JUL/AUG.18

1978 EINSCHLAUFEN DER BOMBENDRUMMER Betrifft: Drei Päpste für ein Halleluja Impressum Nº 06.18 DER MUSIKZEITUNG LOOP 21. JAHRGANG Die grossen Fragen lassen sich oft ganz ein- Kurt Gödel verhungerte aus Paranoia, und fach beantworten. Woher komme ich? Gera- was genau zum Ableben des Schauspielers P.S./LOOP Verlag de jetzt: aus der Kantine. Wo gehe ich hin? Bob Crane («Hogan’s Herpes») geführt Hohlstrasse 216, 8004 Zürich Zurück an meinen Arbeitsplatz im dritten hat, ist bis heute ungeklärt. Ähnlich verhält Tel. 044 240 44 25 Untergeschoss. Bei der nächsten Frage – Wo es sich mit den Oberhäuptern der Katholi- www.loopzeitung.ch genau bin ich eigentlich? – muss ich dann schen Kirche, von denen es 1978 gleich drei allerdings auf technische Hilfsmittel zu- gab. Erst verstarb Paul IV., sein Nachfolger Verlag, Layout: Thierry Frochaux rückgreifen. Was in meinem Fall aber keine Johannes Paul segnete nach 33 Tagen im [email protected] grösseren Probleme aufwirft, immerhin gibt Amt ebenfalls das Zeitliche, bevor dann der es das Guido Positioning System (GPS), mit deutlich robustere Johannes Paul II. das Pon- Administration, Inserate: Manfred Müller dessen Hilfe ich meinen Aufenthaltsort stets tifikat übernahm. [email protected] ziemlich genau lokalisieren kann. Einige Ereignisse fanden natürlich auch Ein- Der erste GPS-Satellit wurde 1978 in sei- gang in die Musik. Der taumelnde und über- Redaktion: Philippe Amrein (amp), ne Umlaufbahn geschossen. In einem – auf gewichtige Muhammad Ali wurde von Billy Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe den ersten Blick zumindest – eher unspekta- Joel auf dem «52nd Street» verewigt, kulären Jahr. Wir erinnern uns: Die Natio- die im Herbst 1978 erstmals ausgestrahlte Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), Yves Baer (yba), nalmannschaft der Niederlande konnte in Fernsehserie «Dallas» hallte ein paar Jahre Thomas Bohnet (tb), Jean-Martin Büttner, Argentinien bei der Fussball-WM ihren Vize- später in George Straits «Friday Night Fever» Marcel Elsener (mel), Roman Elsener (rel), weltmeistertitel von 1974 erfolgreich vertei- nach, und der Tod von Jacques Brel hinter- Christian Gasser (cg), Mauro Guarise (mag), digen, in den Kinos liefen Kassenschlager liess eine dunkle, von tropischen Winden David Hesse (dhe), Thomas Kramer (tok), wie «Grease» oder «Superman», das Tisch- umwehte Lücke. Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), kasten-Computerspiel «Space Invaders» fla- Davon wird auf den folgenden Seiten keine Susanne Loacker (sl), Sam Mumenthaler, ckerte erstmals auf, derweil in London bei ei- Rede mehr sein, auch nicht von den vier Solo- Markus Naegele, Philipp Niederberger, nem geheimdienstlichen Anschlag der Begriff alben, mit denen Gene, Paul, Ace und Peter Jürg Odermatt (odi), Sarah Sartorius (sas), «Bulgarischer Regenschirm» geprägt wurde. von der Schmink-Combo Kiss in besagtem Fabienne Schmuki, Martin Söhnlein (söh), In jenem Jahr gab es eine ganze Reihe seltsa- Jahr für Stirnrunzeln sorgten (aber natür- Miriam Suter, Benedetto Vigne (bv) mer Todesfälle zu verzeichnen. Die Leiche des lich dennoch eine ikonische Marke setzten). italienischen Premierministers Aldo Moro Unsere Reise führt vielmehr zu Werken, die Titelbild: Frank Stefanko fanden die Behörden nach fast zweimonati- fast schon vergessen sind. Oder noch immer ger Geiselhaft im Kofferraum eines Renaults wirken – bis zum heutigen Tag. Druck: Tagblatt Print, St. Gallen in der Innenstadt Roms. Der grosse Logiker Guido Global Das nächste LOOP erscheint am 31.08.2018

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Hohlstrasse 216, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] DER BOMBENDRUMMER Keith Moon liebte die Pyrotechnik und keith moon explodierte auch als Drummer wie ein Knallkörper. 1978 starb er nicht ganz unerwartet und machte damit ein frühes Statement seiner Band The Who wahr.

«Not to be taken away» war auf den Stuhl gestempelt, auf dem Keith Moon für das Cover der Who-LP «Who Are You», erschienen im August 1978, posierte. Es schien fast, als ob seine Bandkollegen dem sich abzeichnenden Schicksal trotzen wollten. Der Lebenswandel von «Moon The Loon» war mittlerweile so exzessiv und der Drummer dermassen neben den Schuhen, dass man nie wusste, was als nächstes geschehen würde. Doch dann ging alles so schnell vorbei, wie die aufs Maximum verdichteten Sing- les der Who aus ihrer Mod-Phase. Am 6. September 1978 besuchten Moon und seine Freundin Annette Walter-Lax eine Party von Paul McCartney zu Ehren von Buddy Holly, der seinen 42. Geburtstag gefeiert hätte, wäre er 1959 nicht mit dem Flugzeug abgestürzt. Moon liess sich standesge- mäss im Rolls-Royce vorfahren und trug zu Ehren des Gastgebers ein «Wings»-T-Shirt: Ein denkbar unauffälliges Outfit, wenn man an frühere Auftritte in Nazi-Uniformen denkt. Der einstige «Pretty Boy» der Who wirkte fett und aufgedunsen; dass er eben erst 32 geworden war, war kaum zu glauben. Moon, dessen Alkoholkonsum ebenso masslos wie sein Hang zum Exzentrischen war, verkündete, er sei nüchtern und habe dem Alkohol abgeschworen. Am nächsten Tag war er tot. Eine Überdosis Schlafmittel hatte Moon das Leben gekostet. The Who und ihre Fans waren am Boden zerstört. Dabei war die Band zu die- ausgewrungen und mit dem Schweiss zwei ganze Weinglä- witzige Muppet-Show- sem Zeitpunkt so aktiv wie schon lange nicht mehr. Ne- ser gefüllt haben. Charakter mit der gespal- ben «Who Are You» hatte sie 1978 einen Film über die Keith Moon war kein Mann für halbe Sachen. Wenn er tenen Persönlichkeit, war Bandgeschichte («The Kids Are Alright») veröffentlicht, spielte, wollte das Schlagzeug auch die Rolle des «Lead»- allerdings bei der nach- eine Filmversion von «Quadrophenia» befand sich in der Instruments übernehmen. «Seine Breaks hatten Melodie», kommenden Generation Pipeline. The Who ohne Keith Moon aber: Das war kaum meinte Who-Bassist John Entwistle, «weil er im gleichen ungemein beliebt. Er war denkbar. Dennoch verkündeten Pete Townshend, Roger Moment mit allen Musikern zusammenspielen wollte.» ein Ausnahmecharakter Daltrey und John Entwistle schon in ihrem ersten State- Mit Moon im Rücken vergrösserte sich der Aktionsradi- und ein Schauspieler, der ment nach Moons Tod, weitermachen zu wollen. An der us von The Who rasch von den Pubs der Londoner Mods seine dunklen Seiten hin- Abdankung überbot sich die Rockprominenz mit Ehrerbie- über die grossen europäischen Bühnen bis zu den Festivals ter Tonnen von Trommeln tungen. Die treffendste kam von Roger Daltrey. Statt eines von Woodstock und der Isle of Wight. Auf Tour entwickel- und einem Feuerwerk von Kranzes gedachte er «seines» Drummers mit einer Flasche te Moon immer mehr Rockstar-Marotten. Er liess wäh- Witzen verbarg. «Hope I Champagner, die in ein Fernsehgerät eingebaut war. rend Fernsehshows Sprengsätze detonieren, zerstörte Ho- die before I get old», hatte telmobiliar und steuerte Limousinen in Swimmingpools. Roger Daltrey in der ersten FAN DER US-BUBBLEGUMKULTUR Schlimmer war die Zeit, wenn die Band nicht unterwegs grossen Who-Hymne «My war. Moon begegnete der drohenden Leere mit Alkohol Generation» gestottert. Keith Moon liebte die Pyrotechnik und explodierte auch und Drogen, seine Partyexzesse waren selbst in der deka- Dass Keith Moon dieses als Drummer wie eine Bombe. Seinen mächtigen Schlag denten Rock-Schickeria der 70er berüchtigt. ultimative Statement seiner hatte er beim britischen Ur-Rock-Drummer Carlo Little Band ernst nahm, erstaunte gelernt, doch bald stellte er seine Kollegen alle in den Schat- DAS GEGENTEIL EINER RHYTHMUSMASCHINE niemanden. ten: Sein Spiel war spontan und kommunikativ, er fegte wie ein gehetzter Stier über immer grössere Kits und streichelte Als Drummer stiess Moon an Grenzen, als Townshend Sam Mumenthaler und schlug seine Cymbals wie ein unberechenbarer Liebha- immer konsequenter auf Loops und – wie auf «Who Are ber. Moon war ein Fan der US-Bubblegumkultur: Er liebte You» – auf Offbeats setzte. Moon war das Gegenteil einer Surfmusik, schnelle Autos und Bikinis und verdiente sich Rhythmusmaschine. Die Bilder von späten Konzerten, wo seine Sporen bei der mediokren Londoner Surfcombo Pat man ihn mit grossen Kopfhörern im Spiel mit der Tech- Wayne and The Beachcombers ab. Seine Wege kreuzten nik sieht, sind deprimierend und werden seiner explosiven diejenigen der Londoner Band The Detours, aus der zuerst Spielweise nicht gerecht. Doch da war Moon schon nur die High Numbers und schliesslich die unvergleichlichen noch ein Schatten seiner selbst. The Who werden sollten. Der Zuzug des wilden Drummers Mit dem klug analysierenden und kräftigen Album «Who mit der Unschuldsmiene machte die Who erst zu Prototy- Are You» trotzten The Who den Punks, die alternden pen einer «Super»-Rockband. Nach dem ersten Konzert Rockmillionären mit Drogenproblemen nichts als Hohn soll sich Moon an einen Tisch gesetzt haben, sein T-Shirt und Verachtung entgegenbrachten. Keith Moon, der irr- LAUTER ALS PUNK

