Ausgabe 01-02  2020 | Jg. 45 | EUR 5,00 02Z031460M I Wien 1010 Verlagspostamt P.b.b.

IKT

Trends 2020 Coverbild: istock/solidcolours | Coverbild: 2020: 2020: 

Wohin haben IKT Programme für 2020 geführt? Wie geht es weiter? OCG Journal Ausgabe 01-02 Ausgabe Journal OCG 45 Jahre OCG

Pressemeldungen zur Vereinsgründung

„„ links oben: Die Presse (20.2.1975) „„ rechts oben: Elektronische Re- chenanlagen (1975, Heft 2) „„ rechts: Communications of the ACM (1975, Number 7) „„ ganz rechts: Die Computerzei- tung (19.3.1975) „„ unten: PA - Der Privatangestellte (7/8, 1975) Editorial

Sehr geehrtes OCG-Mitglied, und Experten ermöglicht es uns, diese Leis- liebe Leserin, lieber Leser! tungen zu erbringen – daher möchte ich an dieser Stelle allen engagierten Mitkämpfe- Wir schreiben das Jahr 2020. Und auch wenn rinnen und -kämpfern Danke sagen. es uns allen als das Jahr der Covid-19-Pan- demie in Erinnerung bleiben wird, so hat Ein besonderes Anliegen ist die Förderung es für uns als OCG auch noch eine andere, von Kindern. Gerade die Coronakrise hat wichtige Bedeutung: Die OCG hat ab 2013 in wieder gezeigt, wie wichtig es ist, allen Men- Kooperation mit dem BMK in der Reihe IKT schen einen Zugang zu digitalen Medien Trends 2020 zahlreiche Tagungen organi- zu ermöglichen. Zahlreiche Webinare, die siert, um zu erörtern, in welche Richtung die Organisation des ECDL Europäischer Com- IKT gehen wird. Dazu finden Sie in diesem puter Führerschein im Schulbereich, Work- OCG Journal interessante Beiträge. shops zu Coding und künstlicher Intelligenz – all das trägt dazu bei, dass informatische Wir freuen uns auch erfreuliche Nachrich- Grundkenntnisse neben Lesen, Schreiben ten im Zusammenhang mit dem Heinz und Rechnen zur vierten Kulturtechnik Zemanek Preis berichten zu können: Heu- werden. Wir freuen uns sehr als Partner für er hat Alwin Zulehner diesen OCG Wissen- unsere Initiativen die Ministerien als Unter- schaftspreis für seine Forschung zu Design stützer zu haben. Gemeinsam wollen wir Automation für Quantencomputing ge- unseren Kindern die Möglichkeit zu einer wonnen. Der Zemanek-Preisträger Prof. Se- guten Zukunft geben, alle können digital fit bastian Forster hat einen ERC Grant (Euro- werden, dann können wir gemeinsam die pean Research Council) in der Höhe von 1,5 Herausforderungen der Zukunft meistern. Millionen Euro für seine Forschungstätigkeit im Bereich Big Data Algorithmen erhalten. Herzlichst, Ihr Als Krönung wurde , die ehe- malige OCG Präsidentin und Heinz Zem- anek Preisträgerin, die heute noch aktives OCG Vorstandsmitglied ist, zur Präsidentin der weltweit größten Computer Gesell- Wilfried Seyruck, Präsident OCG schaft – der ACM Association for Computing Machinery – gewählt. Wir gratulieren hier PS - Ich freue mich über Feedback und Ihr noch einmal ganz herzlich! Anliegen, Ihre Ideen und Wünsche, aber auch Ihre Kritikpunkte zur OCG. Schreiben Die OCG ist in zahlreichen Projekten ak- Sie mir an: [email protected] tiv, die an den unterschiedlichsten Stellen der Gesellschaft die IKT fördern. Das große Netzwerk an hervorragenden Expertinnen Inhalt

