „Störungen" - Erhebung phänologischer Daten - Erfassung weiterer Vogelarten, die mit dem Rebhuhn den Lebensraum teilen - Analyse von Totfunden. Das Projekt wurde 1992 mit DM 70.000 aus derJagdabgabe und DM 50.000 aus dem Natur- schutzetat gefördert.

3. Arbeits- und Zeitplan für das Untersuchungsjahr 1992

Februar - Auswahl und Festlegung der Untersuchungsflächen (s. Abb. 1) - Bildung der örtlichen Arbeitsgruppen aus Vertretern des Natur-/Vogelschutzes, der Land- wirtschaft und der Jagd - Festlegung der Erfassungsmethodik (s. Pkt. 5) mit Schulung und Ausstattung der örtlichen Arbeitsgruppen. 144 März/April

- Durchführung der Rebhuhn-Zählungen mittels „Verhören", systematischer Kontrollfahrten (nach vorausgehendem „Training") und „Hundesuche" - Erfassung phänologischer Daten (anhand eines phänologischen Kalenders, s. Anlage 1) - Protokollierung von „Störungen" (s. Anlage 2) - Vorbereitung einer Luftbildbefliegung der Untersuchungsflächen.

Mai - Luftbildbefliegung am 20./21.5.1992 - Auswertung der Paarhuhnzählung - Erfassung phänologischer Daten - Erfassung der Klima- und Witterungsdaten - Protokollierung von „Störungen".

Juni/Juli - Kartierung der Vegetations- und Nutzungsstrukturen (nach PEGEL 1986) - Erfassung phänologischer Daten - Erfassung der Klima- und Witterungsdaten - Protokollierung von „Störungen".

August/September/Oktober

- Kettenzählungen - Erfassung phänologischer Daten - Erfassung von Klima- und Witterungskarten - Protokollierung von „Störungen".

4. Zusätzliche Untersuchungen 4.1 A. NORGALL „Greifvogel-Bestandsuntersuchungen"

- Quantitative Untersuchungen zum Greifvogelbestand im Bereich der Rebhuhn-Probe- flächen „Roßdorf" (900 ha) und „Wetterau" (600 ha) mit differenzierter Erfassung und Dar- stellung der Brutbestände und der Bruterfolge von Habicht, Mäusebussard, Rohrweihe, Turmfalke, Rot- und Schwarzmilan - Auswertung der Greifvogel-Siedlungsdichte-Untersuchungen von 1984 bis 1992 in Hessen.

4.2 M. KORN „Untersuchungen Lahnaue"

- Biotop- und Artenkartierung auf der Rebhuhn-Probefläche „Lahnaue" - Biotop- und Nutzungskartierung auf 400 ha - Erfassung der Brutvogelbestände auf 560 ha Methode: Punkt-Stopp-Zählung - Genaue Brutvogelerfassung auf 4 Probeflächen von 20-40 ha (je 15 Exkursionen) - Kartierung der Rebhuhnbestände im Frühjahr und Herbst - Entsprechende Untersuchungen (1.1.-1.5.) auf der Probefläche „Gießen-Lützellinden" (20 ha). 145

HESSEN 4218 19 20 21 h 23 24 25 26 27 4228

Höhenstufen 43 43

4411 12 13 14 15 16 17 4418 44 , 45 45

46 46

47 47

48

49 51° 50 50

51 51 1111■111L... 52 52

53 r,..... rom. MB 54 140.!ARNiä, - 'erf 55 ',la !ONner...AZ L14! 55 NOW, egiedirlk.. •••-• wo 56

58 58

59 5' 50° 60 60

61 111 626.1 63 6322 24 25 26 27 6328 22 J 64 64 unter 100 m 65 65 über 100 m - 200 m 20 90 kn, 66 66 1 über 200 m - 400 m 6711 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 6722 über 400 m 8° 9° Höhen über NN Abb. 1 Lage der Rebhuhn-Untersuchungsflächen in Hessen (Karte „Höhenstufen" nach BEHRENS et al. 1985)

146 4.3 F. BERNSHAUSEN „Untersuchungen Hungen"

- Biotop- und Artenkartierung auf der Rebhuhn-Probefläche „Hungen" - Kartierung des Rebhuhnbestandes im Frühjahr und Herbst auf 1200 ha - Biotop- und Nutzungskartierung auf 300 ha - Quantitative Erfassung der Gebietsavifauna in 10 Probeflächen (insges. 300 ha) - Brutbestand - Herbst- und Winterbestand.

4.4 M. STREIN „Untersuchungen Hungen" (im Untervertrag)

- Untersuchung zur Strukturbindung von Vögeln - Struktur-/Nutzungskartierung - Brutvogelerfassung

5. Methodik der Bestandsermittlung beim Rebhuhn nach PEGEL (1987) 5.1 Allgemeines zur Frühjahrszählung

- Bedingt durch die Kettenauflösung und Paarbildung kommt es zur Neuverteilung der Rebhühner in den Lebensräumen. - Aufgrund der hohen Sterblichkeit und Abwanderungen verringert sich das Brutpaar- Potential erheblich mit der Folge, daß zwischen Januar und April größere Besatzände- rungen auftreten. - Daher ist die Wahl des Zählzeitpunkts von größter Wichtigkeit, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind und verglichen werden können. - Ermittelt werden soll der reale Brutpaar(BP)-Bestand. Dieser ist aber erst kurz vor Lege- beginn exakt feststellbar. Der Legebeginn liegt Ende April/Anfang Mai.

5.2 Verhören

- Registriert werden die „Standrufe" („tschirreck") und die „Flugrufe" („gigigi gig gig ..."). - Da die Rufaktivität in der Dämmerung am größten ist, müssen die Beobachter vom Ein- setzen der Dämmerung bis zur völligen Dunkelheit auf ihrer Position ausharren. - Jeder Mitarbeiter muß eine Karte, Notizblock und Fernglas mit sich führen und wird nach (minutengenauem) Uhrenvergleich im Untersuchungsgebiet postiert. - Die Entfernungen zur eindeutigen Lokalisierung der Rufe liegen je nach Geräuschpegel zwischen 100 und 200m. Daraus ergibt sich ein Abstand zwischen den Beobachtungs- punkten von maximal 400m. - Jeder Mitarbeiter trägt den Ort der vernommenen Rufe mit fortlaufender Ziffer in seine Karte ein. Auf dem Notizblock wird jeweils die Uhrzeit und die Zahl der Rufe vermerkt. Sollten die Hühner anschließend abstreichen, wird die Richtung in die Karte einge- zeichnet. Mit Hilfe des Fernglases soll die Anzahl der Exemplare festgestellt werden. - Direkt im Anschluß an die Verhör-Aktion erfolgt die Besprechung der Ergebnisse, um Doppelzählungen zu vermeiden. 147 5.3 Verwertbarkeit der „Verhör-Aktion"

Nach DÖRING & HELFRICH (1986) sind „Verhör-Aktionen" nur bedingt verwertbar, weil - die Rufaktivität bei hoher Populationsdichte größer ist, da sich die Vögel gegenseitig stimu- lieren, - das Witterungsgeschehen die Rufaktivität beeinflußt; sie ist an windstillen, niederschlags- freien und wolkenlosen Abenden am höchsten, - die Ruforte häufig wechseln, da zum Zählzeitpunkt eine erhöhte Beweglichkeit zu beobachten ist; die Ruforte sind deshalb nicht unbedingt mit den Aufenthaltsorten am Tage identisch, - unverpaarte Hähne häufiger rufen als verpaarte. Hinzu kommt, daß evtl. Störungen durch Spaziergänger, Jogger etc., der Einfluß des Windes und der Geräuschpegel in der Nähe von Straßen und Siedlungen das „Verhören" erschweren und die Exaktheit der Ergebnisse beeinträchtigen.

5.4 Systematische Kontrollfahrten Zur Bestätigung, Ergänzung oder Korrektur der Verhörergebnisse sind systematische Kontrollbeobachtungen nötig, da - beim „Verhören" auch nicht verpaarte Einzelhühner (i. d. R. Hähne) miterfaßt, aber nicht als solche erkannt werden, - einzelne Paare bei geringer BP-Dichte teilweise garnicht rufen und - bei hoher BP-Dichte die Lokalisierung bzw. Abgrenzung der einzelnen Brutpaare nur schwer möglich ist.

Vorgehensweise bei den Kontrollfahrten: - Die Beobachtungen erfolgen ausschließlich vom Auto aus (wegen Feindvermeidever- halten) durch optisches Absuchen der Felder, wobei die Morgen- und Abenddämmerung gewählt werden soll. Tagsüber ist die Beobachtungswahrscheinlichkeit bei milder Witte- rung mit leichtem Regen und in Sonnenscheinphasen nach Regenschauern am größten. - Das Abfahren der Felder erfolgt im Schrittempo mit Zwischenstopps, zum systematischen Absuchen. Hierbei können Rebhuhnrufe vom Tonband abgespielt werden (30- 60 Sek.), um die Hühner zu „provozieren". - In der Regel sind 3 Kontrollfahrten pro 100 ha nötig, Zeitaufwand: 4,5 Std. - Da die Rebhühner nach Abschluß der Paarbildung sehr standorttreu sind, können die Kontrollfahrten binnen 3 Wochen durchgeführt werden. - Jede Rebhuhnbeobachtung wird in die mitgeführten Karten eingetragen. Besonderer Wert ist auf die Bestätigung der Brutpaare zu legen, daher ist eine Unterscheidung der Geschlechter nötig. - Am Ende der Rebhuhnzählung erfolgt die Auswertung aller Beobachtungen: endgültige Skizzierung der bestätigten Rebhuhnpaare in einer Karte, dazu eine Liste mit den Einzel- hähnen und die Karte mit den Ruforteintragungen; Flächenermittlung. - Somit erhält man folgende Grunddaten: - Gesamtzahl der Hähne und Hennen, - Frühjahrsbesatz (Summe der Hähne und Hennen), - Brutpaar-Dichte und - Frühjahrs-Dichte (BP/100 ha). 148 6. Erfassung phänologischer Daten Die Erfassung dieser Daten erfolgt nach einer Anleitung von PETRAK (1986,1990), die hier in Kurzfassung wiedergegeben wird:

Der phänologische Revierkalender Phänologie, genauer Pflanzenphänologie, ist die Wissenschaft, die sich der Erforschung der Vegetationsentwicklung im Jahresverlauf widmet und dazu für bestimmte Pflanzenarten die Eintrittsdaten charakteristischer phänologischer Ereignisse (wie z. B. Blattaustrieb, Blüh- beginn, Fruchtreife, Laubfärbung und Blattfall) festhält.Wegen ihres hohen Aussagewertes für die Klimakunde und der Abhängigkeit der Planzenentwicklung von der Witterung fällt die Phänologie in den Bereich der Agrarmeteorologie. Darüberhinaus sind phänologische Beobachtungen nicht nur für die jagdwissenschaftliche Forschung, sondern auch für den praktischen Jagdbetrieb von sehr hohem Nutzen. Denn schließlich liefert die Vegetations- entwicklung die entscheidenden Voraussetzungen für das jahreszeitlich wechselnde Angebot an Äsung und Deckung im Revier. Die Abläufe in der Natur folgen nicht starr dem Kalender. So spricht bereits der Volksmund zum Beispiel von einem „zeitigen" oder „späten" Frühjahr. Wenn auch das astronomische Datum des Frühlingsanfangs am 21. März einigermaßen mit der Vegetationsentwicklung übereinstimmt, so scheinen der auf den 21. Juni festgelegte Beginn des Sommers und erst recht der auf den 23. September fixierte Herbstanfang sowie das Datum des 21. Dezembers als Winteranfang im Vergleich zu den Lebensläufen in der Natur als viel zu spät datiert. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, unterscheidet man anstelle der vier Jahreszeiten im Kalender zehn phänologische Jahreszeiten (s. Anlage 1), deren Beginn im Gegensatz zur üblichen Einteilung im Kalender nicht durch ein bestimmtes Datum, sondern durch bestimmte phänologische Kriterien festgelegt wird.

Die folgende Tabelle soll zu phänologischen Beobachtungen im Revier anleiten. Am Beispiel allgemein bekannter Pflanzenarten sind die phänologischen Ereignisse aufgeführt, die die einzelnen Jahreszeiten kennzeichnen. Wie bei allen Naturbeobachtungen, so gilt auch hier, daß sie umso aufschlußreicher und die aus ihnen gezogenen Schlüsse umso sicherer sind, je länger sie durchgeführt werden.

7.Literatur BEHRENS, H., K. FIEDLER, H. KLAMBERG & K. MÖBUS (1985): Verzeichnis der Vögel Hessens. - Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V.-Frankfurt am Main; S. 47. GLUTZ, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1973): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Frankfurt am Main; 5: 258. DACHVERBAND DEUTSCHER AVIFAUNISTEN (DDA) & DEUTSCHE SEKTION DES INTERNATIONALEN RATES FÜR VOGELSCHUTZ (DS/IRV) (1991): Rote Liste der in Deutschland gefährdeten Brutvogelarten (1. Fassung, Stand 10.11.1991). Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat f. Vogelschutz 30: 15 - 29.

DÖRING, U. & R. HELFRICH (1986): Zur Ökologie einer Rebhuhnpopulation (Perdix perdix, L. 1758) im Unteren Naheland (Rheinland-Pfalz; Bundesrepublik Deutschland). - Schriften des Arbeitskreises für Wildbiologie und Jagdwissenschaft an der Justus- Liebig-Universität Gießen, Heft 15.- F. Enke Verlag Stuttgart; 365 S. 149 PEGEL, M. (1986): Der Feldhase (Lepus europaeus PALLAS) im Beziehungsgefüge seiner Um- und Mitweltfaktoren. - Schriften des Arbeitskreises für Wildbiologie und Jagd- wissenschaft an derJustus-Liebig-Universität Gießen, Heft 16.- F. Enke Verlag Stuttgart; 224 S. PEGEL, M. (1987): Das Rebhuhn (Perdix perdix L.) im Beziehungsgefüge seiner Um- und Mitweltfaktoren. - Schriften des Arbeitskreises für Wildbiologie und Jagdwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Heft 18.- F. Enke Verlag Stuttgart; 198 S. PETRAK, M. (1986): Der phänologische Revierkalender. -Jagd und Hege 18, 1: 14-16.

PETRAK, M. (1990): Beobachtungen im Revier. - Forschungsstelle für Jagdkunde und Wild- schadensverhütung des Landes Nordrhein-Westfalen. - Bonn. STAATLICHE VOGELSCHUTZWARTE FÜR HESSEN, RHEINLAND-PFALZ UND SAARLAND & HESSISCHE GESELLSCHAFT FÜR ORNITHOLOGIE UND NATURSCHUTZ (1987): Rote Liste der bestandsgefährdeten Vogelarten in Hessen, 7. Fassung, Stand: 1.1.1988. Vogel und Umwelt 4: 335-355.

Anschrift der Verfasser: ALBERT HARBODT& Dr. KLAUS RICHARZ Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt am Main 60

150 Anlage 1 Phänologischer Revierkalender (aus PETRAK 1990) Einteilung des Vegetationsjahres in phänologische Jahreszeiten *) Beobachtungsjahr 19 b BO ab Bemerkungen 1. Vorfrühling Hasel Schneeglöckchen Huflattich Salweide Narzisse 2. Erstfrühling Buschwindröschen Stieleiche Schlehdorn Rotbuche Löwenzahn 3. Vollfrühling Apfel Besenginster Margerite Heidelbeere Himbeere 4. Frühsommer Schneebeere Robinie Erdbeere Frühkirsche Wiesenfuchsschwanz 5. Hochsommer Kornblume Spätkirsche Heidelbeere Stachelbeere 6. Spätsommer Heidekraut Eberesche Schneebeere Frühpflaume Frühapfel b LV BF 7. Frühherbst Herbstzeitlose Roßkastanie Herbstbirne Herbstapfel Liguster 8. Vollherbst Laubbäume Rotbuche Stieleiche Winterlinde Winterapfel 9. Spätherbst Laubbäume 10.Winter Christrose b=erste Blüten offen, Beginn derBlüte: Die ersten Blüten haben sich f =erste Früchte reif, Fruchtreife: Ein erstes Durchpflücken ist möglich vollständig geöffnet, so daß die Staubgefäße Blütenstaub (Pollen) und lohnend. abgeben. Bei Kätzchenblühern kann das Stäuben gut festgestellt LV= Laubverfärbung: mehr als 50% aller Blätter (bereits gefallene werden, indem man mit dem Finger gegen die Kätzchen knipst. eingeschlossen) sind herbstlich verfärbt. (Vergilbungserschei- BO = erste Blattoberflächen sichtbar. Blattentfaltung: Die ersten nungen und Dürrlaubbildung als Folgen anhaltender sommerlicher Blätter haben sich vollständig entfaltet (entrollt) und bis zum Blatt- Hitze und Trockenheit sowie Streusalzschäden gehören nicht hierzu!) grund (bzw. Blattstiel) ganz aus der Knopse herausgeschoben, so daß BF = Blattfall: Es ist der erste Tag einzutragen, an dem der Blattfall sie zwar schon ihre endgültige Form haben, aber noch nicht die merklich sichtbar ist Vereinzelt abfallende Blätter sind nicht als Blatt- endgültige Größe zu haben brauchen. fall zu werten, ebensowenig Laubabwurf bei längerer Dürre oder ab =Vollblüte, die Hälfte blüht Streusalzschäden. 151 Rebhuhn-Untersuchungsprogramm Formular Störungen: Anlage 2

Datum: Temperatur: °C Uhrzeit: von bis Starkregen O Nieset O Schauer O U.-Gebiet: Wind: schwach O mittel O stark O Windrichtung: Bearbeiter: Bewölkung: 0 O 1/4 0 1/2 O 1 O einsehbare Fläche: ha Werktag O Samstag O Sonntag O

Störfaktoren: (Bitte „Fett"-Buchstaben eintragen!)

Mensch Tier Technik Landwirtschaft Jogger Bussard Auto Bodenbearbeitung Radfahrer Elster Flugzeug Düngen Reiter Fuchs Hubschrauber Ernten Spaziergänger Habicht Modellflugzeug Heumachen Sonstiger Hund - frei Mopedfahrer Mähen Hund - Leine Segelflugzeug Traktor Katze Pflanzenschutz Milan Rabenkrähe Weihe

Stör- An- Uhrzeit Aufenthalt auf Weg sonstige faktor zahl Anfang Ende im Gebiet ja nein Bemerkungen

sonstige Beobachtungen:

152 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 153 -159 (1992)

Hessens neue Naturschutzgebiete (21) von ALBRECHT ENSGRABER, Eltville am Rhein

NSG und LSG „Fuldatal bei Konnefeld" (Schwalm-Eder-Kreis und Kreis Hersfeld-Rotenburg)

VO vom 19. Oktober 1989 (StAnz. S. 2306); in Kraft getreten: 7. November 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Einzeljagd auf Haarwild. Das kombinierte Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet befindet sich im Naturraum „Fulda-Werra-Bergland, Rotenburger Fuldatal" zwischen Niederellenbach und Konnefeld. Im Naturschutzgebietsteil, 16,87 ha groß, der sich in einer Länge von ca. 1 km entlang der Fulda erstreckt, befindet sich ein verlandeter Fulda-Altarm mit einer restlichen Wasserfläche, dervon einem hohen Weidengürtel umsäumt ist. Im westlichen Gebietsteil haben bisher intensiv bewirtschaftete Mähwiesen bestanden. Hier hat die Deutsche Bundesbahn eineTeilfläche von 3,72 ha erworben und zum Ausgleich für Eingriffe an fünf Baustellen (Fuldatal-Brücke, Heidel- bachbrücke,Wildsberg- und Sengebergtunnel sowie Erddeponie Fuldatal bei Heina) im Zuge der Bundesbahn-Neubaustrecke eine Ausgleichsmaßnahme durchgeführt. Es liegt die Entscheidung zugrunde, daß anstelle der bei den Baumaßnahmen vernichteten Biotope, meist Feldgehölze, ein Feuchtbiotop für Fische und Vögel angelegt werden soll, weil hieran ein besonders dringlicher Mangel besteht. Vorhandene Flutmulden wurden zu Teichen unter- schiedlicher Tiefe, vom Flachwasser bis zum Mittelwasserstand von 3 m und verschiedener Uferausformung, z. B. mit einem Steilufer, gestaltet. Über einen offenen Graben haben die Teiche mit der Fulda eine direkte Verbindung erhalten. Eine Insel weist eine Grobkiesschüt- tung auf, um einen vegetationsarmen Bereich (für Flußregenpfeifer) zu schaffen. Nach den Erdarbeiten ist im Biotop eine artenreiche Initialpflanzung von Röhrichten erfolgt. Eine Abschirmung gegenüber dem im Norden angrenzenden Wirtschaftsweg bildet ein mit dornigen Sträuchern bepflanzter Erdwall. Das Naturschutzgebiet ist im Westen, Norden und Osten von dem 65,48 ha großen Land- schaftsschutzgebiet als Pufferzone umgeben.

NSG „Hexwiese und Hohekadrich bei Lorch" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 26. Oktober 1989 (StAnz. S. 2362); in Kraft getreten: 21. November 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd, verboten: - Tiere weiden zu lassen. Das 4,74 ha große Gebiet liegt im Naturraum „Westlicher Hintertaunus" Untereinheit „Wisper- taunus"westlich entlang derWisperstraße. Es schließt nach Norden an das bestehende Natur- schutzgebiet „Schittkamm" an. Die Hexwiese ist ein an drei Seiten von Wald umgebenes, schlauchartiges Grünland, das auf einer Länge von 250 Metern 60 Meter ansteigt und somit einen fast almartigen Charakter hat. Von einem relativ großflächigen Erlenbruchwald im oberen Gebietsteil geht ein nasser Wiesenstreifen aus, der sich unterhalb am nordöstlichen 153 Waldrand verlängert. In Pfeifengras- und Sumpfdotterblumengesellschaften wächst das Breitblättrige Knabenkraut. In den trockeneren Bereichen gibt es von früheren Massenvor- kommen noch einige Exemplare von Akelei, Geknäulter Glockenblume und DoldigerWucher- blume, in Randbereichen außerhalb der Weidezäune den Hügelkleesaum (Geranio-Trifo- lietum alpestris) mit Schwarzer Platterbse. Der zweite, sich der Hexwiese nach Nordosten längs der Straße anschließende, weniger als 100 m breite Gebietsteil ist ein Eichen-Hainbuchenwald mit deutlichen Anzeichen früherer Niederwaldnutzung. Er enthält viele trockenheitsresistente Pflanzenarten. Auf flachgründigen Standorten kommt kleinflächig Felsheide vor. Seltene Arten sind Gewöhnliche Pechnelke und Blauer Lattich.

NSG und LSG „Habichtsstein und Warmetal bei Ehlen" (Landkreis Kassel)

VO vom 2. November 1989 (StAnz. S. 2433); in Kraft getreten: 28. November 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd auf Haarwild. Das kombinierte Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet (NSG-Anteil 38,96 ha) liegt im Naturraum „Habichtswälder Bergland, Zierenberger Grund". Die Naturschutzgebietsgrenze fällt größtenteils mit derjenigen einer kleinen Waldfläche zusammen, die sich an einem relativ steilen Vorsprung der rechten Randhöhe des Warmetals befindet. Oberhalb des Steilhanges, über dem Schluchtwald und umgeben von artenreichem Baumbestand, ragt die namen- gebende Felsengruppe aus Basaltgestein empor. „Habichtstein" wird nur der Nordteil des Gebietes genannt, der Südteil heißt nach einer nahegelegenen Wüstung „Hattenhäuser Berg". An der südlichen Grenze fließt ein kleiner Nebenbach der Warme. Im wesentlichen kenn- zeichnet naturnaher, artenreicher Laubmischwald mit reicher Naturverjüngung und ausge- prägter Krautschicht das Gebiet. Insbesondere im südlichen Randbereich befinden sich sehr alte Eichenbestände. Der Wald steht im Eigentum der Gemeinde Habichtswald. Von der südwestlich in den Wald hineinragenden Wiesenfläche gehört nur ein kleiner Teil zum Natur- schutzgebiet. Der hier anschließende Südhang bis zur B 251 ist einbezogen. Die dortigen Kalkäcker mit Heckenzügen tragen eine artenreiche Krautflora. Unter den 250 im Gebiet vorkommenden Pflanzenarten ist der Deutsche Enzian besonders zu nennen. Graureiher, Hohltaube, Schwarzspecht, Grauspecht und Wasseramsel zählen zu den vorkommenden Vogelarten. Eine Nebenstraße verläuft mitten durch das Gebiet. In einer großen Schleife überwindet sie den dortigen Steilhang. Das Naturschutzgebiet wird von einem gleichzeitig ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet umfaßt,welches oberhalb und unterhalb noch dem natürlichen Lauf der Warme und eines Nebenbaches folgt. Als kleine Nebenfläche zählt zum Naturschutzgebiet der obere der drei Teiche im Park beim Hofgut Bodenhausen mit ca. 1 ha Wasserfläche. Er ist flachgründig und hat eine breite Röhrichtzone, die größte Schilffläche in der weiteren Umgebung. Zahlreiche Brut- und Gast- vogelarten sowie die meisten heimischen Amphibienarten sind hier vertreten. Ein Amphibien- schutzzaun ist an der Straße eingerichtet. 154 NSG „Nenkel bei Gudensberg" (Schwaim-Eder-Kreis)

VO vom 8. November 1989 (StAnz. S. 2435); in Kraft getreten: 28. November 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist erlaubt: - die Ausübung der Einzeljagd, verboten: - Stallmist zu lagern oder Freigärhaufen anzulegen. Das 15,57 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Westhessische Senke, Gudens- berger Kuppenschwelle". Es liegt hart am Rande des Naturparks Habichtswald. Etwa 2 km nordwestlich von Gudensberg ragt die bewaldete Basaltkuppe mit einer fast kreisrunden Grundfläche von etwa 500 m Durchmesser etwa um 40 Meter hoch aus der Feldgemarkung der vom Buntsandstein bestimmten Umgebung. Sie ist eine von zahlreichen Einzelvulkanen, mit denen der tertiäre Vulkanismus des Erdzeitalters die tektonische Störungszone der niederhessischen Senke durchbrochen hat. Auf Basalttuffen und Feldspatbasalten hat sich eine nährstoffreiche, flachgründige und skelettreiche Bodendecke entwickelt. Der nördliche und nordöstliche Teil des Nenkel ist seit 1845 mit Fichten bestanden. Der südliche und westliche Teil trug zu dieser Zeit einen Niederwald aus Hainbuche, Eiche, Ahorn, Buche und Hasel. Hier befindet sich jetzt ein Eichen-Hainbuchenwald, an der Südseite mit gehäuftem Auftreten von Feldahorn. Früher lag ein Gürtel von Huteflächen um die Kuppe. Dieser ist größtenteils noch als Gebüschzone erkennbar. Im Südwesten sind Überreste von Trockenrasen verblieben, in denen sich wärmeliebende Pflanzengesellschaft mit Diptam, Purpur- und Manns-Knabenkraut sowie Blaurote Steinsamen erhalten haben.Von den Pflan- zenarten der Roten Liste wachsen im Gebiet ferner Märzenbecher, Gelber Eisenhut, Türken- bund,VVintergrün und Echte Schlüsselblume. Haselmaus, Dachs, Iltis, Blindschleiche, Habicht, Rotmilan, Rebhuhn, Schleiereule, mehrere Heuschrecken- und Schmetterlingsarten sind als Bewohner des Gebietes besonders hervorzuheben. Eigentümer ist die Stadt Gudensberg. Eine forstliche Nutzung wird seit Jahren nicht mehr ausgeübt. Eine Umwandlung des Fichtenwaldes in Eichen-Hainbuchenwald und die Nutzung von Teilbereichen als Niederwald wird im Pflegeplan empfohlen.

NSG „Heubruchwiesen bei Eschenstruth" (Landkreis Kassel) VO vom 8. November 1989 (StAnz. S. 2458); in Kraft getreten: 5. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd auf Haarwild Das kombinierte Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet (NSG-Anteil 50,19 ha) liegt im Naturraum „Fulda-Werra-Bergland, Söhre" in der breiten Talmulde des oberen Männerwas- sers. Es ist eine der letzten größeren, früher häufigeren Hochwiesen in den Wäldern der Söhre. Nur der hintere, obere Teil des Tälchens zwischen 380 und 460 m NN hat Aufnahme in das Naturschutzgebiet gefunden. Der obere Teil ist als 40,66 ha großes Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden. Wegen des Einspruches vonseiten der Landwirte wurden auch die Gemarkungsteile „Zwickel" und „Roßbachwiesen" lediglich dem Landschaftsschutzgebiet zugeschlagen. Der botanisch wertvollste Teil ist die Talmulde mit sehr artenreichen Wiesen, darunter sehr schöne Trollblumenbestände sowie Breitblättriges und Geflecktes Knabenkraut. Auf dem rechten Talhang erstrecken sich nährstoffarme, nicht genutzte Borstgraswiesen mit großen 155 Arnikabeständen und vereinzelt Geflecktem Knabenkraut. Zum Naturschutzgebiet gehören ferner beachtliche Waldflächen, u. a. schöne Buchen-Altholzbestände, die im Süden an die genannten Borstgraswiesen anstoßen und von fast allen heimischen Spechtarten sowie von der Hohltaube besiedelt sind. Ein großer Teil des Waldes liegt auch auf der linken Talseite östlich und südlich eines Steinbruchs. Hier ist im Staatswald die Umwandlung in Laubwald vorgesehen. Die Tümpel im Steinbruch sollen von störendem Bewuchs freigestellt werden. Entscheidend für die weitere Entwicklung des Gebietes wird die möglichst rasche Inangriff- nahme von Pflegemaßnahmen sein, welche die Folgen von Überdüngung und Entwässerung, von Nutzungsaufgabe und Ausbreitung von Gehölzen aufhalten und rückgängig machen sollen.

NSG und LSG „Kalkmagerrasen und Diemeltalwasser bei Lamerden (Land-Kreis Kassel)

VO vom 13. November 1989 (StAnz. S. 2460); in Kraft getreten: 5. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist im Naturschutzgebiet gestattet: - die Ausübung der Jagd auf Haarwild verboten: - Drainmaßnahmen durchzuführen, - Stallmist zu lagern und Freigärhaufen anzulegen. Das kombinierte Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet, NSG-Anteil 16,84 ha, liegt im Naturraum „Oberes Weserbergland, Beverplatten", am Fuße des Heuberges, wo ein kleines muldenförmiges Seitentälchen zur Diemel führt. Es hat mehrere mehr oder weniger eng zusammenhängende Teilflächen. Das gleichzeitig ausgewiesene Landschaftsschutzgebiet faßt diese Teilflächen zu einer geschlossenen Haupfläche und zwei separaten Flächen zusammen. Von den letztgenannten liegt eine gemeindeeigene Fläche beim Käsegraben, die andere im Bereich des ehemaligen Diemel-Altarms.

Vom Altarm, den die Bahnlinie weitgehend von der Diemel abtrennt, sind z. Z. nur noch Reste erkennbar. Der nördliche Bogenteil ist eingeebnet, der südliche und mittlere besitzt noch ein kleines Flachwasser mit einem Bestand aus Weichhölzern. Es besteht die Absicht, den Altarm, in dem noch vor wenigen Jahren das letzte bekannte Vorkommen des Zungenhahnenfußes in Hessen und eine Uferschwalbenkolonie bestanden haben, wieder zu räumen und zu renatu- rieren. Ein Landwirt, der die Fläche weiterhin zur Lagerung von landwirtschaftlichen Produkten benutzen wollte, konnte sich damit, auch vor Gericht, nicht durchsetzen.

Die Hauptfläche des Naturschutzgebietes wird von der Flanke eines kleinen Trockentälchens eingenommen. An diesem nach SO geneigten Hang hat ein ehemaliger Kalksteinbruch eine Steilwand und Rutschkegel hinterlassen. Der übrige Hangeine ehemalige Streuobstwiese, ist stark verbuscht, doch nach kürzlich erfolgten Pflegemaßnahmen wieder in beträchtlichen Teil- bereichen freigelegt. Er trägt zahlreiche Säulen-Wacholder. Der nach Norden spitz zulaufende, nördlichste NSG Teil weist eine steil südexponierte noch guterhaltene Wachol- derfläche auf. An deren Hangfuß befindet sich ein schöner Erdaufschluß in Form einer Steil- wand mit mauerartigem Plattenkalk.

Im Gebiet wachsen als bedeutsamste Pflanzenarten Deutscher Enzian, Fransenenzian und Kreuzenzian, Dreizähniges Knabenkraut, Fliegen-Ragwurz, Mücken-Händelwurz und Sumpf- Herzblatt. Die Bestände sollen sich nach Entbuschung der Standorte wieder regenerieren. Eine Besonderheit im Gebiet bildet der Neuntöter und einige andere Heckenbrüter. 156 NSG „Rabenlei und Ruhestein bei Geroldstein" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 10. November 1989 (StAnz.S. 2522); in Kraft getreten: 12. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd.

Das 35,5 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Westlicher Hintertaunus", Unterein- heit „Wispertaunus", der auch „Hinterwald" genannt wird. Der Ruhestein wird als Randhöhe der Wisper von dieser östlich und südlich umflossen und hierdurch sowie durch das tief ein- geschnittene Tal des Herzbaches an seiner Westseite als auffälliger Vorsprung des Gebirges modelliert. Sein nach Norden längs des Herzbaches verlängerter Westhang wird nach den dortigen Felsklippen als Rabenlei bezeichnet. Im Gebiet besteht ein Höhenunterschied von etwa 165 m (360 bis 195 m NN) mit durchschnittlich etwa 1:1 geneigten Hängen. An mehreren Stellen befinden sich große Felspartien und mächtige Felsentürme. Diese sind am besten nach dem herbstlichen Laubfall vom Gegenhang des Herzbaches aus einzusehen. Übrigens bildet der Bach hier die Grenze nach Rheinland-Pfalz. Das Gebiet trägt in weiten Bereichen der Hänge einen natürlichen Traubeneichenwald (Luzulo-Quercetum-petraeae). Auf Fels- köpfen, -bändern und -rippen wächst Felsenbirnen-Gebüsch (Cotoneastro-Amelanchie- retum). Auf Schuttfächern von Halden des ehemaligen Schieferbergbaus entwickelt sich ein Eschen-Sukzessionsbestand. Felsenbirne, Mehlbeere, Fichtenspargel, Stinkende Nieswurz und Engelsüß sind vorkommende wertvolle Pflanzenarten. Als Glieder dervorhandenen pflan- zensoziologischen Einheiten bildet einen wichtigen Schutzgrund der artenreiche Bestand an Moosen vor allem in den Felsenpartien, z. B. aus den Laubmosen Bartramia pomiformis, Dicranum spurium und D. polysetum sowie Ditrichum pallidum und aus den Lebermosen Lophocolea cuspidata und Ptilidium ciliare.

NSG „Gladbachtal bei Obergladbach" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 17. November 1989 (StAnz. S. 2523); in Kraft getreten: 12. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd, - die Düngung mit stickstoff-freien Düngemitteln, verboten: - Wiesen zu beweiden.

Das 10,09 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Westlicher Hintertaunus", Unterein- heit „Wispertaunus". Es umfaßt in einer Länge von etwa 1 km den Quellfächer und den anschließenden Bachlauf eines ehemaligen Waldwiesentals, das mit Ausnahme einiger Rest- flächen weitgehend der Wiederbewaldung anheim gefallen ist. Der teilweise nur wenige Meter breite Auenstandort am Bachlauf ist bereits vor einigen Jahrzehnten brachgefallen. Hier bildet heute die Erle einen mehr oder weniger zusammenhängenden Bach-Erlen-Eschenwald. Infolge Lichtmangels hat sich die Grünlandstruktur allmählich aufgelöst. An stark vernäßten Stellen haben sich Bitterschaumkraut-Quellfluren entwickelt. An den Unterhängen des Bach- tals im Osten stockt ein bodensaurer Buchenwald, im Westen ist vor 30 Jahren mit Fichte aufgeforstet worden. Auch im Bereich des Quellfächers sind erhebliche Aufforstungen, teil- weise in Form von Gehölzriegeln, vorgenommen worden, doch finden sich hier noch große Freiflächen.

Zwei Frischwiesen werden bislang regelmäßig gemäht. Es sind magere, niedrigwüchsige Grasbestände, die den wechselfeuchten Frauenmantel-Glatthaferwiesen angehören. Bunte Blühaspekte ergeben sich vor allem im Frühsommer. Auf einer kleinen Fläche besteht eine 157 Pfeifengraswiese. Ein Kleinseggensumpf in der südöstlichen Ecke hat Herden von Igel- und Grausegge; hier wachsen auch Sumpf-Veilchen und Sumpf-Weidenröschen. Als einzige Großseggengesellschaft hat sich an ganz wenigen Stellen kleinflächig das Schnabelseggen- ried entwickelt.

Unter 232 aufgefundenen Pflanzenarten befinden sich sieben Arten der Roten Liste, doch das Breitblättrige Knabenkraut nur in einem Exemplar und das Stattliche Knabenkraut lediglich in etwa zehn Exemplaren. Kuckuck und Turteltaube, Moor- und Grasfrosch, Berg- und Faden- molch sowie die Bergeidechse kommen im Gebiet vor. Mit 21 nachgewiesenen Schmetterling- sarten, darunter als Rote-Liste-Arten Feuchtwiesen-Perlmutterfalter, Perlgrasfalter und Brauner Feuerfalter, ist das Gebiet mäßig artenreich. Den Nachweis von Heuschrecken-, zwei Libellen- und fünf Laufkäferarten haben die bisherigen Untersuchungen erbracht.

NSG „Rechtebachtal bei Georgenborn" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 21. November 1989 (StAnz. S. 2568); in Kraft getreten: 19. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - mit stickstoff-freien Düngemitteln zu düngen - der Rückschnitt und der Ersatz von Obstbäumen, verboten: - Pferde weiden zu lassen, - Schafe in Pferchen zu halten.

Das 18,48 ha große Naturschutzgebiet liegt an der Grenze der Naturräume „Rheingau- Vortaunus" und „Wiesbadener Hochtaunus". Es handelt sich um das schmale Tälchen des Baches, der östlich von Georgenborn bei etwa 340 m NN entspringt und nach etwa 2,5 Kilo- metern etwa 200 m NN in den Walluf-Bach mündet. Aufgrund Einspruchs bei der Oberen Landesplanungsbehörde wurde der Mittelteil der Bachaue, ein Waldbereich in kommunalem Besitz, aus dem Schutzbereich der Verordnung herausgenommen, so daß das Naturschutz- gebiet in zwei Teilstücke getrennt ist.

Der obere Gebietsteil, nahe Georgenborn vor dem östlich angrenzenden Waldgebiet gelegen, wird von der L 3411 zerschnitten. In der nördlich dieser Straße gelegenen Teilfläche befindet sich der Haupt-Quellbereich des Baches. Quellige Stellen, Gräben und trockene Zonen bilden ein vielgestaltiges Biotop-Mosaik, das durch Gehölze weiter gegliedert ist. Im Bereich unterhalb der Straßenüberquerung breitet sich links des Baches eine große Mähwiese mit einem weiteren Quellbereich aus. In der kleinparzellierten Fläche rechts des Baches befinden sich im NSG einige Gärten.

Der untere Gebietsteil ist schmal V-förmig, teilweise tief eingeschnitten. Die linke Hangseite trägt größtenteils Wald, rechts vom Bach befinden sich fast durchgehend Grünflächen mit Hochstauden-Beständen. Der Bach wird von einem Schwarzerlensaum begleitet, der sich an mehreren Stellen zu Erlenbruchwäldchen erweitert. Im oberen verbreiterten Bereich besteht ein größerer Wildacker.

Breitblättriges und Geflecktes Knabenkraut, Sumpf-Veilchen, Schmalblättriges Wollgras, Rispen-, Hain-, und Fuchs-Segge, Wasser-Schierling und Deutscher Ginster sind festgestellt worden. Ornithologisch ist das Gebiet reich an Grasmückenarten und anderen Unterholz bewohnenden Vogelarten.

Es war geplant, im Rechtebachtal einen 18-Loch-Golfplatz auszubauen. Dies ist an einer Gegeninitiative sehr zahlreicher Bürger gescheitert. 158 NSG „Steigwiesen bei Presberg" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 21. November 1989 (StAnz. S. 2570); in Kraft getreten 19. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - mit stickstoff-freien Düngemitteln zu düngen - die Ausübung der Jagd. Das 8,88 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „HoherTaunus, Rheingaugebirge". Es handelt sich um eine etwa rechteckige Waldwiese mit dem Steigerbach am Ostrand, die mit nord-östlicher Hangneigung reltiv steil zwischen 220 und 290 m NN zum Grolochbach hin einfällt. Im Westen ist der Waldrand in das Naturschutzgebiet einbezogen. Vom hoch darüber gelegenen Presberg her hat man einen sehr schönen Überblick über das Gebiet. Das schön- gebaute Forsthaus liegt vor der unteren Schutzgebietsgrenze. Der daneben gelegene Fisch- teich ist in das Gebiet einbezogen. Die topographisch bedingte verminderte Sonneneinstrah- lung - zusammen mit der Beschattung durch die Waldränder und wegen der Höhenstufe - bewirkt ein relativ rauhes Kleinklima. Auf der Fläche bestehen viele vernäßte Stellen mit Binsen- und Seggenriedern, darin Massen- vorkommen der stark gefährdeten sibirischen Schwertlilie, und verstreut viele Gehölzinseln aus mehreren Strauch- und Baumarten. Der untere Wiesenteil, ausgenommen im Osten, wird bewirtschaftet. Hier wachsen drei Orchideen-Arten, darunter das Männliche Knabenkraut. Von den festgestellten 14 Pflanzenarten der Roten Listen sind noch besonders zu nennen: Kicher-Tragant (Astragalus cicer), Gekielter Lauch (A. carinatum), Kleines Helmkraut (Scutel- laria minor), Sumpf-Läusekraut, Wasser-Greiskraut, Bitteres und Quendel-Kreuzblümchen und an weiteren Arten noch Kümmelblättrige Silge und Arznei Thymian (Thymus pule- gioides).

Anschrift des Verfassers: Dr. ALBRECHT ENSGRABER, Schwalbacher Straße 17 6228 Eltville am Rhein

159 Neue Literatur

HOYER, E. (1992): Naturführer LSG Brohmer Berge mit Galenbecker See (NSG) und Fried- länder Große Wiese. -120 S., 41 Farb-, 70 SW-Fotos, 10 SW-Darstellungen. Bezug durch den Verfasser. (Dorfstr. 16,0-2151 Galenbeck / Mecklenburg.) Zahlreiche Naturkleinodien in den neuen Bundesländern sind auch unter den einschlägig Interessierten der alten Bundesrepublik bisher nur wenig bekannt. Das Landschaftsschutz- gebiet Brohmer Berge mit dem darin eingebetteten über 10 km2 großen Naturschutzgebiet Galenbecker See (Mecklenburg-Vorpommern) nimmt unter ihnen eine hervorragende Stelle ein. Der vorliegende Naturführer kann in vorzüglicher Weise zur Vorbereitung auf einen erleb- nisreichen Aufenthalt dort dienen. Geographie und Geologie dieser von der Weichsel-Eiszeit geformten Landschaft stehen am Beginn der gehaltvollen zahlreichen Abschnitte, die einen weiten Themenkreis umfassen. Neben der ausführlich behandelten Tier- und Pflanzenwelt haben auch Volkskunde und Kultur (beachtenswerte alte Dorfkirchen!) ihren Platz. Einige Wandervorschläge sind vor allem beim erstmaligen Besuch eine willkommene Hilfestellung. In der nach der kleineren ersten hoffentlich bald nötig werdenden größeren zweiten Auflage wäre eine Anschrift für den Bezug von Quartiernachweisen zu empfehlen. Auch ohne aktuelle Reisepläne ist das reichbebilderte Werk mit Genuß und Gewinn zu lesen. R. MOHR

BEZZEL, E.- Redaktion - (1992): Ornithologen Kalender '93 Jahresbuch für Vogelkunde und Vogelschutz -, 256 S., Aula Verlag Wiesbaden, ISBN 3-89104-534-7.

Der jetzt für das Jahr 1993 herausgebrachte Ornithologen Kalender bringt wieder viel Wissenswertes. In ausgewogener Art und Weise werden vogelkundliche Themen sowie solche aus Vogel- und Naturschutz behandelt. Ein Fachbeitrag über den Vogel des Jahres, den Fluß- regenpfeifer, leitet den Textteil nach dem Kalendarium ein. Auch das Titelbild ist dieser Vogelart gewidmet. Mit M. Cyganski wird ein Ornithologe aus dem Baltikum vorgestellt. Es folgen interessante Artikel u. a. über fossile Vogelfunde, die Sächsische Schweiz, ornitho- logische Forschung in Naturschutzgebieten, den Großen Brachvogel, die Nickhaut, der Ornithologe (Homo sapiens ornithologicus): Subspezies oder Ökomorphe des Europäers, was ein Computer von der Ornithologie hält, praktische Tips für Vogelbeobachter und knifflige Probleme der Vogelbestimmung. Sie vermitteln viel Fachwissen. Besonders sei auf das um- fangreiche Adressenverzeichnis und die Beobachtungsliste hingewiesen. Der Erwerb der neuesten Ausgabe des Ornithologen Kalenders kann sehr empfohlen werden. W. KEIL

160 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 161-170 (1992)

Untersuchung zur Etho-Ökologie der Elster (Pica pica) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) im Raum Korbach, Nordhessen von ANTONIUS KÖSTER, Gießen

1. Untersuchungsgebiet, Material und Methode Die Untersuchung, bei der der Schwerpunkt auf der Elster lag, lief von Januar 1989 bis März 1992 in einer ca. 10 500 ha großen typischen Kulturlandschaft um die Kreisstadt Korbach, Landkreis Waldeck-Frankenberg in Nordhessen. Nach dem ersten Jahr ist die Fläche um ca. 1000 ha erweitert worden. Zudem stellte sich erst bei der Erfassung der zweiten Brutperiode heraus, daß ein fünftes Elsternvorzugsgebiet existierte, in dem 1989 zwar zahreiche alte Nester kartiert worden waren, aber kein Elsternpaar zur Brut schritt. In diesen fünf Teilgebieten (Tab. 1) erreicht die Elster eine deutlich höhere Bestandsdichte als auf der Gesamtfläche. Der Grund hierfür ist in einer deutlich positiven Korrelation mit dem Vorhandensein größerer Wiesenkomplexe in Verbindung mit ausreichend Hecken und Gebüschen, aber relativ wenig hohen Bäumen zu sehen.

Tabelle 1: Flächengröße der „Elstern-Vorzugsgebiete" in ha

Name der Teilfläche Codename 1989 1990 1991

„Teichmühle" A - ca. 36 ca. 30 „In den Lehnen" B ca. 60 ca. 77 ca. 94 „Auf der Bracht" C ca. 65 ca. 60 ca. 72 „An der Marbeck" D ca. 35 ca. 40 ca. 58 „Am Deublers-Kopf" E ca. 38 ca. 53 ca. 58

Die Teilareale A („Teichmühle"), B („In den Lehnen", früherer Name „Im Sicktal"), D („An der Marbeck") und E („Am Deublers-Kopf") unterscheiden sich in der Topographie und Struktu- rierung vom Gebiet C („Auf der Bracht"), was auf den Bruterfolg der Elster erheblichen Einfluß zu haben scheint.Während es sich bei den Gebieten A, B,D und E um relativflachmuldige Täler mit reichlich urwüchsigem Heckenbestand handelt, ist das Gebiet C ebenerdig und weist „nur" verstreut liegende Gebüsche und, insgesamt gesehen, kurze Hecken auf. Die Reviere hier sind fast alle rundförmig und machen so eine bessere Nestüberwachung möglich. In den übrigen Gebieten sind sie meistens halbkreisförmig, die Nester können nur von einer Seite eingesehen werden. Zudem orientieren sich die Marderartigen bei ihrer Nahrungssuche gern an langgezogenen, breiten Hecken.

Die Zahl der Bäume ist am höchsten im Gebiet A, gefolgt von Gebiet B, in den Gebieten D und E sind es schon merklich weniger, zudem stehen sie überwiegend im Randbereich des Elstern- Kerngebietes. Trotz des sehr geringen Baumbestandes brütete im Areal D in allen drei Unter- suchungsjahren ein Rabenkrähenpaar im Kerngebiet der Elster. Im Gebiet E war es nur 1991 der Fall. Auch im Gebiet C sind die relativ wenigen Bäume auf den Außenbereich verteilt. Hier starteten drei bis vier Rabenkrähenpaare ihre Brutversuche. Jedoch hatte nur das Paar im Gebiet E Bruterfolg. 161 Näheres zum Untersuchungsgebiet, zum Material und zur Methode siehe Vogel und Umwelt 6: 223 - 229. 1990 und 1991 sind die kontrollierten Elstern- und Rabenkrähenjungen zusätzlich zu den Stahlringen der Vogelwarte Helgoland noch mit Plastikflügelmarken versehen worden.

Anhand folgender Fragestellungen wurde versucht, weitere Einblicke in das Beziehungs- gefüge Natur -Tier - Mensch zu gewinnen: - Wie hoch ist die Bestandsdichte und wie entwickelt sie sich? - Wie wirkt sich das Nahrungsaufkommen, dessen Verfügbarkeit und die Revierverteilung auf den Bestand aus? - Welche Regulationsmechanismen greifen? - Wie groß ist die Fortpflanzungs- und Mortalitätsrate? - Welche Schäden treten auf?

2. Ergebnisse

2.1.1 Neststandort

Die Wahl des Neststandortes konnte bei der Rabenkrähe nicht beobachtet werden (MELDE (1984) vermutet, daß das Männchen darüber entscheidet), wohl aber bei der Elster. Sie fliegt paarweise mehrfach an ein und die selbe Stelle und verweilt dort etwa zwei bis vier Minuten. Die Besuche sind immer mit schackern und „rat-rat"-Rufen verbunden. Ob hier eine „Ver- lobung" stattfindet, oder aber, was eher vermutet wird, ob sie testen wollen, inwieweit dort eine Brut möglich ist, indem sie durch dieses Verhalten potentielle Reviernachbarn und/oder Gegenspieler provozieren, ist unklar. Ein Brutpaar wiederholte diesen Vorgang binnen 44 Minuten 4 mal. 1991 konnte gut beobachtet werden, wie ein Elsternpaar die spätere Nist- stelle genau inspizierte, indem es in der Astgabel auf-und abhüpfte, sich drehte, den Schwanz hochstellte und herumkletterte. Als Neststandort im freien Feld werden von der Elster die Sträucher eindeutig den Bäumen vorgezogen. Hingegen sind es am Ortsrand und im Ort selbst ausschließlich Bäume. Die Bevorzugung einzelner Arten ist auf die Zusammensetzung des jeweils vorhandenen Strauch- und Baumbestandes zurückzuführen.

So lag der Schwarzdorn (Prunus spinosa) in allen drei Untersuchungsjahren deutlich vorn. 1989 erreichte er ca. 62 %,1990 57% und 199148 %. Ein weiterer Grund für die vorrangige Wahl dieses Strauches könnte eine evolutionsbiologische Anpassung sein. Der Schwarzdorn beginnt bereits im April, zu einem Zeitpunkt, wo die Elstern ihre Eier ablegen, seine weißen Blüten zu entfalten, und zwar bevor die Blätter erscheinen. Die schwarzen Äste sind jedoch noch gut sichtbar, so daß sich die Elstern mit ihren schwarzen Längsstreifen an der Seite gut auflösen. Sie haben somit eine vorzügliche Deckung und machen nicht unnötig Feinde auf sich bzw. ihr Nest aufmerksam.

An zweiter Stelle rangierte in allen drei Jahren der Weißdorn (Crataegus monogyna) mit 24 0/0, 13 0/0, bzw.12 %, gefolgt von der Hundsrose (Rosa canina). Weitere Straucharten spielten keine wesentliche Rolle. Die relativ starke Abnahme von 1989 auf 1991 hängt unter anderem mit der verhältnismäßig starken Zunahme der „Stadtbruten" und dem Wechsel des Neststandortes vom Strauch zum Baum zusammen. Bei den Bäumen wurden die Birken, Obstbäume, Weiden und Fichten am meisten angenommen. Andere wählten sie nur vereinzelt. Der Waldrand bzw. ihm nahe Standorte wurden bis auf wenige Ausnahmen gemieden. 162 Die Laubbäume werden den Nadelbäumen zum Nestbau vorgezogen. Dies mag damit zusam- menhängen, daß der Bau der Dachkuppel in Nadelbäumen schwieriger ist. Bei PRINZINGER & HUND (1981) wurden Birnbäume eindeutig bevorzugt. 25% aller Elstern- und 34 0/0 aller Rabenkrähennester fanden sie in dieser Baumart. Insgesamt aberwar die Wahl abhängig vom jeweiligen Biotop, wobei die Elster flexibler war als die Rabenkrähe. BIRKHEAD (1989) entdeckte auch Nester in Bahn- Beobachtungstürmen, Elektrizitätsmasten und in Fabriken.

2.1.2 Höhe der Nester Die Höhe der Nester liegt bei den Sträuchern überwiegend im oberen Viertel, bei den Bäumen im oberen Drittel. Die Zunahme der Höhe der „Strauchnester" und die Abnahme bei den „Baum-Nestern" von 1989 auf 1991 mag mit der Zunahme der Siedlungsdichte insgesamt bzw. der Zunahme der „Stadtbruten" zusammenhängen (Tab. 2). Bei den „Strauchnestern" ist eine Vegetationsdeckung nach oben öfters nicht gegeben. PRINZINGER & HUND (1981) fanden bei der Elster 40% der „Baum-Nester" im Wipfel, bei der Rabenkrähe gar 88%. Die Gründe hierfür mögen in der besseren Geländeübersicht, dem guten Anflug und dem Schutz vor Menschen liegen.

Tabelle 2: Höhe der Elsternnester in Sträuchern und Bäumen Untersuchungsjahr 1989 1990 1991 „Strauch"- Nester in cm 280 - 350 280 - 400 300 - 400 „Baum"-Nester in m 12 - 20 6-20 5,5 - 16

Im Gegensatz zur Elster bevorzugt die Rabenkrähe eindeutig die Bäume als Neststandort, nistet aber auch in nur 3,5 m Höhe in Sträuchern.Sie richtet sich ebenfalls nach dem Vorhan- densein der Arten, aber Laubbäume wurden mehr angenommen als Nadelbäume, was bei WITTENBERG (1968) auch der Fall war. Seiner Meinung nach „achtet" die Rabenkrähe zwar auf Deckung gegenüber Bodenfeinden,wenigerjedoch gegenüber Luftfeinden.Als großer und wehrhafter Vogel verfolge sie bei der Nestanlage die umgekehrte Strategie, indem sie das Nest gut einsehen und bei Gefahr rechtzeitig eingreifen kann. Diese Betrachtungsweise wird dadurch gestützt, daß einzelne Brutpaare in Leitungsmasten brüteten.

2.1.3 Baubeginn Der Nestbaubeginn lag überwiegend zwischen Anfang und Ende März, im Gebiet von MOLLER (1983) zwischen dem 4. März und 12. April. Ervariiert jahresweise witterungsbedingt in gewissen Grenzen ebenso individuell. Ein und dasselbe Brutpaar hatte in allen drei Jahren das Nest als erstes fertig. „Stadtbrüter" beginnen i. d. R. früher als „Freilandbrüter", wahr- scheinlich infolge der milderen Witterung. Nach NOTTMEYER-LINDEN (mündl. Mitteilung) bauten in Bielefeld, NRW, die ersten Elstern bereits im Dezember/Januar. Der Bau einer Nestkuppel dient der Feindvermeidung, insbesondere gegenüber der Raben- krähe (BAEYENS 1980). Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 1989 eins von 21 (=4,8 0/o), 1990 fünf von 54 (= 9,3 0/0) und 1991 drei von 75 (=4,0%) kontrollierten Nestern ohne Dach gefunden. Bruterfolg hatten das Paar aus 1989, drei der fünf Paare in 1990 und eins der drei Paare in 1991.

2.2.1 Eiablage Zwischen der Fertigstellung des Nestes und der Ablage des ersten Eies vergehen bei der Elster im Schnitt etwa ein bis zwei Wochen (BUITRON 1983). Diese Zeit ist wohl als Regenera- tionsphase insbesondere für das Weibchen zu sehen, da die Eiablage bis zu 26% seines Körpergewichtes kostet (BIRKHEAD 1979). 163 Der Legebeginn wurde unterteilt in die Monatsdrittel 1.-10., 11. - 20. und 21.- 30. / 31. eines Monats. Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, lag der Schwerpunkt der Eiablage 1989 zwischen dem 21. und 30.Apri1,1990 und 1991 hingegen zwischen dem 11. und 20.April. Bei Gelegen, die erst Anfang Mai getätigt werden, kann man davon ausgehen, daß es sich bereits um Ersatzbruten handelt. Die witterungsbedingten Verschiebungen des Legetermins sind bei den recht robusten Rabenvögeln ziemlich gering und m. E. eher individuell bedingt. Die letzten Gelege der Ersatzbruten wurden 1989 und 1990 zwischen dem 21. und 31. Mai und 1991 zwischen dem 1. und 10. Mai getätigt.

Tabelle 3: Zeitintervalle der Eiablage der einzelnen BP

Eiablage 1.-10.4. 11. - 20. 4. 21.- 30. 4. 1. -10. 5. 11. - 20. 5.

1989 - 15 35 25 10 1990 13 40 30 2 13 1991 12 48 27 13 -

Bei BI RKHEAD (1989) lag der Legebeginn zwischen dem 10. und 24.April, bei TATNER (1982) zwischen dem 21. März und 9. Mai und war in erster Linie von den Frühjahrstemperaturen abhängig. Bei TATNER brüteten Elstern, die alte Nester renovierten, im Durchschnitt sieben bis neun Tage früher als diejenigen in neuen Nestern.

Frühbrüter haben in der Regel größere Gelege und bessere Chancen auf Bruterfolg (BIRK- HEAD 1989), was damit zusammenhängen mag, daß dies die älteren, erfahrenen Brutpaare mit einem etablierten Revier sind. Diese kennen ihre angestammten Territorien besser, die Futterquellen sowie die Nachbarbrutpaare und damit auch die potientiellen Gefahren.

2.2.2 Gelegestärke

Die Eizahlen von Elsterngelegen schwanken zwischen vier und neun Eiern. Mein handzahmes Weibchen legte sogar zehn Eier. Meistens sind es aber sechs oder sieben (s. Tab. 4).

Tabelle 4: Gelegestärke der Brutpaare

Zahl der Eier 4 5 6 7 8 9

1989 7 4 7 2 - - Erstbrut

1990 8 10 15 14 - 1 Erstbrut 3 3 3 - - - Ersatzbrut 1 - - - - - 2. Ersatzbrut

1991 10 9 15 15 3 2 Erstbrut 6 4 11 4 1 - Ersatzbrut 4 - 1 - - - 2. Ersatzbrut

Bei den gefundenen Gelegen mit nur vier Eiern kann vermutet werden, daß hier bereits welche erbeutet wurden oder aber das Gelege noch nicht vollständig war. Die Paare mit acht bzw. neun Eiern brüteten in etablierten Revieren.

2.2.3 Brutbeginn

Die Bebrütung beginnt bei der Elster mit der Ablage des vierten Eies, bei der Rabenkrähe ist dies nach WITTENBERG (1968) individuell sehr unterschiedlich. Er fand Paare, die bereits 164 mit dem ersten Ei anfingen, andere aber erst mit dem letzten. Im Durchschnitt wurde mit dem Legen des zweiten Eies gebrütet. Ein sicheres Anzeichen hierfür ist das Füttern des Weib- chens durch das Männchen.

Weder bei der Elster noch bei der Rabenkrähe ist ein Abwechseln zwischen dem Weibchen und Männchen bei der Bebrütung beobachtet worden. Nach STRESEMANN (1927-1934, in WITTENBERG 1968) brütet bei der gesamten Gattung Corvus nur das Weibchen. Allerdings gibt es einige Beobachtungen von im Nest sitzenden Männchen bei der Rabenkrähe. Auch mein handzahmes Elsternmännchen war die meiste Zeit (zumindest am Anfang) mit im Nest, und zwar sowohl allein auf den Eiern als auch seitlich oberhalb des Weibchens. Der Grund hierfür ist unklar. Möglicherweise resultierte dieses Verhalten aus der Gefangenschaftshal- tung und/oder der Tatsache, daß sich das Weibchen selbst am Futternapf versorgte und sich nicht vom Männchen füttern ließ. Einen Brutfleck habe ich bei beiden nicht festgestellt.

2.3.2 Brutpaardichte und Bruterfolg in den Teilgebieten A bis E und im Gesamtgebiet Da die Teilgebiete A bis E gut ausgestattet sind mit Wiesen- und damit Nahrungsflächen und reichlich Hecken bzw. Gebüschen, liegt die Zahl der Brutpaare pro 100 ha hier wesentlich höher als auf die Gesamtfläche bezogen (Tab. 5).

Tabelle 5: BP-Dichte in den „Elstern-Vorzugsgebieten" A bis E

1: Name des „Elstern-Vorzugsgebietes" 2: Fläche in ha 3: Anzahl beobachteter (beob.) Brutpaare (BP) 4: Siedlungsdichte beob. BP/100 ha 5: Anzahl erfolgreicher (erfolgr.) BP 6: Siedlungsdichte erfolgr. BP/100 ha

1989: 1 2 3 4 5 6

„Teichmühle" - - - - - „In den Lehnen" ca. 60 11 18,3 3 5,0 „Auf der Bracht" ca. 65 5 7,7 4 6,2 „An der Marbeck" ca. 35 6 17,1 3 8,6 „Am Deublers-Kopf" ca. 38 7 18,4 4 10,5

1990: 1 2 3 4 5 6

„Teichmühle" ca. 36 4 11,1 1 2,8 „In den Lehnen" ca. 77 10 13,0 6 7,8 „Auf der Bracht" ca. 60 6 10,0 5 8,3 „An der Marbeck" ca. 40 6 15,0 3 7,5 „Am Deublers-Kopf" ca. 53 4 7,5 4 7,5

1991: 1 2 3 4 5 6

„Teichmühle" ca. 30 3 10,0 1 3,3 „In den Lehnen" ca. 94 13 13,8 6 6,4 „Auf der Bracht" ca. 72 14 19,4 5 6,9 „An der Marbeck" ca. 58 7 12,1 0 0,0 „Am Deublers-Kopf" ca. 58 9 15,5 4 6,9

165 Die zumeist erheblichen Differenzen zwischen der Brutpaardichte der beobachteten zu den erfolgreichen Paaren in den Teilgebieten mit Nestabständen von z.T. nur 60 m lassen auf einen starken intra- und interspezifischen Nestraub schließen, auch wird ein gravierender Einfluß der Marderartigen vermutet. Hierfür gab es einige indirekte Beweise anhand von Schalen- resten bzw.fast flüggen Elstern mit „abgeschnittenem" Kopf. Daß die Brutpaardichte im Gebiet „Auf der Bracht" so hoch war, lag wahrscheinlich an der Ebenerdigkeit des Geländes, der über- wiegenden Rundförmigkeit der Elsternreviere und der damit einhergehenden, besseren „Feind-Übersicht". Die ähnlich hohen Bestände in der Teilfläche „Am Deublers-Kopf" liegen anscheinend darin begründet, daß sich das besiedelte Gebiet in die Ortschaft Goddelsheim hineinzog. Hier gab es einige Bauernhöfe, die ergiebige Futterquellen boten. Die Ursache für die Erfolglosigkeit im Gebiet „An der Marbeck" im Jahre 1991 mag darin liegen, daß sich dort im Kernbereich sehr oft ca. 65 Rabenkrähen-Nichtbrüter aufhielten. Im Gebiet „Teichmühle" wurde 1989 noch keine gruppenartige Brut festgestellt. Der Prozentsatz erfolgreicher Brutpaare (gleich Brutpaare mit mindestens einem Jungen, das älter als drei Wochen ist) belief sich auf 51 0/0 für 1989, 58% für 1990 und 30% für 1991. Die Zahlen der Tabelle 6 zeigen, daß die Brutpaardichte der erfolgreich brütenden Elstern im Gegensatz zu den beobachteten nur ziemlich geringen Schwankungen unterlag. Das mag mit der Bruterfahrung alter Brutpaare zusammenhängen, die wahrscheinlich die besseren und sichereren Reviere innehaben, die Futterressourcen sehr gut kennen und das Feindmeide- verhalten am besten „beherrschen". So zog ein „altes", angestammtes Brutpaar 1990 neun Junge groß.

Tabelle 6: Brutpaardichte der beobachteten und erfolgreichen Paare pro 100 ha (1989 auf 9 500 ha, 1990 und 1991 auf 10 500 ha Fläche); *) von den 45 beobachteten BP konnten nur 39 kontrolliert werden Untersuchungsjahr 1989 1990 1991 beobachtete BP 45 66 94 beobachtete BP/100 ha 0,47 0,63 0,90 erfolgreiche BP/100 ha 0,24*) 0,36 0,27

Von den Orts- bzw. Ortsrandbrütern hatten 1989 von sechs Paaren fünf, 1990 von 13 und 1991 von 27 Paaren jeweils nur sechs Bruterfolg. Dieses wird der starken Präsenz der Raben- krähen zugeschrieben, was einzelne Beobachtungen auch belegen. Die Anzahl der geschlüpften Jungen pro beobachtetem Brutpaar zeigt zunächst einen be- achtlichen Anstieg, um nach Erreichen einer bestimmten Brutdichte wieder rapide abzufallen. Die Anzahl derJungen pro erfolgreichem Brupaar ist relativ konstant (Tab. 7) und im Vergleich mit anderen Autoren auch recht hoch (vgl. ELLENBERG et al. 1984, HÖGSTEDT 1980, EDEN 1985 u. a.).

Tabelle 7: Anzahl der geschlüpften Jungen (Juv.) bzw. mindestens 3 Wochen alten Jungen pro beobachtetem bzw. erfolgreichem Brutpaar und Mortalitätsrate der Jungen Untersuchungsjahr 1989 1990 1991 geschlüpfte Juv./beobachtetem BP 2,5 3,1 2,0 3 Wochen alte Juv./erfolgreichem BP 3,2 3,8 3,9 Mortalitätsrate 0,36 0,29 0,41

166 Für die Rabenkrähe liegt nur geringes Zahlenmaterial für 1990 und 1991 vor.1990 waren von 17 kontrollierten Brutpaaren acht (= 47,1%) und 1991 von 24 Brutpaaren nur fünf (= 20,8%) erfolgreich. 1990 wurden von 38 geschlüpften Jungen (= 2,2 Junge/beobachtetem BP) 23 mindestens drei Wochen alt (=2,9 Junge/erfolgreichem BP),1991 von 24 geschlüpften Jungen (1,0 Junge/ beobachtetem BP) 18 (= 3,6 Junge/erfolgreichem BP).

2.4.1 Verlustursachen Um Aussagen über die Verlustursachen machen zu können, wurden 12 beschädigte Elstern- (von insgesamt 20 Funden von Schalenresten) und fünf Rabenkräheneier analysiert. Daraufhin kann dreimal die Elster und vierzehnmal die Rabenkrähe vermutet werden. Die Marder kamen für weitere fünf Verluste infrage, einmal wurde ein mit Zahnspuren übersätes Plastilinei und zweimal ein grau-bräunliches Haarbüschel im Nest gefunden, dreimal lag eine fast flügge Elster mit „abgeschittenem" Kopf im Nest. Des weiteren wurden achtmal „gerupfte" und sechsmal „geschnittene" Elsternfedern gefunden. Fünfmal lagen tote, wahrscheinlich verhungerte Jungvögel im Nest, zweimal wurde ein einzelner (markierter) Flügel entdeckt. Für die letzten beiden Funde sowie die Rupfungen sind sehr wahrscheinlich der Habicht und evtl. der Sperber „verantwortlich", die insgesamt gesehen aber selten vorkamen. In drei Fällen brach der nesttragende Ast ab, wobei zweimal mindestens ein Ei und einmal fünf Eier gelegt worden waren. In den ersten beiden Fällen wurde ein Ersatzgelege getätigt. Ein begonnenes Nest wurde mit einer langen Latte herabgestoßen. Aufgrund von Wiederfunden beringter Elstern ist eine in einem künstlichen Wasserbehälter ertrunken, eine durch den Verkehr um- gekommen, zwei wahrscheinlich vom Habicht erbeutet worden und eine mit unbekannter Todesursache. Bei der Rabenkrähe wurden zwölfmal Schalenreste gefunden, dreimal sind die Eier komplett und zweimal Junge geraubt worden, zweimal lagen Junge tot (ohne äußere Verletzungen) im Horst. In einem Fall lag eine flügge Rabenkrähe nur ca. 8 m vom Horstbaum entfernt, leicht angeschnitten auf einer Wiese. Die „geschnittenen" Federn lassen auf einen Raubsäuger schließen. Durch Autos wurden mindestens eine Raben- und eine Saatkrähe getötet. WITTENBERG (1968) konnte bei 121 geraubten Rabenkrähenbruten fünfzehnmal die Art- genossen als Predatoren ausmachen. Diese geringe Anzahl hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß sie, wie WITTENBERG beobachtete, die Vogeleier im Schnabel vom Nest fort- bringen und an anderer Stelle verzehren. Nach TINBERGEN (1958, in WITTENBERG 1968) picken sie dazu ein Loch in die Schale, schieben den Unterschnabel hinein, legen den Ober- schnabel fest auf und fliegen so damit fort. Diese Vorgehensweise stellte LORENZ (1931) auch bei der Dohle fest. Über zwölf Tage alte Rabenkrähenjunge werden nicht mehr erbeutet, weil sie schon befiedert sind und krähenhaft aussehen.

2.5.1 Schäden Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Diskussion über die Nutzen-Schaden-Frage der Rabenvögel überflüssig. Dennoch können im Einzelfall nicht unerhebliche Schäden auftreten, insbesondere im Maisanbau. In solchen Fällen sollten die Betroffenen durch die Landwirt- schaftsverwaltung schnell und unbürokratisch entschädigt werden. Eine Konzentrierung der Schäden im Umfeld von Mülldeponien läßt sich durch eine entsprechende Deponiebewirt- schaftung leicht in den Griff bekommen. STUDER-THIERSCH (1984) kommt für die Schweiz zu dem Ergebnis, daß die Zunahme der Krähenschäden am Mais durch das Anwachsen der Anbauflächen und das Ansteigen der im Schwarm lebenden Rabenkrähen hervorgerufen wird. Dies ist nach TOMPA (1975) jedoch 167 nicht die Folge einer Zunahme des Gesamtbestandes, sondern der veränderten Verteilung der Krähen, die auf die gravierenden Strukturveränderungen in der Landwirtschaft zurückzu- führen ist. Diese entstanden durch die Höfezusammenlegung und Nutzungsintensivierung. Während die Elstern für solche Schäden nur selten infrage kommen, ist es beim Aufpicken der Folien von Maissilagen sehr wohl der Fall. Derartigen Schäden kann man entgegen- treten, indem über die Folie Auto- und/oderTraktorreifen und darüber noch ein Kunststoffvlies gelegt werden. Als Abschreckungsmaßnahmen haben sich bewährt: das Abspielen von art- eigenen Angstschreien vom Tonband (s. auch NAEF-DAENZER 1984) sowie das Abfeuern von Raketen und Schreckschußmunition. Während NAEF-DAENZER keine Gewöhnung bei der Nachahmumg von Angstschreien feststellte, hat VAUK et al. (1984) bei einer längerfristi- gen Anwendung Bedenken. Zudem hat sich in jüngerer Zeit eine Holz-Krähenattrappe bewährt, die von Wildmeister Hans-Rudolf DÜHR (1988) entwickelt worden ist. Was den Einfluß der Rabenvögel auf die anderen Singvögel und das Niederwild anbelangt, konnte ich nur in einem Fall eine Elster beim Nestraub beobachten. Hierbei flog diese zielbe- wußt in eine „Garten-Tuja-Hecke" und kam nach ca. vier Sekunden mit einem nackten Vogel wieder heraus. In etwa 80 Zuschriften bzw. Anrufen wurde mir allerdings über Nestplünde- rungen oder Angriffen auf Singvögel berichtet, zu einem geringen Teil auch über Attacken auf Niederwildarten. Eingehende Untersuchungen hierzu sind dringend erforderlich.

3. Diskussion Das Vorkommen und die Raumverteilung der Elster zeigt sich klar in der Nutzung der Nahrungs- und Nistmöglichkeiten, während die Rabenkrähe weitaus weniger habitatspezi- fisch ist. Die z.T. sehr hohen Siedlungsdichten in den Elstern- Vorzugsgebieten untermauern die Wichtigkeit von Wiesen und Weiden als Nahrungsbiotop für die Elster, wohingegen die Rabenkrähe wesentlich häufiger auch auf Ackerflächen zu beobachten ist. Die starke Zunahme an „Stadtbrütern" bei der Elster läßt das Erreichen einer Kapazitätsgrenze in der Feldflur vermuten. Ein Indiz hierfür mag auch sein, daß die Brutpaardichte insgesamt von 1989 auf 1991 von 0,47 über 0,63 auf 0,90 pro 100 ha anstieg, die Dichte der erfolgreich brütenden Elstern aber nach einem Anstieg von 0,24 auf 0,36 wieder auf 0,27 BP pro 100 ha abfiel. Hier könnte die intraspezifische Konkurrenz der Haupteinflußfaktor sein. Diese wird nach BAEYENS (1981) offenbar durch die vorausgegangene Dominanzbeziehung beeinflußt, die unter anderem vom Zeitpunkt des Eintritts in einen Nichtbrüterschwarm abhängt.

Gerade die Entwicklung in den Teilgebieten A bis E lassen auf die wesentlich bestandsein- wirkenden Faktoren Nahrungsressourcen, Nistmöglichkeiten, intraspezifische Konkurrenz und Konkurrenz zur Rabenkrähe schließen. Es scheint, als sei die Kapazität in diesen Optimal- flächen bei einer Siedlungsdichte von 6 bis 7 BP/100 ha erreicht. Daß die Höhe der „Strauch- nester" mit der Siedlungsdichte anstieg, könnte mit einer besseren Feindeinsicht zusammen- hängen. Die gleichzeitige Abnahme der Höhe der „Baum-Nester" bei der beobachteten Zunahme der „Stadtbrüter" läßt ein geringer werdendes Angebot an nesttauglichen Bäumen vermuten.

Der Null-Erfolg im Gebiet „An der Marbeck" im Jahre 1991, trotz Ersatzbrut aller, wird in erster Linie Rabenkrähen-Nichtbrütern zugeschrieben, die sich im Gegensatz zu 1989 und 1990 sehr oft im Kernbereich dieses Elstern-Vorzugsgebietes aufhielten, vermutlich aus Nahrungs- mangel. Auch eine Beobachtung im Gebiet „Am Deublers-Kopf" weist hierauf hin. Dort hatten zwei, manchmal auch drei Rabenkrähen ein Elsternpaar mehrfach am Nest attackiert. Acht Tage später waren ein Altvogel und alle sechs Jungen tot. Dem Altvogel waren die Augen ausgepickt worden. Entgegen den Angaben von KÖSTER (1991) muß man sich hier den 168 bereits von ELLENBERG (1983) formulierten Erkenntnissen, daß die Nichtbrüter die größten Verluste verursachen, anschließen. Auch sind die Rabenkrähen, hier allerdings die brütenden, sehr wahrscheinlich für den geringen Bruterfolg der im Ort oder am Ortsrand nistenden Elstern „verantwortlich". Hierzu gab es einige Hinweise aus der Bevölkerung.

Die Erscheinung des interspezifischen und insbesondere des intraspezifischen Nestraubes ist in der Vogelwelt ziemlich selten. Nach WYNNE-EDWARDS (1962) ist dieses Verhalten ein Regulationsmechanismus, der die Fortpflanzungsrate bei hoher Populationsdichte stark reduzieren kann.

Die recht starke Abnahme der Nester ohne Dach von 9,3 0/0 im Jahr 1990 auf 4,0 0/0 im Folgejahr mit dem deutlichen Abfall des Aufzuchterfolges der betreffenden Brutpaare von 60 auf 33 %, paßt als These einer wachsenden Vorsicht mit steigendem Brutbestand ebenfalls in die Gesamtbeobachtungen. SACHTELEBEN et al. (1992) führten den vergleichsweise hohen Anteil offener Nester auf den geringen Feinddruck in ihrem Untersuchungsgebiet zurück.