paul mccartney und tony wilson

te sich nur noch von Alkohol. Ohne Arbeit kam er sich McCartney die Aufnahmen Im Frühling 1978 stand «Mull of Kintyre» nutzlos vor, es war ihm aber egal, ob er was tat oder nicht. für das Album «London Die klassischen Symptome eines Burnouts also. «Aber in Town». Adoptivtochter während zehn Wochen an der Spitze der der Tiefe meiner Verzweiflung war Linda hier und sagte: Heather kam in die Puber- ‹Es wird gut werden, du kommst hier raus.› (…) Ich bin tät und lebte diese mit Kon- Schweizer Hitparade. Die Geschichte nicht sicher, ob ich überlebt hätte, wenn ich alleine gewesen flikten mit Paul aus. Erneut wäre.» kam es bei den Wings zu hinter dem Hit. Wegen den Streitigkeiten waren Pauls Finanzen eingefro- einer Umbesetzung, Gitar- ren, die Familie lebte von Lindas Ersparnissen. «Es gab rist Jimmy McCulloch zog Im Jahr eins nach der Punkexplosion wäre «Boil Crisis» die keine Möbel in der Farm, also baute ich ein Bett, habe eine das Band- dem Farmleben logische Single für Paul McCartney gewesen. Doch anstatt Matratze über ein paar Kartoffelschachteln gelegt (…) Es vor und schloss sich im des Punkrockers veröffentlichte er den schottischen Walzer war sprichwörtlich an der Zeit, das Haus neu zu bauen, Sommer den Small Faces «Mull of Kintyre», eine Ode an seine temporäre Heimat. dann dass Zuhause und schlussendlich die Musik», so an, Schlagzeuger Joe Eng- Auf Anraten seines Treuhänders hatte Paul 1966 die High Paul. Als Heimwerker renovierte er die Farm, in der Scheu- lisch kehrte kurz nach den Park Farm bei Campeltown auf dem Mull of Kintyre an ne richtete er sich ein Studio ein, das zunächst Rude Studio, Aufnahmen von «Mull of der schottischen Westküste gekauft. Zunächst konnte er später Spirit of Ranachan hiess. Fortan verbrachte Familie Kintyre» – von Heimweh nicht viel damit anfangen, da sie auf einem windigen Hü- McCartney ihre Sommer in Schottland. Auf der Farm wur- geplagt – in die USA zu- gel stand und baufällig war. Erst 1969, nach seiner Heirat de sie Vegetarier, plante und führte Paul den Rechtskrieg, rück. Die Wings mit Paul, mit Linda, die sich in die wildromantische Landschaft ver- um aus den Verträgen mit den Beatles herauszukommen, Linda und Denny Laine liebt hatte, wurde die Farm zu McCartneys Refugium und gründete mit Linda und Denny Laine die Wings, schrieb waren also wieder das Trio Arbeitsort. Songs und nahm Demos auf, bevor es jeweils im Herbst von Ende 1973 und dem zurück nach London und ins Showbusiness ging. Album «Band on the Run». BURNOUT Wie ein guter Whiskey be- DUDELSACK gann «Mull of Kintyre» zu 1969 zerbrachen die Beatles an ihren künstlerischen und reifen. Paul hatte bemerkt, geschäftlichen Differenzen. John Lennon wollte eine Schei- Als er mit den Wings «Mull of Kintyre» auf seiner Farm dass die schottischen Hym- dung, es wurde eine Kampfscheidung. In der Dokumen- aufnahm, waren McCartneys Lebensumstände besser als nen älteren Datums waren. tation «Wingspan» (2001) erinnert sich Paul: «Ich wurde 1969, doch er stand erneut vor beruflichen Problemen. Im Sommer 1973 spielte für ein paar Wochen verrückt.» Während Tagen verliess Wie damals war Linda schwanger, nun mit James. Der er eine erste Demoversion er das Bett nicht, begann paranoid zu werden und ernähr- Geburtstermin war Anfang September. Somit unterbrach auf dem Klavier ein, 1976 campbeltown pipe band mit joe english, linda und paul mccartney und denny laine schrieb er den Refrain. An einem Sommertag 1977 sassen er und Denny Laine mit ihren Gitarren, Stift, Papier und einer Flasche Whiskey abseits der Farm in einer Wiese, schauten aufs Meer und vollendeten den Song. Es war die üb- liche Arbeitsweise, Laine und McCartney halfen sich bei ihren Songs gegenseitig aus. Da Denny Laine ei- nen grossen Teil zum Text beigesteuert hat, erschien «Mull of Kintyre» mit der Autorenangabe McCart- ney/Laine. Text und Mu- sik drücken die Sehnsucht nach einem Rückzugsort in stressigen Zeiten oder nach weiten Reisen aus. Da es für Paul eine Lie- beserklärung an die Regi- on war, stellte er sich eine Dudelsackbegleitung vor. Hierfür kontaktierte er Tony Wilson, den Pipe Ma- jor der Campbeltown Pipe Band. Die konservativeren Mitglieder waren erst ge- gen eine Mitwirkung, da sie fürchteten, ihre Tradi- Paul. Mit dem Punk galten die Bands der späten 60er und MISSTÖNE tion aufzugeben. Zunächst frühen 70er als uncool. Glen Matlock wurde bei den Sex aber musste Paul den Song Pistols durch Sid Vicious ersetzt, da er die Beatles mochte «Mull of Kintyre» stammt aus den Sessions zum Al- wegen den Dudelsäcken und seinen Bass wie Paul McCartney gespielt hatte. Mögli- bum «London Town», das am 31. März 1978 erschien. von C-Dur nach A-Dur cherweise als Antwort auf diese Episode spielten die Wings McCartney verzichtete jedoch darauf, den Song nach der transponieren. «Wir sassen den Punkrocker «Boil Crisis» ein, eine spöttische Persif- Veröffentlichung als Single auf «London Town» zu neh- in der Küche, und ich bat lage mit Hauptakteur Sid im Song. Da Paul wusste, dass men. «Es war falsch, ‹Mull of Kintyre› nicht auf das Album ihn, etwas zu spielen, wäh- ihm «Boil Crisis» übel genommen würde, verzichtete er bis zu nehmen, dieses hätte sich weit besser verkauft. Doch rend ich die Akkorde aus- heute auf eine Veröffentlichung. Die Punks ihrerseits rock- manchmal liebe ich solche unkommerziellen Entscheide», arbeiten wollte. Er meinte ten landauf landab mit Punkmusik in den Clubs und Pubs meint Paul rückblickend. Capitol Records, McCartneys nur, wir gingen besser in ab und legten danach zum Chillen «Mull of Kintyre» auf. US-Label, entschied, für Kanada und die USA, lediglich den Garten, Dudelsäcke Stieftochter Heather hing zum Missfallen Pauls in der «Girls School» als A-Seite zu nehmen. Während «Mull of seien sehr laut», so Paul in Punkszene ab, zuhause liess sie die Sex Pistols und The Kintyre» weltweit die Chartspitzen erklomm, gab es in Ka- «Wingspan». Am Abend Damned laufen. 1979 konnte Heather bei den Aufnahmen nada nur einen 34. und in den USA einen 33. Rang. Als des 9. August 1977 kam eines weiteren unveröffentlichten Punksongs, «MAS», die Folge wechselte McCartney Ende 1978 mit dem damals die 14-köpfige Campbel- Backvocals shouten. höchstdotierten Vertrag für sechs Jahre zu Columbia. town in vollem Habitus Denny Laine, der seit 1971 von McCartney einen Wochen- mit Kilt und Bärenfellmüt- PORNO lohn für seine Arbeit bei den Wings erhielt, fragte nach ze auf die Farm. Die Auf- den Millionenverkäufen von «Mull of Kintyre» nach ei- nahmen fanden neben der Offiziell bestreitet das British Board of Film Classification nem Bonus. Doch Paul lehnte ab. Als Denny Laine später Scheune statt. Die Band den Mull-of-Kintyre-Test als Zensurmass. Bei diesem darf Schwierigkeiten mit den Steuern hatte, kaufte ihm Paul hatte das Arrangement ein erigierter Penis nicht in grösserem Winkel vom Körper die Songrechte ab. Die Mitglieder der Campbeltown Pipe geprobt, und so war die abstehen als der Vertikalwinkel der Halbinsel Kintyre, um Band wurden bar mit 30 Pfund pro Mann entlöhnt, für den Aufnahme in einem Take nicht als Pornografie gewertet zu werden. Pornos standen Videoclip erhielten sie 300 Pfund. im Kasten. Danach offe- am Anfang des zweiten Songs der Single, «Girls School». rierte Paul Sandwiches und Paul schrieb den Song im November 1975 während den ERBE schubkarrenweise Bier. Es Ferien auf Hawaii, in derselben Woche wie «Silly Love gab eine Party, an der die Songs». Ihm waren im Anzeigenteil einer Zeitung die Film- Nach der Veröffentlichung stieg der Tourismus in der Re- Jugendlichen in der Band titel der Pornokinos aufgefallen: «Ich mochte nur die Titel gion Kintyre um 20 Prozent an. Mit 2,1 Millionen ver- nicht mitfeiern konnten, da davon, und so nahm ich alle, die ich auf der Seite finden kauften Exemplaren in England war «Mull of Kintyre» bis sie anderntags zur Schule konnte, und machte einen Song daraus.» So heisst es im 1984 die meistverkaufte Single und ist bis heute die erfolg- gehen mussten. Text: «Sleepy Head, Kid Sister; 18 years and younger, boy, reichste Non-Charity-Single. Diesen Rekord hielt Paul be- Yuky’s a cool school mistress, head nurse is sister scala reits, mit den Beatles und «She Loves You». Am 14. Januar PUNK now she's a spanish doll…» 1978 stieg «Mull of Kintyre» auf Rang 12 in die Schweizer Eingespielt haben die Wings «Girls School» während den Hitparade ein, zwei Wochen später war die Single Nummer Einerseits wollte Paul ersten Aufnahmen zum Album «London Town». «Girls 1 und blieb dies für zehn Wochen (eine Woche länger als «Mull of Kintyre» als Sing- School» ist ein Uptempo-Rocksong, den die Marketingspe- in Grossbritannien), ehe sie sich am 24. Mai mit einem 14. le veröffentlichen, anderer- zialisten bei EMI als A-Seite veröffentlichen wollten. «In Platz daraus verabschiedete. Dennoch ist «Mull of Kinty- seits hatte er grosse Zwei- meinem Fall müssen Künstler und Plattenfirma mit einer re» nicht sein erfolgreichster Song, «Hope of Deliveran- fel: «Ich hätte es fast nicht Veröffentlichung einverstanden sein», so Paul. Er wollte ce» verkaufte sich 1993 vier Millionen Mal, vor allem in veröffentlicht… zu dieser «Mull of Kintyre» als A-Seite haben, man einigte sich auf Deutschland und Lateinamerika. Zeit war alles Punk», so eine Doppel-A-Seiten-Single. Yves Baer Inserat im LOOP vom 6.07.2018 KonzerteSZENE 6.07.2018 bis 30.08.2018

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www.ticketcorner.ch • Alle Ticketcorner • Post • Manor Sounds better with you! loopzeitung.ch 10 Ausgaben kosten 33 Franken. AVANTGARAGE Pere Ubu waren keine intellektuellen Avantgar- «The Modern Dance» und «Dub disten, sondern eine intuitive «Avantgarage»- Band, eine Folk-, keine Kunstcombo; sie waren Housing»: Pere Ubu legten 1978 lieber Erneuerer als Ikonoklasten, und statt das Populäre zu verdrängen, jonglierten sie mit des- zwei Alben vor, die damals sen Versatzstücken. Von Pere Ubu gespielt, mutierten die wohltem- stilprägend waren und heute perierten Pop-Harmonien indes zu unberechen- baren Achterbahnfahrten durch Bilder urbaner unbestrittene Klassiker sind. Entfremdung und industrieller Verelendung. Aus den Abgründen jedoch schallte immer wieder «The Modern Dance» beginnt mit einem unan- anarchisches Gelächter: Mehr als das Entsetzen genehmen Pfeifen, in das sich ein nachlässiges, umkreisten Pere Ubu halluziniert die schwarzen Spannung erzeugendes Gitarrenlick einmischt Löcher des Absurden, und der Alptraum kipp- – bis ein scharfes Gitarrenriff die Sirene weg- te in ein existenzielles Grand Guignol, das die bläst und David Thomas zu einem verzweifelten Kinder das Lachen und die Erwachsenen das Abgesang auf die Liebe ansetzt. «Nonalignment Fürchten lehrte – genau wie Alfred Jarrys Pup- Pact» ist der perfekte Einstieg in ein perfektes pengroteske «Ubu Roi» von 1896. Debüt, das auch vierzig Jahre später modern klingt. Nach einer Handvoll epochaler EPs leg- RASANTE ENTWICKLUNG ten Pere Ubu 1978 mit «The Modern Dance» ein Album vor, das seine Wut, Energie und sei- Die Intensität ist beeindruckend. «The Modern nen Humor dem Punk verdankte, aber viel wei- Dance» nahmen Pere Ubu 1977 auf, «Dub ter vorwärtsdrängte und ausschwärmte, als es Housing» 1978, beide Alben erschienen 1978. Punk damals erlaubte. Es musste schnell gehen, die Dringlichkeit war hoch, und die Entwicklung der Band kompro- DIE UNTERGEGANGENE ZIVILISATION misslos. Bot «The Modern Dance» – abgesehen vom experimentellen «Sentimental Journey» Cleveland, Ohio, 1975. Das Zentrum der von und dem abschliessenden «Humor Me» im der Erdölkrise besonders stark gebeutelten In- windschiefen Pseudo-Off-Beat – weitgehend dustriestadt ist wie ausgestorben. «Die Stahl- scharfen, schroffen, mit schrillem Krach ver- hütten», erinnerte sich David Thomas an die setzten und psychedelisch zugespitzten und kli- Anfänge von Pere Ubu, «waren für uns die gi- scheefreien Rock’n’Roll, lösten sich auf «Dub gantischen Skulpturen einer untergegangenen Housing» die Songstrukturen auf. Neben dem Zivilisation, die damit ihre Träume, Hoffnungen grossartigen Schunkler «Ubu Dance Party», und Ambitionen ausgedrückt hatte.» dem mitreissenden «Drinking Wine Spodyody» Das Interview fand 1988 statt. David Thomas und dem bizarren «Caligari’s Mirror» standen lag, die Augen geschlossen, auf dem Hotelbett; dunkle Geräuschalbträume wie «Thriller!» oder ich sass auf dem anderen Bett, das Mikrophon «Blow Daddy O» und verstörende Miniaturen stand zwischen uns auf dem Nachttisch. Eine wie «Codex». surreal wirkende Samstagnachmittagsendung «New Picnic Time» (1979) war noch experi- mit Tieren und Kindern flimmerte über die menteller und vor allem sehr kühl, auf «The Art stumme Mattscheibe. of Walking» (1980) zerfiel die Musik in ihre Be- «Wir lebten in Cleveland nicht wie in einem In- standteile, um auf «Songs of the Bailing Man» dustriezentrum, sondern wie in einem Kunstmu- (1982) zu neuem, jazzigem Drive zu finden. seum. Abends desertierten die Bewohner in die Dann lösten sich Pere Ubu zum ersten Mal auf. Vorstädte und überliessen uns das leere Stadt- «Auch heute scheinen wir nirgendwohin zu pas- zentrum. Wir waren urbane Pioniere. Wir waren sen, wie gestern, wie morgen. Manchmal frage jung, und uns gehörte etwas, das sonst niemand ich mich wirklich, warum wir es überhaupt wollte. Nun war sie tot, diese Zivilisation, und tun.» Das sagte David Thomas 1988, und ver- die Menschen fürchteten sich davor, weil sie mutlich würde er es auch heute noch sagen. Ein diese Zivilisation nicht verstanden. Unsere Be- Aussenseiter ist Thomas, das einzige verbleiben- ziehung mit dieser Umgebung war jedoch eng de Gründungsmitglied von Pere Ubu, geblieben, und intensiv.» gleichzeitig aber einer der interessantesten und kompromisslosesten Musiker seiner Generation. PROTOPRÄPOSTPUNK Mit «20 Years in a Montana Missile Silo» leg- te die aktuelle Inkarnation von Pere Ubu letztes Pere Ubu – herausgewachsen aus Clevelands Jahr ihr bestes Album seit Langem vor – es weck- legendärer Proto-Punk-Band Rocket From The te Erinnerungen Tombs – schufen auf «The Modern Dance» an «The Mo- und «Dub Housing» den Soundtrack für ihre dern Dance». Geisterstadt: Sie verbannten die Pop-Klischees Ein weiterer der Seventies in die heimeligen Vororte und ver- Beweis für die schweissten schroffe Gitarrenriffs, zerbrochene Zeitlosigkeit des Rhythmen, unkontrolliert lärmende Synthesizer Debüts. und David Thomas’ abartige Stimmkünste zu ruppigen Prä- und Post-Punksongs und abstrak- pere ubu Christian ten Industrie-Klangskulpturen. Gasser SOMMERFEST RUND UMS RIFFRAFF

KONZERTE PERFORMANCESs DJ

18.8.18 14 UHR BIS SPÄT KAMPF UM DIE KARRIERE Bruce Springsteen wäre nach dem bruce springsteen Erfolg von «Born to Run» beinahe zerbrochen. Doch dann erschien «Darkness on the Edge of Town».