IKT TRENDS 2020

[ 10

News Schwerpunktthema: Wissenschaft & Innovation IKT Trends 2020 6 HZP an Alwin Zulehner 24 Vertrauen schaffen durch Heinz Zemanek Preis für Arbeit 10 IKT Trends 2020 Blockchain? über Quantencomputing Inhaltsübersicht und alle Termine Blockchain als Teil einer 7 Gabriele Kotsis ist ACM im Überblick komplexeren Infrastruktur Präsidentin 11 IKT der Zukunft und Trends 2020 Die Präsidentin der ACM kommt Forschungsförderung des BMK für aus Österreich Zukunftsthemen 8 Sebastian Forster im 14 Österreichische AI Strategie aus Kurzinterview Sicht der Wissenschaft ERC Grant an Heinz Zemanek Forderungen der ASAI zu einer Preisträger konkreten AI Strategie in Österreich 9 OCG ist Qualifizierte Stelle nach 18 Technologie in Zeiten der Krise dem NIS-Gesetz Mit Szenarien auf die Zukunft Zertifizierung von Betreibern vorbereiten wesetlicher Dienste 20 IoT am Ende des Hypes? Vertrauen als Voraussetzung für nachhaltige IoT Lösungen 22 Towards a better modelling of consent Big Data: Was tun gegen blinde Zustimmung?

4 OCG Journal | 01-02  2020 [ 26 [ 26

Coding & Robotics News & Internes Buchbesprechung 26 Wie begeistere ich mein Kind für 34 Stopp Corona-App - Ein nützliches 42 Auf dem Weg zur Protektion 4.0 MINT? Tool ohne Vertrauens Buchbesprechung Eltern bei der Technik-Vermittlung Neue Veranstaltungsreihe: OCG einbinden Think-Tank Webinar 28 Das Projekt ADA 36 Die erste Zemanek Lecture Algorithmen Denken Anders – ADA Computerpionier Heinz Zemanek 29 Ozobots erobern das wird mit einer Vortragsreihe geehrt Klassenzimmer 4.0 34 Streben nach Wissen: Pascal, Mini-Roboter unterstützt bei Modula und Oberon digitaler Grundbildung Interview mit Niklaus Wirth am 16. 32 abc - Activity Based Coding September 2019 in Zürich, Teil 2 Positionspapier der PH- 5 Impressum Oberösterreich

IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Computer Gesellschaft (OCG) Präsident: DI Wilfried Seyruck | Generalsekretär: Dr. Ronald Bieber Leitung der Redaktion: Dr. Ronald Bieber – DW 27 | Layout und DTP: OCG | Karin Hiebler | Lektorat: Katharina Resch-Schobel Kontakt: [email protected] | URL: www.ocg.at | Wollzeile 1, 1010 Wien | Tel.: +43 1 512 02 35-0 | Fax: +43 1 512 02 35-9 Fotos: Archiv OCG, Autoren, Privatarchive, istock, Barbara Lachner | Photosandmore.at Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, 2540 Bad Vöslau ISSN 1728-743X Das OCG Journal ist die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG). Inhaltlich wird das Journal in völliger Unabhängigkeit gestaltet und berichtet über die OCG Leitthemen Ausbildung und Qualität, Innovation und Start-ups, internationale Vernetzung und digitale Zivilgesellschaft. Unterstützt durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)

01-02  2020 | OCG Journal 5 Heinz Zemanek Preis für Arbeit über Quantencomputing

von Irina Scheitz

HZP an Alwin Zulehner

Mit seiner Forschung zu Design Auto- Der 30-jährige Alwin Zulehner be- schritte, die jüngst bei der physikalischen mation für Quantencomputing hat der schäftigt sich mit der Frage, wie mittels Realisierung von Quantencomputern Oberösterreicher Alwin Zulehner die informationstechnischer Methoden, erzielt wurden”, begründete Szeider die 19-köpfige Jury unter Vorsitz von Prof. Quantencomputer auch von Endanwen- Entscheidung der Jury. Stefan Szeider (TU Wien) beeindruckt der*innen und nicht nur in der theoreti- HeiSS umkämpftes und damit den mit 5.000 Euro dotier- schen Physik verwendet werden können. Forschungsgebiet ten, renommierten OCG Heinz Zemanek Er entwickelte Methoden für die Simula- Die Forschung zu Quantencomputern ist Preis der Österreichischen Computer tion von Quantencomputern sowie das aktuell eines der spannendsten Gebiete Gesellschaft gewonnen. Übersetzen von Quantenalgorithmen in der informatischen Wissenschaft. Im (Programmen) in einfache Befehle. „Der Zemanek Preis hat definitiv einen Gegensatz zu einem normalen Compu- großen Stellenwert für mich – allein „Die von Alwin Zulehner entwickelten Me- ter könnte ein Quantencomputer die schon durch die namhafte Liste der bis- thoden setzten neue Maßstäbe für die Si- komplexesten Problemstellungen in herigen Preisträger”, freute sich Zuleh- mulation und den Entwurf von Quanten- wenigen Stunden oder Tagen anstelle ner über die Auszeichnung. Dieser Preis schaltungen sowie deren Übersetzung von hunderten Jahren lösen – allerdings ist für viele Informatiker*innen ein erster auf reale Hardware. Die einzelnen Metho- vorerst nur theoretisch. Firmen wie Goo- großer Schritt in die Wissenschaftswelt den wurden als Open-Source-Implemen- gle, IBM oder Microsoft sowie zahlreiche geworden: Heuer hat Sebastian Forster, tierung veröffentlicht und werden nun Universitäten und Startups liefern sich der Preisträger von 2016, einen 1,5 Millio- von führenden Entwicklungslaboren von ein regelrechtes Rennen, um den ersten nen Euro ERC Forschungsgrant erhalten Quantencomputern (z. B. IBM) verwen- praxistauglichen und kommerziell ein- (siehe News, Seite 8) und Gabriele Kot- det. Die Ergebnisse der Dissertation wur- setzbaren Quantencomputer zu entwi- sis, die Preisträgerin aus dem Jahr 1996, den von der Wissenschaftsgemeinschaft ckeln. „Bisherige Ansätze zur Lösung von wurde zur ACM Präsidentin gewählt und mit großem Interesse aufgenommen. Sie extrem komplexen Problemen lieferten steht damit der größten Computergesell- sind auch von bedeutender Aktualität im eher unbefriedigende Resultate oder schaft der Welt vor. Hinblick auf die beeindruckenden Fort- benötigen viel zu viel Laufzeit. In meiner

