Frank Jacob Gallipoli 1915/16
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Frank Jacob Gallipoli 1915/16 Frank Jacob Gallipoli 1915/16 Britanniens bitterste Niederlage Die Publikation des vorliegenden Titels in Open Access wurde durch die finanzielle Unterstüt- zung der Nord Universitet ermöglicht. ISBN 978-3-11-069467-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-069477-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-069482-6 Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell- Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Library of Congress Control Number: 2020945122 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Frank Jacob, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Für Marie-Louise und Maria-Theresia Inhalt Einleitung 1 Der Erste Weltkrieg und das Osmanische Reich 11 Gallipoli: Planungen, Landungen, Verzweiflung 33 . Die Planungsphase 33 . Das Scheitern derMarine und derFluch Gallipolis 44 . Die Landungsoperationen 53 . Die Suvla-Operation und die späte Einsicht 82 . Evakuierung und Ende 88 . Exkurs: Die französischen Operationen 101 Nach Gallipoli: der ErsteWeltkrieg im Mittleren Osten 105 . Kaukasus 106 . Ägypten und Palästina 109 . Mesopotamien 113 Gallipoli in der Erinnerungskultur 117 . Frankreich 118 . Großbritannien 120 . Australien 141 . Türkei 151 . Deutschland 171 Schlussbetrachtung 177 Quellen- und Literaturverzeichnis 179 Archivalische Quellen 179 Literaturverzeichnis 179 Personenregister 187 Ortsregister 189 1Einleitung … Epimetheus Dachteder Warnungnicht des Prometheus,nimmer zu nehmen Je ein Geschenk vonZeus, dem olympischen, sondern zurück es Wieder zu senden, damit nicht Unheil träfe die Menschen. Aber er nahm’sund merktedas Unheil erst,als er’shatte. Denn wohl lebtenzuvor aufErden die Stämme der Menschen Jeglichem Leiden entrückt und entflohn mühseligerArbeit, Fern vonder Krankheit Weh, das Todbringt sterblichen Männern. Schnell ja verfallen im Leiden die sterblichen Menschen dem Alter. Aber das Weib, vomGefäß abnehmend den mächtigenDeckel, Ließ sie heraus und bedachtemit düsteren Sorgendie Menschen. Einzigdie Hoffnungblieb in dem niemals wankenden Hause Unter der Mündung noch im Gefäß und konnte heraus nicht Flattern, da jene zuvordem Gefäße den Deckelnoch aufdrückt, nach dem Befehl des Kroniden, des aigistragenden Herrschers.¹ Die Schlacht um Gallipoli war Großbritanniens bittersteNiederlage des Ersten Weltkrieges, vielleicht sogar seiner gesamten militärischen Geschichte.Dabei glich die Kampagne doch ein wenigder mythologischen Büchse,die Pandora geöffnet und dadurch Leid überdie Menschheit gebracht hatte. Im Gegensatz zur mythischenSchilderung spielt die Hoffnungfür Gallipoli allerdings eine andere Rolle: Sie blieb nicht,wie in der griechischen Sage, eingesperrt am Boden des Gefäßes, sondern entfaltete eine geradezu verheerende Wirkung. Bis zuletzt ha- ben nämlich die Planer in London und die Soldaten, die im April 1915 aufder Gallipoli-Halbinsel gelandet worden waren, geglaubt,den Sieg gegenden os- manischen Gegner noch irgendwie erringen zu können. Wenn doch nur noch ei- nigeRegimenter oder größereMengenMunition für die Artillerie bereitstünden, werde man den Feind schlussendlich in die Knie zwingen. Diese Hoffnungerwies sich als trügerisch. Im Winter 1915/16wurde die Halbinselgeräumt und Groß- britannien, ja das gesamte Britische Empire musste sich eine Niederlage einge- stehen, die nicht nur am Bild des Empire nagen, sondern einigeKarrieren been- den oder zumindest unterbrechen sollte. Der Mannheimer Historiker Heinz A. Richter findet klare Worte, wenn er die Gallipoli-Kampagne als „ein ziemlich sinnloses Unternehmen“ charakterisiert.² Der britische MilitärhistorikerPeter Hart äußert seine Kritik noch wesentlich Hes. op. 85 – 99.http://www.gottwein.de/Grie/hes/ergde.php Richter,Krieg,S.278. OpenAccess. ©2020 Frank Jacob,publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziertunter der CreativeCommons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 License. https://doi.org/10.1515/9783110694772-001 2 1Einleitung harscher,wenn er sagt,dass die ganze Operation „ein Wahnsinn war,der nie erfolgreich sein konnte, eine Idiotie, die vonkonfusem Denken [ge]zeugt worden war.“³ Seiner Meinung nach war die Bombardierungder Befestigungsanlagen bei den Dardanellen, alsoden Meerengen, die dasSchwarze Meer vomMittelmeer und damitRusslandvon einer direkten Seeverbindungzuden Alliierten trennte, sowie die Landungvon Truppen bei Gallipoli ein „militärische[s] Abenteuer,d[as] einen einfacheren Wegzum Sieg suchte.