«Es war die beste und zugleich schlechteste aller Zei- ten... Meistens war es die schlechteste aller Zeiten.» So beschreibt Bruce Springsteen selbst in den Worten von Charles Dickens in seiner Autobiografie die Phase nach dem Durchbruch mit «Born to Run» im Jahr 1975 und vor dem Nachfolger «Darkness on the Edge of Town» drei Jah- re später. Mit «Born to Run» hatte der damals 25-Jährige endlich alle Vorschusslorbeeren in die Tat umgesetzt und nach langen obsessiven Studiokämpfen ein epochales Werk abgeliefert, das nicht nur die Kritiker entzückte, sondern auch kommerziell durchstartete, Platz 3 der US-Charts er- reichte und sich über zwei Jahre in den Top 100 halten sollte. Nach Jahren des unermüdlichen Tingelns durch kleine Clubs und einem Leben am Existenzminimum war er plötzlich ein gefragter Mann, der sich in Holmdel, New Jersey, für siebenhundert Dollar im Monat eine Sechzig- Hektar-Farm und eine Sechziger-Corvette leisten konnte. Er hätte den neuen Ruhm geniessen können, doch be- kanntlich führt Geld allzu oft im Leben bloss zu Streit und Zwist. So auch bei Springsteen. Denn als sein Manager Mike Appel nach dem Erfolg von «Born to Run» schnell einen neuen Vertrag über fünf weitere Jahre mit ihm ab- schliessen wollte, wurde Springsteen stutzig. Und das zu Recht. Es stellte sich heraus, dass die alten Verträge un- säglich waren. Doch Springsteen hatte sie – naiv, wie er war – unterschrieben. Jetzt pochte er auf eine faire Ent- lohnung für seine Hitplatte, die Appels Konto immerhin um 500 000 Dollar bereichert hatte. Appel weigerte sich, nachzubessern, es wurde unschön. Die Sache ging vor Ge- richt. Nach langen, zähen Verhandlungen kam es letztlich zu einer aussergerichtlichen Einigung, die Springsteen in Frank Stefanko den Privatkonkurs trieb. Dafür erhielt er aber wenigstens die Rechte an seinen Alben zurück, was sich langfristig als jetzt mit der düsteren Sei- try- und Folkmusik von Hank Williams und Woody Gu- Goldgrube erweisen sollte. te des amerikanischen thrie für sich. Statt Bombast suchte er danach, die Energie Traums, den Verlierern, der und die Wut des Punk in seine Musik zu integrieren. ALKOHOL, ANWALTSKOSTEN, ARBEITERKLASSE Arbeiterklasse. Sein Vater «Darkness war meine Samurai-Platte, sie war auf das Nö- hatte sich von Job zu Job tigste abgespeckt und voller Kampfbereitschaft», schrieb Springsteen wäre an dieser Phase beinahe zerbrochen. Er, durchgeschlagen, er selbst er 2016 in seinen Memoiren «Born to Run». Auch op- der immer nur Musik machen und live auftreten wollte, war in einfachen Verhält- tisch war die Veränderung zu sehen. Auf dem Cover sieht wurde durch eine einstweilige Verfügung von Appel dar- nissen aufgewachsen. Statt man ihn völlig ungeschminkt und unglamourös im billi- an gehindert, ein neues Album aufzunehmen. Er fing an über Eskapismus schrieb er gen T-Shirt, hungrig und ausgelaugt. Patti Smith, an die zu trinken, trieb sich rum. Desillusioniert und deprimiert jetzt über eine abgeschlos- Springsteen gerade den Song «Because the Night» abgetre- kämpfte er um seine Würde und sein Werk. Bis es schliess- sene Welt ohne Fluchtmög- ten hatte, vermittelte den Kontakt zum Fotografen Frank lich endlich zur Einigung kam. Zu den hohen Anwaltskos- lichkeiten. Er schaute ame- Stefanko, der viele von Smiths berühmten Bildern gemacht ten kam noch hinzu, dass die Steuerbehörde auf Springsteen rikanische Noir-Filme, las hatte. «Darkness on the Edge of Town» erschien am 2. Juni aufmerksam geworden war. Er hatte all die Jahre weitab Flannery O’Connor, James 1978. Auch ohne echte Hitsingle kam das Album bis auf von normalen Einkommensverhältnissen existiert, sodass M. Cain, John Cheever Platz 5 der US-Charts und hielt sich dort ebenfalls fast zwei er nie auf die Idee gekommen war, Steuern zu zahlen. Und oder Jim Thompson und Jahre. Bis heute sind etliche der zehn Songs des fes- als jetzt Einnahmen zu verzeichnen waren, hatte sein Ma- entdeckte die nackte Coun- ter Bestandteil seines Live-Programms. 2010 erschien mit nager ihm mitgeteilt, die würden durch laufende Kosten «The Promise: The Darkness on the Edge of Town Story» aufgefangen. Aber er war auf dem Cover von «Time» und eine Box mit 3 CDs und 3 DVDs, darunter 21 unveröffent- «Newsweek», musste also reich sein. Bis 1982 und Millio- lichte Songs von den Albumsessions mitsamt Making-of nen verkaufte Platten sollte es seinen Worten nach dauern, und diversen Konzertmitschnitten. Bereits zuvor wurden bis er seine Schulden wieder abgetragen hatte. weitere unveröffentlichte Albumaufnahmen auf dem Box- Als er sich schliesslich 1977 endlich wieder der Musik zu- set «Tracks» öffentlich gemacht. Und vermutlich gibt es in wandte, hatte sich vieles verändert. Elvis war gestorben, irgendwelchen Archiven noch weitere Songs und Aufnah- Punk war das neue Ding, die Welt war finsterer geworden. men, die eines Tages ans Licht kommen. Ich hätte nichts Statt mit Aufbruch und dem Drang nach Freiheit – den dagegen. Themen von «Born to Run» – befasste sich Springsteen Markus Naegele ER TOBTE GEGEN ALLES Buell, die ihre Karriere als laut, seine Band spielte präzis und voller Energie, er drosch Warum Elvis Costellos zweites Album Fotomodell in New York mit schweissnassem Gesicht auf seine Gitarre ein und schrie begann und sich später als wie ein Verrückter: «I’m not angry! I’m not angry!» mein Leben veränderte: Bekenntnis Schauspielerin, Sängerin In seinen Songs verhöhnte er Ronald Reagan als Astro- und Autorin durchsetzte. nauten im Weissen Haus und kündigte an, auf Marga- eines braven Jungen. Genau genommen handelt ret Thatchers Grab herumzutrampeln. Seine dritte Platte das ganze Album von dem sollte «Emotional Fascism» heissen, auf anderen sang er Ich war 19 Jahre alt, halb- Zuviel der Gefühle und von den «Aschenbechern der Gefühle» und «japanischen langes, blondes Haar, matu- dem Zuwenig, von Begeh- Jesusrobotern», von den «Schlafzimmer-Alibis» und den riert, aber naiv. Ich befand ren und Einsamkeit, Lei- «Disney-Schlachthöfen» sowie dem unstillbaren Verlan- mich zum ersten Mal in denschaft und Ekel. Noch gen, «deinen schönen Hals zu brechen, um zu sehen, wie London, zum Englischler- später wurde mir klar, er sich am besten dreht». «If you’re out of work or out nen, das waren für mich dass Elvis Costello damals of luck», höhnte er auf «Oliver’s Army», seiner Satire auf zwei Superlative in einem. Es dauernd wütend war. Der den britischen Imperalismus, «we can send you to Johan- war der Sommer 1978, als in Mann lag im Streit mit nesburg.» Seine liebste Theaterfigur bleibt Shakespeares England der Punk nachglüh- allen, nicht nur mit sich Macbeth. Als Motiv für seine Arbeit nannte er «Rache und te. Ich brachte es fertig, in selber. Sein Blick war aus- Schuld». Declan Patrick Aloysius MacManus, wie Costello diesen vier Monaten praktisch nichts davon mitzubekom- druckslos und kalt. Über bürgerlich heisst, ist in London geboren, aber sein Vater men. Ich ging zu Konzerten von Bob Dylan, Eric Clapton, liederliche Veranstalter und kam aus Irland. Frank Zappa, Peter Gabriel oder Emmylou Harris. Ich hat- Journalisten führte er ein Der Sohn singt immer noch, tritt auf, macht neue Platten te Freude an «Some Girls», der neuen Stones-Platte, ich las Schwarzbuch. Nach sei- oder gibt alte heraus mit unzähligen Varianten, Outtakes jede Woche den «New Musical Express» und den «Melody nem ersten Gastspiel am und Erläuterungen. Wie Neil Young ist er unersättlich von Maker». Trotzdem verpasste ich alles, was damals lief. amerikanischen Fernsehen seinem Talent überzeugt, Selbstkritik ist nicht seine Stärke. gab der Sender ihm vier- Manchmal wünsche ich mir, er würde sich für ein neues WIE NÄGEL AUF DER WANDTAFEL jähriges Auftrittsverbot. An Projekt mehr Zeit lassen. Aber so ist er halt, so soll er blei- den Konzerten bellte er sein ben, und an seinen Konzerten bleibt er unerreichbar gut. So ging ich denn, ein Anachronist aus einem Provinzland, Publikum an, verliess die Ich liebe viele seiner Songs und habe viele seiner Platten an einem englischen Sommermorgen zur Sprachschule. Bühne grusslos und ohne daheim, aber «This Year’s Model» bleibt die schönste für Plötzlich, ich weiss noch die Stelle an der Dukes Avenue Zugabe, beschimpfte ande- mich: Sie hat mein braves Leben verändert wie fast kein in Muswell Hill, fühlte sich mein Transistorradio an, als re Musiker als Ignoranten, anderes Album meiner Jugend. Elvis lives. würde es zerspringen. Alles klang auf einmal lauter, wilder, war oft betrunken. Seine wacher, gefährlicher. Der Schlagzeug klopfte einen zeitlu- Auftritte waren kurz und Jean-Martin Büttner penhaften Beat, das Gitarrenriff kratzte wie Nägel auf ei- ner Wandtafel, der Bass klang bedrohlich schwer, die Orgel machte mit. Dann setzte der Sänger ein mit seiner Rost- stimme, wüst, höhnisch und ausser sich vor Wut.

«See her pictures in a thousand places ’cause she’s this year’s girl You think you all own little pieces of this year’s girl Forget your fancy manners Forget your English grammar ’Cause you don’t really give a damn about this year’s girl.»

Das war das erste Mal, dass ich Elvis Costello hörte, und mir war klar, dass alles Bisherige alt klang im Vergleich zu dem, was ich jetzt entgegengeschleudert bekam. Dass ich verschlafen hatte, was jetzt passierte. Dass ich keine Ah- nung von der Welt hatte und vom Hass in der Liebe. Am selben Tag fuhr ich mit der Northern Line zu meinem Plattenladen nach Camden Town, um herauszufinden, wie diese Platte hiess: «This Year’s Model», ich kaufte sie so- fort; jedes Stück drauf klang aufregend: all killer, no filler. Ausserdem sah Costello auf dem Plattencover genau so aus, wie er sang. Man sieht ihn hinter einer Hasselblad- Kamera stehen, ein dünner Mann mit Hornbrille und Kra- watte, und er schaut unglaublich hässig drein. «Lass ’Hotel California’ von den Eagles laufen», wies er den Fotogra- fen Chris Gabrin an, «denn ich hasse dieses Lied, und ich möchte auf dem Cover so wütend aussehen wie nur mög- lich.» Es gelang. MIT SCHWEISSNASSEM GESICHT Später erfuhr ich, dass «This Year’s Girl» als Hassliebeslied elvis costello an Costellos damalige Geliebte gelesen werden kann, Bebe ALTERSFRAGEN debbie harry susanne loacker Mick Jagger und schaue, wie die Kommentare da so lauten... M: Ja! F: Haha, was denkst du? Was habe ich gefunden? M: «So krass rockt das Ur- gestein noch heute.» F: «Alles andere als zahm sieht Mick Jagger aus, wenn er auf der Bühne steht.» Aber auch: «Did Mick Jag- ger cheat on his pregnant girlfriend?» M: Stimmt, die Männer sind ja dann die bösen Betrüger, wenns in die Richtung geht. Aber nichts Abschätziges übers Aussehen. F: Also, meine ultrakurze Recherche ergibt: Grund- Ausnahme von «Parallel Lines», dem ersten Album – nur sätzlich geht es bei Mick Mit «Parallel Lines» stiegen Blondie schlecht damit anfreunden. Jagger darum, dass die M: Geht mir ähnlich. Woran liegts bei dir? Stones ein neues Album 1978 ins Musikgeschäft ein, angeführt F: Irgendwie sagt mir die Musik stilistisch einfach zu wenig rausgegeben haben, oder zu. Und ich finde, auf dem ersten Album drang der Punk in wie gut ihre Musik immer von Sängerin Debbie Harry. Wie hat sie ihr noch am ehesten durch. Danach wurde es mir zu belie- noch klingt, oder wie gut big. Ich habe sie vor einigen Jahren am For Noise Festival er noch aussieht trotz des die Rolle der Frau geprägt? Ein Dialog. gesehen und hatte mich gefreut, diese Koryphäe live zu se- fortgeschrittenen Alters... hen. Aber leider war die Show ein Desaster. Schon traurig. M: Wie hast du Blondie respektive Debbie Harry kennen- M: Warum? M: Aber halt leider Realität. gelernt? F: Der Drummer sass hinter einer Plexiglas-Wand, das war Ich habe mir vorgenom- F: Ich hatte vermutlich «Heart of Glass» schon Dutzende fürchterlich. Und von ihr kam keine Energie, sie wirkte müde men, meine Energie nicht Male am Radio gehört – meine Mutter hörte tagsüber zu- und abgekämpft. Aber da war sie auch schon etwas fortge- mehr so sehr darauf zu ver- hause immer Radio. Aber ich wusste kaum, dass das Blondie schrittenen Alters, davor habe ich natürlich schon Respekt. wenden, mich über solche war. Später dann «Maria», Generation MTV halt. Und du? M: Oh nein! Aber eh, ich hätte wohl nicht mal jetzt die Dinge aufzuregen. Sondern M: Das ist mir fast ein bisschen peinlich, aber ich glaube, Energie, eine Bühnenshow durchzuziehen. daran zu arbeiten, es besser als Teenie habe ich im H&M ein T-Shirt mit dem Blondie- F: Ich auch nicht. Hast du sie mal live gesehen? zu machen. Aufdruck gesehen und mich gefragt, was denn das für eine M: Nein, habe ich nicht, muss aber auch sagen, dass es F: Ja, und damit auch zu be- Band ist. Wohlgemerkt: Als Teenie in der Phase, in der ich mich nie gross gereizt hat. Lustig eigentlich. Weil auf dem weisen, dass man selbstbe- nur Britney Spears und Christina Aguilera gehört habe. Papier erfüllt Debbie Harry alles, was ich sonst abfeiere: stimmt und sexy und eman- F: Das geht den Kids wohl heute so, wenn sie im H&M Eine selbstsichere Frau, die ein Genre augenscheinlich im zipiert sein kann. Shirts mit Nirvana- oder Joy-Division-Aufdruck kaufen. Alleingang neu geprägt hat – für andere Frauen. Madonna M: Genau. Und dadurch, Dabei war Debbie Harry ja Punk, bevor sie Mainstream und die ganzen Riot Grrrls. dass ich einfach mehr über wurde. Eigentlich war es ja ähnlich wie bei Liz Phair: Eine Frauen schreibe, mehr an- attraktive junge Frau, die eine Verfechterin der Emanzipa- ### dere Frauen zitiere und so tion war, die aber wegen ihres Aussehens mehr als Cover- weiter. Und zwar ohne, dass girl denn als Künstlerin mit einer kritischen Haltung wahr- F: Eine feministische Frage: Fotomodell/Serviceangestellte in ich dann noch extra das genommen wurde. einer Playboy-Bar und Aushängeschild für Emanzipation – «Frauenlabel» dranhänge. M: Wobei ich mich da jeweils frage: Wer hat diese Denk- geht das zusammen? Alles, was Männer schon so weise geprägt? Männer, die für andere Männer in Mu- M: Uff, eine vielschichtige Thematik. In erster Linie finde lange auch selbstverständ- sikmagazinen geschrieben haben? Ich kann mir sehr gut ich: ja. Wenn es selbstbestimmtes Arbeiten ist. Aber dann lich machen. vorstellen, dass Debbie Harry für viele junge Frauen eine wiederum: Wenn ich mich beispielsweise für den «Playboy» F: In diesem Sinne: Wir ha- prägende Figur war und immer noch ist. Aber vor allem zu ausziehe, weil ich mich gerne zeige und dazu beitragen will, ben viel von Dir gelernt, De- Zeiten des Punk. ein positives Körperbild zu verbreiten, dann trage ich mit bbie. Danke dafür! F: Ich habe gestern noch nach Bildern von Debbie Harry diesen Bildern dennoch gleichzeitig dazu bei, ein System, das gegoogelt. Und auf fast jeder Seite steht etwas wie «Die Frauen(körper) wie Produkte behandelt, aufrecht zu erhal- Fabienne Schmuki besten Bilder von Debbie Harry, als sie noch gut ausge- ten. Für Debbie Harry aber waren die Jobs, beispielsweise und Miriam Suter sehen hat». Schon krass, wie sie jetzt einfach nicht mehr im Playboy-Club, ja auch ein Befreiungsschlag von ihrem gleich respektiert wird. Elternhaus. 2017 F: Gerade für eine Frau in jener Zeit muss das schon ver- ### dammt schwierig gewesen sein, anderen unbequem auf die Füsse zu treten. Und ich meine: Frau darf natürlich selbstbe- F: Wie gut kennst du denn Blondies Musik? Abgesehen von stimmt und sexy sein. den Hits? M: Ja schon, aber eben: Wenn du älter bis, dann schreiben M: Ich würde meine Kenntnisse als durchschnittlich be- alle drüber, wie du aussiehst. Wobei, das passiert Frauen ja zeichnen. Du? so oder so, fast egal, was sie tun. F: Ich habs immer wieder versucht, kann mich aber – mit F: Ich mache ein Experiment: Ich google mal Bilder von SZENE