4. Zusammenfassung Auf einer Fläche von ca. 10 500 ha im Raum Korbach, Nordhessen, wurde insbesondere die Bestandsentwicklung der Elster und die sie beeinflussenden Faktoren untersucht. Die Dichte der beobachteten Brutpaare stieg von 0,47 über 0,63 auf 0,90 BP/100 ha an, die der erfolg- reich brütenden von 0,24 auf 0,36 und fiel dann wieder auf 0,27 BP/100 ha ab. Ausschlag- gebend sind hier die Nahrungsressourcen (Wiesen bzw. Zivilisationsabfälle), die Konkurrenz innerhalb der Art und zur Rabenkrähe sowie sehr wahrscheinlich die Erfahrenheit alter, etablierter Brutpaare. Ein wesentlicher Einfluß wird auch den Marderartigen zugeschrieben. Diese Rückschlüsse lassen sich vor allem aus den Beobachtungen in fünf Elstern-Vorzugs- gebieten mit guter Requisitenausstattung und daher z.T. sehr hohem Brutbestand ziehen. Die starke Zunahme der „Stadtbrüter" läßt auf einen Sättigungseffekt in der Feldflur schließen, ihr geringer Bruterfolg wird in erster Linie auf die stark vertretene Rabenkrähe zurückgeführt. Ihr Bruterfolg war ebenfalls sehr gering: 1990 = 47,1 0/0 (n=17), 1991= 20,8% (n=24).

5. Literatur

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BUITRON, D. (1983): Extra-Pair courtship in Black-Billed Magpies.-Anim. Behav.31: 211- 220. DÜHR, H.-R. (1988): Jäger, Heft 2, S. 25.

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WYNNE-EDWARDS, V. C. (1962): Animal dispersion in relation to social behaviour. - Edin- burgh. - London.

Anschrift des Verfassers: ANTONIUS KOSTER, Lichtenauer Weg 34, 6300 Gießen 170 Kleine Mitteilungen

Bodenbrut vom Graureiher (Ardea cinerea)

Im Naturschutzgebiet (NSG) „Bong'sche Kiesgrube bei Mainfl ingen" (Krs. Offenbach) konnte 1992 eine Brut vom Graureiher (Ardea cinerea) nachgewiesen werden. Am 6. April wurde erstmals ein Vogel in der Nebengrube des insgesamt 70 ha großen NSG bemerkt, der zur Überraschung der Beobachter hier offensichtlich brütete.

Der Horst aus dürren Ästen und Zweigen war auf einer etwa 8-10 qm großen, kegelförmigen Insel, deren Mitte den Wasserspiegel rund einen Meter überragt, am Erdboden errichtet. Der äußere Inselrand wies lediglich einen spärlichen Saum vorjähriger Schilfhalme (Phragmites australis) auf, der im Laufe der Brutzeit durch das neu sprießende Schilf verstärkt und verdichtet wurde.

Am 18. Mai konnten erstmals Jungreiher im Horst gesehen werden und am 18. Juni standen drei ausgewachsene Jungvögel neben dem Horst auf der Insel. Bei diesem Vorkommen handelte es sich um den zweiten Nachweis einer erfolgreichen Brut im Kreis Offenbach. 1978 zog ein Paar im Mainflinger Abtswald (2 km entfernt) auf einer Erle drei Junge groß; ein Brutversuch im gleichen Gebiet verlief 1980 erfolglos (ERZEPKY briefl.). Bemerkenswert und ungewöhnlich an dem Nistplatz im NSG „Bong'sche Kiesgrube bei Main- flingen" ist der Standort des Horstes am Boden. In Hessen stehen die Horste des Graureihers nahezu ausschließlich auf Bäumen. G EBHAR DT&SUN KEL (1954) geben alte, hohe Laub- und Nadelbäume an, BERG-SCHLOSSER (1968) nennt alte Rotbuchen, Fichten, Kiefern und Lärchen. Niedrige Horststandorte wurden von FLEH MIG in 2-3 Meter hohen Büschen und von MEINEN auf Pappelästen einen Meter über dem Wasser nachgewiesen (FIEDLER 1989).

1988 konnte im NSG „Ochsenhof" (Krs. Kassel) erstmals ein Brüten im Schilf beobachtet werden (SCHUMANN in FIEDLER 1989). Im gleichen Jahr sowie 1990 fand jeweils eine weitere Schilf- bzw. Bodenbrut im NSG „Rhäden von Obersuhl" (Krs. Hersfeld-Rotenburg) statt (MEINEN in FIEDLER 1989, 1991).

Während bei Schilfbruten, die im übrigen aus weiten Teilen des Verbreitungsgebietes bekannt sind, der Horst auf umgeknickten Schilfhalmen niedrig über dem Wasser gebaut wird (CREUTZ 1983), handelte es sich im beschriebenen Fall um eine „echte" Bodenbrut. Solche Horststandorte sind auch in den angrenzenden Bundesländern so gut wie unbekannt. Während aus Westfalen (PEITZMEIER 1979), Bayern (WÜST1983) und Thüringen (SCHMIDT in KNORRE u. a. 1986) keinerlei Hinweise auf Bruten am Boden oder auch nur im Schilf zu finden sind, wird von LITZBARSKI (in RUTSCHKE 1983) gelegentliches und von HAUFF (in KLAFS & STÜBS 1987) ausnahmsweise Brüten im Schilf angegeben.

In Niedersachsen wurden in neuerer Zeit nur 1969 Schilfbruten bekannt und offenbar haben vor 1956 auch Bodenbruten bei Verlust der Horstbäume stattgefunden (HECKENROTH in GOETHE, HECKENROTH & SCHUMANN 1978).

Bei MILDENBERGER (1982) wird mit dem Fund eines besetzten Felsenhorstes in der Ahrschleife zwischen Altenahr und Mayschoß durch NIETHAMMER und MILDENBERGER im Jahre 1938 eine weitere echte Bodenbrut dokumentiert.

Das Brüten auf nacktem Erdboden sowie auf Kliffs und Felsküsten ist besonders in Groß- britannien häufig (CREUTZ 1983). 171 Literatur BERG-SCHLOSSER, G. (1968): Die Vögel Hessens. Ergänzungsband. - Frankfurt/M.

CR EUTZ, G. (1983): Der Graureiher.- Neue Brehm Bücherei Bd. 530.-Wittenberg-Lutherstadt.

FIEDLER, K. (1989): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1989. - Vogel & Umwelt 5: 180. FIEDLER, K. (1991): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1990. - Vogel & Umwelt 6: 247. G EBHAR DT, L. &W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. - Frankfurt/M.

GOETHE, F., H. HECKENROTH & H. SCHUMANN (1978): Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen. - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen. - Sonder- reihe B Heft 21. KLAFS, G. &J. STÜBS (Hrsg.) (1987): Die Vogelwelt Mecklenburgs. -Jena. KNORRE, D.v., u. a. (Hrsg.) (1986): Die Vogelwelt Thüringens. -Jena.

MILDENBERGER, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes. Bd. 1. - Düsseldorf.

PE ITZM El ER, J. (1979): Avifauna von Westfalen. - Münster.

RUTSCHKE, E. (Hrsg.) (1983): Die Vogelwelt Brandenburgs. - Jena. WÜST, W. (1983): Avifauna Bavariae. Bd. 1. - München.

Anschrift der Verfasser: PETER und ELEONORE ERLEMANN, Gräfenwaldstr. 30, 6053 Obertshausen

Mitteilung der Redaktion

Anregungen, Ergänzungen und/oder Kritik zu den einzelnen Beiträgen bittet die Redaktion an folgende Adresse zu senden:

Redaktion „Vogel und Umwelt" Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, D-6000 Frankfurt/Main 60

172 Neue Literatur

ROCHE, J. C. & H. u. M. ROGNER (1992): Buchfink, Meise, Frosch und Grille - Tierstimmen in unserem Garten -. Toncassette mit 74 Tierstimmen, Begleitbuch 88 5.,18 Farbfotos, 25 s/w Zeichnungen. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart, ISBN 3-440-06363-1.

Immer mehr Menschen erkennen, daß es sich lohnt, den eigenen Garten als Refugium für Pflanzen und Tiere herzurichten. Es bedarf jedoch entsprechender Anregungen und prak- tischer Hinweise, um auf relativ kleinem Raum optimale Bedingungen für Pflanzen und Tiere zu schaffen und die Bewohner zu identifizieren. Während eine Bestimmung der an den Ort gebundenen Pflanzenarten meist wenig Umstände macht, ist dies bei Tieren weit schwieriger. Hier ist eine Toncassette mit den charakteristischen Stimmen der Arten eine große Hilfe und in nicht wenigen Fällen auch die einzige Möglichkeit ihrer Identifizierung. In Jean Roche wurde ein Fachmann gefunden, der mit meisterlichem Geschick die Stimmen aufs Tonband einge- fangen hat. Das Begleitbüchlein soll dazu beitragen, im Garten geeignete Lebensräume für Tiere zu schaffen. Einleitend werden unter dem Stichwort „Ökologie" einige grundsätzliche Fragen diskutiert. Es folgt die Vorstellung einzelner Lebensräume (u. a. Hecke, Wiese, Garten- teich, Ruderalfläche, Trockenmauer) und Anleitungen von speziellen Hilfen für Tiere (vom Ohrwurm bis zum Fledermauskasten) werden gegeben. Ein weiteres Kapital ist den auf der Cassette wiedergegebenen Tierstimmen gewidmet. Den Abschluß bildet der Abschnitt „Gartentiere von A bis Z". Cassette und Begleitbuch sind gut aufeinander abgestimmt. Hier wird für einen akzeptablen Preis viel Wissenswertes geboten. W. KEIL

REICHHOLF, J. H. (1992): Wir tun was ... für Insekten. - 37 S., 47 Abb., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart; ISBN 3-440-06100-0. REICHHOLF, J. H. (1992): Wir tun was ... für Eidechsen und Schlangen. - 37 S., 68 Abb., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart; ISBN 3-440-06099-3. Im Rahmen der „Aktion Ameise" (Herausgeber G. Steinbach) ist jetzt Band 13 und 14 der Reihe „Wir tun was..." erschienen. Sie geben Anregungen und Hinweise für Hilfsmaßnahmen. Die vorliegenden Bücher befassen sich mit Insekten, bzw. Eidechsen und Schlangen. Eine ganze Reihe von Insektenarten stehen heute auf der Roten Liste der bestandsbedrohten Tierarten ebenso wie Eidechsen und Schlangen. Viele Angehörige dieser Tiergruppen werden fälschlicher Weise auch heute noch verfolgt und getötet, wo immer sie angetroffen werden.Wir wissen zwischenzeitlich sehr genau, wie unsinnig dies ist. Vielmehr erscheint es notwendig, ihnen jede nur mögliche Überlebenshilfe anzubieten. Diesem Anliegen werden beide Bücher voll gerecht. Nach einer Einführung werden Hilfen für die Bestimmung, Beobachtungsmög- lichkeiten und praktische Hinweise für Hilfsaktionen gegeben. Mit zum Teil recht einfachen Mitteln läßt sich viel erreichen. Ein Register, Literaturnachweise und ein Adressenverzeichnis von Naturschutzorganisationen beschließen die beiden Bücher. Sie erfüllen voll ihren Zweck. W. KEIL

AICHELE D. u. R., H. W. u. A. SCHWEGLER, J. ZAHRADNIK &J. CIHAR (1992): Der große Kosmos Tier- und Pflanzenführer. - 816 S., 1849 Farbzeich., 15 doppels. Farbbilder, 286 s/w Zeich., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH &Co., Stuttgart; ISBN 3-440-06364-X. Der jetzt von Franckh-Kosmos publizierte Tier- und Pflanzenführer - für den ein Autorenteam zeichnet - ermöglicht die Bestimmung von mehr als 1800 Arten. Er umfaßt u. a. Pilze, Farn- pflanzen, Blütenpflanzen, Schwämme, Nesseltiere, Korallen, Würmer, Schnecken, Muscheln, 173 Tintenfische, Ringelwürmer, Spinnen, Krebse, Tausendfüßler, Insekten, Fische, Lurche, Kriech- tiere, Vögel und Säuger. Eingangs werden typische Lebensräume vorgestellt, es folgen Erklärungen von Fachaus- drücken (mit Illustrationen), sowie der Bestimmungsschlüssel für die abgehandelten Pflan- zen- und Tierarten. Farbstreifen am oberen Seitenrand erleichtern das Auffinden der einzelnen Pflanzen- und Tiergruppen. Zur jeweils vorgestellten Art unterrichtet ein Textteil über die Lebensweise. Eine Farbzeichnung dient der näheren Bestimmung. Literaturhinweise und ein Register beschließen den Band. Das Buch gibt den naturkundlich Interessierten eine Fülle an Informationen. Es läßt sich, bedingt durch sein handliches Format, auf Exkursionen in einer Tasche gut verstauen und kann so „vor Ort" zu Rate gezogen werden. W. KEIL

SINGER, D. (1992): Greifvögel und Eulen.-96 S.,116 Farbfotos, 73 Farbzeich., Kosmos-Natur- führer, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., ISBN 3-440-06406-9.

SPECHT, R. (1992): Singvögel in Wald, Park und Garten. - 96 S., 98 Farbfotos, 18 Farb- und 26 s/w Zeichn., Kosmos-Naturführer; Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., ISBN 3-440-06409-3. Der Franckh-Kosmos Verlag hat in diesem Frühjahr eine neue Naturführer-Reihe gestartet und zunächst 12 Bändchen publiziert, 2 davon sind der Vogelwelt gewidmet. Im „Greifvögel- und Eulen-Führer" werden alle europäischen Arten vorgestellt (38 Greifvöge1,13 Eulen), die regelmäßig vorkommen. Der Singvogelband bringt 88 Arten dem Benutzer näher.Jeder Artbe- schreibung liegt in beiden Büchern das gleiche Schema zugrunde. Die Stichworte lauten: Typisch, Kennzeichen, Vorkomnnen,Wissenswertes. Zusammen mit hervorragenden Farbfotos wird der Leser über die jeweilige Art unterrichtet. Die Naturführer eignen sich - bedingt durch ihr handliches Format -zum Mitnehmen bei jedem Spaziergang. Insbesondere dem Anfänger dürften sie eine gute Hilfe sein. W. KEIL

BROH M ER, P. (1992): Fauna von Deutschland. - 704 S., 2143 Abb.; Quelle und Meyer Verlag, Wiesbaden. - ISBN 3-494-1200-8. Der „Brohmer" liegt nunmehr -von M. SCHAEFER, Göttingen, bearbeitet-in seiner 18. Auflage vor. Seit 1914 erscheint dieses Bestimmungsbuch der Fauna Deutschlands. Wie kaum ein anderes ist es für viele der Inbegriff des Bestimmungsbuches schlechthin. Vom zoologisch Interessierten bis zum Zoologiestudenten wird gerne auf dieses Buch zurückgegriffen. Es läßt sich, auch aufgrund seines handlichen Formates, gut in jederJackentasche unterbringen. Der Bestimmungsschlüssel ist, nach einiger Praxis, gut zu handhaben und führt Schritt für Schritt zum Ziel. Der vogelkundliche Teil umfaßt 62 Seiten. Es ist erstaunlich, daß es auf diesen wenigen Seiten möglich ist, die in Deutschland zur Beobachtung kommenden Arten zusam- menzufassen. Eine Anregung des Rezensenten: Den Bartkauz sollte man streichen. Er wurde m. W. Anfang der 50iger Jahre letztmals bei uns beobachtet. Am Ende der jeweils abgehan- delten Tierklasse wird auf spezifische Bestimmungsliteratur hingewiesen. Ein Namensregister (wissenschaftl. Bezeichnung und deutscher Name) beschließt den sehr informativen Band. Der „Brohmer" wird auch weiterhin seinen Benutzerkreis finden. Er ist und bleibt ein aus- gezeichnetes Bestimmungsbuch. W. KEIL 174 Neue Literatur

RICHARZ, K. &A. LIMBRUNNER (1992): Fledermäuse: Fliegende Kobolde der Nacht. -192 S., 151 Farb-, 3 SW-Fotos, 9 Farb- und 219 SW-Zeichnungen, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart.

Das Interesse an Fledermäusen, an ihrem Leben und vor allem an ihrem Schutz hat in den letzten Jahren erfreulich zugenommen. Das vorliegende Werk kann die damit vermehrt geäußerten Wünsche nach genauerer Information über diese Tierordnung auf umfassende Weise erfüllen. Nach neunzehn flott geschriebenen Abschnitten, die sich mit allen Aspekten des weltweiten Fledermauslebens befassen, leitet das Thema „Fledermäuse und Mensch" zum ebenfalls weltweit leider nötigen Schutz dieser faszinierenden Tiere über.Alle Abschnitte und Unterkapitel des Buches sind mit einprägsamen Überschriften versehen, die zum Lesen anreizen. Die geweckten Erwartungen werden nicht enttäuscht. Selbst schwierige Themen sind gut verständlich dargestellt, z. B. das Problem der Beuteerkennung in den Abschnitten „Fliegende Materialprüfer" und „Flügelschlag - Musik in Hufeisennasenohren". Auch neuere Forschungsergebnisse finden sich wie etwa im Abschnitt „Die Jagdstrategien der Insekten- jäger" gebührend berücksichtigt. Nach dem allgemeinen Teil werden alle europäischen Fledermausarten nach einem einheitlichen und daher übersichtlichen Schema ausführlich dargestellt. Den Abschluß bildet eine Übersicht über die derzeit von den Systematikern aufge- stellten 18 Familien der Fledertiere der Welt mit vielen Angaben über Körpermaße, Lebens- ablauf, Lebensraum und Gefährdung.

Der recht hoch erscheinende Preis ist durch den überaus reichhaltigen Inhalt und die Fülle an vorzüglichen Abbildungen fraglos gerechtfertigt. Dieses Buch, dem hoffentlich eine weite Verbreitung beschieden sein wird, ist ein „Muß" für alle, die sich für Fledermäuse interessieren. Es ist aber auch bestens geeignet, bei anderen Lesern Verständnis für diese Tiere und Bereit- schaft zu ihrem Schutz zu wecken. Unsere Fledermäuse haben das immer noch bitter nötig! R. MOHR

BESTAJOVSKY, C. (1991): Igel in Haus und Garten. - 72 S., 20 Farbfotos, 26 SW-Zeichn. - Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart. Der Igel ist den meisten Menschen durch zahlreiche Märchen und Kinderfilme bekannt. Eine traurige Berühmtheit hat er dadurch erlangt, daß er zu den Säugetierarten gerechnet wird, die mit am häufigsten den Verkehrstod sterben. Besonders während des morgendlichen Berufs- verkehrs kann man die in der vorangegangenen Nacht überrollten Tiere zerquetscht auf der Fahrbahn oder mit tödlichen Verletzungen am Straßenrand liegen sehen. Beides dürfte mit ein Grund sein, kranke oder geschwächte Igel aufzunehmen. Besonders im Spätherbst, kurz bevor er seinen Unterschlupf für seinen Winterschlaf sucht, häufen sich Igelfunde. Es wird dann ein solches Tier meist mehr schlecht als recht in die menschliche Obhut genommen und man versucht, es wieder aufzupäppeln und letztlich über den Winter zu bringen. Dabei werden aus Mangel an Kenntnissen viele Tiere zu Tode gepflegt. Das vom Franckh-Kosmos-Verlag herausgebrachte Büchlein will hier Abhilfe schaffen. Es vermittelt nicht nur gute Ratschläge über Unterbringung, Futter und Pflege, sondern gibt auch Hinweise zur Biologie des Igels. Besonders aufmerksam gemacht sei auf das letzte Kapitel des Buches: Das „Problemtier" Igel. Das praxis-erprobte und -orientierte Bändchen ist ein sehr nützlicher Ratgeber für alle natur- verbundenen Menschen, die sich mit dem Igel befassen. W. KEIL 175 JONSSON, L. (1992): Die Vögel Europas und des Mittelmeerraumes. - 560 S., ca. 2700 farb. Abb., 502 Karten, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06357-7. Mit einem neuen Bestimmungsbuch ergänzt der Franckh-Kosmos-Verlag seine ornitho- logische Buchpalette. Es behandelt 685 Vogelarten, die in Europa und den afrikanischen und vorderasiatischen Mittelmeeranrainerstaaten zur Beobachtung kommen, sei es als Brutvogel, Durchzügler oder Gäste. Der Schwede LARS JONSSON, der sowohl Autor wie Zeichner der Abbildungen ist, gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die auf diesem Spezialgebiet mit Pinsel und Farbe umgehen. Die deutsche Bearbeitung besorgte P. H. BARTHEL. Eine relativ breit angelegte Einleitung gibt viele Hinweise und Anregungen, die man bei der Vogel- beobachtung und -bestimmung beachten sollte. Sie erleichtern besonders dem Anfänger die ersten Schritte. Naturgemäß nimmt die Beschreibung der Arten den Haupteil des Buches ein. Die einzelnen Arten werden in ihren oft unterschiedlichen alters- oder geschlechtsbedingten Federkleidern und in typischen Stellungen bzw. Flugweisen vorgestellt. Hierdurch wird die Bestimmung erheblich erleichtert. Auch der jeweils beigefügte Text gibt wichtige Hinweise. So wird neben der Gefiederbeschreibung über ihre Lebensweise und Stimme, ihr Verhalten und Vorkommen berichtet. Eine Verbreitungskarte ergänzt den Text. Den Abschluß des Buches bilden Hinweise auf weiterführende Literatur, ornithologische Zeitschriften und Vogel- stimmenaufnahmen. Dazu kommt ein Register der Vogelnamen und ein Verzeichnis der Abkürzungen. Für denjenigen, der sich heute ein Vogelbestimmungsbuch kaufen will,wird das Angebot immer größer und die Wahl schwieriger. Mit dem Kauf des neuen Bestimmungs- buches des Franckh-Kosmos-Verlages trifft er sicher eine gute Entscheidung. W. KEIL

HOFMANN, H. (1992): Der Igel.-96 S.,100 Farbf. u. Zeichn., Verlag Gräfe und Unzer, München, ISBN 3-7742-1075-6. Der Igel gehört wohl zu den bekanntesten Säugetierarten. Es ist daher verständlich, daß der Gräfe und Unzer-Verlag mit seiner Monografie eine neue Reihe unter dem Titel „GU Tier- erlebnisse" eröffnet. Der Text ist im „Plauderton" gehalten, was den Rezensenten zunächst etwas befremdete, ihn letztlich aber sehr ansprechend empfand. Der Leser wird eingehend über die Biologie dieses Stachelträgers unterrichtet, ebenso seine Lebensweise im Jahres- verlauf und zum Schluß über Igelschutz und Igelhilfe. Der letzte Hauptteil ist als Ratgeber gedacht. Er erfüllt seinen Zweck voll und ganz. Kaum ein Tier wird so häufig aus falsch verstan- dener Tierliebe zu Tode gepflegt und gefüttert, wie der durch Kraftfahrzeuge arg dezimierte Igel.Tausende d ieser Tiere werden in jedem Jahr Opfer des rollenden Verkehrs. Besonders sei noch auf den Abschnitt „Krankheiten, die vom Igel auf den Menschen übertragen werden können" hingewiesen. Der Text wird durch hervorragende Farbfotos illustriert. Insgesamt ein lesenswertes und sehr informatives Buch. W. KEIL

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Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7 Heft 4:177-260 Mai 1993 Inhaltsverzeichnis Seite

Berichte

K. RICHARZ: Wanderfalken-Tagung 11. Oktober 1992 in Eschwege. - Begrüßungsworte 179

L. SERWATY: 15 Jahre Wanderfalken-Auswilderung in Hessen - Erfahrungen und Bewertung aus der Sicht der Fachbehörde 183

G. KLEINSTÄUBER: Die Bedeutung des nordhessischen Wanderfalkenprojektes für östlich angrenzende Räume 191

P. WEGNER: Die Populationsdynamik des Wanderfalken in Baden-Württemberg von 1965 -1991 209

G.TROMMER: Möglichkeiten und Methoden zum Wiederaufbau einer baumbrütenden Wanderfalkenpopulation durch gezielte Auswilderungsmaßnahmen 227

W. KIRMSE: Wiedereinbürgerung baumbrütender Wanderfalken durch erneute Traditionsbildung 231

P. SÖMMER: Methoden bei der Baumauswilderung von Wanderfalken im Lande Brandenburg 241

C. v. ESCHWEGE: Entwicklung der natürlichen Wanderfalkenbestände in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz 247

W. BRAUNEIS: Schlußwort zur Wanderfalken-Fachtagung in Eschwege 255

H. FISCHER: Fotoserie 219

Neue Literatur: 182, 190, 218, 257-260

178 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 179 -181 (1993)

Wanderfalken-Tagung 11. Oktober 1992 in Eschwege

Begrüßungsworte von KLAUSE RICHARZ, Frankfurt am Main

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Wanderfalkenschützer/innen, „Zehn Jahre lang bin ich dem Wanderfalken gefolgt. Ich war von ihm besessen. Er war für mich ein Gral. Jetzt ist er fort. Die lange Jagd ist vorüber. Nur wenige Wanderfalken sind übriggeblieben, es werden noch weniger werden, vielleicht wird die Art nicht erhalten bleiben. Viele sterben auf dem Rücken, in ihren letzten Zuckungen krampfhaft nach dem Himmel greifend, ausgedörrt und verbrannt von den schmutzigen, heim- tückischen Pollen der chemischen Düngemittel. Ich habe versucht, ehe es zu spät ist, die außerordentliche Schönheit dieses Vogels festzuhalten und den Zauber der Gegend zu beschreiben, in der er lebte, eine Gegend, die für mich so üppig und pracht- voll ist wie Afrika. Es ist eine sterbende Welt wie der Mars, aber noch leuchtet sie."

Als mit diesen Worten des Abgesangs auf eine Vogelart J. A. BAKER, ein britischer Wander- falkenliebhaber, 1967 sein tagebuchähnliches Werk „The Peregrine" - in deutscher Überset- zung „Ich folgte dem Falken"- beendete, hatten die holarktischen Wanderfalkenpopulationen ihren Tiefststand erreicht.

Mit weniger Lyrik kam 1965 die berühmt gewordene Konferenz in Madison (HICKEY 1969) zum gleichen Ergebnis: Führende Ornithologen und Naturschützer stellten übereinstimmend fest, daß die nordamerikanischen und europäischen Wanderfalkenpopulationen am Rande des Abgrundes standen. Neben einer-lokal unterschiedlich bedeutsamen - direkten Verfol- gung wurde für den Bestandsrückgang die damals weit verbreitete Verwendung verschie- dener persistenter Insektizide - vornehmlich DDT- verantwortlich gemacht.

Liebe Wanderfalkenfreunde, wir würden heute nicht in Eschwege zusammensitzen, wenn die Wanderfalkenkonferenzen Ende der 60er Jahre nur ein Requiem für eine verlorene Art gewesen wären. Die Faszination des Wanderfalken auf viele Menschen hat Kräfte freigesetzt. Es fanden sich Wissenschaftler, Falkenfreunde und Naturschützer, die handelten.

Als man sich 1985 in Sacramento (Kalifornien) 20 Jahre nach der Madison-Konferenz wieder traf, stellte man Erfreuliches fest: Für eine aussterbende Spezies konnte eine Art Wiederauf- erstehung gefeiert werden. Die hinter der Rettung des Wanderfalken stehende "Manpower" sei an zwei Zahlen grob festgemacht: Aus 60 Konferenzteilnehmern 1965 in Madison waren über 500 in Sacramento geworden. In 20 Jahren hatten sich über 1.500 wissenschaftliche Grundlagenuntersuchungen bzw. angewandte Arbeiten mit dem Schicksal des Wanderfalken beschäftigt.

Während viele andere globale Natur- und vor allem Artenschutzprobleme uns Mitteleuropäer scheinbar nur indirekt berühren - wie z. B. die Vernichtung des Tropenwaldes mit seiner Artenfülle oder etwa das Aussterben der Nashörner oder des Kalifornischen Kondors - traf uns der Untergang des Wanderfalken direkt in unserem eigenen Haus. 179 In Hessen beispielsweise führte diese Entwicklung praktisch zum vollständigen Zusammen- bruch der Population. Im Jahr 1978 konnte in Hessen nur noch ein Wanderfalkenpaar bestätigt werden. Zwar erfolgte zwischenzeitlich (1974) ein Anwendungsverbot von DDT, doch wie sollte die Schadstoffkonzentration in Wanderfalken zurückgehen, die nicht mehr da waren?

Trotz intensiver Bewachung der letzten Brutpaare erschien damals den Verantwortlichen eine Wiederbesiedlung verwaister, noch vorhandener Lebensräume unwahrscheinlich. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!" - Unter dieses Motto könnte man die Idee stellen, gefangenschaftsgezüchtete Wanderfalken an geeigneten Stellen wieder auszuwildern. So geschehen nicht nur sehr erfolgreich in Amerika, sondern mit der entsprechenden Nominat- form auch in Hessen. Von insgesamt 130 ausgewilderten Falken haben bis heute nachweis- lich mindestens 50 Exemplare überlebt und teilweise bereits selbst erfolgreich gebrütet. Die hessischen Neubürger hielten sich von Anfang an nicht an Grenzen. Bevor sie Nordhessen besetzten, überwanden sie zunächst eine Grenze, die heute gottseidank keine mehr ist: Sie flogen nach Thüringen und etablierten sich dort wieder als erste Brutpaare auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Und sie brachten Menschen zusammen, die sich in ihrer Begeisterung, ja Leidenschaft für diese Vogelart trotz unterschiedlicher politischer Systeme sehr nahe standen. Apropos Leidenschaft: Wenn ich die Wanderfalkenakten der Vogelschutzwarte ansehe, wird mir das Interesse für diese Tierart bewußt: Von allen einheimischen Vogelarten bringt der Wanderfalke das meiste Papiergewicht auf die Waage, indem seine Akte eine ganze Regal- reihe füllt.

Beim Durchlesen des Inhalts wird erkennbar, daß am Wanderfalkenschutz viel Herzblut klebt: Da werfen sich gebildete Menschen, die in Sachen Schutz verschiedener Auffassung sind, manche Grobheit an den Kopf. Man spricht von „Diffamieren, Verunglimpfen, Beleidigen". Den Beteiligten am Auswilderungsprojekt wird vorgeworfen „ ... daß es sich bei der gesamten Wanderfalkenauswilderung um einen absoluten Popanz einer Altherrenriege handelt, an der die Entwicklung des Naturschutzes vorbeigegangen ist". Als neuer Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte, erst seit März 1991 im Amt, könnte ich mich „mit der Gnade der späten Geburt" herausreden. Ich will und kann es nicht. Auch auf meinen beruflichen Lebensweg hat derWanderfalke Einfluß ausgeübt. In den 60erJahren gehörte ich als jüngerer Biologiestudent zu den Gründungsvätern der AWU". Die Bewachungseinsätze in Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und den Vogesen halfen mir, mich für die Berufsrichtung Naturschutz zu entscheiden. Bis zum heutigen Tag kann ich Neigung und Beruf nicht trennen. Ich bin Naturschützer gerade auch aus dem Herzen heraus.

Apropos Leidenschaft zum Zweiten: Zum Wanderfalken hat sie eine lange Tradition: Schon ums Jahr 500 verbreitete sich die Falkenjagd so sehr und wurde von Edlen und Geistlichen so eifrig und leidenschaftlich betrieben, daß Anno 506 auf der Kirchenversammlung zu Agda Jagdfalken für Geistliche verboten wurden. Sie vergaßen wohl darüber sonst das Predigen. So weit sollten wir Anno 1992 nicht gehen. In Süddeutschland und Westeuropa existieren wieder Wanderfalkenbestände, die sich aufgrund des Rückgangs von Belastungsfaktoren, sicher aber auch dank der aufopferungsvollen Bewachungs- und Betreuungsarbeit v. a. der AG Wanderfalkenschutz und der AWU erholen konnten.

Für Nordhessen wurde der Auswilderungsweg erfolgreich beschritten. Wie lange vorgesehen, wird dieses Programm jetzt eingestellt. Allen Beteiligten an diesem Projekt gilt unser Dank.

*AWU = Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz e. V. 180 Insbesondere möchte ich dabei das Engagement von Herrn Wolfram BRAUNEIS hervor- heben, der die Aktion von Anbeginn begleitete und koordinierte.

Mit dem Auswildern von Falken wird jedoch noch kein Schlußstrich gezogen.Jetzt gilt es über die nächsten Jahre eine kritische Erfolgskontrolle durchzuführen.

Erlauben Sie mir noch ein paar mahnende Worte am Rande:

Ein lokal begrenztes erfolgreiches Auswilderungsprojekt wie das hessische, liefert noch keine Begründung für etwa andere, weit großflächiger und mit sehr viel mehr Tieren vorgesehene Vorhaben. Wir müssen nach wie vor kritisch im Auge behalten, ob gesunde und wieder ausbreitungsfä- hige Wildpopulationen durch weitere Aussetzungen genetisch nachteilig verändert werden können.

Und: Was beim Wanderfalken klappte, ist wohl kaum auf eine zweite, andere Tierart über- tragbar. Nach wie vor hat die Sicherung und Wiederherstellung von Lebensräumen Vorrang vor Aussetzung zu haben. Auch dabei habe ich im Falle BRAUN EIS keine Bedenken. Sein Herz schlägt nicht nur für den Wanderfalken!

Auf weitere warnende Zeigefinger und Hinweise eines trotz des Wanderfalkenerfolges fort- schreitenden Artenschwundes möchte ich heute verzichten. Gönnen wir uns doch einfach einmal die Freude über einen Naturschutzerfolg! Landgraf Ludwig VI von Hessen würde sich mitfreuen: Er verbot bereits am 5. Mai 1557 das Abfangen von Falken und das Ausnehmen von Nestern bei strenger Strafe ...

Ich wünsche der Tagung einen guten Verlauf und anregende Diskussionen.

Anschrift des Verfassers: Dr. KLAUS RICHARZ, Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Steinauer Str. 44, 6000 Frankfurt/Main 60

181 Neue Literatur

HARDEY, E. & C. NAUJOK (1991): Krähenschätze. - 26 S., Farbzeichnungen, Wolfgang Mann- Verlag, Berlin. ISBN 3-926740-29-9. Eine Kinderbuchbesprechnung (Vorlesealter ab 4 Jahre) in „Vogel und Umwelt"? -Spätestens seit einer neuerlich entfachten „Krähenhysterie" in Hessen - und über die Landesgrenzen hinaus - ist der Verweis auf ein Kinderbuch angebracht, in dem Sachinformationen über Krähen eingebettet in eine spannende Geschichte besser und ehrlicher vermittelt werden als das kürzlich in einigen Medienorganen zum Fall der lämmertötenden Rabenkrähen bei Herborn-Seelbach geschah. Wenn zum Ausgang des 20. Jahrhunderts erwachsene Bericht- erstatter von „Killer-Krähen" reden, ein Hitchcock-Szenario nachzeichnen und man als Folge nach der Reduktion „des von Menschen gezüchteten schwarzen Geschwaders" ruft, bleibt jede sachliche Auseinandersetzung mit unseren heimischen Rabenvögeln leider auf der Strecke. Doch es geht auch anders. Zu den sachlich-realistischen Bildern von Corinna Naujok erzählt die Kinderbuchautorin Evelyn Hardey die spannenden Erlebnisse einer jungen Saat- krähe, die sich einem Schwarm anschließt und in einem ganz und gar unromantischen urbanen Umfeld auf Entdeckungsreise geht. Intelligenz, Sozialbeziehungen, die Fähigkeit des Lernenkönnens und Erfahrungsammelns werden als Eigenschaften der Rabenvögel heraus- gearbeitet und kommen über die wenigen Seiten und Bilder gut zum (Vor-)Leser und (kind- lichen) Betrachter rüber. Manch einer der „Scharfmacher" in Sachen Krähen sollte sich das Kinderbuch zulegen, mit Muse durch- oder vorlesen, um sich anschließend zumindest ein klein wenig zu schämen ... K. RICHARZ

TENNESEN, M. (1992): Falken. -144 5.,100 Farbfotos, 38 SW-Zeichnungen, Georg Wester- mann-Verlag, Braunschweig. ISBN 3-07-50906-7. Der amerikanische Wildlife-Autor Michael Tennesen hat mit „Flight of the falcon"1992 ein Buch verfaßt, das Greifvogelfreunde begeistern kann und auch in seiner deutschen Übersetzung „Falken" (s. o.) sicher so manchen Leser und Betrachter zum neuen Verbündeten der Falken machen wird. Der großformatige Foto-/Textband vermittelt in ausdrucksstarken Bildern und kurzen, treffenden Texten einen umfassenden Einblick in das Leben der Falken, ihre leider weltweite Gefährdung alleine durch uns Menschen, und er beschreibt mutmachende Schutz- aktivitäten von herausragenden Einzelpersönlichkeiten oder Organisationen, die sich um die Rettung der Falken, insbesondere des Wanderfalken, verdient gemacht haben. Auch wenn Peregrinus der bekannteste Exponent seiner Sippe ist, kann Tennesen zeigen, daß andere Arten dort stehen, wo sich der Wanderfalke bis vor kurzem befand: am Rande des Abgrunds. Am Schluß des Buches werden alle 38 Falkenarten mit skizzenartigen Zeichnungen, die sich zum Bestimmen sicher nicht eignen (und wohl dafür auch nicht gedacht sind) in Kurzporträts vorgestellt. Bei diesen Artbeschreibungen könnte man sich etwas mehr Information vorstellen, zumal die Buchseiten dafür genügend Platz böten.Auf weiterführende und vertiefende Litera- turhinweise wurde leider völlig verzichtet. Doch das Werk kann und will sicher nicht erschöp- fend sein. Zum Freudebereiten, Interessewecken, Betroffen- aber auch Mutmachen ist es hervorragend geeignet. K. RICHARZ

182 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 183 -189 (1993)

15 Jahre Wanderfalken-Auswilderung in Hessen

- Erfahrungen und Bewertung aus der Sicht der Fachbehörde - von LOTHAR SE RWATY, Kassel

1. Vorbemerkung Anlaß der heutigen Tagung ist das in diesem Jahr zum Abschluß gebrachte 15jährige Wander- falken-Auswilderungsprogranrim in Nordhessen.

Was 1978 hoffnungsfroh in Angriff genommen wurde, konnte nunmehr erfolgreich abge- schlossen werden, und um es vorwegzunehmen, das Ergebnis kann sich sehen lassen und, die in Hessen hierbei gesammelten Erfahrungen haben Beachtung gefunden. Aber nicht nur das erzielte Ergebnis, die hier ausgestorbenen Wanderfalken wieder in die freie Wildbahn zurückzuführen ist positiv herauszuheben, sondern auch die beispielgebende Kooperation zwischen dem ehrenamtlichen und administrativen Naturschutz ermutigt zu weiteren Gemeinschaftsaufgaben. Die heutige Wanderfalken-Fachtagung befaßt sich mit den Ergebnissen der Auswilderung, des Schutzes und der Stützung der Wanderfalkenpopulation im nunmehr vereinten Deutsch- land und soll den Erfahrungsaustausch insbesondere auch mit den Wanderfalkenexperten aus den neuen Ländern, der 1990 begonnen hatte, vertiefen. Diese jetzt selbstverständliche Begegnung wurde hier früher schmerzlich vermißt, da die Auswilderungen in Nordhessen schon früh in den westlichen Teilen der ehemaligen DDR positive Auswirkungen zeigten und damals leider keine offiziellen Kontakte möglich waren und nur auf Umwegen ein begrenzter Informationsaustausch bestand. Um so erfreulicher ist es, daß der Wanderfalke, der in diesem Raum nunmehr wieder heimisch geworden ist und noch nie Ländergrenzen beachten brauchte mit dazu beitragen konnte, neue Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu vertiefen. Insoweit gibt die hessische Wanderfalken-Auswilderungsaktion in doppelter Hinsicht Anlaß zu einer positiven Wertung.

Doch zurück zum nordhessischen Wanderfalken-Ansiedlungsprojekt:

2. Die Bestandssituation des Wanderfalken in den 70er Jahren Der Wanderfalke war und ist von Natur aus in Mitteleuropa stets ein relativ seltener Vogel. Während um 1950 in der alten Bundesrepublik noch ca. 400 Brutpaare lebten, nahm die Bestandsentwicklung innerhalb von 20 Jahren derartig rapide ab, daß Anfang der 70er Jahre nur noch etwa 40 Brutpaare existierten. Im gleichen Zeitraum ist der Wanderfalkenbestand im Bereich der ehemaligen DDR, der um 1950 noch ca.200 Paare betrug, vol lständig erloschen. Eine analoge Entwicklung verzeichnete auch die nordhessische Wanderfalkenpopulation. Während bis Mitte der 50erJahre noch zwischen fünf bis sieben Brutpaare bekannt waren, gilt der Wanderfalke als Brutvogel seit 1966 als ausgestorben.

Das dramatische Absinken der Wanderfalkenbestände beruhte nicht so sehr auf direkter menschlicher Verfolgung, wie Abschuß, Fang, Aushorstung oder Störung der Brutplätze. Auch die Verluste durch natürliche Feinde wie Uhu, Habicht, Marder spielten nur eine nachrangige Rolle. 183 Die eigentliche Ursache für das regionale Aussterben der Wanderfalken lag in der zuneh- menden Anwendung schwer abbaubarer Schädlichsbekämpfungsmittel wie dem DDT und anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen, die sich bei dem Wanderfalken als Endglied der Nahrungskette über seine Beutetiere in größerem Ausmaße akkumulierten und über Effekte wie Dünnschaligkeit der Eier, Embryonensterben bis hin zu Brutverhaltensstörungen die Fortpflanzung deutlich einschränkten bzw. völlig zum Erliegen brachten.

Die Wende zum Besseren kam 1974 mit dem endgültigen Verbot des DDT in der Bundes- republik Deutschland. Infolge verstärkter Horstbewachung war es bis dahin im süddeutschen Raum gelungen, eine sich nicht mehr regenerierende Restpopulation zu halten und sie all- mählich in ihrem Bestand zu stärken, nachdem das Pestizidverbot positive Wirkungen zeigte. Trotz der erfreulichen Aufwärtsentwicklung der süddeutschen Wanderfalkenpopulation war aber keine Ausstrahlung auf den hiesigen, verwaisten Wanderfalkenraum bemerkbar. Dies, sowie der Umstand, daß es Prof. SAAR zwischenzeitlich gelungen war, durch geschicktes Management mit Hilfe in Zuchtstationen gehaltener Beizfalken in größerer Zahl Jungfalken zum Zweck der Arterhaltung zu züchten und erfolgreich auszuwildern, mündeten schließlich 1977 in eine Initiative, mit gezüchteten reinerbigen Wanderfalken schwerpunktmäßig in dem ehemaligen nord hessischen Wanderfalkenareal eine Wiederansiedlung zu versuchen.

Das von der hessischen Naturschutzverwaltung und der Staatlichen Vogelschutzwarte gemeinsam mit der Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz, Deutschem Falkenorden und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz getragene Auswilderungsprojekt war der erste Versuch dieser Art in Deutschland, mit Hilfe von in Gefangenschaft gezüchteten Jungvögeln einen ehemaligen Wanderfalkenlebensraum wieder zu aktivieren.

Große Erwartungen und Hoffnungen begleiteten dieses Projekt, das am 24.Juni 1978 mit der ersten Auswilderung von drei Jungfalken an der Plessewand im Naturschutzgebiet „Plesse- Konstein", einem der letzten Wanderfalken-Felsen, seinen Anfang nahm. Daß diese Auswil- derungsaktion in diesem Jahr so erfolgreich abgeschlossen werden konnte, erhofften sich seinerzeit alle Beteiligten, sicher war man sich jedoch nicht, und an warnenden Stimmen unterschiedlichster Motivation hat es anfangs nicht gefehlt, Rückschläge blieben auch nicht aus.

3. Chronologie und Bilanz der Auswilderungsaktion in Nordhessen Die 15jährige Auswilderungsaktion nahm in Nordhessen 1978 ihren Anfang an der Plesse, einem verwaisten Wanderfalkenbrutplatz. 1980 kam der Hirzstein und eine Gebäude- auswilderung in Kassel dazu (Wanderfalke als Untermieter des Landes Hessen), die sich langfristig als recht erfolgreich aber auch wegen der Gebäudeprägung der Jungtiere zuneh- mend als nicht ganz unproblematisch erwies. Der Durchbruch bei der Auswilderung kam 1982 -eine erste Brut aus gezüchteten Wander- falken wurde aus dem Ostharz gemeldet, und am Hohen Meißner erschien erstmals ein balzendes Wanderfalkenpaar, aber erst im Folgejahr ergab sich hieraus ein erster Brutansatz, der leider durch die Zerstörung des Geleges zunichte gemacht wurde. 1984 schließlich kam es zur ersten Naturbrut am Meißner. In den folgenden Jahren mißlangen zwar die Brutversuche am Meißner, was allerdings zum Anlaß genommen wurde, ergänzend zur Auswilderungs- die Adoptionsmethode aufzugreifen, die in der Regel auch positiv verlief und wesentlich zur Bestandsstützung der Wanderfalkenpopulation beitrug.

1987wurde der Schickeberg in das Auswilderungsprogramm neu einbezogen und schließlich 1991 und in diesem Jahr das sogenannte Pferdeloch im Naturschutzgebiet „Hessische Schweiz". 184 Trotz in der Regel durchgehender Bewachung derAuswilderungsplätze traten hin und wieder Probleme auf, die aber insgesamt die positive Dynamik nicht brechen konnten. Insbesondere die Einwirkungen von Marder, Waschbär oder Greifen bereiteten gelegentlich Sorge. Mit Hilfe zusätzlich installierter Kunsthorste ließen sich diese Beeinträchtigungen aber deutlich mini- mieren. In Kassel besiedelten Wanderfalken 1988 spontan die Lutherkirche. Die dort getä- tigten Gebäudebruten entwickelten sich sehr gut und brachten kontinuierlich drei bis vier Jungvögel pro Jahr hervor. Zur Erleichterung und Beschleunigung von Naturbruten ging man schließlich daran, weitere ehemalige Wanderfalken-Horstplätze freizustellen. Insgesamt wurden während der 15 Jahre)70 in Gefangenschaft gezüchtete Wanderfalken ausgewildert, die den Zuchten von Prof. SAAR, Dr. TROMMER und BOLL entstammten.

In 1992, dem Abschlußjahr der Auswilderungsaktion, sind nach vorliegenden Meldungen im hiesigen Raum wieder 14 Brutpaare heimisch, die 24 Vögel erbrütet haben. Dies gibt zu schönsten Hoffnungen Anlaß - der Wanderfalke ist vom Aussterben gerettet, aber eine bedrohte Art wird er weiter bleiben.

Aus finanzieller Sicht gesehen, nahm sich die Wanderfalkenauswilderung, gemessen an anderen Naturschutzaktionen und -maßnahmen, relativ bescheiden aus - dies dank der ehrenamtlich getragenen Auswilderungsaktion.

4. Fachliche Aspekte zur Wiederansiedlung ausgestorbener Arten

Vorrangiges Ziel des Naturschutzes ist es - und so bringt es auch das Hessische Natur- schutzgesetz zum Ausdruck - den Bestand an Pflanzen und Tieren und ihre Lebensräume nachhaltig zu sichern. Hierzu eröffnet das Gesetz ein umfangreiches Instrumentarium. Eine wichtige Position nimmt hierbei der Artenschutz ein.

Wirksamer Artenschutz kann langfristig nur über den Lebensraumschutz zum Erfolg führen. Mit Hilfe sogenannter Artenhilfsprogramme wird die Stützung und Stabilisierung von Popula- tionen angestrebt. Der Artenschutz schließt auch die Ansiedlung verdrängter oder in ihrem Bestand bedrohter Pflanzen- und Tierarten an geeigneten Lebensstätten innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ein, allerdings unter behördlichem Genehmigungsvorbe- halt.

In Hessen sind im Laufe der Jahre viele Artenhilfsprogramme initiiert und mehr oder wenig erfolgreich betrieben worden. Zu den herausragenden Projekten zählen neben dem Amphi- bienschutzprogramm und der erfolgreichen Wanderfalkenauswilderung lokale Bemühungen, den Biber in geeigneten Lebensräumen wieder heimisch zu machen oder die weniger befrie- digenden Aktionen zur Stützung der Weißstorchpopulation.

Von der Auswilderung des Birkwildes zur Stützung der Population in der hessischen Rhön ist bewußt Abstand genommen worden, da das Birkwild als Indikatorart Hinweise über Verände- rung seines Lebensraumes gibt. Eine künstliche Bestandsstützung hätte diese Indikator- position außer Kraft gesetzt.

Erfolge bei der Wiederansiedlung von Arten lassen sich meist schnell erzielen, wenn die Ursache der Bestandsabnahme im wesentlichen auf direkte menschliche Verfolgung zurück- zuführen ist. Wenn es jedoch nicht gelingt oder unterlassen wird, d ie Lebensräume wirksam zu verbessern, das heißt, die Negativfaktoren zu eliminieren oder zumindest deutlich zu redu- zieren, sind alle Bemühungen mittelfristig zum Scheitern verurteilt. Dies ist leider auch beim Weißstorchprogramm zu befürchten, da eine biotopgerechte Umgestaltung seiner Nahrungs- und Lebensräume unter den gegebenen Verhältnissen kaum realisierbar ist. 185 Menschen, die die Natur vereinfacht und zu technikgläubig sehen, neigen leicht dazu, an ihr zu manipulieren in dem Glauben,alles sei steuer- und umkehrbar. Die Grenzen werden hier aller- dings schnell von der Natur aufgezeigt. Die Maxime des Naturschutzes kann daher nur lauten: Vorrangig Vorhandenes erhalten, bewahren und schützen und nicht leichtfertig auf das Spiel setzen im Vertrauen, über Genbanken oderZuchten Biozönosen und Biotope zu regenerieren oder zu reparieren.

Die unzähligen erfolglosen Wiedereinbürgerungsversuche, ausgestorbene oder regional verschwundene Arten wieder zu reaktivieren, legen hierüber ein beredtes Zeugnis ab (Als Beispiele seien exemplarisch die Wiederansiedlungsbemühungen bei Birkwild, Haselwild, Auerwild genannt).

Erfreulicherweise gibt es aber auch positive Ergebnisse bei dem Versuch, ausgestorbener Arten in ihren ehemaligen Lebensräumen wieder heimisch zu machen. Hierzu zählt zweifellos die Wiederansiedlung des Wanderfalken, das bisher größte und aufwendigste Artenschutz- projekt in Hessen.

Definitionsmäßig versteht man unter Wiederansiedlung oder Wiedereinbürgerung das Aussetzen von Individuen einer heimischen Art, die bedingt durch menschliche Einwirkung, lokal oder regional erloschen ist. Das Material kann aus Zuchten hervorgehen oder sich aus Umsetzungen rekrutieren.

Soweit Auswilderungen von Tieren in einem Gebiet erfolgen, in dem noch eine Restpopulation existiert oder durch Auswilderung wieder heimisch gemacht wurde, sind zur Stabilisierung der Population Bestandsstützungsmaßnahmen denkbar unter anderem auch im Rahmen der sogenannten Adoptionsmethode.

Wenngleich vielfache Vorbehalte gegenüber Wiedereinbürgerungsversuchen geltend ge- macht werden, so können sie doch ein bedeutendes Artenschutzinstrumentarium bilden, vor allem dann, wenn es sich um Arten handelt, die durch unmittelbare Verfolgung ausgerottet wurden (Beispiel: Luchs, Biber, Alpensteinbock).

Als Hauptkritikpunkte gegen Wiedereinbürgerungsmaßnahmen nennt PLACHTER: - Mangel an gründlicher wissenschaftlicher Voruntersuchung und unterlassene Erfolgs- prognose nicht ausreichende Herkunftsklärung der verwendeten Arten - zif starke Menschenprägung der ausgewilderten Tiere - mangelnde Bereitschaft, Maßnahmen bei Erfolgslosigkeit einzustellen, insbesondere dann, wenn Zuchtstationen aufgebaut wurden und - einseitige Manipulation der Lebensräume bzw. Biozönosen in dem Auswilderungsgebiet ä-Konto anderer konkurrierender heimischer Arten (z. B. Wegfang des Habichts).

Wiedereinbürgerungen sind daher nur zu verantworten, wenn diese Aspekte strikt befolgt werden und wenn Faktoren, die das Aussterben bedingt haben, beseitigt worden sind sowie eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß mit den eingeleiteten Maßnahmen eine langfristige Bestandserhaltung und Entwicklungsdynamik gewährleistet ist. Daraus folgt auch, daß Wiedereinbürgerungen keine Dauereinrichtung sein dürfen sondern zeitlich zu befristen sind und in der Folge sich Populationen ohne menschliches Zutun in ihrem Lebens- raum selbständig behaupten müssen.

Keineswegs können Auswilderungskationen akzeptiert werden, die lediglich Alibifunktion haben, um die Vernichtung bestehender Lebensräume zu kaschieren! 186 Die Auswilderung kann auch nur als letztes Mittel zur Verhinderung des Aussterbens einer Art sein. Bei Auswilderungsvorhaben sollten daher folgende Grundsätze strikt beachtet werden:

1. eine Art darf nur innerhalb ihres jetzigen und historischen Verbreitungsgebietes ausge- bracht werden, 2. eine entsprechend genetische Herkunft ist sicherzustellen, 3. bei Entnahme dürfen bestehende Populationen nicht geschwächt werden und 4. die Wiedereinbürgerung muß wissenschaftlich begleitet und dokumentiert werden.

5. Wertung des 15jährigen hessischen Auswilderungsprogrammes Legt man unter Berücksichtigung des Vorhergesagten die Meßlatte an die hessische Wander- falken-Auswilderungsaktion, so läßt sich feststellen, daß den aufgezeigten Kriterien Rechnung getragen wurde, worin wohl auch der Schlüssel des Erfolges liegt.

Die abgeschlossene Auswilderungsaktion hat aus meiner Sicht zwei positive Komponenten, die hervorzuheben sind, nämlich eine ornithologische und verfahrensmäßige.

Was den erstgenannten Aspekt anbetrifft, war die lnitiierung des Auswilderungsprogrammes im Grunde ein Wagnis mit ungewissem Ausgang, auf das man sich einließ.Zu Beginn lagen auf dem Sektor der Auswilderung von in Gefangenschaft gezüchteten Wanderfalken in der freien Wildbahn wenige Erfahrungen vor, so daß auch eine verläßliche Prognose über den Ausgang der Aktion anfänglich kaum möglich war. Erst das erfolgreich entwickelte Zuchtmanagement war eine wesentliche Voraussetzung für einen mengenmäßig ausreichenden Mindestoutput von Jungtieren, um eine zeitlich befristet konzipierte Auswilderung zu realisieren. Unabdingbarwar ebenfalls, daß dieJungfalken in der Zuchtstation so gehalten wurden - und dies gilt auch für die spätere Prägungsphase beim Auswildern -daß es zu keiner Prägung auf den Menschen kam. Dies hätte zu einer Beeinträch- tigung der Entwicklung des Wildinstinktes führen und atypische Verhaltensweisen der Vögel auslösen können. Zwar lagen 1978 erste Erfahrungen über Gebäudeauswilderungen vor, die Schwierigkeiten, die eine Ausbürgerung in freier Natur beinhaltet, zeigten sich aber erst im Laufe der Zeit, und bis zum Schluß der Aktion traten immer wieder unvorhergesehene Situationen ein, die sofor- tige Entscheidungen erforderten. Die ohne Obhut von Elterntieren in offenen Kunsthorsten befindlichen, unerfahrenen und nicht wehrhaften Jungtiere waren durch Marder, Waschbär, Habicht oder auch Turmfalke mitunter gefährdet. Unerwartet tauchte auch der Uhu auf, der in der Nachbarschaft des Auswilderungshorstes Position bezog - oder Kletterer, Drachenflieger -ja auch Höhenfeuerwerke, wie sie in Kassel anläßlich des Zissel üblich sind, hielten nicht nur die Jungfalken, sondern auch das Auswilderungsteam in Atem. Bedingt durch die strikte Horstbewachung konnten aber in den meisten Fällen rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden und auf Grund der intensiven Beobachtung die zur Auswilderung gehörende Technik verbessert werden. Von Anfang an bestand aber bei den Verantwortlichen der Auswilderungsaktion darüber Einvernehmen, daß die Wiedereinbürgerung des Wanderfalken in seinem ehemaligen Lebensraum nicht zu Lasten anderer dort heimischer Arten erfolgen darf, ja selbst der ärgste Widersacher, der Habicht, wurde auch in der Nähe der Auswilderungshorste respektiert. Ein Uhu-Auswilderungsprogramm, das in den angrenzenden westlichen Bundesländern zu einer deutlichen Bestandsanhebung des Uhus führte, wurde in Hessen im Hinblick auf das standortmäßig konkurierende Wanderfalkenprojekt zurückgestellt. Diese Entscheidung 187 erwies sich, unabhängig von der Konkurrenzsituation zum Wanderfalken, im Nachhinein als richtig, da die starken Bestandsstützungsmaßnahmen zwischenzeitlich sehr stark auf Hessen ausgestrahlt haben und sich die Uhupopulation kräftigt. Am Anfang der Auswilderungsaktion war es unter den Teilnehmern strittig, ob die Auswilde- rung unter strenger Geheimhaltung, das heißt unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt oder publik gemacht werden sollte. Es sprachen Argumente sowohl dafür als auch dagegen. Letztlich war es, nachdem sich Naturbruterfolge einstellten, gar nicht mehr möglich, die Aktion zu verheimlichen. Trotz eines beträchtlichen Mißtrauens bei der Bekanntgabe der Auswilderungsaktion mußte der Schritt in die Öffentlichkeit, nicht zuletzt im Interesse der Sicherheit der ausgewilderten Falken, getan werden. Voraussetzung war natürlich eine intensive Bewachung der Wander- falkenhorste während der Auswilderungsphase. Und damit komme ich zum zweiten Aspekt, nämlich die Organisation und praktische Umset- zung der Auswilderung selbst. Wenngleich die Wanderfalkenaktion den Vorzug hatte, daß keine begleitende oder vorausgehende Lebensraumsicherungs- oder -Pflegemaßnahmen unternommen werden mußten - der Lebensraum des Wanderfalken war ja abgesehen von den negativen Pestizideinflüssen bis Mitte der 70er Jahre weitgehend unverändert - so war doch die Auswilderung ohne fütternde oder sorgende Elterntiere nur mit intensiver menschli- cher Unterstützung und Begleitung erfolgversprechend. Erst als die Adoption von Jungfalken gelang, trat eine gewisse Entlastung ein. Ein derartiges aufwendiges und personalintensives Artenschutzprogramm, wie es die Wan- derfalkenauswilderungsaktion war - und hier liegt ein weiterer Grund für den erfolgreichen Ausgang des Experimentes-ist nur realisierbar, wenn hierfür viele freiwillige und engagierte Helfer bereit sind, ihre Freizeit hierfür unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das Land wäre schwerlich bereit gewesen, die Auswilderungsaktion in Alleinregie nur mit besoldetem Personal umzusetzen. In dieser Mobilisierung freiwilliger Helfer im ehrenamtlichen Natur- schutz sehe ich die Wanderfalkenaktion, selbst wenn ihr Verlauf nicht so erfolgreich gewesen wäre, als positives Signal für ein arbeits- und kostenteiliges Gemeinschaftsprojekt zwischen staatlichen Naturschutzstellen und privaten Naturschutzorganisationen. Die hierbei gewonnenen guten Erfahrungen ermutigen zu ähnlichen Aktionen in der Zukunft. Abgesehen von einigen nur kurzzeitigen Meinungsunterschieden zwischen denen an der Auswilderung beteiligten Organisationen am Beginn der Aktion, lief diese in der Folge ausge- sprochen effizient und harmonisch ab. Daher möchte ich die heutige Tagung zum Anlaß nahmen, ausdrücklich allen an der Wander- falkenauswilderung beteiligten Personen, Organisationen und Dienststellen für den uner- müdlichen und uneigennützigen Einsatz, ohne den das Wanderfalkenprojekt wohl nicht einen so positiven Ausgang genommen hätte, Dank zu sagen und meinen Respekt für Ihr Engage- ment zu bezeugen.

Ich denke, der große Erfolg der nordhessischen Auswilderungsaktion ist der schönste Lohn und die schönste Entschädigung für den geleisteten Einsatz. Die Kritik, die bei solchen großen Projekten mit überregionaler Ausstrahlung nicht ausbleiben kann, sollte uns nicht anfechten. Konstruktive Kritik hingegen dient dem Erfolg der Sache, und sie wird immer geschätzt.

6. Ausblick Es besteht allerdings noch kein Anlaß, sich auf dem erreichten Erfolg auszuruhen. Die Wanderfalkenpopulation ist noch schwach und labil. Auch die nächsten Jahre erfordern 188 kontinuierliche Beobachtungen, um die Entwicklung des Wanderfalkenbestandes zu ver- folgen und, wenn nötig, gelegentlich helfend einzugreifen, damit dieser Greif in seinem wie- dergewonnenen Lebensraum heimisch bleibt und darüber hinaus sein Areal ausdehnt.

Der Arbeitsschwerpunkt in der Nachauswilderungszeit sollte in der Freistellung zugewach- sener potentieller Wanderfalken-Horstplätze liegen, um das Brutplatzangebot zu erhöhen.

Der räumliche Auswilderungschwerpunkt, das ehemalige Zentrum der felsenbrütenden Wanderfalkenpopulation Nordhessens war richtig gewählt; insbesondere die abgeschiedene Lage im ehemaligen Grenzraum sicherte eine weitgehend störungsfreie Auswilderung.

„Last but not least"trug zum Erfolg derWiederansied lung des Wanderfalken der gute Gesund- heitszustand und die hohe Widerstandskraft der Zuchttiere bei, dank der Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt in der Aufzucht und Pflege durch die Züchter. Zum Schluß drängt sich eine hypothetische Frage auf: Wäre der Wanderfalke zwischenzeitlich in unserem Raum wieder heimisch geworden, wenn die Auswilderungsaktion nicht statt- gefunden hätte? Ich denke, grundsätzlich ja! Ob er aber eine Populationsdichte erreicht hätte, wie wir sie jetzt in Nordhessen und überhaupt im Mittelgebirgsraum nördlich des Mains und in den neuen Bundesländern erfreut verzeichnen können, muß bezweifelt werden. Unbeschadet anderer Thesen und möglicher Kritiken bin ich nach wie vor überzeugt, die 1977 getroffene Grundsatzentscheidung zur Auswilderung in Gefangenschaft gezüchteter Wanderfalken in Hessen war richtig.

Der Erfolg ist der Beweis!

Z Literatur KAULE, G. (1986): Arten- und Biotopschutz. - Ulmer-Verlag, Stuttgart.

PLACHTER, H. (1991): Naturschutz. - Gustav Fischer-Verlag. - Stuttgart.

Anschrift des Verfassers: Ltd. FD LOTHAR SERWATY, Regierungspräsidium Kassel - Obere Naturschutzbehörde - Wilhelmshöher Allee 157, 3500 Kassel

189 Neue Literatur

NÖLLERT, A. & Chr. (1992): Die Amphibien Europas. - 382 S., 234 Farbf., 62 zweifarb. Verbreitungskarten, 21 SW-Zeichnungen, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06340-2. Der „kalte" Frosch und die „häßliche" Kröte haben heute, dank umfassender Aufklärung, ihren Jahrhunderte alten „schlechten" Ruf abgelegt. Sie haben nunmehr den Stellenwert ein- genommen, der diesen Tieren schon immer zustand. Für die Umweltveränderungen sind sie hervorragende Indikatoren und wichtige Glieder ihrer Biozönose. Durch die Vernichtung vieler ihrer Lebensräume sind fast alle Amphibienarten in ihrem Bestand gefährdet, z.T. sogar vom Aussterben bedroht. Schutzmaßnahmen, die in den letzten Jahren vielerorts angelaufen sind (z. B. Bau von Krötenzäunen an stark befahrenen Straßen), müßten in weit umfassenderen Größenordnungen durchgeführt werden, wie bisher. Um gezielt diesen Arten zu helfen, bedarf es einer gründlichen Kenntnis ihrer Biologie und der artgemäßen ökologischen Ansprüche. In Europa leben derzeit 64 Amphibienarten, die in dem neuen Kosmos-Naturführer auch alle abgehandelt werden. Einleitend wird u. a. eingehend über Biologie, Nahrungserwerb, Feinde, Lebensräume und Gefährdung berichtet. Ein Bestimmungsschlüssel und die Beschreibung der einzelnen Arten bilden den Hauptteil des Buches. Zu jeder Art werden folgende Stich- worte abgehandelt: Beschreibung, Geschlechtsunterschiede, Verwechslungsarten, Verbrei- tung, Unterarten, Lebensraum, Nahrung, Aktivitäten, Gefährdung und Schutz. Dazu kommen noch eine Verbreitungskarte und ausgesuchtes Bildmaterial. Eine vielseitige Literaturüber- sicht und ein Register beschließen diesen Kosmosführer. Eine rundum gelungene Publikation. Sie ist sowohl für den interessierten Laien wie für den Fachmann ein sehr brauchbares Nach- schlagewerk. W. KEIL

BAILEY, J. & D. BURNIE (1992): Vögel - Entdecken, beobachten, bestimmen und ver- stehen -, 61 S., 98 Farbf., 65 Farbill., Naturführer für Kinder, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06575-8, PARKER, S. (1992): Insekten - Entdecken, beobachten, bestimmen und verstehen -. 64 S., 106 Farbf., 52 Farbill., Naturführer für Kinder, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06573-1. Unter dem Sammelbegriff „Kosmos Naturführer für Kinder" hat jetzt der Franckh-Kosmos Verlag eine neue Reihe von Bestimmungsbüchern begonnen, die vornehmlich für Kinder gedacht sind. Neben diesem Verlag ist noch der Verlag Schulte & Gerth in Asslar beteiligt (ISBN 3-89437-205-2, bzw. 3-89437-207-9). Die Originalausgaben wurden in England verlegt. Beide Bände sind kindergerecht gestaltet und informieren über die häufigsten Arten der betreffenden Tierklasse. So wird sowohl über Biologie und Ernährungsweise ebenso berichtet, wie über das Verhalten und die jeweiligen Lebensräume. Eine Kinder ansprechende Illustration ergänzt den Text. Die Bände sind für Kinder ab lesefähigem Alter sehr gut geeignet und dürften auch vielen Eltern allerlei Wissenswertes vermitteln. Erschienen sind bisher 4 Bände,weitere 10 sind in der Planung. Eine sehr informative Buchreihe, die ihren jungen Leser- kreis finden wird. W. KEIL

190 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 191- 208 (1993)

Die Bedeutung des nordhessischen Wanderfalkenprojektes für östlich angrenzende Räume von GERT KLEINSTÄUBER, Freiberg

1. Einleitung

Die mitteleuropäische Wanderfalkenpopulation (Falco p. peregrinus) hatte auf dem Gebiet der heutigen östlichen Bundesländer Deutschlands in der ersten Hälfte unseresJahrhunderts mit etwa 60 Paaren im Felsbrüterareal und mehr als 300 Paaren im Baumbrüterareal wichtige Reproduktionszentren. Nach 1973 gab es in diesem Raum (Gebiet der ehem. DDR* und Berlin) nachweislich keinen einzigen vom Wanderfalken beflogenen Felsen mehr. Der letzte Jungvogel schlüpfte 1966. Und die Hoffnung, daß von der ehemals stabilen Baumbrüterpopulation eine Rückbesiedlung verwaister Räume einsetzen könnte, zerschlug sich aufgrund des totalen Zusammenbruchs auch dieser Bestände in den 60er Jahren.

In einer Kiefernheide Ostsachsens, die zu einem Militärsperrgebiet gehörte, hielten sich vermutlich noch bis 1976 brutwillige Wanderfalken auf. Generell hatte die Art jedoch ab 1974 in der gesamten DDR den Status „ehemaliger, jetzt ausgestorbener Brutvogel".

Über Verlauf und Ursachen dieser Entwicklung ist vielfach diskutiert und publiziert worden (Literaturübersichten u. a. in KLEINSTÄUBER 1987 und 1991).

Seit 1981, drei Jahre nach Beginn der Auswilderung von Wanderfalken in planmäßigen Projekten - deren bedeutendstes das nordhessische ist - läuft im Osten Deutschlands eine zunächst zögerliche, heute hoffnungsvolle Wiederbesiedlung ehemaliger Felsbrutplätze ab, die intensiv beobachtet und dokumentiert wird. Im Jahr 1992 gibt es hier zehn beflogene Fels- horste und fünf Brutpaare an Gebäuden (jedoch noch keinen Hinweis auf etwaige Baum- bruten). Neun Brutpaare waren in diesem Jahr erfolgreich und brachten 22 Jungfalken zum Ausfliegen. Details können in entsprechenden Berichten nachgelesen werden (BRAUNEIS 1978 -1992; SAAR, TROMMER & HAMMER 1982,1984, ff; KLEINSTÄUBER 1991). Bezüglich einer Kartenskizze mit heutigen Wanderfalkenbrutplätzen in Ostdeutschland sei auf Abb. 8 verwiesen.

Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist die Bewertung des nordhessischen Wanderfalken- projektes aus der Sicht des „Arbeitskreises Wanderfalkenschutz e.V." (AWS), der die Be- mühungen der Arbeitsgruppen Wanderfalkenschutz des ehemaligen „Arbeitskreises zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Tiere der DDR" um Sicherung der Lebensgrundlagen für den Wanderfalken im östlichen Mitteleuropa fortsetzt.

*DDR = Deutsche Demokratische Republik 191 2. Der Beitrag zur Wiederbesiedlung

2.1 Wissenschaftliche Grundlagen der Bewertung und Datenbasis

2.1.1 Zur Ausgangssituation Im umfangreichen Spektrum der weltweiten Forschungen und Erörterungen zur Wander- falkenfrage fallen für die Situation im ostdeutschen Raum einige Besonderheiten auf:

• Für diese Gebiete gibt es jahrzehntelang zurückreichende, meist durchgängige,detaillierte Erfassungen des Wanderfalkenbestandes und der Brutergebnisse sowie Sammlungen von Daten- und Probenmaterial, die fundierte Vergleiche mit der „Vor-DDT-Ära" zulassen - für die Sächsische Schweiz seit den 20er Jahren - für das Felsbrüterareal Sachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts seit 1954 (Detailinformationen jährlich für 34 Horstgebiete) - für das Baumbrüterareal Sachsens, Sachsen-Anhalts, Brandenburgs, Berlins und Mecklenburg-Vorpommerns seit Ende der 50er Jahre. • Der anfänglich allmähliche Niedergang des Wanderfalkenbestandes in den 40er und 50er Jahren versprach in Auswirkung strenger Schutzmaßnahmen Ende der 50er Jahre die Möglichkeit einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau, geriet aber in den 60er Jahren in einen Bestandskollaps, der zum völligen Aussterben derArt in diesem Raum führte (Abb.1). Restbestände, die als Kern einer Wiederbesiedlung hätten konserviert und später wieder aufgebaut werden können, gab es nicht mehr. • Es gilt heute allgemein als unbestritten, daß der anfängliche Bestandsrückgang seine Ursache in einer Komplexwirkung verschiedener anthropogener direkter und indirekter Beeinträchtigungen hatte (Verfolgung, Störungen des Brutgeschäftes), daß der Bestands- kollaps -vor allem des ehemals stabilen Baumbrüterbestandes - aber durch die Wirkung fortpflanzungshemmender Pflanzenschutzmittel (insbesondere DDT) und wahrscheinlich durch zusätzliche letale Wirkung von Saatgutbeizmitteln (auf Quecksilber-Basis) herbei- geführt wurde. In der DDR stand dem in Gesetz und im Engagement vor Ort schon frühzeitig beispielhaftem Greifvogelschutz bald die extremste Anwendung von Chemikalien in Land- und Forstwirtschaft gegenüber.

• In der DDR war der Wanderfalke aufgrund seiner Bestandsbedrohung nicht als Beizvogel zugelassen. Bis auf die Entnahme eines Jungvogels in den 50er Jahren gab es keine Aushorstungen zu falknerischen Zwecken. Somit scheidet die Entnahme von Tieren aus der Natur zur Haltung in Gefangenschaft als eine der sonst oft genannten Rückgangs- ursachen hier aus. • Als Mitte der 60er Jahre erkennbar wurde, daß der Bestandsabschwung zum völligen Verlust des Wanderfalken führen kann, wurden auf der Basis fachlicher Gutachten und mit staatlicher Genehmigung Schritte eingeleitet, um die Art zumindest in menschlichem Gewahrsam zu retten. Es sollten einige Vögel bzw. Gelege der Natur entnommen werden und zusammen mit den in Zoologischen Gärten stehenden Tieren zur Nachzucht gebracht werden. Ziel war die Vermehrung und spätere Auswilderung der Tiere, sobald die Lebens- grundlagen für den Wanderfalken dies als wieder sinnvoll erscheinen lassen.

Diese Aktivitäten kamen jedoch zu spät. Bevor das „know how" der Nachzucht erforscht war, gab es in freier Natur keine lebenstüchtigen Gelege mehr. Und die im Experiment vorher schon gezielt entnommenen zwei Individuen stellten einen zu kleinen und instabilen Zuchtstamm dar (s. a. EBERT 1967; KLEINSTÄUBER & KIRMSE 1987). Immerhin ist es jedoch später gelungen, einen dieser Vögel - einen Terzel aus dem Baumbrüterareal 192 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995

Abb. 1: Bestandsentwicklung der felsbrütenden und der baumbrütenden Teilpopulationen des Wanderfalken im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) im Zeitraum 1954 -1992 (nachgewiesene Brutpaare). Anmerkungen: 1.) Der geschätzte Baumbrüterbestand lag im Zeitraum 1950 -1960 um 50 -100 Wo höher als der dargestellte. 2.) Unter den Felsbrütern sind ab 1986 auch insgesamt 4 Vorkommen an Bauwerken außerhalb der Felsgebiete enthalten.

Fels- und Gebäudebrüter

• Baumbrüter

nordöstlich Berlins - als Genreserve auf dem Weg über Polen (Zuchtstation Prof. PI ELOWSKI) in die Zuchtstation Prof. SAAR einzubinden. Dies war später der einzige über- lebende Baumbrüter, dessen Genpotential besondere Bedeutung hat, wenn die Neigung zur Baumbrut doch genetisch fixiert sein sollte. Mehrere Dutzend Nachkommen dieses Vogels sind u. a. in das nordhessische Projekt mit eingeflossen.

• Für die ehemaligen Vorkommensareale des Wanderfalken in Ostdeutschland ist durch Fakten und Indikationen eindeutig belegt, daß Nahrungsverknappung, die zweifellos für verschiedene Tierarten heute existenzbedrohend besteht, als Aussterbeursache für den Wanderfalken nicht gelten kann (ausführliche Argumentation dazu s. BAUMGART 1985/86; KIRMSE & KLEINSTÄUBER 1987).

2.1.2. Zur Wiederbesiedlung seit 1981 Auch nachdem die Felsbrutplätze verwaisten, blieben sie alle bis heute unter ständiger Kontrolle und in der Regel unter dem jeweiligen, in den 60er Jahren zugeordneten Schutz- status (Naturschutzgebiet, Flächennaturdenkmal, Totalreservat, Horstschutzzonen). Im 193 Baumbrüterareal war dies allerdings so nicht machbar. Trotzdem sicherten hier Stichproben- kontrollen und Zufallsbeobachtungen im Vergleich mit ständiger Kontrolle ausgewählter Gebiete einen ausreichenden Gesamtüberblick.

Das Auftauchen der ersten Falken an den ehemaligen Horstfelsen blieb somit nie lange unentdeckt. Die Meldungen gelangten schnell zu den Bezirks- bzw. Landesgruppen und zur Projektleitung der Arbeitsgruppe Wanderfalkenschutz. Im Stützpunkt Freiberg werden die zentralen Karteien und Dateien sowie die Beringungsdokumente, Belegsammlungen und Dokumentationen geführt. Diese enthalten für den Zeitraum 1981-1992:

• In der Individuendatei: Angaben zu 230 in Ostdeutschland festgestellten und individuell voneinander unterschiedenen Wanderfalken (soweit belegt: Standort, Herkunft, Abstam- mung, Verwandtschaftsbeziehungen, Beringung, Wiederbeobachtungen). Es handelt sich um Brutpaare, Einzelvögel, Nestjunge, Auswilderungsvögel, Durchzügler und Wintergäste.

• In der Horstplatzdatei: Angaben zu 40 ehemaligen und heutigen Felsenbrutplätzen und zehn Gebäudebrutplätzen bzw. -einstandsplätzen (Habitat, Schutzstatus, Horstbetreu- ung, Gefährdung, Maßnahmen).

• In der Beringungsdatei: Angaben zu 141 in Ostdeutschland seit 1982 beringten Wander- falken (100 nestjunge Exemplare, zwei Fänglinge, 41 ausgewilderte Tiere).

• In der Reproduktionsdokumentation: Angaben zu Revierbesetzung, Paarbildung, Brutver- lauf und -ergebnis von insgesamt 78 seit 1981 begonnenen Bruten bzw. Brutversuchen.