Der Vorsitzende der Heinz Zemanek-Preis Jury, Stefan Szeider, TU Wien, konnte Alwin Zuleh- ner in einem Online-Meeting die Entschei- dung der Jury mitteilen, Screenshot: OCG

6 OCG Journal | 01-02  2020 News

Arbeit habe ich versucht, clevere Datens- an einem verwandten Gebiet. Da das In- „Ich hoffe auch, dazu beitragen zu kön- trukturen und Algorithmen anzuwenden stitut für Integrierte Schaltungen an der nen, weiteres Interesse an der Informatik bzw. zu entwickeln, die es erlauben, diese JKU freie Entfaltung und damit wissen- hervorzurufen und die Wichtigkeit dieses Probleme in vernünftiger Zeit zu lösen, schaftliche Neugier fördert, drangen Wil- Gebiets zu unterstreichen”, so Zulehner. beziehungsweise die bisher bekannten le und Zulehner immer weiter in die Welt Lösungen zu verbessern”, erklärt Zuleh- des Quantencomputings vor. ner. Der Informatiker erklärte, dass es eine Förderliches Forschungs- große Ehre sei, im eigenen Land für sei- umfeld an der JKU ne Leistungen ausgezeichnet zu werden An der Johannes Kepler Universität Linz und der Öffentlichkeit zu zeigen, was für (JKU) forschte Zulehner gemeinsam mit relevante und international anerkannte seinem Betreuer Professor Robert Wille Forschung in Österreich verrichtet wird.

ACM Präsidentin Gabriele Kotsis Foto: JKU Die Präsidentin der ACM kommt aus Österreich