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Waylon Emmylou Lou Reed Kate Bush Van Halen Jennings/ Harris Street Hassle The Kick Inside Van Halen Willie Nelson Quarter Moon in a (Arista) (EMI) (Warner) Waylon & Willie Ten Cent Town (RCA Victor) (Warner) 1978 ging Lous Beziehung Walgesänge, eine exaltier- Ein Erstschlag mit Lang- zu Rachel, einer Transfrau, te, fast quietschend hohe zeitwirkung – der eher un- Waylon Jennings und Emmylou Harris war die in die Brüche – und Lou Stimme, eine Ode ans Sa- spektakulär beginnt: biss- Willie Nelson, die beiden Protegée des ebenso eklek- war drogenabhängig. In xofon: Kate Bush schreckt chen Geräusch, ein paar Texaner, die die Outlaw- tischen wie genialen Gram den meisten Songs imitier- auf ihrem Debüt vor nichts Basstöne, Hi-Hat-Schläge. Bewegung in der Country- Parsons, der mit gerade mal te er seine alten Rollen, das zurück. Die bei der Ver- Dann aber folgt ein griffi- Music lostraten, ohne sie je 27 Jahren an einer Überdo- blondierte «Rock’n’Roll- öffentlichung 19-jährige ges Riff, bevor schliesslich so zu nennen. Beide taten sis Alkohol und Drogen Animal» von Mitte der Engländerin erhielt dank David Lee Roth mit seiner nichts anderes, als die Zu- starb. Vermutlich hat Har- 70er und den Sado-Maso- der Unterstützung von Pink Egoshouter-Stimme ins sammenarbeit mit Studio- ris seinen Tod nie ganz ver- Rocker aus Andy Warhols Floyds David Gilmour ei- Geschehen eingreift. «Run- musikern zu verweigern. wunden. Ihre Musik blieb Factory aus den Sixties. nen Deal mit EMI, Andrew nin’ With the Devil», das Sie wollten mit ihrer Live- der seinen jedenfalls treu. Doch Lou überzeugt leider Powell vom Alan Parsons Eröffnungsstück des Van- Band ins Studio. Punkt. Mit dem 1978er-Album nur, wenn er Neues wagt, Projects produzierte das Halen-Debüts, verströmt Rückblickend kein Wun- schwamm sie sich gewisser- wie den Soul in «I Wanna Album. Kate Bush verlieh kalifornische Unbeschwert- der. Nelson, Jahrgang massen von der traurigen Be Black» oder den Ba- dem Art-Pop eine neue heit und nimmt gleich die 1933, verlangt mit seinem Vergangenheit los und wur- rockpop im Titelstück. Ein Stimme. Die Single «Wut- ganze nachfolgende Hard- rhythmisch eigenwilligen de ihrerseits zur Entdecke- Teil der Songs wurde 1977 hering Heights» gehört zu rock-Dekade vorweg. Der Gitarrenspiel jedem Band- rin und Förderin von Ta- live in München und Lud- den wunderlichsten Lie- eigentliche Knüller folgt mitglied Höchstleistungen lent – eine Qualität, die die wigshafen aufgenommen dern der Popgeschichte, dann allerdings mit dem ab. Seine «Family», wie er wechselnde, aber immer (das Publikum wurde raus- die junge Sängerin konnte zweiten Stück, der furiosen die seit Jahrzehnten mehr grossartige Zusammenset- gemischt). Das Album war sich damit gegen das Plat- Etüde «Eruption». In einer oder minder unveränderte zung ihrer Begleitband seit binaural abgemischt, ein tenlabel durchsetzen, das Minute und 42 Sekunden Truppe nennt, hat einen Jahrzehnten belegt. Das Versuch, die 3D-Studioat- lieber das rockigere Stück spielt Eddie Van Halen mit Sound, den man beim ers- Albumcover malte Susan- mosphäre in Stereo hinzu- «James and the Cold Gun» dieser schwindelerregen- ten Ton erkennt. na Clark, die Ehefrau und kriegen, was erst durch das als Single gesehen hätten. den Solonummer sämtliche Das gilt auch für Waylon Muse von Guy. Die Songs digitale Multitrack-Ver- Der Song war der erste Gitarristen seiner Gene- Jennings, der nur 64 wur- auf «Quarter Moon in a fahren von heute gelingt. von einer Frau geschriebe- ration an die Wand. Der de. Eigentlich war Jennings Ten Cent Town» stamm- Bruce Springsteen wirkte ne Nummer-1-Hit in Eng- unorthodoxe Techniker Bassist und hatte deshalb ten von Leuten wie dem im Titelsong als anonymer land. Die Selbstbehauptung mischt munter Klassik-Ver- auch präzise Vorstellungen damals erst 28-jährigen Sprecher mit. Auf «Street von Kate Bush in einer satzstücke, Noise-Grollen davon, wie der Bass auf sei- Rodney Crowell, Delbert Hassle» ist jeder Song eine immer noch von Männern und lateinamerikanische nen Aufnahmen zu klingen McClinton, Carlene Carter Liebkosung und zwei Tritte geprägten Domäne, ihr Elemente, tappt mit seinen habe. Die Legende sagt, er oder Dolly Parton. Es in die Eier zugleich. Es ist eklektischer Umgang mit Fingern auf dem Griffbrett habe jedem Bassiten unter sollte noch ein paar Jahre streckenweise Rockmusik, Musikstilen und ihre thea- herum und holt bislang Todesdrohungen verboten, dauern, bis sich Emmylou die bis heute modern klingt. tralische Attitüde inspirier- ungekannte Klänge aus Auftakt-Töne zu spielen. Harris getrauen würde, Reeds Texte sind direkt, te unzählige Musikerinnen seinem Instrument. Alleine Das gemeinsame Album, ihre eigenen Songs aufzu- explizit, unzweideutig und wie Tori Amos, Lorde oder diese atemlose Gesellen- das «» als nehmen – erst 1985, mit lassen selbst heute noch Florence and the Machi- stück lohnt den Kauf des Nummer 30 derjenigen 50 «The Ballad of Sally Rose», Skandalrapper wie Schul- ne. Erst mit ihrem dritten, Albums. Plus natürlich das Platten auflistet, die jeder präsentierte sie sich als buben aussehen. Lou hatte selber produzierten Album grossartige, ein paar Jahre Rock-Fan besitzen soll- Songschreiberin. Dennoch gehofft, ein Meisterwerk zu «Never for Ever» (1980), später von den Minutemen te, enthält Klassiker wie ist «Quarter Moon in a Ten schaffen, das gelang ihm das extravagante Hits wie neu interpretierte «Ain’t «Mammas Don’t Let Your Cent Town» wegweisend: erst zehn Jahre später mit «Babooshka» und «Army Talkin’ Bout Love». Epo- Babies Grow Up To Be Es kombiniert den Count- dem Album «New York». Dreamers» enthält, fand chal – auch als Echo aus Cowboys» oder die Hym- ry-Rock der Westküste mit Bei Reeds zweitletztem Bush ihren ganz eigenen einer fernen Zeit. ne «Luckenbach, Texas». dem Bluegrass der Ostküs- Konzert in Zürich, 2004, Stil und konnte sich aus Unbedingt auf einem Plat- te, als gäbe es nichts Selbst- gehörte «Street Hassle» zu den allzu gut gemeinten amp. tenspieler anhören, sonst verständlicheres. den grossen Momenten. Klauen der Art-Rock-Väter ist der Bass weg. Das wär befreien. schade. sl. yba. sas. sl. DIE ALTEN PLATTEN

Nina Hagen Prince Rainbow Japan The Stranglers Band For You Long Live Rock’n’Roll Adolescent Sex Black and White Nina Hagen Band (Warner) (Polydor) (Hansa) (United Artists) (CBS) Das Debüt von Prince ist Im Jahr eins nach Punk «Der sieht aus wie meine Im Punk-Universum haben Es war schon ein kolossa- vor allem deshalb erwäh- klang dieses Album für viele Mutter!», heisst es in einem The Stranglers immer einen ler Einbruch in die Welt- nenswert, weil es bei seiner Zeitgenossen wie ein Relikt Kommentar unter einem einzigartigen Platz einge- paraden (und in die WGs) Veröffentlichung im April aus einer fernen Ära. Rain- frühen Video von Japan. nommen – die vier Mit- der Endsiebziger, dieses 1978 kaum auf Interesse bow, von Ritchie Black- Der Londoner David Sylvi- glieder waren schon etwas Debütalbum der Nina Ha- stiess. Dies, obwohl War- more nach seinem ersten an, androgyner Frontmann älter (Drummer Jet Black gen Band. Bemerkenswert ner hohe Erwartungen Ausstieg bei Deep Purple des englischen Quintetts wurde 1978 bereits 40 Jah- auch deshalb, weil in Insi- in den kleinen Mann aus gegründet, standen für vie- und zu jener Zeit glühen- re alt), zudem verschafften derkreisen kaum Aufsehen Minneapolis gesteckt hat- les, was der Punk gemäss der Bowie-Verehrer so- sie dem Orgelsound von oder Häme entstand wegen te. 180 000 Dollar bezahlte landläufiger Lesart vom wie offensichtlich Fan der Dave Greenfield eine Pro- der sonst ach so unpoppi- das Label dem als genial Sockel gestossen hatte: Ma- New York Dolls, fiel zu- minenz, wie man sie in gen deutschen Sprache und geltenden, aber eben auch chorock und säuselnde Bal- erst vor allem optisch auf. der Rockmusik ausser von ebensowenig wegen des noch sehr jungen Multi- laden, Keyboard-Kleister Der Sound auf dem Debüt The Doors kaum kannte. etwas punkfernen Grund- instrumentalisten für die und Streicher, Angebersoli «Adolescent Sex» war eine Aber nicht nur dadurch sounds der ehemaligen Lo- kommenden drei Alben. und Heldengesang. Beim leidlich aufregende Mi- hoben sich The Strang- komotive Kreuzberg. Letz- Damals eine ganze Stan- Wiederhören wirkt man- schung aus Glamrock und lers von ihren Zeitgenos- terer war allerdings eine ge Geld, Prince brauchte ches tatsächlich überzogen. frühem New Wave, den sen ab: Nach den starken von Tubes- oder Rundgren- es jedoch bereits allein für Allein der Albumtitel war die englische Musikpres- LPs «Rattus Norvegicus» Artistik geprägte, postfreie, die fünfmonatigen Aufnah- wohl schon 1978 kein Aus- se aber bereits damals als und «No More Heroes» aber kraftvolle Mixtur, die mesessions von «For You» druck von übertriebener «altmodisch» bezeichnete befreiten sie sich aus dem etwas Zeitloses, Stilüber- fast vollständig auf. War- Originalität. Und doch: Mit – Punk gab gerade den Ton engen Korsett des Punk greifendes ausstrahlte und ner traute dem 20-Jährigen Gitarrist Blackmore, Cozy an. Etwas Erfolg hatte die auf dem düsteren, experi- daher auch bestens zum nicht zu, das Album im Powell an den Drums und Band in, tja, Japan, Hol- mentellen und stellenweise universellen Gesang der aus Alleingang zu produzieren allen voran Sänger Ron- land und Kanada. Sylvi- schwer zugänglichen Al- der DDR emigrierten Bier- und schlugen ihm mehrere nie James Dio erleben wir an singt – ganz anders als bum «Black and White». JJ mann-Stieftochter Nina Produzenten vor, die er al- drei Ikonen des Hard Rock später – mit hoher, nasaler Burnel übernahm am Bass passte. Wobei «Gesang» lerdings alle ablehnte. Auch auf der Höhe ihrer Kunst. Stimme, Mick Karn slappt die dominanten Melodie- hier fast schon eine Unter- wechselte er mehrfach das «Gates of Babylon» be- hektisch vor sich hin, und läufe – wie auf dem bis heu- treibung ist. Da vereinte Studio, kaufte sich neue In- ginnt mit fragwürdigem auch Schlagzeuger Steve te unerreichten «Nice ‘n’ sich eine klassisch ausge- strumente und wohnte mit Georgel, fährt ein tolles Jansen zieht bisweilen das Sleazy» oder auf «Outside bildete Stimme (doch noch) seinen Freunden in kost- Frickelriff auf, federt in der Komplexe dem Einfachen Tokyo» –, und Hugh Corn- mit der Rotzigkeit des Punk spieligen Appartements. Bridge unwiderstehlich und vor. Die Band wurde spä- wells Gitarre stellte sich in und schuf so quasi ein neu- Hauptsächlich verbrachte schraubt sich im Refrain ter zu den Posterboys der den Dienst des Rhythmus, es Rockregister. Eines, das er seine Zeit aber in den in epische Höhen, dass es New-Romantic-Bewegung, wenn sie sich nicht gerade Grenzerfahrungen, Kon- Studios, wo er sämtliche In- eine Freude ist. Nach die- Duran Duran dürften sich mit den Keyboards duel- sumkritik und Frauenpow- strumente selbst einspielte ser Platte hatte Blackmore auch einiges in Sachen lierte. Nicht alle Songs auf er zum Besten gab und so und später den Gesang (im genug von Dios Fantasy- Outfit und Schminke abge- «Black and White» mögen das Album auch zu einem Opener mindestens zwan- Geschichten. Also zog der schaut haben. Musikalisch gefallen, und das trägt zum Identitätsträger für die Be- zigfach) hinzufügte. Das Sänger weiter, zunächst zu aber fand vor allem Sylvian Reiz der Platte bei: Martin wegten jener Tage machte. Endresultat war zwar hoch- Black Sabbath, die gerade mit «Quiet Life» und erst Rushents dritte Produktion Es ist jedenfalls das Beste, energetisch und klang für Ozzy geschasst hatten, an- ein Jahr später zu einer ei- für die Band umschmei- was Nina Hagen je musi- damalige Verhältnisse auch schliessend als Soloartist. genen Sprache und einem chelt den Hörer nicht. kalisch zustande brachte. modern, doch dem R’n’B- Er blieb bis zu seinem Tod etwas diskreteren Look. Achtung, bissig – man nä- Und es hat nebenbei auch Disco-Funk der Marke 2010 ein herausragender here sich vorsichtig! Das noch einen schönen Slogan Prince fehlte es (noch) an Sänger und Performer. So söh. wiederum öffnete der Band geprägt: «Ob blond, ob kompositorischer Dring- kraftvoll und gleichzeitig die Möglichkeit, sich auf schwarz, ob braun / Ich lie- lichkeit – wenngleich die nuanciert wie auf «Long späteren Platten wie «La be alle Frau’n.» Arrangements bereits von Live Rock’n’Roll» und dem Folie» mit dem Welthit hoher Komplexität waren. Vorgänger «Rising» war er «Golden Brown» auch mal bv. Die Texte handeln natür- später aber nur noch selten fein und verletzlich zu zei- lich alle von Liebe und Sex. zu hören. gen.