• In den Analyselisten: Daten zur Probenahme und Analytik von Beuteresten, Ei-Inhalten und -schalen, Mauserfedern, Totfunden sowie zu Parasiten- und Kotuntersuchungen.

An dieser Faktensammlung sind alle Horstgebietsbetreuer, AWS-Mitglieder sowie viele weitere Ornithologen und Beobachter beteiligt, denen auch an dieser Stelle für die wertvolle Mitarbeit und ständige Kontaktpflege sehr zu danken ist.

Neben der direkten Schutzarbeit, die vor Ort (und bei den Behördengängen) viel Zeit be- ansprucht, wird ein weiterer hoher Zeitaufwand den Bemühungen um möglichst gesicherte Individualerkennung (Farbringerkennung und -ablesung) gewidmet. Auf 100%ige Farbberin- gung und möglichst weitgehende Kennberingung allerJungfalken aus Auswilderungen und in den Naturhorsten ist größter Wert zu legen, wenn ein so umstrittenes Naturschutzmanage- ment, wie es die Vermehrung und Auswilderung von Wildtieren aus menschlicher Obhut darstellt, vor Fachwelt und Öffentlichkeit bestehen soll.

Die Farbringerkennung des AWS basieren z. T. auf dem Einsatz besonders leistungsfähiger Fernrohre (bis 400fache Vergrößerung), in Einzelfällen auf Videoaufzeichnungen, und meist auf dem tagelangen Ansitz in Beobachtungsverstecken. Durch diese heute mögliche Qualität der Beobachtungstätigkeit mußten wir (z.T. auch selbstkritisch) erkennen, auf welch tönernen Füßen popluationsdynamische Aussagen aus früherer Zeit - und auch heute bei fehlendem Einsatz an Zeit und Technik - ohne die Grundlage exakter Individualmarkierung und -erken- nung stehen.

Unter Nutzung dieses gesamten Datenmaterials, das zu den umfassendsten Faktensamm- lungen über eine in einem großen Gebiet ausgerottete und wieder heimisch gewordene Tierart gehört, wird die nachfolgende Bewertung des nunmehr abgeschlossenen nordhessischen Wanderfalken-Auswilderungsprojektes vorgenommen. 194 2.2 Ergebnisse

2.2.1 Herkunft der Brutvögel Im Verlaufe der vergangenen zwölf Jahre wurden nacheinander 15 Horstgebiete wieder- oder neubesiedelt. Die Anzahl der jährlich anwesenden Brutvögel (einschließlich noch imma- turer, aber schon revier- und partnergebundener Tiere) stieg nahezu kontinuierlich von zwei auf 30. Über die Jahressummen gerechnet, sind 162 reviergebundene Individuen bezüglich ihrer Beringung durchgemustert worden, um sie herkunftsmäßig zuordnen zu können. Hinter diesen 162 „Individuen x Jahren" stecken in Wahrheit 47 - 50 verschiedene Vögel, die teils jahrelang, teils nur eine Brutsaison die Reviere besetzt hielten. Ganz exakt kann die Zahl nicht genannt werden, da oftmals verschiedene Individuen eines Auswilderungsprogrammes oder eines Wildbrutareals gleiche Ringfarben bekamen, und somit ein Partnerwechsel nicht in jedem Fall erkennbar werden muß. Die Ziffern der Ringe sind nur ausnahmsweise abzulesen gewesen. 45 Individuen (rsp.144 „Individuen x Jahre") gelten als erkannt. Bei den anderen drei bis fünf Tieren ist keine Ringerkennung gelungen. Insgesamt 16 Bemusterungen (von 144 „Individuen xJahren") bzw.fünf Falken (der 45 erkannten Individuen) konnten keiner Herkunft zugeordnet werden, da die Vögel zum Zeitpunkt der Bemusterung keinen Ring (mehr?) trugen. Es ist belegt, daß bei Wanderfalken Ringe verloren gehen und auch abgebissen werden. Die Tabelle 1 und die Abbildungen 2 - 5 zeigen deutlich, daß die Wiederbesiedlung mit hoher Wahrscheinlichkeit primär ausschließlich auf ausgewilderten Wanderfalken basiert, daß sie dann aber in zunehmendem Maße-beginnend 1986 -mit Brutvögeln aus dem eigenen Nach- wuchs (aus Wildbruten der ausgewilderten Vögel und der F1- und F2-Generation) untersetzt wird. Der Anteil ausgewilderter Brutpartner nimmt naturgemäß entsprechend ab. Eine Unterstützung durch die wieder erstarkten Restpopulationen Baden-Württembergs und des Alpenraumes, die wir erhofft hatten, konnte in keinem Fall festgestellt werden. Da bis vor kurzem auch die in Baden-Württemberg ausgeflogenen Jungfalken zum allergrößten Teil beringt wurden, (mdl. Mitt. D. ROCKENBAUCH, 1992) können wir diese Unterstützung auch nicht aus den bei uns vorgekommenen fünf unberingten Vögeln ableiten.

Der aktuelle Anteil ausgewilderter Tiere im Brutpaarbestand beträgt im Jahr 1992 noch 40%. Über den Gesamtzeitraum der Wiederbesiedlung gerechnet lag er bei 72 0/0 (nach „Individuen x Jahren") bzw. bei 60 0/0 (nach Individuen) und in den Anfangsjahren der Wiederbesiedlung bei nahezu 100 0/o. Die nachweislich aus dem nordhessischen Projekt kommenden Falken machen 33 0/0 der aus Auswilderung insgesamt stammenden Brutpartner aus. Doch ist anzunehmen, daß auch der größte Teil der nicht dem Auswilderungsort direkt zuordenbaren Falken (weitere 46 0/0 der aus Auswilderungen stammenden) zwischen Wanfried und Kassel in die Wildbahn entlassen wurde.

195 Tabelle 1: Herkunft der Wanderfalken, die im Zeitraum 1981 bis 1992 ehemalige und neue Brutgebiete im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) besetzten.

unbe- Gesamt- Zeitraum aus Auswilderungen aus Wildbahnbruten kannter zahl Herkunft

in der im ehem. in Nord- in Nord- in Berlin Ort nicht im West- Sächsichen gesamt DDR- gesamt hessen bayern (West) ermittelbar harz Schweiz Gebiet

(unberingt)

in ausgewählten Jahren

1985 4 1 0 0 7 12 0 0 0 0 12

1988 3 1 1 0 5 10 3 0 3 1 14

1992 2 0 2 2 3 9 8 3 11 3 23

Individuen

1981- 92 7 3 2 2 13 27 10 3 13 5 45

Individuen x Jahre

1981— 92 34 8 12 2 47 103 21 4 25 16 144 7

6

5 / 4

3

2

1 / 0

Abb. 2: Herkunft der im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) wiederangesiedelten Wanderfalken (Brutpaarbestand des Jahres 1985).

Auswilderungsort unbekannt

Auswilderungsort Nordhessen

Auswilderungsort Coburg

10 / 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Abb. 3: Herkunft der im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) wiederangesiedelten Wanderfalken (Brutpaarbestand des Jahres 1992).

ZB Herkunft unbekannt 1 Auswilderung Berlin-West

Auswilderung unbekannt 1M1 Wildbahn Westharz

Auswilderung Hessen 1-1 Wildbahn ehemalige DDR

Auswilderung Sächsische Schweiz 197

25

20

15

10

5

0 1981 1986 1991

Abb. 4: Jahresweise Zuordnung der Herkunft von Wanderfalken, die im Zeitraum 1981-1992 im östlichen Deutschland brüteten (ehemalige DDR).

IM Herkunft unbekannt Auswilderung Sächsische Schweiz

Wildbahn Westharz Auswilderung Coburg

Wildbahn ehemalige DDR Auswilderung Berlin-West

Auswilderung unbekannt Auswilderung Hessen

Auswilderung unbekannte Herkunft unberingt 5 unbestimmt estharz (Hessen) 3 13 Wildbahn- bruten

Gebiet Neue Länder 10

Hessen 7 Lilienstein Berlin (West) Coburg 2 2 3 Abb. 5: Zuordnung der Herkunft aller als erkannt geltenden 45 Wanderfalken, die im Zeitraum 1981-1992 im östlichen Deutschland brüteten (ehemalige DDR). 198 2.2.2 Altersaufbau der heutigen Vorkommen Bei 27 Reviervögeln der heutigen 15 Brutvorkommen ist das Geburtsjahr ausreichend genau bekannt, um die Alterspyramide aufstellen zu können. Das Ergebnis mit Stand Juni 1992 zeigt Tabelle 2.

Tabelle 2: Altersmäßige Zusammensetzung der revierbesitzenden Wanderfalken zum Stich- tag 30. Juni 1992 im östlichen Deutschland (ehemalige DDR).

im wievielten Lebensjahr im 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Anzahl der Reviervögel 6 9 4 1 2 1 0 1 2 0 0 0 1 Altersklassenanteile in % 21 32 15 4 8 4 0 4 8 0 0 0 4

Im Durchschnitt stehen die Revierinhaber rechnerisch im 3,5ten Lebensjahr. Für das Durch- schnittsalter der Brutpopulation sind die zwar revierbesetzenden aber noch nicht durchge- färbten Vögel (2. Lebensjahr) zu streichen, da sie in unserem Raum i. d. R. noch nicht reprodu- zieren können. Auch der im 14. Lebensjahr stehende Terzel vom Südharzvorland, der als erster Vogel 1978 an der Plesse in Wanfried, Werra-Meißner Kreis, ausgewildert wurde, inzwischen wieder zweimal in Menschenhand geriet und an der Beringung deshalb eindeutig identifiziert werden konnte, wäre ggf. als „statistischer Ausreißer" aus der Durchschnittsberechnung zu streichen. Eine nach diesen Bereinigungen erneut vorgenommene Durchschnittsberechnung zeigt dennoch: im Mittel stehen die Brutvögel im 3. oder im 4. Lebensjahr (rechnerisch 3,4). Die Altersklassenanteile zeigt Abb. 6. Die ausgleichende Linie des tatsächlichen Altersauf- baues entspricht sehr gut der theoretisch für eine gesunde Wanderfalkenpopulation voraus- berechneten Kurve (KIRMSE & KLEINSTÄUBER 1977) und unterscheidet sich eindrucksvoll vom Altersklassenaufbau der aussterbenden Wanderfalkenpopulation im Jahre 1968 im gleichen Areal.

2.2.3. Reproduktionserfolg Abb. 7 und Tabelle 3 zeigen den zeitlichen Trend der Wiederbesiedlung und den Reproduk- tionserfolg der wieder ansässig gewordenen Brutpaare. Die Reproduktionsrate JZa (Jungen- zahl allgemein, d. h.: Zahl der ausgeflogenen Jungen je beflogenes Horstrevier) schwankt zwischen 1,0 und 2,0 und lag im Mittel derJahre bei 1,05 (n =78). Das über die jährliche Anzahl der beflogenen Reviere gewogene Mittel liegt bei 1,23 (n x p = 96). Zum Vergleich: Vor der DDT-Ära betrug die Reproduktionsrate im optimalen Kerngebiet Sächsische Schweiz von 1928 bis 1938 JZa=1,1 (n =94) (K. KLEI NSTÄUBER 1938).Zur Zeit intensiver DDT-Anwendung sank sie im ostdeutschen Felsbrüterareal von 0,5 in den 50erJahren auf 0,1 in den 60erJahren. Bis auf zwei Ausnahmen kann die neue ostdeutsche Teilpopulation als gesund gelten.

199 40 Altersklassen- anteil in 0/0

30

20

10

Alter in Jahren

Abb. 6: Altersaufbau des Wanderfalken-Brutpaarbestandes im östlichen Deutschland - ehemalige DDR - (ab dem 2. Lebensjahr) a - theoretischer Aufbau einer normalen Population b - die aussterbende Felsenbrüter-Teilpopulation im Jahre 1968 in der ehemaligen DDR c - der tatsächliche Altersaufbau des neuen Brutpaarbestandes im Juni 1992

25

flügge juv. 20 befl. Horstgeb.

15

10 \/-

5

. r

ledigni if ti 1 i i f• j• I. leirirj 0 II } I 1 1 1 '\-- I I I I I I I } I I <1- l0 CO OI C, J <1' C.0 CO CD C,1 V CO 00 CD N V CO CO CD CV CO CD CO CO CO 0, 0, 0, Ol 01 0, 0, 0, 0, 01 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0, 0,

Abb. 7: Zeitliche Entwicklung und Reproduktionsergebnisse des Wanderfalken-Brutpaar- bestandes im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) im Zeitraum 1954 -1992 (felsbrütende Teilpopulation einschließlich jährlich 2 - 4 Gebäudebruten ab 1987). 200 Tabelle 3: Zeitliche Entwicklung der Wiederbesiedlung von Wanderfalken-Brutplätzen im östlichen Deutschland (ehemalige DDR) und Reproduktionserfolg der neuen Brutpaare. Jahr 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

beflogene 1 2 2 3 4 6 7 7 7 11 13 15 Horstgebiete

erfolgreiche BP 0 1 2 0 3 2 4 4 3 5 8 9 flügge juv. 0 2 3 0 8 3 7 5 10 16 21 22

JZm 0 2.0 1.5 0 2.6 1.5 1.8 1.2 3.3 3.2 2.6 2.4

JZa 0 1.0 1.5 0 2.0 0.5 1.0 0.7 1.4 1.5 1.6 1.4

Die Ausnahmen betreffen die Brutpaare bei Sangerhausen (Südharzvorland) und im Zentrum Berlins. Hier sind seit 1985 aus den alljährlich gezeitigten Gelegen nie (Sangerhausen) bzw. nur über Kunstbrut ausnahmsweise (Berlin) die Embryonen zum Schlupf gebracht worden (Einsatz spezieller Brutregime durch Dr. MINNEMANN und Prof. SAAR). Die Eier waren stets in mittlerem bis extremem Grade dünnschalig. Meßergebnisse sind publiziert (KLEIN- STÄUBER 1988 und 1991). Schadstoffanalysen der konservierten Embryonen und Ei-Inhalte konnten wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeit noch nicht realisiert werden. Es gibt keine Hinweise, daß diese Sonderfälle mit der Herkunft der betreffenden Tiere (3 x aus Aus- wilderungsprogrammen, 1 x aus Wildbahnbrut, 1 x unberingter Vogel) in einem Zusammen- hang stehen. Gleichwohl sind die Symptome der Dünnschaligkeit wie auch die des damit zusammenhängenden abnormen Brutverhaltens der Paare mit denen identisch, die wir seit den 50er Jahren an der aussterbenden Wanderfalkenpopulation in den ostdeutschen Mittel- gebirgen feststellten.

Da seit Beginn der Wiederbesiedlung bis heute an keinem anderen Horstplatz und in keinem Jahr analoge Dünnschaligkeit mehr auftrat, kann gesagt werden: Die neuen Vorkommen haben eine stabile Reproduktion. Die aus Auswilderungen stammenden Tiere erzielen min- destens gleichgute Reproduktionsergebnisse, wie wir sie von einer gesunden, autochthonen Wildpopulation unter den gegenwärtigen Bedingungen hier erwarten würden. Wenn es gelingt, durch weiterhin verbesserten Schutz der Horstplätze vor natürlichen Einflußfaktoren (Witterung, Prädatoren) die Reproduktionsrate auf 1,5 —1,7 zu steigern bzw. zu halten, kann sich die Population tragen.

2.2.4. Ansiedlungsverhalten, Migration und Dismigration

Die Analyse des Ansiedlungsverhaltens der ausgewilderten Vögel brachte folgende z.T. neue Erkenntnisse.

Wanderfalken neigen zu Ansiedlungsballungen, wenn auf engerem Raum einerseits ausrei- chendviele Brutreviere zur Verfügung stehen, die andererseits voneinander noch ausreichend klar abgegrenzt werden können. Es bedarf oft nur einer Initialzündung („spontane" Ansied- lung) in einer geeigneten Landschaft, die dann bei vorhandenem Nachschub schnell weitere Ansiedlungen der noch nicht gebundenen Vögel nach sich zieht.

Die ersten Ansiedlungen im wanderfalkenfreien Felsbrüterareal finden zielstrebig am opti- malen Alpha-Platz der jeweiligen Region statt, der in der Aussterbephase i. d. R. auch der 201 zuletzt noch beflogene Horstfelsen war. Auch die weitere Wiederbesiedlungsfolge innerhalb der Region entspricht dem Schema der ökologischen Wertigkeit des Horstplatzes.

Die Initialzündungen entstanden im behandelten Areal - zunächst an den Alpha-Plätzen der näheren Umgebung (ca. 50 km Radius), die wohl auf dem Sommer-Zwischenzug von den immaturen Falken bereits inspiziert wurden - oder an geeigneten Plätzen, die auf dem Herbst- und Frühjahrszug gefunden wurden. Vögel, die aus weiter entfernten Auswilderungsorten stammten, tauchten im späteren Brutre- vier erst dann auf, wenn dieses bereits von einem Altvogel beflogen war. Möglicherweise wurden diese ortsfremden Vögel beim Durchzug von dem künftigen Horstpartnerzum Bleiben an dem noch freien Partnerplatz verleitet oder aus der Ferne zielstrebig herangeleitet.

Im Harz tauchten zunächst die Falken aus Nordhessen auf, im Thüringer Wald die aus Nord- bayern und Nordhessen. In Westberlin ausgewilderte Falken blieben im Berliner Raum oder wurden längs der SW-Zugtrasse später wiederentdeckt (Raum Dessau und Südharzvorland). Ansiedlungen von Tieren der F1-Generation aus dem Harz erfolgten in Nordhessen und im Thüringer Wald, später auch im Raum Berlin. In der offensischtlich östlich zu weit abseits liegenden Sächsischen Schweiz gibt es trotz optimaler Habitatqualität erst Ansiedlungsver- suche, seit das dortige Auswilderungsprojekt die Initialzündung herbeiführt (Abb. 8).

Zwischenzug nach N und Fernwanderungen auf dem Herbstzug nach SW (Frankreich) sind durch Todfunde immaturer Falken aus der F1-Generation von Wildbahnbruten belegt. In SW-Thüringen wurde im August 1989 ein immaturer Terzel verletzt aufgegriffen, der in Baden- Württemberg beringt worden war, aber Zeichen einer längeren Gefangenschaftshaltung trug und bei der Einlieferung in den Tierpark Berlin bereits handzahm war (mdl. Mitt. Dr. MINNE- MANN, 1989) , so daß nicht geklärt ist, auf welchem Weg er nach Thüringen gelangte.

3. Der Beitrag für Management und Methodik

3.1 Beurteilung der Strategie

Die Frage „Sind Zucht und Auswilderung der Weg ...?" können wir in Auswertung - der in Ostdeutschland am Wanderfalken intensiv erforschten Populationsentwicklung und - als Schlußfolgerung aus den seit 1978 in Nordhessen und anderswo durchgeführten Auswi lderu ngsprog rammen nur so beantworten: Sie sind bei konsequenter Einhaltung bestimmter Prämissen ein Weg, den man in einer ganz bestimmten Situation bereit und in der Lage sein sollte zu beschreiten, wenn er der letzte und einzig mögliche ist.

Für den Wanderfalken im nördlichen und östlichen Mitteleuropa gab es nach dem restlosen Verschwinden der Art keinen anderen Weg mehr. Und wenn diesen Weg inzwischen niemand beschritten hätte, bliebe der Wanderfalke hier für lange Zeit der „früher heimische, heute ausgestorbene Brutvogel", und das, wie manch andere Tierart in der Menschheitsgeschichte, möglicherweise für immer.

Frühzeitiger und mindestens gleich intensiv, wie dies z. B. in SW-Deutschland seit 1965 gestartet wurde, hatten wir im ostdeutschen Raum mit großem Engagement alle traditionellen Schutzmaßnahmen für den ehemals weit verbreiteten Wanderfalken ergriffen - doch, wie wir wissen, ohne Erfolg. Seeadler, Fischadler und Sperber haben in diesem Raum bei ähnlich deutlichem DDT-Knick, wie ihn die Entwicklung der Wanderfalkenpopulation zeigte, wegen artspezifischer und anderer Glücksumstände in Restbeständen überleben können. Analog 202 Abb. 8: Geographische Übersichtsskizze zum Ansiedlungsverhalten und zur Migration der neuen Wanderfalken Teilpopulation im östlichen Deutschland im Zeitraum 1981-1992 (ehemalige DDR). [Quadrate =Auswilderungsstationen, Kreise = Brutplätze als Zielpunkt ansiedlungs- williger Falken und als Ausgangspunkt flüggerJungvögel aus Wildbahnbruten ; blind endende Linien = Todfunde im Areal; Linien mit Pfeil = belegter Fernzug nach Frankreich]

203 zur Bemühung um den Wanderfalken in SW-Deutschland gelang es, die Restpopulationen dieser Arten im Osten durch konsequente Schutzarbeit auf niedrigem Niveau zu erhalten und somit, dank dem endlich erwirkten DDT-Verbot, über die Schwelle der DDT-Einwirkung zu retten. Diese Schwelle ist heute entscheidend abgeflacht, so daß sich die See- und Fischadlervor- kommen im gleichen Areal, in dem der Wanderfalke früher flächendeckend auch vorkam und das noch gute bis hervorragende Naturraumausstattung bietet, stabilisieren und wieder verdichten konnten. Für den Fall, daß See- und Fischadler hier - wie der Wanderfalke - aber großräumig total verschwunden wären, hätten weder die methodischen Grundlagen noch die Genreserve für eine erfolgversprechende Vermehrung der eventuell zufällig in Menschenhand geretteten autochthonen Reste des Bestandes ausgereicht, um die Population über ein Auswilderungs- management wieder aufzubauen. Analog stellte sich das Problem für die in den 60er Jahren wanderfalkenleer gewordenen Gebiete ganz Nord- und Ost-Mitteleuropas. Und mit Aus- nahme der durch Nachzucht und Auswilderung bereits begründeten neuen Ansiedlungen an Felsen und Gebäuden in der westlichen Randzone des genannten Areals ist das große anschließende Gebiet noch heute wanderfalkenleer. Glücklicherweise existieren jetzt aber die Methodik und das Material für ein Management zur Wiederbesiedlung. Aus überregionaler Sicht beurteilt gilt der Wanderfalke heute lt. Washingtoner Artenschutz- Übereinkommen zwar noch als „Vom Aussterben bedroht", als Art Falco peregrinus wird er aber von der Weltarbeitsgruppe zum Schutz der Greifvögel und Eulen bereits in „out of danger" geführt, vor allem deshalb, weil die Möglichkeit der Vermehrung unter menschlicher Obhut als gesichert gelten kann. Für die Nominatform F. p. peregrinus besteht in Europa dank der inzwischen wieder stabilen Bestände in Großbritannien (RATCLIFFE 1984), in Baden- Württemberg (SCHILLING & ROCKEN BAUCH 1985) und z.T. im Alpenraum (KRAM ER 1991) keine akute Gefahr des Aussterbens mehr. Darüberhinaus hat die felsbrütende Teilpopula- tion in Deutschland im Ergebnis der Auswilderungsprojekte auch nördlich der Main-Linie ausreichend viele Trittsteine einer Rückbesiedlung besetzt, die dank guten Bruterfolges, strengen Schutzes und einer geeigneten Förderung durch Horstplatz- und Habitatgestaltung in der Lage sein wird, künftig ohne jährliches Hinzufügen von Tieren aus Nachzuchten den Bestand zu halten und ggf. weiter aufzubauen. Deshalb können auch wir der Beendigung des nordhessischen Auswilderungsprojektes zustimmen.

Für den östlichsten und für den nordöstlichen Raum Deutschlands (Elbsandsteingebirge und gesamtes bewaldetes Flachland) sowie für die östlich und südöstlich an diesen Raum angrenzenden Gebiete sind zur Wiederbegründung der ehemaligen Fels- und Baumbrüter- vorkommen weitere Auswilderungen jedoch erforderlich und auch vorgesehen.

3.2 Erkenntnisse für analoge Vorhaben Diese weiterhin vorgesehenen Auswilderungsaktionen sind in Programmen festgelegt, für die das nordhessische Wanderfalkenprojekt grundlegende Erkenntnisse lieferte. Die 1981 in Augsburg vom Kolloquium der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege formulierten sog. Laufener Empfehlungen können anhand dieser Erkenntnisse für den Wanderfalken konkretisiert werden, wodurch einerseits rechtliche und naturschutzpolitische Unklarheiten beseitigt und andererseits unbegründeter oder uneffektiver Einsatz von Mitteln und Personal vermieden wird. Die Prüfung der Vorhaben, die das in Hessen erfolgreich abgeschlossene Projekt gewissermaßen an anderen Orten im Osten fortsetzen, ergibt nach den Kriterien der Laufener Empfehlungen folgendes Resultat: 204 1 Trotz aktiven und intensiven Schutzes waren die Restbestände, die im Süden Baden- Württembergs überleben konnten, nicht in der Lage, auf natürliche Weise die weit entfernten, hinter Verbreitungsschwellen liegenden, wanderfalkenleeren ehemaligen Vorkommensgebiete wiederzubesiedeln. Die Durchführung des hessischen Projektes war deshalb - auf Basis unseres heutigen Wissens auch aus rückwärtiger Sicht -gerecht- fertigt. Die heute wieder stabile südwestdeutsche Wanderfalkenpopulation verdichtet sich durch Nutzung zahlreich vorhandener Steinbrüche und technischer Hochbauten weiter, als es früher jemals möglich war. Eine Ausbreitung in östliche oder nordöstliche Richtung ist derzeit nicht erkennbar und ist in einem Umfang, aus dem sich in absehbarer Zeit eine Wiederbesiedlung des östlichen Mitteleuropa ergeben könnte, nach heutiger Erkenntnis auch nicht zu erwarten. Es ist wahrscheinlich auch so, daß solchen aus lokalen Restbeständen hervorgegan- genen Teilpopulationen die Tradierung auf weit entfernte geographische Räume, andere Klimate, Habitate, Horstmöglichkeiten und Nahrungsgrundlagen fehlt, und sie stehen zunächst unter keinem Evolutionsdruck, sich solche Spezialanpassungen wieder aneignen zu müssen. Die nördlich der Main-Linie im wesentlichen aus Auswilderungen wieder entstandenen Vorkommen lassen ebenfalls keine Ausbreitungstendenz nach Osten erkennen und sind zudem für eine Rückbesiedlung großer freier Räume zur Zeit viel zu schwach. Für die brutökologische Sonderstellung des felsfreien, bewaldeten Flachlandes wird es eine Wiederbesiedlung aus der Felsbrüterpopulation heraus außerdem infolge fehlender Tradierung zur Baumbrut höchstens über die Nutzung hoher Bauwerke (Gebäude, Masten mit Fischadler- oder Kolkrabenhorsten) geben.

2. Vor dem Start der weiteren, in den ostdeutschen Raum verlagerten Aussetzungsaktionen erfolgten umfassende Untersuchungen der Ursachen des Rückgangs und Erlöschens der autochthonen Bestände. Es ist gesichert, daß die Ursachen, die zum Aussterben führten, heute so nicht mehr wirken.

3. Die Aussetzungen erfolgen nur in ehemals von der Art stabil besiedelten Gebieten in geeigneten Lebensräumen.

4. Die Aussetzungsplätze sind nach verschiedenen Kriterien ausgewählt und, aus der Erfah- rung mit dem hessischen Projekt heraus, als optimal eingestuft.

5. Durch Trendberechnungen werden Erfolgschancen und erforderliche Umfänge und Zeiträume der Aktionen ermittelt. Die Ergebnisse des hessischen Projektes haben die angewendeten Berechnungsgrundlagen im wesentlichen bestätigt.

6. Die Aktionen werden öffentlich diskutiert und unter den Augen der Öffentlichkeit durch- geführt.

7. Es werden keine anderen Arten beeinträchtigt, um die ausgesetzte Art abzuschirmen (z. B. Habicht- und Uhuproblematik). 8. Gesetzliche Grundlagen wie auch internationale Übereinkommen werden konsequent eingehalten.

9. Auf Abstammung und Herkunft der auszusetzenden Tiere wird größtes Augenmerk gelegt.

10. Die Entnahme von Tieren aus freilebenden Populationen wird nur dann erwogen, wenn diese dadurch nachweislich nicht beeinträchtigt werden. 205 11. Die Technologie der erfolgreichen hessischen Aussetzungen wird übernommen und im Ergebnis aller inzwischen gesammelten Erfahrungen weiter verbessert. Die Tiere werden maximal in den neuen Lebensraum eingepaßt, der speziell für erleichtertes Überleben und möglichst gute Vermehrung vorbereitet wird.

12. Die Tiere werden, soweit technisch möglich, fortlaufend überwacht unter Einsatz moder- ner Hilfsmittel (Video, große Fernrohre, länderübergreifend abgestimmte Farbberingung, ggf. Sender).

13. Es werden Abbruchkriterien festgeschrieben, die durch das hessische Ergebnis jetzt deutlich konkretisiert werden können.

14. Alle Fakten werden dokumentiert, wissenschaftlich ausgewertet und veröffentlicht. 15. Es wird länder- und möglichst staatenübergreifend projektiert und koordiniert in Pro- grammen, die von Hamburg und Schleswig-Holstein über Brandenburg bis Sachsen und Polen sowie ggf. Böhmen und Mähren reichen.

3.3 Zu Alibifunktion und Beispielwirkung Für Haltung und Nachzucht von Greifvögeln gibt es in Deutschland heute eindeutige gesetz- liche Regelungen. Es ist fachlich nicht begründbar, auf die Vermehrung von Wildtieren unter menschlicher Obhut und auf anschließende artgerechte Auswilderung als ultima ratio etwa deshalb zu verzichten, weil Nachzuchtvorhaben in Einzelfällen als Alibifunktion für gesetzes- widrige Greifvogelhaltung mißbräuchlich vorgeschoben werden. Biotopschutz hat als Ziel und zugleich höchste Form des Artenschutzes unbestritten abso- luten Vorrang. Es ist unsinnig, Tiere vermehren und wieder ansiedeln zu wollen, wenn die ge- eigneten Habitate fehlen und der existenzsichernde Biotop verlorengeht oder vergiftet ist. Dennoch gehört es zur Pflicht staatlicher Daseinsvorsorge und zum Einsatz für die Bewah- rung der Schöpfung, bei drohendem Tod einer Art für den Extremfall das „know how" und das Startvermögen für Nachzucht und Wiedereinbürgerung der in der Wildbahn ausgerotteten Tiere vorbereitet zu haben, um den ggf. geretteten Biotopen auch die Arten wieder hinzuzu- fügen, die deren Wert und Funktionalität mit ausmachen. Die Vermehrung unter menschlicher Obhut muß speziell auf die Auswilderungsvorhaben ausgerichtet sein. Der Begriff „Zucht" ist an dieser Stelle falsch angewendet. Es gibt kein „Zucht"-Ziel, sondern es ist gerade peinlich darauf zu achten, daß die Erbanlagen derArt völlig unverändert fortgepflanzt werden.Vermehrungshaltungen sollten daher weitgehend in öffent- licher Hand bzw. unter staatlicher Obhut laufen. Die Exemplare des aus nordhessischen Auswilderungen heraus wieder begründeten Wanderfalkenbestandes, die wir als langerfahrene Wanderfalkenkenner und Wissenschaftler intensivst studierten, zeigten in keinem einzigen Fall abnormes Verhalten oder sonstwelche Hinweise darauf, daß durch Gefangenschaftshaltung und Vermehrung über mehrere Genera- tionen etwa schon Degenerations- oder Domestikationserscheinungen eingetreten sein könnten. Um diese allerdings nicht grundsätzlich zu leugnende Gefahr auszuschließen, sollten entsprechende „Blutauffrischungen" bei ggf. langandauernden Vermehrungsmaß- nahmen in den Programmen mit verankert werden. Nach unseren Erkenntnissen sind diese bei exakter Übersicht über die Abstammungslinien aller Wild- und „Zucht" Tiere ohne Beeinträchtigung der Wildpopulation realisierbar. Bezüglich der Beispielwirkung, die das erfolgreiche Wanderfalken-Management auf umstrit- tene Nachzucht- und Auswilderungsvorhaben mit anderen Arten zweifellos hat (Rauhfuß- 206 hühner, Steinkauz usw.) und aus der heraus eine Flut von Anträgen mit Programmen für weitere Arten befürchtet wird, muß gelten: Erst wenn in gleichem Maß wie für den Wander- falken im ostdeutschen Raum (und seinerzeit auch für den hessischen Raum) belegt ist, - daß die Art unmittelbar im Ergebnis ausschließlich anthropogener Einwirkung ausstarb bzw. ausgerottet wurde, - daß die Ursachen, die zum Verschwinden führten, klar erkannt und analysiert wurden sowie bewiesen ist, daß sie nicht mehr im existenzzerstörenden Umfang wirken und - daß die Lebensräume mit der artgerechten Habitatqualität noch oder wieder in popula- tionsgerechter Quantität vorhanden sind, die Art aber keine Chance hat, diese Räume, von Restbeständen ausgehend, in absehbarer Zeit allein wieder zu besiedeln, darf ein ähnliches Projekt für andere Arten mit dem Verweis auf das erfolgreiche Wander- falkenprogramm begründet und gestartet werden.

4. Schlußbemerkungen

Die Felslandschaften im Harz und im Thüringer Wald haben als Nachbargebiete Nordhessens zweifellos am meisten am dortigen Wanderfalkenprojekt partizipiert. Mit der Wiederbesied- lung dieser Areale wurde erstmals für Europa belegt, daß es ausnahmsweise möglich ist, auch hochspezialisierte Tierarten in aufgegebene Räume zurückzubringen.

Das speziell für diese Räume in einem langen Zeitraum vor den Auswilderungen und dann im Zusammenhang mit der einsetzenden Wiederbesiedlung gesammelte, umfassende Daten- material belegt, daß die von den zuständigen Behörden gegebenen Ausnahmegenehmi- gungen zum Start des Projektes und zur jeweiligen Fortschreibung des Zeitrahmens zurecht erteilt und der Einsatz der Nachzuchtstationen und der Auswilderungsteams zurecht erbracht worden sind. Die in den östlichen Wiederbesiedlungsgebieten vorgenommenen und künftig noch weiter- zuführenden Analysen der Populationszusammensetzung und -entwicklung, die im Auswil- derungsareal selbst und in anderen Nachbargebieten aufgrund der dortigen Gegebenheiten nicht in vergleichbarem Umfang erbracht werden konnten, sind der Beitrag der ostdeutschen Wanderfalkenschützer zum Gesamtvorhaben und stellen eine wichtige Grundlage für dessen heutige und künftige Bewertung dar. Die Daten sind für jegliche Auswertungen auch weiterhin zugänglich. Der Arbeitskreis Wanderfalkenschutz bedankt sich auf diese Weise (und natürlich auch durch den intensiven Schutz der neuen Brutpaare) für den Einsatz aller, die der Rettung des Wanderfalken - unabhängig von Weg und Methode - gleichwohl dienen. Soweit die Rolle des Wanderfalken als Bioindikator Aussagen über die Umweltverhältnisse zuläßt, spiegeln sich durch die erfolgreiche Wiederbesiedlung der Felsen und durch die gute Reproduktionsrate der neuen Teilpopulation positive Entwicklungen zumindest im Abbau der großräumigen Kontamination mit chlorierten Kohlenwasserstoffen wider. Andererseits werden lokale Anomalien, die für bestimmte Schadstoffe noch oder wieder neu bestehen, ebenso angezeigt.

Auf beide Formen dieser Indikationen mußte im Zeitraum des Fehlens der Art verzichtet werden. Heute zeigen einzelne Brutplätze des Wanderfalken lokal erneut alljährliche Fehl- bruten, die mit erwiesener Dünnschaligkeit wie auch extrem hoher Quecksilberbelastung (HAHN, HAHN & KLEINSTÄUBER 1992) korreliert sind. Die Chance, anhand eines wissen- schaftlichen Programmes zur Klärung der lokalen Ursachen dieser erneuten Embryonen- sterblichkeit und damit ggf. auch zur weiteren Aufhellung des seinerzeitigen Populationskol- lapses und der offensichtlich (ehemals?) globalen Noxe beizutragen, sollte genutzt werden. 207 5. Literatur

BAUMGART, W. (1985/86): Erörterungen zur Wanderfalken-Frage. - Der Falke 32: 366 -377 u. 402 - 412, 33: 18 - 27. BRAUN EIS, W. (1978 - 92): Jährliche Auswilderungsberichte der HGON. EBERT, J. (1967): Wanderfalk trägt Ei aus dem Horst. - Zool. Abh. Staatl. Mus. Tierk. Dresden 29: 65 - 69. HAHN, E., K. HAHN, G. KLEINSTÄUBER (1992): Mercury Monitoring with Peregrine Falcon Feathers - IV. Weltkonferenz der WAG Greifvögel u. Eulen, Berlin 1992. - Im Druck in: Birds of Prey, Bulletin Nr. 5 (bzw. Raptors in the World, Proceedings). KIRMSE, W. & G. KLEINSTÄUBER (1977): Die Kalkulation der Populationsentwicklung von Wildtierarten, dargestellt am Beispiel des Wanderfalken (Falco p. peregrinus GM EL.) in der DDR. - Mitt. Zool. Mus. Berlin, 53: Ann f. Orn. 1: 137-148. KIRMSE, W. & G. KLEINSTÄUBER (1987): Geriet der Wanderfalke in ein Energiedefizit? - Falke 34: 318-323 u. 368-372. KLEINSTÄUBER, G. (1987): Populationsökologische Zusammenhänge bei Erlöschen und beginnendem Neuaufbau des Wanderfalken-Brutbestandes (Falco peregrinus TUNSTALL) im Mittelgebirgsareal der DDR - Populationsökol. Greifvogel- u. Eulenarten 1, S. 111-128, Wiss. Beitr. Univ. Halle 1987/14 (P27) Halle. KLEINSTÄUBER, G. (1988): Zur Rolle des Wanderfalken (Falco peregrinus TUNSTALL) als Bioindikator - Einfluß von Agrochemikalien auf d. Populationsdyn. v. Vogelarten, Fest- symp. Seebach, S. 64 - 69. KLEINSTÄUBER, G. (1991): Die aktuelle Situation des Wanderfalkenbestandes (Falco pere- grinus) in den ostdeutschen Ländern - Reproduktion, Belastungen, Perspektive.- Popu- lationsökol. Greifvogel- u. Eulenarten 2: 343 - 358, Wiss. Beitr. Univ. Halle 1991/4 (P45). KLEINSTÄUBER, G. &W. KIRMSE (1987): Der Wanderfalke - Gelingt seine Wiedereinbürge- rung? - Unsere Jagd 37: 170 -172 u. 204 - 206, Berlin. KLEINSTÄUBER, K. (1938): Das Vorkommen des Wanderfalken (Falco peregrinusTUNSTALL) in Sachsen. - S. 727-734 in: ZIMMERMANN, IR., K. KLEINSTÄUBER & R. MÄRZ - Tharandter Forstl. Jahrbuch 89. KRAMER, S. (1991): Die Situation des Wanderfalken (Falco peregrinus) in Bayern - Bestands- entwicklung, Populationsökologie, Schutzkonzept - Berichte der ANL 15: 177-216, Laufen. RATCLIFFE, D.A. (1984): The Peregrine Breeding Population of the United Kingdom in 1981. - Bird Study 31: 1-18. SAAR, CH R., G. TROMM ER &W. HAMMER (1982,1984, ff.): Der Wanderfalke; Berichte über ein Artenschutzprogramm (jährliche Fortschreibungen) in: Jahrbücher des Deutschen Falkenorden, Blomberg. SCHILLING, F. & D. ROCKENBAUCH (1985): Der Wanderfalke in Baden-Württemberg - gerettet! 20 Jahre Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW). - Beihefte z. d. Veröff. f. Naturschutz u. Landschaftspflege Bad.-Württ. 46, Festschrift AGW, Karlsruhe.

Anschrift des Verfassers: Dr. GERT KLEINSTÄUBER, Stollnhausgasse 13, 0-9200 Freiberg 208 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 209 - 217 (1993)

Die Populationsdynamik des Wanderfalken in Baden-Württemberg von 1965 -1991 von PETER WEGNER, Leverkusen

Der Bestand in Baden-Württemberg gehört zu den best-untersuchten Populationen des Wanderfalken. Über einen Zeitraum von 27 Jahren (1965-91) wurde von der Arbeitsgemein- schaft Wanderfalkenschutz (AGW) eine Langzeitstudie durchgeführt, die weiterlaufen wird und deren Ende noch nicht abzusehen ist, weil ständig neue und überraschende Aspekte beobachtet werden, zum anderen die Schutzarbeit wegen aktueller Gefährdungen noch nicht eingestellt werden kann (SCHILLING & ROCKENBAUCH 1985).

Nach einem dramatischen Bestandseinbruch von 150 Paaren in 1950 auf nur noch 20 - 25 Paare (Fig.1, Phase 1), entsprechend unter 20% des Ausgangswertes, begannen wir im Jahre 1965 mit unserer Schutzarbeit. Zu diesem Zeitpunkt konzentrierte sich das Restvorkommen des Wanderfalken in Deutschland - von Einzelpaaren abgesehen - auf Baden-Württemberg und den Alpenraum.

Aufgrund unserer Erfahrungen an verschiedenen Horsten interpretierten wir den Bestands- einbruch zunächst als Folge menschlicher Verfolgung (BRÜCHER &WEGNER 1988). Im Laufe der Zeit lernten wir, daß sich keine Region der Erde - auch Baden-Württemberg nicht - dem sich weltweit auf Mortalität und Fertilität des Wanderfalken negativ auswirkenden Pestizid- einfluß entziehen konnte. In dieser Hinsicht sammelten wir das umfangreichste Material am Wanderfalken in Deutschland und mußten hierbei feststellen, daß der Wanderfalke auch in Baden-Württemberg hochbelastet war und teilweise heute noch ist, speziell mit immer noch steigender Konzentration der Industriechemikalie PCB (SCHILLING & KÖNIG 1980).

Neben den negativen Wirkungen von Pestiziden als weltweit schwerster Noxe sind andere, regional in unterschiedlichem Ausmaß wirkende Rückgangsursachen häufig verharmlost, ja tabuisiert worden, indem von bestimmten Gruppen Pestizide als auschließlicher/alleiniger Grund verantwortlich gemacht wurden.

Nach unseren Erfahrungen war diese Argumentation nicht nur falsch, sondern auch deswegen schädlich, weil hiermit rein konservierende Schutzmaßnahmen (Ausschalten anderer Verlustursachen) z.T. erschwert oder diskreditiert wurden und manchem Aktivisten der Schwung genommen wurde.

Rückblickend kann heute festgestellt werden, daß der negative Pestizideinfluß flankiert und unter- bzw. überlagert wurde von beispielloser menschlicher Verfolgung (Taubenzüchter, kommerzialisierter Falknerei) mit simultaner Entstehung eines finanziell attraktiven Greifvo- gelmarktes (WEGNER 1989). Wir konzentrierten uns jedenfalls in den ersten Jahren unserer Schutztätigkeit auf die Bewachung von Brutplätzen, um den Faktor „menschliche Verfolgung" (Aushorstung, Raub, Plünderung, Abschuß, Fang) zu minimieren.

Über mehr als zehn Jahre stagnierten Brutpaarzahlen und Ausflugerfolge bei allerdings gene- reller Verjüngung des Bestandes (Phase 2). Die gelegentlich geäußerte Vermutung, der Bestand in Baden-Württemberg hätte durch Zuwanderung profitiert bzw. überlebt, ist aus drei Gründen nicht stichhaltig: 209 1. Die Adult-Sterblichkeit wurde früher nach Wiederfunden nestjung beringter Wander- falken mit 25% perJahr angenommen (MEBS 1971). Neuere Untersuchungen von KI RMSE und KLEINSTÄUBER, der AGW und speziell von NEWTON und MEARNS belegen, daß sowohl in stagnierenden, als auch expandierenden Populationen die Sterblichkeit adulter 99 bei höchstens 9 0/0 pro Jahr, adulter die bei höchstens 11% pro Jahr liegt. 2. Wanderfalken zieht es an den Geburtsort zurück, um dort oder in der Nähe zu siedeln (Philopatrie). Aufgrund dieses Dispersionsmechanismus' ist die geographische Ausbrei- tungsgeschwindigkeit gering. In Schottland fanden NEWTON und MEARNS (1988), daß die durchschnittlichen Abstände zwischen Geburtsort und erstem Brutplatz bei d'e nur 20 km, bei 99 68 km sind. In Baden-Württemberg sind bei generell dichterer Besiedlung diese Werte für beide Geschlechter nach bisherigem Kenntnisstand deutlich geringer. 3. Die Populationen umliegender Regionen waren entweder total (nördlich und östlich) oder nahezu vollständig (Vogesen, Schweiz) zusammengebrochen.

Ab 1975 starteten wir mit dem langfristig erfolgreichsten Programm: dem Bau von Kunst- horsten und der Verbesserung vorhandener Brutnischen (Besser: wir setzen diese Methoden jetzt flächendeckend ein.). Hierdurch wurde die Besiedlung völlig neuer Lebensräume ermög- licht: Hochlagen des Schwarzwaldes, Steinbrüche, Gebäude (HEPP 1982). Die ab 1978 verstärkt einsetzende Abwehr von Mardern und insbesondere Zecken (SCHIL- LI NG, BÖTTCHER &WALTER 1981) und - soweit überhaupt möglich - Konfliktvermeidung mit dem Uhu und neuerdings ganz massiv mit den Kletterern taten ein übriges.

In Phase 3 expandierte der Bestand auf ein Niveau, das höher liegt als vermutlich jedes vormals erreichte Niveau - und weiter steigt, weil u.a. der Lebensraum „Stadt" besiedelt wird. Parallel mit der Brutpaarerhöhung stiegen Schlupf- und Ausflugerfolg von 20-25 Jungfalken pro Jahr auf über 300 in 1991 (Fig. 2). In ungestörten Populationen liegt der durchschnittliche Ausflugerfolg pro erfolgreichem Paar bei ca. 2,60. Fig. 3 zeigt deutlich, daß bei drei hier untersuchten Populationen im Zeitraum 1956 -1975 z.T. erhebliche Einbrüche stattfanden. Hier spielt zweifellos die Anwendung persi- stierender Pestizide in der Landwirtschaft hinein. Mehrere Fakten sind bemerkenswert: Die Populationen Großbritanniens erreichten bis ca. 30% geringere Erfolgsquoten in allerdings ausgedünntem Bestand (RATCLIFFE 1980). Ab 1966 -1976 stiegen die Werte wieder an. Im gleichen Zeitraum bis 1965 hatte sich diese Population (der Britischen Inseln) halbiert. Im französischen Jura (MONNERET 1988) verringerte sich die Populationsgröße bei sehr geringen Ausflugerfolgen 1961 - 1975. Erst ab 1974/75 stieg bei allerdings immer noch relativ geringer Erfolgsquote (2,13 Junge/erfolgreichem Paar) der Bestand überraschend schnell. Man sieht weiter, daß die Population Baden-Württembergs bzgl. Bruterfolg/erfolgreichem Paar relativ den geringsten Einbruch zeigte und am schnellsten wieder das Vorkriegsniveau erreichte. Hierbei haben sicherlich auch unsere Optimierungsmaßnahmen an Horsten mitge- holfen. So wundert es nicht, daß die Geschwindigkeit der Rückbesiedlung in Baden-Württemberg deutlich höher als die anderer Populationen Mittel- und Westeuropas war. Die Entwicklung in der Schweiz (JUILLARD 1988) war nach Einschätzung von mit den dortigen Gegebenheiten vertrauten Kennern nicht ganz so steil, wie hier angegeben, weil der für 1970 vermutete Nullbe- stand heute nicht mehr aufrechterhalten werden kann (Fig. 4). An der Rückbesiedlung der Felsgebiete in der ehemaligen DDR sind nahezu ausschließlich ausgewilderte Falken aus dem Zuchtprogramm des DFO beteiligt. Die Fitness dieser Tiere ist 210 anscheinend ohne Unterschiede zu der ursprünglichen Wildpopulation. Die Besiedlung begann an den ehemals letztbeflogenen Felsen der 1. Kategorie, den sog. Alpha-Plätzen. Sie ist umfangreich dokumentiert (KLEINSTÄUBER 1987, SAAR et al. 1982).

Fig. 1 und 2 gaben schon durch die unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten der Brutpaarzahlen und der Zahl der ausgeflogenen Jungen einen Hinweis darauf, daß sich nicht nur neue Paare ansiedelten, sondern die Verlustursachen deutlich minimiert werden konnten.

Wir starteten 1965 -1970 bei ca. 40% Erfolgsquote. Sie lag in den Jahren 1990 - 91 bei ca. 65 0/0. Das bedeutet, daß ca. 50 0/0Jungfalken/vorhandenem Paar mehr zum Ausfliegen kamen als vorher. Ein weiterer, sehr wertvoller Beitrag unserer Schutzarbeit (Fig. 5).

Gleichzeitig zeigte sich ab 1980- 85 ein struktureller Bruch, indem der bis dahin ausschließ- lich an Naturfelsen brütende Wanderfalke zunehmend Steinbrüche und Gebäude besiedelte. Nachdem sich erstmals 1986 ansiedlungswillige Falken an Gebäuden festgesetzt hatten, unterstützten wir nach zunächst konträrer Diskussion diese Tendenz durch Anbringen von Kunsthorsten. Es wurde sofort ein durchschlagender Erfolg. Städte und Industriebauten sind unter gewissen Umständen für den Wanderfalken geeignete Lebensräume mit meist hervor- ragender Nahrungsbasis. Wir sind im Moment dabei, am Niederrhein eine komplette Indu- striepopulation aufzubauen. Bei der bekannt geringen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Wanderfalken sehen wir hier eine Möglichkeit, über Trittstein-Bildung noch verwaiste Fels- biotope zurückzubesiedeln. Dort benötigen wir die Falken am dringendsten, um aktiven Natur-/Biotopschutz für komplexe Lebensgemeinschaften betreiben zu können. Ein Kühlturm kann zwar für den Wanderfalken interessant sein, als Naturdenkmal oder als Naturschutz- gebiet ist er denkbar ungeeignet (Fig. 6). Trotz permanent steigenderAusflugzahlen ist es uns bis heute gelungen, immer mehr als 86 0/0 des gesamten Jahrgangs zu beringen (Fig. 7).

Wir verwenden hierbei Ringkombinationen aus farbeloxierten Vogelwartenringen und SOS- Ringen mit eingestanzter Telefonnummer für erste Hilfemaßnahmen bei Lebendfunden. Seit einigen Jahren werden gleiche Farben für beide Ringe verwendet, um Überschneidungen mit anderen Beringungsprogrammen zu vermeiden. Eine 100%ige Beringung ist aus mehreren Gründen nicht möglich. Es gibt Horstplätze, die äußerst schwierig erstiegen werden können. Es gibt Plätze, wo der Ausflugerfolg zeitlich zu spät festgestellt wurde und manch andere Gründe. An einer erst in den letzten Jahren neu etablierten Population in Steinbrüchen und an Gebäuden im mittleren Neckarland lieferte eine Spezialberingung (zwei farbgleiche Ringe übereinander am gleichen Fuß) interessante Ergebnisse, die die vorher gemachten Erläute- rungen über Dispersionsmechanismen bestätigen. Ausgehend von einer Gründerpopulation aus einem Steinbruch (Keimzelle) 1986 wurden zahlreiche Sekundärbiotope im Umfeld besiedelt. Hierbei waren ausschließlich spezialberingte Terzel beteiligt, während die ange- paarten Weibchen normal oder unberingt waren. In der weiter entfernten Schwäbischen Alb wurden solche Terzel nicht angetroffen, die Weibchen haben wir bisher gleichfalls woanders nicht sicher nachweisen können. Obwohl Prägung auf den hier vorgefundenen Biotop nicht ganz ausgeschlossen werden kann (sie sollte dann allerdings auch Weibchen betreffen), stehen die Ergebnisse in völliger Übereinstimmung mit den von NEWTON & MEAR NS (1988) erarbeiteten Resultaten in Schott- land über eine ausgeprägte Philopatrie. Pioniere bei Erstansiedlungen im Niemandsland, also weit ab zur geschlossenen Verbreitung, sind aus den angeführten Gründen überwiegend 99. Beim Eleonorenfalken ist diese Philopatrie ins Extrem gesteigert. 211

Brutpaare des Wanderfalken, 1965 - 1991 AGW (Baden-Württemberg)

200 Populationsentwicklung

Phase 1: 150 Rückgang Zusammenbruch

.-c- CO ZFJ 100

Stagnation Stabirsierung 50 - Verjüngung

A Start: Kontrolle natürl. Verlustursachen A Start: Horstbewachung A Start: Kunsthorstbau

Jahre 1950 1965 1970 1975 1980 1985 1990II

Fig. 1

Ausgeflogene Junge pro Jahr, 1965 - 1991 AGW (Baden-Württemberg)

Entwicklung des Bruterfolges

300

250 e

Jung 200 ne e

flog 150 e sg

au 100

50

1965 1970 1975 1980 1985 1990 Jahre

Fig. 2

212 AGW Ausgeflogene Junge / erfolgreichem Paar (1930 - 1991)

0 O 2,80

2,60 -2 • 2,40 0 2,20

2, 2,00 bP▪ 0 1,80

< 1,60

1,40 1930 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 -1940 -1960 -1965 -1970 -1975 -1980 -1985 -1991 Perioden (Jahre) Fig. 3

Wiederkehr des Wanderfalken AGW in West- und Mitteleuropa

120

100 n io t la

u Großbritannien

op 80 sp ieg kr

r 60 Vo der t 40 Ostdeutschlan (Felsen) Prozen 20

Jahre 1965 1970 1975 1980 1985 1990

Fig. 4

213 AGW Bruterfolge in Baden-Württemberg

64,6

56,9

Paare 54,8

he 60 ic

re 45,4 lg fo er ht

ic 40 / n he ic re lg fo 20 il er te tan n Proze 1975 - 1979 1980 - 1984 1985 - 1989 1990 - 1991

Periode (Jahre)

Fig. 5

AGW Besiedlung neuer Bruthabitate in Baden-Württemberg

100 al Gebäude Steinbrüche

Felswände

100%

80%

60%

40%

Felswände 20% Steinbrüche

Gebäude 0% 1975 1985 1986 1987 1988 1989 Jahre Fig. 6

214 AGW Beringungen: Anteil farbberingter Nestlinge von Gesamt

10 beringt ■ unberingt 308 300

250

200

150

100

1988 1989 1990 1991

Fig. 7

AGW Wanderfalken in Baden-Württemberg: Ringablesungen bei Brutvögeln

AGW-Farbberingungen % A unberingt Mn andere als AGW-Ringe

169 169 159

150 MIM OEM 106 124

84

50

rd 18 0 1988 1989 1990 1991

Fig. 8

215 Leider gelingt es nicht, alle Brutvögel eines Jahrgangs auf Ringe abzulesen. Immerhin schafften wir es bei bis zu 170 Falken pro Jahr, von denen ca. 20 0/0 unberingt waren und nur ein sehr kleiner Teil Fremdberingungen trugen. In 1991 waren es z. B. drei Weibchen (einmal DFO, zweimal Schweizer Vögel). Der Anteil unberingter Falken liegt geringfügig höher als die von uns nicht beringten 12-14%. Wir werten es bei jetzt besiedelten Nachbargebieten z.T. als Zuwanderung, besonders bei älteren Vögeln können Ringe verloren gegangen sein, vielleicht entstammt ein allerdings sehr geringer Teil auch aus von uns nicht entdeckten Bruten inner- halb des Landes (Fig. 8). Bis 1991 wurden über 2.000 Falken durch die AGW beringt, wobei 170 Rückmeldungen erzielt wurden (Stand Juli 1991). Eine Auswertung des Gesamtmaterials incl. Nahrungsanalysen über mehr als 11.000 Beuteresten der Population Baden-Württembergs bleibt einer Publika- tion vorbehalten, die D. ROCKENBAUCH demnächst vorlegen wird.

Die von uns durchgeführte Schutzarbeit in Baden-Württemberg war und ist von grundsätz- licher Bedeutung für das Überleben des Wanderfalken in Mitteleuropa. Die Population war über 30 Jahre und selbst in den schweren Jahren um 1965 die individuenstärkste Teilpopula- tion in Deutschland. Kein Bundesland besitzt heute eine dichtere Besiedlung. Insofern werden Rückbesiedlungen benachbarter und entfernter Regionen von dieser „Quelle" mitgespeist, wie schon viele erfolgreich verpaarte Falken in Rheinland-Pfalz, der Schweiz, den Vogesen, in Franken und im Mainviereck, im Moselbereich und entlang des Rheines bis nach Köln beweisen.

Ein so aufwendiges Programm kann nur von einer großen Gemeinschaft Gleichgesinnter verwirklicht werden. Stellvertretend für einige Hundert am Schutzprogramm beteiligter Personen möchte ich an dieser Stelle einige Namen nennen, die besonders herausragende Beiträge geliefert haben.

Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz AGW in Baden-Württemberg

FICHT, B. NICKOLAUS, H. HENNIG, V. ROCKENBAUCH, D. HELLER, M. ROEBEL, K. HEPP, K. SCHILLING, F. KERSTING, G. WALLISER, H. LOEFFLER, H. WASSER, H. LUEHL, R. WEGNER, P.

Fig. 9 216 Literatur BRÜCHER, H. & P. WEGNER (1988): Artificial eyrie management and the protection of the Peregrine Falcon in West Germany.-In: Peregrine Falcon Populations.Their management and recovery. - Boise: 637- 641. HEPP, K. (1982): Kunsthorstbauten für Wanderfalken in Baden-Württemberg. Veröff. Natur- schutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 55/56: 23 -36.

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RATCLIFFE, D. (1980): The Peregrine Falcon. - Poyser. Calton.

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Anschrift des Verfassers: Dr. PETER WEGNER, Geibelstraße 3, 5090 Leverkusen 1

217 Neue Literatur

ERLEMANN, P. &W. SCHLÄFER (1992): Verzeichnis der Vögel von Stadt und Kreis Offenbach. - herausgegeben vom Arbeitskreis „Rodgau und Dreieich" der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. - Obertshausen 1992. - 140 Seiten, 23 farbige Abbildungen, 6 Themenkarten und 30 Raster-Verbreitungskarten.-Zu beziehen durch: Peter Erlemann, Gräfenwaldstr. 30, 6053 Obertshausen.

Anläßlich seines 25-jährigen Bestehens hat der Arbeitskreis „Rodgau und Dreieich" als Ergebnis planmäßiger Beobachtungstätigkeit und Naturschutzwirkens eine Kreisavifauna vorgelegt. Darin haben die Verfasser in Form eines gedrängt erläuterten Verzeichnisses den aktuellen Stand der Kenntnis über die dort brütenden, durchziehenden und rastenden Vögel zusammengestellt. So sichern sie die gute Tradition, daß dieser Raum seit jeher zu den orni- thologisch besser erforschten Landesteilen Hessens zählt. Im Vergleich zu dem in seinem systematischen Teil ähnlichen „Verzeichnis der Vögel Hessens" (1985) enthält vorliegende Arbeit ausführlichere allgemeine Abschnitte: Erforschungsgeschichte, Gebietsbeschreibung sowie aussagekräftige farbige Abbildungen und verschiedene Karten (Seite 10 - 47). Es erstaunt, wie reichhaltig die Vogelwelt trotz der Lage inmitten des Rhein-Main-Ballungs- gebietes (noch) ist: Beispielsweise wird der Ziegenmelker als regelmäßiger Brutvogel verzeichnet und tauchen Rauhfußkauz, Wiedehopf und Ortolan zumindest unregelmäßig zum Brüten auf. Dennoch signalisiert etwa die Tatsache des Verschwindens von 12 Brutvogelarten seit 1968 die erwartungsgemäß bestehende Gefährdung. Andererseits weisen die Bemü- hungen des Arbeitskreises um den Erhalt naturnaher Lebensstätten Erfolge in Form von 21 rechtskräftigen und fünf einstweilig sichergestellten Naturschutzgebieten (etwa 10 km2) auf. Da das Ergebnis von Naturschutzbestrebungen nicht zuletzt durch administrative Gesichts- punkte und Maßstäbe geprägt wird, haben die Erfassung von Tier- und Pflanzenarten oder die Erstellung roter Listen auf Kreisebene ihre große Bedeutung und sind daher in hohem Maße wünschenswert. Denn dort ist der Sitz der unteren Naturschutzbehörde, dort deren Zustän- digkeitsbereich, und dort muß Handlungsbedarf erkennbar- und vor allem gehandelt werden. Stadt und Kreis Offensbach haben mit der Förderung des hier besprochenen Werkes ein gutes Beispiel gegeben. H.-J. BOHR

218 ND CS) Abb. 1 Weiblicher Wanderfalke im Alterskleid Abb. 2 Die auszuwildernden Jungfalken erhalten neben dem Vogelwartenring auch einen mit dem Spektiv ablesbaren Kennring 12 Abb. 3 Die gezüchteten Jungfalken werden zur Adoption in die Horstwand gezogen Abb. 4 Einsetzen eines Jungfalken; die zugesetzten Jungen werden von den Adoptiv-Eltern akzeptiert N, c,..) Abb. 5 Die Jungfalken im Auswilderungskasten werden durch ein Rohr gefüttert, um jeden Kontakt mit Menschen zu vermeiden Die ausgewilderten Jungfalken kehren bis zur völligen Selbständigkeit zur Futteraufnahme in den Kasten zurück

Abb. 6

Am Frankfurter Fernmeldeturm wurde eine Lüftungsöffnung in 160 m Höhe falkengerecht ausgebaut ausgebaut falkengerecht Höhe m 160 in Lüftungsöffnung eine wurde Fernmeldeturm Frankfurter Am

Abb. 7 7 Abb.

01 01 Abb. 8 Die Jungvögel einer Wildbrut bei ihren Flugspielen; die Altvögel stammen aus dem Auswilderungsprogramm Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 227- 230 (1993)

Möglichkeiten und Methoden zum Wiederaufbau einer baumbrütenden Wanderfalkenpopulation durch gezielte Auswilderungsmaßnahmen von GÜNTHER TROMM ER, Lasocice

Als der Wanderfalke in den 70er Jahren, vor allem durch chemische Umweltgifte, an seinem Tiefpunkt angelangt war, bemühten sich einige Mitglieder aus den Reihen des Deutschen Falkenordens (DFO), den Wanderfalken durch intensive Zucht zu vermehren. Neben den konservierenden Schutz- und Bewachungsmaßnahmen der Restpopulation in SW-Deutsch- land durch engagierte Wanderfalkenschutzorganisationen konnten wir 1977 - also vor 16 Jahren -schon mit den ersten Auswilderungen gezüchteterWanderfalken beginnen, und zwar zuerst mit der wenig aufwendigen und eigentlich besten Methode, der Adoptionsmethode. Das war damals in Nordbayern und Südhessen bei einigen kaum noch reproduzierenden Paaren möglich. 1978 begannen wir dann mit den Auswilderungen in Nord-Hessen, und zwar mit Hilfe der Kunsthorst- und Wildflugmethode. Wir bauten diese initiativen Maßnahmen vor allem in Hessen, Nordbayern und im Raum Berlin verstärkt im Laufe der 80er Jahre aus, und keiner wagte damals zu hoffen, daß schon innerhalb eines Jahrzehnts auch die Auswilderungen zu einem sensationellen Erfolg führten. Es wurden sogar neue Teilpopulationen gegründet, vor allem nördlich der Mainlinie, die bis heute von selbst reproduzieren. Es sei hier nochmals allen gedankt, die zu diesem Erfolg beitrugen! Sowohl die konservierenden als auch die initiativen Erhaltungsmaßnahmen durch engagierte Vogelschützer, Jäger und Falkner führten dazu, daß sich der Wanderfalke in seinem Bestand erholte und wir heute in Deutschland wieder über 200 Paare verzeichnen können. Wer aber nun behauptet, der Wanderfalke sei durch allmähliche Erholung im Mittelgebirgs- raum Europas in seinem Bestand gerettet, der irrt sich. Allein die ehemals über 1000 Paare umfassende Baumbrüterpopulation des mittel- und osteuropäischen Tieflandes von den Niederlanden über die norddeutsche und polnische Tiefebene bis nach Westsibirien gilt immer noch als weitgehend ausgestorben. Daß gerade sie total zusammengebrochen ist, liegt wahrscheinlich daran, daß gerade in diesen Gebieten mit ihren riesigen Wald- und Agrarflächen der Einsatz von chlorierten Kohlenwasserstoffen als Schädlingsbekämpfungsmittel, die für den Wanderfalken die ent- scheidenden, verheerenden Folgen hatten, in den 50er bis zu den 70er Jahren intensiver und flächendeckender war, als im Mittelgebirgs- und Gebirgsraum. In der ehemaligen DDR, Polen und in Westrußland ging die Anwendung dieser Pestizide sogar bis in die 80er Jahre. Ein spontaner Übergang von fels- oder gebäudebrütenden Wanderfalken zur Baumbrut wird wohl eine Ausnahme sein. Bis heute konnte mir auch noch niemand sagen - und ich konnte darüber auch nichts in der einschlägigen Literatur finden -, ob sich früher Baumbrüter mit Felsbrütern verpaart haben oder umgekehrt. Wenn die Baumbrüter eine eigene, getrennte Population darstellten, aber dieses Brutverhalten nicht genetisch fixiert war, muß es auf Prägung und Tradition beruhen. Sollte dies so sein, so 227 dürfte es in Zukunft nicht schwer sein,wieder Baumbrüter anzusiedeln, nämlich durch gezielte Auswilderung in Baumbrüterhabitaten. Daß eine gewisse Prägung auf den Horstplatz stattfindet, haben wir durch Gebäudeauswilde- rungen erfahren. Viele an Gebäuden ausgewilderte Falken haben sich später auch wieder Gebäude als Horstplatz ausgesucht. Während unseres mittlerweile 16jährigen Auswilderungsprogrammes haben wir in den letzten Jahren schon Versuche unternommen, in Deutschland und auch in Polen bezüglich der Baum- brüter vermehrt in künstlichen Baumhorsten auszubürgern. Die verschiedenen Methoden möchte ich hierzu vorstellen: Die intraspezif ische Adoption ist leider nicht mehr möglich, da wir keine baumbrü- tenden Wanderfalken mehr kennen. Die in te r s p ez ifische Adoption, d. h. mit fremd- artigen Greifvögeln, ist grundsätzlich möglich, doch bei allen sind gewisse Risiken zu beachten. Bei allen Fremdadoptionen sind alle arteigenen Jungvögel derAdoptiveltern aus dem Horst zu nehmen und durch etwa gleichaltrige, auf jeden Fall noch im Dunenkleid befindliche junge Wanderfalken zu ersetzen. Die Jungen der Adoptiveltern sind dadurch keineswegs für die Natur verloren, man kann sie auf andere Horste der gleichen Art verteilen. Bei allen bis jetzt durchgeführten Fremdadoptionen (Crossfostering) wurden jedesmal die jungen Wander- falken angenommen. Von der Horstplattform, aber auch von der Habitatstruktur und Nahrungsamplitude her eignet sich für die Baumauswilderung am besten der Habicht (Accipiter gentilis). Er zieht die jungen Wanderfalken genau so auf wie seine eigenen Jungen. Auch in der Bettelflugperiode gibt es keine Probleme, da er-wie ich mehrmals beobachten konnte - auch die Beute im Flug über- gibt. Das Risiko beim Habicht könnte nur darin bestehen, daß die so ausgewilderten Wanderfalken später anderen Habichten gegenüber kein Feind- und somit Fluchtverhalten mehr zeigen. Diese Frage ist ungeklärt. Es ist aber wahrscheinlich, da Wanderfalken -wie andere Greifvögel auch - aggressives Angriffsverhalten, selbst untereinander, rechtzeitig erkennen und darauf instinktiv richtig reagieren. Als zweite Greifvogelart haben wir für das sog. Crossfostering auch noch den Mäusebussard (Buteo buteo) in drei Fällen getestet. In einem Fall verendeten die beiden Jungfalken, weil sie zu klein in den Bussardhorst gesetzt und von den Bussarden nicht mehr gehudert wurden und bei einem Regenschauer unterkühlten.

In den beiden anderen Fällen handelte es sich jeweils um das gleiche Paar, bei dem der weibliche Vogel ein von Menschenhand aufgezogener Bussard war. Er hatte die Eigenart nicht abgelegt, ausgelegte Atzung (auch Tauben und Küken) aufzunehmen und den Jungfalken zu bringen. Somit konnte einigermaßen artspezifisch gefüttert werden. DieJungfalken flogen aus und wurden selbständig. Ob sich noch andere Greifvogelarten für das Crossfostering eignen, z. B. Rotmilan (Milvus milvus), Sperber (Accipiter nisus) oder Baumfalke (Falco subbuteo), müßte getestet werden. Es liegen hierüber noch keine Erfahrungen vor, und man müßte darüber diskutieren.

Nun zur Kunsthorstmethode: Prof. SAAR hat schon vor Jahren einen recht geräumigen und guten Baum-Kunsthorst-Käfig entwickelt. Der Mechanismus und die Bedienung wurde schon an anderer Stelle beschrieben. 228 Er wurde schon mehrmals an verschiedenen Auswilderungsplätzen im ehemaligen Baumbrü- terareal erprobt. Er hat sich hervorragend bewährt, nur müssen einige Probleme, die bei dieser Methode auftreten können, beachtet werden: 1. Der Kunsthorst sollte am besten in einem lichten, gut übersichtlichen Altkiefernbestand ohne Unterholz nahe einer Waldlichtung mit noch einzelnen stehengelassenen Überhäl- tern angebracht werden, damit die Jungfalken einen guten Überblick haben und sich später beim Freiflug auch besser orientieren können. 2. Wenn eine Videokamera zur Überwachung des Horstes nicht angebracht werden kann, genügt eine Höhe des Kunsthorstes von 5 - 8 m, um die Jungfalken aus einer gewissen Entfernung besser beobachten zu können. 3. Die Jungfalken müssen beim Freilassen schon völlig flugfähig sein, damit sie keine Bruchlandung auf dem Waldboden machen. Das beste Alter ist 45 Tage. 4. Bei der Baum-Kunsthorst-Methode im Wald, wo ja die Jungfalken ohne bewachende Elternvögel aufwachsen, ist der Habicht eine große Gefahr. Wir haben schon einige freiflie- gende Jungfalken dadurch verloren. Zu dieser Problematik wurde sogar im Frühjahr dieses Jahres mit Experten, die zum Teil auch heute unter uns sind, ein Symposium abge- halten mit folgendem Ergebnis und Vorschlägen: 4.1. Die Auswilderungsplätze sollten im tiefsten Inneren großer Waldungen gewählt werden, also an Stellen, die in der Regel nicht zum Brut- oder Jagdareal des Habichts gehören, aber früher das Bruthabitat der baumbrütenden Wanderfalken waren. 4.2. Es sollten fast ausschließlich Jungfalken von Erstgelegen im Baumbrüterareal zur Auswilderung kommen, um zu gewährleisten, daß die Jungfalken schon gut beflogen, vielleicht schon selbständig sind, bevor die weiblichen Althabichte sich an der Futter- beschaffung ihrer Jungen beteiligen und bevor die Junghabichte ihre ersten Beuteausflüge machen.

Welche Möglichkeiten bieten sich uns noch für die Prägung auf Baumhorste an? Aus der Lite- ratur ist bekannt, daß baumbrütende Wanderfalken bei Mangel an Horstunterlagen auch manchmal auf Jagdkanzeln ausgewichen sind. KIR MSE erwähnt auch in einer seiner Arbeiten die Feuerwachtürme in den großen Kiefernforsten des ehemaligen Baumbrüterareals, die man sich als Nisthilfe von intermediärem Fels-Baum-Schema denken könnte.

Auf einem solchen Feuerwachturm haben wir in Polen im Jahr 1991 mit bestem Erfolg erstmals drei Jungfalken ausgewildert. Der Kunsthorst wurde ähnlich dem eines Fischadlers (Pandion haliaetus) oben auf der Plattform des Turmes angebracht, so daß die Jungfalken dadurch eine optimale Orientierung hatten. Die ausgeflogenen Falken hielten sich später nur innerhalb der Waldregion auf und nicht auf dem Turm. Jagdkanzeln oder ähnlich gebaute Gestelle an oder auf Waldlichtungen im Baum- brüterareal wären sicher auch eine gute Möglichkeit, um dort Kunsthorste anzubringen. Man hätte es da auch leichter mit der Fütterung und Kontrolle der auszuwildernden Jungfalken. Voraussetzung ist hierbei natürlich eine durchgehende Bewachung des Horstplatzes bis zum Freilassen der Jungfalken. Wenn man die ganzen Hilfsmaßnahmen, also auch die Auswilderungsmöglichkeiten zum Wiederaufbau einer baumbrütende Wanderfalkenpopulation, überblickt, muß man feststellen, daß wir noch in einer gewissen Experimentierphase stecken. Wir können auf jeden Fall feststellen: Eine Prägung sowohl auf die Horstunterlage als auch auf das Habitat ist möglich. Wir haben das z. B. bei gezielten Auswilderungen auf Gebäuden inner- 229 halb von Städten erfahren. Da es im Flachland des ehemaligen Baumbrüterareals keine herausragenden, dominanten Konzentrationspunkte, wie bei den Felsbrütern die sog. „Alpha- felsen" gibt, haben es später die partnersuchenden Falken natürlich schwerer. Deshalb hat KIR MSE wieder recht, wenn er sagt: „Es ist bei Baumbrütern kaum möglich, wenige verstreute und wechselnde Brutansiedlungen in der ersten Phase der Rückbesiedlung rechtzeitig und vollständig zu erfassen. Die Stützung dieses fraglichen Erholungsprozesses durch Auswilde- rung ist prinzipiell möglich. Dabei muß aber beachtet werden, daß die Auswilderung im Zentrum des Baumbrüterareals weit entfernt vom Felsbrüterareal erfolgt!" D.h. also: wir sollten konzentriert im Norden von Schleswig-Holstein, in der Mark Branden- burg, der Mecklenburgischen Seenplatte und im Flachland Polens auswildern, dort, wo auch die letzten Baumbrüter vorgekommen sind. Wenn wir das Ziel - baumbrütende Wanderfalken - bald erreichen wollen, so genügt es nicht, wenn wir nur an wenigen Stellen jährlich nur 10 - 20 gezüchtete Jungfalken auswildern. Es sollten schon jährlich 50 - 70 sein. Das wäre machbar. Deshalb möchte ich an dieser Stelle zum Abschluß meiner Ausführungen einen Vorschlag zur Diskussion stellen, der bei extremen Wanderfalkenschützern sicher auf Widerstand stößt, aber sachlich betrachtet ohne Nachteil für freilebende Wanderfalkenbestände durchführbar wäre: Auf den britischen Inseln brüten wieder über 15 0 0 Paare Wanderfalken (Falco peregrinus) mehr, als je zuvor. Es würde keineswegs der dortigen Population schaden, wenn man aus ca.100 Horsten je 1- 2 Junge vor dem Prägungsalter entnehmen würde. Das wären im Jahr 100 -150 Jungfalken, die in Gruppen von Fachleuten aufgezogen und zusätzlich zu den gezüchteten Falken im ehemaligen Baumbrüterareal gezielt ausgewildert werden müßten. Das sollte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren durchgeführt werden. Eine solche Aktion bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und guter Organisation. Sie sollte von den zuständigen Behörden, von qualifiziertem Fachpersonal und Wanderfalkenschutzverbänden (WAG) über- wacht, begleitet und durchgeführt werden. Wenn man ein derartig effektives Projekt durchor- ganisieren würde, könnte man gewiß schon in 3 - 4 Jahren sagen, ob es wieder baumbrütende Wanderfalken geben wird. Ich persönlich bin davon überzeugt. Es wäre übrigens nicht das erste solche Projekt, das man mit einer ausgestorbenen Greif- vogelpopulation durchführen würde. Der Seeadler (Hailaetus albicilla) z. B. war auf den Britischen Inseln 1918 ausgerottet worden. Man wollte ihn in Schottland wieder heimisch machen. Von 1960 -1985 wurden dort jährlich 5 -10 junge Seeadler ausgewildert, die aus Horsten in Norwegen entnommen worden waren. Bis 1985 wurden über 80 Adler in Schottland freigelassen. Seit 1983 horstet diese Greifvogelart dort wieder, und 1989 konnten zwölf horstende Seeadlerpaare registriert werden. Die WAG berichtete in ihren Rundbriefen ausführlich über dieses erfolgreiche Projekt. Warum soll ein ähnliches Programm nicht für den baumbrütenden Wanderfalken durch- führbar sein? Wenn hier auf internationaler Ebene ein entsprechendes Programm sachlich und em oti o n sf re i erarbeitet und realisiert wird (wie wir es mit gezüchteten Falken schon vor drei Jahren begonnen haben), so werden wir gewiß in ein paar Jahren wieder baumbrütende Wanderfalken feststellen können.