von Katharina Resch-Schobel

Gabriele Kotsis ist ACM Präsidentin

Der weltgrößten Computergesellschaft dotiert. Prof. Kotsis möchte in ihrer Präsi- tung und Analyse solcher kooperativer – ACM Association for Computing Ma- dentschaft vor allem Problemlösungsori- Systeme. chinery mit rund 100.000 Mitgliedern – entierung der Informatik in den Vorder- Schon am Beginn ihrer Informatik-Lauf- steht seit 1. Juli 2020 mit Prof. Gabriele grund stellen. „Wir, sowohl als Scientific bahn hat Gabriele Kotsis nicht nur den Kotsis eine Österreicherin vor. Die Leite- Community als auch als Praktiker aus OCG Förderpreis, sondern auch den OCG rin des Instituts für Telekooperation an dem Bereich Computing-Machinery, Heinz Zemanek Preis für hervorragende der Johannes Kepler Universität Linz hat können Beiträge leisten, um die CO2-Pro- Dissertationen gewonnen und ist seither diese Wahl gegen eine mächtige Ge- blematik zu bekämpfen“, sagt sie in ei- der Österreichischen Computer Gesell- genkandidatin (Google-Vizepräsidentin nem Interview mit DerStandard. schaft treu geblieben. Viele Jahre hat sie Elisabeth Churchill) gewonnen. In Wien geboren studierte die Infor- als OCG Präsidentin mitgewirkt, die In- „Ich empfand bereits die Nominierung als matikerin Wirtschaftsinformatik an der formatik in Österreich zu fördern. Dabei große Ehre, mit der ich nicht gerechnet Universität Wien, wo sie 1995 mit Aus- war ihr immer auch besonders die Förde- hatte. Die Prominenz meiner Gegenkan- zeichnung promovierte. Nach ihrer Lehr- rung von jungen Frauen in der Informatik didatin von Google hatte in mir ehrlicher- tätigkeit an verschiedenen Instituten in ein großes Anliegen. Als Rolemodel und weise nicht so große Erwartungen auf Wien und Kopenhagen wechselte sie Mutmacherin setzt sie sich dafür ein, dass eine erfolgreiche Wahl aufkommen las- 2002 an die Universität Linz, wo sie 2007 Frauen den Schritt in die Welt der Technik sen. Umso mehr freue ich mich nun, dass bis 2005 Vizerektorin für Forschung war. wagen. Bis heute ist sie im OCG Vorstand ich als JKU Wissenschaftlerin und Öster- Sie steht dem Institut für Telekooperati- aktiv und fördert unter anderem als Vor- reicherin die erste, nicht-anglo-amerika- on der JKU vor, das die Kooperation von sitzende des OCG Förderpreis-Komitees nische Präsidentin sein werde“, so Kotsis. Mensch und Maschine im Fokus hat. junge Nachwuchswissenschaftler*innen. Die ACM ist vielen Menschen vor allem Dazu zählen Basistechnologien im Be- Die Karriere von Gabriele Kotsis macht wegen des Turing-Awards bekannt, der reich der vernetzten, verteilten und mo- allen Frauen Mut, sich auf das Abenteuer seit 1966 vergeben wird. Dieser Wissen- bilen Systeme, Middlewarelösungen und Informatik einzulassen. schaftspreis gilt als Nobelpreis der In- Anwendungsentwicklung aber auch Fra- formatik und ist mit 1 Million US-Dollar gestellungen der Modellierung, Bewer-

01-02  2020 | OCG Journal 7 ERC Grant an Heinz Zemanek Preisträger

von Ronald Bieber

Sebastian Forster im Kurzinterview

Zemanek-Preisträger Sebastian S. F.: Der Aspekt Gender Balance sollte Forster erhält einen ERC Grant. noch stärkere Aufmerksamkeit erhalten. Foto: Wolfgang Veigl Gerne auch in Form konkreter Hilfestel- lung an uns als Lehrende. Wie können wir beispielsweise das Informatikstudium für Mädchen und Frauen attraktiver ma- chen? R. B.: Welche Vision siehst du für 10 Jah- re? S. F.: Ich möchte natürlich weiter an an- spruchsvollen theoretischen Problemen forschen. Es gibt einige Beispiele von einfach zu beschreibenden Problemen, bei denen man fast nicht glauben kann, dass kein schneller Algorithmus bekannt ist. Zusätzlich möchte ich mich verstärkt dem Thema Wissenstransfer widmen, also zusätzlich zur reinen Theorie auch ein bisschen mehr die praktische Umset- Professor Sebastian Forster hat für sei- R.B.: Was würdest du dir von der Bun- zung im Auge behalten. ne Forschungstätigkeit im Bereich Big desregierung wünschen, um Informatik Data Algorithmen einen Grant des Eu- mehr zu fördern? R. B.: Wenn du einmal nicht Informatik machst bzw. Familie, gibt es noch ein ropean Research Council erhalten. Im S. F.: Das Thema Digitale Souveränität Hobby, das dich einnimmt? Interview spricht er mit OCG Generalse- muss endlich ernst genommen werden. kretär Ronald Bieber. Kritische digitale Infrastruktur kann nur S. F.: Ich habe kein einzelnes Hobby, in Ronald Bieber: Wie siehst du die Infor- dann in Österreich bleiben bzw. über- das ich all meine freie Zeit stecke, aber matik in Österreich in der Ausbildung in haupt hier entstehen, wenn das entspre- ich lese sehr gerne (z. B. Paul Auster) und Schule und an Universitäten? chende Know-how vorhanden ist. versuche mich manchmal an der Slack- line und beim Bouldern. Sebastian Forster: Die Informatikausbil- Letztendlich braucht es für die Forschung dung an den Schulen hat sehr starkes mehr Geld im System. Das gilt nicht nur Verbesserungspotential. An den Univer- für die Informatik, durch den Digitalisie- sitäten bieten, soweit ich das beurteilen rungstrend hat sich die Lage hier aber kann, die meisten Bachelorstudien eine in den letzten Jahren verschärft. Die Ein- Terminhinweis gute Grundausbildung, vor allem da in richtung einer neuen TU kann interessan- Am 9. Dezember 2020 ab 16:00 Uhr den letzten Jahren eine Orientierung hin te Impulse setzen, darf aber sicher nicht gibt es ein OCG Horizonte Spezial zu den Standardcurricula der GI und der der Weisheit letzter Schluss sein. Bayerns Webinar mit Sebastian Forster. ACM erfolgt ist. Bei der Forschung ergibt Hightech Agenda geht hier beispielswei- sich für mich eher ein gemischtes Bild. Ei- se viel, viel weiter. Die OCG Horizonte Spezial finden mit Unterstützung des BMK statt nige Forschungsgruppen sind aber defi- R. B.: Welche Wünsche hast du an die nitiv sehr stark und international sichtbar. OCG? Informationen: www.ocg.at