söh. ash. rel. DIE ALTEN PLATTEN

Bob Dylan Magazine The Rolling Wire Devo Street Legal Real Life Stones Chairs Missing Q: Are We Not Men? (Columbia) (Virgin) Some Girls (Harvest) A: We Are Devo! (Rolling Stones Rec/EMI) (Warner) Ein hartes Album, selbst Howard Devoto organi- Die beständig erste Lieb- für harte Fans. Ja, «Señor sierte 1976 jenen legendär- 1977 war die Zukunft der lingsplatte im Post-Punk- Wie jeden Tag lungerten (Tales of Yankee Power)» en ersten Auftritt der Sex Rolling Stones ungewiss: Gestell hat nicht alle Tassen mein Kumpel Urs Rattin ist ein guter Song – aber Pistols in Manchester, der Keith Richards drohte we- im Schrank: Mit dem Slang- und ich in Schaffhausens retten kann er diese Platte den nordenglischen Punk gen Drogenbesitz eine lange ausdruck «Chairs Missing» einzigem brauchbaren Plat- nicht. Schon die Voraus- beflügelte, und bestritt mit Haftstrafe. Statt der jungen im Titel ihres zweiten Al- tenladen Rainbow Music setzungen waren schlecht: den Buzzcocks selber den Punk-Generation das Feld bums bekräftigten Wire rum. Der Shop mit dem Dylans Scheidung war noch Support. Nicht deswegen zu überlassen, spielte die ihren Ruf als Punk-Son- «Punk»- und «New Wave»- frisch, sein Filmprojekt verdient Devoto eine eige- Band in den Pariser Pathé derlinge und steuerten ihr Fächli in der Anflugschneise «Renaldo and Clara» zum ne Kapitelüberschrift und Marconi Studios ihr bestes Bandschiff in unerforschte Richtung Kanti und seinem Fiasko geraten. Und auch mehrere Seiten zu seiner Album seit «Exile On Main Gewässer. Das Rätseln be- coolen Betreiber Dani Bol- seine 78er-Welttournee, Person in Simon Reynolds Street» ein: «Some Girls» ginnt schon auf dem Co- linger war existenziell für Alimente-Tour genannt, Post-Punk-Wälzer «Rip It war die perfekte Verbin- ver: Eine Art Abdankungs- uns pubertäre Snobs, stän- bekam dank geschmack- Up and Start Again». Son- dung von künstlerischem bühne mit weissem Sarg? dig auf der Jagd nach uner- los arrangiertem Greatest- dern weil er der Erste war, Anspruch und cleverem Die 15 Songs schlagen hörter, neuer Musik. Punk Hits-Programm schlechte der sich von Punk abwand- Kalkül. Mit energiegela- Hasensprünge vom mini- war da und vielleicht auch Kritiken. Die Aufnahmen te, als Punk noch seine denen Songs wie «When malistischen Stakkatopunk schon etwas vorbei. Aber für «Street Legal» dauern Geburtsschreie übte. «Bo- the Whip Comes Down», des Debüts «Pink Flag» dann: Klonk! Was zum nur vier Tage und sind den- redom» rundum, null Bock «Lies» oder «Respectable» bis zum psychedelischen Geier war das? Ich erinnere noch problembeladen. Die auf Strassenköterrock und bewiesen die Stones, dass Kunstrock, der dem pro- mich genau daran, wie ich Crew bekommt den Sound Männerbierbündelei, und sie ungestümen Rock noch gressiven EMI-Unterlabel über die Rainbow-Music- nicht hin (was auch die spä- schon gar nicht auf eine immer drauf hatten. Über- Harvest gefiel. Der Songti- Anlage 1978 zum ersten ter remasterte Version nicht Bewegung, meinte Devoto haupt wies «Some Girls» tel «I Feel Mysterious To- Mal das Devo-Debütalbum kaschieren kann), Dylan ist und gründete 1977 trotz- eine beachtliche musikali- day» steht bekenntnishaft hörte. Es hinterliess: totale mürrisch und kommandiert dem eine neue Band: Maga- sche Bandbreite auf. «Far über der geheimnisvollen Verwirrung. Geometrische alle herum. Die Band klingt zine. Mit seinem «negativen Away Eyes» war die perfek- Stimmung, die das ganze Musik, hysterische Stim- so unerprobt wie uninspi- Drive» zur ständigen Ver- te Country-Parodie, «Shat- Album durchzieht, die Tex- men, böser, comichafter riert. «Der Typ spielte wie änderung verkörpert er wie tered» die funky Sezierung te erzählen von Saboteuren, Humor, unverständlich ein Cop», sagte Basist Rob kein anderer den Post-Punk- des Grossstadtlebens und Selbstmördern oder Schiff- verzahnte Rhythmen, Syn- Stoner später über Drum- Startschuss, im berühmtes- «Miss You» die Adaption brüchigen im Eismeer, und thiegefiepse, all das stol- mer Ian Wallace. Team- ten Song des Debüts auf trendiger Disco-Grooves. berühmt-berüchtigt von perte hektisch und maschi- play klingt anders. Und den Punkt gebracht: «Shot Keith Richards' Gesangs- Insekten in den Stücken «I nenhaft in die Zukunft. dann liegt da über allem by Both Sides». Das wah- nummer «Before They Am the Fly» und «Out- Die Inszenierung der Band dieses Saxofon… Textlich re Leben ist der Zwiespalt, Make Me Run» ging unter door Miner». Der perfek- in Strahlenschutzanzügen schauts ebenso düster aus. eine Entscheidungsfreiheit die Haut. Obwohl Mick te, betörend schöne, fürs setzte noch einen drauf: «Can you cook and sew, zwischen den Polen, die Jagger im Titelsong den Radio mit 1:45 Minuten De-Evolution, Mann! Devo make flowers grow?»: We- gefährlich werden kann. Macho raushängen liess, Länge aber viel zu kurze zerstörten die verschwitz- gen «Is Your Love in Vain» Ein dramatisch schillern- kam insgesamt eine Sensi- Pop-Ohrwurm über einen te Laszivität eines Stones- bezichtigte Greil Marcus des Album, ständig auf der blität und Verletzlichkeit Minierkäfer, dessen Lar- Überhits, um daraus ihre Dylan des Sexismus, und Kippe zwischen geschmei- zum Vorschein, welche die ven Serpentinengänge in neurotisch-quengelnde, su- «New Pony» besticht mit dig und kantig, einlullend Stones vorher selten gezeigt die Pflanzenblätter fressen, pereckig funkende Version schlicht pubertären Fick- und bedrohlich, getränkt hatten. Das kam vor allem ist ein typisches Wire-Ma- zu machen: «(I Can’t Get Metaphern. Was will man von einem unheimlichen in den Balladen zum Tra- növer: keine Idylle ohne No) Satisfaction». Genau. da noch sagen? Eben: Glamour voller Horror- gen, dem inspirierten Cover Verstörung. Dazu passt die «Q: Are We Not Men? A: «Señor» – super Nummer! momente. Devoto erscheint der Temptations-Nummer instrumentale Erweiterung We Are Devo!» stiess Türen einen Moment so gross wie «Just My Imagination» und durch den Produzenten auf: Der – erstaunlich gut mag. seine Vorbilder Iggy und «Beast of Burden». «Some Mike Thorne. Eine Post- gealterte – Erstling der Band Bowie, und die Musiker Girls» schoss an die Spitze Punk-Blaupause, so gültig aus Akron, Ohio, zeigte zeigen eine schöpferische der US-Album-Charts, die und frisch wie vor vierzig mir, was für ein Abenteuer Kraft, die manchen Bands Single «Miss You» wurde Jahren. Popmusik sein kann. auf die Sprünge helfen weltweit zum Hit. sollte. mel. odi. tl. mel. DIE ALTEN PLATTEN

Tom Waits Dire Straits AC/DC Marius Müller- The Police Blue Valentine Dire Straits If You Want Blood Westernhagen Outlandos d’Amour (Asylum) (Vertigo) You’ve Got It Mit Pfefferminz bin (A&M) (Atlantic) ich Dein Prinz Obwohl Tom Waits auf Dass das Debüt gleich ein (WEA) Während den Aufnahmen «Blue Valentine» das Image zeitloser Klassiker wird, Das erste Live-Album von von «Roxanne» setzte sich des kaputten Nachtschwär- hat bei der Veröffentli- AC/DC präsentiert die Die Platte beginnt mit einer Sting auf das Klavier und mers weiter kultivierte, chung niemand geahnt. Band zu einer Zeit, bevor imaginierten Midlife-Crisis: bemerkte nicht, das der De- das er eigentlich abstreifen Es dauerte fünf Monate, sie zur Marke wurde. Mal- «Ich will zurück auf die ckel offen war. Das arschi- wollte, enthielt dieses Al- bis die Single «Sultans of com Youngs Riffs waren Strasse». Dabei stand Ma- ge Geklimper und Stings bum seine bis anhin span- Swing» in den US-Charts noch frisch, Angus’ Griff- rius Müller-Westernhagen Lachen eröffnen den Song. nendste Musik. Manche Fuss fasste. Schliesslich brettfingerei verspielt. Und 1978 erst am Anfang seiner «Pianisten hören, dass ich der von Jazz-Produzent waren die Dire Straits die vor allem fangen die Auf- Karriere. Frühe Alben hat- mit der rechten Backe ab- Bones Howe meisterhaft Speerspitze einer neuen nahmen Bon Scotts Qua- ten keinen Erfolg gebracht, gesessen bin», meinte Sting inszenierten Songs nahmen Brit-Invasion mit The Po- litäten als Sänger ein wie erst «Pfefferminz» beweg- einmal. gespenstische Klangfarben lice und Elvis Costello. auch seinen Strizzi-Charme, te etwas. Zum Kultalbum Normalerweise werden und Stimmungen vorweg, Auf Tourneen überzeugte der seinem Nachfolger wurde es erst mit den Jah- männliche Stimmen im die Waits später berühmt die Band ihr Publikum mit stets fehlte. Von «Bad ren, doch die ungehobelt- Alter höher und zittriger. machen sollten. Und dann ihrer Live-Energie, das Al- Boy Boogie» über «The explosiven Songs fielen so- Beim Wiederhören von diese Reibeisenstimme! bum stieg weltweit in den Jack» bis «Whole Lotta fort auf. In «Dicke» macht «Outlandos d’Amour» Wie sie bellt und röchelt. Charts hoch. Kein Wunder, Rosie» und «Let There Be er sich lustig über Fettleibi- jedoch fällt auf, was für Hier spielt sich nahezu auf «Dire Straits» ist alles Rock» ist die Setlist gespickt ge, was Satire sein könnte, eine Bääggistimme Sting alles in der Nacht ab. Im schon da, was ein gutes mit Songs, die heute Klas- aber nicht sein muss. «Zieh einst hatte. «So Lonely» ist Schein der Neonreklame. Album von Mark Knopfler sikerstatus geniessen. «If dir bloss die Schuhe aus» nur schon deswegen kaum Im Zwielicht. Wie der ausmacht: die Geschichten You Want Blood You’ve ist die fiese Ballade eines mehr hörbar. Für «Songs of Teenager-Selbstmord in «A aus dem Alltag, Songs über Got It» erschien im selben mutlosen Mannes unter der the Labyrinth», ein Album Sweet Little Bullet from a Probleme mit Frauen, Fi- Jahr wie das oft übersehe- Fuchtel seiner Kleinbürger- mit englischer Renaissance- Pretty Blue Gun». Oder in nanzen und der Wohnung. ne «Powerage» und war ehefrau. Überhaupt geht musik (2006), nahm Sting der Einsamkeit. «Christ- Dazu kommen Knopflers die vorläufig letzte AC/ es Westernhagen sehr um an der Scola Cantorum in mas Card from a Hooker nuschelnder Sprechgesang DC-Produktion von Har- Männlichkeit und um nur Basel Gesangsunterricht. in Minneapolis», den Mo- und sein unverkennbares ry Vanda und dem älteren, halb ironisch gebrochene Seither hat er eine tiefe nolog einer verbitterten Gitarrenspiel. Der Unter- letztes Jahr verstorbenen, Machoposen. Das Cover Stimme. Schon in den ers- Frau, wirft uns Waits in schied zu heute: Das Album Young-Bruder George. Ein ist eine Hommage an Tom ten Kritiken 1978 wurden überwältigender Weise vor hat an den entscheidenden Act für die grossen Mas- Waits: Chrom, Schnaps, die Stilvielfalt, mit der Sting die Füsse. «Whistlin’ Past Stellen den nötigen Punch, sen waren die Australier zu Halbwelt, Einsamkeit. Der bis heute erfolgreich ist the Graveyard» ist die ers- während sich heute Knopf- dieser Zeit noch nicht. Das Rocker «Oh Margarethe» und die Energie der Band te von zwei starken Num- ler gerne laid back zeigt. kam erst mit «Highway ist die absurde Ansprache lobend herausgestrichen. mern, die mit Sessioncracks Der «Guardian» summier- to Hell». Bon Scott starb des Zuhälters an die Hure Letztere fehlt Stings jün- aus New Orleans entstan- te 1979 «Dire Straits» als nach «Highway to Hell», zum Thema Lebenshal- geren Platten manchmal. den. Swamp-Funk. Auf die englische Interpretati- AC/DC machten weiter tungskosten, «Willie Wu- Mit vierzig Jahren Distanz «Sweet Little Bullet» klingt on einer «All-American- mit einem neuen Sänger cher» ein funky Ohrwurm ist einzig «Roxanne» zum Waits fast wie Dr. John, Fusion». Und der «Rolling und «Back in Black». Sie über einen Hehlerkönig mit zeitlosen Klassiker gewor- dazu ertönt das Sax des Stone» stempelte «Dire wurden berühmter, die Hal- rheinischem Akzent und den, der 1997 gar einen früheren Fats-Domino-Be- Straits» als «quietly sub- len grösser und schliesslich einer Liebe zu griechischen verunglückten Remix von gleiters Herbert Hardesty. versive album» ab. Es muss zu Stadien. Zuletzt traten Knaben. Die Öffentlichkeit Puff Daddy überstanden Die lebendigen Details aus daran liegen, dass auch sie mit Axl Rose als Sänger diskutierte vor allem angeb- hat. Man muss «Outlan- «Kentucky Avenue» könn- nach 40 Jahren dem Rezen- auf und hatten dabei ein liche RAF-Sympathien in dos d’Amour» kennen, um ten aus Tom Waits’ eigener senten dazu nichts Neues halbes Dutzend Songs auf «Grüss mir die Genossen», Stings Werk zu verstehen, Kindheit stammen. Noch mehr einfällt, ausser dass der Setlist, die schon auf aber «Pfefferminz» ist ein auch wenn das Album bis anrührender ist die Jazzbal- man doch eher «Live at the diesem Live-Album waren. recht politfreies Bastard- auf «Roxanne» nicht in die lade «Blue Valentine». De- BBC» hören sollte, wo die Das geriet in Bern durch- album mit nur einem The- definitive Playlist von ihm ren Protagonist weiss, dass Band «Dire Straits» vor der aus goutierbar. Die Essenz ma: Wohin mit Wut und gehört. er nicht mit dem Unrecht Veröffentlichung schon live dieser Band findet man aber Geilheit in diesen miefigen fertig werden kann, das er aufgeführt hat. für immer auf «If You Want Zeiten? Funktioniert auch yba. anderen zugefügt hat. Blood You’ve Got It». 2018 gut. yba. tl. ash. dhe. DIE ALTEN PLATTEN