Anschrift des Verfassers: Dr. GÜNTHER TROMMER, Lasocice 101, PL-64-114 Lasocice, Polen

230 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 231- 240 (1993)

Wiedereinbürgerung baumbrütender Wanderfalken durch erneute Traditionsbildung von WOLFGANG KI RMSE, Leipzig

1. Einleitung Die Wiedereinbürgerung von Wildtierarten in angestammte Gebiete, aus denen sie durch Verfolgung und/oder Habitatschwund verloren gingen, ist eine mögliche aber umstrittene Maßnahme. Die Gründe für die eingeschränkte Akzeptanz der Wiedereinbürgerung liegen zum einen in der Negativwirkung spektakulärer Vermarktung solcher Projekte und in der Alibi- funktion für private Haltung und Züchtung, zum anderen in der Gefahr blinden Aktionismus ohne Beachtung, ob die erforderlichen Bedingungen im Lebensraum - noch oder wieder - erfüllt sind. Falls sich diese Ablehnungsgründe ausschließen lassen, ist Wiedereinbürgerung vertretbar und notwendig, wenn - der Lebensraum eine Ansiedlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zuläßt und - spontane Wiederansiedlung gar nicht oder auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist. Diese beiden Voraussetzungen sollen speziell in bezug auf die Wiedereinbürgerung baum- brütender Wanderfalken erörtert werden.

2. Ausgangsbedingungen im europäischen Baumbrüterareal Vor dem Zusammenbruch der europäischen Wanderfalkenpopulationen und bis zum Erlöschen der Baumbrütervorkommen war die Existenz des Wanderfalken im Baumbrüter- areal durch folgende positive Lebensbedingungen gekennzeichnet: - Möglichkeit zur flächendeckenden Besiedlung mit einer Dichte, wie sie heute der des Schwarzmilans oder Wespenbussards im gleichen Gebiet etwa entspricht (s. Abb. 1); - Entfaltung im Lebensraum, Nahrungsangebot und Bruterfolg waren etwas günstiger als bei den Fetsbrütern in Mitteldeutschland, weil: • ein flächendeckendes Horstangebot in den Wäldern besteht, • dadurch bei Gelegeverlust bis zu zwei Nachgelege die Regel waren, • witterungsbedingte Brutverluste durch Spätschnee, Nebel und Horstversumpfung viel weniger oder gar nicht vorkommen und • das Nahrungsangebot im Flachland reichhaltiger ist hinsichtlich Individuen- und Arten- zahl gegenüber Gebirgsgegenden. Im europäischen Baumbrüterareal, das sich bis Südskandinavien, über das Baltikum und Westrußland bis zur Ukraine erstreckte (Abb. 2), und in dem eine Population von über 1000 Brutpaaren lebte - in Masuren allein ca. 200, in Ostdeutschland um 1930 ca. 400 bis 600 - verschwand der Wanderfalke im Zeitraum von 1955 bis 1975 praktisch vollständig. Einzelne Brutvorkommen sollen in Ostpolen, im Raum Witebsk und in der Pripjetebene der Ukraine überlebt haben. Dieser Zusammenbruch ereignete sich in erster Linie nachweislich infolge von Fortpflanzungsstörungen. Direkte Verfolgung hatte eine geringere Bedeutung als Rück- gangsursache als in vielen Felsbrütergebieten. Daß die Baumbrüter besonders stark von Fort- pflanzungsstörungen betroffen waren, hat seine Ursache in dem großflächigen, anhal- 231 tenden und hochdosierten Einsatz von Bioziden bei der im Flachland besonders intensiven land- und forstwirtschaftlichen Flächennutzung. Auch die Sperberpopulation erlosch weit- gehend im Flachland aus gleichem Grunde und im gleichen Zeitraum, und der Seeadler hatte in dieser Zeit eine starke Depression der Fortpflanzungsrate, die er u. a. aufgrund seiner indivi- duellen Langlebigkeit überstehen konnte.

3. Gegenwärtige Lebensbedingungen im Baumbrüterareal Daß die Ursachen des Rückgangs und Aussterbens zumindest abgeschwächt sind und wieder existenzfreundlichere Bedingungen bestehen, zeigt sich u. a. an der raschen Bestandserholung des Sperbers auch im Flachland und an der seit ca. 1978 ständig stei- genden Reproduktionsrate des Seeadlers. Als weiteres positives Kriterium ist die Ansiedlung und das erfolgreiche Brüten von Wanderfalken an Bauwerken in und um Berlin, also mitten im Baumbrüterareal, zu bewerten. Nahrungsmangel war nicht die Ursache für den Bestandszu- sammenbruch (siehe die Diskussion BAU MGART1985/86, KIR MSE &KLEINSTÄU BER 1987), und gegenwärtig gibt es in den Brutverläufen keine Hinweise auf Mangelversorgung. Das Angebot an geeigneten Brutmöglichkeiten, bei Felsbrütern der wichtigste bestands- begrenzende Faktor, ist gegenwärtig im Baumbrüterareal so gut wie nie zuvor infolge der Zunahme der See- und Fischadlerbestände und der Rückkehr und starken Populationsent- wicklung des Kolkraben zusätzlich zu den ebenfalls angewachsenen Populationen weiterer Horstbereiter des Wanderfalken wie Milanen, Bussarden und Graureihern. Von Seiten der Lebensbedingungen im Baumbrüterhabitat bestehen also alle Vorausset- zungen für eine Wiederbesiedlung durch den Wanderfalken, falls er in der Lage ist,von diesem Raum als Brutvogel wieder Besitz zu ergreifen. Das hat er in Form von Bruten an Bauwerken bereits vereinzelt getan, und man könnte die weitere Entwicklung abwarten, gäbe es nicht beim Wanderfalken eine Barriere bei der Neu- oder Wiederbesiedlung von Baumbrut- habitaten.

4. Traditionsbildung als Schlüssel zur Baumbrut Im allgemeinen wird selbst von Fachornithologen, die weniger mit der speziellen Brutökologie des Wanderfalken vertraut sind, die Meinung vertreten, Wanderfalken hätten die Verhaltens- potenz sowohl zur Fels-als auch zur Baumbrut, wie eine Reihe anderer Greifvogelarten auch, und die Baumbrut wäre nichts Besonderes. Die exklusive geographische Verteilung von Baumbruten einerseits und ihr geballtes Vorkommen in Gebieten mit etabliertem Baum- brüterbestand andererseits lehren dem aufmerksamen Beobachter etwas anderes. Zum Überblick und Vergleich zeigt Tabelle 1 eine Liste der prinzipiell möglichen Bruttypen bei Greifvögeln. Es gibt sowohl reine (fixierte) Felsbrüter als auch reine Baumbrüter, bei denen eine abweichende Nistweise bisher nicht beobachtet wurde. Andererseits sind viele Arten in der Lage, ganz unterschiedliche Nistweisen zu nutzen. Zu diesen „Ubiquisten" mit multipo- tenter genotypischer Disposition bezüglich der Nistweise gehören z. B. Turmfalke, Sakerfalke und Steinadler. Das Kriterium für die Zuordnung einer Art zu diesem Typ ist die Tatsache der Nutzung unterschiedlicher Nistweisen nach Maßgabe des jeweiligen Angebots im besiedel- baren Lebensraum. So nutzt z. B. der Steinadler in felsigen Regionen fast ausschließlich Fels- horststandorte, in stärker bewaldeten Gebieten überwiegend Baumhorststandorte, wobei das gleiche Paar zwischen beiden Nistweisen wechseln kann. Auf den Wanderfalken trifft dieses Kriterium nicht zu: Wälder mit Baumhorsten gibt es in riesigem Angebot im Vergleich zu der extrem seltenen und lokal stark eingeschränkten Nutzung dieser Brutgelegenheit durch den Wanderfalken. Solche Baumbrüterareale des Wanderfalken gab bzw. gibt es weltweit nur an wenigen Stellen. Die bedeutendsten sind: 232 Tabelle 1: Gruppierung von Typen der Nistweise bei Greifvögeln

Gittermast Gebäude Baum- Baum- Gruppe und Art (Baum - Boden Fels (Fels- nest höhle (wenige Beispiele) attrappe) attrappe)

Fixierte Baumbrüter: Sperber (Accipiter nisus) + Wespenbussard (Pernis apivorus) + Baumfalk (Falco subbuteo) + +

Ubiquisten: Turmfalk (Falco tinnunculus) + + + + + + Steinadler (Aquila chrysaetos) + + + Sakerfalk (Falco cherrug) + + + +

Fixierte Felsbrüter: Schmutzgeier (Neophron percnopterus) + Eleonorenfalk (Falco e/eonorae) + +

Traditionsgründer: Wanderfalk (Falco peregrinus) [+] [+] + + + Rotmilan (Mi/vus milvus) + [+]

Zeichenerklärung: + frei zugängliche Nistweise [+] nur über Traditionsbildung zugänglich

- das in Abb. 2 dargestellte europäische Baumbrüterareal, das ehemals größte überhaupt, ca. 1000-2000 Brutpaare, bis auf wenige Brutpaare erloschen (FISCHER 1977, ROT- BUCH der SU 1985. Handbuch der Vögel Mitteleuropas 1971),

- die Tiefebene im Südosten Australiens (Victoria-Mallee Region) mit einer Untergliederung in Baumnest- und Baumhöhlenbrüter, deren Gebiete getrennt liegen und die getrennte Traditionslinien darstellen: Baumnestbrüter 50-500, Baumhöhlenbrüter bis ca.100 Brut- paare (OLSEN 1982, OLSEN et al. 1988, WHITE et al. 1988) und eine Kette von bewaldeten, felsfreien Inseln an der Küste von Britisch Kolumbien/Kanada bis Südostalaska: ca. 30 Brutpaare (CAMPBELL et al. 1977, AMBROSE et al. 1988). 233 Abb. 1 Brutplatzverteilung baumbrütender Wanderfalken in Nordostdeutschland im Jahre 1960, also 10 Jahre vor dem Aussterben in diesem Gebiet. Nur ein Paar in Ostsachsen hielt sich bis 1976. Der 1960 noch vorhandene Bestand (72 Reviere) entspricht ca. <20% des Bestandes um 1930. Schraffiert: Baumbrütergebiet in Niedersachsen und Schleswig-Holstein ohne einzeln aufgeführte Brutplätze. Umgrenzung des Baumbrüterareals. 234 Abb. 2 Das ehemalige Areal baumbrütenderWanderfalken in Europa. Siedlungsd ichteunter- schiede sind durch verschiedene Punktdichte angedeutet. Die unterbrochene Grenz- linie bedeutet unbekannte (?) Ausdehnung des Areals nach Osten. In Skandinavien drangen Baumbrüter gruppenweise auch zwischen Fels- und Bodenbrüter ein.

235 Das Auftreten von Baumbruten des Wanderfalken ist durch folgende besonderen Merkmale gekennzeichnet:

1. Baumbruten sind nicht wie Felsbruten entsprechend dem jeweiligen Angebot der speziellen Nistgelegenheit verteilt, sondern Baumbruten sind extrem selten im Verhältnis zu den potentiell besiedelbaren Habitaten (ausgedehnte felsfreie bewaldete Gebiete mit Auflichtungen).

2. Dort, wo es zur Etablierung von Baumbruten in entsprechenden Habitaten einmal gekommen ist, entstehen geschlossene Populationen mit hoher Dichte. - Es handelt sich also nicht um eine ausgefallene und nur gelegentlich benutzte Nistweise, sondern das geballte Auftreten in wenigen umgrenzten Gebieten der Erde wäre dort ohne das Wirken von Traditionsbildung unerklärlich.

3. Baumbruten gibt es nicht als reguläre Erscheinung in dichter Nachbarschaft zu oder im Areal von Felsbrütern. Von Baumbrütern besiedelbare kontinentale felsfreie Waldgebiete müssen eine Ausdehnung von über 300 km im Durchmesser haben und sind im mittleren Abstand von ca. 100 km zum angrenzenden Felsbrütergebiet frei von Baumbruten. Ausnahmen: Bei Inseln kann die Flächengröße und der isolierende Abstand kleiner sein (Beispiel: Britisch Kolumbien). Eingesprengte Gruppen von Baumbruten zwischen verein- zelten Felsbruten gibt es höchstens bei unmittelbarer Nachbarschaft zu einer starken und ausgedehnten Baumbrüterpopulation, die „Nachschub" liefert (Beispiel: ehemals Süd- skandinavien).

4. Inmitten von Baumbrütern können aber im Gegensatz zur Feststellung unter 3. regulär vereinzelte und isolierte Felsbruten an Felsen oder hohen Bauwerken auftreten, die auch als Einzelfall beständig sein können (Beispiel: Stadtbruten an Kirchen in Berlin, Fels- bruten an der Kreideküste Rügens).

Diese besonderen Merkmale bedürfen einer Erklärung, d. h. die speziellen Phänomene müssen aus notwendigen und hinreichenden Annahmen herleitbar sein. Diese Annahmen sollen sich auf im Prinzip bekannte Vorgänge beziehen.

Im Folgenden wird nach dem Ausschlußverfahren die notwendige und hinreichende Voraus- setzung für alle mit der Baumbrut verbundenen besonderen Merkmale abgeleitet.

Zur besseren Überschaubarkeit seien folgende Symbole eingeführt:

F für Disposition zur Felsbrut, die erblich, also genotypisch bedingt ist (eingeschlossen abgeleitete Formen der Felsbrut wie Bruten an Bauwerken = „Felsattrappen" und am Boden).

B für Disposition zur Baumbrut, ebenfalls genotypisch bedingt (eingeschlossen Bruten an „Baumattrappen" wie Gittermasten).

[B] für durch Prägung erreichte, also individuell erworbene Disposition zur Baumbrut, die nicht genotypisch vererbt wird, sondern durch Traditionsbildung = generationsweise erneute Prägung als Nestling und Ästling: Phänotypische Modifikation der erblichen Disposition durch individuelle Früherfahrung. Das Symbol [B] steht hier für eine der beiden bekannten prägungsbedingten Dispositionen: Baumnest oder Baumhöhle.

Annahme 1: Beim Wanderfalken liegt F+B genotypisch in jedem Individuum vor: multi- potente genotypische Disposition. Folgerung: Dann müßten beim Wander- falken im gesamten Artareal Fels- und Baumbruten entsprechend dem Nist- 236 platzangebot im Lebensraum auftreten, wie bei anderen Arten dieses Typs („Ubiquisten" wie Turmfalke, Sakerfalke, Steinadler u. a.). Diese Annahme kann nicht Merkmal 1 des Auftretens von Baumbruten des Wanderfalken erklären und muß deshalb verworfen werden.

Annahme 2: Es liegt eine getrennte Veranlagung F/B vor, d. h. jedes Individuum hat nur jeweils eine der beiden Dispositionen, es gibt also erblich bedingte Veran- lagung zur Felsbrut oder Baumbrut. Folgerung: Die Art wäre in zwei Indivi- duengruppen gespalten, die nebeneinander im gleichen Lebensraum vorkommen können, wie im Fall der Annahme 1, aber sie wären genetisch gegeneinander isoliert und verhielten sich wie zwei getrennte Arten. Baum- brüter müßten dann in alle felsfreien Gebiete zwischen die Felsbrüter eindringen, weil sie die Disposition zur Baumbrut bei reinen Paarungen unter sich erhalten und weitergeben. Daswäre auch der Fall,wenn F/[B] vorläge, d. h., wenn die Disposition zur Baumbrut individuell durch Prägung erworben wird und damit zugleich die Disposition zur Felsbrut gelöscht wird. In beiden Fällen dürften die beobachtbaren Merkmale 1 und 3 nicht auftreten.Also muß auch die Annahme 2 verworfen werden.

Annahme 3: Es gibt Wanderfalken mit Disposition F (Felsbrüter) und andere mit Disposition F+[B] (Baumbrüter). Die Träger der Anlage F+[B] sind also nicht einseitig nur zur Baumbrut disponiert, sondern haben eine Verhaltenserweiterung bezüglich Nistplatzwahl erfahren: sie haben die Potenz sowohl zur Fels-wie zur Baumbrut.

Folgerung: Bei freier Vermischung aller Individuen geht die Disposition F+[B] allmählich verloren, weil der prägungsbedingte Anteil [B] nur bei Baumbruten tradiert wird, bei allen Felsbruten von Individuen mit F+[13]-Disposition aber den Nachkommen fehlt. Phänotypisch kann sich F+[B] also nur erhalten und ausbreiten, wenn die Träger dieser Disposition Baumbruten durchführen, d. h. in isolierten Baumbrüterarealen unter sich bleiben. Im Kontaktbereich zu Trägern von F tritt durch Mischpaarung und realisierte Felsbrut ein „Absaug- effekt" von Trägern F+[B] ein. Die Wahrscheinlichkeit einer Felsbrut ist bei Mischpaarung im Kontaktbereich größer als die einer Baumbrut.Aber prinzipiell kann ein Individuum der Disposition Fauch Nachkommen der Disposition F+[B] haben, wenn es an einer Baumbrut beteiligt ist. Diese Folgerungen entsprechen den beobachteten Merkmalen 1 bis 4. Damit ist Annahme 3 von den denkbaren Voraussetzungen die einzig akzeptable. Die Traditionsbildung ist also beim Wanderfalken - und bei wenigen anderen Arten - der Schlüssel zur Erschlie- ßung von Lebensräumen, die sonst als Brutgebiet nicht nutzbar wären!

Einwände gegen die hier getroffene Annahme einer Prägung auf Baumbrut und Prägungs- tradierung sind nur diskutabel, wenn sie die Merkmale 1 bis 4 von Baumbrüterpopulationen des Wanderfalken auf andere Weise plausibel erklären können und damit einen echten Meinungsstreit ermöglichen.

Eine Voraussetzung, daß sich die Anlage F+[B] erhalten kann, ist die Heimorientierung der brutreifen Individuen aufgrund ihrer Prägung auf die geographischen Koordinaten der Geburtsregion; ein Prägungsvorgang, der bei allen Arten existiert und von niemandem ange- zweifelt wird. Die Rückorientierung führt normalerweise in das passende Baumbrüterareal, wo die Wahl der Nistgelegenheit angebotsbedingt nur oder überwiegend entsprechend dem Anteil [B] in der Disposition F+[B] erfolgen kann. 237 Zum ursprünglichen Entstehen von spontanen Baumbruten gibt es nur eine belegbare Beobachtung: In der Geschichte der Ornithologie Großbritanniens ereignete sich ein von RATCLIFFE (1984) beschriebener Fall einer spontanen Baumbrut unter ausschließlichen Felsbruten auf der Insel, und es blieb bei einem Brutversuch. Auch aus anderen Gebieten des Artareals gibt es - meist unverbürgte - Nachrichten über spontane Baumbruten als Einzelfall inmitten von Felsbrutarealen. Die extreme Seltenheit und meist Einmaligkeit solcher Fälle kann nur den Schluß zulassen, daß die genotypische Disposiiton F die phänotypische Reali- sierung B in äußerst seltenen Fällen, gleichsam als Verhaltensmutation, zuläßt. Die Nach- kommen einer solchen erfolgreichen initialen Baumbrut haben dann prägungsbedingt eine zur Felsbrutdisposition wahrscheinlich gleichwertige Baumbrutdisposition. Aus dieser Start- bedingung kann sich eine Baumbrüterpopulation nur dann entwickeln, wenn im unmittel- baren Umfeld felsfreie Baumbruthabitate genügender Größe sich anbieten. Andernfalls erlischt diese Verhaltenserweiterung wieder sehr rasch infolge Absaugeffekt durch die umlie- genden Felsbrüter. Dies erklärt, weshalb bisher nur so wenige Baumbrüterareale sich etablieren konnten und macht die spontane Wieder- oder Neuentstehung von Baumbrüter- populationen sehr unwahrscheinlich.

5. Wiedereinbürgerung Aus dem vorangehenden Abschnitt ergibt sich die Notwendigkeit, Individuen des Disposi- tionstyps F+[BI durch frühzeitiges Einsetzen in Kunsthorste während der Nestlings- und Ästlingszeit auf Baumhorst im Baumbruthabitat zu prägen. Dies muß in einem entspre- chenden Projekt der Prägung und Auswilderung von in Gefangenschaft vermehrten Wander- falken der Nominatform, also durch vorübergehendes Eingreifen des Menschen geschehen, wenn es je wieder Baumbrüter im europäischen Baumbrüterareal geben soll. Wenn es über- haupt eine Unumgänglichkeit befristeten Eingreifens seitens des Menschen zur Wieder- einbürgerung einer Art gibt, dann nach Auffassung des Autors in diesem Falle traditions- bedingter Lebensraumerschließung, wenn die natürliche Tradition abgerissen ist. Skeptiker sollten bemerken, daß es z.Z. bereits mehr Gebäudebruten im Baumbrüterareal Deutschlands gibt (s. Abb. 3) als je zuvor während der vollen Blüte der Baumbrüterpopulation und damit das Auftreten erster Baumbruten nach üblicher Wahrscheinlichkeit längst über- fällig wäre. Die Barriere für einen natürlichen Übergang zur Baumbrut wird damit auch für den weniger Kundigen immer deutlicher. Einst war das Zahlenverhältnis Baumbrüter zu Felsbrüter im Osten Deutschlands wie 7 zu 1. Soll es bei 0 zu X verbleiben und müssen riesige Lebens- räume derArt im Osten Europas keine Heimat des Wanderfalken mehr sein? Habitaterhaltung ohne die hineingehörenden Arten ist ebenso unsinnig wie Aussiedlungen in nicht tragfähige Lebensräume. Die in solch einem Fall unbegründete puritanische Haltung von Naturschützern gegen vertretbare und notwendige Wiedereinbürgerungen schadet der Natur und dem Natur- schutz ebenso wie unsinnige Auswilderungen. Bedingung für eine erfolgversprechende Realisierung der Wiedereinbürgerung von Wander- falken ins Baumbrüterareal ist die geeignete geographische Lage und die Naturausstattung des Auswilderungsgebiets. Das Auswilderungsgebiet muß weit ab vom Felsbrüterareal inmitten des ehemaligen Baumbrütervorkommens liegen, damit die bei Brutreife heimorien- tierten ausgewilderten Falken nicht im Felsbrüterareal an vakanten Plätzen hängen bleiben, sondern ihr Heimzug bis tief ins Baumbrütergebiet führt. Die Landschaft soll ausgedehnte Waldungen mit Auflichtungen, größere Gewässer und offenes Acker- und Wiesengelände enthalten. Der spezielle Auswilderungsort sollte in einem Kiefernaltholz am Rande einer ausgedehnten Lichtung aber inmitten eines größeren Waldkomplexes liegen. Das entspricht der natürlichen Vorzugslage der ehemaligen Brutplätze (KIRMSE 1987) und vermindert die Gefahr durch den mehr in Randlagen von Wäldern jagenden Habicht für die ausgeflogenen Jungfalken. 238 Abb. 3 Die nach dem völligen Erlöschen der Wanderfalkenvorkommen in Ostdeutschland ab 1981 einsetzende erneute Bestandsentwicklung bis 1992. Symbole: Zuchtstationen, aus denen Falken stammen, die in Auswilderungs- stationen ® nach der Kunsthorstmethode freigelassen wurden bzw. werden. Auswilderungsstation zur Wiedereinbürgerung im Baumbrüterareal (seit 1990). • Felsbrutplatz, ♦ Brutplatz an Bauwerk. X Stellen im Baumbrütergebiet, wo in der Brutzeit wiederholt Wanderfalken gesichtet wurden, überwiegend Adulte; 0 wie X, aber mit anhaltender Bindung an Bauwerke. Von den mit 0 und X markierten Stellen stammen 2 Totfunde und 2 Verletztfunde, die Ringe der Auswilderungen trugen. 239 Detailliertere Angaben zu den bisherigen Auswilderungen im Baumbrutareal Ostdeutsch- lands und Polens und zu den Methoden sind in den Beiträgen von P. SOMMER und Dr. G. TROM M ER zu finden.

6. Literatur AMBROSE, R. E., R. J. RITCHIE, C. M. WHITE, P. F. SCHEMPF, T. SWEM & R. DITTRICK (1988): Changes in the Status of Peregrine Falcon Populations in Alaska. - In: Cade et al., S. 73 - 82. BAUMGART, W. (1985/86): Erörterungen zur Wanderfalkenfrage, Teil 1 bis 3. - Der Falke 32: 366-377; 402-412; 33: 18-27. CADE, T. J., J. H. ENDERSON, C. G. THELANDER & C. M. WHITE (1988): Peregrine Falcon Populations, Their Management and Recovery. -The Peregrine Fund, Inc., Boise Idaho. CAMPBELL, R.W., M. A. PAUL, M. S. RODWAY & H. R. CARTER (1977): Tree nesting Peregrine Falcons in British Columbia. - Condor 79: 500 - 501. FISCHER, W. (1977): Der Wanderfalke. - Neue Brehm-Bücherei 380, 4. Aufl., Wittenberg- Lutherstadt.

GLUTZ VON BLOTZH El M, U. N. (Hrsg.): Hand buch der Vögel Mitteleuropas. Band 4. - Frank- furt/M. 1971.

KIRMSE, W. (1987): Zur Habitatstruktur und brutökologischen Traditionsbildung bei baum- brütenden Wanderfalken (Falco peregrinus). -Populationsökologie Greifvogel- u. Eulen- arten 1 (1987): 99 -110. Wiss. Beitr. Univ. Halle 1987/14 (P 27).

KIRMSE,W. (1989): Zur Fixierung von Nistweisen bei Falken und ihre Bedeutung für die Areal- besiedlung. - Mitt. d. DDR-Sektion des IRV 1: 31-36. KIRMSE, W. & G. KLEINSTÄUBER (1987): Geriet der Wanderfalke in ein Energiedefizit? Teil 1 u. 2. - Der Falke 34: 318 - 323; 368 - 372. KIRMSE,W.&G.KLEINSTÄUBER (1991): Rückkehr des Wanderfalken ins europäische Baum- brüterareal - aus eigener Kraft? - Birds of Prey Bulletin Nr. 4, 41-50. NEWTON, I. (1979): Population Ecology of Raptors. - T & AD Poyser, Berkhamstedt.

OLSEN, P. D. (1982): Ecographic and temporal variation in the eggs and nests of the Peregrine, Falco Peregrinus, (Ayes: Falconidae) in Australia. - Austr. Wildl. Res. 9: 277 - 291. OLSEN, P. D. &J. OLSEN, (1988): Population trends, distribution, and status of the Peregrine Falcon in Australia. - In: Cade et al., S. 255 -274.

RATCLIFFE, D. A. (1984): Tree-nesting by Peregrines in Britain and Ireland. - Bird Study 31: 232 - 233.

Rotbuch der Sowjetunion. Band 1, Moskau 1985 (russisch). WHITE, C. M., S. G. PRUETT-JONES & W. B. EMISON (1981): The status and distribution of the Peregrine Falcon in Victoria, Australia. - Emu 80: 270 - 280.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. WOLFGANG KIRMSE, Am Bogen 43, 0-7030 Leipzig 240 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 241- 245 (1993)

Methoden bei der Baumauswilderung von Wanderfalken im Lande Brandenburg von PAUL SOMMER, Lychen

Die Mark Brandenburg war, gemeinsam mit den Masuren, das Dichtezentrum baumbrütender Wanderfalken in Europa, bevor die Art im Baumbrüterareal vollständig ausstarb.

Die Herren Prof. KIRMSE und Dr. TROMMER machten in vorangegangenen Beiträgen (s. S.231 und S.227) bereits umfangreiche Ausführungen zur Baumbrüterproblematik, so daß an dieser Stelle lediglich von den praktischen Erfahrungen mit der Kunsthorstmethode, welche in Brandenburg ausschließlich angewandt wird, berichtet werden soll. Der Arbeitskreis Wanderfalkenschutz e.V. (AWS) favorisierte diese Methode, da Wildbruten des Wanderfalken, die an eine Adoption gezüchteter Vögel denken ließen, vollständig fehlen. „Cross fostering", wie die Adoption durch artfremde Altvögel genannt wird, erschien uns mit einigen, bisher nicht ausgeräumten, Unsicherheiten behaftet.

Das Landesumweltamt Brandenburg finanzierte als Träger dieses Projekt bisher großzügig und sorgte auch für die personelle Absicherung. Trotzdem war immer wieder privater, unvergüteter Einsatz notwendig, wofür besonders A. LAUBNER, Berlin, herzlich gedankt sei. Möglich indessen wurde unsere Arbeit erst durch die freundschaftliche Hilfe von Dr. ALBRECHT, Nandlstadt, Dr. BOLL, Pforzheim und Prof. SAAR, Hamburg. Sie stellten die Falken aus ihren Zuchten unentgeldlich zur Verfügung und waren stets mit Rat zur Seite.

Der Auswilderungskäfig nach einer Zeichnung von MATHIAS GROBE (s.Abb. 1) In der Konstkruktion entsprechen die verwendeten „Kunsthorste" dem Modell, mit dem Prof. Chr. SAAR in Berlin Düppel 1980 erste Erfahrungen bei der Baumauswilderung sammelte. Lediglich einige Details wurden verändert. Für den geschweißten Rahmen bewährt sich Stahl mit Kastenprofil, besser Aluminium, um die große Gesamtmasse von ca. 40 kg zu vermindern. Zwei bis drei Felder der Rückseite sind mit schwachem Blech beschlagen, um den nicht- flüggen Falken aus der Hauptwindrichtung Wetterschutz zu bieten. Dabei ist darauf zu achten, daß die Vögel weitgehend Rundumsicht behalten. Der Boden ist mit feinmaschigem stabilen Gitterdraht bespannt, Seitenwände und Dach mit gröberem und weniger stabilem. Die Insassen sollten durch den Draht gut zu sehen sein, selbst möglichst unbehindert heraus- schauen können, jedoch keine Versuche machen, Schnabel oder Fänge hindurchzustecken.

Maschenweiten um 3 x3 cm sind wohl optimal. Senkrechte Gitterstäbe sind denkbar, doch hatten alle unsere Falken auch hinter Drahtgeflecht stets tadelloses Gefieder.

Ein Anstrich oder eine Beschichtung sollte möglichst dauerhaft sein und einen tarnenden Effekt haben. Nach meiner Meinung tragen auffällige Farben nicht zum besseren Zurück- finden der freigelassenen Wanderfalken bei. Dies wird durch eine strukturierte Topographie des Auswilderungsplatzes garantiert.

Die Fütterung erfolgt über ein endloses Seil, das bis knapp zum Waldboden reicht und an dem ein Futtertopf befestigt ist. 241 Dessen Henkel ist so gebogen,daß er als Führung fungiert,wenn am Seil,durch ein umgekehrt U-förmig gebogenes Rohr im hinteren Teil des Daches laufend, der Futternapf in das konisch geformte Gegenstück, am Boden des Käfigs einfährt. Am Boden wird dann das herunterhän- gende Seil fixiert, indem es festgebunden wird. Die Öffnung der Plattform erfolgt per einfachem Seil, welches von einem Ast darüber umgelenkt wird. Man tut gut daran, daß die Seile vom Boden aus nur per mitgebrachter Leiter erreicht werden können. So kann sich kein Unbefugter am Käfig zu schaffen machen. Vor dem Einsetzen der Falken sind die Scharniere, die leicht gängig zu sein haben, ggf. zu fetten. Das Einsetzen erfolgt über die kleine Klappe in der Vorderseite der Plattform. Als Boden- substrat dient grob gehäckseltes Holz, knapp 10 cm hoch eingestreut. Dieses Material wird nach der Saison entfernt, nachdem es, auch über zwei Durchgänge, den Boden trocken und sauber hielt. Noch gibt es keine Erfahrungen, ob Reisigeinstreu etwas besser geeignet wäre, eine Prägung auf natürliches Horstsubstrat herbeizuführen. Ein Kletterast, in der Plattform befestigt, ist überaus wertvoll, weil die Falken hier vorm Ausfliegen ein sicheres Fußen erlernen. Fehlt dieser Ast, haben wir immer Schwierigkeiten beim Aufblocken am Tage des Ausfliegens feststellen können. Nun bleiben „Bruchlandungen" aus. Der obere Rand der geöffneten Plattform wird mit Holzleisten versehen, die den Falken ein bequemes Anfliegen und Stehen ermöglichen. Da der Horstbaum in jedem Jahr mehrfach bestiegen werden muß, ist es sinnvoll, wenn eine Schnur über einen Kronenast gelegt wird, mit deren Hilfe dann nach Belieben ein Kletterseil emporgezogen werden kann, an dem man schließlich mit Steigseilklemmen leicht und baum- schonend heraufklettern kann. Steigeisenspuren werden so weitgehend vermieden. Durch Absprache mit dem Förster des Reviers Kastaven, RENN ER,werden forstliche Arbeiten vom Auswilderungsplatz ferngehalten. Während der Auswilderungssaison wird die nähere Umgebung für Jagdausübende und Erholungssuchende durch Barrieren und Beschilderung gesperrt; ein Wanderweg führt am Platz vorbei. Zivildienstleistende kontrollieren 24 Stunden am Tage die Einhaltung des Betretungsverbotes und beobachten von zwei Ansitzen die Falken. Die Beobachtungen werden in Protokollen fest- gehalten, sind naturgemäß jedoch von sehr unterschiedlicher Qualität. Wohnwagen, Sprech- funk, Spektiv und Ferngläser gehören zur Ausrüstung. Die Beobachtung vom Boden aus wird zu den wichtigen Zeiten durch erfahrene Beobachter gesichert. Mittels zweier Kameras und Kabel erfolgt die Videoübertragung über ca. 500 m zur Natur- schutzstation Woblitz,wo alle Geschehnisse in den beiden Horsten aufgezeichnet werden. Die Durchsicht der Videos erfolgt täglich. Drei Monitore ermöglichen die Beobachtung beider Plattformen zugleich und die wahlweise Aufzeichnung von Platz 1, 2 oder in festgelegtem Takt von beiden. Seit 1992 gibt es einen festen Modus der Beringung der ausgewilderten Wanderfalken, durch den die Vögel auf Entfernung als ausgewilderte angesprochen werden können. Dazu dient, wie schon früher, ein hoher schwarzer, geschlossener Kennring mit weißen Ziffern, bzw. Buch- staben, den der Vogel am rechten Ständer trägt. Neu ist nun die Habitatfarbe des Vogelwarten- ringes am linken Fang unterm schmalen Zuchtring des Deutschen Falkenordens. Diese Farbe ist bei Baumauswilderungen grün. Auf diese Weise ist es möglich, feldornithologisch baumausgewilderte von Wanderfalken aus Felsen- oder Gebäudebruten zu trennen. So besteht nunmehr die Möglichkeit nachzuweisen, ob und unter welchen Umständen sich unsere Wanderfalken andersartige Brutplätze suchen. 242 Bei künftigen Baumbruten haben wir nun die Möglichkeit, die Herkunft der Eltern zu klären. Davon versprechen wir uns den Beweis für die Richtigkeit der These, daß Baumbrüten über Imprinting und Tradierung entwickelt wurde, nicht aber genetisch fixiert ist. Dies ist aus theore- tischer Sicht überaus interessant, vor allem aber wichtig für unser weiteres Vorgehen.

Das optimale Alter der Wanderfalken zur Einsetzung ist mit ca. 30 Tagen erreicht, Konturfedern bedecken die Vögel weitgehend, die Thermoregulation funktioniert vollständig, die Vögel können selbständig Beute zerteilen. Freilich hat man sich nach dem Jüngsten zu richten. Daher sind erhebliche Entwicklungsunterschiede zu vermeiden, weil diese auch in späteren Phasen der Auswilderung von Nachteil sind.

Bis sechs Wanderfalken können problemlos in einer Plattform gehalten werden. Das Gefieder der Jungfalken nimmt dadurch keinen Schaden. Doch da so viel gefüttert werden muß, daß auch der letzte satt wird, was an sich kein Problem ist, erhalten die stärkeren Weibchen Futter- mengen, die ein deutliches Übergewicht bewirken. Zudem sind die Terzel schon im Nest aktiver, ballieren schon zeitig auf dem Ast und flattern gelegentlich am Gitter. Die Zusammen- stellung der Geschlechter ist ohne Belang und wird sich ohnehin nach dem Angebot richten müssen.

Tageszeit und Wetter beim Einsetzen sind unwichtig, doch wird man Unwetter und Dauerre- gen vermeiden wollen. Haben sich die Falken eingelebt, wird ihnen kein Wetter schaden können; sie werden sich sonnen können, regenbaden, sich unterstellen. Gegen tierische Feinde, etwa Habichte bietet der Käfig zuverlässigen Schutz. Die Falken finden spätestens am nächsten Tag selbständig die Atzung, brauchen aber,wenn sechs Falken im Horst sind, einige Minuten, bis jeder seinen Platz gefunden hat, an dem er mantelnd kröpfen kann. Hier empfehlen sich kleine Atzungsbrocken (Kücken, Taubenteile, Wachteln).

Bald erwarten die Falken beim Herablassen des Futternapfes die Atzung, schauen durchs Loch herunter. Das Klappern des Napfes wird dann fest mit Fütterung verknüpft und stellt einen starken Schlüsselreiz dar.

O Blechabdeckung :2 Scharniere zum Aufklappen des Daches CäD, Rohr als Seilführung (1-D., Öse zum Hochklappen des Deckels mittels Seil O Futtereimer zum Hochziehen per Seilzug © Kleine Klappe zum Einsetzen der Vögel CD Holzprofil als Sitzleiste nach dem Öffnen © Gitterumkleidung

Abb. 1: Auswilderungsplattform für Baumauswilderungen mit der Kunsthorstmethode 243 Die Umgebung wird aufmerksam beobachtet, kennengelernt, Bekanntschaft mit einem breiten Reizspektrum (z. B. Menschen, Großvögel, Tiefflieger, Geräuschquellen) gemacht.

Etwa 14 Tage sollten die Falken in der Plattform zubringen, um die Prägung auf Horststand, -substrat und Territorium wahrscheinlich zu machen.

Gewöhnlich fliegen Wanderfalken etwa am 44. Lebenstag erstmals. Dieses Alter sollte um 2 - 4 Tage überschritten werden, um möglichst viel Flugsicherheit zu erhalten. Auch hier hat man sich nach dem letzten Jungen zu richten.

Zu alt eingesetzte Falken müssen zwecks Prägung bis weit über ihren 46. - 48. Lebenstag gehalten werden.Terzel neigen dann stark dazu, am ersten Tag weit zu fliegen, um nicht wieder zurückzukommen. Dadurch wird es für solche Falken sehr schwierig zu überleben, auch wenn sie sich völlig problemlos noch länger im Käfig hielten.

Bisher war die Tageszeit der täglichen Fütterung egal. Auch zwei Fütterungen bewähren sich. Doch am Tage vor dem Ausfliegen sollte nicht gefüttert werden; die geringfügige Konditionie- rung der fetten Nestlinge beginnt man schon einige Tage im Voraus. Das Öffnen der Klappe ist bei unterschiedlichstem Wetter und Licht erprobt worden. Die Falken sollten das Öffnen des Daches nicht bemerken. Panikartiges Ausfliegen ist die Folge, wenn dies auch nicht zu Scheu vor der Plattform führt.

Die besten Erfahrungen werden an trüben Tagen, evtl. mit leichtem Regen, gemacht. Die Falken sind gedämpft, neigen nicht zum Schweimen. Knapp vor der Morgendämmerung, wenn die Falken noch ruhen, wird reichlich mit kleinsten Beutestücken gefüttert, die aus dem Napf herausschauen sollten, so daß die Falken diese auch aus Nachbarbäumen sehen könnten.

Gleich darauf wird die Abdeckung der Plattform in der Weise geöffnet, daß sie komplett zurückklappt und somit fest aufliegt. Im Idealfalle wird all dies von den Jungfalken nicht bemerkt. Die gleich darauf hereinbrechende Dämmerung sorgt dafür, daß ein evtl. doch abge- flogener Falke, der auf dem Boden landete, sich wieder hocharbeiten kann, bzw. vom Beobachter gefunden wird.

Klappt alles gut, beginnen die im Horst stehenden Falken im Morgengrauen mit dem Kröpfen, springen auf den Horstrand, ruhen dort oder klettern im Geäst umher, bevor sie erstmals abfliegen. Arbeiten wir mit möglichst vielen Falken, so erleichtern sich diese gegenseitig die Rückorientierung. Ideal sind geschachtelte Auswilderungen, bei denen schon fliegende Falken durch eine Gruppe, die sich noch im Horst befindet angelockt werden. Man stattet sich Besuche ab, fliegt viel und kröpft in Folge auch in den fremden Plattformen, so daß eine schon wieder mit einer neuen Gruppe besetzt werden kann.

Eine knappe Stunde bis fünf oder mehr Stunden vergehen, bis ein ausgeflogener Falke erst- mals auf die Plattform zurückkehrt. Dort muß er dann unbedingt Atzung vorfinden. Damit wäre der Grundstein zur künftigen Wiederkehr schon gelegt.

In den ersten Tagen sollte dann immer reichlich, evtl. mehrmals am Tage, gefüttert werden. Später dann wird nur noch spät nachmittags gefüttert werden, um die Falken zur Aktivität zu veranlassen. Sie erwarten zu gewohnter Zeit Atzung und kommen sogleich zur Plattform. Bei morgendlicher Fütterung sind die Falken im ersten Morgengrauen auf der Plattform. Ist die Fütterung zudem noch reichlich, veranlaßt man die Vögel zum „Kleben" am Auswilderungs- platz, was sechs Wochen und länger dauern kann. Die Fertigkeiten der Falken entwickeln sich dann sehr langsam. 244 Doch auch bei guter Konditionierung brauchen die Vögel zwei bis vier Wochen, bis sie Beute schlagen. Der Bettelflug wird ersatzweise unter Horstgeschwistern ausgeführt. Gekröpft wird anfangs auf dem Horst. Sind dort mehrere Falken, so wird die Beute weggetragen und auf einem benachbarten Baum gekröpft. Fliegen die Falken noch sehr unsicher, so sollte die Atzung noch klein sein. Später ist es gut, wenn die Falken erlernen mit größerer Beute zu fliegen, aufzubaumen und diese zu bearbeiten. Das Fehlen irgendwelcher Bauwerke und der anfangs geringe Aktionsradius von 300 - 400 m zwingt die Wanderfalken, zum Ruhen und Kröpfen ausschließlich auf Ästen zu stehen. Bald nimmt der Baum alle Funktionen wahr, die andernorts Felsen und Gebäude erfüllen. Während die Wanderfalken nach wenigen Tagen lernen, daß von anderen Greifvogelarten für sie keine Gefahr ausgeht, wird der Seeadler nicht aus dem Auge gelassen, später zu über- steigen versucht und attackiert. Die ohne elterlichen Schutz selbständig werdenden Wander- falken erkennen den Habicht nicht als Gefahr, räumen vor ihm nicht das Feld, obwohl sie, einmal mit dem Habicht verkrallt, gegen diesen keine Chance haben. Die Eltern der Falken würden Habichte auf große Distanz vehement vertreiben. Dieser fehlende Schutz ist der Schwachpunkt bei derWildflugmethode in Baumrevieren.1992 verloren wir durch ein diesjäh- riges Habichtweibchen, welches einmal zufällig Erfolg hatte, als es sich an der Fütterung bediente, drei gut beflogene Falken. Doch kennen wir den neuralgischen Punkt in unserer Methode und sind fest entschlossen mit dem Habicht, nicht gegen ihn, zu arbeiten.

Dazu erproben wir folgende Methoden: - Verwendung der zeitigsten Wanderfalkenjungen für die Baumauswilderung, um zeitlich ad. Habichtweibchen, die noch vom Terzel versorgt werden, und diesjährige Weibchen, welche noch nicht selbst jagen, auszuschließen; - weitestgehendes Rupfen der Atzung und Verfütterung von sofort verwertbaren Mengen, um junge Habichte nicht zum Schmarotzen zu animieren; - Auswahl von übersichtlichen Auswilderungsplätzen, die unbemerkten Anflug eines Habichtes nicht gestatten; - Nutzung der Nachbarschaft eines Baumfalkenpaares, welches Habichte entschieden attackiert. Das gute Horstplatzangebot durch eine hohe Siedlungsdichte von Fischadler, Milanen und Kolkraben gibt uns die Gewißheit, daß Wanderfalken in der nördlichen Mark Brandenburg keine Quartiernot leiden werden, so es gelingt, sie wieder auf Baumhorste zu prägen. Beglei- tend bemüht sich die Naturschutzstation Woblitz gemeinsam mit Förstern um die Erhaltung und Entwicklung geeigneter Altholzbestände und installierte bisher zahlreiche Nisthilfen, die auch für Wanderfalken nutzbar sind. Es besteht Optimismus, daß es in wenigen Jahren mit Hilfe engagierter Beobachter gelingen wird, bei Revierkontrollen anderer Greifvogelarten eine erste Baumbrut nachweisen zu können. Dies ist umso sicherer, als man weiß, daß in Polen die Bemühungen zur Restitution einer Baumbrüterpopulation des Wanderfalken u. a. durch Prof. PIELOWSKI und Dr. TROMMER intensiviert werden. Da es wünschenswert ist, daß sich noch ein bis zwei andere Stationen in Norddeutschland oder Nordpolen an diesem Projekt beteiligen, erscheint es wichtig, die gemachten Erfah- rungen mitzuteilen.

Anschrift der Verfassers: PAUL SÖMMER, Naturschutzstation Woblitz, 0-1431 Himmelpfort 245 Neue Literatur

BRÜLL, H. (1992): Greifvögel und Eulen Mitteleuropas. - 3. Aufl., 122 S., 8-farb. Vogeltafeln, 2 SW-Fotos, 8 Federzeichnungen, 6 Grafiken bzw. Skizzen. Landbuch-Verlag, Hannover, ISBN 3-7842-1406-1. BÖKER, N. (1985): Vogelschutz in unseren Gärten. -79 S., 4 Farbtafeln, 24 SW-Abbildungen, A. Philler-Verlag, Minden, ISBN 3-7907-0326-5.

SCHMIDT, H. (1982): Singvögel. - 160 S., 16 Vogeltafeln, A. Philler-Verlag, Minden, ISBN 3-7907-0058-4. In der Lehrmeister-Bücherei des Landbuch-Verlages (in Zusammenarbeit mit dem A. Philler- Verlag, Minden) sind obige vogelkundliche Bände erschienen. Das Greifvogel/Eulen-Buch gibt einen sehr lebendig geschriebenen Überblick über die Lebensweise dieser Vogelarten. Der Autor hat sich Jahrzehnte mit diesen Vögeln befaßt. Besonders sei auf die schwarz-weißen Federzeichnungen hingewiesen, auf denen die Art und Weise des Beuteschlagens in anschaulicher Weise dargestellt wird. Das Bändchen über den Vogelschutz im Garten unterrichtet über Nisthilfen für Höhlen-, Halbhöhlen- und Freibrüter ebenso wie über die Winterfütterung und andere Hilfestellungen (u. a. Anlage von Vogelschutzgehölzen und Vogeltränken). Anschauliche Illustrationen ergänzen den Text. Der Singvogel-Band stellt 76 in Mitteleuropa brütende, durchziehende oder überwinternde Vogelarten vor und unterrichtet über deren Lebensweise. Auf 8 Farbtafeln (teils farbig, teils schwarz-weiß) werden sie dem Leser vorgestellt. Das handliche Format der Bände der Lehrmeister-Bücherei ermöglicht eine unbeschwerte Mitnahme bei Wanderungen. W. KEIL

JANTZEN, H. & F. (1985): Naturdenkmale Hessens. - 238 5.,118 Farbfotos, Landbuch-Verlag GmbH, Hannover, ISBN 3-7842-0323-X. Hessen ist aufgrund seiner Topographie ein Land mit großer Vielfalt. Dies kommt im vor- liegenden Buch gut zum Ausdruck. Insgesamt werden 70 Naturdenkmale bzw. Naturschutz- gebiete vorgestellt. Der Textteil informiert über Geschichte, heutigen Zustand sowie über geologische, botanische und zoologische Besonderheiten. Auch der historische Hintergrund wie die Märchen- und Sagenwelt werden einbezogen. Besonders beeindruckend sind die dem Buch beigefügten Farbfotos. Sie vermitteln ausgezeichnete Einblicke in die vorgestellten Landschaftsteile und laden zum Besuch der Gebiete ein. Ein überaus interessantes Buch, welches sich gut zum Verschenken an Menschen eignet, die die Naturschönheiten Hessens kennen bzw. kennenlernen wollen. W. KEIL

246 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 247-254 (1993)

Entwicklung der natürlichen Wanderfalkenbestände in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz von CHRISTIAN VON ESCHWEGE, Wöllstadt

Was zu Beginn der Auswilderungsaktionen gezüchteter Wanderfalken niemand zu hoffen wagte, ist eingetreten: Die Reste der verbliebenen natürlichen Wanderfalkenpopulationen haben sich stellenweise von selbst wieder aufwärts entwickelt und in manchen Gebieten bereits die frühere Bestandsdichte wieder erreicht. Ich schildere Ihnen für Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz die Eckdaten dieses Aufwärtstrends. Die Aktion Wanderfalken- und Uhu- schutz e.V. (AWU) hat seit 1969 die wenigen außerhalb Baden-Württemberg verbliebenen Wanderfalken-Horste während der Brutzeit durchgehend bewacht. Diese Einsätze wurden von Beginn an überwiegend von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt/Main von 1858 finanziell getragen.

1. Bayern: Unterfranken: Wir betreuen die Horste seit 1969. In dieser Zeit hatten die Wanderfalkenpaare von anfangs vier auf nur noch zwei bis 1981 abgenommen. Erst 1982 begann der Wanderfalke mit der Wiederbesiedlung verlassener Brutplätze, und 1991 waren alle in diesem Gebiet besiedel- baren Brutfelsen wieder besetzt. Die Zahl der jährlich ausgeflogenen Jungvögel stieg von „0" 1969/70 bis auf 14 1991/92. Hierbei wurden von TROMMER 1977 eingesetzte, gezüchtete Jungvögel nicht in die Rechnung einbezogen. In der folgenden Tabelle sind die Horstplätze numeriert. Ein „x" in der jeweiligen Spalte besagt, daß das Brutpaar vorhanden war, aber keine Jungvögel großzog. Mit 105 ausgeflogenen Jungvögeln hat Unterfranken vor dem Dahner Felsenland seit 1969 den stärksten Beitrag zum Wiederaufbau der Wanderfalken-Population an der Nordperi- pherie der Mittelgebirge geleistet. Nimmt man die südhessische Population mit 69 Jungen hinzu, ergeben sich sogar 174 Junge für den zentralen Naturraum Odenwald/Spessart (ohne die fünf Paare im badischen Neckar/Odenwaldgebiet).

Mittelbayern: 1968 haben wir hier in der Frankenalb mit der Horstbewachung begonnen. In den folgenden Jahren brachten fünf Wanderfalkenbrutpaare pro Jahr zwischen fünf und zehn Jungvögel hoch. Ende der 70erJahre und in den 80erJahren waren die Vorkommen erloschen, was wohl überwiegend am Erstarken der Uhupopulation lag. 1989 waren dann wieder zwei Brutpaare da, die jedoch keineJungen zum Ausfliegen brachten.1990 hatte erstmals wieder ein Brutpaar mit vierJungvögeln Erfolg.1991 brachte ein Brutpaar drei Jungvögel hoch und 1992 drei Brut- paare zehn Jungvögel. Ein weiteres Paar ist in der Ansiedlungsphase begriffen.

Alpen: In den Alpen sind wir seit 1970 tätig. Hier waren anfangs noch etwa 20 Brutpaare verblieben, die im Mittel nicht mehr als 20 Jungvögel pro Jahr hochbrachten. In den Alpen ist seit etwa 1985 ebenfalls wieder ein Aufwärtstrend festzustellen. Wir betreuen z. Z. rund 45 Brutpaare 247 mehr oder weniger intensiv, wobei aber davon auszugehen ist, daß insbesondere in den Hoch- lagen über 1500 m Höhe NN weitere Paare vorhanden sind. Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern und wir schätzen den tatsächlichen Bestand auf etwa 60 - 70 Wanderfalkenpaare. Die Zahl derJungvögel schwankt, je nach Witterung, von Jahr zu Jahr stark, mit mindestens 70 - 90 Jungvögeln pro Jahr ist zu rechnen.

Tabelle 1: Brutergebnisse 1969 -1992 Unterfranken:

1 2 3 4 5 6 7 Insgesamt: Jahr B R D F M K Fe Paare Junge V

1969 x x x x - - - 01 -

1970 x x x - - - - C -

1971 - 2 x - - - - V CV C 2 1972 - 2 x - - - - 2

1973 - 1 x - - - - V C 1 1974 - 1 x - - - - V C 1

1975 - 1 x - - - - V C 1

1976 - x x - - - - V C -

1977 - 1 - - - - - \I C 1 \

1978 - 2 x - - - - J C \ 2

1979 - 2 x - - - - J C 2 \

1980 - 3 x - - - - I C 3

1981 - x 3 - - - - V 3 C) 1982 x x 4 - - - - 4 C 1983 3 x 1 - - - - O 4 c 1984 4 4 x - - - - v 8 1985 4 x 1 - - - - CO 5 1986 4 x x - - - - CO 4 CO 1987 4 3 1 - - - - 8 1988 4 x 2 - - - - CO 6 CO 1989 4 4 1 - - - - 9 1990 4 2 3 2 x x - co 11 N 1991 x 2 3 4 3 2 x - 14 N 1992 2 2 x 3 4 3 x - 14

Summe 33 32 19 9 7 5 0 7 105 bis 1992

2. Rheinland-Pfalz:

1972 haben wir die letzten Wanderfalken im Nahegebiet beobachtet. Sie haben zu dieser Zeit bereits keinen Bruterfolg mehr erzielt. 1982 stellte sich dann hier wieder ein Wanderfalkenpaar ein. An diesem Horstplatz wurden bis 1992 25 Junge großgezogen. Die flächendeckende Wiederbesiedlung des Bundeslandes erfolgte seit 1985 im südlichen Pfälzer Wald, dem Dahner Felsenland. Hier stieg die Zahl der Brutpaare zwischen 1986 und 1992 von einem auf vierzehn an. In dieser Zeit folgen insgesamt 90 Jungvögel aus. 248 Die folgende Tabelle bringt die Einzeldaten:

Tabelle 2: Wanderfalken im Dahner Felsenland - Ausflugergebnisse ab 1986 -

Jahr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 insgesamt

1986 2 2 1987 3 - - 3 1988 2 3 4 9 1989 1 3 4 4 12 1990 3 3 3 3 x 2 3 - 4 21 1991 4 1 0 3 x 3 3 3 x 2 19 1992 1 2 3 0 1 0 2 3 3 - 0 3 3 3 24

lnsge- 1 9 7 3 1 14 2 12 16 - 6 3 3 13 90 samt:

- Paar nur sporadisch da x Paar da, aber kein Brutergebnis 0 Brut, aber keine Jungvögel ausgeflogen

Von den übrigen Wanderfalkenpaaren in diesem Bundesland, die sich überwiegend erst in der Ansiedlungsphase befinden und z.T. mit ausgesetzten Tieren vermengt sind (z. B. Gebäu- debrut in Mainz), soll für die Statistik der natürlichen Wanderfalkenentwicklung nur noch ein Paar herangezogen werden, das seit 1983 einen Felsen an der Nahe wiederbesiedelte, nachdem dort 1970 die Falken verschwunden waren!

Bruterfolg seit 1983

1983 3 1984 3 1985 2 1986 1 1987 4 1988 1 1989 1990 - (von 3) 1) 1991 4 1992 3 (von 4) 2)

insgesamt 21

1) 3 flügge Junge vom Uhu geschlagen 2) 1 Jungvogel verschwunden bei Starkregen

Mithin sind seit 1983, in Rheinland-Pfalz seit 1969,von 15 natürlichen Wanderfalkenpaaren 111 Junge groß gezogen worden, wobei weitere fruchtbare Wanderfalkenpaare (BASF-Gebäude, Kraftwerk bei Neuwied, Kirche in Mainz, Kalkbruch bei Mainz, mittleres Rheintal) wegen Insta- bilität oder nicht ganz geklärter Herkunft nicht mitgezählt wurden. 249 3. Hessen: In Hessen war 1969 nur noch ein Wanderfalkenpaar am Neckar übrig geblieben. Es brachte bis einschließlich 1992 - bei sehr stark wechselnden Jahresergebnissen - insgesamt 24 Jung- vögel hoch. Seit 1985 existiert im Raum Hanau eine Wanderfalkenbrut an einem Kraftwerk. Diese brachte bis 1992 26 Jungvögel zum Ausfliegen, war also viel produktiver als das alte Stammpaar im Süden. 1987 erfolgte eine weitere Neuansiedlung im Neckartal. Dieses Paar brachte bis 199216 Junge hoch. Letztlich brütete 1992 erstmals ein drittes Wanderfalkenpaar im Neckartal und brachte drei Jungvögel zum Ausfliegen. Mithin haben die von Natur aus in Hessen brütenden vier Wanderfalkenpaare zwischen 1969 und 1992 69 Jungvögel hoch- gebracht, davon die meisten in den letzten fünf Jahren. Alle anderen Wanderfalkenpaare in Süd- und Nordhessen stammen mindestens mit einem Partner aus Auswilderungsaktionen, weshalb sie in diesem Bericht unerwähnt bleiben. Dies gilt auch für das Brutpaar, das 1992 erstmals im Taunus brütete. Aus der Tabelle 3 geht hervor, daß in Hessen von 1969 bis 1984 nur das eine südhessische PaarJungvögel produzierte und zwar insgesamt nur zehn Stück. Die übrigen 59 Stück flogen zwischen 1985 und 1992 aus.

Tabelle 3: Entwicklung der natürlichen Wanderfalken-Population in Hessen 1969 -1992 Horst 2 Horst 4 Horst 1 Horst 3 Neckar- Hanau Insgesamt Pleutersbach Neckarshausen Steinach Staudinger

1969 3 - - - 3 1970 2 - - - 2 1971 1 - - - 1 1972 - - - - - 1973 - - - - - 1974 - - - - - 1975 - - - - - 1976 - - - - - 1977 3+ (1) - - - 1 1978 - - - - - 1979 - - - - - 1980 - - - - - 1981 1 - - - 1 1982 - - - - - 1983 - - - - - 1984 - - - - - 1985 2 - - 3 5 1986 2 - - 3 5 1987 - (1 Ei) - - 4 4 1988 - 4 - 3 7 1989 3 (4) - (Eier) - 3 6 1990 3 4 - 2 9 1991 1 (3) 4 - 4 9 1992 3 4 3 4 14

24 16 3 26 69

250 Der deutliche Anstieg der Bruterfolge der natürlichen Wanderfalkenpopulation Hessens hat sich erst seit 1990 eingestellt, wobei das Jahr 1992 nochmals einen fühlbaren Sprung nach vorn brachte. In den nächsten Jahren ist mit weiteren Steigerungsraten zu rechnen.

Zusammenfassung der Entwicklung der neuen oder verbliebenen Kernpopulationen in den drei Bundesländern

Wir schließen aus dieser Zusammenfassung die Alpen wegen der dort nicht vollständig erfaßten Population aus, ebenso die Frankenalb, da dort das Wiedereindringen des Wander- falkens noch ganz rezent ist, so daß sich die wenigen Daten statistisch noch nicht sinnvoll aggregieren lassen.

Tabelle 4: Zusammenfassung der Entwicklung 1969-1992 in den zwei „Kerngebieten" an der Nord-Peripherie

Rheinl.-Pfalz Südhessen Nord Bayern Rheinl.-Pfalz Dahner Neckar / Insgesamt Jahr Unterfranken Nahe Felsenland Odenwald Paare Junge Paare Junge Paare Junge Paare Junge Paare Junge

e

I 3 1969 c - - 1 - 1 3 6

o I 5 2 1970 - - 1 - 1 2

C

cm c 1971 V - - 1 - 1 1 4 3

C

m V 2 1972 c - - - - 1 - 3

1-- m 3 1 1973 c - - - - 1 -

I— m 1 1974 c - - - - 1 - 3

1—

m c

1975 - - - - 1 - 3 -

m cm 1976 I - - - - 1 - 3 -

1—

4 1977 - - - - 1 3 3

C

CV

V

C 2 1978 C - - - - 1 - 3

V C

V

1979 CO - - - - 1 - 3 2

V C

1980 C - - - - 1 - 3 3

V CO O 4 1981 • - - - - 1 1 3

zt

• 4 4 1982 C - - - - 1 -

Zt C O 7 1983 C - - 1 3 1 - 5

O

O

1 11 1984 C - - 1 3 1 - 5

0

O

12 1985 C 1 - 1 2 2 5 7

e O 12 1986 C 1 2 1 1 2 5 7

co O 19 1987 co 1 3 1 4 2 4 7

CO CO co 23 1988 cz 3 9 1 1 3 7 10 27 1989 4 12 1 - 3 6 11 ,— 41

e 1990 r 8 21 1 - 3 9 18

-

-

-

1991 10 19 1 4 3 9 21 46

s

I"

t - 55 1992 14 24 1 3 4 14 26

Insg. 7 105 14 19 1 21 4 69 26 285

251

Anzahl Anzahl

Junge Junge

14 14

16 16

18 18

10 10

19 19

26 26

12 12

17 17

13 13

25 25

11 11

23 23

28 28

21. 21.

1 1

21 21

71 71

20 20

22 22

27 27

30 30

2 2

5 5

3 3

6 6

7 7 8 8

9 9

Abb. 2: 2: Abb.

69 70 71 72 73 74 75 75 77 78 79 80 81 82 83 84 85 85 87 87 85 85 84 83 82 81 80 79 78 77 75 75 74 73 72 71 70 69

1969-1992 -Junge (ausgeflogen) (ausgeflogen) -Junge 1969-1992

Wanderfalkenentwicklung im Untersuchungsraum Untersuchungsraum im Wanderfalkenentwicklung

89 90 91 92 92 91 90 89

41 41

45 45

55 55

Jahr Jahr

Paare _ _ Paare

Anzahl Anzahl

1 1

1 1

2 2

1 1

2 2

1 1

2 2

2 2

2 2

10 10

11 11

12 12

13 13

1 1

1 1

5 5 6 6

7 7 0 0

8 8

9 9

4 4

5 5

MIL MIL

Abb. 1: 1: Abb.

89 89

11101•111111113111

70 71 72 72 71 70

MOIMIIIIIIIIIIMIIMII MOIMIIIIIIIIIIMIIMII

1969-1992 - Paare Paare - 1969-1992

Wanderfalkenentwicklung im Untersuchungsraum Untersuchungsraum im Wanderfalkenentwicklung

111111111 111111111

73 73

71. 75 75 71.

76 77 78 78 77 76

79 80 81 82 82 81 80 79

83 84 85 86 87 87 86 85 84 83

112 112

A A

Man Man

/ /

88 88

89 90 90 89

91 91

92 92 i i Als Kernregionen und „Motoren der Wiederbesiedlung" sehen wir mithin an der Nordperi- pherie der stabilen Altvorkommen an:

1. Unterfranken inklusive badischer Grenzraum; Main; Spessart; 2. Hessischer und badischer Neckarraum; Odenwald; 3. Dahner Felsenland und Nahe. In diesem Untersuchungsgebiet nahm die Zahl der Wanderfalkenpopulation von 1969 bis 1972 von sechs auf drei ab, blieb dann zwischen 1972 und 1981 bei drei Paaren und nahm zwischen 1982 und 1992 auf 26 Paare zu. Von den 285 Jungvögeln, die zwischen 1969 und 1992 in diesem Gebiet ausflogen, sind 257 (= 90 0/0) in den letzten zehn Jahren, also in der zweiten Hälfte des betrachteten Zeitraumes, geboren worden und 142 Jungvögel (= 50 0/o) in den letzten drei Jahren!

4. Schutzstrategien für die Zukunft Nachdem die großen von Falken besiedelten oder in Zukunft wieder zu nutzenden Natur- räume „Schwäbische Alb", „Frankenalb", „Schwarzwald", „Dahner Felsenland" und „Bayrische Alpen" so zahlreiche Naturfelsen aufweisen, daß es den Wanderfalkenschützern hier überwie- gend darum gehen muß, diese Naturfelsen zu sichern, bietet sich im mittleren und nördlichen Rheinland-Pfalz sowie in Hessen eine reizvolle, ganz andere Aufgabenstellung: Der Schutz von Sekundärbiotopen in Steinbrüchen. Hierbei geht es einerseits um den Schutz bereits vorhandener, stillgelegter Steinbrüche - z. B. die Abwehr der zahlreichen Verfüllabsichten von Privaten, Kommunen und Landkreisen, andererseits aber um die Lenkung der Rekultivierungspläne für neue Abbaugebiete in Rich- tung auf das Rekultivierungsziel „Felsbiotop". Die Aufgabenstellung ist brisant - sind doch etwa 70 0/0 aller künftigen Wanderfalkenbiotope in Rheinland-Pfalz außerhalb des Dahner-Felsenlandes, des Nahe-, Mosel- und Rheintals solche Steinbrüche. In Hessen, wo es nur etwa fünf gute natürliche Felsbiotope gibt, machen die Steinbrüche rd. 95% der besiedelbaren Felsen aus. Gerade in Hessen ist hierzu zu bemerken, daß sich in den letzten 25 Jahren die Biotopkapa- zität für Wanderfalken stark ausgeweitet hat. Waren früher etwa Nistmöglichkeiten für 25 - 30 Wanderfalkenpaare vorhanden, sind diese jetzt auf etwa 80 Felswände angestiegen. In Hessen besteht also die Möglichkeit, den Biotoprahmen für die Wanderfalken auf ein in dessen Stammesgeschichte nie gekanntes Maß auszudehnen! Folgende Arbeiten sind notwendig: - Ermitteln der vorhandenen und geplanten Steinbrüche, - Erfassung der Gesamtbiozönose (Lebensgemeinschaft) in diesen Steinbrüchen, - Beeinflussung der Rekultivierungspläne in Richtung auf • Bereitstellung von Brutwänden mit 40 m Höhe und • Schaffung von Strukturen zur Entwicklung von Felswandfluren; • Schaffung von Strukturen zur Entstehung von Trockenrasen und Halbtrockenrasen, • Bereitstellung von Strukturen zur Entwicklung von Pioniergebüschen, • Ermöglichung von Blockhalden, • Schaffung von Amphibienbiotopen und • Schaffung von Hangplätzen. 253 Dieses Thema „Sekundärbiotopentwicklung" hat im Arbeitsbereich der AWU seit etwa 1988 stetig an Bedeutung gewonnen. Natürlich bedeutet eine Verschiebung der Aufgabenschwer- punkte auch eine entsprechende geistige Umstellung bei vielen unserer Mitglieder, die bisher überwiegend auf Bewachungsaufgaben konzentriert waren. Auf diese Weise haben wir in unseren Reihen noch einen großen Bedarf an Unterstützung der Arbeiten zum Biotopschutz und zum Biotopaufbau. Fachlich bezieht sich dieser Bedarf insbesondere auf Zoologen, Botaniker und Landschaftsarchitekten. Zur Zeit sind in der Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz e.V. erst etwa 20 Mitglieder mit diesen Aufgaben intensiv befaßt. Erstaunlicherweise ist bei einigen erst kürzlich mit dem Wanderfalkenschutz befaßten Gruppen jetzt, wo die Bewachung von Wanderfalkenhorsten sicherlich nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen hat, ein wachsendes Interesse an einfachen Horstbewachungstätigkeiten, ohne Berücksichtigung der komplexen Probleme des Horstumfeldes, zu verzeichnen. Wir sind derAuffassung, daß man hierzu lange alten Ideen nachhängt und die neuen Erforder- nisse vernachlässigt. Die Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz e.V.wird am Kurs einer allmählichen Umorientierung der Strategien jedoch festhalten. Die Methode der permanenten „sheriffartigen" Horstbewachung ist angesichts der rasch ansteigenden Brutpaarzahlen und der zunehmenden anderen Schutzaufgaben nicht mehr sinnvoll. Wir plädieren heute für eine möglichst umfassende Horstkontrolle durch mobile Teams, wobei z. B. zwei Horstschützer mit Auto drei bis fünf nahe beieinander liegende Brutplätze betreuen. Dieses System wurde seit fünf Jahren in den Alpen von uns mit Erfolg praktiziert. Es nimmt die Unruhe von den Horsten, die durch ständigen Aufenthalt von Bewachern entsteht und schont somit die Biotope nebst Flora und Fauna. Es spart Geld und Arbeitskraft und setzt diese beiden im Naturschutz knappen Güter für andere Aufgaben frei.

Grundstückskauf: Mit Mitteln der Zoologischen Gesellschaft von 1858 Frankfurt e. V. werden von uns seit einigen Jahren stillgelegte Steinbrüche oder Teile davon erworben, z.T. auch das Vorgelände der Steilwände. Auf diese Weise läßt sich die Bedrohung der Biotope durch anderweitige Nutzungsansprüche abwenden. Desweiteren sind Pflege und Gestaltungsmaßnahmen leich- ter möglich, als wenn wir sie auf fremdem Gelände ausführen. Ein anderer Weg, den wir z. B. bei Steinbrüchen an Main und Neckar beschritten haben, ist die Sicherung des Geländes mit weitem Umfeld als Naturschutzgebiet. In diesem Falle wirken wir bei der Erarbeitung des NSG-Pflegeplanes sowie bei der Gesamterfassung und Kontrolle der Flora und Fauna mit.

Rekultivierungsplanverfahren: Wir liefern dem Verfahrensträger Konzeptionsvorschläge, z.T. werden auch die gesamten Pläne von uns selbst bearbeitet. Auf diese Weise ließ sich bislang die Folgenutzung „Natur- schutz" wirksam sichern.

Anschrift des Verfassers: Dr. CHRISTIAN VON ESCHWEGE, Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz e.V., Rosbacher Straße 8, 6362 Wöllstadt 254 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 255 - 257 (1993)

Schlußwort zur Wanderfalken-Fachtagung in Eschwege von WOLFRAM BRAUNEIS, Eschwege

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde!

Das Projekt zur Wiederansiedlung des Wanderfalken in Hessen, welches wir gemeinsam 1978, vor 15 Jahren, begannen und in diesem Jahr -1992 - beendet haben, ist heute im Rahmen dieser Fachtagung zu einem würdigen Abschluß gekommen. Wir wissen alle - und dies ist auch heute klar zum Ausdruck gebracht worden - daß dieses Vorhaben zur Rettung des Wanderfalken nicht nur in Hessen zu einem neuen Populationsaufbau beigetragen hat, sondern daß dadurch auch weit über die Grenzen unseres Landes der Wanderfalke -wo er als Brutvogel schon gänzlich verschwunden war - wieder zur Ansiedlung mit jährlicher Jungenreproduktion gekommen ist. So gehört der Wanderfalke wieder nördlich der Mainlinie - um die heutige Situation der Verbreitung an diesem geographischen Begriff zu demonstrie- ren - zum selbstverständlichen Erscheinungsbild und jährlichen Brutvogel.

Vögel kennen nun mal keine Grenzen, auch nicht solche,wie sie noch bis vor kurzer Zeit mitten durch Deutschland bestanden haben aus Beton, Zement und Stacheldraht. So flogen die Wanderfalken von unseren sämtlichen Auswilderungplätzen hauptsächlich nach Osten und Norden, aber auch nach Westen und teilweise ebenso nach Süden.

Und wo wir 1978 anfingen, die vom Deutschen Falkenorden gezüchteten Wanderfalken durch unser Auswilderungsprojekt in die Wildbahn zu entlassen, waren nördlich der Mainlinie-um nochmals diese geographiosche Definition zu benutzen - nur unwesentliche, nicht über- lebensfähige Restbestände vorhanden. Der gesamte ostdeutsche Raum war damals schon wanderfalkenleer; oder teffender formuliert: dort war der Wanderfalke bereits ausgestorben. Für mich war es damals Wille und ebenso Verpflichtung, aber auch eine Ehre, engagiert an diesem Projekt mitzuarbeiten. Und gut ist mir noch die Situation in Erinnerung, als wir uns an jenem denkwürdigen 24.Juni 1978 in Wanfried im dortigen Forstamt trafen, um gemeinsaM - Deutscher Falkenorden (DFO), Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz (AWU) sowie Hessische Gesellschaft für Ornitologie und Naturschutz (HGON) - das Projekt nach Geneh- migung durch das Land Hessen und unter der wissenschaftlichen Begleitung der Staatlichen Vogelschutzwarte zu beginnen. Und unser, leider allzu früh verstorbener, WI LLY BAUER sagte damals: (Zitat) „Wir gehen hier ein Wagnis ein. Es ist das erste Projekt dieser Art in Deutschland, ja in Europa. Es handelt sich hier nicht nur um Bestandsstützungsmaßnahmen, sondern um den Aufbau einer neuen mittel- deutschen Wanderfalkenpopulation. Jedoch bin ich überzeugt, daß es ein Erfolg wird." (Zitat Ende). Nun, meine sehrgeehrten Damen und Herren, liebe Freunde, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dieser Funke voll auf mich übersprang. Ab sofort stand es für mich fest - neben meinen anderen Natur- und Artenschutzarbeiten - im Rahmen dieses Wiederansiedlungs- projektes mitzuarbeiten. Was wir aber an jenem Sommertage am Plessefelsen beim Beginn unserer ersten Wanderfalkenauswilderung noch nicht wußten, daß dieses das umfang- reichste Programm werden sollte, welches jemals im Lande Hessen für die Rettung einer Vogelart konzipiert worden ist. Und das wir damals auch nicht zu glauben wagten, daß es im Laufe der Jahre ein so großer Kreis an Mitstreitern werden würde, der sich dieser Sache, im gemeinsamen Bestreben das Aussterben einer Vogelart abzuwenden, verschrieben hat und 255 sich jährlich wieder zum Schutz des Wanderfalken zusammenfindet. Wir alle sind Freunde geworden; und darauf - so meine ich - gründet sich ein wesentlicher Teil unseres Erfolges. Und so ist es mir hier und heute ein herzliches Anliegen, allen am Wiederaufbau der Wanderfalken-Population und am jährlichen Schutz dieser Vogelart Beteiligten zu danken, zu danken für Engagement, Bereitschaft und schier unendliche Ausdauer; aber auch für Ihre stete Loyalität gegenüber unser Projekt und gegenüber den nicht leicht zu bewältigenden Aufgaben innerhalb des Wanderfalkenschutzes. Es ist das Verdienst eines jeden einzelnen von Ihnen, daß der Wanderfalke bei uns und über unsere Grenzen hinaus wieder Brutvogel geworden ist. Es zeichnet Sie aus, meine lieben Freunde, daß Sie neben der bisherigen Arbeit der Wanderfalken-Auswilderung und dem jährlichen Schutz der Naturhorste -von der Brut- zeit bis zum Ausfliegen der Jungen sogar rund um die Uhr-auch am Lebensraunnschutz mit verbesserten Brutmöglichkeiten für diese Vogelart mitwirkten. Und dabei sich auch noch -wie immer alles ehrenamtlich!! - an Schutzgebietsausweisungen, allgemeinem Biotoperhalt für jegliche Tierarten, Biotoppflegekonzepten, der Abwehr von Eingriffen in Natur und Landschaft aktiv beteiligten zur Bestandsicherung von Schmetterlingen, Fledermäusen, Lurchen und Kriechtieren, um nur einige Tiergruppen zu nennen

Ich bin stolz, dies hier öffentlich sagen zu können. Ich bin stolz - und dies drücke ich auch mit dem Gefühl der Zufriedenheit aus - mit Ihnen zusammarbeiten zu können. Bleiben Sie dem Natur- und Artenschutz treu und insbesondere den Schutzaufgaben zugunsten des Falco peregrinus.

Zu danken haben wir aber auch dem Lande für stete Hilfe und uneingeschränkte Unter- stützung für das Projekt zur Wiederansiedlung des Wanderfalken und darüber hinaus für die zu leistenden allgemeinen Aufgaben beim Wanderfalkenschutz. Es hat sich -das kann mit Fug und Recht gesagt werden - zwischen der Oberen Naturschutzbehörde und uns, gerade auf diesem Gebiet, ein absolutes Vertrauensverhältnis aufgebaut und gefestigt. Wir danken, wissen dieses zu würdigen und werden uns weiterhin einsetzen für den Schutz des Wander- falken. Dies ist für uns - im Rahmen unserer ehrenamtlichen Naturschutzarbeit - zugleich Verpflichtung.

Wir bitten aber gleichzeitig, uns auch zukünftig zu unterstützen und uns Fördermittel wie im bisherigen Rahmen zukommen zu lassen: für den Schutz der Naturhorste des Wanderfalken, seiner Brutplätze und seines Lebensraumes sowie zur Verbesserung seiner Horstmöglich- keiten. Unsere Arbeit stellen wir ehrenamtlich in den Dienst der Sache! Die Bewachung des Wanderfalken und die Abschirmung seiner Horsträume vor allzu großen Störungen Unein- sichtiger ist auch weiterhin dringend notwendig.