8 OCG Journal | 01-02  2020 News

Zertifizierung von Betreibern kritischer Infrastuktur

von Wolfgang Resch

OCG ist Qualifizierte Stelle nach dem NIS-Gesetz Die OCG Ist Quaste! Grafik Tassel making, Project Gutenberg/ Wikipedia Seit 6. Februar 2020 ist die OCG laut „Diese Cyber-Attacken Bescheid des Bundesministeriums für werden kommen und sie Inneres (BMI) offiziell Qualifizierte Stel- werden unerwartet kom- le (QuaSte), d. h. sie kann Betreiber we- men. Wir wissen weder sentlicher Dienste (BwD) im Bereich der wann noch wo.“ Jederzeit kritischen Infrastruktur gemäß NISG1 bestmöglich darauf vor- überprüfen und zertifizieren. bereitet zu sein, ist daher Das BMI hat die OCG als QuaSte für Pflicht für alle Betreiber technische und organisatorische Sicher- kritischer Infrastruktur- heitsmaßnahmen aller Kategorien be- einrichtungen. „Das NISG stätigt. Mit der Feststellung als QuaSte sorgt dafür, dass ange- wurde der OCG bescheinigt, dass sie messenen Sicherheits- Schon seit 2013 ist die OCG staatlich ak- über entsprechende Expert*innen mit maßnahmen ergriffen und erheblicher kreditierte Zertifizierungsstelle für die den notwendigen Kompetenzen als Prü- Störfälle gemeldet werden“, erklärt die ISO/IEC 27001 Norm und zertifiziert da- fer*innen verfügt und auch alle anderen OCG-Vizepräsidentin, die an der FH Ober- mit, dass Unternehmen ein wirkungsvol- vorgesehenen Kriterien erfüllt. österreich das Information Security Com- les Managementsystem für ihre Informa- pliance Center leitete. „Dass jetzt auch die Treffen konzertierte Hackerangriffe die tionssicherheit implementiert haben. Da OCG eine Zertifizierungsstelle für NISG staatliche Energie- oder Wasserversor- die Anforderungen der ISO 27001 einen ist, unterstreicht die Bedeutung dieser gung, das Gesundheitswesen, die Ver- großen Teil der Anforderungen lt. NISG unentbehrlichen Präventivmaßnahme.“ kehrsinfrastruktur oder das Bankwesen, schon abdecken, kann die OCG als Qua- können die Auswirkungen katastrophal Die EU hat dazu schon 2016 die NIS Richt- lifizierte Stelle den Betreibern wesent- sein. Dass diese Attacken kommen wer- linie erlassen, auf die nationale Gesetz- licher Dienste die NIS-Zertifizierungen den, steht für Cybersecurity-Expertin gebungen gefolgt sind. In der NIS-Ver- auch in Kombination mit einer ISO 27001 Ingrid Schaumüller-Bichl, Vizepräsiden- ordnung wurden dann die wesentlichen Zertifizierung anbieten! tin der Österreichischen Computer Ge- Dienste folgender Sektoren identifiziert: sellschaft (OCG), fest. Die EU hat mit der Energie, Verkehr, Bankwesen, Finanz- NIS-Richtlinie Vorgaben für die Cybersi- marktinfrastrukturen, Gesundheitswe- sen, Trinkwasserversorgung und Digitale cherheit kritischer Infrastruktur festge- Wolfgang Resch ar- Infrastruktur. Die BwD müssen – falls sie legt. In Österreich ist diese Richtlinie im beitet in der OCG im die in der Verordnung angeführten Kri- Netz- und Informations-systemsicher- Bereich Technik und terien erfüllen bzw. Schwellwerte über- heitsgesetz (NISG) umgesetzt. Alle davon Controlling, IT Securi- schreiten – als Betroffene nachweisen, betroffenen Unternehmen und Einrich- ty und Datenschutz. dass sie entsprechende Sicherheitsvor- tungen müssen eine NISG-Zertifizierung OCG intern leitet er kehrungen im Sinne des NISG getroffen durchlaufen. Diese ist jetzt auch durch die ISO/IEC 27001 haben. Diese technischen und organisa- die OCG möglich. Zertifizierungsstelle und ist Mitglied torischen Sicherheitsvorkehrungen müs- Dass Hacker auch staatliche Infrastruk- im Zertifizierungskomitee. Er vertritt sen für die Bereitstellung des wesentli- tur-Einrichtungen attackieren werden, ist die OCG bei Austrian Standards im chen Dienstes geeignete sein, dem Stand für Ingrid Schaumüller-Bichl keine Frage. Komitee 001 (Informationsverarbei- der Technik entsprechen und dem Risiko tung) und leitet die AG IT Security und angemessen sein. 1 Netz- und Informationssystemsicherheits- Datenschutz. gesetz