Alice Cooper The Clash Queen The Jam Kris From the Inside Give 'em Enough Jazz All Mod Cons Kristofferson (Warner) Rope (EMI) (Polydor) & Rita (CBS) Coolidge Eine unruhige, überdrehte, Erschienen im November Das dritte Album folgt nur Natural Act aber wunderbare Platte. Unbestritten ist das 1979 1978, als siebtes Studio- 18 Monate nach dem Erst- (A&M) 1978 ist Vincent Furnier erschienene «London Cal- album in nur knapp über ling. Der Druck auf den 30 Jahre alt und mit seiner ling» das Meisterwerk von fünf Jahren, markierte 19-jährigen Paul Weller ist Was sich Kristofferson, Li- Glamrock-Kunstfigur Alice The Clash, aber das hätte es «Jazz» einen End- und zu- gross: Nach den guten Kri- teraturkenner wie Sex-Sym- Cooper am Ende, kreativ nie gegeben ohne «Give 'em gleich einen Angelpunkt im tiken der ersten LP sind die bol, mit dem Albumtitel wie gesundheitlich. Er hat Enough Rope». Auf dieser Schaffen von Queen. Nach Reaktionen auf die zweite «Natural Act» gedacht hat, sich verloren in seiner Büh- Platte wächst Mick Jones den wilden stilistischen gemischt. Doch Weller ge- werden wir wohl nie her- nenrolle und im Alkohol. vom talentierten Musiker Reisen der vorhergehenden lingt es, sich nicht nur aus ausfinden. Sicher ist: Das «Where’s my make-up, zum Gitarrenhelden, hier Platten glückte Queen hier einem Schreibstau zu be- dritte und letzte Duettal- where’s my face?», fragt er perfektioniert er seinen Stil ein Ereignis, das Kritiker freien, sondern mit Stücken bum mit Rita Coolidge lässt im Titelsong. Das Album der melancholischen Gitar- und Fans irritierte, für die wie «Down in the Tube Sta- die kommende Trennung verhandelt einen Entzug, renmelodien mit wenigen Musiker selbst aber be- tion at Midnight», «To Be erahnen, die zumindest nimmt uns mit in die Ir- Tönen, die Joe Strummers freiend wirkte. «Jazz» ist Someone» oder «Mr. Kristofferson hart getrof- renanstalt, in die Coopers Gesang so perfekt un- bis heute ein verwirren- Clean» zu einem der wich- fen haben muss: In «Lo- Frau den Sänger einwei- terstützen. Auch wächst des Album, mit dreizehn tigsten britischen Songwri- ving You Was Easier» und sen liess. Das könnte quä- die Band mit dem neuen Tracks, von denen viele mit ter zu wachsen. The Jam auch in «Please Don’t Tell lend klingen, ist aber oft Drummer Nick «Topper» den anderen zwölf nicht zählen sich schon von An- Me How the Story Ends» eher albern. Alice kämpft Headon zum kompakten viel gemeinsam haben. Im fang an nur am Rande zur kämpft er darum, nach dem mit Erektionen, wenn ihn Quartett. Dass auch Bas- Grunde ist es ein Album, Punkbewegung. Zwar be- sich abzeichnenden Ende «Nurse Rosetta» am Bett sist Paul Simonon riesige wie es perfekt in den Ver- schwört Weller auf dem ers- wieder eine Zukunft zu se- besucht. Er lauscht dem Fortschritte macht, hilft zu- wertungszusammenhang ten Album noch die Jugend- hen. «Natural Act» ist kein Liebesduett zweier Wahn- dem. The Clash können die der 2010er-Jahre passen revolte und singt auf dem typisches Kristofferson- sinniger («Millie and Bil- Stakkato-Rhythmen hin- würde: Die Songs sind weit zweiten von der modernen Werk. Kein Wunder: 1978, lie») und dem traumatisier- ter sich lassen und leisere wichtiger als das Gesamt- Welt, in der den Jungen als das Album erschien, ten Veteranen mit der Braut Töne anschlagen, wie etwa werk; es gibt zahlreiche niemand zu sagen braucht, war Rita Coolidge auf dem aus Vietnam («Jackknife auf Jones’ wohl schönster Nummern unterschied- was richtig und was falsch Höhepunkt ihrer Karriere, Johnny»). Musikalisch re- Komposition «Stay Free». lichster Stilrichtung, die ist. Nun aber weitet er den während Kristofferson mit gieren der Bombast und Der US-Produzent San- zum Hit taugen; die Spiel- Horizont auf den britischen Alkoholproblemen kämpf- der Musical-Schmiss der dy Pearlman – nicht der freude ist gigantisch, aber Alltag, den Klassenkampf te. Auf dem Album, das den Zeit, Co-Songwriter sind Wunschmann der Band, zugleich scheinen die Lie- und die Angst des Individu- nicht wirklich begnadeten der von Elton John geborg- sondern von der Platten- der von der Band stets auf ums, in der Masse unterzu- Sänger auf fast wundersa- te Bernie Taupin und Lou- firma CBS eingebracht – Aussenwirkung hin konzi- gehen. Dass The Jam nach me Weise als recht zuver- Reed-Gitarrist Dick Wag- macht den Sound der Band piert worden zu sein. Dass wie vor stark beeinflusst lässigen Harmoniepartner ner. Kritiker vermissen die cleaner, aber auch fetter. dies gut gehen konnte, liegt sind von der British Invasi- zeigt, spielten Musiker, die Radiohits, aber was «From Die Reise zu Studios in San darin, dass Queen sich mit on der 60er zeigt das Kinks- anschliessend Kristoffer- the Inside» ausmacht, ist Francisco und New York «Jazz» von den früheren Cover «David Watts». Das sons Live-Band den cha- Abgründigkeit. Hinter der prägt die Band weiter: Hier Manien freispielte: Nie war Trio schafft es aber, die rakteristischen Ton gaben, manischen Fröhlichkeit kommen sie mit Bo Diddley Freddie Mercury besser bei Energie des Punk mitzuneh- den man heute bei seinen lauert Schmerz. «How You zusammen, hier entdecken Stimme (hören Sie «Don't men und diese in melodiö- Solo-Auftritten so schmerz- Gonna See Me Now» und sie die schwarze Tanz- und Stop Me Now»!); nie mehr sere Bahnen zu lenken. Zu- lich vermisst: Billy Swan «The Quiet Room» gehö- Sprechgesang-Szene, deren kamen die grandiose Musi- dem legen The Jam erstmals («I Can Help») sang, Mike ren zu Alice Coopers besten Elemente später den Sound kalität und der Ehrgeiz in ein bisschen Humor an den Utley und Donnie Fritts Balladen. von The Clash prägen wer- ein besseres Gleichgewicht. Tag: Mit dem Titel nehmen waren an den Keys, Sammy den. Textlich wagen sich Die Kunst war wichtiger als sie die Mod-Revival-Szene, Creason trommelte, und dhe. Strummer und Jones aus die Pose, und das wollte bei als deren Vorreiter sie gel- an der Gitarre war Stephen dem sicheren europäischen Queen etwas heissen. ten, auf die Schippe. «All Bruton. Die Songs stammen Heim weiter in die politi- Mod Cons» steht für «All nicht alle von Kristofferson, sche Welt hinaus. Jimmy tok. modern conveniences» und sondern auch von T-Bone Jazz und die Sandinisten stammt aus einem Katalog Burnett oder den Mitmusi- grüssen aus der Ferne. für Haushaltsgeräte. kern.

rel. rel. sl. SZENE

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De Blaui Dino De Hopsi in Gfahr Nr. 28

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DamienUSA Jurado 3.11.2018 Einziges Konzert Palace St.Gallen in der palace.sg Deutschschweiz