Hier soll auch der Apell an die neuen Bundesländer erlaubt sein -vielleicht darf ich mich hier als Fürsprecher für meine dort tätigen Freunde einsetzen - bei derVerabschiedung der Natur- schutzgesetze und Artenschutzverordnungen dem Wanderfalken die notwendige besondere Berücksichtigung zukommen zu lassen. Damit es Ihnen im Osten Deutschlands gelingen möge, die gewaltige Aufgabe der Wiederbegründung der Wanderfalken-Baumbrüterpopula- tion in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu meistern. Gleiches gilt auch für Ihre Auswilderungs- und Wiederansiedlungsarbeit in der Sächsischen Schweiz - einem der wohl idealsten Wanderfalkenlebensräume auf deutschem Boden, die bereits jetzt schon hoff- nungsvolle Perspektiven einer Rückkehr des Wanderfalken als Brutvogel erkennen läßt. Sie benötigen überall auch und gerade die Hilfe Ihrer Landesregierungen.

Daß mich die Situation des Wanderfalken in allen Regionen interessiert und daß die Wieder- ansiedlung in seinen verwaisten Gebieten eine der höchsten Prioritätsstufen innerhalb des faunistischen Artenschutzes einehmen muß, habe ich wohl schon immer und auch an den 256 verschiedensten Stellen zum Ausdruck gebracht. Doch werde ich es mit besonders dank- barer Freude aufnehmen, wenn Falco peregrinus wieder Brutvogel in meiner alten Heimat ist, in der Sächsischen Schweiz.

Meine Damen, meine Herren, liebe Freunde! Nun darf ich Ihnen abschließend danken für Ihr Kommem nach Eschwege; den Herren Referenten für Ihre exelenten Fachvorträge, welche dieserTagung den entsprechenden Rahmen gaben und meinem Freund GERO SPEER für die hervorragende Tagungs- und Diskussionsleitung. Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen in ganz Deutschland, vom Süden bis zum Norden, vom Osten bis zum Westen, für unsere gemeinsame Sache: den Erhalt des Wanderfalken, Falco peregrinus.

Teilweise unterschiedliche Auffassungen dazu über Konzepte und Vorgehensweisen sind zu respektieren und zu akzeptieren. Differenzen darüber sollten zurückgestellt werden, wenn es nur dem hauptsächlichsten Ziele dient, der Wiederausbreitung sowie dem Schutz und dem Erhalt des - nach KONRAD LORENZ - „Vogels der Vögel". Und wir wissen, daß im Schlepptau lebensfähiger Wanderfalkenräume, also in Felsgebieten, Waldlandschaften, menschlich geprägten und gestalteten Kulturbiotopen und auch in Stadtbereichen andere Tier- und Pflanzenarten ebenso einen Lebensraum, eine Existenz und somit Möglichkeiten zur Vermeh- rung und Ausbreitung finden. So streiten wir also für mehr als nur für den Peregrinus, nämlich auch für eine gesunde, lebenswerte Umwelt und somit ebenso für eine verbesserte Lebens- qualität für den Menschen.

Ich danke Ihnen nochmals sehr, für Ihre Teilnahme an dieser Fachtagung für den Wander- falken.

Anschrift des Verfassers: WOLFRAM BRAUNEIS, Brückenstraße 21-23, 3440 Eschwege

Neue Literatur

NICOLAI, J. (1990): Naturerlebnis Vögel. - 224 S., Farbf., Verlag Gräfe und Unzer, München, ISBN 3-7742-3830-8.

Das großformatige Buch fasziniert auf den ersten Blick durch seine Farbfotos. Sie sind z.T. ganzseitig und zeigen einzigartige Schnappschüsse von besonderer Brillanz. Der Text ist in folgende Kapitel eingeteilt: -Vögel als Weltenbürger, Von Rittern und Minnesängern, Auge in Auge, Über die Kunst des Fliegens, Wanderer zwischen den Welten, Ernährung bestimmt die Lebensweise, Der Vogel in unserer Hand -. Er vermittelt eine Vielfalt an Kenntnissen, die nicht nur für den vogelkundlichen Laien von Interesse sein dürften. Ein Adressen- und Literatur- verzeichnis beschließt den Band. Bei der recht umfangreichen Adressenliste vermißt man leider diejenigen der Staatlichen Vogelschutzwarten. Gerade diese sind tagsüber immer erreichbar, was man verständlicherweise von vielen der angeführten privaten Organisationen nicht erwarten kann. W. KEIL

257 Neue Literatur

KREMER, B. P. (1991): Wiesenblumen. - GU Naturführer, 160 S., 230 Farbf., 30 Farbzeichn., Verlag Gräfe und Unzer, München, ISBN 3-7742-1357-7. AAS, G. &A. RIEDM I LLER (1992): Laubbäume. - GU Naturführer, 160 S., 350 Farbf. u. Zeichn., Verlag Gräfe und Unzer, München, ISBN 3-7742-1486-7. In der Reihe GU Naturführer ist je ein Band über Wiesenblumen und Laubbäume erschienen. Eine bunte Blumenwiese, ein einzel stehender Laubbaum oder gar ein Laubwald, sind auf ihre spezielle Art stets ein imposanter Anblick, der je nach Jahreszeit ein anderes Gesicht zeigt. Blühen und fruchten Wiesenblumen je nach ihrem Lebensrhythmus zu unterschiedlichen Perioden, variiert die Farbe der Laubbäume vom Grün der Knospen über das Grün des Sommers bis zum bunten Laub im Herbst mit seinen braunen, gelben oder roten Tönen, das dann den Boden wie einen bunten Teppich bedeckt. Im Winter sind besonders solitäre Bäume mit ihren oft wie Filigran wirkenden Ästen ein besonderes Naturerlebnis in der schnee- bedeckten Umgebung.

Die beiden Bände helfen, Wiesenblumen und Laubbäume näher kennenzulernen, zu bestimmen und zu schützen. So werden im Bestimmungsteil die wichtigsten (und häufigsten) Vertreter Mitteleuropas beschrieben. Ein individueller Farbcode erleichtert dem Benutzer die besonders bei Wiesenblumen oft nicht einfache Identifizierung. Der letzte Abschnitt gibt Hinweise und Tips, wie z. B. eine Blumenwiese zu behandeln und neu anzulegen ist. Auch Laubbäume sind schützenswert, Neupflanzungen wichtig. Letzteres gilt besonders für den städtischen Bereich. Eine reichhaltige Bebilderung ergänzt den Text. Beide Bücher sind, in jeder Hinsicht eine Bereicherung der eigenen Bibliothek. W. KEIL

SAUER, F. (1991): Meerespflanzen, Meerestiere nach Farbfotos erkannt. - 352 S., 600 Farb- fotos, SW-Schmuckzeichnungen, Fauna Verlag, Karlsfeld. ISBN 3-923010-16-8. Frieder Sauer verfolgt mit seiner Naturführerreihe das ehrgeizige Ziel, die Fauna Europas mit der größten machbaren Vollständigkeit in Bestimmungsfotos darzustellen. Im neuen Meeresführer finden sich neben zahlreichen Meerestieren auch charakteristische Meeres- pflanzen. Die ganzheitliche Darstellung ist sicher richtig, soll das Buch doch als Strandführer an Europas Küsten Dienste leisten.

Vor dem Bestimmungsteil finden sich in einem Übersichtskapitel viele Informationen zu den Charakteristika unserer „europäischen" Meere, den verschiedenen Lebensräumen, zur Entwicklung des Lebens im Meer, eßbaren und giftigen Meerstieren bis hin zur heute alles bestimmenden Zerstörung der Umwelt.

Während manche der im Bestimmungsteil in Text und Farbfoto (jeweils auf Doppelseiten) vorgestellten Meeresbewohner vom Strandläufer im Spülsaum gefunden werden können, braucht man für die Begegnung mit anderen Arten Taucherbrille und Schnorchel (bzw. Sauer- stoffgerät). Diese Erschwernis und kleine Schwächen - die Meeressäuger kommen sehr knapp und wenig repräsentativ vor-sollte jedoch niemanden vom Kauf des Buches abhalten. Es gehört vielmehr zur Grundausstattung eines jeden Urlaubs am Meer. Wer es dort auspackt, zum Nachbestimmen eigener Entdeckungen benutzt und sich anhand der Fotos über die Viel- falt und Faszination der Meeresformen informiert,dem sollte/kann es nicht mehr egal sein, daß unsere Meere als Müllhalden mißbraucht und zu Badewannen einer Überfluß- und Freizeit- gesellschaft degradiert werden. K. RICHARZ 258 STREIT, B. & E. KENTN ER (1992): Umweltlexikon -. 382 S., 36 farb. Abb., zahlr. SW-Abb. im Text.-Verlag Herder, Freiburg i. Br., ISBN 3-451-22679-0.

Dem Umweltschutz und den damit in Verbindung stehenden Problemen wird in der Öffent- lichkeit ein ständig zunehmender Stellenwert eingeräumt. Dies gilt für Umweltbelastungen ebenso wie für den Artenschwund unserer Tier- und Pflanzenwelt, dem Naturschutz und den daraus resultierenden gesetzlichen Bestimmungen. Sie alle sind mehr und mehr brisante Themen rund um den Erdball. Hand in Hand mit dieser Entwicklung wurden auch Begriffe verwendet, die vielen unbekannt sind und daher entsprechender Definition bedurften. Es war naheliegend, in einem speziellen Lexikon die in Zusammenhang mit Umweltfragen stehenden Redewendungen vorzustellen und zu erläutern. Das jetzt veröffentlichte Umweltlexikon des Herder-Verlages füllt diese Lücke vorbildlich aus. Unter Mitarbeit einer Reihe von Fachwissen- schaftlern werden knapp 6000 Ausdrücke erläutert. Dabei geht es u. a. um solche aus Biologie, Ökologie, Chemie und Physik, um Radioaktivität, Umwelttoxikologie, Emission und Immission, um die in Deutschland lebenden Tier- und Pflanzenarten (Lebensweise, Bedro- hung, Schutzstatus), sowie um Fragen des Natur- und Landschaftsschutzes, der Biosphären- reservate und einschlägige gesetzliche Bestimmungen. Auch die zuständigen Behörden und Umweltorganisationen werden genannt. Der Benutzer dieses Nachschlagewerkes wird umfassend informiert. Diese Publikation ist für den interessierten Laien und für Umweltver- bände ebenso wertvoll wie für Behörden und Dienststellen, Schüler und Studenten. Sie sollte in keinem Bücherschrank fehlen. W. KEIL

VOIGT, K. E. (1991): Interaktionen zwischen der Hauskatze und der einheimischen, frei- lebenden Vogelwelt. - 273 S., Verlag Ferber'sche Universitätsbuchhandlung, Gießen. ISBN 3-927835-17-X. Der Titel des Buches verspricht Untersuchungsergebnisse/Lösungshinweise zur sattsam bekannten und in jedem Frühjahr neu aufflackernden Diskussion, ob bzw. in welcher Weise unser „Haustiger" Einfluß auf die Populationsentwicklung einheimischer Vögel nimmt. Leider ist man nach dem Lesen der umfangreichen Abhandlung, die wohl als Dissertation verfaßt wurde, nicht viel schlauer als vorher. Einen breiten Raum nehmen die Recherchen zum Thema Katze-Vogel in der Geschichte, der geschichtlichen Entwicklung des Tier- und Vogelschutzes, aktuellen Rechtsprechnung sowie das (unvollständige) Zusammenstellen von Literaturstellen (z. B. fehlen die wichtigen Beiträge von LÜPS) ein. Die verheerenden Auswirkungen ver- wilderter Hauskatzen auf Insel(avi)faunen sind bekannt, aber kaum mit der Rolle der Haus- katze in mitteleuropäischen (Festlands-)Biozönosen vergleichbar. Auch ist es klar, daß unter zahlreichen beringten Vögeln einige Wiederfunde über das Erbeuten durch Katzen zu Stande kommen. Der Eigenbeitrag der Autorin zum Thema ist eine Fragebogenerhebung, die zum Ergebnis hat, daß sich Katzenbesitzer eher zugunsten der Katzen, Nicht-Katzenhalter eher zugunsten der Vögel entscheiden. Dem Rezensenten und anderen regelmäßigen (und leidgeprüften) Telefonanrufbeantwortern zu Katzen-Singvogelfragen hilft das Buch nicht weiter. K. R ICHARZ

259 FRISCH, 0.v. (1992): Gartenvögel. - 64 S., 50 Farbf., 30 Zeichn., Verlag Gräfe und Unzer, München, ISBN 3-7742-1692-4.

In der GU-Tierratgeber-Reihe wird jetzt ein Bändchen vorgestellt, welches sich mit Anlei- tungen und Hinweisen für einen vogelfreundlichen Garten befaßt. Dies bedeutet letztlich den Gartenvögeln Lebensbedingungen zu schaffen, die zu jeder Jahreszeit zum Verweilen einladen. Meist fehlen Nistmöglichkeiten und Nahrungsgrundlage. So wird einleitend einiges über das Vogelleben im Garten gesagt. Es folgen Kapitel über eine vogelfreundliche Gestal- tung von Garten, Haus und Balkon, Nisthilfen am Haus und im Garten, Winterfütterung, Vogel- beobachtung, Hilfe für Vögel in der Not (z. B. Behandlung aus dem Nest gefallener Jungvögel, verletzte und kranke,Tod an Glasscheiben). Ein Register,Adressenverzeichnis (hier fehlen u.a. die Anschriften der Staatlichen Vogelschutzwarten). Dem Text beigegeben sind einige sehr informative Tabellen und eine Auswahl guter Vogelfotos. Aus dem GU-Ratgeber lassen sich gute Tips für den interessierten Gartenfreund entnehmen. W. KEIL

DAY, CHR. (1992): Homöopathischer Ratgeber Heimtiere. - 224 S., 6 Grafiken, BLV-Verlags- gesellschaft München; ISBN 5-405-14270-9.

Die Homöopathie gewinnt in den letzten Jahren immer mehr Raum bei der Behandlung von Krankheiten. Hier wird versucht, mit kleinsten Dosierungen, meist auf pflanzlicher Basis beru- henden Extrakten, Heilung zu erzielen. Dieser Trend wird dadurch verstärkt, weil die vor allem auf chemischer Basis beruhenden Medikamente durch ihre möglichen Nebenwirkungen in die öffentliche Diskussion geraten sind. Aber nicht nur beim Menschen nimmt die Anwendung alternativer Heilmethoden zu, sondern auch Haustiere werden immer öfter mit solchen Mitteln behandelt. Leider ist die Zahl der Tierärzte noch relativ gering, die mit entsprechender Fach- kenntnis diese Behandlungsweisen anwenden können. Viele Heimtierhalter neigen bei nicht lebensbedrohenden Krankheiten dazu, ihre Tiere mit „Hausmitteln" selbst zu behandeln. Der Autor vorliegenden Buches, ein englischer Tierarzt, behandelt seit vielen Jahren seine Patienten mit homöopatischen Methoden. Im Mittelpunkt stehen u. a. Hund, Katze, Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen und Vögel. In 17 Kapiteln wird der Leser über Behandlungs- methoden, Beschreibung der homöopatischen Mittel, ihre gezielte Anwendung, Besonder- heiten, Vorsorgemaßnahmen und Erkrankungen unterrichtet, die bei ganz bestimmten Heim- tieren auftreten. Der Anhang besteht aus 10 Abschnitten, die u. a. Fachbegriffe erklären, ein lateinisch-deutsches Verzeichnis der Medikamente vorstellen, sowie über die häufigsten Potenzen der Heilmittel informieren. Ferner findet man ein Adressen- und Zeitschriftenver- zeichnis ebenso wie einschlägige Literatur. Homöopathie in Forschung und Schulmedizin, Hinweise zum Aufbau einer entsprechenden Hausapotheke, sowie ein Register und weitere Anhangkapitel. Das Buch ist nicht nur eine gute Informationshilfe, sondern bietet auch - in gewissem Rahmen - die Möglichkeit zur Selbstbehandlung, was nicht ausschließt, daß in Zweifelsfällen und bei lebensbedrohenden Zuständen ein Tierarzt hinzugezogen werden sollte. Das Buch wird sicher seinen Interessentenkreis finden. W. KEIL

260 Il \

Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

Band 7 Heft 5-6: 261-368 Oktober 1993 Inhaltsverzeichnis Seite

Berichte

K. RICHARZ: Schwerpunktthema: Artenschutz an Gebäuden 263

J. KÄMPFE: Umweltschutz beim Bauen in Hessen 264

M. KÖHLER: Grüne Wände - Artenschutz durch Fassadenbegrünung? 267

M. GÖDDE: Zum Erhalt bedrohter Mauerpflanzenbestände 275

A. VON DER HEIDE: Gebäude als Wohnraum von Stechimmen 279

H. ANHÄUSER: Falken als Gebäudebrüter 289

K. RICHARZ: Fledermausschutz an Gebäuden 293

E. KAISER: Schutzmöglichkeiten für Mauersegler 307 G. BINKER: Lösungsvorschläge zum Konflikt „Holzschädlingsbekämpfung / Fledermäuse" 313

G. JUNG: Artenschutzbelange aus der Sicht der Denkmalpflege 319

0. DIEHL: Bemerkungen zur Ansiedlung von Schleiereulen in Gebäuden 321 U.VON HALDENWANG & A. HARBODT: Schwalben - nicht gesellschaftsfähig? Zum rechtlichen Schutz von Mehlschwalben 325 U. WOLF: Kommentar zu den Artenschutzbelangen aus der Sicht von Wohnungsbaugesellschaften 329 A. NORGALL: Dokumentation der Greifvogel-Populationsuntersuchungen in Hessen von 1984 bis 1992 331

A. ENSGRABER: Hessens neue Naturschutzgebiete (22) 351

Mitteilungen

Die Redaktion: Willy-BAUER-Preis für Naturschutz in Hesssen erstmals verliehen ... 358

Mitteilung der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt 359

C. M. WIELAND: Die Natur 327

Persönliches

H.-J. BÖHR, H.-P. GOERLICH &W. SCHÜTZ: Hans-Jürgen Reiter zum Gedenken .... 361

0. JOST: Erich Heider (1914 -1993) 362

Neue Literatur: 274, 278, 288, 292, 306, 312, 318, 328, 349, 350, 365, 366

Manuskriptrichtlinien 367 262 Schwerpunktthema: Artenschutz an Gebäuden

Wir Menschen haben dem blauen Planeten Erde mit unserer Vermehrungsfreudigkeit, unserem ausbeutenden Verhalten und einer weltumspannenden Urbanisierung den Stempel aufgedrückt. Seit etwa 200 Jahren konzentriert sich die rasch anwachsende Menschheit in Städten. Und die Tendenz ist steigend. Während um 1900 erst etwa ein Siebtel der Welt- bevölkerung in Städten lebte, ist es heute die Hälfte aller Menschen. Von uns Westeuropäern sind sogar drei Viertel Städter. Nicht nur natürliche Lebensräume wie etwa die unersetzlichen Tropenwälder fallen dem menschlichen Flächenhunger zum Opfer. Auch die bei uns über viele Generationen gewach- senen Kulturlandschaften mit all ihrer Artenvielfalt und -fülle müssen sich ausbreitenden Siedlungen, Industrie-, Verkehrs- und Freizeitflächen sowie einer agroindustriellen Land- nutzung weichen. Die Folgen sind fatal. Und sie sind bekannt! Mit sich abzeichnenden Klima- katastrophen, besorgniserregendem Wassermangel bei zunehmender Verschmutzung der natürlichen Ressourcen, Bodenerrosionen, schlechter Luft und galloppierendem Arten- schwund präsentiert uns die Natur die Rechnung. Die Zeit ist überreif für ein grundlegendes Umdenken und aktives Handeln. Natur- und Arten- schutz können schon längst nicht mehr sektoral betrachtet und betrieben werden. Nur ganzheitliche Ansätze bergen noch die Chance, unser schlingerndes Raumschiff „Erde" wieder auf Kurs zu bringen. Eine moderne Naturschutzpolitik berücksichtigt diese Prämisse. Die hessische Landesregierung hat den ganzheitlichen Ansatz zur Grundlage ihres Handelns erklärt. Für den Teilsektor Wohnungsbaupolitik bedeutet dies, daß die Hessische Bauordnung (H BO) in ihrer Neufassung einen Schwerpunkt bei den Umweltschutzanforderungen und bei der Ökologisierung des Bauens haben wird. In die neuen Technischen Wohnungsbau-Richt- linien 1993 sind bereits umfangreiche Umwelt- und Naturschutzforderungen eingeflossen. Wie bei allen Gesetzen und Empfehlungen hängt die erfolgreiche Umsetzung aber ganz wesentlich von deren Akzeptanz ab. Die Staatliche Vogelschutzwarte hat sich deshalb zusammen mit dem Naturschutzzentrum sehr frühzeitig bemüht, durch die Veranstaltung einer zweitägigen Fachtagung zum Thema „Artenschutz an Gebäuden" Fakten und Ideen auszutauschen und über die vorliegende Publikation weiteren Kreisen bekannt zu machen. „Mehr Natur im Wohnumfeld" ist ein ständiger Arbeitsschwerpunkt unserer Tätigkeit. Zahlreiche Folgeveranstaltungen in der Vogelschutzwarte und anderswo mit den unter- schiedlichsten Zielgruppen - von Schulkindern bis hin zur Bauaufsicht, den Architekten und Wohnungsbaugesellschaften - geben zur Hoffnung Anlaß, daß sich in unseren Köpfen etwas zu ändern beginnt, vielleicht hin zu etwas mehr Verständnis und Toleranz für unsere wilden Mitbewohner. Die Natur würde sich dafür bedanken. Mit besseren Lebensbedingungen für uns und Balsam für unsere Seelen.

Dr. KLAUS RICHARZ

263 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 264-266 (1993)

Umweltschutz beim Bauen in Hessen* von JÜRGEN KÄMPFE, Wiesbaden

Wir alle, insbesondere Bund, Länder und Gemeinden sind aufgerufen dazu beizutragen, daß die Belange des Umweltschutzes beim Siedeln und beim Bauen beachtet und durchgesetzt werden. Anforderungen der Umweltvorsorge und des Umweltschutzes müssen zum festen Bestandteil aller Bauüberlegungen werden. Ökonomie und Ökologie schließen sich nicht aus. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit müssen in einer ganzheitlichen Abwä- gung mit ökologischen Anforderungen bei jeder Entscheidung einbezogen werden.

1. Städtebau Die industrielle Entwicklung, die dichte Überbauung und die Ausweitung des Verkehrs haben das Bild der Landschaft verändert. Die Luft-, Wasser- und Bodenbelastungen eskalieren. Die Regenerationskräfte der natürlichen Umwelt sind erheblich geschwächt. Die gesundheit- lichen Gefährdungen der Stadtbewohner sind gestiegen. Die Abfall-Lawine schwillt an, der Autoverkehr verursacht immer größeren Landschaftsverbrauch. Die ökologische Erneuerung unserer Städte und Dörfer ist deshalb ein unerläßlicher Beitrag zur Sicherung der Lebens- grundlagen für den Menschen, der Tier- und Pflanzenwelt. Stadtökologie heißt, die Stadt, ihr Umland, die bebaute Fläche, die Freifläche, die städtischen Stoff- und Energieströme in Einklang zu bringen mit den ökologischen Gegenwartsforderungen an die Lebensqualität des Wohnens, der Berufswelt und der Freizeit. Ökologisches Planen heißt, in vernetzten Systemen ein sinnvolles, gesamtwirtschaftlich wirk- sames und für den Nutzer akzeptables, verständliches und nachvollziehbares Handeln zur Grundlage aller Überlegungen werden zu lassen. Die Landesentwicklung, das Wohnen, die Landwirtschaft, den Forst und den Naturschutz ineinander zu vernetzen und ein einheitliches Vorgehen zu praktizieren, ist eine der Hauptauf- gaben der Hessischen Landesregierung. Deshalb hat sie diese Fachgebiete in einem Ministe- rium zusammengefaßt. Der ganzheitliche Ansatz, den Staatsminister Jörg Jordan in Hessen bei der ökologischen Erneuerung der Gesellschaft sucht, kann nur in Einzelschritten und Einzelmaßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehört, daß die städtebauliche Rahmenplanung als flexibles, alle Fachplanungen integrierendes Planungsinstrument eingesetzt wird, um von einer quantitativen zu einer qualitativen Bewertung der Nutzungs- und Flächenansprüche zu gelangen.

Zu den ökologischen Handlungsfeldern gehören:

- schonender Umgang mit dem Grund und Boden, - Reduzierung von Lärm und Abgasen, - Verbesserung des Stadtklimas, Einsparung von Energie, - Reduzierung von Wasser- und Abwasserverbrauch,

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und Natur- schutzzentrum Hessen. 264 - Verminderung und Vermeidung von Abfall, - Verwendung umweltfreundlicher, ressourcenschonender und gesundheitsverträglicher Baustoffe.

Zu den Vollzugsdefiziten gehören: - Überkommene Wertvorstellungen, Informationsdefizite, Unsicherheiten in der Bewertung von Umwelteinflüssen. Reibungsverluste im Verwaltungsablauf, beschränkte Finanzen sind die Ursachen für die Nichtbewältigung stadtökologischer Probleme, - Zur Erhöhung der Akzeptanz von ökologischen Zielen muß eine intensive Öffentlichkeits- arbeit erfolgen, - Der ganzheitliche ökologische Ansatz steht im Widerspruch zur Spezialisierung der Fach- planungen, - Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, öffentliche Investitionen, Förderungsprogramme bilden die wesentliche Grundlage zur Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen.

2. Hessische Bauordnung (HBO) Die anstehende Neufassung der Hessischen Bauordnung muß den umweltpolitischen Zielen Rechnung tragen. Dabei muß im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung auf Regelungen in anderen Fachgesetzen Rücksicht genommen werden. Dies gilt z. B. für das Baugesetzbuch, das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Chemikaliengesetz, die Gefahrstoffverordnung sowie die Natur-, Wasser- und Abfallgesetze des Bundes und der Länder. Unter Berücksichti- gung dieser Belange wird die für 1993 vorgesehene HBO einen Schwerpunkt bei den Umwelt- schutzanforderungen und bei der Ökologisierung des Bauens in Hessen haben.

Zu beachten sind: - Schonung der natürlichen Ressourcen, - Erhaltung der Lebensgrundlagen, - Verantwortung für die Lebensqualität kommender Generationen, - ein rationeller Umgang mit Wasser und Energie, - die Vermeidung von Abfall, Verwertung anfallender Stoffe, Wiederverwendung von Nieder- schlagswasser, - sichere Abwasserversorgng und daß - der Flächenverbrauch, die Bodenversiegelung gering gehalten werden, - die Unternehmer, Architekten und Bauherren ihre Leistungen so auszuführen haben, daß ökologische Belange berücksichtigt werden.

3. Technische Wohnungsbau-Richtlinien 1993

In der Neufassung der Technischen Wohnungsbau-Richtlinien vom 17. August 1992, die ab dem Förderungsprogramm 1993 gelten, sind folgende Umweltschutzanforderungen für den sozialen Wohnungsbau enthalten.

Für den städtebaulichen Teil die Anforderungen, die sich aus Nr.1 ergeben. Im weiteren sind folgende ökologische Forderungen enthalten: - Hochwasserschutz, Speicherung und Versickerung von Niederschlagswasser durch Bodenmulden, Kleinspeicher auf dem Grundstück, - die Grundstücksversiegelung ist auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren, - überschüssiger Erdaushub ist gering zu halten, 265 - Bodenverdichtungen im unbebauten Bereich sind zu vermeiden, - Teile von Freiflächen sind der natürlichen Entwicklung zu überlassen, - auf Freiflächen sollten nach ökologischen Kriterien, z. B. Teiche, Hecken angelegt werden, die der heimischen Fauna und Flora als Lebensraum dienen, - das Aufbringen von Torf, Mineraldünger und ökologisch bedenklicher Insektizide und Herbizide ist zu unterlassen, - Fassaden sollen, soweit städtebaulich vertretbar, begrünt werden, - bei Dachneigung bis 45° soll eine Dachbegrünung angestrebt werden, - an und auf Gebäuden sowie bei der Freiflächengestaltung sollen Nist- und Einflugmöglich- keiten/Ruheplätze für Tierarten angebracht oder vorgehalten werden, - vorhandene Nistplätze und Quartiere sollen erhalten und gesichert werden, - Mehrfamilienhäuser müssen einen Heizenergiekennwert von 75, Einfamilienhäuser von 85 KWh (a m2) Wohnfläche einhalten. - Es sollen nur Baustoffe verwendet werden, die hinsichtlich ihrer Gewinnung, Verarbeitung, Funktion und Beseitigung eine hohe Gesundheits- und Umweltverträglichkeit aufweisen.

Nicht verwendet werden dürfen: - Bauteile aus Tropenholz, asbesthaltige Baustoffe, verstärkt radioaktive Baustoffe, PCB- haltige Baustoffe, unter Einsatz von FCKW hergestellte Baustoffe, Zu.- und Abwasser- leitungen aus PVC, Fußbodenbeläge und Tapeten aus PVC, ab 1. Januar 1995 Fenster- und Türprofile aus PVC. - Aluminiumbauteile dürfen nur noch verwendet werden, wenn es dafür keine Ersatzbau- stoffe gibt. Es sind Baustoffe vorzusehen, die mit dem geringstmöglichen Einsatz und Ge- halt von Formaldehyd hergestellt sind. Der Einsatz chemischer Holzschutzmittel ist auf das geringste notwendige Maß zu beschränken. Im Innenbereich sind Holzschutzmittel zu ver- meiden. Es sind umweltverträgliche, lösemittelfreie Oberflächenbehandlungs-, Anstrich- und Klebstoffe zu verwenden. Abbruchsarbeiten sind recyclinggerecht durchzuführen.

Zusammenfassung Der Umweltschutz hat im Vergleich zu früher einen hohen Standard erreicht. Ein ausgeprägtes Umweltbewußtsein setzt sich zunehmend in allen gesellschaftlichen Bereichen durch.Szena- rien der künftigen Entwicklung zeigen, daß die gesellschaftlichen Gruppierungen verstärkt gefordert sind. Nur wenn breite Kreise der Bevölkerung den Umweltschutz akzeptieren, können politische Ziele umgesetzt werden. Die neue Hessische Landesregierung hat sich ein ehrgeiziges ökologisches Konzept zur Umgestaltung der Gesellschaft vorgenommen. Die Bemühungen im Städtebau, der hessischen Bauordnung und technischen Forderungs- voraussetzungen im sozialen Wohnungsbau sind nur ein kleiner, aber bedeutender Bereich der zur Ökologisierung des Baubereiches führt. Die Verpflichtung zum Umweltschutz wird auch die große Herausforderung für die Bauwirtschaft. Hinter allen Umweltaktivitäten sollte eine Denkweise stehen, die den oft beschworenen Gegensatz zwischen Ökonomie und Öko- logie nicht gelten läßt. Umweltschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Eine Harmonisierung zwischen den Fragen der Ökonomie und Ökologie ist unumgänglich. Die Aufnahme umweltorientierter Ziele in das unternehmerische Zielsystem sollte als Chance zur Verbesserung der Ziel- erreichung ökonomischer Ziele angesehen werden.

Anschrift des Verfassers: MR JÜRGEN KÄMPFE, Hess. Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, Friedrich-Ebert-Allee 12, 65185 Wiesbaden 266 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 267-274 (1993)

Grüne Wände - Artenschutz durch Fassadenbegrünung?* von MANFRED KÖHLER, Bremen

1. Fassadenbegrünung - eine Literaturübersicht -

Der für Flora und Fauna extreme Standort „Gebäude" wird seit etwa einem Jahrzehnt zuneh- mend von Stadtökologen bearbeitet. In der Nähe zu Gebäuden sind drei funktional und ökolo- gisch unterschiedliche Bereiche unterscheidbar, die in unmittelbarem Austausch stehen und zwar die Hof-, Dach- und Fassadenstandorte. In dieser Abhandlung wird der Schwerpunkt auf dem letztgenannten Punkt liegen.

Die Literaturauswertung über Fassadenbegrünung seit Beginn diesesJahrhunderts (Garten- zeitschriften, wissenschaftliche Arbeiten, kommunale Veröffentlichungen) ergab folgende inhaltliche Schwerpunkte in den analysierten Abhandlungen: Vereinfachend können die Arbeiten in drei Gruppen eingeteilt werden und zwar:

- Arbeiten über botanische und züchterische Besonderheiten (a), - gartenkünstlerische Darstellungen besonders auffälliger bzw. gelungener Objekte (b) - sowie die Erfassung von Arbeiten, die einen ökologisch-bauphysikalischen Schwerpunkt (c) haben.

Als Kurvenfunktion ist die allgemeine Zunahme von Veröffentlichungen in diesem Zeitraum angelegt.

Als charakteristisches Merkmal dieses Zeitraumes sind zwei Interessenmaxima nachweisbar: eins liegt um die Jahrhundertwende, das zweite liegt in den letzten zehn Jahren. In beiden Spitzenzeiten der Fassadenbegrünung wurden botanische und züchterische Arbeiten etwa in gleichem Umfange vorgestellt. Regelmäßig lag ein großes Interesse an entsprechend prak- tischen Begrünungsbeispielen vor. Das Neue in der Phase der letzten zehn Jahre ist im verstärkten Interesse an wissenschaftlich-ökologischen Erkenntnissen über Hausbegrünung zu sehen. Daraus läßt sich ableiten, daß Fassadenbegrünung zunehmend unter einem funktio- nalen Aspekt „zur Verbesserung der Umweltsituation in den Städten" gepflanzt wird.

Aus diesen Veröffentlichungen läßt sich zusammenfassen:

a) Es gibt eine Palette von etwa 50 geeigneten Pflanzenarten, von sowohl einheimischen als auch von Zierarten, für die bei Berücksichtigung von Kletter- und Wuchsverhalten für (fast) jedes Haus eine entsprechende Lösung gefunden werden kann (vgl. KÖHLER et al. im Druck). b) Durch Kletterpflanzen wird eine Reihe von Effekten erzielt, die bei sachgerechter Anwen- dung sowohl für das Gebäude, als auch für die angrenzenden Flächen ökologisch und bauphysikalisch positiv anzusehen sind (vgl. Tab. 1).

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und Natur- schutzzentrum Hessen. 267

Anzahl der Veröffentlichungen pro 5-Jahresprogramm Ä 92- / 88- ' 19 84- 80 - /22 76 - / / 72 - / 68- .15 64- 60- 56- 52- 48- 44- 40- 36- 32- 28- 24-

20- 11 16- 14 15 12- 4 8- 5 5 4-

O irr o O Jahre Lx" O c0 r-.. co cn cn r...1 (.4 rn en st •-.7 to N- GO O 0) 1 I 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 I 1 1 1 1 1 1 1 1 I I 1 •-- CO •-• CO e- 1.01 gr- CO CO e-- CC) CO •-••• CO t0 r CO CO CO CO t0 r-. co o0 on r.4 1, OD 1 1.0 Lt, CO 1.0 11 CO CO gr- 0)

1 BOTANISCHE UND ZÜCHTERISCHE ARBEITEN

BEISPIELE FÜR HAUSBEGRÜNUNGEN

OKOLOGISCH - BAUPHYSIKALISCHE ARBEITEN

Abb. 1: Arbeiten über Fassadenbegrünung - Literaturauswertung

268 c) Ein objektplanerischer Schwerpunkt der letzten Jahre liegt in der Darstellung von „fach- gerechten Ausführungen". Nachdem im Zuge der „Ökologisierungswelle" die sehr unpro- blematische und kostengünstige Begrünung mit Direktbegrünungen im Vordergrund stand, sind in diesem Rahmen einige Baufehler gemacht worden, wie z. 8. falsch dimensionierte Kletterhilfe, unprofessionelle Befestigungstechniken, Hinterwachsen von vorgesetzten Wärmedämmschichten. Neuere Veröffentlichungen versuchen hier gezielt zu informieren, daß eine Begrünung mit Gerüstkletterern so ausgeführt sein muß, daß sie langfristig ihre Funktion erfüllt. Hierzu sind entsprechend verwitterungsgbeständige Kletterhilfen notwendig, die entsprechend professionell montiert werden müssen. Bei entsprechender Langlebigkeit rechnen sich diese Investitionen für Bauträger.

Tabelle 1: Qualitativer Vergleich der Effekte von Fassadenbegrünungen (vor allem nach BARTFELDER & KÖHLER 1987, KI ESSL & RATH 1989) - Argumente für Fassa- denbegrünungen -

unbegrünt begrünt

zusätzliche Wärmedämmung 0 • Filterfunktion von Luftverunreinigungen 0 • Ausgleich von Temperaturextremen an Gebäudeoberflächen 0 • Abhalten von mechanischen Belastungen, z. B. Schlagregen 0 • Schaffung ökologischer Nischen für Tiere 0 •

Qualitative Einschätzung nicht / bzw. gering 0 hoch •

2. Botanisch-vegetationskundlicher Artenschutz Mengenmäßig ist der Wilde Wein (Parthenocissus tricuspidata) die am häufigsten verwendete Kletterpflanze in Mitteleuropa.Von großer Bedeutung sind darüber hinaus Blauregen (Wisteria sinensis) und Knöterich (Polygonum aubertii), die letztgenannte Pflanze ist insbesondere bei Hochbauarchitekten besonders beliebt und wird vermutlich mangels der Kenntnis weiterer Arten sehr häufig gepflanzt. Unter funktional-technischen Gesichtpunkten ist die gewünschte Biomasse der Fassaden- begrünungen durch eine möglichst nach Expositionen differenzierte Pflanzenauswahl anzu- streben. Die Kenntnis der heimischen Arten und der Zierarten ist hierbei notwendig. Die Palette der geeigneten heimischen Lianen ist relativ gering im Vergleich mit tropischen Regionen. In der mitteleuropäischen Flora sind insbesondere die Gemeine Waldrebe (Clematis vitalba), Jelängerjelieber (Lonicera periclymenum) sowie Efeu (Hedera helix) wegen ihrer Wuchshöhe von Bedeutung. Darüber hinaus wird der Neophyt Hopfen (Humulus lupulus) häufig hinsichtlich seiner Eignung unterschätzt und zu wenig gepflanzt. Diesen Arten ist gemeinsam, daß sie einen natürlichen Verbreitungsschwerpunkt in Auwäldern haben. Sie kommen verstärkt an Gehölzsäumen und an Lichtungsrändern vor, sowie sekundär als „Störungsanzeiger auch auf Stadtbrachen (BARTFELDER & KÖHLER 1987). Aus der Stand- ortbeschreibung heraus läßt sich ableiten, daß diese Arten zur Begrünung von Gebäuden geeignet sind, sofern bei der Pflanzung verschattete Pflanzstellen berücksichtigt werden. 269 Eine vollständige Übersicht heimischer Lianen in Mitteleuropa ist in WILMANNS (1983) enthalten. Aus dieser Liste ist die Bedeutung der Spreizklimmer (z. B. Brombeerarten) hervor- zuheben, die unter Artenschutzaspekten vor allem bei kleiner dimensionierten Begrünungen stärker berücksichtigt werden sollten. Der größte Teil dieser Lianen ist im Bereich der krautigen Arten zu finden, wie beispielsweise etwa 23 heimische Wickenarten (Vicia spec.). Botanischer Artenschutz ist an dem Extremstandort Gebäudefassaden somit nicht zu erreichen, denn die Arten befinden sich hier meist an physiologisch wie ökologisch subopti- malen Standorten. Hier sind robuste und „stadtresistente" Arten gefragt, die es unter diesen Bedingungen (noch) aushalten.

Unter dem Vielfältigkeitsaspekt wären auch eine Reihe von nicht-heimischen Arten zu erwähnen. Das Sortiment mit zahlreichen Züchtungen, z. B. in der Clematis-Gruppe, ist sehr vielfältig und kann hier nicht näher vorgestellt werden. Da Fassadenbegrünung nicht nur ökologische Funktionen zu erfüllen hat, sondern durch eine differenzierte Artenwahl zu einer verstärkten Identifikation für die Bewohner der Gebäude führen kann, wird an dieser Stelle auf die umfangreicheren Sortenübersichten z. B. bei MENZEL (1988) verwiesen.

3. Zoologischer Artenschutz

Die Analyse der Veröffentlichungen in Hinblick auf die Fauna zeigt, daß es auf diesem Sektor erst eine sehr geringe Anzahl von Veröffentlichungen gibt. In der Tab. 2 sind die uns bekannten Arbeiten zur Fauna von Fassaden-und Dachbegrünung zusammengefaßt, darüber hinaus gibt es einige Arbeiten über synanthrope Teilsiedler in den Gebäuden, die bei der potentiellen Besiedlung der Fassadenstandorte ebenfalls Informationen bieten (vgl. Übersicht bei KLAUSNITZER 1987).

Tabelle 2: Untersuchungen „Tiere in Fassaden- und Dachbegrünungen"

Bearbeitungsgegenstand Bearbeiter (Veröffentlichungsjahr)

Fassaden- Dachbegrünung begrünung

DARIUS / DREPPER 1983 KÖHLER / BARTFELDER 1987/1988 KLAUSNITZER 1987 1988 JOGER / VOWINKEL 1988 1992 HIRSCHFELDER u. ZUCCH I 1992 HAGEDOORN / ZUCCHI 1989 KYTZLER u. WULZBERG 1992

noch nicht abgeschlossen: KOLBE x KÖHLER x weitere Arbeiten?

270 Aus den o. g. Veröffentlichungen läßt sich folgendes Zwischenergebnis ableiten: Fassadenbegrünung beinhaltet unter dem Aspekt des Artenschutzes für Tiere eine Ver- größerung der Gebäudeoberfläche mit einer zunehmenden Anzahl an Nischen und Nahrungsmöglichkeiten. Diese Pflanzen bieten z. B. Schutz vor direktem Niederschlag und Sonneneinstrahlung, die Blüten bieten Nektar, mit zunehmendem Alter der Pflanzen entstehen Altholzstrukturen, die von Holzbewohnern aufgesucht werden können und im Vergleich zu denen der Verkehrssicherungspflicht unterliegenden Stadtbäumen einen zunehmenden Totholzanteil aufweisen können.

3.1 Bisherige faunistische Erkenntnisse Besonders auffällig sind avifaunistische Besiedlungen von Fassadenbegrünungen, regel- mäßige Funde in Berlin sind in Wildem Wein und im Efeu: Haussperlinge, Grünfinken, Haus- rotschwänze und Amseln als Nahrungs- z.T. auch als Brutvögel. Das in Begrünungen gefangene Tierartenspektrum wurde bis auf Artebene bei den Käfern, den Spinnen und den Fliegen bearbeitet (BARTFELDER &KÖH LER 1987). Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist, daß die meisten Arten sehr klein sind, d.h. nicht über 2 mm groß sind. Ana- lysiert man die dominierenden Arten (mit Individuenzahlen größer 5%), dann gibt es bei den Dipteren keine Arten, die speziell an Fassaden gebunden sind. Diese Tiere suchten die Fangschale überwiegend zur Eiablage auf. Bei den Spinnen sind es von vier dominanten Arten zwei Arten und bei den Käfern können von den sechs dominierenden Arten fünf als typisch für Fassadenbegrünungen genannt werden. Dies sind im einzelnen der Pochkäfer (Ochina ptinoides), der Kräuterdieb (Ptinus fur), der Rapsglanzkäfer (Meligethes aeneus), der Pochkäfer (Mesocoelopus niger) sowie der Diebskäfer (Ptinus sexpunctatus). In der Arbeit von KÖHLER (1988) wurde die Bedeutung des Umfeldes herausgestellt. Es ist bei der Besiedlung

Abb. 2: Begrünte Fassaden als Lebensraum für Tiere; in Anlehnung an BARTFELDER & KÖHLER 1987, HAGEDOORN & ZUCCHI (1989) u. JOGER (1989).

Mauer und deren Moospolster und Nischen Spalten / Höhlen Struktur Mauerspaltenbewuchs

Leiobunum Ceciliodes Camisia Lepthyphantes Anommatus Polyxenus

Fassadenpflanzen Blüten Alt-/Totholz Blätter

Apis Ochina Salticus Syrphus Philodromus Nigma Vanessa Ptinus Anobium

Pflanzen am Gräser Streu Kräuter Mauerfuß

Limax Lycoria Opilio Erigone Anthocoris Tetramorium Eupteryx

271 von großer Bedeutung, ob sich die Pflanzen in der Innenstadt in isolierter Lage oder am Stadt- rand in einem parkartigen Gelände befinden. Neben einer Vielzahl von Pionierarten mit weit- gespannter Lebensraumamplitude leben in Fassaden- wie auch auf Dachbegrünungen eine Reihe von Spezialisten. Der Anteil dieser, gerade auf derart extreme Standorte angewiesene Tiere nimmt dann zu, wenn die Hausbegrünungen nicht isoliert von übrigen Grünstrukturen liegen (vgl. JOGER & VOWINKEL 1992, KYTZLER & WULZBERG 1992, HIRSCHFELDER & ZUCCHI 1992). Zur Verdeutlichung des Systemzusammenhanges zwischen Bewuchs des Mauerfußes, der Fassadenbegrünung und der Struktur der Wand sind in der folgenden Abbildung 2 die charakteristischen Besiedler aufgeführt. Die immer wieder geäußerte Gefahr von Schädlingen in Fassadenbegrünungen wurde von HAGEDOORN & ZUCCHI (1989) so beantwortet: Nur ein Promille der gefangenen Arten sei als „Schädlinge" im weiteren Sinne einzustufen. Kleinsäuger können Fassaden als Kletterhilfe benutzen und so u.U. nicht nur ebenerdig in Einzelfällen in Wohnräume gelangen. Biologisch interessant ist die Zusammenstellung (Abb.3) über die Nahrungsbeziehungen, d ie sich in Fassadenbegrünungen einstellen. Fassadenbegrünung ist somit als ein Teilsystem im Sinne von Kreislaufbeziehungen in städtischen Lebensgemeinschaften einzustufen.

Abb. 3: Nahrungsökologische Gruppen in Fassadenbegrünungen (aus: HAGEDOORN & ZUCCHI 1989).

Saprophage Collembola Psocoptera Cryptonagidae Lathriidae Endomychidae

Phytophage Pflanzensaftsauger: Homoptera Thysanoptera

Blattfresser: Otiorhynchus sulcatus Longitarsus succineus Chrysomelidae Blütenbesucher: Meligethes aeneus Anthrenus fuscus Apoidea Lepidoptera

Zoophage Araneae Opiliones Planipennialarven Orius majuscutus Stethorus punctilum Coccinellidenlarven

272 4. Weiterer Forschungs- und Untersuchungsbedarf Die vorliegenden Arbeiten ermöglichen eine erste Einschätzung der Fassadenbegrünungen als Lebensraum für Tiere. Mit den vorliegenden Ergebnissen läßt sich die Besiedlung zu einem großen Teil darstellen. Es wäre jedoch schön, wenn weitere Bearbeiter einerseits regional andere Räume untersuchen würden, als auch wenn alle relevanten Pflanzenarten hinsichtlich ihrer tierischen Begleiter untersucht werden würden.

5. Zusammenfassung Fassadenbegrünung ist eine Möglichkeit, bei nur geringem zusätzlichen Flächenanspruch „Mehr Grün in Städten" anzulegen. Neben stadtklimatischen, lufthygienischen und bauphysi- kalischen Vorteilen bieten Pflanzen an Gebäuden zusätzliche Lebensräume für Tiere in Städten. Bei entsprechend differenziert gewählter Bepflanzung, zunehmendem Alter und Größe der Bestände werden neben einer Reihe von Ubiquisten insbesondere Tierarten geför- dert, die mit den Attributen „synanthrop", „thermophil" und bei zunehmendem Altholzanteil als „arboricol" zu umschreiben sind. Ansätze von Nahrungsketten sind bei den bisherigen Untersuchungen in Berlin und Osnabrück nachweisbar. Im Sinne eines faunistischen Artenschutzes haben Fassadenbegrünungen somit eine nachweisbar positive Bedeutung.

6. Literatur BARTFELDER, F. & M. KÖHLER (1987): Experimentelle Untersuchungen zur Funktion von Fassadenbegrünungen. - Diss. TU Berlin, Berlin-Forschung 3. Ausschreibung FU; 612 S. DARIUS, F. & J. DREPPER (1983): Ökologische Untersuchungen auf bewachsenen Kies- dächern in West-Berlin.- Dipl.-Arbeit am Inst. für Ökologie der TU Berlin. 71 S. HAGEDOORN I. & H. ZUCCHI (1989): Untersuchungen zur Besiedlung von Kletterpflanzen durch Insekten (Insecta) und Spinnen (Araneae) an Hauswänden. - Landschaft und Stadt 21: 11- 55. HIRSCHFELDER, A. & H. ZUCCHI (1992): Zur Besiedlung begrünter Gebäudedächer durch Carabiden - ein Beitrag zur Stadtökologie. Z. Ökologie u. Naturschutz 1: 59 - 66. JOGER, H. (1989): Die Stadtmauer als Lebensraum für Tiere. - Verh. Ges. f. Ökologie 18: 215-219. JOGER, H. & K. VOWINKEL (1992): Stadtökologische Untersuchungen zur Fauna von drei jungen Flachdächern mit künstlicher bzw. spontaner Begrünung.-Verh. Ges. f. Ökologie 21: 83 - 90. KIESSL, K. &J. RATH (1989): Auswirkungen von Fassadenbegrünungen auf den Wärme- und Feuchtehaushalt von Außenwänden und Schadensrisiko. - Ber. aus dem Fraunhofer- institut für Bauphysik 4, 50 S. KLAUSNITZER, B. (1987): Ökologie der Großstadtfauna. - G. Fischer (Stuttgart, New York); 225 S. KLAUSNITZER, B. (1988): Arthropodenfauna auf einem Kiesdach im Stadtzentrum von Leipzig.- Ent. Nachrichten u. Berichte 32: 211-215. KÖHLER, M. (1988): Besiedlung von Kletterpflanzen durch Insekten und Spinnen in Berlin (West). Z. f. Angew. Zool. 75: 195 - 202. 273 KÖHLER, M. (im Druck): Fassaden- und Dachbegrünung.- Ulmer (Stuttgart). KYTZLER, S. & K. WULZBERG (1992): Tiere auf Berliner Grasdächern (Arbeitstitel). KYTZLER S.& K.WU LZBERG (1992): Untersuchungen zu den Artenzusammensetzungen und Zönosen der Araneae, Carabidae und Heteroptera auf extensiv begrünten Dachflächen in Berlin-Kreuzberg. - Diplomarbeit am Inst. f. Ökologie der TU Berlin.- 151 S. MENZEL, P. (1988): Das Kletterpflanzenbuch. - Ulmer (Stuttgart) 228 S. WILMANS, 0. (1983): Lianen in mitteleuropäischen Pflanzengesellschaften und ihre Ein- nischung. -Tuexenia 3: 343 -359.

Anschrift des Verfassers: Dr. MANFRED KÖHLER, Am Siek 2, 28325 Bremen

Neue Literatur

BUNDESMINISTERIUM f. ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT u. FORSTEN (1991): Müssen wir Tiere gleich töten? - Angewandte Wissenschaft, Heft 404, 145 S.; Landwirtschafts- verlag Münster-Hiltrup, ISBN 3-7843-0404-4. In einer Schriftenreihe des BMELF wurde das in rund 10 Jahren von einer Expertengruppe (unter Hinzuziehung von Spezialisten) erarbeitete Gutachten „Maßnahmen zur Verminderung überhandnehmender freilebender Säugetiere und Vögel. Bestandsaufnahme, Berechtigung und tierschutzrechtliche Bewertung" nunmehr veröffentlicht. Nach einem Vorwort werden Verminderungsgründe, Verminderungsmaßnahmen und die zugrunde liegenden Ursachen sowie die Verminderungsmethoden vorgestellt. Ausführlich werden 21 Säugetier- und 22 Vogelarten behandelt. Die einzelnen Aspekte sind: Ökologie, Gründe für Abwehr- und Verminderungsmaßnahmen, Alternativen zur Verminderung, Verminderungsmethoden, Um- weltproblematik, Artenschutz, Tierschutz und Schlußfolgerungen. Weitere Kapitel befassen sich mit der sich ergebenden Tierschutzproblematik und den rechtlichen Grundlagen. Die gezogenen Schlußfolgerungen und Empfehlungen sowie eine Literaturliste runden den Inhalt ab. Das sehr preiswerte Sachbuch ist nicht nur für den Fachmann des amtlichen Tierschutzes und alle anderen Dienststellen, die sich mit Tierschutzfragen auseinandersetzen müssen, sondern auch für privaten Tierschutz, die Jägerschaft, die Naturschutzverbände und den interessierten Laien eine wertvolle Informationsquelle. W. KEIL 274 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 275-278 (1993)

Zum Erhalt bedrohter Mauerpflanzenbestände* von MICHAEL GÖDDE, Bremerhaven

Mauern stellen für Tiere und Pflanzen Extremstandorte dar, die in unseren Breiten allen bekannten anthropogenen Störungen, wie Schadstoffanreicherung, Verinselung, Biotopver- nichtung, in vollem Umfang ausgesetzt sind. Darüber hinaus trifft sie ein ähnliches Schicksal wie die Biotope der landwirtschaftlichen Nutzflächen, die heute im Regelfall einer vollends anderen Bewirtschaftungsart unterliegen als noch in den fünfziger Jahren. Bei den Mauern sind es nicht die Nutzungen, sondern die Konstruktion, die Baumaterialien und die chemischen Säuberungsaktionen, die das Mauerleben beschwerlich oder sogar unmöglich machen. Bei unserer Mauervegetation ist ferner zu berücksichtigen, daß es sich um „Außenposten" handelt, die weit entfernt von Gebirgsregionen oder von ihren mediterranen Hauptverbrei- tungsarealen liegen. Dieses spiegelt sich vor allem darin wider, daß die heimische Mauer- pflanzenvegetation durch die Bank weg relikthaft und artenarm ausgeprägt ist. Von den häufigsten bei uns anzutreffenden Gesellschaften wird deshalb mittlerweile nicht mehr als Assoziation nach der Braun-Blanquet-Schule, sondern wertfrei als Gesellschaft geredet. Die am häufigsten in Städten mit Stadtmauern, Burg- oder Klosteranlagen, alten Friedhofsmauern oder Kaimauern anzutreffenden Gesellschaften sind: die Mauerrauten-Gesellschaft die Zimbelkraut-Gesellschaft die Mauerglaskraut-Gesellschaft und die Dreifinger-Steinbrech-Gesellschaft.

Alle Gesellschaften werden durch die jeweils namengebende Pflanzenart charakterisiert (vgl. z. B. BRANDES 1987, GÖDDE 1987a), sie besiedeln in erster Linie Ziegelsteinmauern mit Kalkmörtelfugen. Nachfragen ergaben, daß die jüngsten der besiedelten Mauern z. B. im Bereich des Niederrheins um die Zeit des 2. Weltkrieges erbaut worden sind. Interessanter- weise stammen die von der Mauerglaskrautflur besiedelten Mauern fast ausschließlich von mittelalterlichen Gemäuern. Die Hauptverbreitung der Dreifinger-Steinbrech-Gesellschaft liegt heutzutage im Gleisbereich von Bahnanlagen (vg. z. B. FEDER 1990) und nicht auf Mauerkronen.

Alle Mauerpflanzen-Gesellschaften sind in Deutschland in ihrem Bestand bedroht, dies gilt für die bis nach Polen verbreitete Farn-Gesellschaft mit der Mauerraute in gleichem Maße wie für die wärmeliebenden Mauerfugenbestände mit Zimbelkraut, Mauerglaskraut, Gelbem Lerchensporn, Großem Löwenmäulchen, die ihren Verbreitungsschwerpunkt im Rheintal und in Süddeutschland haben.

Der standörtliche Vergleich der ersten drei Gesellschaften zeigt, daß die Mauerrautenflur nicht an südexponierten Mauern vorkommt, während die wärmeliebenden Zimbelkraut- und

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14.Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Naturschutzzentrum Hessen. 275 Foto 1: Milzfarn (Ceterach officinarum) in einer Ziegelsteinmauer aus den 30er Jahren in Düsseldorf, mittlerweile verschollen.

Foto 2: Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) in Fugen einer Natursteinmauer aus den 30er Jahren. 276 Mauerglaskrautfluren an nordexponierten Mauern fehlen. Die letztgenannte Gesellschaft besiedelt die stickstoffreichsten Mauerfugen (vgl. WERNER et al. 1989). In Bezug auf die Verbreitungsstrategien zeigt sich, daß die Mauerrautenflur in erster Linie durch Windver- breitung gekennzeichnet ist, während die Zimbelkrautflur ihren Schwerpunkt bei der auto- choren Verbreitung besitzt. Die Mauerglaskrautflur besitzt überwiegend Arten mit zoochorer Verbreitung, wobei die Ameisenverbreitung die größte Rolle spielt. Der Dreifinger-Steinbrech verbreitet sich mittels Klebeverbreitung.

Obwohl in den letzten Jahren das Interesse am „Mauerleben" stark zugenommen hat und auch Restauratoren und Kommunalpolitiker sich für diese eigentümlichen Biotope einsetzen, ist der Abwärtstrend im Vorkommen der genannten Gesellschaften noch lange nicht gestoppt. Sicher spielen hier kleinbürgerliche Sauberkeitsvorstellungen, angebliche Unfallverhütung und derWunsch,wenn schon, dann für die Ewigkeit zu bauen bzw. zu sanieren: also mit Beton, zusammen. Die positiven Erfahrungen aus den Niederlanden (M I N ISTER I EVAN LAN DBOUW EN VISSERIJ 1988), wo bei der Sanierung maroder Kaimauern ganze Blöcke mit Mauervege- tation gesichert und an anderer Stelle neu installiert (also transplantiert) werden,zeigt, daß mit entsprechendem Einsatz ein Eingriff in die Mauerlebewelt deutlich minimiert werden kann. Nur so lassen sich bedrohte Mauerpflanzen in Verbindung mit Pflegemaßnahmen langfristig sichern. Im übrigen gelten die in den Merkblättern zum Biotop- und Artenschutz genannten Forde- rungen (GÖDDE 1987b) nach wie vor in vollem Umfang:

1. Verzicht auf (Total-)Säuberungsaktionen sowohl mechanisch als auch durch Einsatz von Herbiziden (evtl. selektives Beseitigen von Gehölzaufwuchs).

2. Verzicht auf Herbizideinsatz sowie auf Beseitigung der Vegetation am Fuß der Mauer.

3. Kein Verputz auf bereits besiedelten Mauern. 4. Bei der Neuanlage von Mauern (in Teilbereichen) verwitterungsfähiges Fugenmaterial und keinen Zementmörtel verwenden bzw. auf das Verputzen der Wände verzichten.

5. Kein Ersetzen alter bewachsener Mauern durch neue Mauern. 6. Falls es im Einzelfall nicht möglich ist, den Abbruch zu vermeiden, kann die Vegetation in vorbereitete Nischen anderer Mauern (notfalls Blöckeweise) umgesiedelt werden. „Moderne" Mauern mit Portlandzementbeimengungen sind für die genannten Gesell- schaften nicht besiedelbar. Ein umfassender Artenschutz an Gebäuden umfaßt neben Nisthilfen für die Tierwelt in gleichem Maße Wuchsorte für die Mauervegetation. Hier gilt es, die historischen Zusammen- hänge von z. B. alten Burgen und ihrer Vegetation so zu verstehen, daß es nicht nur um den Kräutergarten einer solchen Anlage geht, sondern in besonderem Maße auch um die Mauer- fugenvegetation. Wenn es hier zu einem Zusammenspiel von Naturschützern und Restaura- toren kommt, dann kann sich dieses als Leitbild auch positiv auf den privaten Bereich auswirken.

Literatur BRANDES, D. (1987): Die Mauervegetation im östlichen Niedersachsen. - Braunschw. Naturkd. Schr. 2: 607- 627.

FEDER, J. (1990): Flora und Vegetation der Bahnhöfe Hannovers. - Ber. Naturhist. Ges. Hannover 132: 123 -149. 277 GÖDDE, M. (1987a): Die Stadt als Gegenstand vegetationskundlicher Erkundung. - Geogr. Rundschau 39: 254 - 259. GÖDDE, M. (1987b): Hilfsprogramm für Mauerpflanzen. - Naturschutz praktisch. - Merkbl. z. Biotop u. Artenschutz Nr. 73, LÖLF, Recklinghausen, 4 S. WERNER, W., M. GÖDDE & N. GRIMBACH (1989): Vegetation der Mauerfugen am Nieder- rhein und ihre Standortverhältnisse. - Tuexenia 9: 57-73. MINISTERIE VAN LANDBOUW EN VISSERIJ (1988): Handleiding voor de Bescherming van Bedreigde Muurplanten. - s - Gravenhage, 91 S.

Anschrift des Verfassers: Dr. MICHAEL GÖDDE, Umweltschutzamt Bremerhaven, Wurster Straße 49, 27580 Bremerhaven

Neue Literatur

BRÜLL, H. (1992): Greifvögel und Eulen Mitteleuropas. - 3. Aufl., 122 S., 8-farb. Vogeltafeln, 2 sw-Fotos, 8 Federzeichnungen, 6 Grafiken bzw. Skizzen. Landbuch-Verlag, Hannover, ISBN 3-7842-1406-1. BÖKER, N. (1985): Vogelschutz in unseren Gärten.-79 S., 4 Farbtafeln, 24 sw-Abbildungen, A. Philler-Verlag, Minden, ISBN 3-7907-0326-5. SCHMIDT, H. (1982): Singvögel. - 160 S., 16 Vogeltafeln, A. Philler-Verlag, Minden, ISBN 3-7907-0058-4. In der Lehrmeister-Bücherei des Landbuch-Verlages (in Zusammenarbeit mit dem A. Philler- Verlag, Minden) sind obige vogelkundliche Bände erschienen. Das Greifvogel/Eulen-Buch gibt einen sehr lebendig geschriebenen Überblick über die Lebensweise dieser Vogelarten. Der Autor hat sich Jahrzehnte mit diesen Vögeln befaßt. Besonders sei auf die schwarz-weißen Federzeichnungen hingewiesen, auf denen die Art und Weise des Beuteschlagens in anschaulicher Weise dargestellt wird. Das Bändchen über den Vogelschutz im Garten unterrichtet über Nisthilfen für Höhlen-, Halbhöhlen- und Freibrüter ebenso wie über die Winterfütterung und andere Hilfestellungen (u. a. Anlage von Vogelschutzgehölzen und Vogeltränken). Anschauliche Illustrationen ergänzen den Text. Der Singvogel-Band stellt 76 in Mitteleuropa brütende, durchziehende oder überwinternde Vogelarten vor und unterrichtet über deren Lebensweise. Auf 8 Farbtafeln (teils farbig, teils schwarz-weiß) werden sie dem Leser vorgestellt. Das handliche Format der Bände der Lehrmeister-Bücherei ermöglicht eine unbeschwerte Mitnahme bei Wanderungen. W. KEIL 278 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 279-288 (1993)

Gebäude als Wohnraum von Stechimmen* von ANDREAS VON DER HEIDE, Oldenburg

Die zur Unterordnung der apocriten Hautflügler (Stichwort: mit „Wespentaille") zählenden Stechimmen (Hymenoptera Aculeata) sind durch das Vorhandensein eines Stachels bei den Weibchen charakterisiert. Die Anlage von Nestern ist für Stechimmen - mit Ausnahme der Kuckucksarten und der ausschließlich parasitisch lebenden Überfamilien (s. u.) - ebenfalls kennzeichnend. Kuckucksarten haben keine eigenen Nester, sondern legen ihre Eier in die Nester fremder Arten. Zahlreiche Stechimmenarten nisten auch an oder in Gebäuden (vgl. Tab. 1). Abgesehen von den Ameisen (Formicoidea), auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, haben folgende Überfamilien in der Mehrzahl Nester anlegende Arten (die ange- gebenen Artenzahlen beziehen sich auf die alten deutschen Bundesländer):

Zahl der Nester Zahl der anlegenden Arten Kuckucksarten

Bienen (Apoidea): 382 +126 Grabwespen (Sphecoidea): 215 + 11 Wegwespen (Pompiloidea): 80 + 16 Faltenwespen (Vespoidea): 72 + 4

Zu den brutparasitischen Überfamil'en gehören die „Scolioidea" (Keulen-, Dolch-, Roll- wespen, Spinnenameisen: 21 Arten) und die Bethyloidea (hierher u. a. die Goldwespen (Chty- sisidae): 85 Arten). Im Gegensatz zur Honigbiene (Apis mellifera), den Hummeln (Bombus) und sozialen Falten- wespen (Vespa crabro (Hornisse), Dolicho- und Paravespula) leben die bei weitem meisten Arten solitär, d. h. daß jedes Weibchen für sich allein ein Nest versorgt. Einige Arten aus der Familie der Furchenbienen (Halictidae) und die Feldwespen (Polistes) sind ebenfalls sozial, jedoch besitzen sie in der Regel viel weniger Arbeiterinnen und eine einfachere soziale Orga- nisation. Die Hauptnahrungsquelle der Stechimmenimagines (Vollkerfe) stellen Blütenprodukte dar. Die Larven der Bienen werden von den Weibchen ebenfalls mit Pollen und Nektar versorgt. Die Brutnahrung der Grab-, Weg- und Faltenwespen besteht hingegen aus Insekten oder Spinnen, die durch die Weibchen erbeutet werden (eine Ausnahme stellt die „Honigfalten- wespe" Celonites abreviatus dar). Viele Stechimmenarten sind hinsichtlich des Nahrungser- werbs für die Brut stark spezialisiert. Besonders deutlich wird dies bei den sogenannten oligolektischen Bienenarten, die zur Versorgung der Larven nur Pollen von bestimmten Pflanzengattungen oder -familien eintragen (z. B. WESTRICH 1987, 1989). Auch wenn im folgenden nicht näher auf den Nahrungsfaktor eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, daß dieser oft über das Auftreten von Stechimmen mitentscheidet.

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Natur- schutzzentrum Hessen. 279 Bei den aculeaten Hymenopteren handelt es sich im Ganzen um eine Wärme, Sonne und Licht liebende Insektengruppe. So sind z. B. auch die sogenannten Waldbewohner (silvicole Arten) fast ausschließlich auf Waldlichtungen und Kahlschlägen oder an Waldrändern anzutreffen. Auch innerhalb Mitteleuropas spielt das Klima die bedeutendste Rolle für ihre Verbreitung. So ist eine deutliche Zunahme der Artenzahlen von Nordwest nach Südost bemerkenswert.

Am Beispiel der Bienen: Bienenarten Dänemark 239 NW-deutsches Tiefland 315 Baden-Württemberg 429 Bayern (Alpen!) 456 Österreich 609 Die vom Menschen ausgelöste Umwandlung Mitteleuropas von einer Waldlandschaft in eine vielgestaltige, relativ extensiv genutzte Offenlandschaft hatte für die meisten und besonders für die klimatisch anspruchsvollen Stechimmenarten - noch bis in diesesJahrhundert hinein - durchaus positive Folgen (Vergrößerung des Verbreitungsareals und der Populationen). Es ist naheliegend, daß sich unter den besonders wärmebedürftigen Arten überproportional viele Vertreter befinden, die ihre Nester in sonnenexponierten mineralischen Horizontal- bis Vertikalflächen, also von Natur aus sehr warmen Nisthabitaten anlegen. Aufgrund des im Vergleich zur Umgebung deutlich wärmeren Kleinklimas (das sich mit dem von Felsen und Steilwänden vergleichen läßt) bieten sonnenexponierte Gebäudewände im allgemeinen günstige Bedingungen für die Besiedlung durch Stechimmen. Oft kommt ein Schutz vor Regen, Wind und anderen negativen Witterungseinflüssen durch z. B. über- stehende Dachvorsprünge hinzu. Bei einem entsprechenden Angebot werden daher auch sich unmittelbar vor Gebäuden befindende Niststätten anderer Art (offene oder lückig bewachsene Mineralböden, markhaltige Sträucher) bevorzugt besiedelt.

Es ist darauf hinzuweisen, daß keine Art aus den hier behandelten Stechimmengruppen ausschließlich Gebäude bewohnt. An oder in Gebäuden finden solche Arten vielmehr Nistbedingungen, die mit denen von Primär- bzw. anderen Sekundärhabitaten große Ähnlich- keit haben (siehe z. B. TISCHLER 1990: S. 285, Abb.10.2). Gebäude bewohnende Stechim- menarten stellen in jeder Beziehung eine sehr heterogene Gruppe dar. So nisten sowohl die kleinsten als auch die größten Vertreter der deutschen Stechimmenfauna (die nur 2 - 3 mm großen Grabwespen aus der Gattung Spilomena und die bis zu 3 cm große Holzbiene Xylocopa violacea) auch an Gebäuden. Die Wahl der Niststätten ist ebenso vielfältig (siehe Übersicht S. 281 ff).

Nimmt man die in Deutschland vertretenen Arten der behandelten Stechimmengruppen zusammen (ohne Kuckucksarten), so sind etwa 22% aller Arten auch als Gebäudenister bekannt geworden (Tab. 1). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Gebäude bewohnenden Arten nicht unbedingt eine große Affinität zu menschlichen Siedlungsbereichen aufweisen müssen. Etwa ein Drittel der Arten nutzt vielmehr die in ihren bevorzugten Biotopen vorhan- denen Einzelgebäude (Ställe, Scheunen, Gehöfte usw.), tritt aber in eigentlichen Siedlungs- bereichen des Menschen nicht oder kaum auf. Als Beispiel können die in Felsbiotopen des deutschen Alpengebiets verbreiteten Mauerbienenarten Osmia lepeletieri und 0. loti ange- führt werden, die dort regelmäßig an Heustadeln und Bargen nisten (vgl. STEINMANN 1983). Um den Bindungsgrad von (auch) Gebäude bewohnenden Stechimmenarten an den menschlichen Siedlungsbereich näher aufzuschlüsseln, sollen folgende Kategorien unter- schieden werden (Tab. 2): Im Siedlungsbereich im Vergleich zu anderen Biotopen: 280 - oft und/oder bevorzugt (hierher auch die „Kulturfolger") - nicht bevorzugt, aber (früher) regelmäßig (besonders in Gärten, Parkanlagen, Dörfern und an Stadträndern) - kaum oder nur gelegentlich, hierher z. B. auch die nur im Alpengebiet an Gebäuden nistenden Arten

Tabelle 1: Zahl der (auch) an oder in Gebäuden nistenden Stechimmenarten und deren Anteil an den Nester anlegenden Arten Deutschlands (hinzu kommen noch etwa 25 - 30 Kuckucksarten, sowie etwa 20 Goldwespen und 3 Sapyga- Arten, Bezug: alte Bundesländer; (Bombus distinguendus, B. pascuorum, B. terrestris, Andrena jacobi und A. nigroaenea wurden nicht berücksichtigt, da der Anteil der an/in Gebäuden nistenden Tiere zu vernachlässigen ist)

Bienen 65 1 7 % Grabwespen 51 24% Faltenwespen 43 60% Wegwespen* 7 9%

Gesamt 166 22 % hiervon etwa 53 kaum in eigentlichen Siedlungsbereichen

* wohl noch weitere Arten aus den Gattungen Cryptocheilus und Priocnemis

Tabelle 2: Gebäude bewohnende Stechimmenarten: Bindungsgrad an menschliche Sied- lungen und Anteil gefährdeter Arten (gefährdete Arten nach Nennung in den „Roten Listen" für die alte BRD oder für Baden-Württemberg)

Gesamt Bienen Grabw. Faltenw. Wegw. oft / bevorzugt 55 20 22 11 2 regelmäßig 58 22 15 19 2 kaum /gelegentlich 53 23 14 13 3 Gefährdete Arten: oft / bevorzugt 7 1 3 3 - regelmäßig 20 12 - 7 1 kaum /gelegentlich 23 13 1 7 2

Niststätten Übersicht: Nistweise von Stechimmen, an Gebäuden zu findende Niststätten und charak- teristische Arten. a: Bienen (Apoidea), s: Grabwespen (Sphecoidea), p: Wegwespen (Pompiloidea), e: Eumenidae (solitäre Faltenwespen), v: Vespidae (soziale Faltenwespen) 0 Arten, die kaum in Siedlungsbereichen auftreten.

A) Mineralisches Substrat Al) (Weitgehend) selbst geschaffene Hohlräume in Steilwänden aus „weichem" minera- lischem Material: Lehm, Löß, schluffiger Feinsand, selten weicher Sandstein und mürber Kalk. 281 Gebäude: Lehmfachwerk, Mauerfugen aus Lehm- oder Kalkmörtel a: Pelzbienen Anthophora acervorum, A. crinipes, A. plagiata, A. 4-maculata, Furchenbiene Lasioglossum nitidulum, Seidenbiene Colletes daviesanus, e: Lehmwespen Odynerus reni- formis, 0. spinipes, s: Crossocerus elongatulus, C. binotatus, C. dimidiatus, C. tarsatus (diese aber auch mit anderen Niststätten). A2) vorgefundene Höhlungen und Spalten in (vertikalen) mineralischen Substraten. Auch „Nachmieter" von Al und A3. Gebäude: „rissiges" Mauerwerk aller Art (relativ) spezialisiert: a: Maskenbiene Hylaeus nigritus (Mauerbiene Osmia mustelina, nur im Alpengebiet regel- mäßig an Gebäuden, zwischen Spalten oder Fugen Nester aus Pflanzenmörtel), s: Diodontus tristis (auch in ebenen Flächen), e: Ancistrocerus auctus, A. dusmetiolus Bemerkung: viele Arten beziehen auch die unter B2 bzw. B4 beschriebenen Niststätten (siehe Bvar). A3) Freibauten von Arten, die n u r an (oder in Vertiefungen von) harten mineralischen Substraten z. B. an (Felsen), Steinen, Findlingsmauern, verputzen Fassaden bauen a: Mörtelbiene Megachile (Chalicodoma) parietina (Mauerbienen Osmia anthocopoides, im Alpengebiet 0. lepeletieri, 0. loti), e: Ancistrocerus oviventris, Große Töpferwespe Delta unguiculatum (alle genannten Arten mit Mörtelnestern aus mineralischem Material).

B) Holz und Pflanzenteile B-1) Selbst genagte Hohlräume im morschen und mürben Holz. Gebäude: morsche Balken, Pfosten usw. a: Holzbiene Xylocopa violacea, (Blattschneiderbiene Megachile nigriventris, Pelzbiene Anthophora furcata), s: Crossocerus annulipes, Ectemnius cephalotes, E. continuus, E. dives, E. sexcinctus, Pemphredon inornata, Pemphredon lugens, Pemphredon lugubris, Pemphedron morio, Psenulus schencki, Stigmus solskyi. B2) Vorhandene Hohlräume im Holz wie: Larvenfraßgänge xylophager Insekten (von schmalen Pochkäfer- bis zu breiten Bockkäfergängen), Risse, Bohrungen, Spalten. Gebäude: Alte (nicht imprägnierte) Balken, Pfosten, Bretter, Holzfensterrahmen, Holzscheunen und -schuppen usw. (relativ) spezialisiert: a: Megachile ligniseca (Osmia tuberculata, 0. uncinata nur im Alpengebiet an Gebäuden fest- gestellt), s: Rhopalum austriacum, Crossocerus megacephalus, Stigmus pendulus, Spilomena troglodytes, e: Symmorphus gracilis. B3) Freibauten von Arten, die nicht nur an mineralischen Substraten, sondern auch an Holz und/oder Pflanzenteilen u. ä. bauen (ausschließlich an Pflanzenteilen bauende Arten wurden nicht berücksichtigt). a: Harzbiene Anthidium strigatum, (Harzurnen), p: Auplopus carbonarius (Lehmtönnchen) e: Töpferwespe Eumenes papillarius (Lehmurnen), v: Feldwespe Polistes dominulus, Lang- kopfwespen Dolichovespula media, D. saxonica (Papiernester). B4) Hohle Pflanzenstengel, z. B. von Phragmites, (Gallen). Gebäude: Reetdächer. An diesen sind oft sehr große Populationen von einigen der unter Bvar) genannten Arten, z. B. von Chelo- stoma-Arten (Scherenbienen) zu finden, jedoch nistet keine ausschließlich in Reetdächern. Von s: Polemistus abnormis und e: (Alastor atropos) ist die Bionomie noch kaum bekannt. 282 Bvar): Mehr als 80% der (auch) Gebäude bewohnenden und in vorhandenen Hohlräumen nistenden Arten (aus folgenden Gattungen) nützen zumindest zwei der drei (unter A2, B2, B4 beschriebenen) Substrate.Viele dieser Arten legen ihre Nester auch in markhaltigen Stengeln an, einige nagen auch selbst Gänge in morsches Holz. Bei einer Reihe anpassungsfähiger Arten wurde auch die Bewohnung von anderen (z.T. kuriosen) Hohlräumen bekannt. a: Wollbienen Anthidium, Scherenbienen Chelostoma, Löcherbienen Heriades, Masken- bienen Hylaeus, Blattschneiderbienen Megachile, Mauerbienen Osmia, s: Crossocerus, Nitela, Passaloecus, Pemphredon, Psenulus, Rhopalum, Solierella, Stigmus, Trypoxylon, e: Ancistro- cerus, Microdynerus, Symmorphus, (Gymnomerus, Euodynerus, Allodynerus), p: Agenioideus, Dipogon.