01-02  2020 | OCG Journal 9 IKT Trends 2020

IKT Trends 2020 war eine Eventreihe der OCG in Kooperation mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobi- lität, Innovation und Technologie (BMK, ehem. bmvit), das mit dem Programm IKT der Zukunft anspruchsvolle Innovation und Tech- nologieentwicklung fördert. In den IKT Trends 2020 zeigten hervor- IKT ragende Experten und Expertinnen Trends und zukunftsträchtige TRENDS Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich IKT aus verschiedenen Perspektiven auf. 2020

Auf den nächsten Seiten finden Sie dazu folgende Beiträge: S. 11 Lisbeth Mosnik, BMK: IKT der Zukunft und Trends 2020

S. 14 Vorstand der ASAI: Österreichische AI Strategie aus Sicht der Wissenschaft

S. 18 Ursula Eysin, Red Swan: Technologie in Zeiten der Krise

S. 20 Mario Dobrics, AIT: IoT am Ende des Hypes?

S. 22 Anna Fensel und Anelia Kurteva: Towards a better modelling of consent

Alle Termine im Überblick

IKT Trends 2020 - Kick-off IKT Trends 2020 - Data Scientist 22.01.2013 19.01.2016 Expert*innen: Moshe Rappoport, Microsoft Labor Zürich; Expert*innen: Stefanie Lindstaedt, TU Graz; Claudia Plant, Uni Manfred Troger, Gartner Österreich; Alexander Loisel, L.S.Z Wien; Alfred Taudes, WU Wien; Florian Daxböck, Microsoft Consulting - Loisel.Spiel.Zach GmbH; Reinhard Posch, TU IKT Trends 2020 - Automatisiertes Fahren Graz; Mario Meir-Huber 24.01.2017 IKT Trends 2020 - Elektronik aus Europa Expert*innen: Bernd Datler, ASFINAG Maut Service GmbH; 07.05.2013 Enkelejda Kasneci, Universität Tübingen; Martin Höfler, Expert*innen: Reinhard Ploss, Infineon Technologies AG; TTTech Auto; Dirk Helbing, ETH Zürich; Bernhard Hummel; Richard Hagelauer, JKU Linz; Alois Ferscha, JKU Linz; Wolf- Siegfried Reich, Salzburg Research FG mbH; Carsten Weber, gang Pribyl, Joanneum Research; Axel Freyberg, A.T. Kearney MHP Management- und IT-Beratung GmbH GmbH IKT Trends 2020 - IoT: Chancen & Risken IKT Trends 2020 - Big Data 24.01.2018 24.11.2014 Expert*innen: Radu Grosu, TU Wien; Josef Höckner, Fujitsu Expert*innen: Gabriella Kazai, Lumi.do; Lisbeth Mosnik, BMK; Technology Solutions ; Michael Werzowa, IOT Austria; Anna Fensel, STI Innsbruck; Stefanie Lindstaedt; TU Graz, Mario, Drobics, AIT Knowledge Technologies Institute-KTI; Claudia Plant, Uni IKT Trends 2020 - Artificial Intelligence Wien; Stefan Thurner, MedUni Wien; Silvia Miksch, TU Wien; 29.01.2019 Jochen L. Leidner, Thomson Reuter UK Expert*innen: Alexander Aigner, Harald Lampesberger und IKT Trends 2020 - Web Science Eckehard Hermann, FH OOE; Brigitte Krenn, OFAI; Simon 25.11.2014 Grabher, craftworks GmbH; Harald Leitenmüller, Microsoft; Expert*innen: Johann Höller, JKU; Thomas Lorenz, UFG Linz; Manfed Stadler, IBM; Ursula Eysin, RED SWAN e.U.; Sabine Axel Polleres, WU Wien; Birgit Pröll, JKU Linz Köszegi, TU Wien; Erich Prem, eutema GmbH; Stefan Woltran, TU Wien