AUF DEM KA 14. JU NZLE LI – 18 IAREAL . AUGU ST 20 18 xenix.ch / Wild, 2015/16 DIE NEUEN PLATTEN

Coeur de Masterystem Shannon Shaw Brownout Blaues Pirate Dance Music Shannon In Nashville Fear of a Brown Wunder En cas de tempête, ce (Phys Ed. Records) (Easy Eye Records) Planet Brich dir nicht mein jardin sera fermé (Fat Beats/Groove Attack) Herz (Le Pop Musik) Zum ersten Mal begegnete Im letzten Winter produ- (Kontinent Stimme) der Schreiber dieser Zeilen zierte Dan Auerbach das Die Teufelskerle aus Texas «Bei Sturm ist dieser Gar- dem Bandnamen Master- Debüt von Shannon and schlagen wieder zu: Nach Die Münchnerin Dagmar ten geschlossen» ist mög- system im Mai. Beim spät- the Clams. Beeindruckt Abstechern zum Schaffen Aigner ist eine bemer- licherweise ein seltsamer nächtlichen Channel-Hop- von der Stimmgewalt der von Black Sabbath lassen kenswerte Songwriterin. Titel für das neue, vierte ping war er bei der feinen Bassistin arrangierte er Brownout wieder die Flam- Zu Beginn der 90er-Jahre Album von Béatrice Mar- Musiksendung «Quay Ses- die Sessions für ein So- me des Latin-Funk lodern. begeisterte sie etwa mit ih- tin alias Coeur de Pirate. sions» von BBC Scotland loalbum. Begleitet von Natürlich verweist der rem experimentellen Werk Es stand wohl auf einem gelandet. Diese präsentiert Auerbachs Studioband Name des Albums auf Pub- «Lamourrr». In den ver- Schild, das die kanadische jeweils einen Künstler 30 sang Shannon Shaw ihre lic Enemy Klassikers «Fear gangenen Jahren war die Songwriterin in einem Pa- Minuten lang live, und melancholischen, von Un- of a Black Planet». Hip- ausgebildete Opernsänge- riser Park gelesen hat. Ein Mastersystem hauten ihn sicherheit und Selbstzwei- Hop-Elemente und urbane rin unter anderem Teil der Hinweis, den die Musike- glatt aus den Pantoffeln. feln geprägten Songs. Das Paranoia der 90er kombi- bavarikanischen Band Bee rin seither als Formel ge- Die Besetzung war klas- Resultat überzeugt. Hinter nieren Brownout mit dem Kini. Inzwischen bildet sie gen aufkommende Ängste sisch rockig, der Sound in- der Sängerin türmen sich aktuellen politischen Klima. mit dem Klangkünstler verwende, war zu lesen. tensiv und klassisch im Sin- opulente, dynamische Ar- Ihr «Planet» ist ein instru- Jochen Scheffter das Duo 2009 ist die damals grade ne von Grunge. Dennoch rangements, welche sich im mentaler Soundtrack, der Blaues Wunder. Dessen De- mal 20-Jährige erstmals in klang das in keiner Weise Opener «Golden Frames» aus dem Funk der späten büt «Brich dir nicht mein Frankreich aufgetaucht, retro oder nostalgisch – zu einem Crescendo von 70er schöpft, als satte Bass- Herz» ist ein feines Werk mit einem wunderschönen dazu steckte einfach zuviel Streichern, Chorstimmen, Grooves, Wah-Wah-Pedals mit deutschsprachigen Debütalbum. Druck und Inbrunst in der Piano und Glockenspiel in und Bläsersätze regierten. Songs, ja fast schon Chan- Drei Jahre später folgte Darbietung. Zwei Tage fast schon spectoreske Hö- Aus alten Versatzstücken sons geworden, das musi- «Blonde» und 2015 «Ro- später ging die Meldung hen schrauben. Spannend, kreieren Brownout einen kalisch zwischen Pop und ses». Auf Letzterem sang durch die britischen Medi- mit Liebe zum Detail gehts neuen, pulsierenden Sound. Experiment angesiedelt ist. sie auch auf Englisch, der en, der Sänger, ein gewisser weiter. Ob Shannon sich «I Don’t Wanna Be Called Wunderschön ist etwa das Versuch, den US-Markt zu , werde in «Cold Pillows» wälzt Yo N***a» wartet mit syn- sanfte «Mondlied», poppig erobern, scheiterte aber. in vermisst, man oder ein Teenager-Drama kopierten Rhythmen und «Dein Tag», und «Making Mit der neuen Platte kehrt befürchte das Schlimmste. à la Lesley Gore inszeniert, einem feurigen Gitarrenso- of Leben» kommt im sanf- die Frankokanadierin zum Die Vorahnungen sollten stets erinnern diese Pop- lo auf, wie es Dennis Cof- ten Tangotakt daher. Für Sound der ersten beiden Al- sich bestätigen: Hutchison Perlen an die Girl-Groups fey um 1970 kreiert hätte. «Hallo Lisa» hat Scheffter ben zurück. Und die zehn hatte sich das Leben ge- der frühen Sechziger. Trotz Auf «Prophets of Rage» hübschen Electropop aus- neuen Songs atmen wie- nommen. Mastersystem, so wechselnder Perspektive schlenkern Horn-Parts à la gesucht. Leonard Cohens der den Geist der frühen stellt es sich heraus, waren und Gefühlslage dominie- Tower of Power über einem «I Came So Far for Beauty» Werke. Etwa im Opener ein 2017 gestartetes Ne- ren Songs über den Lie- authentischen Drum-Beat. ist das einzige Lied mit eng- «Somnambule», den die benprojekt der Gebrüder besschmerz. Fleissig wer- Die Public-Enemy-Klassi- lischem Text und eines von Chanson-Piratin mit ihrer Scott und Grant Hutchison den subtile musikalische ker «Fight the Power» und zwei Coverstücken. Das leicht gepressten Stimme mit den Gebrüdern Lockey, Läckerli eingestreut: die «911 Is a Joke» erwachen andere, das traurige «Lied zum Piano in Moll und Justin (sonst bei den Edi- Mariachi-Trompete in «Le- zu neuem Leben – beide un- vom einsamen Mädchen», feinen Streichern singt. tors) und James (Minor ather Metal Steel», die ge- widerstehlich groovend und stammt aus dem deutschen Oder bei «Prémonition», Victories). Mastersystem zupften Streicher in «Fred- treffend in Szene gesetzt. «Horror»-Film «Alraune» der ersten Single, die etwas sind lauter und rockiger als dies ’n Teddies» oder die «Bring the Noise», mit sei- und wurde im Original von flotter ist. Das Album wur- die Stammbands der Mit- Stakkato-Perkussion zur nen Samples, Keyboards Hildegard Knef gesungen. de komplett in Paris auf- glieder, und man hat es vor- Ballade «Love I Can’t Ex- und Hochspannungs- Die Knef scheint auch eine genommen, und wir hören trefflich geschafft, den feis- plain». Shannon Shaw mag Rhythmen, klingt bedroh- der Inspirationsquellen von als Gast den kanadischen ten Sound der vielschichtig keine Dusty Springfield lich. Der Groove und die Dagmar Aigner zu sein. Rapper Loud auf «Dans krachenden Gitarren im sein, doch die Kalifornierin Schlagzeug-Breaks gehören Nicht die schlechteste Refe- la nuit». Ein sehr schönes Studio einzufangen. Die besitzt eine starke Präsenz zu den Highlights eines Al- renz. Ein exzellentes Chan- Album. Resultate sind ziemlich und eine Stimme, die mit- bums, dessen Tracks ohne son ist der Titelsong, der grossartig. ten ins Herz trifft. Und sie Worte eine fesselnde und das Werk beschliesst. tb. schreibt gute Songs. engagierte Geschichte er- hpk. zählen. tb. tl. tl. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Das war schon ein ziemliches Ereignis: Die Engländer ha- ben einen Fussball-Match mittels Penaltyschiessen für sich entschieden! Zum ersten Mal überhaupt. Im TV-Studio sprangen die Experten aus den Sitzen und hüpften herum wie einst die Sex-Pistols-Fans. Bei der BBC vergoss Altstar Gary Lineker Tränen. Beim Kommerzsender ITV, der sich ärgerlicherweise die Live-Rechte geangelt hatte, verfiel man Stephen Melody’s Marc Ribot’s in der Aufregung nicht auf die Idee, das Mikrofon von Ex- Malkmus & Echo Ceramic Dog Arsenal-Kicker Ian Wright abzuschalten, obwohl dieser im The Jicks Chamber YRU Still Here? Off höchst dramatisch gluckste, schneuzte, prustete und Sparkle Hard Bon Voyage (Soulfood Music) heulte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sich (Matador/MV) (Domino/Irascible) die Geschichte ein weiteres Mal wiederholt hätte und die Marc Ribot ist wütend. Kolumbianer als Sieger vom Platz getrabt wären. Es wäre Stephen Malkmus ist Pa- Vor sechs Jahren erschien Weil sich das politische und eine Orgie des Selbstmitleides sondergleichen losgebrochen. vement und wird es immer das Debüt der Französin soziale Klima in den USA Schliesslich – und das meine ich jetzt ohne Sarkasmus – hät- sein. Der grosse Unter- Melody Prochet. Und es verändert hat. Auf dem te dann nicht eine Fussballmannschaft gewonnen, sondern schied ist, dass er mit Pa- war fast schon allzu gut zu dritten Album seines Trios ein Haufen von hinterrücksligen Gangstern, die sich keiner vement in den Neunzigern hören, dass sie damals mit Ceramic Dog prangert er Finte zu schade waren, um den Vorteil an sich zu reissen. einen Sound prägte und Kevin Parker – dem Erfin- die Razzien der Grenzpat- Apropos Schlagzeilenpoesie: Auf dem Titel der Dienstags- nun einfach schöne Alben der der australischen Psych- rouille an und fordert eine ausgabe des Revolverblattes «The Sun» prangte ein gros- macht. «Sparkle Hard» Pop-Band Tame Impala – jüdisch-islamische Allianz. ses Bild von Goalgetter Harry Kane, daneben die Legende: sind grossartige Pop-Songs, liiert war, der ihr dann auch Ihm zur Seite stehen Shazad «(Wir) stehen der Nation gegenüber, die der Welt Shakira, in denen er seine ureigene gleich das Album produ- Ismaily am Bass sowie tollen Kaffee und, ahem, anderen Stoff gebracht hat – wir Ästhetik des Ungefähren, zierte. Nun, nach der kom- Ches Smith an den Drums. sagen: Go Kane!» Nonchalanten und Brüchi- plizierten Trennung von Musikalisch präsentieren In anderer Sache: Nostalgische Reunion-Shows und 80s- gen pflegt. Die Stücke wir- Parker, klingt Prochet weit sie ihren Protest als erfri- Partys sind nicht mein Ding. Sogar den diversen Come- ken klassisch, stehen aber eigensinniger: Sieben lange schenden Stilmix aus Punk, back-Tourneen der Incredible String Band blieb ich fern, immer leicht schief da und Songs singt und arrangiert Jazz, Funk und Pop: Auf nachdem ich mich bei der ersten Auflage aus lauter Enttäu- entwickeln sich auf unbere- sie auf «Bon Voyage» und «Personal Nancy» heult schung über den hölzernen Vortrag heillos hatte besaufen chenbare Weise, während präsentiert in diesen ver- Ribots Gitarre. «Pennsyl- müssen. Malkmus’ Stimme nach der schlungenen Liedern alle vania 6 6666», eine sar- Nun habe ich eine Ausnahme gemacht und bereue es in richtigen Note sucht. Gran- Tricks, die die Geschichte kastische Schilderung von keiner Weise. Microdisney aus dem irischen Cork waren diose Riffs und pathetische des psychedelischen Pop Intoleranz, wird als coole über die 80er hinweg ziemlich weit abseits vom Zeitgeist Refrains sucht man vergeb- so beinhaltet. Das klingt Latin-Jazznummer serviert. getrabt. Ihre Lieder waren so süffig wie doppelbödig. Dem lich – und doch sind die Me- esoterisch, exotisch und «Oral Sydney With a U» ist auf feine Harmonien getrimmten Gitarrensound von Sean lodien hinreissend und die herrlich verspult. Eine gute ein Noise-Funk-Instrumen- O’Hagan standen die oft bösen, immer schlauen Texte von Arrangements bewegend. Reise. tal, «Orthodoxy» ein psy- Cathal Coughlan gegenüber, der überdies mit einer so- Stephen Malkmus and the chedelischer Raga. «Fuck gleich erkennbaren Stimme ausgestattet war. Ihr grösster Jicks bewegen sich nach- bs. La Migra» klingt wie ein Moment, das Album «The Clock Comes Down the Stairs», lässig zwischen Indie-Rock, Teamwork der Beastie randvoll gefüllt mit traurig-schönen Geschichten aus dem Americana, Psychedelia, Boys mit Sonic Youth, «Ag- Alltag und lustigen Melodien, erschien bei Rough Trade, kosmischen Streichern und nes» ist purer Surf-Punk- stand dort aber im Schatten der boomenden Smiths. Zwei holprig zuckenden Rhyth- Wahnwitz. «Freak Freak weitere Alben kamen bei Virgin heraus, dann war die Luft men. Malkmus verwaltet Freak on the Peripherique» draussen. nicht das Pavement-Erbe, parodiert Disco, bevor O’Hagan mischte bei Stereolab mit und formierte High sondern geht voran, aller- «Rawhide» mit Vocoder, Llamas, Coughlan kreierte mit Fatima Mansions furiosen dings bewegt er sich in sei- Country- und Surf-Elemen- Rock mit Folk-Einlagen und nahm einige exzellente Soloal- ner eigenen Welt, nach sei- ten dem Sonnenuntergang ben auf. Dreissig Jahre nach der Auflösung kamen sie nun nen eigenen Gesetzen. Das entgegen treibt. In «Mus- wieder zusammen, für zwei Konzerte, eines in Dublin und musikalische Geschehen lim Jewish Resistance» eines im Londoner Barbican. scheint er wahrzunehmen, skandieren Ribot und seine Was diese Konzerte anders machte als die anderen Reunio- sich aber nur auf subtile Mitmusiker, wen sie zum ns? Erstens sollen es echte One-Offs bleiben, inszeniert zu Weise davon inspirieren zu Kotzen finden: Neonazis, Ehren eines bestimmten Momentes. Zum Zweiten sind die lassen – seine Versuche mit Faschisten, Jeff Sessions, Songs, die damals nicht im Trend lagen, auch heute nicht Autotune in «Rattler» sind Steve Bannon, Scott Pruitt im Trend und darum frisch wie eh und je. Drittens hatte so dezent, dass sie kaum und . In ei- man sich mit Stil und Sorgfalt auf die Konzerte vorbereitet. stören. Stephen Malkmus ner Zeit, in der Nationalis- Selten bis nie habe ich ein Publikum erlebt, das eine Band tut das, was er am besten mus und Unmenschlichkeit mit derart begeistertem Applaus beim Abgang begleitete kann: Perfekte Pop-Songs en vogue sind, brauchen wie an dem Abend im Barbican Centre. spielen, die perfekt sind, wir Künstler, die ihre Stim- weil sie unperfekt sind und me erheben. Hanspeter Künzler unfertig wirken. tl. cg. DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Dass im Blues vor allem in den 20er- und 30er-Jahren viel gesoffen und herumgehurt wurde, ist auf zahlreichen Com- pilations mit wüsten und witzigen Sex- und Stöhnsongs do- kumentiert. Dass aber auch weisse Hillbillys einen Unterleib hatten und ihn musikalisch in Szene zu setzen wussten, ist weniger bekannt. Doch liegt es auf der Hand: In abgelege- Various Artists RVG Kamasi nen und ärmlichen Landstrichen sind Schnaps und Sex die Le Pop 9 A Quality of Mercy Washington am freisten verfügbaren und billigsten Vergnügungen – vor (Le Pop Musik) (Fat Possum) Heaven and Earth allem in der Zeit einer grossen Wirtschaftskrise. Und genau (Young Turks/MV) das, Sex und Schnaps, besingen die «28 risque Hillbilly Der Untertitel «Au début» Die australische Band um Songs from the ‚30s» auf dem Sampler «Seh’s Selling What der jüngsten Compilation die Sängerin Romy Va- Seit er «To Pimp a Butter- She Used To Give Away» (Bear Family). der Kölner Trüffelschwei- ger, nach der die Gruppe fly» von Kendrick Lamar Erstaunlicherweise warnt kein Parental-Advisory-Sticker ne in Sachen französischer auch benannt ist – Romy geprägt hat, zählt der Sa- vor den expliziten Lyrics. Denn die haben es in sich – und Popmusik ist etwas irre- Vager Group, kurz RVG xofonist aus Los Angeles sind zu unserem Ergötzen im 52 Seiten starken Booklet ab- führend – immerhin ist –, veröffentlicht ihr über- zu den Jazz-Erneuerern. gedruckt. Allein schon gewisse Titel sind von kaum zu über- auch die gefeierte Band raschendes Debüt. Schon Nach dem Dreifachalbum treffender Unzweideutigkeit: «Tom Cat and Pussy Blues», Les Femmes hier vertreten. der erste Song ist packend, «The Epic» und der auch «Pussy, Pussy, Pussy», «Red’s Tight Like That». Aber auch Gleichwohl handelt es sich klingt er doch wie ein frü- nicht gerade kurzen EP hinter den unverfänglichen Titeln verbergen sich XXX-Tex- bei den auf «Le Pop 9» ver- hes Go-Betweens-Stück aus «Harmony of Difference» te. «She loves her daddy, because I’m long and hard» – mit sammelten Künstlern in der der «Send Me a Lullaby»- gehts bei Washington mo- diesem klaren Statement endet «My Sweet Farmer Girl». Mehrheit um Newcomer: Phase. Mit anderer Stimme numental weiter mit einem Diese weissen Sex-Songs werden in den Liner Notes des Chaton, Alexia Gredy oder natürlich. Wobei ich zuerst knapp zweieinhalbstündi- Herausgebers Tony Russell gut kontextualisiert. Russell Ali Danel werden auch dachte, es handle sich hier, gen Doppelalbum, das eine arbeitet den Einfluss schwarzer Bluessongs auf die weiss Spezialisten kaum kennen. der tiefen Stimme wegen, Verschränkung von allem swingenden Sex-Songs heraus, er unterscheidet die Lieder Oder Hollydays, die Sän- um einen Sänger. Anyway. Irdischen und Kosmischen je nach musikalischer und sexueller Spielform und scheut gerin, die hier mit ihrem Die Australier halten auch anstrebt. Das Fantastische sich nicht davor, auch den im gegenwärtigen «MeToo»-Zu- von R&B angehauchten auf den weiteren sieben ist: Es gelingt, weil Wa- sammenhang heiklen, da konsequent sexistischen Männer- French-Pop das Album Songs das hohe Niveau des shington und seine grosse blick auf das weibliche Geschlecht anzusprechen: Hure oder eröffnet. Schon mehr als Einstiegs. Wir hören tolle Band den weiten Erzählbo- Jungfrau – und kaum etwas dazwischen. Im Gegensatz zum vier Millionen Aufrufe hat catchy Indie-Pop-Songs, die gen nie aus den Augen ver- Blues, wo sich auch viele Sängerinnen mit ihrem und dem dagegen das Video zu «Je ihren Bezug zu den 80ern lieren – vom rebellischen männlichen Unterleib beschäftigten, durften das im weissen veux tes yeux» der 22-jäh- nicht verbergen. Neben den «Fists of Fury» bis zum Amerika offenbar nur Männer… Zu den wenigen Ausnah- rigen Belgierin Angèle, von Go-Betweens kommen mir Schluss mit dem heilenden men gehört die wie eine unschuldige Lolita klingende Betty der man sicherlich noch ei- auch die guten alten Cure «Will You Sing». Hier ist Lou, die Sängerin von Hartman’s Heart Breakers: «You let niges hören wird. Ätherisch in den Sinn. Weitere Ver- eine Musik zu hören, die me play with your little yo-yo, I’ll let you play with mine/ und mit karibischem Flair gleiche gefällig? Echo and tanzt, kämpft und wohl You got the weenie and I got the bun, let’s put ‚em together kommt «Canopée» des The Bunnymen, Triffids, auch die Welt befrieden boy, we’ll have some fun, now». Pariser Electro-Pop-Duo Psychedelic Furs. Jetzt Blut könnte. Und die Musik? Country, Western Swing, flott und be- Polo & Pan, während bei geleckt? Also unbedingt schwingt, lustvoll wird geklagt, geheult, geraunt, gebaggert, «De là-haut» der 22-jähri- reinhören. Der einzige Kri- bs. gewitzelt und gejodelt, als wäre die sündige Nacht endlos… gen Sängerin Pomme flotter tikpunkt: Das Album ist Die 20er und 30er waren in den USA offensichtlich verdor- French-Pop aus den Boxen mit 8 Songs und 30 Minu- bener als die späteren Jahrzehnte. Das gilt für die Grossstäd- perlt. Eine dieser typischen, ten recht kurz. Also gleich te wie für die Kuhdörfer, für das schwarze wie das weisse verhuschten Sängerinnen, wieder auf die Repeat-Tas- Amerika. Der explizite Verweis auf alle möglichen und un- die in der Le-Pop-Welt ger- te drücken. erlaubten Spielformen des Sexus wurden nach dem zweiten ne dominieren, ist Laure Weltkrieg in immer verschlüsseltere Metaphern verpackt. Darmon, eine Pariser Jura- tb. Besonders deutlich wird das auf einer weiteren aktuellen studentin. Jedenfalls ist das Compilation aus dem Hause Bear Family: «Banana Split. wieder mal ein grossartiger 33 Gems from the Good Old Summertime». Zwischen Sampler des Le-Pop-Teams vielen Sommerhits von Frankie Ford, Bobby Darin, Dean mit etlichen hörenswerten Martin oder Ritchie Valens stecken auch viele weniger be- Neuentdeckungen. kannte Songs aus den 50ern und 60ern, die aber so stereo- typ sonnig klingen, dass man sie automatisch für Evergreens tb. hält. Auch wenn es in den Eisdielen, an den Stränden, auf den Segelbooten und während der «Moonlight Swims» etc. immer auch um Sex ging und geht, wird er hier kaum be- sungen, nicht direkt jedenfalls – die 33 Songs verströmen trotz aufreizend knapper Sommer- und Bademode zumin- dest vordergründig eine geradezu unerträgliche Unschuld, und das macht diese Compilation so hinreissend.