C) vorhandene „Großhöhlen" C1) Über der Erde: Dachböden, Scheunen, Ställe, Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, Verschläge, Verschalungen, Rollädenkästen (Steinhaufen, Felsspalten, Trockenmauern) usw. a: einige Hummel-Arten (charakteristisch für Bombus hypnorum, regelmäßig auch bei B. hortorum, B. lapidarius, B. pratorum, v: Hornisse Vespa crabro, seltener bei Kurzkopfwespen Paravespula germanica und P. vulgaris, diese nisten viel häufiger in Höhlen in der Erde, z. B. in verlassenen Mäusenestern).

D) An/In Gebäuden in der Regel nicht zu findende (und daher nicht berücksichtigte) Nist- stätten: - (Selbst gegrabene) Gänge in horizontalen bis geneigten Flächen aus mineralischem Substrat (oder Torf): mehr als 60 0/0 aller Nester anlegenden Arten! - vorhandene Höhlen in der Erde, z. B. verlassene Mäusenester: viele Hummelarten, häufig bei Kurzkopfwespen (Paravespula) (Selbst errichtete) Nester an der Erdoberfläche im krautigen Bewuchs, z.T. auch „um- gebaute" Vogelnester: zahlreiche Hummelarten - markhaltige Pflanzenstengel, z. B. von Rubus, Sambucus: zahlreiche (solitäre) Arten mit spezialisierter und viele Arten mit variabler Niststättenwahl - leere Schneckenhäuser: unter anderem einige auf diese Nistweise spezialisierte Mauer- bienen (Osmia-Arten). Die ausschließlich an oder in mineralischen Substraten nistenden Gruppen (A) haben den größten Anteil an rückläufigen Arten (36-67%), während die „Holznister" und Arten mit variabler Niststättenwahl (B und auch C) „nur" 8-20 0/0 (27%) gefährdete Arten aufweisen (Tab. 3).

Tabelle 3: Zahl (= N) der Gebäude bewohnenden Stechimmenarten, aufgeschlüsselt nach ihren Niststätten und jeweiliger Anteil gefährdeter Arten (= % RL) (ohne Kuckucksarten. A: Angaben für die oft bis regelmäßig im Siedlungsbereich nistenden, B: für alle als Gebäudenister bekanten Arten)

MINERALISCHES SUBSTRAT N % RL A B A B Selbst errichtete Hohlräume 11 (16) 36 (44) Vorgefundene Hohlräume 5 ( 8) 40 (50 Freibauten 3 ( 6) 67 (67)

283 HOLZ UND PFLANZENTEILE N 0/0 RL A B A B (nur) in selbst genagten Hohlräumen im Holz 12 (22) 8 (14) nur in vorgefundenen Hohlräumen im Holz 6 (12) 17 ( 8) Freibauten 5 (11) 20 (27) verschiedene vorgefundene Hohlräume 71 (93) 20 (25)

Vorgefundene oberirdische „Großhöhlen" 7 ( 8) 14 (13)

In diesen Zahlen spiegelt sich in erster Linie die allgemeine Verfügbarkeit geeigneter Nist- stätten innerhalb und außerhalb menschlicher Siedlungsbereiche wider. Gerade die mineralischen Substrate bewohnenden Stechimmenarten sind heute durch die (nach 1950 einsetzende) drastische Intensivierung der Landnutzung (und damit einhergehende Nivellie- rung und Monotonisierung der Landschaft) am stärksten betroffen (HAESELER 1985, WESTRICH 1989). Dieser negative Trend wird noch dadurch verstärkt,

- daß geeignete Nisthabitate für diese Arten oft nur inselartig verbreitet sind, - daß sich hierunter zahlreiche, klimatisch anspruchsvolle Arten befinden, die in Deutschland an ihre Verbreitungsgrenze stoßen und schon deshalb oft nur lückig auftreten.

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Stechimmen während der Brutversorgungsphase (und damit während der längsten Zeit des Lebens) an ihre Nester gebunden sind und zudem oft eine ausgeprägte Ortstreue aufweisen. Trotz ihres in der Regel ausgezeichneten Flugver- mögens ist daher bei den meisten Stechimmenarten nur eine geringe Migrationsneigung ausgeprfagt. Die (Wieder-) Besiedlungsrate (neuer) Habitate ist deshalb im Vergleich zu vielen anderen Insektengruppen gering (HAESELER 1985).

Hieraus ergibt sich, daß die an oder in mineralischen Substraten nistenden Arten am drin- gendsten Hilfe benötigen. Mit Ausnahme der bisher noch wenig verbreiteten Lehmnistkästen nehmen diese Arten zudem keine der bisher entwickelten künstlichen Nisthilfen an.

Nisthilfen Über den leicht und kostengünstig durchzuführenden Bau einfacher Nisthilfen informieren ausführlich die Arbeiten von WESTRICH (1987, 1989) und DRACHENFELS (1982). In der kostenlosen Broschüre von WESTRICH (1987) finden sich darüber hinaus wertvolle Hinweise zur Verbesserung des Nahrungsangebots für Wildbienen im Siedlungsbereich. Die einfachste Maßnahme besteht darin, altes, mit Insektenfraßgängen reichlich durchsetztes und morsches Holz an einer sonnenexponierten Gebäudewand aufzustellen oder anzu- bringen. Gewundene Gänge werden von vielen im Holz nistenden Arten gegenüber geraden Bohrungen bevorzugt.

Von zahlreichen Arten mit variabler Niststättenwahl werden auch Bambusrohre und Bohrungen in Holz angenommen. Die Innendurchmesser sind zwischen 2 -10 mm zu variieren, wobei solche von 3 - 6 mm überwiegen sollten. Die 10 - 20 cm langen Bambusrohre 284 werden hinter den Knoten abgesägt und z. B. in Resten von PVC-Rohren gebündelt und regensicher untergebracht. Auf ähnliche Weise können auch Reet- und Strohhalme, sowie markhaltige oder ausgebohrte Stengel von Brombeeren, Himbeeren, Holunder, Forsythien usw. angeboten werden. Bei diesen leicht aufzuhackenden Materialien ist jedoch ein Schutz vor Meisen während des Winters z. B. durch Maschendraht angebracht. Für Holzbohrungen sollte abgelagertes, entrindetes, keinesfalls imprägniertes Hartholz (Buche, Eiche, Esche) verwendet werden. Größe und Form dieser Nisthilfen sind unerheblich. Die Bohrtiefe beträgt 5 -10 cm. Diese Nisthilfen werden an südexponierten, frei zugänglichen Gebäudewänden ab etwa 70 cm Höhe aufwärts angebracht. Findet man alle Gänge mit gleichem Durchmesser belegt, sollten die Nistgelegenheiten entsprechend erweitert werden. Glas- oder Plastik- röhrchen, die einen Einblick ins Nestinnere gestatten, sollten allein zu Demonstrations- und Beobachtungszwecken verwendet werden. Da diese luftundurchlässig sind, besteht die große Gefahr, daß die Brutzellen verpilzen.

Zur Herstellung von Nisthilfen für Steilwandbewohner werden z. B. Eternitblumenkästen oder stabile Styroporkästen mindestens 15 cm tief mit feuchtem, nicht zu fettem Lößlehm gefüllt. Es hat sich bewährt, natürlich gewachsene Lehmstücke in den feuchten Lehm einzubetten. Zur Anlockung der Bienen werden kurze Gänge von 5 - 8 mm Durchmesser geschaffen. Aus Gewichtsgründen ist es günstiger, mehrere kleine Lehmkisten zu kombinieren, als eine große Kiste mit Lehm zu füllen. Diese Mini-Steilwände werden ab etwa 1 m Höhe an südexponierten Gebäudewänden (z. B. auf Steinen oder Holzpfählen) senkrecht aufgestellt. Neben der nachträglichen Anbringung unterschiedlicher Nistgelegenheiten ist bei Neubauten auch an eine Integration solcher Nisthilfen an nichttragenden Gebäudeteilen zu denken. Hierfür reichen ein bis wenige qm an günstigen, sonnenexponierten Gebäude- wänden aus. Denkbar wären z. B. Lehmfachwerk ähnliche Elemente, in denen auch andere Materialien (Balken mit Holzbohrungen oder Insektengängen, hohle und markhaltige Pflan- zenstengel, z. B. Reet, kleine Findlinge etc.) integriert werden können.

Schutz und Förderung Gebäude bewohnender Stechimmen - Wie bereits angesprochen, führten in früheren Jahrhunderten anthropogene Verände- rungen zu günstigen Bedingungen für eine starke Ausbreitung vieler Stechimmenarten. Dies gilt auch für eine Vielzahl damals verwendeter, z.T. relativ leicht verwitterbarer Bau- materialien und Bauweisen (Lehm, Kalk, Sandstein, Naturstein, nicht imprägniertes Holz, Reet). Die besondere Problematik eines (tatsächlich ernsthaft betriebenen) Stechimmen- schutzes liegt darin, daß überkommene Bewirtschaftungsweisen (z. B. für Magerrasen, Zwergstrauchheiden, Weinberge, Obstwiesen, Feldkulturen und Brachen) und auch alte Bauweisen fortgeführt bzw. „simuliert" werden müssen.

- Aus den Stadtbiotopkartierungen in Bayreuth und Hof geht hervor, daß für Stechimmen und andere Tiergruppen bedeutende Habitate durch die üblichen auf Pflanzenarten-und Vege- tationskriterien beruhenden Erfassungen nicht bzw. sehr unvollständig berücksichtigt werden (SCHLUMPRECHT &VÖLKL 1992, PLACHTER 1990).

- Während bei einigen anderen Gebäude bewohnenden Tierarten (Vögel, Fledermäuse) die tatsächliche Bedeutung eines Gebäudes oder der Erfolg von Hilfsmaßnahmen für jeder- mann und sofort ersichtlich ist, wird dies bei Stechimmen (und vielen anderen Insekten- gruppen) in der Regel nicht der Fall sein, da diese den meisten Menschen weitgehend unbekannt sind und nur wenige die einzelnen Arten ansprechen können. Auch wenn Stechimmen in den letzten Jahren eine gewisse Popularität erreicht haben, ist schon aus diesen Gründen abzusehen, daß keine etwa mit dem Vogelschutz vergleichbare „Bewe- 285 gung" eintreten wird. Auf absehbare Zeit sind daher für die überwiegende Zahl der Stechimmenarten (Ausnahmen stellen etwa die Hornisse und die Holzbiene dar) keine gezielten Artenschutz-, sondern allein allgemeine Biotopschutzkonzepte praktizierbar. Angewendet bedeutet dies z. B., daß Gebäude, die offensichtlich zahlreiche der beschrie- benen (potentiellen) Niststätten aufweisen, zu erhalten sind.

- Im Urbanbereich i.w. S. sind Schutz- und Hilfsmaßnahmen in solchen Biotopen besonders effektiv, die von einer Vielzahl von oft spezialisierten Stechimmenarten bevorzugt werden, z. B. Dörfer, Parkanlagen, Friedhöfe, Bahnhofs- und Gleisanlagen, Ton- und Sandgruben- gelände, Ruderale in Industriegebieten wie z. B. von Hütten und Halden.

- Gerade bei den nur inselartig verbreiteten Arten (einschließlich der gefährdeten und seltenen) ist die Erhaltung und Förderung bestehender Populationen oft effektiver, als der Versuch einer Neuansiedlung mit ungewissen Erfolgsaussichten (geringe Migrations- neigung und Ortstreue vieler Stechimmen!). - Erhaltung der Lehmfachwerk- und der lehmverfugten Gebäude jeglicher Art (auch Ruinen). Bei nicht zu vermeidender Beseitigng solcher Gebäude, sollte verhindert werden, daß die betroffenen Populationen völlig aussterben (zumindest einjährige Lagerung des Trümmer- lehms vor Ort und Anbringung von Lehmnisthilfen unter Verwendung der anfallenden Lehmwandreste, da sich hierin oft noch Entwicklungsstadien befinden!).

- Die bei einem Abbruch oder bei einer Restauration anfallenden Gebäudeteile, die offen- sichtlich zahlreiche der für Stechimmen geeigneten Niststätten aufweisen, z. B. morsches oder mit Insektenfraßgängen durchsetztes Holz, Reetdächer, verwitterte Sandsteine etc.) sollten ebenfalls zumindest für ein Jahr an Ort und Stelle belassen werden. Die Zahl der noch in unmittelbarer Nähe vorhandenen bzw. wieder geschaffenen Niststätten (z. B. im Fall von Reetdacherneuerungen) sollte dann über weitere Maßnahmen entscheiden.

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Anschrift des Verfassers: ANDREAS VON DER HEIDE, Trommelweg 2, 26125 Oldenburg

Neue Literatur

JANTZEN, H. & F. (1985): Naturdenkmale Hessens.-238 5.,118 Farbfotos, Landbuch-Verlag GmbH, Hannover, ISBN 3-7842-0323-X. Hessen ist aufgrund seiner Topographie ein Land mit großer Vielfalt. Dies kommt im vor- liegenden Buch gut zum Ausdruck. Insgesamt werden 70 Naturdenkmale bzw. Naturschutz- gebiete vorgestellt. Der Textteil informiert über Geschichte, heutigen Zustand sowie über geologische, botanische und zoologische Besonderheiten. Auch der historische Hintergrund wie die Märchen- und Sagenwelt werden einbezogen. Besonders beeindruckend sind die dem Buch beigefügten Farbfotos. Sie vermitteln ausgezeichnete Einblicke in die vorgestellten Landschaftsteile und laden zum Besuch der Gebiete ein. Ein überaus interessantes Buch, welches sich gut zum Verschenken an Menschen eignet, die die Naturschönheiten Hessens kennen bzw. kennenlernen wollen. W. KEIL 288 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 289-291 (1993)

Falken als Gebäudebrüter * von HELMUT ANHÄUSER, Frankfurt am Main

1. Turmfalke (Falco tinnunculus) Als Kulturfolger brütet der Turmfalke, soweit es das Nahrungsangebot zuläßt, auch mitten in unseren Großstädten. Er ist in der Brutplatzwahl so variabel wie kein zweiter Greifvogel. Er brütet nicht nur in verlassenen Horsten, sondern ist z. B. auch in der Lage, ein Elsterpaar solange zu attackieren, bis es den frisch gebauten „Kobel" aufgibt. Er brütet ebenso in einem Kirchturm wie in einem Steinbruch, in einem Blumenkasten im zweiten Stock oder in der Dachrinne eines Hochhauses. Dies zeigt, daß besondere Nisthilfen an Gebäuden eigentlich nicht notwendig sind. Es sollte daher schon der ausdrückliche Wunsch des Besitzers eines entsprechend exponiert stehenden Gebäudes bestehen, einen „eigenen" Turmfalken zu beherbergen, wohl wissend um die Begleiterscheinungen, wie verkotete Fassaden, morgens um 5 Uhr bereits Balzgeschrei oder die Bettelrufe der Jungen. Ebenso kann durch die Brut- nische Schlagwasser ins Gebäude gelangen. Bei einem außen angebrachten Kasten sollte man auch nicht die Gefahr unterschätzen, daß er nach Jahren z. B. bei einem Sturm aus großer Höhe herunterstürzen kann. Erst wenn das alles abgeklärt ist, kann man solche Bruthilfen einrichten. Als Maße eines Kastens oder einer Nische haben sich bewährt: Länge: 60 cm, Tiefe: 35 cm, Höhe: 40 cm.

Abb.1: Nistkasten für Turmfalken

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und Natur- schutzzentrum Hessen. 289 Die Frontseite sollte nur bis zur Hälfte geschlossen sein. Besonders wichtig ist vor der Öffnung ein Brett oder Gitterrost; weniger als Anflug für die Altvögel, sondern als „Übungsplattform" für die ballierenden**Jungen während der Ästlingsphase, in der sie häufig ihre Flugmuskulatur trainieren. An Brutplätzen ohne diese Möglichkeit fallen häufig Junge herunter. Da die Turmfalken wie alle Falkenarten kein Nistmaterial eintragen, muß der Boden in einer Höhe von ca. 5 cm mit feinem Kies oder ähnlichem aufgefüllt werden, damit das Weibchen eine Nistmulde drehen kann. Hat hier bereits einmal eine Brut stattgefunden, so reichen die Gewöllreste, Rupfungen und der Kot als Eiunterlage aus. Die Brutnische wird jährlich, bis spätestens Ende März, einmal kontrolliert und gegebenenfalls gereinigt. Bekommt man einen jungen Turmfalken als „Pflegefall" und kann ihn nicht mehr in seinen eigenen Horst zurückbringen, so kann man ihn ohne Bedenken in eine andere, leicht erreich- bare Brutnische dazusetzen, wenn er altersmäßig in etwa zu den dortigen Jungen paßt. Die Naturschutzkräfte sollten ihre Arbeit mehr auf Verbesserungen und Sicherungen bereits bekannter Gebäudebrutplätze konzentrieren, als auf das Schaffen neuer Möglichkeiten.

2. Wanderfalke (Falco peregrinus) Beim Wanderfalken ist ein sinnvolles Management zur Brutplatzsicherung angebracht, da es sich hier um eine Falkenart handelt, deren Bestand sich gerade zu erholen beginnt. Als typischer Felsbrüter (mit Ausnahme der Baumbrüterpopulation in der Norddeutschen Tief- ebene) nimmt er natürlich auch „Ersatzfelsen" wie Kirchtürme, Hochhäuser, Kühltürme oder auch einen Fernmeldeturm an. Die Behauptung ist falsch, bei den jetzt an Gebäuden brütenden Falken würde es sich um Fehlprägungen durch an Gebäuden ausgewilderte Vögel handeln. Hätte es früher schon solch günstige „Ersatzfelsen" bei uns gegeben, wären sie ebenso besiedelt worden, wie z. B. die ersten Wolkenkratzer in New York, das Heidelberger Schloß oder die Frauenkirche in München. Es bliebe sonst die Frage, ob es sich denn auch um „Fehlprägung" handelte, als die Schleiereule unsere ersten Kirchtürme besiedelte. Von Menschen besonders vorbereitete Gebäudebrutplätze sind sicherer als Felsbrutstätten, zumal ein Großteil der traditionellen Felsenbrutplätze für den Wanderfalken heute nicht mehr attraktiv ist. Am Gebäude scheiden z. B. Verluste durch Marder, Waschbär, Uhu oder Habicht aus. Ebenso sind menschliche Störungen, z. B. durch Kletterer, fanatische Geflügelzüchter oder Horstplünderer nahezu auszuschließen. Bei der Vorbereitung solcher Nistgelegenheiten ist ähnlich wie beim Turmfalken auf folgendes zu achten: Es werden nur solche Plätze angenommen, bei denen der „Felswandeffekt" gegeben ist; das bedeutet, an einem entsprechend hohen Bauwerk muß der Kasten oder die Nische an der Fassade, jedoch nicht auf dem Gebäude angebracht werden. Die Frage nach der Himmelsrichtung oder Mindesthöhe läßt sich abschließend nicht beant- worten. Bei der Ansiedlung am Frankfurter Fernmeldeturm war folgendes zu beobachten: Am Turmschaft befinden sich an drei Seiten gleich große Öffnungen bis in eine Höhe von 198 m; die Falken konnten also „frei wählen". Im Jahre 1992 erfolgte die erste Brut in der obersten Öffnung (198 m) in südwestlicher Richtung. Später wurde eine Öffnung in 160 m nach hinten erweitert und „falkengerecht" hergerichtet sowie außen ein Anflugrost angebracht. Roste aus Gittergeflecht haben den Vorteil, daß keine Schneelast entsteht, und die Jungen können sich bei ihren Flugübungen besser festgreifen. Hierauf wurde diese Öffnung alsbald bezogen.

** ballieren = mit den Flügeln schlagen 290 Am EVO-Kraftwerk in Offenbach wurde ein Kasten in einer Höhe von 96 m angenommen. Die Höhe ist offensichtlich nicht der entscheidende Faktor; viel wichtiger erscheint die exponierte Lage eines Bauwerkes zu sein, z. B. am Rande einer Flußniederung. Der Brutplatz am Fern- meldeturm zeigt auch wieder die Problematik für Gebäude. Die Brutnische benötigt eine Entwässerung für die Regenmengen, welche bei entsprechendem Wind hereingetrieben werden. Bei den orkanartigen Stürmen im Jahr 1990 wurde aus dem Horstkasten der gesamte Sand herausgerissen und verstopfte die Abwasserleitung. Heute ist hier entsprechend feiner Kies eingebracht.

Altfalken halten sich meist das ganze Jahr über am Brutplatz auf. So wird auch hier der sich anhäufende Unrat (Kot und Rupfungsreste) zum Problem. Das alles ist beim Errichten solcher Horstplätze zu berücksichtigen, bis hin zur Haftungsfrage.

Als geeignete Kastengröße hat sich bewährt: Länge: 100 cm, Tiefe: 45 cm, Höhe 50 cm.

Abb. 2: Nistkasten für Wanderfalken

Vorderfront nur 1/3 geschlossen mit einer ca.10 cm hohen Bodenleiste, damit der Bodenbelag nicht herausgeweht wird. Wie bei dem Turmfalken beschrieben, ist auch hier vor dem Kasten ein Rost oder Brett erforderlich.

Anschrift des Verfassers: HELMUT AN HÄUSER, Stockheimer Straße 20, 60385 Frankfurt am Main 291 Neue Literatur

HAUPT J. & H. (1993): Insekten und Spinnentiere am Mittelmeer. - 357 S., 345 Farbfotos, 71 s/w Zeichnungen, Kosmos Naturführer; Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06030-6. Urlauber im Mittelmeerbereich machen meistens recht schnell Bekanntschaft mit Insekten, Skorpionen oder Spinnen. Sei es im Hotel, in Strandnähe, dem Campingplatz oder bei Streif- zügen durch die Umgebung des Ferienortes. Wer mit offenen Augen (und Ohren) sich umsieht und hört, wird schnell erkennen,wie artenreich und vielgestalig sich dieseTierarten vorstellen. Meist sind sie weit farbenprächtiger als die bei uns lebenden Vertreter dieser Gliederfüßler. Der jetzt vom Franckh-Kosmos-Verlag vorgestellte Naturführer dient dazu, diese Lebewesen nährer kennenzulernen und damit auch mehr Verständnis für sie aufzubringen. Viele Menschen sind schnell bereit, diese Tiere in Unkenntnis ihrer Lebensweise zu töten. Nur wer sich näher mit ihnen befaßt, wird schnell erkennen, daß auch sie ein Teil unserer Umwelt sind und dort ihren angestammten Platz als Glieder einer Lebensgemeinschaft haben. Die beiden Autoren wählten mehr als 300 Arten aus, die als besonders häufig und auffällig anzusehen sind. Nach einer Vorstellung der Lebensräume wird einiges über Gifttiere und Krankheitsüber- träger gesagt, den Körperbau dieser landbewohnenden Gliederfüßler beschrieben und an Hand eines Beispiels der Bestimmungsschlüssel erläutert. Übersichtstabellen und Bild- schlüssel leiten zur Darstellung der einzelnen Arten über. Der jeweils einem Farbfoto bei- gefügte Text gibt eine kurzgefaßte Auskunft über Aussehen und Vorkommen der Art. Am unteren Seitenrand werden an Hand von Symbolen die jeweiligen Biotope, die ökologische Schicht, das jahreszeitliche Auftreten, die Aktivitätszeit, die Körperlänge bzw. Spannweite und die Lebensweise aufgezeigt. Hinzu kommt, daß ein Farbcode am Seitenrand auf die einzelnen Gruppen hinweist. So ist es nach kurzer Einarbeitung möglich, die Tiere zu bestimmen. Ein Glossar, weiterführende Literatur und ein Register beschließen den Naturführer. Das sehr handliche Buch ist für jeden Mittelmeerurlauber, der nicht nur an Hotel, Strand und Wasser Interesse hat, ein hilfreicher Begleiter und Vermittler von vielseitigen naturkundlichen Infor- mationen. W. KEIL

292 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 293-305 (1993)

Fledermausschutz an Gebäuden * von KLAUS RICHARZ, Frankfurt am Main

1. Kurze Charakteristik der Lebensweise und Lebensraumnutzung unserer Fledermäuse Allen 22 einheimischen Arten gemeinsam ist lediglich ihre nachtaktive Lebensweise als Insek- ten- (und z.T. auch Spinnen-) jäger. In der Beschaffenheit und Nutzung ihrer Sommerquartiere, Wochenstuben, Jagdbiotope und Winterquartiere unterscheiden sich unsere Fledermäuse beträchtlich. (Ausführliche Darstellungen der Lebensweise und Ökologie der Fledermäuse finden sich bei GEBHARD 1991 a, MAYWALD & POTT 1988, R ICHARZ & LI MBRUN N ER 1992.) In den Somme rq uartieren verbringen die Tiere während ihrer aktiven Jahresperiode die Tage und ziehen dort auch (oft kolonieweise) ihre Jungen auf (=Wochenstuben). In Nachbarschaft ihrer Sommerunterkünfte fliegen Fledermäuse in Jagdbiotopen mit arttypischen Strategien auf Beutefang. Unsere traditionelle Kulturlandschaft mit Streuobstwiesen, Feldgehölzen, Feuchtgebieten, naturnahen Wäldern, Bauerngärten und Parkanlagen bot den Fledermäusen eine große Auswahl an Nahrungsnischen. Mit dem Verschwinden an Lebensraumvielfalt wird unseren Fledermäusen die Lebensgrundlage entzogen. Als Anpassung an das fehlende Nahrungsangebot im Winter suchen die Fledermäuse der gemäßigten Klimazone Winterquartiere auf, in denen sie bei besonderen mikroklima- tischen Bedingungen in einen Winterschlaf (Dauerlethargie) verfallen. Die Fähigkeit zur Temperaturabsenkung nutzen die Fledermäuse auch tagsüber während der Sommersaison zum Energiesparen. Im Spätsommer, während der Fortpflanzungsperiode, ändert sich die Populationsstruktur der Fledermäuse. Arttypisch beginnen die Tiere Wanderungen mit Quartierwechseln (Auflösung der Wochenstuben, Individuenaustausch in den Sommerquartieren, Wechsel in Winterquartiere, z.T. Aufsuchen von Zwischen-, Balzquartieren und „Rendezvousplätzen"). Alle einheimischen Arten suchen als Quartiere und Verstecke höhlen- und spaltenartige Räume auf, die sehr unterschiedlich sein können und den o. g. unterschiedlichen Funktionen dienen. Weil bestimmte Quartiertypen bevorzugt werden, hat sich für unsere Fledermaus- arten eine Einteilung in Baum- und Hausfledermäuse eingebürgert. Wie keine andere Tiergruppe haben sich die mitteleuropäischen Fledermausarten in ihrer Quartierwahl menschlichen Bauwerken angepaßt und sind so auf Gedeih und Verderb von unserer Bauweise - und Toleranz - abhängig geworden.

2. Bindung an Gebäude Alle 22 in Deutschland vorkommenden Fledermausarten wurden schon an und in Gebäuden nachgewiesen, wobei die Bindung an diese Quartiere artspezifisch sehr verschieden ist (vgl. RICHARZ 1986).

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Natur- schutz-Zentrum Hessen. 293 Im Sommer praktisch ausschließlich an und in Gebäuden finden sich: Kleine H ufeisen- nase (die in Hessen nachgwiesenen Arten sind gesperrt gedruckt), Große Hufeisennase, Wimperfledermaus, Teichfledermaus, Zweifarbfledermaus, Nordfledermaus und Graues Langohr.

Bevorzugt oder regelmäßig beziehen ihre Sommerquartiere an und in Gebäuden: Große und Kleine Bartfledermaus, Großes Mausohr, Breitflügel-, Zwerg-, Mopsfledermaus und Braunes Langohr.

Selten aber regelmäßig sind dort anzutreffen: Fransen-, Wasser-, Rauhhautfleder- maus und Großer Abendsegler. Ausnahmsweise bezieht die Bechsteinfledermaus Wochenstubenquartiere in Gebäuden. Einige Fledermausarten wie Zweifarb-, Nord-, Breitflügel-, Zwerg-, Rauhhautfledermaus, Großer und Kleiner Abendsegler sowie beide Lang oh rarten überwintern auch gerne in Spaltquartieren an und in Gebäuden.

2.1 Entdecken von Gebäudequartieren

Nur vier der 22 einheimischen Fledermausarten hängen bevorzugt frei am Gebälk auf Dach- böden (Großes Mausohr, Große und Kleine Hufeisennase, Wimperfledermaus). Die Mehrzahl der Gebäudequartiere beziehenden Arten lebt dagegen sehr versteckt in spal- tenartigen Hohlräumen an und in Gebäuden und fällt oft nur durch das Fallenlassen ihrer Kotkrümel auf. Ihre Verstecke lassen sich selbst in kleinen Gebäuden oft nur durch hinzugezo- gene Experten ausfindig machen. Einige Spaltenquartierbewohner nehmen sehr rasch neue, artgemäße Verstecke an und beziehen so oft Neubauten (z. B. Hohlblocksteine von noch unverputzten Außenwänden).

Abb. 1 zeigt die Zugangs- und Quartiermöglichkeiten für gebäudebewohnende Fleder- mausarten:

Abb. 1: Zugangs- und Quartiermöglichkeiten für gebäudebewohnende Fledermausarten. 1= für Dachbodenbewohner, 2 = für Überwinterer, 3/4 = Spaltenquartierbewohner (aus RICHARZ & LIMBRUNNER 1992) 294 Kotkrümel als Indizien : Die kleinen, im frischen Zustand meist schwarzglänzenden „Würstchen" verraten aufgrund ihrer Lage den Quartierort und liefern aufgrund der Lage und Größe Hinweise auf die Artzugehörigkeit des Quartierbewohners (z. B. „kleben" Zwerg- f led ermäuse ihre sehr kleinen Kotkrümel gerne an senkrechte Strukturen in der Nähe des Einschlupfes, zwischen den mittelgroßen Langohr- Kotkrümeln finden sich meist auch Flügelreste von Tag- und Nachtfaltern, ihrer Vorzugsbeute, die großen Kotkrümel der Mau so h re n türmen sich unterhalb der Haupthangplätze einer Kolonie im Dachstuhl auf).

2.2 Gefährdungsfaktoren für Gebäudequartiere bzw. die Bewohner

- Abriß alter Gebäude und moderne Bauweise

- Verschluß von Ritzen und Löchern (insbesondere zur Wärmedämmung) an Gebäuden und Dachluken, Einsetzen herausgefallener Fenstergläser (z. B. an großen Gebäuden zum Schutz gegen Tauben)

- Füllen von Hohlschichten in Hauswänden mit Isoliermaterial - Ausbau von und Aufräumarbeiten in Dachböden mit einem Fledermausbestand

- Imprägnierung von Dachgebälk bzw. Holzverkleidungen mit giftigen Holzschutzmitteln

- Veränderung des Mikroklimas (Zugluft) durch Einbau von Dachbelüftungen bei Reno- vierung alter Dachböden

- Abdichtung und Trockenlegung feuchter Kellerräume (v. a. Bier- und Eiskeller)

- neugierige „Naturschützer", „-fotografen" u. ä.

3. Schutzmaßnahmen für Gebäudequartiere Das Schicksal unserer Fledermäuse hängt u.a. davon ab, ob wir ihnen die einmal gewählten Quartiere ungestört belassen, bzw. auch bereit sind, bei Um- und Neubauten neue Quartier- möglichkeiten zu schaffen. Um mehr als Einzelerfolge zu erreichen, bedarf es einer grundsätzlichen Bereitschaft aller Verantwortlichen (Eigentümer, Mieter, Gebäudeverwaltungen, Architekten, Behörden, Kommunen u.a.) zur Mit- und Zusammenarbeit (vgl. RICHARZ 1993). Was nach der Ent- deckung von Fledermäusen an und in Gebäuden zu tun ist, verdeutlicht Abb. 2.

3.1. Fachliche, verwaltungstechnische und rechtliche Voraussetzungen in Hessen

Seitens des Naturschutzes in Hessen wurde die Basis für einen erfolgreichen Fledermaus- schutz geschaffen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der AG Fledermausschutz in Hessen in der HGON* (AGFH) führen seit Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden und mit Förderung durch das HMfLWLFN** Bestandserfassungen, Quartierkontrollen, Dokumentationen und Beratungen durch, die bei dem Leiter der Staatlichen Vogelschutz- warte (VSW) als Geschäftsführer der AGFH zusammenlaufen. Auf Nachfrage kann die VSW regional zuständige Experten benennen, die bei anstehenden Einzelfällen die fachliche

* HGON: Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. ** HMLWLFN: Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz 295 Sie haben Fledermäuse in einem Gebäude gefunden: Was tun?

Sie planen keine Umbauarbeiten. Sie haben Umbauarbeiten geplant oder sogar begonnen.

Bitte lassen Sie die Tiere völlig ungestört!

Es ist Sommer (Mai bis September). Es ist Winter (Oktober bis April).

Die Fledermäuse Sie finden auch Sie finden nur alte Die Fledermäuse bewegen sich junge Fledermäuse. ausgewachsene Tiere. sind starr und ruhig. und schimpfen.

Bitte stellen Sie Zeitliches Verschieben Bitte stellen Sie sofort die Bau — der Bauarbeiten ist sofort die Bau — Bitte verschieben arbeiten ein und nicht möglich. Bitte arbeiten ein und Sie die Bauarbei — verschieben sie ziehen Sie sofort einen ziehen einen ten auf April/Mai! auf September/ (,9 1 Experten hinzu! Experten hinzu! Oktober!

Können Sie das Fledermausquartier erhalten?

Ja, das ist ohne Das ist nicht ohne Nein, das ist weiteres möglich. weiteres möglich. völlig unmöglich. 1 Bitte lassen Sie sich Bitte prüfen Sie alle Bitte machen Sie unbedingt von einem Möglichkeiten eingehend! Ihre Fledermäuse Fledermausexperten Sie tragen zum Rückgang nicht obdachlos! p beraten! und Aussterben dieser ,100 seltenen Tiere bei! 91W11.

Abb. 2: Ablaufschema „Fledermäuse in Gebäude(n) gefunden: Was tun?" (aus RICHARZ & LIMBRUNNER 1992) 296 Beratung übernehmen. Auch die Beauftragten für Vogelschutz werden seit 1992 in diesen speziellen Fachfragen in Lehrgängen mit dem NZH (Naturschutzzentrum Hessen e.V.) geschult und stehen zukünftig als Ansprechpartner zur Verfügung. Über Paragr. 20f BNatG hinaus haben die Fledermäuse (zusammen mit gebäudebewoh- nenden Vogelarten) Eingang in die ab 1993 gültigen neuen hessischen Wohnungsbau-Richt- linien gefunden (Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr. 36 S. 2153 ff., 1992).

4. Renovieren und Bauen mit Verstand Besondere Gefahr droht den Hausfledermäusen bei Renovierungen (Um- und Ausbau von Dachstühlen, Behandlung der Balken mit giftigen Holzschutzmitteln). Wenn Renovierungen geplant sind, immer Experten hinzuziehen. Folgende Punkte sind zu beachten:

4.1. Baumaßnahmen am Dachstuhl - Möglichst auf Spätsommer und Herbst (ab September) verlegen. - Einflugöffnungen erhalten. Schlitze von 10 cm Höhe und 30 cm Breite reichen für die Fledermäuse allgemein aus und halten gleichzeitig die oft unerwünschten Tauben ab. Zusätzliche Einschlupfmöglichkeiten durch Entfernen der Siebe aus Lüftungsziegeln schaffen oder durch Einbau von Fledermausziegeln! Achtung: neue Lüftungs- und Fleder- mausziegel verändern leicht das Kleinklima im Dachraum! Solche Ziegel sollten deshalb höchstens im mittleren Dachstockbereich eingebaut werden, damit sich die Warmluft im Giebel stauen kann. Wenn irgendmöglich, die alten, von den Fledermäusen bisher benutzten Einflugöffnungen erhalten. Diese können durch Ausflugsbeobachtungen ohne Störung der Fledermäuse herausgefunden werden! - Mit Blech beschlagene Dächer nach Möglichkeit erhalten (höhere Temperaturen im Quar- tier!). Wenn sich durch Renovierungen die Temperaturen auf dem Dachboden wesentlich ändern sollten, kann den wärmebedürftigen Tieren u. U. durch das Anbringen einerWärme- lampe (Schwarzlicht, thermostatgesteuert) geholfen werden. - Decken des Daches nicht mit imprägnierten Betonziegeln, sondern mit Tonziegeln (oder nicht imprägnierten Betonziegeln).

4.2 Holzschutzbehandlung Ein besonders kritischer Punkt ist die Holzschutzbehandlung. Erst sollte festgestellt werden, ob sie überhaupt durchgeführt werden muß. Wenn ja, sind einige Gesichtspunkte bei der Durchführung zu beachten (vgl. auch Beitrag BINKER im gleichen Heft). In den Sommerquartieren kommen Fledermäuse mit den Holzkonstruktionen in engen Körperkontakt. Sie sind dadurch in besonderem Maße durch Chemikalien, die zum Schutze des Holzes gegen Fäulnis und Insektenbefall eingesetzt werden, gefährdet. Professor E. KULZER aus Tübingen hat in sog. Langzeitversuchen (100 Tage) Holzschutzmittel auf Verträglichkeit gegenüber Fledermäusen geprüft. Sie können unter Einhaltung folgender Bedingungen in Fledermausquartieren eingesetzt werden: - In keinem Falle darf die Holzbehandlung bei Anwesenheit der Fledermäuse erfolgen.Auch Lösemittel sind giftig! Der unmittelbare Kontakt könnte zu schweren Schädigungen führen. - Die Holzbehandlung muß mindestens vier Wochen vor Einzug der Fledermäuse in das Quartier abgeschlossen sein. In dieser Zeitspanne verdampfen die Lösemittel. Eine gründ- liche Belüftung begünstigt den Vorgang. 297 - Bei den anorganischen Salzgemischen (Komplexbildnern) erfolgt in dieser Zeitspanne ein Fixierungsvorgang, der die Substanzen so bindet, daß sie nicht mehr auswaschbar (ausleckbar) sind. Sie verlieren ihre Wasserlöslichkeit.

- In Gebäuden, in denen Fledermäuse ihre Sommerquartiere haben, darf die Holzbehand- lung nur zwischen Oktober und Februar erfolgen. In dieser Zeit befinden sich die Tiere in ihren Winterquartiern. Anfang April treffen sie in der Regel in den Sommerquartieren ein.

- Unter keinen Umständen dürfen im Bereich von Fledermausquartieren LINDAN-haltige Holzschutzmittel verwendet werden.

- Bei den PYRETHROID-haltigen Holzschutzmitteln ist darauf zu achten, daß niemals Über- reste davon in Gewässer gelangen. Für Fische und Fischnährtiere sind Pyrethroide extrem giftig. Auch Personen mit Hautverletzungen oder Allergien sollten nicht mit diesen Stoffen umgehen.

Als Alternative zum Einsatz von Holzschutzmitteln bietet sich die Holzbehandlung durch das sog. „Heißluftverfahren" an. Auskünfte hierzu erteilt der Arbeitskreis Bauten- und Holzschutz e. V., 33829 Borgholzhausen, Holtfeld 10, Tel. 0 54 25-3 65.

4.3 Nachbesserungen und Neuanschaffungen (vgl. Abb. 3)

Nach einer Holzschutzbehandlung oder wenn neue Balken und Bretter eingezogen wurden, sollten unbehandelte Bretter an den bevorzugten Hangplätzen derTiere über die behandelten Balken genagelt werden (Nach Möglichkeit die alten Hangbretter verwenden. Sie können an der Dunkelfärbung erkannt werden, die vom Körperfett der Fledermäuse herrührt.).

- Auf Dachböden mit Fledermauskolonien keine Ansiedlungsversuche für Schleiereulen durchführen. Beide Tierarten können friedlich nebeneinander leben, aber Schleiereulen lernen manchmal, sich von Fledermäusen zu ernähren. - Verschlossene Dachböden von Kirchen, Schlössern, alten Schulhäusern und ähnlichen Gebäuden wieder für Fledermäuse zugänglich machen: Einflugschlitze oder Fledermaus- ziegel einbauen. - Auch bei Privathäusern und Neubauten ruhige und ungenutzte Dachabteile durch Schaf- fung von Einflugmöglichkeiten den Fledermäusen offenhalten.

- Für Arten, die Spaltquartiere bevorzugen: Einflugschlitze hinter Holzverkleidungen und Wandverkleidungen erhalten oder neu schaffen, Fledermausbretter und -steine anbringen (schmale Verkleidung an Außenwand, seitlich und oben verschlossen, Zugang von unten, ähnlich Holzverkleidung, (in Abb.1, s. auch Abb. 3), auch unbenutzte Fensterläden erhalten (weitere Details vgl. STUTZ HAFFNER 1992).

298

In der Regel hängen Huf- eisennasen und Mausohren frei im Quartier. Bei der Ankunft im Frühjahr werden bei kühler Witterung jedoch besonders vom Mausohr gerne geschützte Spaltquar- tiere aufgesucht. Männchen dieser Art verkriechen sich das ganze Jahr über zwi- schendurch gerne in Spalten, ebenso Jungtiere und Alttiere bei Störungen (Großbuch- staben: Verweise auf Detail- abbildungen und konstruktive Varianten).

Viele fledermaustaugliche Dachstöcke sind heute leider verschlossen. Aus Angst vor 7V Tauben oder Schneever- wehungen wurden beispiels- weise die Fenster von Türmen und Dachstöcken vieler Kir- A / chen verschlossen - und somit auch die Fledermäuse ausgesperrt. Optimal ist das totale Öffnen von einem Fenster pro Dachstock. Sind mehrere Fenster offen, kann unter Umständen unbeliebter Durchzug entstehen. falsch richtig Läßt sich ein Fenster nicht 10 -15 ganz öffnen, so genügen Hilfsdurchgänge mit den oben aufgeführten Maßen. Die D vorgeschlagenen Maßnahmen innen 1 außen verhindern zudem ein Ein- dringen von Tauben (bieg- sames und wackliges Gitter, falsch richtig enge Vertikalpassagen).

I , I 6 I 1 Hilfsdurchgänge aus Holz F und Lüftungsziegel müssen E unbedingt sehr rauhe Ober- flächen bieten, damit sich die Fledermäuse mit Daumen- Lüftungsziegel und Fußkrallen gut festhalten 1 1 I* können. >16K (Maße in cm)

Abb. 3a: Konstruktionsanleitung für Gebäudequartiere; Große Hufeisennase, Kleine Huf- eisennase, Großes Mausohr (aus RICHARZ 1986 nach STUTZ & HAFFNER) 299 Wasserfledermäuse und Langohrfledermäuse müssen sich in ihrem Quartier, in dem sie oft frei hängen, unbedingt verkriechen können. Fehlt bei Dachstockquartieren ein Dachunterzug, so müssen andere Spalträume vorhan- den sein.

Wasserfledermäuse und Langohrfledermäuse benut- zen gerne offene Fenster als Durchflugöffnungen. Auch 7V Hilfsdurchgänge mit den oben aufgeführten Maßen werden gerne angnommen. Besonders bei Langohren spielt der Durchschlupf unter dem Firstziegel (nicht ver- mörtelt!) eine wichtige Rolle. falsch richtig L__.I Damit die Tiere aber vom A Hohlraum unter den First- 10-15 ziegeln in den Dachstock hinein gelangen können, D D dürfen die obersten Dach- latten nicht vollkommen innen 1 außen abschließen. (Maße in cm)

falsch richtig

• E

Lüftungsziegel

Abb. 3 b: Konstruktionsanleitung für Gebäudequartiere; Wasserfledermaus, Braunes Lang- ohr, Graues Langohr (aus RICHARZ 1986 nach STUTZ & HAFFNER)

300 Spaltquartierbewohner bevor- zugen in der Regel Quartiere mit gut anfliegbaren Öffnun- gen. Ebenso wollen sie sich beim Wegflug etwa einen Meter tief „in den Flug werfen" können. Die Öffnungen der meisten Quartiere sind daher an senkrechten Wänden oder gar an überhängenden Stel- len der Hausfassade. Der Untergrund direkt bei der Quartieröffnung muß sehr rauh sein, damit sich die Fle- dermäuse beim Anflug gut mit den Daumen-und Fußkrallen festhalten können. Soll der überstehende First- ziegel einer Stirnseite als Quartiereingang und Quar- tierausgang dienen, so darf er nur an den Längskanten mit Mörtel befestigt sein. Spaltquartierbewohnende Fledermausarten haben im Quartier gerne mit Bauch und Rücken Kontakt mit Unter- grund und Abdeckung. Ein- zeltiere zwängen sich in engere Spalten als ganze Kolonien, in welchen sich die Tiere ja gegenseitig zusätz- A lichen Kontakt und Schutz bieten können. Die angegebenen Maße sind daher Mindestmaße und kön- nen leicht abgeändert wer- den. Zu weiträumige Spalt- quartiere bieten jedoch den Fledermäusen wenig Schutz vor Feinden und ungünstiger Witterung und werden daher kaum angenommen. Der nutzbare Raum im Zwi- schendach wird bestimmt durch die Durchschlupfmög- lichkeit zwischen Dachlatten und Ziegeln, bzw. Dachlatten und Dachunterzug. Ist dieser Durchschlupf verunmöglicht, so bleibt als Spaltquartier nur der Hohlraum unter dem Firstziegel. Liegen die Dach- balken zwischen Ziegeln und Dachunterzug, so ist das Quartier optimal groß. (Maße in cm)

Abb. 3 c: Konstruktionsanleitung für Gebäudequartiere; Zwergfledermaus, Breitflügel- fledermaus, Zweifarbfledermaus, Großer Abendsegler (aus RICHARZ 1986 nach STUTZ & HAFFNER) 301 Spaltquartierbewohner bevor- zugen in der Regel Quartiere mit gut anfliegbaren Öffnun- gen. Ebenso wollen sie sich beim Wegflug etwa einen Meter tief „in den Flug werfen" können. Die Öffnungen der meisten Quartiere sind daher an senkrechten Wänden oder gar an überhängenden Stel- len der Hausfassade. Der Untergrund direkt bei der Quartieröffnung muß sehr rauh sein, damit sich die Fle- dermäuse beim Anflug gut mit den Daumen- und Fußkrallen festhalten können.

Spaltquartierbewohnende Fledermausarten haben im Quartier gerne mit Bauch und Rücken Kontakt mit Unter- grund und Abdeckung. Ein- zeltiere zwängen sich in engere Spalten als ganze Kolonien, in welchen sich die Tiere ja gegenseitig zusätz- lichen Kontakt und Schutz bieten können. -"IMELÜLE.Mle.tli Die angegebenen Maße sind 1.5-3 daher Mindestmaße und kön- nen leicht abgeändert wer- den. Zu weiträumige Spalt- >3 A quartiere bieten jedoch den B Fledermäusen wenig Schutz vor Feinden und ungünstiger Witterung und werden daher kaum angenommen. (Maße in cm)

Abb. 3d: Konstruktionsanleitung für Gebäudequartiere; Kleine Bartfledermaus, Zwerg- fledermaus, Rauhhautfledermaus, Zweifarbfledermaus, Großer Abendsegler (aus RICHARZ 1986 nach STUTZ & HAFFNER)

302 4.4 Noch einige Tips zur Quartierbeschaffung (nach GEBHARD 1991 b)

Spaltquartier aus Holz bauen. Mit geringem Aufwand können enge Spaltquartiere, die eine lichte Weite von 2 - 5 cm haben, selbst gebaut werden (Abb. 4).

Beispiel:

Eine flache Holzkiste aus sehr rauhen, etwa 2 -3 cm dicken Brettern (Maße: 40 x 25 cm, Rückwand etwas länger, innere Weite 3 cm) hat die Öffnung an der kürzeren Schmalseite. Einschlupfspalt: 3 x 5 cm breit oder ganze Kastenbreite. Damit die Fledermäuse klettern können, muß die Innenseite und Anflugfläche sehr rauh sein (evtl. horizontale Sägeschnitte oder Beilkerben anbringen). Holzschutz- mittel, falls nötig, nur auf der Außenseite auftragen.

Abb. 4: Vorschlag zum Selbstbau eines Spaltenquartiers (aus GEBHARD 1991 b)

4.4.1 Wo anbieten? - Wo suchen Fledermäuse? Fliegende Fledermäuse tun dies bevorzugt bei horizontalen Kanten oder winkeligen Struk- turen (z. B. bei Dachvorsprüngen). Dort sollten Einschlupfmöglichkeiten angeboten werden. Außen: Die Kästen können an Hauswänden in mindestens 3 m Höhe mit der Rückseite in engem Wandkontakt so angebracht werden, daß sie sich ästhetisch der Hausstruktur anpassen. Sie sollten an beschatteten und sonnigen Seiten angeboten werden. Die Fleder- mäuse wählen dann selbst aus. Mehrere solcher Quartiere können unter einem langen Brett angeordnet sein, indem das Brett mehrfach durch senkrechte Latten unterteilt und oben durch eine Längslatte abgedeckt wird. Eine diskrete Anpassung an das Haus ist möglich. Innen: Wenn auf Dachböden Spaltstrukturen fehlen, können auch dort solche Kästen an Balken oder Wände montiert werden. Bei Neu- oder Umbauten lassen sich neue Spaltquartiere unter die Ziegel oder in die Fassade einbauen.

4.4.2 Fledermäuse in Mauerseglerkästen Mauersegler und einige Fledermausarten haben ähnliche Suchstrategien, um neue Quartiere zu entdecken. Deshalb kann man Fledermäusen auch in Seglerkästen eine Wohngelegenheit anbieten, indem man durch ein zusätzlich eingebautes, rauhes Brettchen ein Spaltquartier erzeugt. Der etwa 2 -3 cm breite Spalt könnte für Fledermäuse vom Spätherbst bis Frühjahr, wenn die Segler nicht da sind, ein günstiges Zwischenquartier sein. 303 4.4.3 Neue Quartiere in Mauern In allen großflächigen Mauern, auch an Industriebauten und Hochhäusern, können kleine Hohlräume ausgespart werden, die Fledermäusen Wohnraum bieten. Bedingungen: Innen- raum etwa in der Größe eines Telefonbuches oder mehr, rauhe Innenwände (z. B. grober Mörtel), kleine unten am Hohlraum angebrachte Einflugöffnung (etwa 3 x 6 cm, horizental oder vertikal). Höhe über dem Boden von 3 — 20 m. Wenn Aussparungen schwierig sind, kann man solche aus hohlen, entsprechend umgestalteten Isolierbausteinen selbst vorfertigen und dann einbauen lassen. Notfalls genügen auch ausgesparte 2 — 3 cm breite, aber mindestens 10 cm tiefe Spalten mit rauhen Innenwänden. Diese können auch in für Fledermäuse zu- gänglichen Decken sein. Werden die Hohlräume dicht bei Strukturkanten des Bauwerkes angeboten, ist eine Besiedlung wahrscheinlicher (Abb. 5).

Abb. 5: Hohlraum in Bauwerkswand (aus GEBHARD 1991 b)

4.4.4 Hohle Isolierbausteine als Fledermauswohnungen Enge Hohlräume in Isolierbausteinen, die an Decken angebracht worden waren, wurden vielerorts rasch von Fledermäusen besiedelt (Abb.6).

Abb. 6: Hohlblockstein als Quartierangebot 1 (aus GEBHARD 1991 b) 304 4.4.5 Reinigung der Quartiere

Ist bei Spaltquartieren meist nicht nötig. Herunter rieselnder Kot aus Spaltquartieren an Haus- fassaden kann durch das Anbringen von Kotbrettchen abgefangen werden (vgl. Konstruk- tionszeichnungen bei RICHARZ 1991,1993). Bei sehr großen Kolonien im Zwischendach kann bei Abwesenheit der Fledermäuse nachkontrolliert werden, ob es ungünstige Entwicklungen gibt. Allfällige Maßnahmen sollten mit Spezialisten besprochen werden.

Dachböden kann man im Herbst reinigen. Bei größeren Kolonien ist eine unter dem Hangplatz ausgelegte Plastikfolie nützlich.

5. Literatur

GEBHARD, J. (1991 a): Unsere Fledermäuse. - Hrsg.: Naturhistorisches Museum Basel, Nr.10, 3. erweiterte Auflage 72 S.

GEBHARD, J. (1991 b): Lebenshilfen für Fledermäuse. - Hrsg.: „pro Chiroptera", Verein für Fledermausschutz und Naturhistorisches Museum Basel, Faltblatt, 8 S.

MAYWALD, A. & B. POTT (1988): Fledermäuse - Leben, Gefährdung, Schutz -Otto Maier,128 S. RICHARZ, K. (1986): Bedrohung und Schutz der Gebäudefledermäuse. - Schriftenreihe Bayer. Landesamt für Umweltschutz 73: 15-35. RICHARZ, K. (1991): Wir tun was für Fledermäuse.- Franckh-Kosmos Stuttgart; 37 S.

RICHARZ, K. & A. LIMBRUNNER (1992): Fledermäuse - Fliegende Kobolde der Nacht. - Franckh-Kosmos Stuttgart; 192 S.

RICHARZ, K. (1993): Fledermäuse und Gebäude.- ANL-Berichte (im Druck). STUTZ, H.P. B. & M. HAFFNER (1992): Aktiver Fledermausschutz.- Band III - Richtlinien für die Erhaltung und Neuschaffung von Fledermausquartieren in und an Gebäuden.-Hrsg.: Koordinationsstelle Ost für Fledermausschutz (KOF) und Stiftung zum Schutze unserer Fledermäuse in der Schweiz (SSF) Zürich, 44 S.

Anschrift des Verfassers: Dr. KLAUS RICHARZ, Steinauer Straße 44, 60386 Frankfurt am Main

305 Neue Literatur

STADELMANN, P. (1992): Der Bach im Garten. - 63 S., 54 Farbfotos, 27 Zeichn., Gräfe und Unzer Verlag München, ISBN 3-7742-1077-2. WILKE, H. (1991): Der Naturteich im Garten.-63 S., 55 Farbfotos, 30 Zeichn., Gräfe und Unzer Verlag München, ISBN 3-7742-1360-7. KE I L, G . (1993) Praxis Biogarten.-111 S.,40 Farbfotos,90 Farbzeichn., Gräfe und UnzerVerlag München, ISBN 3-7742-1794-7. Wer aufmerksam durch unsere Wohngebiete geht, wird feststellen, daß im Gartenbereich zunehmend Teiche und kleine Wasserläufe angelegt werden. Auch wird von der alten Praxis des stets kurz geschnittenen Rasens abgewichen. Letztlich ist die Anlage eines sogenannten Biogartens das Ziel. Oft scheitern jedoch derartige Bemühungen kläglich,weil die notwendige Sachkenntnis fehlt. Wasserflächen veralgen oder werden zu Stechmückenbrutstätten, die angelegte Blumenwiese ändert ihr Bild, oder die Behandlung der Gartenfläche ist nicht „naturgerecht". Es lohnt sich daher einschlägige Literatur heranzuziehen, damit Fehlschläge verhindert und eine sachgemäße Pflege und Unterhaltung ermöglicht werden. Die hier vor- gestellten Pflanzenratgeber des GU-Verlages - von Experten verfaßt - vermeiden Fehlent- wicklungen und geben wichtige Hinweise, das gesteckte Ziel verwirklichen zu können. So wird im Buch „Der Bach im Garten" u. a. ausführlich über eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Gestaltung eines Bachlaufs und dem Bau eines Wasserfalls berichtet. Gleiches gilt für den Band „Naturteich im Garten" und „Praxis Biogarten", die entsprechende Ratschläge zur Anlage und Pflege, zum Bepflanzen und Überwintern geben. Im „Biogarten" werden zum naturgemäßen Pflanzenschutz nützliche Hinweise gegeben. Die 3 Bände sind ausgezeichnet illustriert und veranschaulichen so den Text. Auf das Foto mit der Katze in „Bach im Garten" (S. 53) sollte bei einer Neuauflage verzichtet werden. Hauskatzen können z. B. durch das Aus- räubern von Vogelnestern und die Entnahme von Bewohnern flacher Gewässer erheblichen Schaden anrichten. Auch sollte auf das Aussetzen nicht einheimischer Tier- und Pflanzen- arten (z. B. Amerikanischer Edelkrebs) verzichtet werden. Sie stellen eine Faunenver- fälschung dar. Es ist ferner u. a. ohne behördliche Genehmigung nicht gestattet, Tiere und Pflanzen aus der freien Natur zu entnehmen, um sie im eigenen Garten auszusetzen. Diese wandern von selbst ein, wenn der neu geschaffene Lebensraum stimmt. Entsprechende Hinweise werden gegeben. Insgesamt gesehen sind die vorgestellten Bücher als empfehlens- wert anzusehen. Ihr Kauf lohnt sich. W. KEIL.

306 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 307-312 (1993)

Schutzmöglichkeiten für Mauersegler* von ERICH KAISER, Kronberg

1. Sicherung bestehender Nistplätze Gerade beim Mauersegler ist die Erhaltung bestehender Nistplätze von größter Wichtigkeit. Mir ist kein einziger Fall bekannt, wo ein einmal besiedelter Nistplatz ohne Störung auf- gegeben wurde! Zu einer Nistplatzaufgabe kommt es (ohne menschliche Einwirkung) nur, wenn die Nisthöhle durch Sperlinge mit Nistmaterial vollgetragen und derverbleibende Raum für Segler zu klein wird, oder wenn der Anflug durch hochwachsende Bäume für Segler unmöglich wird. Deshalb sollten Sanierungsarbeiten an von Seglern besiedelten Gebäuden möglichst nicht vor August begonnen und spätestens im April beendet werden. Andererseits lassen sich Segler durch Baugerüste kaum stören, solange der An- und Abflug zum Nistplatz, der in einem Winkel von ca. 45° erfolgt, freigehalten wird. Dann pfeilen die Segler oft nur wenige Zentimeter neben den arbeitenden Handwerkern in ihren Nistplatz.

Die größte Gefahr für bestehende Seglernistplätze ist Gleichgültigkeit oder Unwisssenheit. Hier sind aufmerksames Beobachten und Aufklärung nötig, um schwere Störungen während der Brutzeit oder gar ein Zumauern der Nistplätze zu verhindern.

2. Schaffung neuer Nistplätze Segler tun sich beim Entdecken neu geschaffener Nistplätze oft schwer: Wenn sich keine besetzten Seglernistplätze nahe der Neuanlage befinden, kann die Besiedlung Jahre dauern, was in Anbetracht der Wohnungsnot bei Seglern nur verständlich wird, wenn man weiß, daß Segler sehr konservativ in ihren Nistgewohnheiten sind. Ein einmal besetzter Nistplatz wird nie ohne Not aufgegeben, und auch die Wohnungssuchenden kennen alle besetzten Nistplätze ihres Reviers ganz genau und lauern auf jede hier freiwerdende Stelle. Auf neue Nistmöglich- keiten werden Segler oft erst durch die in dieser Hinsicht viel findigeren Stare und Sperlinge aufmerksam.

Hierzu folgendes Beispiel: An meinem Arbeitsplatz in Frankfurt-Niederrad versuche ich seit 1987 Segler anzusiedeln. Die drei dort angebotenen Nistkästen wurden immer nur von Staren bezogen, obwohl dort (in Mainnähe) bei kühlem Wetter massenhaft Segler auf der Futtersuche sehr niedrig um die Gebäude fliegen.1992 haben die Segler endlich die neuen Nistmöglich- keiten entdeckt, sie wurden durch die Aktivitäten der Stare darauf aufmerksam. In dieser Gegend nisten die meisten Segler unter Flachdächern, wo sie Einflugmöglichkeiten unter den Blecheinfassungen finden. Es war kurios zu beobachten, wie die wohnungssuchenden Segler, nachdem sie durch die Stare gemerkt hatten, daß sich hier Nistmöglichkeiten boten, zunächst die vertrauten Blecheinfassungen des Flachdachs anflogen und die daran aufgehängten, ihnen unbekannten Nistkästen völlig ignorierten. Erst als ihre Einflugversuche über Wochen erfolglos blieben, nahmen sie sich ein weiteres Beispiel an den Staren. Nach Ausfliegen der

" Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden am 13./14.Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Natur- schutzzentrum Hessen. 307 Jungstare im Juli wurden zwei der drei Kästen von Seglern besetzt, es kam jedoch so spät im Jahr zu keiner Brut mehr. Mit Sicherheit werden diese Segler im nächsten Frühjahr in diese Kästen zurückkehren und brüten. Daraus ergibt sich, daß lokale Seglerpopulationen meist auf einen bestimmten Nistplatztyp geprägt sind. Bei Neuanlagen sollte man darauf Rücksicht nehmen und jeweils ähnliche Nistplätze anbieten.

3. Anforderungen an Seglernistplätze Mauersegler stellen an ihre Nistplätze gewisse Anforderungen: Eine Mindesthöhe von 6 -7 m über dem Erdboden, davor freier An- und Abflug. Der Innenraum der Nisthöhle sollte so bemessen sein, daß die Jungsegler vor dem Ausfliegen ohne Behinderung ihre Flügel trai- nieren können, also mindestens in der Diagonalen sollten annähernd 40 cm (Spannweite des Mauerseglers) erreicht werden. Für die Höhe reichen notfalls 10 cnn.WEITNAUER verwendete Kästen von 25 x15 x10 cm, ich halte 30 x 20 x15 (der dritte Wert ist jeweils die Kastenhöhe, alle Maße sind als Innenmaße zu verstehen) für angebrachter.

Der Grund für diese Bauweise ist, daß Segler mit dem Starkastenprinzip nur schwer zurecht- kommen. So kann ein Segler nicht vom Flugloch auf den Kastenboden springen; er muß sich kopfüber hinunterfallen lassen und mühsam an der (hoffentlich) rauhen Innenwand wieder zum Einflug klettern. Viele Segler sind elend umgekommen, weil sie beim Hochklettern abge- rutscht und auf ihren langen Flügeln wie auf Stelzen an der Rückwand lehnend keinen Halt fanden. Selbst wenn es ihnen dann gelingt, sich umzudrehen, sind oft die Handschwingen geknickt, was für einen so flugintensiven Vogel den Tod bedeutet. Das zweite Problem sind die Innenmaße des Kastenbodens (meist 12 x12 cm). Hier hat ein Segler,der in Ruhestellung stets auf dem Boden liegt, mit seinen langen Flügeln ständig „Berührungsängste", und die Enge wird gänzlich unerträglich, wenn zwei bis drei Jungsegler größer werden. Segler bevorzugen Nistplätze mit ebenerdigem Einflug. Manchmal befindet sich der Einflug sogar im Kasten- boden, sodaß die Segler von unten anfliegen. In diesen Fällen können die Innenwände auch gehobelt sein. Am geeignetsten sind runde Einfluglöcher von ca. 5 cm Durchmesser, die auch von Staren bevorzugt werden. Diese verdrängen die für Segler viel gefährlicheren Sperlinge und machen sogar durch Sperlingsnester blockierte Nistplätze durch Heraustragen von Nist- material wieder für Segler zugänglich. Gelegentlich verteidigen Stare ihre fast flügge Brut hartnäckig gegen die zurückkehrenden Segler. Trotzdem bleibt dieser Nistplatz den Seglern nach dem Ausfliegen der Jungstare erhalten. Bei Mauerdurchbrüchen ist zu beachten, daß der eigentliche Durchbruch mindestens 10 cm breit und hoch sein soll, weil Segler in Panik geraten, wenn sie durch eine lange enge Röhre kriechen sollen, in der sie sich nicht umdrehen können. Dieser Durchbruch wird nach außen mit einer Eternitplatte oder Ähnlichem von 1-2 cm Stärke und einem runden Einflug in Boden- nähe abgeschlossen. Ferner sollte man wissen, daß das Nest immer im dunkelsten Winkel und möglichst fluglochfern angelegt wird. Wenn sich der Einflug nicht in der schmalen Stirnseite sondern in der Breitseite des Nistkastens befindet, soll deshalb das Flugloch nicht in die Mitte sondern seitlich gebohrt werden. Die Himmelsrichtung spielt keine Rolle, jedoch sollte man darauf achten, daß die Kästen während der Mittagszeit keiner zu starken Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind (Beschattung durch Dachüberstand). Wenn ein Haus eingerüstet ist, oder wenn man eine entsprechend lange Leiter besitzt, kann man ohne großen Aufwand Löcher in die Holzverkleidungen der Dachunterseite bohren, oder Einflugmöglichkeiten unter der Regenrinne schaffen. Dabei muß man unbedingt beachten, daß der so erschlossene Hohlraum zum Dachboden hin „seglerdicht" abgeschlossen ist. Sonst kann es passieren, daß die Segler, wenn sie in Einflugnähe keine passende Niststelle 308 Abb. 1: Die großen, bis zu 3 Gramm schweren Futterballen ermöglichen das Brüten im insektenarmen Stadtzentrum und Futtersuche in weitentfernten Außenbezirken (FOTO: E. KAISER)

Abb. 2: Fast flügge Jungsegler beim Muskeltraining (FOTO: E. KAISER) 309 finden, immer weiter zwischen den Dachsparren nach oben kriechen und nicht mehr zum Einflug zurückfinden. Sie folgen dann der nächstbesten Lichtquelle, die sie meist zum verschlossenen Dachfenster führt. Dann hat man statt neuer Nistplätze Todesfallen geschaffen! So habe ich im Dachboden unserer Kirche Dutzende toter Segler gefunden, die durch sieben Spechtlöcher in den Bodenraum gelangt waren, darunter auch einen in der Kolonie beringten Nestling, der im Alter von zwei Jahren in diese Falle geraten war. Glück- licherweise konnte ich hinter allen sieben Löchern Nistkästen anbringen, die heute alle besiedelt sind. Wo dies nicht möglich ist, sollte man solche Todesfallen un bedingt verschließen! Außerdem muß man beachten, daß Mauersegler trotz ihrer Vorliebe für geselliges Brüten nicht nur den unmittelbaren Nestbereich, sondern auch den dazugehörigen Einflug verteidigen. Die einzelnen Nistplätze müssen also seglerdicht gegeneinander abgetrennt sein, und es wäre völlig sinnlos, zwei Einflüge in ein Sparrenfeld zu bohren. Die im Fachhandel angebotenen Fertignistkästen und Niststeine berücksichtigen nicht die Vorliebe unserer Segler, auf engstem Raum in großer Zahl zu brüten. Dieser Vorliebe habe ich mit einem „Mehrfamilienkasten" für fünf Seglerpaare an der Rückseite unseres Hauses Rechnung getragen. Dieser Kasten ist 80 cm lang, 35 cm tief und 40 cm hoch,wobei die obere Etage der Dachschräge angepaßt ist. Er kann nur an einer Stirnseite und an der Breitseite angeflogen werden. Zwar liegen die fünf Einflüge ziemlich dicht beieinander, jedoch haben Mauersegler als Koloniebrüter ein hervorragendes Orientierungsvermögen, und weder bei diesem Fünferkasten, noch in der Giebelkolonie, wo sich auf relativ engem Raum 17 Einflüge befinden, gibt es Orientierungsprobleme, nicht einmal bei der Rückkehr aus dem Winter- quartier nach neunmonatiger Abwesenheit. Da 1989 alle fünf Paare dieses Kastens erfolgreich gebrütet haben, habe ich unmittelbar daneben einen etwas größeren Kasten aufgehängt, der zehn Seglerpaaren Nistmöglichkeiten bietet. Bei 100 cm Länge, 38 cm Tiefe und 35 cm Höhe sind acht Nistplätze in zwei Etagen untergebracht. Da auch dieser Kasten der Dachschräge angeglichen ist, konnte ich in der dritten Etage (also in der „Dachschräge") an jeder Stirnseite noch einen zusätzlichen Nistplatz unterbringen. Vier Einflüge befinden sich in der Vorderseite und je drei in jeder Stirnseite. 1990 wurden die ersten drei Nistplätze in diesem neuen Kasten besetzt,1991 zwei weitere. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es die Segler eher verwirrt, wenn zu viele neue Nistplätze gleichzeitig angeboten werden, deshalb gebe ich maximal zwei neue Einflüge zur Besiedlung frei, und erst wenn diese besetzt sind, werden weitere geöffnet. Der Nachteil solcher Kästen ist, daß man sie selbst bauen muß, und daß die Installation nur mit einem Gerüst zu verant- worten ist.

4. Reinigung der Nistplätze Bei Nistkästen ist eine jährliche Reinigung üblich, um eine möglichst parasitenfreie Wieder- besiedlung zu ermöglichen. Eine solche Reinigung stößt bei Seglerkästen auf Schwierig- keiten, da sie oft nur über ein Gerüst oder mit langen Leitern zu erreichen sind. In der von mir betreuten Kolonie (28 Paare in unserem Haus, 7 in der nahegelegenen Kirche) werden alle Nistplätze im Herbst gereinigt, wobei ich darauf achte, möglichst alle Puppen der Mauer- seglerlausfliege Crataerina pallida zu entfernen. Zusätzlich wurden über mehrere Jahre im April vor Ankunft der Segler sämtliche Nistplätze mit einem Pyrethrumpräparat ausgesprüht. Diese Maßnahme ist seit Jahren nicht mehr nötig, weil ich die Lausfliegen in meiner Kolonie praktisch ausgerottet habe. Bei der Reinigung wird das eigentliche Seglernest belassen, da es Jahr für Jahr benutzt und lediglich ausgebessert wird. Ich blockiere die Einflüge sämtlicher 310 Abb. 3: Eine ganze „Seglerkolonie" in zwei Nistkästen (FOTO: E. KAISER)

Nistplätze während der neunmonatigen Abwesenheit der Segler; nicht um sie für die Segler zu „reservieren", denn diese werden mühelos mit solchen Besetzern (Sperlingen, Staren und anderen Höhlenbrütern) fertig.Vielmehr bewahre ich die Besetzer davor, eine Brut anzulegen, die von den Anfang Mai zurückkehrenden Seglern in der Regel zerstört wird. Außerdem erspare ich mir dadurch, in jedem Frühjahr sackweise Nistmaterial von Staren und Sperlingen entfernen zu müssen. Eine zwingende Notwendigkeit für solche „Wartungsarbeiten" besteht allerdings nicht. Ich kenne unzugängliche Seglernistplätze, die ohne menschliche Eingriffe seit Jahrzehnten von Seglern besetzt sind und in der Regel einen sehr hohen Lausfliegenbefall aufweisen. Para- siten (in erster Linie Crataerina) werden bei gutem Wetter problemlos verkraftet, erst bei wetterbedingtem Nahrungsmangel werden sie zu einer Gefahr. Diese Auffassung wird sowohl von LACK (1956), als auch von WEITNAUER (1980) vertreten. ARN (1960) sieht beim Alpen- segler sogar eine positive Korrelation zwischen hohem Lausfliegenbefall und Bruterfolg,weil bei schönem Wetter und damit verbundenem reichlichen Nahrungsangebot nicht nur die Jungsegler, sondern auch die Lausfliegen besonders gut gedeihen. In zwei Jahren war der Befall mit Alpenseglerlausfliegen Crataerina melba praktisch Null, einmal verursacht durch eine Behandlung des Dachstuhls gegen den Hausbock im vorangegangenen Herbst und einmal durch eine strenge Frostperiode im Februar (-28° C). In den darauffolgenden Jahren herrschte jeweils ungünstiges Wetter, sodaß trotz der fehlenden Lausfliegen nur ein geringer Teil der geschlüpften Alpensegler zum Ausfliegen kam. Andererseits führt erJahre mit extrem hohem Lausfliegenbefall an, in denen bei gutem Wetter ein außergewöhnlich hoher Prozent- satz der geschlüpften Alpensegler ausfliegen konnte. 311 5. Literatur ARN, H. (1960): Biologische Studien am Alpensegler. - Verlag Vogt-Schild AG, Solothurn.

KAISER, E. (1992): Populationsdynamik einer Mauersegler-Apus apus-Kolonie unter beson- derer Berücksichtigung der Nichtbrüter-Vogelwelt 113 : 71-81.

LACK, D. u. E. (1952): The breeding behaviour of the swift. - Brit. Birds 45: 186 - 215. LACK, D. (1956): Swifts in a Tower. - Methuen & Co. Ltd., London.

WEITNAUER, E. (1947): Am Neste des Mauerseglers, Apus apus apus (L). - Orn. Beob. 44: 133 -182. WEITNAUER, E. (1980): Mein Vogel.- Basellandschaftlicher Natur- und Vogelschutzverband.

Anschrift des Verfassers: ERICH KAISER, Margarethenstraße 16, 61476 Kronberg

Neue Literatur

BEZZEL, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas. - Passeres Singvögel. - 772 S., 187 Zeichn., 143 Verbreitungskarten, 73 Tab., Aula Verlag Wiesbaden. ISBN 3-89104-530-1. 8 Jahre nach der Veröffentlichung des 1. Bandes (Nonpasseres), erscheint jetzt der 2. und abschließende Band über die Singvögel (Passeres). Insgesamt werden 203 Arten vorgestellt, die bisher in Mitteleuropa nachgewiesen werden konnten. Bei den einzelnen Arten werden folgende Stichworte behandelt: Status in Mitteleuropa, Kennzeichen, Verbreitung und Bestand, Wanderungen, Biotop, Nahrung, Stimme, Verhalten, Fortpflanzung, Alter, Mauser und spezielle Literatur. Meist ist dem Text eine zweifarbige Verbreitungskarte und eine Zeichnung beigefügt. So erhält der Leser einen sehr informativen Überblick über die Biologie unserer mitteleuropäischen Singvogelarten. Die beiden Bände schließen eine Lücke zwischen dem vielbändigen Handbuch der Vögel Mitteleuropas (bisher wurden 12 Bände publiziert) und ausführlichen Artmonografien. So sind beide Bände vor allem für den Praktiker (z. B. Feldorni- thologen, Lehrer, Fachdienststellen und Naturschutzverbände) ein wichtiges Nachschlage- werk und ermöglichen eine schnelle und umfassende Information. Abgeschlossen wird der vorliegende Band mit Angaben über Daten zu Flügel- und Körpermaßen ebenso wie über Eimaße und Eimassen. Außerdem findet man allgemeine Literaturhinweise. Ein Register der deutschen und wissenschaftlichen Namen erleichtert das Auffinden der Arten. Bei den Litera- turangaben wird die Rote Liste der in Deutschland gefährdeten Brutvogelarten (Stand: 1991) ebenso vermißt wie etwa die 1987 erschienene Avifauna von Rheinland-Pfalz. Auch ein kurzer Hinweis bei jenen Arten, die als bestandsgefährdet anzusehen sind, wäre eine wichtige Infor- mation. Dessenungeachtet ist auch der Erwerb des zweiten Bandes sehr empfehlenswert, er sollte in keiner ornithologisch ausgerichteten Bibliothek fehlen. W. KEIL 312 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 313-318 (1993)

Lösungsvorschläge zum Konflikt „Holzschädlingsbekämpfung/Fledermäuse"* von GERHARD BINKER, Schwaig

1. Einleitung Vielen nützlichen Vögeln, Insekten und Säugetieren dienen Dachstühle von Kirchen und Schlössern als Teil ihres Lebensraumes. Hierzu gehören Eulen, Falken, Mauersegler, Hornissen und vor allem Fledermäuse. Diese Tiere stehen unter Naturschutz,wobei der Schutz der Fledermäuse 1991 durch ein Separatabkommen im Rahmen der Bonner Konventionen über ziehende Arten noch verstärkt wurde. Zahlreiche Dachstühle sind aber zusätzlich von verschiedenen Schädlingen befallen, die im und teilweise auf dem Holz leben. Dies sind überwiegend Insekten,wie Hausbock (Hylotrupes bajulus L.) und Nagekäfer (Anobien) sowie Pilze, wie der Echte Hausschwamm (Serpula lac- rimans). Da sie durch ihre Entwicklungstätigkeit das Holz zerstören und dabei die Statik der Dachstuhlkonstruktionen bedrohen können, besteht ein öffentliches Interesse an ihrer Bekämpfung. Zur Holzschädlingsbekämpfung stehen verschiedene Methoden zur Auswahl, wie z. B. das chemisch-technische Verfahren (Imprägnierung). Vor allem in derVergangenheit hat sich gezeigt, daß die falsche, unsachgemäße Anwendung dieser Methoden und der Einsatz giftiger Holzschutzmittel verheerende Wirkungen auf die oben erwähnten Nützlinge haben können. So sind Fälle bekannt, wo ganze Fledermauskolonien durch die Verwendung toxischer Chemikalien vernichtet wurden.

Im folgenden werden die Möglichkeiten aufgezeigt und Hinweise gegeben, wie Holzschäd- linge in Dachstühlen weiterhin erfolgreich bekämpft werden können, ohne daß dabei Fleder- mäuse zu Schaden kommen.