10 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

Forschungsförderung des BMK für Zukunftsthemen

von Lisbeth Mosnik

IKT der Zukunft und Trends 2020

Zeitgleich mit dem Start der Veran- men von Horizon 2020 beteiligt sich das Interessanterweise ist der Rückfluss aus staltungsreihe IKT TRENDS 2020 rich- BMK gemeinsam mit den Mitgliedstaa- den EU-Rahmenforschungsprogram- tete das Bundesministerium für Kli- ten und der Europäischen Kommission men gerade in jenen Bereichen über- maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, an der Finanzierung von transnationalen durchschnittlich hoch, die BMK national Innovation und Technologie (BMK, Projekten im IKT-Bereich mit insgesamt schwerpunktmäßig unterstützt. Das sind ehem. BMVIT) die Forschungsförderung 100 Millionen Euro, von denen ein Drittel österreichische Stärken wie zum Beispiel im Bereich der digitalen Technologien durch österreichische Partner koordiniert Intelligente Datenanalyse, Automated mit dem Programm IKT der Zukunft neu wird. Um auf diese Ressourcen zugreifen Driving, Datenwirtschaft, Industrie 4.0, aus. Die Themen von IKT TRENDS 2020 zu können, ist es entscheidend, dass Un- Photonik, Sicherheit und Cyber Physical und Ausschreibungsinhalte von IKT der ternehmen und Forschungseinrichtun- Systems. Zukunft befruchteten sich stets gegen- gen zusammenarbeiten und sich vernet- Im Folgenden gehe ich beispielhaft auf seitig und drehten sich um Österreichs zen. Dies befähigt sie, auf internationaler die Bedeutung der Themenstellung der Stärkefelder wie Mikroelektronik, Auto- Ebene Höchstleistungen zu erbringen. einzelnen IKT Trends 2020 für das BMK matisiertes Fahren, Vertrauenswürdiges Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit ein. Internet der Dinge, Big Data und Künst- von großen internationalen Akteuren liche Intelligenz. und innovativen kleinen und mittleren 2013 - IKT Trends 2020: Elektronik aus Europa! Natürlich spielten im Sinne der Ziele der Unternehmen ein wesentlicher Bestand- Österreich verfügt über eine hochentwi- OCG die Wechselwirkungen dieser Tech- teil der Erfolgsformel von IKT der Zukunft. ckelte Elektronikindustrie mit einer star- nologien mit Mensch und Gesellschaft Die IKT Trends 2020 haben auch hierzu ken Position auf dem Weltmarkt. Eine quer durch alle Veranstaltungen eine mit OCG als Vernetzungsplattform einen wesentliche Rolle dabei spielen elektro- große Rolle. Die internationale Einbet- großartigen Beitrag geleistet. tung zählte als fester Bestandteil. Gleich zum Auftakt im Jänner 2013 freuten wir Bei den ersten IKT Trends 2020 im Jahr 2013 war Moshe Rappoport (im Bild 2.v.li.), ETH Zürich, zu Gast im Bild mit Michael Wiesmüller, Reinhard Posch, Alexander Loisel und Mario Meir-Huber uns über die Teilnahme des führenden Trendforschers im Bereich der IKT Moshe Rappoport des IBM Forschungslabors in Rüschlikon, Schweiz. Rückblickend aus dem Jahr 2020 aus be- trachtet, diskutierten wir gewiss Techno- logietrends, die die Welt verändern, in der wir leben. An diesem Transformations- prozess nahmen das BMK, die OCG ge- meinsam mit Österreichs Unternehmen und Forschungseinrichtungen aktiv teil. Seit 2013 veranstalteten wir sieben IKT Trends 2020. Während dieser Zeit stattete das BMK im Rahmen von IKT der Zukunft insgesamt 300 Kooperationsprojekte auf nationaler Ebene mit insgesamt 210 Milli- onen Euro an Fördermitteln aus. Im Rah-