Christian Gasser DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Wer würde auf dem Flohmarkt eine Single mit dem Band- namen Beaver & The Trappers (Modern Harmonic) nicht nur schon aus purer Neugier kaufen? Klar, es könnte auch eine Dixieland-Platte sein – ein Genre, in dem sich die Küntler mit grossartigen Songtiteln und angestreng- ter Musik täglich überboten. Mit dem Wissen, dass die- ser Song 1966 von Jerry Mathers, dem Hauptdarsteller Various Artists U2 Caroline Rose der Kinder-Serie «Leave it to Beaver», gesungen und von Boombox 3 At The BBC Loner seinem Filmpartner Richard Corelli eingespielt wurde, (Soul Jazz Records) (UM Sound) (New West) als diese in der High-School waren, würde man die Platte aber wohl im Staub liegen lassen – was ein grosser Fehler Ob man Queen mag oder Warum überrascht es «More of the Same» heisst wäre. Wissen und Neugier, beide haben hohe Quoten des nicht, ist unwichtig – man nicht, dass das erste Live- der erste Songs dieses Al- Versagens. So hilft also nur Reinhören. Und bereits nach muss aber anerkennen, album seit «Under a Blood bums der in New York dem Schlagzeug-Intro wäre man bereit, das Portemonnaie dass die Band mit «Ano- Red Sky» als Werbemit- wohnhaften Caroline Rose. zu erleichtern. Wenn dann noch Gitarren besten Garage- ther One Bites the Dust» tel von Universal Music Doch natürlich: Da ist vie- Punk spielen, kann man vergnügt den leicht angesülzten etwas ausgelöst hat, das nur bei Amazon und über les anders, als die Popsongs Hintergrundgesang geniessen. «Happiness Is Havin’» weit grösser ist als ihr Song: eBay veröffentlicht wird? landläufig gesungen wer- besingt mit leicht rotziger Stimme die Glücklichmacher Diese Basslinie ist ohne Seit der «Zoo TV»-Tour den. Den Lead übernimmt dieser Welt wie «blowin’ your mind», «spreadin a little Zweifel eine der meistge- 1992/1993 setzen U2 auf in «More of the Same» ein happiness my way» oder scheinbar auch «money». Dass klauten im frühen Rap. Live-DVDs und gegen- Geisterörgeli, die Rhyth- selbst die Teenager-Ballade «Misery» noch schwingen- Am explizitesten war Sugar wärtig auf Sammlereditio- musgruppe schlauft sich den Soul-Stil hat, lässt die Trappermütze goldig glitzern. Daddy, der sich gar nicht nen für die Mitglieder von ein, und Rose entfaltet aus Nein, Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften im erst die Mühe machte, den u2.com. Eine Woche nach der Desillusion, aus dem Fernsehen zu verfolgen, ist nicht mein Ding. Und so hät- Klau zu kaschieren: Sein Erscheinen von «Songs of Sarkasmus eine kämpferi- te ich mich damals auch niemals bestechen lassen mit Track heisst «Another One Experience» gaben U2 am sche Grundstimmung. Bei- einer Reise an die Winterspiele nach Salt Lake City. Für Bites the Dust». Aber auch 9. Dezember 2017 in den des – dieses Fragende in den ein Brain-Bagz-Konzert ebenda würde ich mich aber na- andere Funk-Hits erfreuten Abbey Road Studios für die Strophen und das fast Aus- türlich auf eine Reporter-Reise schicken lassen. «No sich bei den DJs grösster BBC ein einmaliges Konzert gelassene in den Refrains – Taste for Thriller» (Sex Tape) hat den New York Noise von Beliebtheit: Chics «Good mit Chor und klassischem zieht sich weiter durch ein Degreaser, den Pummel-Beat aus der Cavemen-Garage und Times», MFSBs «Love Is Orchester. Im Direktver- Album, das die Rockabilly- ein Fast-Free-Jazz-Saxophon, für das Steve Mackay alles the Message». Das verdeut- gleich mit Klassikern wie Etikette, die ihr bei ihrem geben würde, um seinem Sarg zu entfliehen. Schon lange licht «Boombox 3», die «With or Without You» Debüt vor vier Jahren noch wurde Gitarren-Feedback und Fuzz-Bass nicht mehr so an- mittlerweile dritte Ausgabe oder «Stuck in a Moment» angeklebt wurde, ganz läs- betungswürdig eingefangen. Ein weiterer Party-Höhepunkt von Soul Jazz’ Erforschung offenbaren die überprodu- sig in die Tonne wirft. Rose ist «Static Static». Wer seinen Barstuhl während diesen der Gründer- und Pionier- zierten neuen Songs ihre bläst in «Money» zum Pro- beiden Songs nicht komplett zerlegt und zerbröckelt hat, zeit des Rap. Auch «Boom- verkannten musikalischen test, schildert in «Jeanie kann diesen zu «Eyes of Night» wieder aufstellen und dar- box 3» entführt uns tief in Stärken und offensichtli- Becomes a Mom», was sich auf erschöpft, verwirrt, aber glücklich den Sonnenaufgang die Seitengassen der Bronx chen Schwächen. «One» bei einer werdenden Mut- verpassen. Erfreuliche Nebensache: die 30%-Frauenquote und Harlems und fördert gab es in den 90ern als Sin- ter alles ändert, und baut wird hier gar übertroffen. Unbekanntes und Verges- gle-B-Seite mit Streichern in «Soul No. 5» einen fre- senes zutage, das unseren und Bonus-Pavarotti. Der netischen und doch schön Philipp Niederberger Blick auf die Anfänge des BBC-Höhepunkt ist «Every verpeilten Indie-Popsong. Hip-Hop nachhaltig erwei- Breaking Wave» als Piano- «Loner» ist auch die Plat- tert. Diese Bands (denn hier ballade mit dezenten Strei- te einer Musikerin, die den sind vielfach noch Bands chern. Ebenso für Hüh- grossen Teil der Produkti- am Werk; die DJs setzten nerhaut sorgt «All I Want on gleich selber übernom- sich erst nach Grandmas- Is You», das wohl seit der men hat und ihre Songs ter Flashs Erfolg 1982 als Veröffentlichung 1988 zum mit kuriosen Sounddetails Namensgeber der Sound- ersten Mal live mit dem anreichert, aber nie über- systems durch) klauten Originalarrangement von frachtet. Eine schön frische Melodien und Basslinien, Van Dyke Parks eingespielt Platte. machten sich aber auch worden ist. Trotz manchem die besten Rhymes streitig Patzer in den letzten zehn bs. und zelebrierten in ihren Jahren haben U2 die von Vierteln grandiose Partys. der BBC gestellte Aufgabe Live: 14.7., Gartenfestival, Denn darum gings im Rap: mit Bravour gelöst. Café Kairo, Bern Nicht um Politik, nicht um Gangster, nicht um Bitches, yba. sondern um Selbstinszenie- rung, Battles und Partys.

cg. NACHTSCHICHT

Endzeit-Gospel mit Algiers Feiern mit Die Nerven

Das Fieber, es geht einfach nicht mehr weg. Die heisse Stirn ist mit kaltem Es geht hier zunächst mal um ein Lokal, das immer dann genannt wird, Schweiss bedeckt, der Herzmuskel pulsiert unkontrolliert, während hinter wenn man sich beispielsweise an die Grunge-Jahre zurückerinnert, damals, den geschlossenen Augenlidern düstere, grobkörnige Bilder aufflackern. im fernen 1991, als Pearl Jam tatsächlich im Winterthurer Club Albani ein Immerhin: Den zugehörigen Soundtrack gibt es bereits. Algiers haben ihn Konzert gespielt haben und im dazugehörigen Hotel auch grad nächtigten. geschrieben und ihn letzten Sommer mit dem Album «The Underside of Seither ging es weiter mit einem so vielfältigen wie ausgesuchten Konzert- Power» noch einmal weiter aufdatiert. Es ist «dystopischer Soul», wie ein programm, bis in die Gegenwart. Nun feiert das Albani seinen 30. Geburts- Musikkritiker einst den Stil der Band aus Atlanta, Georgia, umschrieb. tag. Einen guten Anlass, den Club an der Steinberggasse endlich mal wieder Man könnte weiter das Etikett «Endzeit-Gospel» anbringen, und auch zu besuchen, bieten beispielsweise die diesjährigen Winterthurer Musikfest- die immer mal wieder gezogenen Vergleiche mit dem apokalyptisch-be- wochen. Neben Rootwords oder KT Gorique aus der Romandie besuchen schwörerischen Werk Nick Caves sind durchaus gerechtfertigt. Im Studio während den Musikfestwochen auch die grossartig ungestümen Die Ner- gruppiert Sänger Franklin James Fisher die eigene Stimme gerne mal in ven das Albani. Mit dabei haben sie ihr aktuelles Album «Fake», auf dem verfremdeter Form um den Hauptgesang herum und vervielfacht sich so die Band um den Sänger und Gitarristen Max Rieger natürlich nicht «alles zum bedrohlichen Chor. Aber aus der angesammelten Düsternis dringt falsch» macht, wie einer der Songs heisst, sondern alles richtig. Also ähnlich eben auch immer wieder die Liebe zur flotten, tanzbaren Melodie her- wie die Booker des Albani. Auf weitere 30 Jahre, mindestens! (bs) vor. Dann rollt der Soul Train für einen kurzen, erhellenden Moment auf schimmernden Schienen über den Abgrund, in dem er anschliessend wieder 13.8., Albani, Winterthur verschwindet. Das ist insgesamt verstörend, aufwühlend – und nicht zu- letzt deshalb beängstigend schön. (amp)

18.7., Rote Fabrik (Sommerbühne), Zürich

Elvis sehen mit Protomartyr

Hellwach mit Parquet Courts Es war heiss, es war spät, aber rasch reinklicken in den damals neuen Clip von Protomartyr geht ja immer. Und dann blieb ich wie gebannt vor dem Jetzt tanzt diese New Yorker Band auch noch. Und zwar im Takt der Laptop sitzen, nicht unbedingt wegen dem Video zu «A Private Understan- Disco-Cowbells, die in den Achtzigern den Puls der Grossstadt vorgaben ding», sondern wegen diesem fünfminütigen Song, der mit punktgenau- und nun im Titelstück ihrer neuen Platte «Wide Awake!» selbst die tiefsten em Schlagzeug beginnt, unheimlich wird, wenn Joe Caseys Sprechstimme Schläfer aufwecken. Einer Platte, der man gar nicht anhört, dass hier der einsetzt und seine verschlungene Erzählung startet. Fünf Minuten dauert Retro-Trickser Danger Mouse an den Studioreglern sass. Ansonsten blei- dieses anschwelende Monster von einem Song, in dem die Verheerungen ben krawallierende Postpunk-Gitarren das prägende Element dieser so lus- nachklingen, die der Ruin ihrer Heimatstadt Detroit hinterlassen hat, in tigen wie cleveren Band. Das artet dann in eine Beinahe-Prügelei aus, wie dem auch Elvis auftaucht, bis Casey, der als anticharismatische Person gilt, Sänger Andrew Savage mit subversivem Humor in «Almost Had to Start a den Satz «She’s just trying to reach you» singt. Erlösung? Gibts keine. So Fight» berichtet, aber es geht auch ruhiger, versöhnlicher. Denn eigentlich wie auch auf dem Album «Relatives in Descent» nicht, das von «A Private geht es auch hier nur um Herzlichkeit und Zärtlichkeit. «But like power Understanding» eröffnet wird. «Humans are no good», erzählt ein vom turns to mold, like a junkie going cold, I need the fix of a little tenderness», Blitz getroffenes Pferd, aber immerhin: Es gibt Trost und Aufrüttelungen, singt Savage ganz am Schluss. Und genau diesen zärtlichen Schuss gibt die- dank diesem zernarbten Post-Punk, den derzeit nur diese Band spielen se fantastische Platte, die nun auf dem Bühnenboden des Bad Bonn betanzt kann. Kürzlich erschienen neue Songs auf der «Consolation E.P.» mit Gast- werden kann. Hellwach. (bs) sängerin Kelley Deal. Auch das ein Monster. Danke dafür. (bs)

17.7., Bad Bonn, Düdingen 21.8., Bad Bonn, Düdingen; 22.8., Mascotte, Zürich SZENE Atlantis_2016_Version_3_Atlantis_2016 26.01.16 18:18 Seite 1

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