2. Das chemisch-technische Verfahren und das „Holzschutzmittelproblem"

Bei der Anwendung des chemisch-technischen Verfahrens zur Holzschädlingsbekämpfung werden nach dem Abbeilen der vermulnnten Fraßschichten chemische, flüssige Holzschutz- mittel mit Hilfe von Kompressoren und Spritzpistolen auf die von Schädlingen befallenen Hölzer aufgesprüht. Das Holzschutzmittel dringt in das Holz ein und führt zum Abtöten der Insektenstadien bzw. entfaltet seine pilzwidrige Wirkung. Es schützt auch gleichzeitig vor Neubefall, da der Wirkstoff des Holzschutzmittels im Holz zurückbleibt.

Stark befallene und überdimensionierte oder nicht allseitig zugängliche Hölzer müssen zusätzlich drucklos oder unter Druck mittels geeigneter Injektoren im Bohrlochverfahren zum besseren Tiefenschutz behandelt werden. Flüssige Holzschutzmittel bestehen hauptsächlich aus den Wirkstoffen (Gehalt ca. 0,2-10,0%) und den Lösemitteln (über 90,0 0/0). Wirkstoffe können Insektizide oder Fungizid- Insektizid-Kombinationen sein. Die organischen Lösemittel geben dem Holzschutzmittel den

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Natur- schutzzentrum Hessen 313 typischen öligen Geruch und dienen dazu, die Wirkstoffe zu lösen und sie ins Holz zu trans- portieren. Der hohe Lösemittelgehalt hat zur Folge, daß nach dem Auftragen der Holzschutz- mittel auf die befallenen Hölzer ca. 90 0/o der aufgebrachten Flüssigkeit wieder verdunsten. Dieser Vorgang dauert in der Regel mehrere Wochen. In den Dachstuhl zurückkehrende Fledermäuse können somit durch die verdunstenden Lösemittel, die z.T.toxisch sein können, geschädigt werden. Schon seit geraumer Zeit gibt es deshalb sog. lösemittelreduzierte Holz- schutzmittel. Hierin sind die organischen Lösemittel unter Zusatz von Hilfsstoffen größtenteils durch Wasser ersetzt. Eine geringere Umweltbelastung und bessere Fledermausverträglich- keit sind die Folge. Fledermäuse können bei Holzschutzmaßnahmen in Dachstühlen nicht nur durch abdun- stende Lösemittel Schaden nehmen, sondern in erster Linie durch nachträgliches Ausgasen der Wirkstoffe nach dem Auftragen des Holzschutzmittels auf das Holz. Die ausgasenden Wirkstoffe (besonders gefährlich sind Lindan, Pentachlorphenol und DDT, deren Anwendung mittlerweile z.T.verboten ist) sammeln sich in der Raumluft des Dachstuhls an und werden von den Fledermäusen permanent eingeatmet (inhalative Aufnahme). In den Sommerquartieren in Dachstühlen haben die Fledermäuse zusätzlich engen Kontakt mit dem behandelten Holz. Sie können so die auf der Oberfläche der behandelten Hölzer auskristallisierenden Wirkstoffe über die Haut aufnehmen (dermale Aufnahme). Durch Körperpflege (Lecken der Flughäute und des Fells) erfolgt zusätzlich orale Aufnahme. Als Nahrung dienen den Fledermäusen überwiegend Insekten. Sind diese bereits mit Pflanzenschutzmitteln (z. B. Lindan) belastet, gelangen über die Nahrungskette zusätzlich Wirkstoffe in den Fledermauskörper. Die leicht fettlöslichen und persistenten Wirkstoffe reichem sich im Fledermauskörper an. Wenn die Fledermäuse im Winter ihre Fettreserven aufbrauchen, konzentrieren sich die Wirkstoffe in Reservefett und Gewebe in gefährlichen Konzentrationen. Die Pestizidanreicherung kann so hoch sein, daß die Fledermäuse absterben.

3. Was kann man zum Fledermausschutz tun? - Holzschutzmittel nur dort anwenden, wo unbedingt erforderlich und auf den Holzschädling und die jeweilige Intensität des Befalls abstimmen („Differenzierter Holzschute). - Holzschutzmittel möglichst nicht in Firstnähe großflächig aufsprühen, sondern gezielt über Bohrlochtränkung direkt ins Holzinnere bringen. - Hangplätze der Fledermäuse (erkennbar an der Braun- bis Schwarzfärbung der Hölzer) vor der Imprägnierung mit Brettern oder Folien abdecken, um deren Kontamination zu vermeiden. - Holzschutzmittel nur in der „fledermausfreien Zeit" (von Oktober bis März) in den Dach- stühlen anwenden. - Holzschutzmittel spätestens sechs Wochen vor der Rückkehr der Fledermäuse aufsprühen, damit die Lösemittel genügend Zeit zum Abdunsten haben, bevor die Fledermäuse wieder zurückkehren. - Nur fledermausverträgliche, wenn möglich, lösemittelreduzierte Holzschutzmittel an- wenden. - Auf keinen Fall Fledermäuse direkt besprühen.

4. Was sind fledermausverträgliche Holzschutzmittel? Fledermausverträgliche Holzschutzmittel enthalten als Hauptcharakteristikum Wirkstoffe, die nach dem Auftragen auf das Holz nicht mehr nennenswert ausgasen. Sie sind auch verhält- nismäßig wenig toxisch für Warmblüter und werden im Fledermauskörper recht rasch meta- 314 Abb. 1: Besprühen holzschädlingsbefallener Hölzer mit flüssigem Holzschutzmittel (Werksfoto der Fa. Binker Holzschädlingsbekämpfung)

bolisiert oder ausgeschieden. Hauptvertreter dieser Wirkstoffe sind z. B. die insektizid-wirk- samen Pyrethroide, wie Permethrin und Deltamethrin sowie Borverbindungen. Die Fledermausverträglichkeit von Holzschutzmitteln (1) wird mit Hilfe von Käfigversuchen (z. B. nach Prof. Kulzer) nachgewiesen. Hierbei werden Fledermäuse in mit den zu untersu- chenden Holzschutzmitteln imprägnierten Holzkäfigen in der Versuchszeit gehalten, wobei ein enger Körperkontakt der Fledermäuse mit den imprägnierten Hölzern erzwungen wird. Die Fledermäuse werden dann auf chronische oder akute Vergiftungserscheinungen hin überprüft. Zeigen sich keine Vergiftungssymptome,wird für das Holzschutzmittel das Prädikat „fledermausverträglich" vergeben. Von den Naturschutzbehörden bzw. -vereinen können Listen über nachweislich fledermaus- verträgliche Holzschutzmittel angefordert werden. 315 5. Gibt es Alternativen zum Einsatz flüssiger Holzschutzmittel? Falls auf die Anwendung von flüssigen Holzschutzmitteln möglichst verzichtet werden soll oder deren Anwendung nicht möglich ist, kann auf das Heißluftverfahren oder die Begasung ausgewichen werden (2). Bei der Begasung wird ein Gebäude oder ein Gebäuderaum hinreichend gasdicht mit speziellen Klebebändern oder Folien bzw. Zelten z.T. vollflächig abgedichtet, damit das anschließend einzubringende Gas in ausreichender Konzentration auf die Schadinsekten einwirken kann. Das sich im Gebäude befindende Gas hat ein sehr hohes Durchdringungs- vermögen und dringt umfassend über Fluglöcher, Risse und Poren ins Holz ein (gleichsam wie auch der für die Insekten lebensnotwendige Luftsauerstoff). Das Gas wird von den

Abb. 2: Heißluftbehandlung eines Klostergebäudes gegen Hausbockbefall (Werksfoto der Fa. Binker Holzschädlingsbekämpfung) 316 Insekten eingeatmet und entfaltet seine Wirksamkeit in erster Linie durch Blockierung wich- tiger Enzyme im Insektenkörper. An Gasen (Fumigantien) werden derzeit Phosphorwasser- stoff (PH3), Cyanwasserstoff (HCN) und Methylbromid (CH3Br) eingesetzt. Die Einwirkzeit dieser Gase ist gas- und temperaturabhängig und beträgt bei Methylbromid z. B. bei 15°C ca. 72 Stunden. Wegen der temperaturabhängigen Atmung der Insekten darf die Raum- temperatur nicht tiefer als 12 °C sein. Die Begasung läßt sich deshalb im Winter nicht einsetzen. Nach der ausreichenden Einwirkung des Gases wird es durch rückstandsfreie Absaugung aus dem Gebäude wieder entfernt. Insofern ist die Begasung eine sehr fledermausverträg- liche Methode zur Holzschädlingsbekämpfung.

Wegen der hohen Giftigkeit der Gase dürfen sich aber während der Begasung in den zu bega- senden Räumen weder Menschen noch Tiere aufhalten. Dies bedeutet, daß z. B. eine Komplettbegasung eines Gebäudes mit Fledermausbesatz nur im Frühjahr oder Herbst („fledermausfreie Zeit”) erfolgen darf,wenn die Fledermäuse noch oder schon in ihren Winter- quartieren sind. Ansonsten würde mit Sicherheit der gesamte Fledermausbesatz vernichtet werden. Als weitere Alternative zur Bekämpfung tierischer Holzschädlinge nach DIN 68 800 eignet sich häufig die Heißluftmethode (3). Der Bekämpfungsvorgang erfolgt durch Einblasen heißer Luft über Rohre in den Dachstuhl mittels außerhalb des Gebäudes aufgestellter heizölgespeister Heizgebläsemaschinen.

Abb. 3: Vollflächig mit Folie abgedichtetes Dach zur Begasung mit Methylbromid (Werksfoto der Fa. Binker Holzschädlingsbekämpfung) 317 Aufgrund der Hitzeeinwirkung (Aufheizzeit ca. 5 -12 Stunden, Raumtemperatur ca. 100°C) sterben alle Entwicklungsstadien der Schadinsekten durch Eiweiß- und Enzymzerstörung ab. In den Balkenmitten (Holzkern) muß dabei eine Mindesttemperatur von 55°C für die Dauer von mind. 60 Minuten gehalten werden. Da bei der Heißluftmethode die heiße Luft überwiegend in die Firstbereiche strömt, dort wo sich normalerweise Fledermäuse aufhalten, verbietet sich die Anwendung des Heißluft- verfahrens bei der Anwesenheit von Fledermäusen. Die Heißluftbehandlung muß deshalb ebenfalls in der fledermausfreien Zeit durchgeführt werden. Die Fumigantien erreichen aufgrund ihres hohen Eindringvermögens praktisch alle Hölzer und Holztiefen. Dem gegenüber können stark dimensionierte Hölzer, abgedeckte oder schlecht zugängliche Hölzer (Balkenlagen unter dem Fußboden, Fachwerkhölzer) im Heißluft- verfahren nur ungenügend aufgeheizt werden, denn Holz ist ein schlechter Wärmeleiter. Um den Bekämpfungserfolg dennoch zu sichern, muß an diesen Holzteilen zusätzlich eine Bohr- lochtränkung mit flüssigen, fledermausverträglichen Holschutzmitteln ausgeführt werden. Heißluftverfahren und Begasungsmethode gewähren keinen sicheren bzw. keinen vorbeu- genden Schutz des Holzes vor Neubefall. Nach der Anwendung dieser Methoden ist deshalb häufig noch eine vorbeugende chemisch-technische Imprägnierung mit baubiologisch unbe- denklichen Borsalzen durchzuführen. Fachmännisch und zur richtigen Zeit angewandt, sind Heißluft- und Begasungsverfahren sehr fledermausfreundliche Bekämpfungsalternativen.

6. Literatur (1) KULZER, E. (1985): Fledermäuse und Holzschutzmittel - ein Konflikt?. - Der praktische Schädlingsbekämpfer 9: 177-178. (2) BINKER, G. (1992): Hilfe für Maria-Hilf-Begasung sichert kunsthistorische Gegen- stände. - Bausubstanz 7- 8: 50 - 52. (3) TECHNISCHES MERKBLATT „HEISSLUFT" DER FA. BINKER HOLZSCHÄDLINGS- BEKÄMPFUNG (1979).

Anschrift des Verfassers: Dr. GERHARD BINKER, Postfach 4, 90571 Schwaig

Neue Literatur

SINGER, D. (1993): Vögel in Park und Garten -96 5.,103 Farbfotos, 20 Farbzeichn., Kosmos Naturführer; Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 3-440-06420-4. In der Reihe der Kosmos Naturführer werden im vorliegenden Band 82 Vogelarten in Park und Garten vorgestellt, die mehr oderweniger häufig dort vorkommen. Gerade diese Lebensräume werden von Vögeln zunehmend als Brut-, Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsplätze auf- gesucht, so daß dort mit einer recht hohen Artenvielfalt zu rechnen ist. Werden dann noch Vogelschutzmaßnahmen durchgeführt, so wird die Arten- und Individuenzahl weiter erhöht. Die Bestimmung der abgehandelten Arten erfolgt an Hand von Farbfotos. Die dem Foto bei- gefügten Kurztexte vermitteln Wissenswertes über deren Biologie. Der neue Naturführer ist für den Anfänger ein brauchbarer Begleiter, um im eigenen Garten und bei Spaziergängen durch Parkanlagen die vorhandenen Vogelarten besser kennenzulernen. W. KEIL 318 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 319-320 (1993)

Artenschutzbelange aus der Sicht der Denkmalpflege* von GUSTAVJUNG, Nidda

Historische Gebäude waren durch Nutzung, Bauweise und Baustoffe auch immer ein Raum für vielfältiges Leben. Diese Lebensräume sind bedroht, weil die heute vorherrschenden Methoden bei Instandsetzung, Sanierung, Umnutzung oder Umbau meist tief in die vorhan- dene Substanz eingreifen. Anhand einiger Aspekte möchte ich diese Aussage näher begründen.

Grundlegende Sanierung Der Begriff beschreibt die zunehmend um sich greifende Praxis, historische Bauwerke voll- ständig zu entkernen und mit neuen, häufig unerprobten Baustoffen und Bauteilen wieder aufzubauen. Zunächst ist von der Denkmalpflege dabei der Verlust der historischen Bausub- stanz zu beklagen. Die bei der Entkernung verstärkt freigesetzten Pilzsporen, ungeeignete Detailausbildung, die Anwendung von Neubaurichtlinien und v. a. m. führen darüberhinaus meist zum „atemberaubenden" Einsatz toxischer Mittel. Hauptsächlich aus Ahnungslosigkeit werden verlustreiche Maßnahmen den behutsamen traditionellen Sanierungsmethoden vorgezogen. Mit dem Ergebnis schlechter Sanierungen können Mensch und Tier oft im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr leben.

Dachausbau und Umnutzung von Nebengebäuden Vorwiegend im ländlichen Bereich wurde in den vergangenen Jahren die Aktivierung von Wohnraumreserven durch Umnutzung und Ausbau von Dächern und Nebengebäuden voran- getrieben. Grundsätzlich ist die damit verbundene Schonung des Baulandes zu begrüßen. Allerdings sind mit diesen Veränderungen auch gravierende Eingriffe in den historischen Bestand verbunden. Damit können wesentliche Aspekte des historischen Zeugniswertes verlorengehen. Für die Artenvielfalt im und am Gebäude ist sowohl die Phase der Bauarbeiten als auch das Zubauen der angestammten Lebensräume als Verlust zu verzeichnen.

Hausbegrünung Hausbegrünungen hat es in verschiedenen Arten zu allen Epochen gegeben. Goethes Gartenhaus in Weimar ist ein prominentes Beispiel, es ist ohne Spalier nicht vorstellbar. Aber auch viele weniger bekannte historische Gebäude schmückt seit Jahrzehnten ein dichter Bewuchs, ohne daß Schäden zu verzeichnen sind. Wein, wilder Wein, Spalierobst sind üblich, bei entsprechender Pflege unproblematisch und im Sinne der Denkmalpflege eine Be- reicherung historischer Gebäude und -Ortsbilder. Bei Fachwerkhäusern muß jedoch darauf geachtet werden, daß die Fassaden austrocknen können. Problematisch ist der Bewuchs mit Efeu. Efeu wird häufig sehr dicht und durchdringt Fach- werk, Mauern und Dächer. In der Denkmalpflege gibt es zahlreiche Beispiele für Zerstörung durch Efeubewuchs. Reparaturen sind sehr aufwendig, da durch die Entfernung des

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14.Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Natur- schutzzentrum Hessen 319 Abb.: Überwachsene Scheune in Butzbach-Maibach

Bewuchses häufig Bauschäden auftreten, deren Behebung wiederum erhebliche Substanz- eingriffe notwendig machen. Die Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und des Artenschutzes kann nur vorgenommen werden, wenn beide Aspekte auf der Grund- lage einer Bestandsuntersuchung bewertbar sind. Beispielhaft für eine derartige Fragestellung steht die Scheune in Butzbach-Maibach, die seit Jahrzehnten in der Umklammerung eines gewaltigen Efeubewuchses steht (siehe Foto). Maßnahmen an historischen Gebäuden können neben denkmalpflegerischen Aspekten auch Artenschutzbelangen Rechnung tragen. Voraussetzung ist methodisch richtiges Planen und Bauen: - Umfassende Voruntersuchung - Kenntnis historischer Bautechniken - Kenntnis über Lebensräume in und an Gebäuden - Sorgfältige Detailgestaltung als konstruktiver Bautenschutz - Vermeidung toxischer Mittel - Erhaltung von nicht ausgebauten Bauteilen - Erhaltung vorhandener Einfluglöcher - Entwickeln von Pflegeplänen bei Gebäudebegrünungen Auf Seiten der Denkmalpflege ist zum Thema „Gebäudebegrünung" bisher nichts Grund- legendes erarbeitet worden. Insoweit steht dieser Beitrag am Beginn eines notwendigen Dialogs, der dazu beitragen kann, Verbindendes herauszuarbeiten und miteinander an der Bewahrung des umfassenden Erbes zu wirken.

Anschrift des Verfassers: GUSTAVJUNG, Auf dem Graben 24, 63667 Nidda 320 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 321-324 (1993)

Bemerkungen zur Ansiedlung von Schleiereulen in Gebäuden * von OTTO DIEHL, Babenhausen-Langstadt

Lebensraum der Schleiereule (Tyto alba) ist die offene, abwechslungsreiche Feldflur mit Acker- und Grünland, Obstwiesen, Hecken, Rainen und Brachen sowie vegetationsreichen Gräben- und Wegrändern. In Gegenden mit hohem Waldanteil und in Höhenlagen ab etwa 400 m NN ist sie wenig vertreten oder fehlt überhaupt.

Vom Felsbewohner zum Gebäudebrüter Der Mensch hat durch frühe Waldrodungen die Voraussetzung für die Verbreitung der Schleiereule geschaffen, die dann ihre ursprünglichen Nistplätze in Felsnischen aufgab und dazu überging, menschliche Bauwerke als Tageseinstände und als Brutplätze zu nutzen. Dabei sind hochaufragende Gebäude wie Kirchen, sonstige alte Bauwerke, Festungstürme, Scheunen, die in ihrer äußeren Struktur einer Felswand ähneln, besonders beliebt.

Wohnungsnot der Schleiereulen Trotzdem fehlt es da und dort an geeigneten, weitgehend ungestörten Brutplätzen. Bei Reno- vierungen wird das „Eulenloch" am Giebel verschlossen, vorher ungenutzte Bereiche werden ausgebaut, und die Bauweise von neuen Scheunen ist meist alles andere als „eulenfreund- lich". Kirchtürme werden vergittert, weil die weißen Kotspritzer und die Gewölle der Schleier- eule nicht mehr als erfreuliches Zeichen für das Vorkommen einer bedrohten Tierart gesehen werden, sondern als schlimme, nicht hinnehmbare Verschmutzung. Oft ist auch das Über- handnehmen von verwilderten Haustauben Anlaß für die Vergitterung und für die damit verbundene Aussperrung der Schleiereule (und des Turmfalken!) Abhilfe ist möglich durch die Einrichtung von abgetrennten Brutbereichen. In Kirchtürmen ist es zweckmäßig, oberhalb des Glockenstuhles einen Bretterboden einzuziehen. Damit ist die Schleiereule auf den oberen, normalerweise nicht begangenen Turmbereich begrenzt; sie ist dort weitestgehend ungestört und hat einen relativ großen Raum zur Verfügung, der auch für die Jungeulen bei ihren Flugübungen in der Ästlingsphase nützlich ist. Auch die Abtrennung von Dachbodenbereichen mit Bretterwänden ist eine gute Lösung. Beeinträchtigungen des übrigen eulendichten Gebäudes durch Gewölle und Geschmeiß sind dann ausgeschlossen.

Brutkisten als Patentlösung? Eine weitere Möglichkeit besteht im Anbringen von Brutkisten. Diese Brutkisten sollen minde- stens 120 cm lang, 80 cm breit und 70 cm hoch sein. Empfohlen wird die etwas zurückgesetzte Plazierung der Kiste, die mit einem Einflugstutzen an eine vorhandene oder neu zu schaffende Öffnung in der Mauer oder im Dachbereich angeschlossen wird. Der Einflugstutzen mit einer lichten Weite von 30 x30 cm ist abgeknickt und führt im rechten Winkel an eine entspre- chende Aussparung in der Stirnseite der Brutkiste. Durch die Winkelkonstruktion des Einflugstutzens wird vermieden, daß das Tageslicht direkt in den Kasten fällt. Dadurch werden auch raumeinengende Zwischenwände überflüssig.

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14.Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Rheinland-Pfalz und Saarland sowie Naturschutz- zentrum Hessen. 321 Der vordere Teil des Einflugstutzens kann zusätzlich innen dunkel gestrichen werden, um die Lichtreflexion durch das helle Holz zu verhindern. Eine matt auftrocknende, ungiftige Holz- schutzfarbe ist dafür geeignet. Der Einflugstutzen wird am Kasten deckenbündig angesetzt, sodaß der Kastenboden 40 cm tiefer liegt. Damit wird verhindert, daß kleinere Junge zu früh an den Einschlupf gelangen. Erst wenn sie den Sprung auf den 40 cm höheren Einflugstutzen schaffen, können sie das Einschlupfloch erreichen und sind dann im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium nicht mehr absturzgefährdet. Der Winkelstutzen ist mit 30 x30 cm deshalb so groß, damit die Schleiereule im Falle einer Störung schnell flüchten kann. Der eigentliche Einschlupf (Mauer- loch, Öffnung in einer Dachgaube, Aussparung in einem Schalladen) kann auf 10 bis 15 cm x 20 bis 25 cm verkleinert werden. Das Einschlupfloch soll entgegengesetzt zur Wetter- seite so plaziert sein, daß es für den Steinmarder nicht erreichbar ist. Ansonsten ist noch eine Revisionsmöglichkeit vorzusehen, entweder als Türchen ca. 50 x 60 cm an der Vorderseite oder als ca. 40 cm breite Deckelklappe. Als Material kommen Tischlerplatten 16 oder 19 mm oder ungehobelte und unbehandelte ca. 15 bis 24 mm dicke Nadelholzbretter in Betracht. Wenn durch Austrocknung Ritzen zwischen den Brettern entstehen, ist eine Abdichtung mit Leisten zu empfehlen, um Lichteinfall und Zugluft zu unterbinden. Die genau vorgerichteten Teile können erst an Ort und Stelle zusam- mengebaut werden, weil die Kiste für enge Treppen und schmale Durchlässe zu groß ist. Die stabile Befestigung des Kastens kann auf unterschiedliche Weise erfolgen und ist den Gegebenheiten anzupassen. Aufsetzen aufs Gebälk, auf Wandkonsolen oder sonstige Unter- gestelle ist genauso möglich wie das Anhängen an Deckenbalken mit starken Latten oder gelochten Stahlbändern. Stahlbänder sind besonders geeignet,weil damit die flexible Verbin- dung zu ungünstig liegenden Balken möglich ist. Trockene Einstreu ist „als Starthilfe" vorteilhaft; es genügt eine geringe Menge: etwas Säge- mehl mit feinen Hobelspänen, wie sie aus der Hobelmaschine kommen. Ist die Brutkiste von der Schleiereule angenommen, so bilden die Gewölle recht schnell die eigentliche Unterlage für das Gelege. Die Brutkiste ist von Zeit zu Zeit, spätestens wenn die Gewölleschicht ca.10 cm hoch ist, während des Winters zu reinigen. Einige Gewölle beläßt man in der Kiste.

Schleiereulen in Wohnhäusern Es wird nicht empfohlen, Brutkisten in Wohnhäusern anzubringen, weil die kreischenden und schnarchenden Rufe der Alteulen und das laute Hungerzischen der herangewachsenen Jungeulen zu Konflikten mit den Nachbarn führen können. Auch Kotstreifen auf dem Ziegel- dach haben schon zu Ärgernissen geführt. Hinzu kommt, daß Schleiereulen-Brutplätzen ein intensiver moschusartiger Geruch anhaftet, der durch die Mäusenahrung, Beutereste, Gewölle und Kot verursacht wird. In den Gewöllen nisten sich verschiedene Motten ein, zum Beispiel Kleidermotte (Tinecola biseliella), Taubenmotte (Tinea columbariella), Pelzmotte (Tinea pellionella) sowie Käfer aus der Familie der Speckkäfer (Deomestidae), was zu häus- lichen Problemen und zur Wiederbeseitigung von Brutkisten führen kann.

Hilfe für einen Kulturfolger Als ausgesprochener Kulturfolger lebt die Schleiereule in unserer Nachbarschaft; sie sucht ihre Verstecke und Brutplätze in unseren Gebäuden. Sie findet auch Schlupfwinkel, die aber oft für eine erfolgreiche Brut nicht geeignet sind.Artenschutz an Gebäuden muß deshalb auch Maßnahmen zum Schutz der Schleiereule einschließen. Pfarrer und Kirchenvorstände, Bürgermeister und die Vertreter der Bau- und Umweltausschüsse, Architekten und Denkmal- 322 Abb.1: Brutplatz der Schleiereule in einem Kirchturm. Die Jungeulen bedrängen den Altvogel in Erwartung der Beute, die von den Jungen bereits unzerteilt verschlungen wird. Die im Gebälk versteckte Brutnische ist verhältnismäßig eng, aber der Turm bietet Frei- raum für den Bewegungsdrang der jungen Schleiereulen und für ihre Flugübungen. Aufnahme: OTTO DIEHL, 1953 323 Abb. 2: Die Möglichkeiten der Schleiereule, Einschlupfmöglichkeiten zu schaffen, sind sehr vielfältig. Hier ist bei der Renovierung des Kirchendaches die Gelegenheit genutzt worden, eine auch handwerklich gelungene Lösung zu finden. Aufnahme: OTTO DIEHL, 1977 pfleger, Bauhandwerker und Landwirte sind aufgefordert, dabei mitzuwirken, daß die Schleiereule ihre Heimstatt in geeigneten Bauwerken ungestört behält oder wiederbekommt oder daß neue Zufluchten geschaffen werden. Die Öffnung von Gebäuden, die Freihaltung von Teilbereichen, die Herrichtung von geräu- migen Brutplätzen ist grundsätzlich den Brutkisten vorzuziehen. Andererseits sind Brutkisten vielerorts die günstigste Möglichkeit, Schleiereulen anzusiedeln. Brutkisten soll man aber nur dort anbringen, wo der Zugang zur Nachschau, Reinigung und Wartung auf Dauer gewähr- leistet ist.

Hinweise auf zwei Veröffentlichungen des Verfassers mit weiteren Einzelheiten zum Thema in Vogel und Umwelt:

(1983): Artenschutzmaßnahmen und Umweltprobleme am Beispiel der Schleiereule (Tyto alba), Band 2: 199 -208.

(1990): Artkapitel „Schleiereule" der neuen „Avifauna von Hessen" Band 6: 87-100.

Anschrift des Verfassers: OTTO DIEHL, Dr.-Diehl-Straße 9, 64832 Babenhausen 324 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 325-327 (1993)

Schwalben - nicht gesellschaftsfähig? Zum rechtlichen Schutz von Mehlschwalben von ULRIKE VON HALDENWANG, Frankfurt am Main, und ALBERT HARBODT, Roßdorf

Ausgangslage „Die von dem vorhandenen Vogelnest (Mehlschwalbennest, der Verf.) in Kürze wiederum zu erwartenden Beeinträchtigungen führen dazu, daß meine Mandantin ihre Wohnung (Schlaf- zimmer) nicht ordnungsgemäß nutzen kann. Sie wünscht daher u n ve rzüg I i che Besei- tigung des Vogelnestes, ..."

Dieses Zitat aus dem Schriftsatz eines Rechtsanwaltes steht stellvertretend für zahlreiche Beschwerden über Mehlschwalben, die jedes Jahr erneut in der Brutzeit Naturschutz- behörden, Vogelschutzvereine und die Vogelschutzwarten erreichen.

Korrespondierend dazu die Anzeigen, die über „Selbstjustiz" (Abschlagen der Nester) berichten. Neben den Beschwerden über Belästigungen durch Vogelkot stellen Fassaden- renovierungen, Dachsanierungen und der Abriß von Gebäuden mit Mehlschwalbenkolonien weitere Gefährdungsursachen dar. Diese Maßnahmen werden häufig ohne Rücksicht auf die Brutzeit der Mehlschwalben (Mai bis September, 2-3 Bruten pro Jahr) durchgeführt In Einzelfällen werden Klagen über den Befall mit Wanzen geführt und deshalb die Besei- tigung der Nester gefordert. Es handelt sich dabei um die Schwalbenwanze, Oeciacus hirundinis, die in den Nestern von Mehlschwalben lebt und nach deren Abzug im Spätsommer oft den Weg in menschliche Wohnungen findet, ohne jedoch auf Dauer von menschlichem Blut leben zu können - im Gegensatz zur Bettwanze, Cimex lectularius.

Rechtslage Mehlschwalben sind eine besonders geschützte Tierart, sie unterfallen der Anlage 1 zu §1 der Bundesartenschutzverordnung.

Nach §20f Abs.1 Ziffer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (vgl. auch § 25 Abs.1 und Abs. 2 Ziff. 2 Hessisches Naturschutzgesetz - HENatSchG -). Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig hiergegen verstößt. § 30 Abs. 3 Ziff. 1 BNatSchG sieht für solche Ordnungswidrigkeiten ein Bußgeld bis zu DM 100.000,00 vor (ebenso § 43 Abs. 2 Ziff. 7 HENatSchG). Die für die Verfolgung der fraglichen Ordnungswidrigkeiten zuständige Behörde bestimmt dieses nach Landesrecht (§ 30 Abs. 4 Ziff. 3 BNatSchG). In Hessen sind das die Regierungspräsidenten in Darmstadt, Gießen und Kassel (§ 43 Abs. 4 i.V. m. § 30 Abs. 3 HENatSchG). Im Einzelfall können die Naturschutzbehörden konkrete Anordnungen treffen. In §25 Abs. 5 Satz 2 HENatSchG ist dazu ausdrücklich ausgeführt, daß die untere Naturschutzbehörde 325 Anordnungen treffen kann, „um Lebensstätten, insbesondere Brut- und Wohnstätten geschützter Arten vor Beeinträchtigungen zu bewahren". Untere Naturschutzbehörden sind in Hessen die Landkreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern (§ 30 Abs. 4 Satz 1 HENatSchG).

In besonders gelagerten Fällen kann auf Antrag von den genannten Verboten Befreiung gewährt werden, wenn Naturschutzbelange selbst, das Gemeindewohl oder eine unverhält- nismäßige Härte für den Verpflichteten dies erfordern (§ 31 Abs. 1 BNatSchG).

Die naturschutzrechtlichen Bestimmungen sind auch im zivil- und nachbarrechtlichen Bereich zu beachten. Deshalb hat der belästigte Nachbar, Mieter oder sonstige Dritte gegen denjenigen, an dessen Haus Schwalben nisten, für gewöhnlich keinen Abwehr- oder Aus- gleichsanspruch (z. B. aus §§ 823, 906, 1004 BGB). In diesem Zusammenhang sind die Urteile des AG Kreuznach, Natur und Recht 1985, S. 157, des LG Hanau, Natur und Recht 1985, S.37 und des AG Diepholz, Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 1992, S. 95 von Interesse. Nun hat auch der BGH in seinem Urteil vom 20.11.1992, abgedruckt in „Neue Juristische Wochenschrift" 1993, S. 925 ff, bei dem es um die nachbarrechtlichen Ansprüche gegen einen Froschteichbesitzer geht, festgestellt, daß die naturschutzrechtlichen Bestimmungen den rechtmäßigen vom rechtswidrigen Grundstücksgebrauch abgrenzen und daß die Einwir- kungen (hier das Froschquaken) nicht rechtswidrig sind, wenn erfolgversprechende Maßnahmen zur Verhinderung naturschutzrechtlich verboten sind. Allerdings hat das Zivil- gericht zu prüfen, ob eine Ausnahmegenehmigung nach § 31 Abs. 1 Nr. la BNatSchG in Betracht kommt. Nur wenn es feststellt, daß die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen, kann es den Grundstücksbesitzer zur Abwehr der Störung verurteilen. Das Urteil kann aber nur unter dem Vorbehalt ergehen, daß die Ausnahmegenehmigung auch tatsächlich erteilt wird, denn das Zivilgericht kann die behördliche Entscheidung nicht selbst fällen oder ersetzen. Das bedeutet für den Fall der am Gebäude nistenden Schwalben, daß weder der Besitzer noch Mieter oder Dritte eigenmächtig Nester zerstören oder andere Maßnahmen gegen die Vögel ergreifen dürfen. Der Besitzer könnte jedoch in besonders krassen Aus- nahmefällen verpflichtet sein bzw. dazu verurteilt werden, den Befreiungsantrag nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zu stellen und, wenn er genehmigt wird, Abhilfe zu schaffen.

Was ist zu tun? In vielen Fällen kommen die Naturschützer zu spät. Es ist deshalb dringend erforderlich, im Vorfeld von Konflikten zwischen Mensch und Schwalbe mehr

- Information - Aufklärung - Beratung und - praktische Hilfe anzubieten.

Wer in Hessen Probleme der oben geschilderten Art hat, sollte sich an die Beauftragten der Vogelschutzwarte wenden, die nach §33 HENatSchG Gemeinden, Behörden und Privatper- sonen in Fragen des Vogelschutzes beraten. - In dem „pro natur"-Buch: Tiere auf Wohnungssuche, Ratgeber für mehr Natur am Haus (1993, Deutscher Landwirtschaftsverlag) finden sich praktische Hinweise zum Mehlschwalben- schutz. 326 Noch ein Zitat „Und dieser Sommergast, die Mauerschwalbe, die gerne der Kirche heiliges Dach bewohnt, Beweist durch ihre Liebe zu dem Ort, Daß hier des Himmels Atem lieblich schmeckt. Ich sehe keine Friesen, sehe keine Verzahnung, kein vorspringendes Gebälk, Wo dieser Vogel nicht sein hangend Bette zur Wiege für die Jungen angebaut Und immer fand ich eine mildre Luft Wo dieses fromme Tier zu nisten pflegt."

(SHAKESPEARE: „Macbeth")

Anschrift der Verfasser: ULRIKE VON HALDENWANG, Tiroler Straße 13, 60596 Frankfurt am Main ALBERT HARBODT, Kirchgasse 7, 64380 Roßdorf

DIE NATUR,

wenn man sie nur ungestört arbeiten läßt, macht meistens alle weitere Fürsorge für das Gerathen ihrer Werke überflüssig!

Christoph Martin WIELAND 1774

327 Neue Literatur

EPPLE, W. (1993): Schleiereulen,180 S.,34 Farbf., SW-Abb. im Text,Verlag G. Braun, Karlsruhe, ISBN 3-7650-8104-3.

Wer das Buch von außen beurteilt und nicht weiß wer der Verfasser ist, erwartet möglicher- weise einen Bildband, wie wir viele kennen : schöne Bilder mit etwas Text garniert. Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Wir finden fundierte, anschaulich beschriebene Fakten über das verborgene Leben der Schleiereule, über ihre Herkunft und über ihre Zukunft und dazu wenige ausgewählte Fotos von großer Aussagekraft. Es ist eine überzeugende Zusammen- fügung von Wort und Bild.

Die „porenscharfen" Fotos von M. ROGL zeigen neben brillianten Flugphasen, denen man öfters in Büchern begegnet, vor allem selten gesehene Situationen am Brutplatz. Aber trotz aller Authentizität steigt dem Rezensenten beim Betrachten der Fotos nicht der Moschus- geruch in die Nase, der den Schleiereulen-Brutplätzen eigen ist. Durch knappen Bildaus- schnitt wurde - so scheint es - etwas „geschönt", um Beutereste, Gewölle und Geschmeiß weniger ins Blickfeld zu bringen.

Ungewöhnlich für ein Sachbuch ist die äußere Form. Aber schon auf dem Buchdeckel wird deutlich, daß man auch auf die grafische Gestaltung großen Wert legte und konzeptionell vom quadratischen Format ausging, was sich im Innern mit dem dreispaltigen, gut lesbaren Text und den „hineinkomponierten" Fotos von Seite zu Seite bestätigt. Hier ist etwas Neues entstanden: eine wissenschaftliche Abhandlung, mit wenigen den Text unterstreichenden Bildern, in einer Form die auch bibliophile Ansprüche zufriedenstellt.

Über allem steht die prägnante Schilderung von W. EPPLE, der mit der Zusammenfassung von in der Literatur verstreuten Fakten, vermehrt um eigene Beobachtungen, Erkenntnisse und Folgerungen ein treffendes Bild vom Leben und Treiben der Schleiereule zeichnet. Dabei werden an den Leser einige Anforderungen gestellt, denn neben der erzählenden Darstellung werden komplizierte sinnes- und nervenphysiologische Vorgänge beschrieben - aber auch gekonnt erläutert.

Breiten Raum nehmen die persönlichen Erfahrungen des Autors über die biologische Bedeu- tung des Verhaltens der Schleiereule bei der Paarbildung und Fortpflanzung ein. Auch darin liegt eine besondere Stärke des empfehlenswerten Buches. Dabei sollen die trefflichen Strich-Umsetzugen ausgewählter Verhaltensabläufe aus dem Eulenleben im Anhang des Werkes nicht unerwähnt bleiben.

Schließlich ist das Resümee herauszustellen, das im letzten Kapitel, unter der Überschrift „Kulturfolge ein Weg in die Sackgasse?", die problematischen Entwicklungen bei der Bean- spruchung und Nutzung der Landschaft und die nachteiligen Veränderungen in der dörflichen Struktur, mit den notwendigen Folgerungen für Mensch und Tier ganz allgemein und speziell für die Schleiereule, umreißt.

Ein paar Druckfehler sind durchgerutscht, und es ist weniger wichtig, daß der mit 1700 km angegebene weiteste Fernfund einer Schleiereule seit 1983 bei 2272 km liegt. Der Wert des Bandes, dem viele aufgeschlossene Leser zu wünschen sind, wird dadurch nicht beeinträch- tigt. Gerade für die Eulenschützer, die sich in den letzten Jahren vermehrt mit der Schleiereule befassen, sind auch eine Reihe zu beherzigender Hinweise für die Praxis enthalten. 0. DIEHL 328 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 329-330 (1993)

Kommentar zu den Artenschutzbelangen aus der Sicht von Wohnungsbaugesellschaften* von ULRIKE WOLFF, Frankfurt am Main

Ich bin gebeten worden, hier etwas aus der Sicht der Wohnungswirtschaft beizutragen. Das kann ich selbstverständlich nur für den Bereich unserer Mitglieder, deren Hauptaufgaben im Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsbaus liegen. Dem VSW, d. h. dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft gehören ca. 220 Wohnungsunternehmen aus Hessen bzw. Rheinland-Pfalz an. Aus unserer Sicht darf festgestellt werden, daß Wohnungsbau und Ökologie keinen Wider- spruch darstellen, daß dies nicht Dinge sind, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschließen müssen, sondern, daß der Schutz der natürlichen Umwelt auch im besiedelten Bereich möglich, vor allen Dingen aber auch nötig ist Ökologische Bauweisen sind für uns bzw. unsere Mitgliedsunternehmen längst selbstver- ständlich geworden. Beispielsweise sei hier angeführt, flächensparendes Bauen, d. h. scho- nender Umgang mit Grund und Boden. Dies ist allein aus Kostengründen schon geboten. Aber auch sparsamer Umgang mit Wasser, Regenwassernutzung oder auch Begrünung von Dächern u. ä. sind bereits Selbstverständlichkeiten geworden. Wir haben deshalb auch die Forderungen des Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, wie sie bei den Novellierungen der Landesbauord- nung oder auch bei den Förderrichtlinien formuliert wurden, im wesentlichen mitgetragen. Ich gehe davon aus, daß die wichtigsten Ziele bereits von Herrn KÄMPFE vorgetragen wurden. Nur sind wir der Meinung, daß es keinen Sinn macht, per Gesetz oder Richtlinien alles festzu- schreiben oder vorschreiben zu wollen, sondern daß stattdessen Aufklärung vor Ort weitaus mehr Erfolg verspricht. Wir könnten uns z. B. vorstellen, daß im Rahmen des Baugenehmi- gungsverfahrens diesbezüglich durchgeführte Beratungen hier sehr hilfreich sein könnten. Ich erinnere mich selbst an eine Begebenheit aus meiner aktiven Zeit in derWohnungsverwal- tung : Ein großer Teil unserer Objekte lag damals in Stadtmitte mit einem erheblichen Aufkommen von Tauben und, wie sollte es anders sein, in deren Gefolge auch Taubenzecken- befall. Die Gefährdung und die Probleme sind Ihnen bekannt; ich brauche deshalb hier nicht weiter darauf einzugehen. Nur bei diesem Beispiel zeigte sich folgendes: Mieter bzw. Bürger sind offensichtlich immer nur teilinformiert, aber sie sind vor allem - und das verständlicher- weise - stark verängstigt in derartigen Fällen. In diese Situation hinein wurden wir gebeten, bei einem unserer Objekte doch baulich die Voraussetzungen zu schaffen, daß Fledermäuse Unterschlupf finden. Nachdem man uns bestätigt hatte, daß hiervon keine Gefahr ausgehen sollte, sahen wir auch keine Bedenken. Doch im Hinblick auf die Diskussion bezüglich der Taubenzecken entstand sofort eine neue Verunsicherung mit dem Ergebnis, daß das Projekt „Fledermäuse" vorerst ruhen mußte.

* Vortrag gehalten anläßlich der Fachtagung „Artenschutz an Gebäuden" am 13./14. Juni 1992 in Frankfurt am Main. Veranstalter: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und Natur- schutzzentrum Hessen 329 Ich habe diese Geschichte erzählt, um deutlich zu machen, daß hier ein enormer Aufklärungs- bedarf besteht, daß es häufig nicht am Nicht-Wollen der Betroffenen liegt, sondern daß ganz andere sachfremde Gründe zur Ablehnung führen. Für die Wohnungswirtschaft gibt es zwei wesentliche Gründe, die für Entscheidungen maß- gebend sein müssen. Das eine sind die Kosten und das andere die Mieterakzeptanz bzw. auch Fragen der Verkehrssicherungspflicht, d. h. wir haben Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mieter, und dem müssen wir gerecht werden. Wir sind jedoch grundsätzlich allen ökologischen Anforderungen gegenüber aufgeschlossen und bereit, für die pflanzliche und tierische Artenvielfalt und deren Erhaltung das für uns Leist- bare auch zu tun. Ich darf hierzu einige Beispiele nennen, die derzeit aktuell von Mitglieds- unternehmen geplant oder ausgeführt werden. Vorausschickend muß ich aber auch fest- stellen, daß diesbezüglich die großen Unternehmen, die häufig auch über Landschaftsplaner verfügen, im Vorteil sind, während die kleineren Unternehmen jedoch unserer aller Unter- stützung bedürfen.

Nun zu den Beispielen: Es ist durchaus üblich, bei neuen Projekten oder auch Sanierungen mitzuprüfen, ob Fassa- denbegrünungen bzw. Dachbegrünungen gemacht werden können. Eine intensive Begrü- nung wird derzeit zum Beispiel in Kassel bei einem Wohnungsbauprojekt auf einer Tiefgarage ausgeführt, oder auch hier in Frankfurt bei den Steinwüsten der innerstädtischen Sanierungs- projekte aus den 20er und 30er Jahren, soweit es sich dort um verputzte Fassaden handelt. Beides mit dem Ziel einer Verbesserung des Kleinklimas usw., aber auch um eine Verbesse- rung des Stadtbildes zu erreichen. Ähnliche Überlegungen werden auch bei den Waschbe- ton-Hochhausfassaden angestellt, die jedoch im unteren Bereich Rankhilfen benötigen in Form von Körben oder Gittern; dabei zeigt sich auch ein Problem, mit dem unsere Mitglieder häufig zu kämpfen haben, nämlich dem Vandalismus, der mutwilligen Zerstörung dieser Rank- hilfen bzw. auch der Pflanzen selbst. Weitere Maßnahmen sind - speziell in ländlichen Bereichen z. B. in Ortsrandlagen -am Über- gang zur Feldflur Wildgehölzhecken zu pflanzen, die durchaus auf Mieterakzeptanz treffen, weil sie gleichzeitig Schutz vorWind und Schnee darstel len. Allerdings zeigt sich auch hier das Problem der Zerstörung. Die Wohnungsunternehmen sind aus Kostengründen darauf ange- wiesen, kleinere Pflanzen zu setzen, die natürlich längere Zeit zur Entwicklung brauchen und dabei häufig - vermutlich jedoch aus Unwissenheit - beschädigt oder ausgerissen werden, was jeweils ein Nachpflanzen erforderlich macht. Mit dem Thema „Fassadenbegrünung" hat sich unser spezieller Fachausschuß innerhalb des Verbandes, der Ausschuß für Planung und Technik, bereits in den 80er Jahren mehrfach beschäftigt. Ich will nur noch einmal erwähnen, daß ich von meiner Seite gerne bereit bin, Sie zu unter- stützen, wenn es z.B. darum geht, Kontakte zu Unternehmen herzustellen, für evtl. denkbare Pilotprojekte, oder auch nur, wenn es Ihnen darum geht, vor Ort Schwalbenbretter oder Nist- kästen anzubringen. Ich denke, unsere Unternehmen werden bei entsprechender Aufklärung über fachliche Ausführung oder auch Vermeidung von Verschmutzungen u. ä. Ihren Wünschen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen sein.

Anschrift des Verfassers: ULRIKE WOLFF, Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V., Hamburger Allee 14, 60486 Frankfurt am Main. 330 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 7: 331-349 (1993)

Dokumentation der Greifvogel-Populationsuntersuchungen in Hessen von 1984 bis 1992* von AXEL NORGALL, Staufenberg-Treis

1. Einleitung Greifvogelbestandserfassungen gehören in Deutschland zu den klassischen avifaunistischen Untersuchungen. So sind seit langem teils Einzelpersonen, teils regionale oder landesweite Arbeitsgruppen (AG) bestrebt, die Bestandssituationen und deren Entwicklungen zu erfassen. Für einige Bundesländer seien beispielhaft genannt: Schleswig-Holstein: LOOFT (1968); Niedersachsen: KOS (1980); Nordrhein-Westfalen: AG Greifvogel NW (1980) und AG Greifvögel der GRO und WOG (1989); Brandenburg: SCHNURRE (1935); Nordhessen: DEMANDT (1967) und SCHNEIDER, GOTTMANN &WILKE (1986, 1987, 1991). Nach wie vor stehen die Greifvögel im Widerstreit der Interessen. Eine neutrale Betrachtung ihrer Funktionen im Naturhaushalt scheint bestimmten Bevölkerungsgruppen noch immer unmöglich. Aber gerade wegen ihrer Schlüsselpositionen in Ökosystemen werden Greifvögel als Bioindikatoren oder auch als Biomonitore bewertet und erforscht (z. B. ELLENBERG 1981: Pestizidbelastung u. a.; GEDEON &STU BBE 1992: Populationsmonitoring).Angesichts dieser Bedeutung des nicht enden wollenden Streits über die Bedeutung der Greife in Nahrungs- netzen und der z.T. jahre- bis jahrzehntelangen Arbeit, die viele Greifvogelenthusiasten in ihre Erforschung legten und legen, scheint es dringend geboten, die aktuellen Unter- suchungsergebnisse für Hessen übersichtartig zusammenzufassen. Die einzige zusammenfassende Darstellung für Hessen findet sich bei FRIEMANN (1985). Vorliegende Arbeit knüpft zeitlich an die dort publizierten Daten an. Auf eine Interpretation der Populationsdaten muß im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Dies haben sich die Mehrzahl der Untersucher vorbehalten, z.T. liegen auch bereits Publika- tionen vor (z.B. HAUSCH, SCHMALL & WEBER 1989; SCHNEIDER, GOTTMANN & WILKE 1986, 1987, 1989, 1991). Somit lassen sich die Ziele dieser Zusammenstellung wie folgt abstecken: - Dokumentation der geleisteten Arbeit (Forschungsstand, Aufarbeitung für die naturschutz- fachliche Arbeit), - Daten für die in Arbeit befindliche Avifauna von Hessen bereitstellen, - Grundlagen für ein denkbares, noch zu erarbeitendes, landesweites Untersuchungs- konzept liefern, - Option für die Datenvernetzung mit nationalen und internationalen Monitoringprojekten schaffen und - Motivation schon Aktiver und noch nicht Aktiver.

2. Material und Methode Mit Ausnahme des Wanderfalken, dessen Situation durch die AWU** bestens dokumentiert ist (vgl. z. B. Heft 4 [93] Vogel und Umwelt), und der Wiesenweihe, bei der landesweit alle potentiellen Habitate kontrolliert werden, sind alle in Hessen als Brutvogel vorkommenden Taggreifvögel berücksichtigt.

* Im Auftrag der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ** AWU= Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz e.V. 331 Die Auswertung bezieht nur flächendeckende Untersuchungen ein, die mindestens in einem Jahr des neunjährigen Berichtszeitraumes (1984-1992) durchgeführt wurden. Dabei wurden auch fundierte Schätzungen mitaufgenommen. Unberücksichtigt blieben Aufzählungen von Brutplätzen bestimmter Arten, wie sie in den periodischen Sammelberichten der Regional- bzw. Kreisavifaunen zu finden sind. Diese Daten sind hinsichtlich ihrer Entstehung zu hete- rogen und lassen keine gesicherte Aussage über den tatsächlichen, flächenbezogenen Bestand einer Art zu. Außerdem wurden Flächen kleiner als 20 km2 von der Auswertung ausgeklammert. In den Tabellen wurde als Bearbeitungszeitraum maximal der Berichtszeitraum wieder- gegeben. Auf längerfristige Untersuchungen wird ggfs. im Text hingewiesen. Bei kleinen Untersuchungsgebieten wurde auf die Berechnung eines Siedlungsdichte-Wertes verzichtet (z. B. NSG Kühkopf). Die Untersuchungsergebnisse aus dem Gebiet Nidderau werden voraus- sichtlich von KÜRSCHNER (mündl. Mitt.) demnächst selbst publiziert. Einige Untersuchungsgebiete verschiedener Beobachter grenzen unmittelbar aneinander (vgl. Artkarten). Die Daten werden hier zunächst so mitgeteilt, wie sie mir zugeleitet wurden, d. h. unabhängig voneinander. Eine beispielhafte, gemeinsame Betrachtung solcher Nach- barflächen erschien jedoch aus meiner Sicht sinnvoll (s. Arttext Habicht). Die in dieser Arbeit verwerteten Daten wurden zum einen durch Auswertung von Literaturan- gaben gewonnen, zum überwiegenden Teil jedoch durch eine vom Verfasser durchgeführte Fragebogen-Aktion (Geschäftsstellen der Naturschutzverbände, AK" - Leiter der HGON**, sowie direkt bei ca. 40 benannten Personen). Darüberhinaus wurden mit den meisten Unter- suchern auch persönliche Gespräche geführt mit dem Ziel, noch offene Fragen oder Unklar- heiten auszuräumen. Dennoch ist es nicht völlig auszuschließen, daß trotz sorgfältiger Recherchen in Einzelfällen Ergebnisse nicht ganz richtig wiedergegeben wurden oder fehlen. Der Verfasser möchte deshalb anregen, ihm oder der Staatl. Vogelschutzwarte fehlende oder unrichtige Untersuchungsergebnisse mitzuteilen. Diese könnten dann z. B. als Ergänzung und in gebündelter Form in einem der nächsten Hefte dargestellt werden. Die Vorlage für die Artkarten entstammt mit freundlicher Erlaubnis von Herrn FIEDLER dem „Verzeichnis der Vögel Hessens" (BEHRENS, H. et al. 1985). Bei allen, die durch Überlassung von Datenmaterial diese Arbeit ermöglicht haben, möchte ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken. Dies waren die Herren ARNDT (Mörfelden), BAUMGÄRTEL (Riedstadt-Erfelden), BENDER (Idstein), BRAUNEIS (Eschwege), ENDER- LEIN (Korbach), ENDERS (Habichtswald-Ehlen) ERLEMANN (Obertshausen), FLEH MIG (Wiesbaden), FRIEMANN (Seeheim-Jugenheim), GOTTMANN (Diemelstadt-Benkshausen), HANTGE (Mainz), HAUSCH (Wiesbaden), H ECH LER (Rimbach), H I LLERICH (Groß-Umstadt), HOLLER (Pohlheim), KISSEL (Gernsheim), KÜRSCHNER (Bruchköbel), MARKGRAF (Gudensberg), PETER (Freigericht), SCHNEIDER (Battenberg), VEIT (Solms-Braunfels), WAGNER (Wohratal) und WILKE (Fuldabrück). Für die Übertragung des Themas dankt der Verfasser der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Abkürzungen und allgemeine Hinweise: BP = Brutpaar(e) SD = Siedlungsdichte(n) (BP / 100 km2 bei Sperber, Mäusebussard und Turmfalke; BP / 100 km2 bei den übrigen Arten) UG= Untersuchungsgebiet(e)

* AK = Arbeitskreis ** HGON = Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. 332 In den Tabellen wurden geschätzte Bestandswerte in kursiver Schrift aufgeführt. In den Karten wurden die entsprechenden Gebiete mit dünnen Linien gezeichnet. Aus Gründen der Ver- gleichbarkeit und Übersichtlichkeit wurden außerdem in den Karten nur „echte" UG ein- gezeichnet Summarische Bestandsangaben auf Landkreisebene sind im Text, z.T. auch in den Tabellen berücksichtigt.

3. Ergebnisse 3.1 Forschungsstand Tabelle 1 zeigt für den Bezugszeitraum und für alle bearbeiteten Arten: Anzahl, Flächensumme und mittlere Flächengröße der UG, prozentualer Anteil der Flächensumme an der Landes- fläche (= 21.114 km2), sowie die Anzahl der UG, die in mindestens drei Jahren bearbeitet wurden. Zunächst muß auf die Sonderstellung hinsichtlich des Flächenbezugs der Daten bei den Arten Rohrweihe und Schwarzmilan hingewiesen werden. Für die Rohrweihe wurden über- wiegend Bestandsdaten auf Kreisebene erhoben, bzw. mitgeteilt (vgl. Arttext). Mit 62% unter- suchtem Flächenanteil an der Landesfläche ist sie die am besten erforschte Art. Beim Schwarzmilan wurden sowohl UG bearbeitet(s. Tab. 6 und Karte 5), als auch Daten auf Landkreisebene mitgeteilt (s. Arttext). Während die UG mit 1 540 km2 ca 7,3 0/0 der Landes- fläche repräsentieren, liegen auf Kreisebene bezogene Bestandsdaten für ca. 7100 km2 (= 34 0/0 der Landesfläche) vor. Die Übersicht macht eine unterschiedliche „Beliebheit" der Arten deutlich. Die meisten Unter- suchungen auf definierten UG beschäftigen sich mit den Arten Habicht und Rotmilan, für die jeweils knapp 10% der Landesfläche kartiert wurden.

Tabelle 1: Untersuchungsstand 1984-1992 (Erläuterungen im Text) Landes- 2 0 km2%der Mind. 3 jährig Art Anzahl UG Sa. km fläche

Habicht 17 2 076 122 9,5 12 Sperber 10 1 358 136 6,4 9 Mäusebussard 13 1 316 101 6,2 8 Rotmilan 16 1 927 120 9,1 11 Schwarzmilan 12 1 540 128 7,3 6 Turmfalke 5 586 117 2,8 3 .. Baumfalke* 8 2 626 9,9 5 3 726 *. 14,7 Wespenbussard 10 907 91 4,3 7 .. Rohrweihe*** 13 13 176 62,0 12

* Daten für 1991 und 1992 ** Mittelwertbildung nicht sinnvoll *** Bezug: Landkreise

Die Falken müssen als relativ schlecht untersucht gelten, wobei der Turmfalke, obwohl zweit- häufigste Greifvogelart, nach Zahl und Fläche der Untersuchungen das Schlußlicht bildet. Der Baumfalke wird zwar derzeit auf großer Fläche untersucht, doch liegen „harte", großflächige Bestandsdaten bisher nur aus dem Großraum Wiesbaden-Taunus-Limburger Becken (HAUSCH u. a. 1989; WILKE mdl. Mitt.) und dem Altkreis Wetzlar vor (Vogelk. Ber. Lahn-Dill 6 1991 und VEIT, mündl. Mitt.). Auch für den Wespenbussard, für den von weniger als 5% der Landesfläche Kartierungen vorliegen, ist der Untersuchungsstand unbefriedigend. 333 Die artbezogene Bearbeitungsdauer der Untersuchungsgebiete schwankt erheblich. Von insgesamt 91 Art-UG (ohne Rohrweihe) wurden 61 (= ca. 70 0/o) mehrjährig (d. h. in mind. drei Jahren) bearbeitet, so daß hier auch Aussagen zur Bestandsentwicklung möglich sind.

3.2 Einzelne Arten

3.2.1 Habicht (Accipiter gentilis) Der Habicht wurde in 17 und damit den meisten Gebieten untersucht (Tab. 2, Karte 1). Deshalb und weil viele andere Artflächen innerhalb der Habichtflächen liegen, wird diese Art beispiel- haft etwas ausführlicher besprochen. Als relativ gut erforscht durch mehrjährige Unter- suchungen können der Raum um Kassel, der mittlere Taunus und der Kreis Groß-Gerau ange- sehen werden. Auch die Wetterau und der Vordere Odenwald sind durch jeweils mehrere UG einigermaßen repräsentiert. Folgende UG grenzen aneinander und könnten daher zusammengefaßt werden (vgl. Karte 1): 3 und 4: 247 km2, 7 und 8: ca. 320 km2, 9 und 10: 296 km2, sowie 13 und 14: 265 km2. Durch diese Zusammenfassung verringert sich zwar die Zahl der UG, die mittlere Flächengröße erhöht sich jedoch, z. B. im Jahr 1990 auf 230 km2 (vgl. Tab. 1: 122 km2). Dies wirkt sich entscheidend auf den Interpretationswert der Daten aus. Am Beispiel der Gebiete 3 und 4 soll dieser Sachverhalt verdeutlicht werden. Während in den Einzel-UG eher relativ kleine Teil- populationen erfaßt werden, nämlich zwischen 3 und 6 (UG 3), bzw. 6 und 9 BP (UG 4), bietet erst die gemeinsame Betrachtung der Gebiete eine allgemeinen Normen populations- dynamischer Untersuchungen entsprechende (mittlere) Bestandsgröße, in dem Fall 9 -15 Brutpaare. Eine großräumige Betrachtungsweise führt darüberhinaus zu einer Relativierung der SD- Werte im positiven Sinne. Beim Gebiet 3 + 4 könnte sich beispielsweise der Min./Max.-Wert um jeweils 1 Punkt nach oben, bzw. unten ändern, mithin auf einen Bereich zwischen 3,5 und 6,0 BP/100 km2 (vgl. Tab. 2).

Tabelle 2: Untersuchungsgebiete Habicht 1984 -1992 (SD= BP/100 km2) Name des Siedlungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter

gebietes Min. Max. Min. Max.

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1 Diemelsee 82 84 - 87 C 2,4 3,7 GOTTMANN

COCOC O O

2 Habichtswald 110 86 - 89 CO 2,7 4,6 ENDERS

3 Gudensberg 120 84 - 92 CS 2,5 5,0 WILKE/MARKGRAF DCON DCON 4 Körle 127 84 - 90 CD ) 4,7 7,1 WILKE

5 Battenberg 68 84 - 92 CO 4,4 7,4 SCHNEIDER

6 Wetterau-NW 60 84 - 86 3,3 5,0 HOLLER 0) 0)

7 Wetterau 250 92 3,6 NORGALL

8 Nidderau ca. 100 84 - 92 KÜRSCHNER

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9 ldstein 90 89 - 92 1,1 6,7 BENDER

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10 Taunus 206 84 - 92 CD 4,9 7,3 HAUSCH u. a.

1- 1-

,

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(ohne NSG) (Mitt. ARNDT) N0) N0) 12 NSG Kühkopf 24 92 BAUMGÄRTEL

13 Roßdorf 115 92 N 7,8 NORGALL - 14 Groß-Umstadt 150 92 CD - 4,7 HILLERICH

15 Weschnitztal 67 84 9,0 HECHLER

1- 1-

C

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16 Gernsheim ca. 45 84 - 87 In KISSEL CO CO

17 Groß-Gerau 32 84 - 92 HANTGE

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Karte 1: Greifvogel-Untersuchungsgebiete Greifvogel-Untersuchungsgebiete 1: Karte

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Karte 1 macht deutlich, daß die UG vorwiegend im unteren Höhenbereich der Mittelgebirge und/oder in Gebieten mit insgesamt ausgeglichener Wald-Feldverteilung liegen. Derartige Landschaften lassen von vornherein relativ hohe Habichtdichten erwarten. Dagegen sind die insgesamt nahrungsärmeren Hochlagen der Mittelgebirge und die großen, zusammenhän- genden Waldgebiete i. a. nicht durch aktuelle Untersuchungen repräsentiert (z. B. Kellerwald- Gebiet, Knüllgebirge, Vogelsberg, Rhön, Spessart und Buntsandstein-Odenwald). Die SD- Ergebnisse aus den UG in allgemein günstigen Habicht-Lebensräumen dürfen daher nicht einfach auf die gesamte Landesfläche übertragen werden.

3.2.2 Sperber (Accipiter nisus) Der Sperberwurde weitaus weniger als sein größererVerwandter untersucht, und zwar in zehn Gebieten, bzw. auf ca. 6,4 0/0 der Landesfläche. Die einzelnen UG sind relativ groß, im Mittel mit 136 km2 sogar größer als beim Habicht (vgl.Tab.1 und 3). So wurden in drei Fällen relativgroße Populationen bearbeitet (UG Körle, Taunus sowie Darmstadt-Ost + Neunkirchen). Auffallend ist, daß genau in diesen UG auch die höchsten Siedlungsdichten gefunden wurden.

Tabelle 3: Untersuchungsgebiete Sperber 1984 -1992 (SD = BP/10 km2) Siedlungs- Name des Unter- Bestand Nr. km2 Zeitraum suchungsgebietes dichte Bearbeiter Min. Max. Min. Max. 1 Diemelsee 82 84 - 92 0 4 0,0 0,5 GOTTMANN 2 Habichtswald 110 87 - 90 6 9 0,5 0,8 ENDERS 3 Körle 127 85 - 90 10 22 0,8 1,7 WILKE 4 Battenberg 68 85- 92 0 5 0,0 0,7 SCHNEIDER 5 Idstein 90 89 - 92 3 6 0,3 0,7 BENDER 6 Taunus 206 84 - 92 25 60 1,2 2,9 HAUSCH u. a. 7 Kreis GG (ohne NSG) 430 84 -92 0 2 0,0 0,05 OAK-GG/ARNDT 8 Darmstadt-Ost 33 84 - 92 0 6 0,0 1,8 FRIEMANN 9 Neunkirchen 154 84 - 92 1 19 0,07 1,2 FRIEMANN 10 Welcherod 58 84 - 85 2 3 0,4 0,5 SCHMIDT

Innerhalb der einzelnen Gebiete stammen die höheren Bestands- und SD-Werte (mit Ausnahme der Gebiete 8 und 9, wo bereits Mitte der 80er Jahre Maximalzahlen erreicht wurden; FRIEMANN, schriftl. Mitt.) aus den letzten Jahren. Die Daten spiegeln daher auch ganz grob die landesweite Zunahme nach dem katastrophalen Zusammenbruch der Popula- tion wieder. So teilt ARN DT (schriftl.) mit, daß der Sperber erst seit 1992 wieder Brutvogel des Kreises Groß-Gerau ist. Die SD ist daher in diesem Gebiet z. Z. noch extrem gering (s.Tab. 3). Auf einer 50 km2 großen Fläche im Bereich von Braunfels-Solms fanden METZ u. a. 1988 9 bis 12,1989 mindestens 12 BP und 1990 war mit mindestens 14 BP zu rechnen (SD ca. 2,0, mind. 2,4 und mind. 2,8 BP/10 km2; Vogelk. Ber. Lahn-Dill und VEIT, mündl. Mitt.). Die in Hessen und vielleicht auch bundesweit bisher langfristigste Untersuchung wird von FRIEMANN durchgeführt, der die Gebiete 8 und 9 bereits seit 27, bzw. 19 Jahren kontrolliert.

3.2.3 Mäusebussard (Buteo buteo) Die Art wurde in 13 UG, die 6,2 0/oder Landesfläche einnehmen, untersucht.Alle Flächen liegen innerhalb von Habicht-UG (vgl. Karte 1 mit 3). Bei einer durchschnittlichen Flächengröße von 101 km2 wurden nahezu überall genügend große Teilpopulationen erfaßt (s.Tab. 1 und 4). 336

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Karte 3: Greifvogel-Untersuchungsgebiete Greifvogel-Untersuchungsgebiete 3: Karte

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Im Taunus wurden auf einer zusammenhängenden Fläche von 296 km2 sogar jährlich über 100 Brutpaare kartiert (UG 9 und 10).

Bei den Gebieten Wetterau-Süd (7) und Roßdorf (11) müssen zu den Bestandszahlen der Tab. 4 (nur BP) noch die revierbesitzenden Paare (n =14, bzw. 5) hinzugezählt werden, da bei diesen Untersuchungen Statusunterschiede der Brutzeitpopulation differenziert erfaßt wurden (vgl. KOSTRZEWA 1985). So ergeben sich bezogen auf den tatsächlichen Bestand an Paaren SD-Werte von 3,8 bzw. 4,5 BP/10 km2.

Die Fläche Battenberg wird seit 1979 bearbeitet und ist somit das UG mit der aktuell längsten Beobachtungsperiode (14 Jahre).

Tabelle 4: Untersuchungsgebiete Mäusebussard 1984 -1992 (SD = BP/10 km2)

Name des Siedlungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. 1 Diemelsee 82 84 19 2,3 GOTTMANN 2 Habichtswald 110 86 - 89 27 46 2,5 4,2 ENDERS 3 Gudensberg 120 84/ 88 31 50 2,6 4,2 WILKE/MARKGRAF 4 Körle 127 88 - 90 32 41 2,5 3,2 WILKE 5 Battenberg 68 84 - 92 14 24 2,1 3,5 SCHNEIDER 6 Wetterau-NW 60 84 - 86 13 17 2,2 2,8 HOLLER 7 Wetterau-S 85 92 18 2,1 NORGALL 7 TK 5718 125 92 40 3,2 NORGALL 8 Nidderau ca. 100 84 - 92 KÜRSCHNER 9 Idstein 90 89 - 92 23 47 2,6 5,2 BENDER 10 Taunus 206 84 - 92 90 133 4,4 6,6 HAUSCH u. a. 11 Roßdorf 38 92 12 3,1 NORGALL 11 TK 6118 125 92 75 6,0 NORGALL 12 Gernsheim ca. 45 84 - 87 8 10 1,7 2,2 KISSEL 13 Welcherod 58 84 17 2,9 SCHMIDT

3.2.4 Rotmilan (Milvus milvus)

Mit 16 UG, von denen elf mehrjährig bearbeitet sind, gehört der Rotmilan zu den besser unter- suchten Arten. Für den gesamten Kreis Groß-Gerau (453 km2) läßt sich aus den Daten des OAK" (Mitt. ARNDT) und von BAUMGÄRTEL ein Gesamtbestand von ca. 12 BP (SD ca. 2,7 BP/100 km2) abschätzen.

Eine Rasterkartierung im Kreis Offenbach (356 km2) erbrachte 1992 fünf BP, bzw. acht besetzte Raster, was einer SD zwischen 1,4 und 2,3 BP/100 km2 entspräche (ERLEMANN &SCHLÄFER 1992 und ERLEMANN, mündl. Mitt.). Es sei auch hier darauf hingewiesen, daß in den vom Verfasser bearbeiteten Gebieten 7, 8 und 15 die Zahl der revierbesitzenden Paare höher als die Zahl der Brutpaare war (vgl. 3.2.3 Mäusebussard). Folgende Werte wur- den ermittelt: Wetterau-NO: acht Paare (SD = 12,3 P/100 km2), Wetterau-S: sechs Paare (SD = 3,2 P/100 km2) und TK 6118: zwei Paare (SD =1,6 P/100 km2).

* OAK = Ornithologischer Arbeitskreis 338 Tabelle 5: Untersuchungsgebiete Rotmilan 1984 -1992 (SD = BP/100 km2) Siedlungs- Name des Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. 1 Diemelsee 82 85 -91 1 4 1,2 4,9 GOTTMANN 2 Habichtswald 110 86 - 89 4 7 3,6 6,4 ENDERS 3 Gudensberg 120 84 -92 7 16 5,8 13,3 WILKE/MARKGRAF 4 Körle 127 84 -90 5 11 3,9 8,7 WILKE 5 Battenberg 68 84 -92 3 6 4,4 8,8 SCHNEIDER 6 Wetterau-NW 60 84 - 86 2 2 3,3 3,3 HOLLER 7 Wetterau-NO 65 91 3 4,6 NORGALL 8 Wetterau-S 185 92 3 1,6 NORGALL 9 Nidderau ca.100 84 - 92 KÜRSCHNER 10 Idstein 90 89 - 92 2 2 2,2 2,2 BENDER 11 Taunus 206 84 - 92 2 6 1,0 2,9 HAUSCH u. a. 12 Kr. Groß-Gerau 430 84 -92 3 9 0,7 2,1 OAK- Gro ß-Gerau (ohne NSG) (Mitt. ARND7) 13 NSG-Kühkopf 24 92 2 BAUMGÄRTEL 14 Gernsheim ca. 45 84 - 87 1 2 KISSEL 15 Roßdorf 125 92 1 0,8 NORGALL 16 Weschnitztal 90 84 / 92 0 3 0,0 4,3 HECHLER / NnnnAl 1

3.2.5 Schwarzmilan (Milvus migrans) Bei dieser Art taucht das Problem auf, daß möglicherweise nur solche Untersucher den Schwarzmilan als bearbeitet angegeben haben, in deren Untersuchungsgebiet mindestens ein BP gefunden wurde. Negativbefunde wären aber in diesem Zusammenhang ebenso wert- voll. Ich vermute, daß in den meisten Rotmilan-UG diese Art mitbeobachtet worden ist.

Tabelle 6: Untersuchungsgebiete Schwarzmilan 1984 -1992 (SD = BP/100 km2) Name des Siedlungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. 1 Gudensberg 120 91 3 2,5 MARKGRAF 2 Wetterau-NW 60 84 - 86 1 2 1,7 3,3 HOLLER 3 Wetterau-NO 65 91 2 3,0 NORGALL 4 Wetterau-S 185 92 4 2,2 NORGALL 5 Nidderau ca.100 84 -92 KÜRSCHNER 6 ldstein 90 89-92 0 1 0,0 1,1 BENDER 7 Taunus 206 84 - 92 0 1 0,0 0,4 HAUSCH u. a. 8 Kr. Groß-Gerau 430 84-92 10 15 2,3 3,5 OAK- Groß-Gerau (ohne NSG) (Mitt. ARNDT) 9 NSG-Kühkopf 24 92 25 (30) BAUMGÄRTEL 10 Gernsheim ca. 45 84 - 87 2 4 KISSEL 11 TK 6118 125 92 0 0,0 NORGALL 12 Weschnitztal 90 84 0 0,0 NORGALL

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Karte 5: Greifvogel-Untersuchungsgebiete

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Für den gesamten Kreis Groß-Gerau läßt sich aus mitgeteilten Daten (OAK Groß-Gerau/ ARNDT und BAUMGÄRTEL) ein Gesamtbestand von 40 - 45 BP ermitteln (vgl. Tab. 6). Eine einheitliche SD läßt sich aber für den gesamten Kreis nicht angegeben, da auf dem 24 km2 großen „Kühkopf" etwa doppelt so viele Paare brüten wie in dem 430 km2 großen „Restgebiet" des Kreises. Nach VEIT (mündl. Mitt.) brüteten 1990 5 - 6 Paare im Lahn-Dill-Kreis und davon drei Paare im Altkreis Wetzlar. In diesem Gebiet schwankt der Bestand jährlich um 1-2 Paare, es wurden max. fünf BP festgestellt. Eine Rasterkartierung 1992 im Kreis Offenbach (356 km2) erbrachte 7- 8 BP bzw.10 besetzte Raster (ERLEMANN & SCHLÄFER 1992 und ERLEMANN, münd I. Mitt.). Dies weist auf eine SD zwischen 2,1 und 2,8 BP/100 km2 hin. Für den Kreis Waldeck-Frankenberg lassen die Daten aus den „Avifaunistischen Sammelberichten" für die Jahre 1988-1991 auf 6(-10) besetzte Reviere schließen. In dem gleichen Zeitraum waren im Schwalm-Eder-Kreis zwischen 8 und 11 Reviere besetzt (vgl. Avifaun. Sammelber.). Für diese beiden Kreise gilt, daß in etwa der Hälfte der Reviere Brutnachweise erbracht wurden. In den übrigen Revieren wurden Paare oder Einzelvögel mit Revierbezug beobachtet. (Anmerkung Verfasser: Intensives Nachsuchen hätte in den meisten Fällen sicher auch hier zu Brutnachweisen geführt.) Diese zusammenge- faßten Ergebnisse vermitteln sehr gut eine Vorstellung von der Größenordnung des Brutpaar- bestandes in den beiden nordhessischen Kreisen. In zwei sich teilweise überlagernden Gebieten in der nördlichen Wetterau (Kreis Gießen) fanden HOLLER (1984 -1986) und Verfasser (1991) unabhängig voneinander nahezu gleiche SD, nämlich 3,3 bzw. 3,0 BP/100 km2 (Tab. 6 und Karte 5). In der südlichen Wetterau fand Verfasser 1992 eine SD von 2,2 BP/100 km2. Für die gesamte Wetterau kann daher von einer SD von 2,0 bis 3,0 BP/100 km2 ausgegangen werden. Bezogen auf den Wetteraukreis (1100 km2) läßt sich so ein Bestand von etwa 20 bis 30 Paaren abschätzen. Zusammenfassend ergibt sich für die genannten sieben Landkreise (7084 km2) in dem Zeitraum 1988 bis 1992 ein kalkulatorischer Brutbestand von 92 bis 116 Paaren (s. Übersicht).

Übersicht: Brutbestand (Zahl der Paare) des Schwarzmilans 1988 -1992 in sieben Land- kreisen Hessens (7084 knn2 = 34 0/0 der Landesfläche) Waldeck-Frankenberg: 6 - 10 Schwalm-Eder : 8- 11 Lahn-Dill : 5- 6 Gießen : 6 Wetterau : 20 - 30 Groß-Gerau : 40- 45 Offenbach : 7- 8 Zusammen : 92 -116

3.2.6 Turmfalke (Falco tinnunculus) Obwohl zweithäufigste Taggreifvogelart, stellt der Turmfalke das Stiefkind der hessischen Greifvogeluntersuchungen dar. Im neunjährigen Berichtszeitraum wurden nur fünf UG, die alle in Südhessen lagen, bearbeitet. UG 3 besteht aus drei Kleinflächen, die zusammen 35 km2 umfassen. Bei einem sehr hohen Nistkastenangebot handelt es sich um eine nahezu reine Nistkastenpopulation. Während des 7-jährigen Beobachtungszeitraumes fand nur eine Brut außerhalb eines Kastens statt (SCHÖNEMANN & KRUG, nach HILLERICH, schriftl. Mitt.). 341 Auf eine Bestandsschätzung im Lahn-Dill-Kreis im Jahr 1989 sei hingewiesen. Auf 175 km2 (22 Gemarkungen) wurden 30 BP gefunden. Auf dieser Grundlage wird der Bestand für den gesamten Kreis (1067 km2) mit etwa 215 BP angegeben (Vogelk. Ber. Lahn-Dill 4/5,1989/90). Dies entspräche einer SD von 2,0 BP/10 km2. HILLERICH, KREUZER & Verfassser ermittelten 1992 unabhängig voneinander auf benach- barten Flächen (UG 4 und 5) gleiche Siedlungsdichten (3,5 bzw. 3,4 BP/10 km2; vgl. Tab. 7).