“⁴ Die Pläne und deren Ausführung waren vonWunschdenken getrieben und professionelle Überlegungen zu Taktik und Strategie wurden nur unzureichend berücksichtigt. Während die Ereignisse für die politischenKarrieren vonMustafa Kemal (1881–1938) und Winston Churchill (1874 – 1965) entscheidend sein sollten, glich die Kampagne ausSicht der teilnehmenden Soldateneher einer „epischen Tra- gödie vonunglaublicher heroischer Ausdauer“⁵,denn die gelandeten Truppen mussten sich nicht nur der Angriffe des osmanischenGegners erwehren, sondern litten gleichzeitig unter den geographischen und klimatischenBedingungendes Kriegsschauplatzes. Ungeachtet dieser wenigenbekannten und vielen unbe- kannten Einzelschicksale gehören die Ereignisse vonGallipoli doch zu den bedeutendsten des Ersten Weltkrieges. Das Mittelmeer-Expeditionskorps (Medi- terranean ExpeditionaryForce,MEF) war im April 1915 in einergroßen Lan- dungsoperation an die Küsten der Gallipoli-Halbinsel gebracht worden, um von dort,nach neunmonatigem Ausharren, wiederevakuiert werden zu müssen.⁶ Logistisch stelltediese Aufgabe eine echte Herausforderungdar und ist deshalb bis heute Teil militärstrategischer bzw.militärtaktischerAusbildungen. Schließ- lich solltedie Landungsoperation als Präzedenzfall für die alliiertenLandungen in der Normandie1944 dienen, an dem sich die strategischen Planer und Ent- scheider des Zweiten Weltkrieges orientieren konnten. Ursprünglich waren die Zerstörungder Befestigungsanlagen an den Darda- nellen bzw.später die Einnahme der Halbinseljedoch nur Etappenziele, die zwar die Kontrolle der Meerengendurch britische Marine und Armee sichern sollten, eigentlich ging es den Planern im britischen Kriegsrat (WarCouncil)aber darum, das Osmanische Reich auszuschalten sowie ausdem Krieg zu zwingen, damit eine VerbindungzuRussland zu gewährleisten und den Krieg insgesamt zu verkürzen. Das Ziel der Operationen war Konstantinopel (dasheutigeIstanbul), allerdings solltedie Realität des Kriegsraumes derlei Vorstellungenschnell zunichtema- Hart,Gallipoli, S. vii. Ebd. Ebd. ix. Doyle u. Bennett,Geography, S. 12; Erickson, Strength, S. 981. 1Einleitung 3 chen.⁷ Der Erste Weltkrieg,der nicht zwingend, und das noch im Juli 1914, als unvermeidbar gelten muss,⁸ markiertnicht nur den Übergangvom langen 19.ins kurze 20.Jahrhundert,⁹ sondern stelltwie der amerikanische Historiker und Di- plomat George F. Kennan(1904–2005) festgestellthat,die „Urkatastrophe“ des 20.Jahrhunderts dar.¹⁰ Gerade das hundertjährigeJubiläum hat deshalb nicht überraschend eine Fülle an Literatur hervorgebracht,die sich mit den Ereignissen unter verschiedenen Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat.¹¹ Der Potsdamer Historiker JürgenAngelow hat die Forschungslage zum Ersten Weltkrieg treffend zusammengefasst: „ZumThema sind gewaltige ‚Materialschlachten‘ quellenba- sierter Forschung geliefert worden, deren wissenschaftlicher ‚Geländegewinn‘ von grundlegenden Erkenntnissen und Thesenbis hin zu kleinen Korrekturen und partiellen Einsichten reicht.“¹² Er betont gleichzeitig, dass „eine Auflistung und Systematisierung beinahe aussichtslos“¹³ ist,dass ungeachtet dessen aber bei einer Perspektivierung des Weltkrieges die Überwindungrein nationalhistori- scher Ansätze,also eine globale Perspektive angeraten ist.Schließlich „verspricht eine isoliertenationale Perspektive auf dieses welthistorische Ereignis, die ohne den transnationalen Vergleich oder die Einbeziehung globaler Tendenzen aus- kommen will, kaum mehr neue Erkenntnisse.“¹⁴ Eine intensivere Wahrnehmung solcher Zusammenhängehätte vermutlich den Verantwortlichen für die Planung der Gallipoli-Kampagne empfohlen werden müssen, da die Details oft hastig und deshalb meist schlampigvorbereitet waren. Der alliierte Planungsstabhatte zudem bloß ein geringes Verständnis der örtli- chen Gegebenheiten, z. B. was Klima und Terrain der Landungsgebiete betrifft, sodassbeispielsweise kaum akkurates Kartenmaterial für die Landenden zur Verfügung stand. Die eilends geplante Operationließ darüberhinaus kaum Zeit, ausreichend ExpertenmeinungenzuRate zu ziehen oder sich zuvorein einge- Carlyon, Gallipoli, S. 14. Angelow,Weg,S.7. Zum „langen19. Jahrhundert“ siehe Bauer,Jahrhundert. Kennan, Decline, S. 3. Genannt seien hier beispielhaft nur die sehr guten Beiträgevon Clark (Schlafwandler)oder das bereits 2010 erschiene Werk vonSegesser (Weltkrieg). Wenigergelungensind hingegen manche Arbeiten, die eher im Zuge des Medieninteresses und aufgrund der dadurch zu erwar- tenden Absatzzahlenentstanden zu sein scheinen,allerdings nicht aufausreichender Expertise bzw. Quellenkenntnis basieren. So zum Beispiel Münkler (Krieg). ZurKritik an diesem Werk siehe Müller (Rezension). Angelow,Weg,S.10. Ebd. Ebd. S. 12 4 1Einleitung henderesBild der eigentlichenOperationszone zu verschaffen.¹⁵