Tabelle 7: Untersuchungsgebiete Turmfalke 1984 -1992 (SD = BP/10 km2) Name des Sied lungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. 1 Idstein 90 89-92 9 19 1,0 2,1 BENDER 2 Taunus 206 84 - 92 6 22 0,3 1,1 HAUSCH u. a. 3 Groß-Gerau 35 85 - 92 11 24 3,1 6,9 SCHÖNEMANN & KRUG (Mitt. HILLERICH) 4 Roßdorf 55 92 19 3,4 KREUZER & NORGALL 5 Groß-Umstadt ca. 200 92 70 3,5 HILLERICH

Bei der Beurteilung der Untersuchungsergebnisse sollte berücksichtigt werden, daß nach R. KOSTRZEWA (1985 und 1988) kurzfristige Untersuchungen und/oder Untersuchungs- flächen <100 km2 mit einem systematischen Fehler behaftet sind und i. d. R. zu zu hohen Bestands- bzw. SD-Ergebnissen führen.

3.2.7 Baumfalke (Falco subbuteo)

Es wurden die mit Abstand größten Art-UG bearbeitet. Zunächst ist das ca. 1 000 km2 große UG Taunus - Limburger Becken hervorzuheben. Diese Untersuchung hat sicher auch im bundesweiten Vergleich eine Sonderstellung, weil hier zum ersten Mal für den Mittelgebirgs- raum großräumig gesicherte Bestandsergebnisse mitgeteilt werden (HAUSCH u. a.1989). Die UG Taunus und Idstein liegen teilweise bzw. vollständig innerhalb dieser großen Fläche, was bei Beurteilung der Daten in Tab. 8 zu berücksichtigen ist. Das größte Gebiet mit 2 200 km2 wurde 1992 von WILKE untersucht. Es konnte jedoch nicht vollständig bearbeitet werden (WILKE, mündl. Mitt.), weshalb auf eine SD-Angabe verzichtet wird.

Tabelle 8: Untersuchungsgebiete Baumfalke 1984 -1992 (SD = BP/100 km2) Name des Siedlungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. 1 Kassel 1 100 91 11 (1,0) WILKE 2 200 92 15 WILKE 2 Battenberg 68 86 - 92 1 2 1,5 2,9 SCHNEIDER 3 Taunus-Limburg 1 000 88 -92 19 24 1,9 2,4 HAUSCH u.a. 4 Idstein 90 89 - 92 1 3 1,1 3,3 BENDER 5 Taunus 206 84 - 92 1 3 0,4 1,4 HAUSCH u.a. 6 Nidderau ca. 100 84 - 92 KÜRSCNER 7 Weschnitztal 30 92 2 NORGALL 8 Groß-Gerau 32 84 - 92 3 4 HANTGE

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Karte 7: Greifvogel-Untersuchungsgebiete Greifvogel-Untersuchungsgebiete 7: Karte 4411 4411 Im Kreis Marburg-Biedenkopf (1262 km2) wurden 1991 13 und 1992 15 besetzte Reviere gefunden. Aufgrund der räumlichen Verteilung dieser Reviere und der Tatsache, daß nur etwa 50% der Kreisfläche bearbeitet wurden, vermutet WAGNER (mündl. Mitt.) einen Gesamt- bestand von ca. 25 Paaren. Für den gut kontrollierten Teilbereich des Kreises beträgt die SD demnach mindestens 2,0 P/100 km2. Im benachbarten Lahn-Dill-Kreis wurden auf der Fläche des Altkreises Wetzlar (497 km2) 199014(-15) und 1991 8 BP (SD: 2,8 - 3,0 bzw. 1,6 BP/100 km2) ermittelt (VEIT, mündl. Mitt.). Nach ERLEMANN (mündl. Mitt.) ist auch die Bestandssituation im Landkreis Offenbach (356 km2) gut bekannt.1992 wurden 6 BP gefunden (SD somit ca.1,7 BP/100 km2). Die Ergeb- nisse für die sehr kleinen Flächen Weschnitztal und Groß-Gerau werden in Tab. 8 mitgeteilt, weil das Bild über die Bestandssituation z. Z. noch recht lückenhaft ist und deshalb auch Kleinflächen-Angaben ihre Berechtigung besitzen.

3.2.8 Wespenbussard (Pernis apivorus) Als besonders schwierig zu erfassende Art wurde der Wespenbussard immerhin in neun UG kartiert. Bei Betrachtung der Bestands- und SD-Daten der Tab. 9,wie auch unter Berücksichti- gung der Bemerkungen der Untersucher selbst (im Rahmen der Umfrage) zur Erfassungs- genauigkeit, vermute ich, daß die Daten i. d. R. nur Näherungswerte der tatsächlichen Bestandsgrößen darstellen.

Tabelle 9: Untersuchungsgebiete Wespenbussard 1984 -1992 (SD = BP/100 km2) Name des Siedlungs- Bestand Nr. Untersuchungs- km2 Zeitraum dichte Bearbeiter gebietes Min. Max. Min. Max. Diemelsee 82 84 1 1,2 GOTTMANN Gudensberg 120 84 - 92 0 1 0,0 0,8 MARKGRAF

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Schlierbachswald* 30 92 3 BRAUNEIS * Es wurde nur die große geschlossene Waldfläche kontrolliert. SD daher nicht angebbar.

Darüberhinaus muß die bei UG <250 (-500) km2 zu beobachtende negative Korrelation zwischen Größe des UG und ermittelter SD berücksichtigt werden, auf die KOSTRZEWA (1991) nachdrücklich hinweist.

3.2.9 Rohrweihe (Circus aeruginosus) Über die Bestandssituation der Rohrweihe sind wir vergleichsweise gut unterrichtet, da sie ein relativ spezifisches Nisthabitat bewohnt. Die geeigneten Habitate wurden in vielen Fällen innerhalb der jeweiligen Kreisgrenzen vollständig kontrolliert. So ist für 13 der 21 hessischen Landkreise die Bestandssituation bekannt. Tab. 10 zeigt den Brutbestand (= alle Paare mit Revierbezug) nur für die Landkreise mit Brutvorkommen (n =12, ohne Kreis Waldeck-Franken- berg) und die Jahre, in denen der Bestand den vorliegenden Quellen zufolge genau erfaßt war. 344 Für den Kreis Waldeck-Frankenberg werden zwar Brutzeitvorkommen erwähnt, eindeutige Brutnachweise fehlen jedoch. Auch im Rheingau-Taunus-Kreis brütete die Rohrweihe mög- licherweise nicht, da in dem gut untersuchten 296 km2 großen „Gesamt-UG" Wiesbaden- Taunus-Idstein (vgl. z.B. Karte 1) keine Brut gefunden wurde. Für die übrigen sieben Land- kreise standen mir aus dem Zeitraum 1984-92 keine Ergebnisse zur Verfügung. Für drei Landkreise wurden innerhalb des Berichtszeitraumes erstmals Brutvorkommen genannt.1988 wurden im Lahn-Dill-Kreis und Landkreis Offenbach Erstbruten nachgewiesen (SCHINDLER 1988; SCHROTH 1989). Für den Main-Taunus-Kreis wird erstmals 1991 ein Brutnachweis angegeben. Anhand dervorliegenden Daten läßt sich der Bestand der Rohrweihe in den zwölf Landkreisen mit bekanntem Brutvorkommen für die Jahre 1990/91 abschätzen. In Tab.10 ergibt die Spal- tensumme für 1990: 42-43 und für 1991: 39 - 41 Paare. Kalkuliert man die Fehldaten für einzelne Kreise und Jahre mit den entsprechenden Daten des Folge-, bzw. Vorjahres, ergibt sich für beide Jahre ein Brutbestand von etwa 50 Paaren.

Tabelle 10: Brutbestand der Rohrweihe 1984-1991 in 12 Landkreisen Hesens (in ( ) geschätzter Bestand, weitere Erläuterungen im Text) Jahre Landkreis 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 Kassel 1- 2 2 -3 >2 3 1-2 2 Schwalm-Eder 2 (1) 3 Werra-Meißner 3 >1 2 2 (- 4) 4-6 (5) Marburg-Biedenkopf 2 2 2 2 3 Lahn-Dill 0 0 0 0 1 (1) Gießen 1 Wetterau >6 8-9 10 10 15-17 17 18 Main-Kinzig >1 >2 (3) 5 3 Main-Taunus 1-2 Offenbach 0 0 0 0 1 1 1 1 Groß-Gerau 3 2 4 5 5 4-5 1-2 4 Darmstadt-Dieburg 5-6 6 -7 6 3 - 6 >6 >9 >9 >7-8 davon im Altkreis Dieburg 5 4 5-6 2 -5 6 9 9 7 -8

3.3 Verwaltungsräumlicher Bezug der Untersuchungsgebiete Karte 9 zeigt stellvertretend für andere Arten die Lage der Habicht-UG in Beziehung zu den Grenzen der unteren und mittleren Verwaltungsebenen. Diese Darstellung kann vor allem für die amtliche Naturschutzarbeit wichtig sein, weil man bei Naturschutzbehörden primär auf Ergebnisse des eigenen Zuständigkeitsbereichs zurückgreift. Von den 21 hessischen Landkreisen haben etwa die Hälfte Flächenanteile an Habicht-UG. Es soll jedoch an dieser Stelle betont werden, daß bei der Festlegung von UG-Grenzen den Verwaltungsgrenzen nur nachrangige Bedeutung zukommen sollte. Wesentlich anders als beim Habicht stellt sich die Repräsentanzvon Verwaltungsbezirken bei den Arten Schwarzmilan, Baumfalke und Rohrweihe dar. Während bei Schwarzmilan und Baumfalke Bestandsaufnahmen sowohl für abgegrenzte UG als auch für Landkreise vorliegen, erfolgte bei der Rohrweihe die Darstellung der Ergebnisse durchweg auf Kreisebene (vgl.Tab. 1 und 10, sowie die Arttexte). 345 Karte 9: Habicht-Untersuchungsgebiete 1984-1992 und Verwaltungsgrenzen

346 4. Zusammenfassung

Es werden quantitative Ergebnisse (Bestand = Zahl der Brutpaare; Siedlungsdichte = Bestand pro Fläche) möglichst aller in Hessen im Zeitraum 1984 bis 1992 durchgeführten Bestandserfasssungen an Taggreifvögeln dargestellt. Da es sich im Auftrag der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland um eine reine Dokumentation handelt, wird auf eine Diskussion der Daten verzichtet Behandelt werden, mit Ausnahme von Wanderfalke und Wiesenweihe, alle in Hessen als Brutvogel vorkommenden Arten. Bei Schwarzmilan (SM) und Rohrweihe (RW) wird eine Bestandsschätzung für größere Teilräume Hessens mit bekannter Bestandssituation versucht (SM: 1984 -92 etwa 92-116 Paare auf 7 084 km2 (= 7 Landkreise); RW: 1990/91 etwa 50 Paare auf 11327 km2 (=12 Landkreise)). Die Lage der Habicht-Untersuchungsgebiete wird beispielhaft für andere Arten in Relation zu den Grenzen der unteren und mittleren Verwaltungsstufen dargestellt.

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Anschrift des Verfassers: AXEL NORGALL, Alten-Busecker Straße 12, 35460 Staufenberg-Treis

Neue Literatur

GIBBONS, B. & P. BROUGH (1993): Kosmos-Atlas Blütenpflanzen. - 336 S., 1502 Farb- fotos, 518 s/w Zeichn., 1004 Verbreitungskarten, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart. ISBN 3-440-06559-6. Der großformatige Kosmos-Atlas Blütenpflanzen zweier englischer Autoren macht den Benutzer mit 1900 Pflanzen der Flora Nord- und Mitteleuropas bekannt.Vorgestellt werden die Arten in Farbaufnahmen von ausgezeichneter Qualität. Zusammen mit einem zwar knappen, aber durchaus ausreichenden Text, mit Verbreitungskarten und - falls notwendig - auch mit Hilfe entsprechender s/w-Zeichnungen lassen sich in der Mehrzahl der Fälle die einzelnen Arten selbst von weniger Geübten bestimmen. Es ist erstaunlich, daß meist schon das Farbfoto ausreicht, um zu einer einwandfreien Identifizierung der Art zu kommen. Bereits beim ersten flüchtigen Durchblättern wird der Beobachter von der Brillanz der Abbildungen fasziniert. Alleine dies dürfte ein Anlaß sein, dieses Buch für die heimische Bibliothek zu erwerben. Auf Grund des Formats ist es jedoch zur Verwendung bei Exkursionen weniger gut geeignet. Der Blütenpflanzen-Atlas ist ein rundum gelungenes Nachschlagewerk. Sein Kauf ist empfehlens- wert. W. KEIL 349 Neue Literatur

BERNDT, R. K. & G. BUSCHE (1993): Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Band 4, Entenvögel II. 228 Seiten mit 44 Farb- und 33 Schwarzweiß-Abb.,100 Karten und Grafiken sowie 174 Tabellen, kartoniert mit farbigem Bezug, Karl Wachtholz Verlag Neumünster. In Band 4 der Vogelwelt Schleswig-Holsteins werden die Anatiden, von der Kolbenente bis zur Weißkopfruderente, abgehandelt. Die Autoren beschreiben zu Anfang eines jeden Artkapitels die historische und aktuelle Verbreitung, so daß der Leser einen schnellen Überblick von der Bestandsentwicklung bzw. Verbreitung der Entenarten erhält. Die gut gegliederten Artbearbeitungen beinhalten Angaben über Brutvorkommen, Verbreitung, Brutbestand, Nichtbrüterbestand, Bestandsent- wicklung, Habitat, Fortpflanzung, Wanderungen, Brutpopulation, Massenvorkommen und Durchzügler. Sehr viele Informationen flossen in diese Avifauna ein, die ansonsten vielleicht nur in Artmonographien oder Handbüchern zu finden sind. Die vielen Abbildungen, Grafiken, Tabellen und Bilder runden diesen Band ab. Zu begrüßen sind die Anregungen zu Unter- suchungsdefiziten sowie die Ausführungen zu Schutzzielen der einzelnen Arten. Ebenfalls wird kurz auf die Haltung und Zucht von Entenvögeln eingegangen. Zusammenfassend für Band 3 und Band 4 werden die „Wasservögel und ihre Lebensräume" dargestellt. Die unterschiedlichen Gewässertypen, von den Watten der Nordseeküste über Binnenseen, Fließgewässer sowie Abwasserteiche und deren Bedeutung als Brut-, Rast-, Durchzugs- und Mausergebiet werden sehr ausführlich besprochen. Mit 20 Seiten Schrifttumsverzeichnis schließt dieser Band. Alles in allem ein sehr gelungenes Werk, das jedem ornithologisch Interessierten empfohlen werden kann. M. HORMANN

350 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 6: 351-358 (1993)

Hessens neue Naturschutzgebiete (22) von ALBRECHT ENSGRABER, Eltville am Rhein

NSG „Guntal bei Presberg" (Rheingau-Taunus-Kreis) VO vom 23. November 1989 (StAnz. S. 2571): in Kraft getreten: 19. Dezember 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Düngung der Grünlandflächen mit stickstoff-freien mineralischen Düngemitteln, - die Ausübung der Jagd, - der Betrieb der Niederschlagsmeßstation. Das 15,2 ha große Naturschutzgebiet liegt an der Grenze der Naturräume „Rheingaugebirge" und „Wispertaunus; nur ca. 1,5 km westlich von den gleichzeitig ausgewiesenen „Steig- wiesen". Der Guntalbach entspringt unterhalb desTaunus-Hauptkamms und fließt nach kaum 2 km in den Grolochbach. Das Naturschutzgebiet deckt dessen tiefes Kerbtal bis auf einen kurzen Mündungsbereich und die Quellbereiche ab. Besonders beim westlichen der beiden Quellbäche ist auf einen großen oberen Wiesenteil verzichtet worden. Auch den Waldbereich zwischen den beiden Quellbächen hat man ausgeklammert. So befinden sich im Natur- schutzgebiet nur kleine Waldteile, deren einer die Wiesenfläche im oberen Guntal isoliert. Die übrigen Wiesenflächen bilden unter Verbreiterung in der Mitte bis zum hochgelegenen Lämmerdall einen geschlossenen Wiesenzug. Die unterschiedlich durchfeuchteten Wiesen mit zahlreichen Quellbereichen sind durch Brache und Verbuschung gefährdet. Das Spektrum der vorkommenden Pflanzenarten ähnelt sehr dem der „Steigwiesen". Insbe- sondere kommt auch die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) hier vor. Darüber hinaus sind noch Hartman's Segge und Grünsegge (Carex hartmannii und C. demissa) zu nennen.

NSG „Waldwiesenbachtal von Oberhöchstadt" (Hochtaunuskreis) VO vom 24. November 1989 (StAnz. S. 2573); in Kraft getreten: 19. Dezember 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Jagd. Das 11,15 ha große Naturschutzgebiet erstreckt sich im Naturraum „Vortaunus, Kronberger Taunusfuß" als ca. 120 m breiter Schlauch in einer Länge von etwa einem Kilometer am Nordrand des namengebenden Ortsteils von Kronberg. Es ist nach „Hinterste Neuwiese" das zweite in der Gemarkung von Oberhöchstadt im Jahre 1989 ausgewiesene Naturschutzgebiet, das vornehmlich Grünland umfaßt. Das leicht nach Südosten abfallende Wiesengelände grenzt an der West- und Ostseite an Wald, die Nordgrenze bildet die B 455. Der Waldwiesen- bach kommt von den Hühnerbergwiesen her und ist ein Quellbach des zur Nidda fließenden Westernbaches. Er verläuft an der Ostgrenze des Gebietes und ist von Seitengräben und mit diesen verbundenen Grabenstücken begleitet. Weitere Gräben befinden sich am Westrand des Gebietes und im unteren Gebietsteil. Der Bachlauf besitzt einen an mehreren Stellen sich verbreiternden und fast lückenlosen Erlensaum. Infolge der oberhalb gelegenen Trinkwasser- gewinnungsanlagen führt er in niederschlagsarmen Zeiten nur wenig oder kein Wasser. 351 Ein etwa vor 20 Jahren angelegter Weg überquert den oberen Teil der sonst weitgehend unge- störten Talaue. Dieser obere Gebietsteil wirkt durch geringeren Gehölzbestand ziemlich weiträumig. Es befinden sich dort zwei feuchte Bereiche. Der untere Gebietsteil ist durch mehrere Erlengruppen und Großseggenbestände reich gegliedert. Das Gebiet ist kleinparzel- liert. Es ist nicht melioriert. Die Wiesen sind bisher immer extensiver bewirtschaftet worden. Sie sind sehr artenreich, u.a. existiert ein umfangreicher, intakter Bestand von Breitblättrigem Knabenkraut. Den aktuellen Anlaß zur Naturschutzgebietsausweisung hat das Projekt eines Regenrück- haltebeckens geboten, das einen 5,5 m hohen und 36 m breiten Damm in der Talaue erfor- derlich gemacht hätte.

NSG „Zienerwiesen von Oberzell" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 24. November 1989 (StAnz. S. 2628); in Kraft getreten: 26. Dezember 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die ackerbauliche Nutzung des Flustücks 10 in Flur 14 der Gemarkung Oberzell (Magerwiese am Hang beim NSG Teil an der Schmalen Sinn) im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art, - die Ausübung der Jagd vom 15. Juli bis Ende Februar - die Ausübung der Fischerei vom 15. Juli bis Ende Februar, verboten: - Pferde weiden zu lassen, - Schafe in Pferchen zu halten. Das 12,85 ha große vierteilige Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Brückenauer Kup- penrhön" am Mittellauf der Schmalen Sinn, wo diese den Steiersbach aufnimmt. Die vier Teil- flächen bilden die Kernbereiche eines noch auszuweisenden Landschaftsschutzgebietes. Die beiden kleinen Teilflächen von 2,09 bzw. 1,0 ha befinden sich bei der Mündung des Steiersbaches, wo eine Brücke über die Schmale Sinn führt. Die westliche 4,61 ha große Fläche liegt an der Schmalen Sinn nur etwa 800 m von der Landesgrenze zu Bayern entfernt und mit Blick zur zwei Kilometer entfernten „Grenzwaldbrücke" der BAB 7. Hier beginnt der weite Talkessel, der bis Oberzell reicht. Die Schmale Sinn hat im Bereich des NSG den Charakter eines Wildbaches mit einem nahezu natürlichen Bett. Die geschlossene Erlenbe- stockung entspricht hier dem natürlichen Zustand. Bachforelle, Groppe, Bachneunauge und Zwergstichling sowie Eisvogel, Wasseramsel und Gebirgsstelze kommen als stark gefährdete Charakterarten klarer Bäche hier vor. Dieser Naturschutzgebietsteil wird sowohl durch die ungehinderten Überschwemmungen der Schmalen Sinn als auch durch zahlreiche, starke und ganzjährig schüttende Quellen am Hangfuß geprägt. Das Quellwasser führt zurVersump- fung des gesamten Talabschnittes im NSG-Bereich, füllt eine große Zahl stehender und spru- delnder Quelltöpfe, Pfützen und Rinnsale und fließt schließlich in einigen Sammelgräben zum Bach ab. Der Talsumpf ist fast nutzungsfrei. Es tritt in diesen Gewässern eine typische Quell- biozönose auf, darunter die Quellschnecke (Bythinella dunkeri). Im Gefolge des Auftretens mehrerer Amphibienarten kommt die Ringelnatter vor. Brutvorkommen der Bekassine, Mooreidechse, seltene Blatt- und Rüsselkäfer sowie Feuchtwiesen-Scheckenfalter sind besonders zu nennen. Die trockenen Magerwiesen am Hang sind einschürig und bleiben fast ungedüngt. Große botanische Besonderheit ist das Kleine Knabenkraut. Massenbestände düngerempfindlicher Blütenpflanzen, z. B. Körner-Steinbrech, Wiesenflockenblume und Gamander-Ehrenpreis, ermöglichen die große Vielfalt von Insekten. Der voranstehend geschilderte NSG Teil an der Schmalen Sinn liegt an der Südostflanke des Zünner-Rückens. An dessen Westflanke fließt der Steiersbach, dem die zweite nördliche der 352 beiden großen Teilflächen des NSG-Quartetts gewidmet ist (5,15 ha). Dieser beginnt un- mittelbar an der Grenze zu Bayern. Der Steiersbach ist dort ein weitgehend natürlich mäan- drierendes Gewässer mit ziemlich starkem Gefälle. Er ist von breiten, quellig-sumpfigen Uferzonen sowie von ausgeprägten Geländebuckeln und Bodenwellen umgeben. Märzen- becher und Bach-Nelkenwurz treten in hoher Dichte auf. Die Talaue des Steiersbaches ist in der Vergangenheit durch Verfüllung und Umbruch erheblich beeinträchtigt worden. In etwa der halben NSG-Länge ist aufgrund von Einsprüchen am rechten Bachufer keine NSG- Fläche ausgewiesen worden. Die Wasserqualität ist zumindest zeitweise durch Einleitung aus einer Hühnerfarm stark beeinträchtigt. Die Verhältnisse sind ferner durch eine unterhalb (außerhalb des NSG) unmittelbar bis an das Gewässer heranreichende große Fabrikhalle gestört.

Von den im Gesamtgebiet registrierten 70 Vogelarten steht etwa ein Viertel auf der Roten Liste, z. B. Rebhuhn, Wachtel, Raubwürger. Auf dem Durchzuge ist der Fischadler beobachtet worden.Von zahlreichen Schmetterlingsarten sind besonders die Rote Liste-Arten Schwarz- blauer Bläuling, Dukatenfalter und Grünwidderchen zu nennen. Außerdem sind sehr viele Käferarten und eine Fülle von Insektenarten aus anderen Gruppen nachgewiesen worden.

NSG „Erlensee bei Erlensee" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 5. Dezember 1989 (StAnz. S. 2630), in Kraft getreten: 26. Dezember 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Nutzung der Grünlandflächen im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art, - die Umwandlung der Hybridpappel- und Nadelbaumbestände im naturnahen Auewald, - das Betreten der Zone B, - die Ausübung der Fischerei in der Zone B vom Ufer aus und in der Kinzig, hier jedoch nicht vom Westufer der Kinzig aus innerhalb der Zone A, - die Ausübung der Einzeljagd auf Haarwild in der Zeit vom 16.Juli bis 31.Januar, - die Ausübung der Jagd auf Stockenten in der Zone B in der Zeit vom 15. November bis 15. Januar.

Das ca.160 ha große Naturschutzgebiet befindet sich im Naturraum „Untermainebene, Sach- senhausen-Offenbacher Rücken". Es umfaßt im Nordwesten den namengebenden Kiesteich (auch Altenburgsee genannt), im Bereich der Westgrenze den naturnahen Flußabschnitt der Kinzig mit dem Bulau-Auewald und als weitaus größten Teil die Wald- und Grünlandflächen um die Damburger Lache, die im Süden und Südwesten durch den Verkehrsknoten der A 45 begrenzt werden. Etwa 70% der Gebietsfläche sind Wald, 20 0/0 Grünland und 10 0/0 Wasser- flächen. Der Erlensee, etwa 16,8 ha groß mit zwei Inseln, nach dem Kiesabbau zwischen 1969 und 1981 entstanden, liegt in einer landschaftlich reizvollen, nach Norden zur weitläufigen Kinzigaue geöffneten Waldbucht und hat den Charakter eines naturnahen Waldteiches angenommen. Die Uferzonen befinden sich noch in einem frühen Sukzessionsstadium. Kennzeichnend sind niedrige Ufer und geringe Wasserstandsschwankungen.Wegen des nährstoffreichen Boden- substrats und des Einflusses der Kinzighochwasser bestehen eutrophe Verhältnisse. Bisher haben Badegäste und Wassersportler den See im Sommer stark in Anspruch genommen. Wegen des anhaltenden Besucherdruckes ist die Sperrung aller Zufahrtswege und die Besei- tigung des Parkplatzes nötig. Zone A nach der Verordnung ist die Südhälfte des Erlensees einschließlich der Uferbereiche bis zur Kinzig und zur Gebietsgrenze. Sie soll vor jeder 353 Beunruhigung geschützt werden. Zone B umfaßt den Gebietsteil an der Nordhälfte des Erlensees vom Ufer bis zur Gebietsgrenze bzw. bis zur Kinzig.

Die Kinzig durchfließt das Gebiet in zahlreichen engen Mäandern mit Steilufern und Abbruch- kanten. Sie weist starke Schwankungen in der Wasserführung auf. Überflutungen der Talaue sind daher eine jährlich wiederkehrende, „natürliche" Erscheinung. Die Flußschleifen werden von dichten Bruchweidenbeständen eingefaßt, in die Salweiden, Silberweiden und Schwarz- dorn eingemischt sind.

Der Wald westlich der Kinzig zählt zur Gesellschaft des Stieleichen-Eschen-Ulmen- Auewaldes, östlich der Kinzig wächst Stieleichen-Hainbuchenwald mit Traubenkirschen-, Erlen- und Eschenbrüchen. Das Gebiet der Damburger Lache ist durch einen sehr feuchten Auewald gekennzeichnet, dervon der Lache und zahlreichen Altarmresten durchzogen ist und vielfältige Übergangszonen mit artenreichen Rispen-Großseggenriedern aufweist.

An Pflanzenarten der Roten Liste kommen in den Auewäldern vor: das äußerst seltene Moorglöckchen (Wahlenbergia hederacea) in nur wenigen Exemplaren, Langblättriger Ehren- preis, Sumpf-Farn und Echtes Lungenkraut. Als einzige Orchideenart kommt Breitblättriger Stendelwurz vor. An Stellen mit Hochmoorcharakter treten die Arten Fuchs-, Grau-, Blasen- und Ufer-Segge, Sumpf-Dreizack, Sumpf-Blatterbse, Sumpf-Läusekraut und Sumpf- Veilchen auf.

Es sind bisher 102 Vogelarten nachgewiesen worden, davon 27 Arten der Roten Liste. Besondere Bedeutung hat das Gebiet als Brutplatz u.a. für Haubentaucher (5 Brutpaare), Uferschwalbe (etwa 50 beflogene Röhren), Flußregenpfeifer (bis zu 10 Brutpaaren) und Schwarzmilan (1 bis 2 Brutpaare), Mittelspecht, Schafstelze und Neuntöter. Während der Zugzeit wurden bis zu 800 Wasservögel aus 11 Arten festgestellt.

Fast genau nord-südlich verläuft der in Resten erkennbare Pfahlgraben des Limes durch die Gemarkungsteile Schenkeloch und Disteloch in genauer Richtung auf das Kastell in Groß- Krotzenburg zu. An der Ortsgrenze von Rückingen hat im NSG eine römische Holzbrücke über die Kinzig bestanden.

NSG „Hölle und Weinberg von Kressenbach" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 5. Dezember 1989 (StAnz. S. 2632); in Kraft getreten: 26. Dezember 1989 Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Nutzung der Grundstücke in der Schutzzone III im bisherigen Umfang und der bisherigen Art, - die mineralische Grunddüngung in der Schutzzone II, - Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der naturnahen Orchideen-Buchen- waldgesellschaften sowie der Kopfhainbuchenbestände.

Das 21,13 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Südlicher, Unterer Vogelsberg". Es nimmt zwischen 260 und 330 m NN eine größtenteils nach Süden gerichtete Hangkante ein, die im Bogen weiter nach Westen verläuft und dort noch ein kurzes Tälchen, die „Hölle", mit einem weiteren südexponierten Hang, umfaßt. Es steht im Gebiet Unterer Muschelkalk an, der im Zusammenhang mit der Absenkung des Schlüchterner Beckens unter dem Schutz einer ehemaligen Basaltdecke erhalten geblieben ist. Die mehr oder weniger eingewachsenen Kalkbrüche und Rutschhänge am Westhang sind auffällige Merkmale des Weinberges. Der im Gebiet noch ausstrahlende Klimaeinfluß des Maintals begünstigt zusammen mit den geologischen Gegebenheiten die Ausbildung eines xerothermen Biotops. 354 Nachdem bereits vor etwa 50 Jahren die Beweidung des „Weinberges" aufgegeben worden ist, sind die Halbtrockenrasen mehr und mehr verbuscht und von Wald erobert worden. Am Südhang des „Weinberges", wo eigentlich die magersten Flächen zu erwarten sind, hat unter der Beschattung die Fiederzwenke sich stark ausbreiten können und den Rasen verfilzt. Die noch am besten erhaltenen Halbtrockenrasen befinden sich am Westhang des „Weinberges", am Südhang der „Hölle" und in geringerer Ausdehnung oberhalb der Kalk- steinbrüche.

Die weniger geneigten Oberhangflächen am Westende des „Weinberges" und eine Fläche am Unterhang der „Hölle" sind intensiver genutzte Wiesen, Zone II nach der Verordnung. Diese weisen eine relativ große Artenvielfalt auf. Obwohl wegen der günstigen Auswirkung auf die Vielfalt der Pflanzen und Tiere im Gutachten ein Verbot der Düngung empfohlen worden ist, ist eine „mineralische Grunddüngung" dennoch zugestanden worden.

Als Zone III ist der kleinparzellierte Streifen entlang des „Panoramaweges" oberhalb Kressen- bach aus der Kernzone herausgenommen worden und die bisherige Nutzung, Obstgärten, Hausgärten, Freizeitgelände usw., gestattet geblieben, da hier weitergehende Verbote prak- tisch nicht durchsetzbar wären. Allerdings können nach der NSG-Ausweisung diese Grund- stücke nicht mehr wie bisher als Bauerwartungsland angesehen werden.

Ein Teilbereich der „Hölle" und ein Bereich des „Weinberges" sind 1988 entbuscht worden und sollen künftig alljährlich gepflegt werden. In der „Hölle" ist auch eine frühere Wirtschaftsform der sog. Kopfhainbuchen wieder aufgenommen worden, die man ehedem wie Kopfweiden beschnitten hat. Die frühere Verwendung des Schnittmaterials ist nicht mehr bekannt.

Acht Orchideenarten sind nachgewiesen, darunter Purpur-Orchis und Rotes Waldvöglein. An besonders wichtigen Pflanzenarten seien ferner genannt: Fransen-Enzian, Kleinblütige Rose, Sommer-Adonisröschen, Große Windröschen, Schopfige Kreuzblume.

Durch eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten ist eine ungewöhnlich große Zahl von Insektenarten der Geradflügler, Wanzen, Zikaden, Ameisen, Laufkäfer und Schnellkäfer bekannt geworden. Schüttere und wenig verfilzte Rasen weisen danach die größte Artenviel- falt und die meisten geschützten Arten auf. Die Sichelschrecke, Zweipunkt-Dornschrecke, die Wanzenarten Berytinus signoreti und Phymata crassipes, die Bergzikade und die Laufkäfer Amara sabulosa und Callistus lunatus sind besonders bemerkenswert. Auch auf die Insekten- fauna sollen Pflegemaßnahmen im Gebiet abgestellt werden, indem Heckenzüge, Säume und vergraste Teilbereiche auf den behandelten Flächen erhalten bleiben.

NSG „Weideswiesen-Oberwald bei Erlensee" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 5. Dezember 1989 (StAnz. S. 2633); in Kraft getreten: 26. Dezember 1989

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Nutzung der Grünlandflächen im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art einschließlich von Düngung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, - die Umwandlung bestehender Hybridpappelbestände in standortgerechten Auewald, - die Einzeljagd auf Haarwild in der Zeit vom 16. Juli bis 31. Januar, - die Jagd auf Stockente und Fasan in der Zeit vom 1. Dezember bis 15. Januar, - die Ausübung der Fischerei am Südufer der Kinzig im Rahmen der fischerei- gesetzlichen Bestimmungen sowie am Nordufer der Kinzig in der Zeit vom 1.Juli bis Ende Februar. 355 Das 158,22 ha große Naturschutzgebiet liegt am Eintritt der Kinzig in die Untermainebene (Grenze der Naturräume „Untermainebene" und „Büdingen-Meerholzer Hügelland" und zwar von deren Untereinheiten „Sachsenhausen-Offenbacher Rücken" bzw. „Gelnhäuser Kinzigtal"). Seit dem Bau der Wetterau- und Kinzigtal-Autobahnen ist dieser Auenbereich in ein riesiges Verkehrsdreieck mit der Basislänge von etwa 2 km eingeschlossen, das vom Bogen der A 45/66 im Westen und von zwei von Rückingen aus nach Nordwesten bzw. nach Südosten verlaufenden neuausgebauten Autostraßen gebildet wird.

Der Autobahndamm ist über mehrere Schleifen der Kinzig aufgeschüttet worden; der Fluß wurde nach Osten verlegt und dabei über eine Strecke von etwa 1 km begradigt. Die Folge sind starke Geschiebeablagerungen am Übergang zum natürlichen Kinziglauf und Querschnitts- verengung mit zunehmend auftretender Überflutung der Rückinger Wiesen. Anstelle der daraufhin geplanten Durchstiche von zwei der ausgeprägtesten Mäanderbögen ist im Zuge der NSG-Ausweisung die Anlage von zwei Flutmulden zwecks Ableitung der Hochwässer durchgesetzt worden. Die Trinkwassergewinnung bildet den zweiten Konflikt beim Schutz dieses Auengebietes. Bisher haben schon drei Wassergewinnungsanlagen der Kreiswerke Hanau im Gebiet bestanden. Ein weiterer Brunnen ist vor kurzer Zeit in der Nähe des „Altarms im Bettelworb" niedergebracht worden. Beim Pumpversuch ist der Wasserspiegel des Altarms um etwa 0,5 m abgefallen. Zugunsten des Angelvereins ist auf die Einbeziehung des Altarms in das NSG verzichtet und darüber hinaus auch ein erheblicher Wiesenbereich ausgegrenzt worden. Am größten ist der Widerstand gegen die NSG-Ausweisung vonseiten der Landwirtschaft gewesen, die bereits durch den Autobahnbau erhebliche Landverluste erlitten hat. Daher wurde für die Wiesen auf das Verbot der Düngung und des Herbizideinsatzes verzichtet. Statt- dessen sind nach langwierigen Verhandlungen Verträge über eine ökologische Landnutzung für einen Teil der Wiesenflächen abgeschlossen worden. Auch in die Pachtverträge für die etwa 18 ha forstfiskalischen Eigentumsflächen sollen entsprechende Bedingungen aufge- nommen werden. Erlensee hat 15 ha gemeindeeigene Fläche für den Naturschutz zur Ver- fügung gestellt. Laut Verordnung kann die Obere Naturschutzbehörde zusätzlich, „soweit dies zur Erreichung des Schutzzieles erforderlich ist, Nutzungsbeschränkungen für die Landwirtschaft anordnen".

Über den riesigen Auenbereich hat man von der hohen Brücke über die Autobahn vor Niederrodenbach aus bis zur Silhouette des Oberwaldes eine vorzügliche Übersicht. Das rund 50 ha große Wiesengelände hinter dem Hochwasserdamm bei der Rückinger Hatten- gasse ist einer derwertvollsten Gebietsteile. Hier wachsen artenreiche Wassergreiskraut-und Silau-Wiesen. Viele Wiesenteile im Gebiet sind von mehr oder weniger tiefen und langgezo- genen Flutmulden durchzogen, an deren tiefsten Stellen Seggengesellschaften mit Fuchs- und Blasensegge, Sumpf-Sternmiere, Röhren-Rebendolde (Oenanthe fistulosa) und Gelber Schwertlilie verbreitet sind. Viele Flutmulden sind leider schon verfüllt. Röhrichte kommen nur an wenigen Stellen vor. Es gibt mehrere große Flachwasserteiche im Gebiet. Weitere sollen zum Ausgleich der Biotopverluste durch den Autobahnbau angelegt werden. Die Waldkulisse im Nordosten bildet ein 50 ha großerWaldbestand im Gebiet aus Stieleichen- Hainbuchenwald und Erlen-Eschenbruchwald sowie in Waldabteilung 8, Rosengarten, aus Erlen-Ulmen-Bruchwald mit drei großen Flachwasserteichen, bereits seit 1936 als flächen- haftes Naturdenkmal ausgewiesen. Die Weideswiesen waren das Hauptnahrungsgebiet innerhalb eines der letzten, fast jährlich besetzten Storchenbrutbiotope Hessens. Der Kiebitz ist mit 15 bis 30 Brutpaaren Charakter- 356 vogel der Auewiesen. Auch Haubentaucher, Rotmilan und Schwarzmilan, Bekassine, Schaf- stelze, Braunkehichen und Grauammer brüten hier. Insgesamt sind bisher 116 Vogelarten registriert worden. Nicht zuletzt die Nähe des gleichzeitig ausgewiesenen Naturschutz- gebietes „Erlensee bei Erlensee" macht die Rückinger Wiesen für die Vogelwelt so wertvoll.

NSG „Oberwaldsee von Dietesheim" (Kreis Offenbach)

VO vom 13. Dezember 1989 (StAnz. S. 2635); in Kraft getreten: 26. Dezember 1989.

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: - die Ausübung der Einzeljagd, jedoch nicht auf Federwild.

Das 35,18 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Untermainebene, Steinheimer Terrasse". Es ist Teil der zahlreichen „Mühlheim-Dietesheimer Steinbrüche" südlich des Mains zwischen Steinheim und Mühlheim-Dietesheim.1981 ist der seit dem letzten Jahrhundert hier bestehende Basaltabbau aufgegeben worden. Die tiefausgebaüten Brüche haben sich vier bis sechs Meter tief mit Wasser gefüllt. Die nähere Umgebung mit insgesamt sieben Seen von zusammen 22,5 ha Wasserfläche sind durch den Umlandverband Frankfurt und die Stadt Mühlheim zum Erholungsgebiet ausgebaut worden.

Unter Naturschutz gestellt ist der östlichste der Seen, ein gewundener und verzweigter unter- schiedlich breiter „Canyon" von großem landschaftsästhetischem Reiz. Die Wasserfläche nimmt etwa ein Drittel der NSG-Fläche ein. Im übrigen bedecken das Gebiet alte, trockene Eichen-Hainbuchenwälder in den vom Abbau unberührt gebliebenen Bereichen und Sukzes- sionsflächen mit Brombeergebüsch, Ginstergebüsch, Reitgrasfluren und Unkrautgesell- schaften sowie Aufforstungen auf regenerierten Gebietsteilen. Kleinflächig finden sich auch wertvolle Sandgrasrasen, doch werden diese durch Aufforstungen stark eingeengt und befinden sich infolge Beschattung weiter im Rückgang. Charakteristisch für die kurzrasigen Pflanzenbestände sind Arten der Felsgrasfluren und der Borstgrasrasen und Heiden. Als relativ seltene Arten kommen Berg-Sandglöckchen und Mäusewicke vor.

Es sind 54 Vogelarten nachgewiesen, 12 davon Arten der Roten Liste Hessen. Kormoran, Schwarzmilan und Eisvogel treten als Nahrungsgäste auf. Eine Kolonie von über 50 Brut- paaren der Uferschwalbe befindet sich an der südexponierten Steilwand zum angrenzenden See. Als Brutvögel sind ferner besonders zu nennen: Kleinspecht, Grünspecht, Wendehals, Neuntöter und Pirol. Bei Mittelspecht und Grauspecht ist das Brüten noch nicht sicher nach- gewiesen.

Zur Förderung des Vorkommens von Kreuzkröte und Gelbbauchunke ist ein Amphibienteich angelegt worden. Von besonderer Bedeutung ist das Vorkommen trockenheitsliebender Insekten, darunter 28 Laufkäferarten, namentlich Amara fulva und Harpalus griseus, 30 mesophile und xerother- mophile Tagfalterarten der offenen Landschaft, z. B. Schwalbenschwanz und Kleiner Schiller- falter, 8 Libellenarten sowie 5 Heuschreckenarten der Roten Liste.

Wenn auch einige kleinflächige Flachwasserzonen angelegt worden sind, so fehlt es infolge der aus der Entstehungsgeschichte herrührenden steilwandigen Ufer an einer Röhrichtzone und an einem Schwimmblattpflanzengürtel, welche viele Tiere benötigen. Dies begrenzt die Vielfalt insbesondere der wasserbewohnenden Arten wie z. B. der Libellen. Außerordentlich starke Beeinträchtigungen sind bisher von illegalen Erholungsnutzungen ausgegangen, beispielsweise durch Personen, die dem Trubel an den benachbarten Seen entgehen wollen. Daher ist die bereits am 25. November 1988 genehmigte Verordnung am 357 21. Dezember 1988 wegen der ungelösten Probleme durch den Erholungsdruck bis zur Aufstellung eines Besucherlenkungskonzeptes zurückgezogen worden. Inzwischen hat man erhebliche Anstrengungen in Form von Einzäunungen und anderen Absperrungen unter- nommen, ohne daß es bisher gelungen ist, rücksichtslose Störungen des Naturschutz- gebietes wirksam einzudämmen.

Anschrift des Verfassers: Dr. ALBRECHT ENSGRABER, Schwalbacher Straße 17, 65343 Eltville am Rhein

WILLY-BAUER-Preis für Naturschutz in Hessen erstmals verliehen

Am 12. September 1992 wurde in Anwesenheit von StaatsministerJÖRG JORDAN im Rahmen einer Feierstunde in Gersfeld/Rhön der Willy-Bauer-Preis an Prof. REINHARD SANDER für sein Naturschutzengagement in Hessen verliehen. Die Laudatio hielt der Vorsitzende des hessischen Landesnaturschutzbeirates, Prof. Dr. GISBERT GROSSE-BRAUCKMANN.

Die Redaktion

358 Mitteilung der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt

5 Blätter der Flächenschutzkarte neu aufgelegt.

Die FLÄCHENSCHUTZKARTE HESSEN stellt Flächen in der freien Landschaft dar, die für die Umweltsicherung besonders bedeutend sind.

Im einzelnen werden in der Karte unterschieden: a) Rechtskräfig ausgewiesene Flächenschutzfunktionen, z. B. Wasserschutz- und Natur- schutzgebiete, Schutz-, Bann- und Erholungswälder etc. b) Bereiche mit Funktionen ohne rechtliche Bindung, z. B. Wälder mit Bedeutung für Klima-, Immissions- und Bodenschutz, Biotopschutzflächen, Freihalteflächen usw. c) Landwirtschaftlich wertvolle Flächen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen werden die Inhalte der Karte von der Hessischen Forsteinrichtungsanstalt in Gießen ständig fortgeschrieben.

Die FLÄCHENSCHUTZKARTE HESSEN dient als Grundlage für die Landes- und Regional- planung, für die Forst- und Naturschutzplanung, sowie oftmals für die Beurteilung land- schaftsbeanspruchender Maßnahmen.

Das Kartenwerk -1972 erstmals herausgegeben -wird seit 1983 in der 3.Auflage überarbeitet und liegt mit 46 Blättern im Maßstab 1: 50.000 für Hessen flächendeckend vor.

1992 wurden folgende Blätter neu aufgelegt: - L4724 Witzenhausen - L4922 Melsungen - L4924 Sontra - L4926 Eschwege - L5124 Bad Hersfeld Die 3. Auflage soll bis zum Frühjahr 1993 abgeschlossen sein.

Verschiedene Institutionen, insbesondere aber die Kommunen und alle Dienststellen des Landes, die mit Landschaftsplanungen befaßt sind, erhalten die Karte kostenlos für ihren Zuständigkeitsbereich.

Private Interessenten können die Karte zum Preise von 10,- DM je Kartenblatt (zuzüglich Versandkosten) beziehen bei: Hessische Forsteinrichtungsanstalt Moltkestraße 10, 35390 Gießen Telefon: (06 41) 9 32 06-0, Telefax: (06 41) 9 32 06-60

359 Flächenschutzkarte Hessen - Auflagenstand -

16 18 20 22 24 26 43

BLATTÜBERSICHT L4520 1145221 45 (IVI 1:50000) 8 KAssEL85 r —3 1147181 1101472 L4722 fl_4724 1 WALDE a.s. 47

79 86 86 WERRA st

r HEISSHER - I L49161 FRANK NBERG 1149221 1149241 [14926] 49 1149181 14920 SCHWALM - KREIS 49

81 80 86 ECER - 91 91 91 HERSFELD-

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86 Auflagenjahr 80 83 L__I [L 5524 Karten-Nr. 67 16 18 20 22 24 26

Hessische Forsteinrichtungsanstalt Gießen 1992 360 Hans-Jürgen Reiter zum Gedenken 9. Mai 1944 - 9. Januar 1993

Die Nachricht vom Tode Hans-Jürgen Reiters hat tiefe Betroffenheit ausgelöst. Welch tätiges, von viel idealistischem Streben, stets aber auch Frohsinn getragenes Leben hat hier so frühe Vollendung gefunden! Neben dem Gedenken in Trauer und Wehmut für den Weggefährten gilt unsere herzliche Anteilnahme seiner lieben Frau. Der berufliche Werdegang von Hans-Jürgen Reiter läßt seine Neigung zur Natur und zum Naturschutz deutlich werden. Nach derAusbildung zum Gärtner studierte er Landespflege an der Technischen Fachhochschule Berlin-Dahlem. Danach war er zunächst bei der Hessischen Forstlichen Versuchsanstalt in Hannoversch Münden tätig und trat 1973 in den Dienst der Hessischen Landesanstalt für Umwelt in Wiesbaden. Auf breiter Basis konnte er dort sein Wissen und Können entfalten. Einem Bereich des Artenschutzes widmete sich Hans-Jürgen Reiter seit Mitte der 70 erJahre mit besonderer Hingabe und Zielstrebigkeit sowie seiner ausgeprägten Fähigkeit, Gleich- gesinnte zu finden, zu motivieren und zu betreuen: dem Amphibienschutz. In Anfängen vorhandene Schutzbemühungen brachte er in unermüdlichem Einsatz zur Entfaltung. Er bewirkte die Herausgabe einer ersten Roten Liste Hessen mit Schutzempfehlung sowie eines handlichen auf Hessen bezogenen Bestimmungsbüchleins, verfaßte ein Merkblatt zum Bau von Amphibienteichen und gewann schließlich landesweit fast 400 freiwillige „Mitstreiter". Mit diesen erfaßte er zunächst alle Straßenabschnitte, auf denen Amphibien bei ihren Laichplatz- Wanderungen dem Autoverkehr zum Opfer fielen, und kartierte er schließlich erstmals plan- mäßig und fast flächendeckend die Verbreitung aller 16 in Hessen vorkommenden Lurcharten. Es gehörte zu seiner erfolgsorientierten Arbeitsweise, die gewonnenen Erkenntnisse so aufzubereiten und darauf hinzuwirken, daß die hessischen Straßenbauer gemeinsam mit den Naturschützern im Laufe derJahre durch Anlage von „Krötentunneln" eine Vielzahl der amphi- biengefährdenden Bereiche „entschärften". Als auch beim Bundesverkehrsministerium solche Bemühungen anliefen, versicherte man sich seiner Erfahrung durch die Berufung in den Bund-Länder-Arbeitskreis „Amphibienschutz". Das von diesem Gremium erarbeitete „Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen" ist richtungsweisend für das behördliche Wirken in diesem Bereich des Artenschutzes. Noch in den letzten Wochen hat Hans-Jürgen Reiter sich darüber freuen können, daß seine Grundlagen und Vorarbeiten zum Amphibienschutz in Hessen in Eckhard Jedickes Buch „Die Amphibien Hessens" eine umfassende Auswertung erfahren haben. In der Hessischen Landesanstalt für Umwelt führte seine Bewährung im Fachlichen 1986 zur Übertragung eines weiter gefaßten Aufgabenbereichs, der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Fort- und Weiterbildung. Zuletzt war Hans-Jürgen Reiter als Technischer Oberamtsrat tätig. Seine Übernahme in den Höheren Dienst stand bevor. Hans-Jürgen Reiters Fachkenntnisse, seine Einsatzfreude und seine Hilfsbereitschaft führten von Anfang an (1981) zu seiner Berufung in den ehrenamtlichen Naturschutzbeirat der oberen Naturschutzbehörde in Darmstadt, zu dessen erfolgreicher Arbeit er - in nunmehr dritter Wahlperiode - bis zuletzt tatkräftig beitrug. Wir werden Hans-Jürgen Reiters Kameradschaft und die ersprießliche Zusammenarbeit mit ihm in dankbarer Erinnerung bewahren.

Dr. HANS-JOACHIM BÖHR, Prof. Dipl.-Ing. HANS-PETER GOERLICH und Dr. WERNER SCHÜTZ. 361 Erich Heider (1914-1993)

Als ungewöhnlich rüstig und im Hinblick auf sein Alter unverändert vital und mit jugendlichem Temperament: so kannten ihn seine vielen Freunde in den 1970er und 1980er Jahren bei Tagungen der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), in Sitzungen der Arbeitsgemeinschaften, der Beiräte und Ortsgruppen der Naturschutzver- bände, gerade auch bei Exkursionen des osthessischen Naturkundevereins, der Alpen- ornithologen und bei den Studienreisen. Wegen einer schweren Erkrankung konnte Erich Heider im Herbst 1992 nicht mehr an Ver- anstaltungen seiner Verbände und Vereine teilnehmen. Am 6. Januar 1993 verstarb er achtundsiebzigjährig in Fulda. Die Ornithologie wie auch derVogel- und Naturschutz in Hessen haben eine ihrer profiliertesten Persönlich- keiten verloren. Von seinen Lei- stungen in der Sozialverwaltung der Stadt Fulda -erwar zuletzt als Ober- amtsrat deren Leiter - und neben- beruflich in verschiedenen Sozial- diensten haben viele erst nach seinem Tode erfahren. Heider war weiten Kreisen vor allem durch sein Engagement im Naturschutz und als ausgezeichneter Feldornithologe bekannt. Erich Heider wurde am 24. Oktober 1914 in Maßlau, Kreis Merseburg,ge- boren. - Er schloß sich früh dem Verein Sächsischer Ornithologen in Foto: Dr. 0. Jost Leipzig an. Hier lernte er Heinrich Dathe und Rudolf Zimmermann kennen, von denen er Förderung und Vertiefung seines vogel- kundlichen Wissens erfuhr. Bereits Dathe erkannte seine ungewöhnliche Fähigkeit zu subtiler Beobachtung. Der vor allem mit der Biologie der Wasservögel vertraute Zimmermann nahm ihn oft bei seinen Wanderungen mit.-Als Verwundeter kam Heider 1941 nach Fulda in ein Lazarett und lernte in späteren Jahren Rhön und Vogelsberg, auch die Bevölkerung und die Mundart, kennen. Das Fuldaer Land wurde ihm zur zweiten Heimat.

Das Joch des ehrenamtlichen Naturschutzes

Zunächst schloß sich Heider derJägerschaft an,war als ausgezeichneter Schütze, als Mitglied von Kommissionen und wegen seiner waidmännischen Einstellung bei der Jagd und Hege des Wildes beliebt und geachtet. Mit zunehmendem Verbrauch der naturnahen Kulturlandschaft und durch den dramatischen Rückgang der Vogelbestände sah er sich vor die Alternative gestellt, seinen jagdlichen Neigungen weiter zu folgen oder sich den Aufgaben des ehrenamtlichen Naturschutzes zu stellen. Als Vogelschutzbeauftragter für den Landkreis Fulda war er bereits seit 1967 tätig. 362 Er, der von Anfang an, seit 1964, in der „Avifaunistischen Arbeitsgemeinschaft Hessen" und seit 1972 in der aus ihr hervorgegangenen „Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON)" Mitglied war, entschied sich sowohl für die Feldornithologie als auch für den Dienst im ehrenamtlichen Vogel- und Naturschutz. Sein geliebtes Jagdgewehr nahm er seitdem nicht mehr aus dem Schrank, aber sein Fernglas lag von nun an ausschließlich zum Studium der Vogelarten und zur Überwachung der Vogelbestände bereit. Nach Inkrafttreten des Hessischen Naturschutzgesetzes 1981 schloß sich Erich Heider den Naturschutzverbänden enger an, war schließlich in der HGON mehrjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises Fulda, Mitglied im Gesamtvorstand und Ehrenmitglied. Auch im „Verein für Naturkunde in Osthessen" war er in den Vorstand gewählt worden und Ehrenmitglied. Das Joch des ehrenamtlichen Naturschutzes hat er auf sich genommen und die „tägliche, aber unerläßliche Kleinarbeit für den Naturschutz" (Willy Bauer 1985) als Vorsitzender des Natur- schutzbeirates der Stadt Fulda von 1981 bis zu seinem Tode verrichtet.Verschiedentlich mußte er erleben, wie im Konflikt mit anderen Interessen und landschaftlichen Nutzungsansprüchen der Naturschutz unterlag. Trotzdem hat er engagiert sein Ziel, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Bewahrung der Artenvielfalt, verfolgt, wenn ihn auch viele Mitmenschen, die den Augenblickserfolg suchen, nicht verstehen wollten. Seine Bemühungen zur Unterschutzstellung besonders wertvoller Landschaftsbereiche im Fuldaer Land waren vielfach von Erfolg gekrönt. Neben dem NSG „Rotes Moor" ist die Ausweisung von einer Reihe weiterer Naturschutzgebiete in unserer Heimat mit seinem Namen verbunden.

Die Kunst freilebende Vögel zu beobachten als Ornithologe müssen wir Heider vor allem wegen seiner Meisterschaft im Beobachten der verschiedensten Vogelarten in freier Natur würdigen. Dies scheint gerade heute notwendig, wo die Artenkenntnis in der Biologie von vielen als nicht so wichtig bezeichnet wird. Die Kunst freilebende Vögel zu beobachten, beherrschte Erich Heider exzellent. Dabei benötigte er nur sein gutes Fernglas. Er bewegte sich sehr geschickt im Gelände und witterte geradezu die Vögel und ihre Nester dank einer einmaligen Kombination von wachem Spürsinn, reicher Erfahrung und Wissen sowie ausgezeichnetem Gedächnis. Dazu kamen noch ein seltener Scharfblick und hervorragendes Gehör. In der Regel sah er die Vögel von allen Beobachtern zuerst, bestimmte treffsicher ihre Artzugehörigkeit,wo möglich auch Geschlecht und Alter. Die Sicherheit des versierten Feldornithologen, selbst bei besonderen Bedingungen, wie große Vogelansammlungen, ungünstiges Wetter oder große Entfernung zum Vogel, die wesenlichen artspezifischen Merkmale bei der Feinbestimmung zu erkennen und die Vögel richtig ansprechen zu können, besaß er in hohem Maße. So setzte er immer wieder seine Begleiter, selbst namhafte Fachleute, in Erstaunen. Als überaus sachkundiger und beliebter Exkursionsleiter war er im Frühjahr oft „unterwegs" und konnte bei seinen ornithologischen Lehrwanderungen Jugendlichen wie auch älteren Menschen durch verständliche Erklärungen und humorvolle Anmerkungen Freude und natur- kundliches Wissen vermitteln. - Mehrfach hat er sich Reisegesellschaften angeschlossen, bereiste aber nur Länder in der palaearktischen tiergeographischen Region. Dort huldigte er der Vogelbeobachtung mit stets neuer Leidenschaft, wie an den Vogelfelsen Islands und Spitzbergens bis zu den Wüsten der Sinai-Halbinsel und den Berghängen des Pico de Teide auf Teneriffa. - Gründlichere Studien über die Vogelwelt der alpinen Höhenstufen führten ihn zusammen mit Gerhard Berg-Schlosser und dem Verfasser mehrmals in das obere und mitt- lere Etschtal (Südtirol), wo ihm auch der erste Brutnachweis des Cistensängers für dieses Gebiet mit dem Auffinden der in dichten Wiesen versteckten Nester dieser Art gelungen ist. 363 Eine zufällige und sekundenschnelle Beobachtung Heiders, die allgemeine Beachtung ge- funden hat, war die eines vom Boden lautlos auffliegenden Birkenzeisigs am 1. Juni 1980 im Zentralfriedhof von Fulda. Bei der Nachsuche am folgenden Tag konnte Heider zusammen mit dem Verfasser das vermutete Brutpaar dieser Art und das Nest. mit daraufsitzendem Weibchen finden. Nach diesem für Hessen ersten Brutnachweis des Birkenzeisigs folgte eine zunehmende Besiedelung unseres Landes durch diese zierlichen Vögel, die bis heute anhält. - Im Gegensatz zum letzten Beispiel mußte Heider bei den Untersuchungen am Tannenhäher in höheren Lagen der Rhön große Mühe und Ausdauer oft bei Kälte und Schnee aufbringen, bis ihm 1951 zusammen mit Josef Menz bei Kleinsassen einer der ersten Brutnachweise für Hessen und später die Nestfunde auf der Wasserkuppe 1970 - 73 gelungen sind.-Sein unge- wöhnlicher Beobachtungseifer regte ihn immer wieder zu neuen ornithologischen Aktivitäten unter freiem Himmel an. Verschiedene Berichte über seine Feststellungen hat er uns, z. B. im „Vogelring", hinterlassen.

Bei gemeinsam mit G. Berg-Schlosser durchgeführten Siedlungsdichte-Untersuchungen 1970 - 71 im „Roten Moor" und 1971-72 im „Schwarzen Moor" auf der Hochrhön, haben, wie Berg-Schlosser angibt, „die hervorragenden Beobachterfähigkeiten und ein stark ent- wickelter Spürsinn für Nestersuche, die meinem Mitarbeiter Erich Heider, Fulda, in hohem Maße eigen sind, - die Untersuchungsergebnisse ganz wesentlich gefördert".

In den 1950er bis 1980erJahren war das Gebiet der Mooser Teiche insbesondere Obermoos im östlichen Vogelsberg ein von vielen bekannten Ornithologen vor allem aus Gießen, Alsfeld, Fulda und Frankfurt gerne aufgesuchter Treffpunkt, wo man nicht nur interessante Vogelarten zur Brut- und Zugzeit sondern auch manche Vogelfreunde aus anderen hessischen Landes- teilen kennenlernen oder wiedersehen konnte. L. Gebhardt (Gießen), G. Berg-Schlosser (Alsfeld) und L. Fessel (Fulda) waren die großen Senioren der beliebten und langjährigen Ornithologen-Runde. Alle gerade auf den Teichen und deren Umgebung befindlichen Vogel- arten und ihre Anzahl mußten ermittelt werden. Hierbei hatte der lustige und wendige Erich Heider mit nie erlahmendem Eifer immer wieder großen Anteil an der „ornithologischen Ausbeute" der Rundgänge. Er, der 1946 erstmals und mit W. Sunkel hierher fuhr und seitdem mehrmals in jedem Jahr an diesen Teichen beobachtete, führte auch in den letzten Lebens- jahren und noch zu Beginn seiner schweren Erkrankung 1992, als er zu den Mooser Teichen gefahren werden mußte, an den festgesetzten Terminen die von der HGON-Arbeitsgruppe „Schwimmvögel und Gänse" erbetenen Zählungen durch.

Wir müssen dankbar dafür sein, daß er, der sich im Kreise der Vogelkundigen auch wegen der frohen Lebensart großer Wertschätzung erfreute, einer der unseren war. Sein Name wird mit der Ornithologie Hessens, besonders des Fuldaer Landes, verbunden bleiben und wird seinen Freunden über den Tod hinaus Ansporn und Richtpunkt sein.

Dr. OTTO JOST

364 Neue Literatur

KOSTRZEWA, R. & A. KOSTEZEWA (1993): Der Turmfalke. - Sammlung Vogelkunde, 9 Farb- fotos, zahlr.Zeichn.,Grafiken und Tabellen,Aula-Verlag Wiesbaden ISBN 3-89104-531-X.

Mit dem Turmfalken-Band stellt der Aula-Verlag in Wiesbaden eine völlig neue Art ornitho- logischer Einzeldarstellungen von Vogelarten oder kleineren Vogelgruppen vor. In den Mittel- punkt sind ökologische Fragen und Problemstellungen gerückt, die die jeweils behandelte Vogelart betreffen. Der wissenschaftliche Beirat dieser neuen Reihe wird von den Dres. Berg- mann, Bezzel und Thaler gebildet. Einleitend wird der Leser des Turmfalkenbandes über die taxonomische Stellung, die Feldkennzeichen und die verschiedenen Lautäußerungen unter- richtet. Es folgen Abschnitte über Verbreitung, Jahreszyklus, Bedeutung der Lebensräume, Ernährung, Physiologie und Ökophysiologie, Populationsökologie, Naturschutzaspekte (u. a. Biotop- und Artenschutz, Haltung, Jagd) und tabellarische Übersichten von Brutpaar- dichten aus dem mitteleuropäischen Raum (z. B. Rodgau und Dreieich, Rhein-Main-Tiefland, Lampertheim), 6 Seiten Literatur und ein Register beschließen die Monografie. Durch zahl- reiche instruktive Illustrationen (vornehmlich s/w-Strichzeichnungen) und Tabellen wird der Text ergänzt. Die Turmfalken-Monografie wird ihrem Untertitel „Überlebensstrategien eines Greifvogels" voll gerecht. Das Buch ist nicht nur für den Laien, sondern auch für all diejenigen, die sich mit angewandt-ökologischen Problemen befassen eine wichtige Informationsquelle. Die neue vogelkundliche Sammlung dürfte eine bedeutende literarische Lücke schließen. In Vorbereitung sind derzeit Einzeldarstellungen von Buchfink, Waldtrapp, Schleiereule, Großer Brachvogel und Goldhähnchen. W. KEIL

CU LI K, B. M. &R. P. WI LSON (1993): Die Welt der Pinguine.-160 S., 97 Farbfotos, 54 s/w-Fotos, 1 Übersichtskarte, BLVVerlagsgesellschaft mbH München, ISBN 3-405-14476-0.

Pinguine sind wohl die bekanntesten Vertreter der antarktischen Fauna und an das Leben im Umkreis des Südpols hervorragend angepaßt. Sie sind auch,wohl infolge ihres Aussehens (Vogel im Frack) z. B. als Plüschtiere Bewohnervieler Kinderzimmer ebensowie als Porzellanfi- guren im Wohnzimmerschrank zu bewundern. Als Comicgestalten oder als Konterfei auf T-Shirts und Pullis sind sie beliebte Symbole. Der jetzt im Großformat publizierte Pinguinband vermittelt einen Überblick über die Biologie der 18 Pinguinarten, deren Lebensraum neben dem Bereich der Antarktis (Verbreitungsschwerpunkt), auch Küstenregionen von Süd- amerika, Südafrika, Australien und Neuseeland umfaßt. Die beiden Autoren (Biologen an der Universität Kiel) sind seit über 10 Jahren Mitglieder der deutschen Pinguinarbeitsgruppe. In jedermann verständlicher Weise wird dem Leser u. a. nahegebracht, auf welche Art und Weise diese nicht flug- aber hervorragend schwimm- und tauchfähigen Vögel in einer solch extremen Umwelt überleben können. Auch die Beziehungen zu ihren Feinden werden ausführlich diskutiert. Den Abschluß bildet das Kapitel „Von Menschen und Pinguinen".Wenn man dort liest, daß zwischenzeitlich clevere Touristik-Manager Kreuzfahrten in die Antarktis organisieren und als Attraktion Pinguin-Brutkolonien aufführen, daß Fluglärm, Ölverschmut- zung und ähnliche „Segnungen" der Zivilisation immer stärker die Umwelt beeinflussen und sich durch Überfischung der Krill-Bestände im Meer Nahrungsprobleme für Pinguine und andere Meeresbewohner abzeichnen, ist sicher die Frage berechtigt: wohin führt der weitere Weg der Natur der Antarktis und was bleibt übrig? Der vorliegende Bildband bietet neben einem ausgezeichneten Text exzellente Farbfotos. Das Buch ist nicht nur ein Nachschlage- werk über Pinguine, sondern auch als Geschenk etwas Besonderes. W. KEIL 365 Neue Literatur

SCHREIBER, R. L. (Herausgeber) (1993): Tiere auf Wohnungssuche. Ratgeber für mehr Natur im Haus. Autoren: DAHL, J.; GEBHARDT, H.; JANSSEN, W.; LIECKFELD, C.-P.; LUDWIG, M.; SCHREIBER, R. L.; STRAASS, V.; WITTCHOW, F. 352 Seiten, 550 Farb- abbildungen. - Ein PRO-NATUR-Buch im Deutschen Landwirtschaftsverlag Berlin. - ISBN 3-331-00660-2. Ein „Hausbuch" im doppelten Sinne: Einmal als fast unerschöpfliches Informationswerk zum Thema Tiere und Pflanzen im, am und ums Haus herum und zum anderen als unentbehrliches Handbuch und als informativer Ratgeber zu allen Fragen des Zusammenlebens mit „lieben", aber auch mit lästigen Tieren als Hausbewohner. Auf rund 350 großformatigen Seiten ist der umfangreiche Stoff zu dieserThematik- nach einer nachdenklich stimmenden Einführung von H. STERN -in die folgenden 5 Kapitel übersichtlich gegliedert: Kap. 1: Ordnung gegen die Natur, Kap. 2: Netzwerk des Lebens, Kap. 3: Lebensraum Haus, Kap. 4: Tiere beobachten und bestimmen (mit Beschreibungen von 53 Wirbeltier- und über 60 Nicht-Wirbeltierarten in und am Haus) und Kap. 5: Ratgeber, Anleitungen und Adressen. Hier werden wertvolle Erste-Hilfe-Ratschläge für dringende Fälle erteilt - aus der Erfahrung von Fachleuten, also ein besonders hilfreiches Kapitel über Lästlinge als Mitbewohner im Haus wie z. B. Blattläuse, Stechmücken, Kleider- und Dörrobst-Motten, Hunde- und Katzenflöhe, Küchenschaben, Museumskäfer, Hausbock u. a. Anleitungen zum Basteln von Nisthilfen (z. B. für Meisen oder Fledermäuse) schließen sich an, ferner nützliche Anschriftenlisten von Behörden, Naturschutz-Verbänden und Hersteller- Firmen. Dem Herausgeber ist hier die Erstellung eines Lehrbuches der unterhaltsamsten Art gelungen, in dem auf Schritt und Tritt die Lehre von der Ökologie versteckt ist und diese doch stetig, aber unaufdringlich übermittelt wird und in dem auch der aufgereckte Zeigefinger immer wieder unübersehbar zum Nachdenken mahnt - schon beim Betrachten der exzel- lenten, informativen und oft symbolträchtigen Farbbilder. Das Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen für alle Naturfreunde, aber gerade auch für Mitbürger, die sonst gar nichts mit der Natur zu tun haben, aber auf dem Wege über ihren unmittelbaren Wohnbereich mehr Interesse an den Wundern unserer belebten Umwelt übermittelt bekommen - und das noch zu einem vergleichsweise äußerst günstigen Preis. R. ROSSBACH

366 Manuskriptrichtlinien

Für die Abfassung von Beiträgen kommen drei Formen in Frage:

1 Größere Abhandlungen in wissenschaftlich exakter Darstellungsweise unter Auslassung von Nebensächlichkeiten. Die Ausführungen können durch graphische Darstellungen, Kartenskizzen (mit Tusche auf weißem Zeichenkarton zu zeichnen) oder Fotos (schwarz- weiß Hochglanz) veranschaulicht und mit einem möglichst umfassenden Literaturver- zeichnis abgeschlossen werden.

2. „Kleine Mitteilungen" sollen Beobachtungen enthalten, die meist einer eingehenden Erläu- terung sowie gründlicher Literaturdurchsicht und -zitate bedürfen.

3. „Faunistische Kurzmitteilungen" dienen zur Veröffentlichung bemerkenswerter Felddaten in der Avifauna eines Landes. Dabei wird auf ein umfassendes Literaturverzeichnis verzichtet, abgesehen von einzelnen Zitaten im Text, die sich auf frühere Beobachtungen beziehen. Beobachtungen von Vogelarten („Raritäten"), die auf der Liste des Deutschen Seltenheiten-Ausschusses stehen, werden nur dann publiziert, wenn sie von diesem Ausschuß anerkannt wurden.

Die Titel der Beiträge sind aus bibliographischen Gründen so kurz wie möglich zu halten. Bei größeren Abhandlungen und „Kleinen Mitteilungen" stehen Name in großen Buchstaben und Anschrift des Verfassers am Ende des Manuskriptes (MS) im Anschluß an das Literatur- verzeichnis.

Es können nur MS in Maschinenschrift 11/2- oder 2-zeilig auf neutralen DIN-A4-Bögen angenommen werden. Die Papierbögen, die nur einseitig beschrieben werden dürfen, sollen links einen 4 - 5 cm breiten Rand haben. Bei der Verwendung von PC (und Disketten) sind besondere Regeln zu beachten. Diese sind bei der Schriftleitung zu erfragen.

Die Tier- und Pflanzenarten sind mit ihren deutschen und wissenschaftlichen Namen an- zuführen.

Ausdrücklich wird auf eine einheitliche Literatur-Zitierung hingewiesen. Beruft man sich in einer Arbeit auf die Ergebnisse früherer Veröffentlichungen oder auf deren Autoren, so ist es unumgänglich, das vollständige Zitat dieser Publikationen im Literaturverzeichnis anzugeben. Andererseits sind dort auch nur solche Veröffentlichungen anzuführen, die in der Arbeit wirklich benutzt werden. Beim Ordnen der Zitate ist darauf zu achten, daß die alphabetische Reihenfolge des Anfangsbuchstabens der Autoren eingehalten wird. Bei mehreren Arbeiten desselben Autors ist die zeitliche Reihenfolge des Erscheinens für die Einordnung maß- gebend. Die Nachnamen der Autoren werden grundsätzlich (auch im Text) mit großen Buch- staben wiedergegeben, die Vornamen im Literaturverzeichnis abgekürzt. Hat eine Arbeit mehrere Autoren, so sind alle zu nennen und der Vorname des ersten nachzustellen.

Beispiele:

KLIEBE, K. (1968): Zum Wintervorkommen der Zwergschnepfe (Lymnoctyptes minimus) im Amöneburger Becken, Krs. Marburg/Lahn.- Ornithol. Mitt. 20: 3 - 6.

BAUER, W. & K.-H. SCHAACK (1970): Hessische Gewässer als Durchzugs- und Winterrast- areale für Schwimmvögel. - Luscinia 41: 63 -75. 367 Wird aus einem umfangreicheren Werk zitiert, sollten die entsprechenden Seitenzahlen an- gegeben werden.

GLUTZ, U. N., K. M. BAUER &. E. BEZZEL (1977): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Wiesbaden; 7: 347 - 437.

Publikationen in Sammelberichten, z. B. in „Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen", werden wie folgt zitiert:

HEIDER, E. in FIEDLER, K. (1992): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1991. - Vogel u. Umwelt 7: 98.

Zeitschriftentitel können abgekürzt werden. Titelkürzungen werden nach den Regeln der deutschen Norm DIN 1502 und in Anlehnung an die internationale Norm ISO 4 vorgenommen. Ein Verzeichnis solcher Titel-Kürzungen ist für ca. 370 Periodika in Heft 71 (1987), S. 3 - 16, der „Ornithologischen Schriftenschau" publiziert (Hrsg.: Dachverband Deutscher Avifau- nisten). Autoren von Arbeiten mit mehr als zwei Druckseiten Umfang erhalten 30 Sonderdrucke gratis (weitere auf Wunsch gegen Berechnung), Autoren kleinerer Beiträge ein zusätzliches Heft. Die Korrektur (Korrekturvorschriften s. Duden) der Druckfahnen kann sich prinzipiell nur auf die Richtlinien von Druckfehlern erstrecken. Änderungen des Textes können nicht mehr berücksichtigt werden. Die Durchsicht der Korrekturfahnen wird bei kleineren Beiträgen von der Redaktion vorgenommen, bei größeren vom jeweiligen Autor. Die Schriftleitung behält sich Änderungen der MS in Absprache mit dem Autor vor. Wird ein MS abgelehnt, so ist damit kein Werturteil ausgesprochen. Für den Inhalt der Beiträge, der nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinzustimmen braucht, sind die Verfasser allein verantwortlich. Die Verlagsrechte an angenommenen MS und Bildern gehen an den Herausgeber über. Doppelveröffentlichungen des gleichen MS werden nur in Ausnahmefällen angenommen. Die MS sind an Herrn K. FIEDLER, Kantstraße 7, 63067 Offenbach/Main, zu senden.

Frankfurt am Main, im August 1993

368 Aus postalischen Gründen können die Preise für die besprochenen Bücher nicht bei den Besprechungen aufgeführt werden. Aus diesem Grunde werden die Preise an dieser Stelle nachgetragen:

BERNDT, R. K. & G. BUSCHE (1993): Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Bd. 4 Entenvögel II DM 45,-

BEZZEL, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas DM 128,- (für Bezieher des „Handbuch der Vögel Mitteleuropas") (DM 98,-)

BÖKER, N. (1985): Vogelschutz in unseren Gärten DM 10,-

BRÜLL, H. (1992): Greifvögel und Eulen Mitteleuropas DM 9,80

BUNDESMINISTERIUM f. Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten (1991): Müssen wir Tiere gleich töten? DM 10,-

CULIK, B. M. & R. P. WILSON (1993): Die Welt der Pinguine DM 68,-

EPPLE,W. (1993): Schleiereulen DM 44,-

GIBBONS, B.& P. BROUGH (1993): Kosmos-Atlas Blütenpflanzen DM 98,-

HAUPT, J. u. H. (1993): Insekten und Spinnentiere am Mittelmeer DM 68,-

JANTZEN, H. u. F. (1985): Naturdenkmale Hessens DM 78,-

KEIL, G. (1993): Praxis Biogarten DM 14,80

KOSTRZEWA, R.& A. KOSTRZEWA (1993): Der Turmfalke DM 39,80

SCHMIDT, H. (1982): Singvögel DM 14,-

SCHREIBER, R. L. (Herausgeber) (1993): Tiere auf Wohnungssuche DM 49,80

SINGER, D. (1993): Vögel in Park und Garten DM 9,80

STADELMANN, P. (1992): Der Bach im Garten DM 14,80

WILKE, H. (1991): Der Naturteich im Garten DM 14,80 Bezugsbedingungen:

Die ersten Jahrgänge „Vogel und Umwelt" (auch Einzelhefte) können noch nachgeliefert werden. Bezug durch Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rhld.-Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, 60386 Frankfurt am Main. Preis: 1980-1984: DM 5,-/ Heft ab 1985: DM 7,-/ Heft + Versand kosten.

Die Beauftragten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland erhalten diese Zeitschrift über ihre Kreis- bzw. Gemeindeverwaltungen. Mitglieder des Landesverbandes Hessen e.V. im Naturschutzbund Deutschland richten bitte ihre Bestellung an Herrn Hartmut Mai, c/o Naturschutzbund Deutschland, Landesverband Hessen e.V., Postfach 2104, 35531 Wetzlar, die Mitglieder der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. an Herrn Klaus Ferner, Südliche Ringstraße 195, 63225 Langen.

Der Schriftentausch erfolgt durch die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland- Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, 60386 Frankfurt am Main-Fechenheim. Der Bezugspreis beläuft sich z. Z. bei drei Heften jährlich auf DM 25,- inkl. Versand- kosten. Nach Erhalt der Rechnung bitten wir den Gegenwert prompt auf das angec, bene Postgirokonto zu überweisen.