01-02  2020 | OCG Journal 11 nikbasierte Systeme. Sie sind die Basis ECSEL wird in der Partnerschaft Key Digi- map: Conquering Data über Technologi- für aktuelle Schlüsseltechnologien und tal Technologies aufgehen. Weitere mo- en zur intelligenten Datenanalyse in Auf- machen Maschinen intelligent und er- numentale Projekte sind in Planung. trag. Diese Studie führte die Perspektive möglichen damit Industrie 4.0, selbst- der Technologie mit den Sichtweisen der 2017 - IKT Trends 2020: Auto- fahrende Autos, intelligente Infrastruktur Akteure aus Forschung, Industrie und matisiertes Fahren oder das Internet der Dinge. Wie innova- Öffentliche Hand zusammen. Es wurden Im Rahmen des Aktionsplans Automati- tiv und wettbewerbsfähig die heimische die Anforderungen an neue IKT in diesem siertes Fahren 2016-2018 „Automatisiert Elektronikindustrie ist, zeigt sich in den Bereich ermittelt und eine Auswahl der – Vernetzt – Mobil“ entstand die Austrian mit 150 Prozent überdurchschnittlich erwarteten Entwicklungen, Anforderun- Research, Development & Innovation Ro- hohen Rückflussquote aus dem EU-For- gen und Richtlinien vorgestellt. admap for Automated Vehicles . Mit IKT schungsprogramm Horizon 2020. der Zukunft leistete das BMK insbesonde- Hier nun ein Überblick über Maßnah- Ein Baustein in der Erfolgsgeschichte re mit der Förderung von 15 F&E-Projek- men, die vom BMK gemeinsam mit den der österreichischen Industrie ist, dass ten einen Beitrag zu Forschungsthemen Akteuren entsprechend den Empfehlun- das BMK bereits seit 20 Jahren moderne im Bereich 5G, Intelligenter Datenanalyse gen der Technologie-Roadmap „Conque- Elektroniktechnologien fördert. Der Start und elektronikbasierter Systeme. ring Data“ umgesetzt wurden. Die zahl- erfolgte mit dem Forschungsprogramm reichen Initiativen, die das BMK gestartet BMK schrieb 2017 das Leitprojekt für FIT-IT und der Förderung kooperativer hat, beziehen sich explizit auf die Ziele Photonische Systeme für automatisierte F&E in den Programmlinien Embedded des Programms IKT der Zukunft: Mobilität aus. Vor Kurzem startete das Systems und Systems on Chip. Unterneh- IKT der Zukunft-Leitprojekt „iLIDS4SAM“, Entwicklung von Leittechnolo- men und die Forschungseinrichtungen das ein Sinnesorgan für das sichere Fah- gien erhielten neben der Forschungsförde- ren der Zukunft entwickelt und dabei an Rund 100 vom BMK im Rahmen des Pro- rung die Chance sich zu vernetzen und kompakten Sensoren arbeitet, die auto- gramms „IKT der Zukunft“ geförderte wurden gleichzeitig national und inter- nomen Fahrzeugen ein 3D-Umgebungs- Projekte sowie das Leitprojekt Datamar- national sichtbarer. Österreich gelang bild liefern und Gefahren erkennen. ket Austria (DMA) entwickeln Technologi- es dadurch Themen auf die europäische en weiter, z. B. in den Bereichen Datenin- Forschungsagenda zu setzen. Dies setzte Das Leitprojekt Trustworthy IoT4CPS war tegration und -fusion, Machine Learning, mehre Steine ins Rollen: europäische Ko- 2018 mit „Trustworthy IoT for Industrial Wissensautomatisierung sowie der Effizi- operationen, mit anderen Mitgliedstaa- Applications“ Teil der IKT TRENDS 2020: enz von Algorithmen. ten und der Europäischen Kommission IoT: Chancen und Risken. Im IKT der Zu- gemeinsam finanzierte Forschungspro- kunft-Leitprojekt IoT4CPS werden Leitlini- Hochqualifiziertes Personal her- gramme, Riesenprojekte unter österrei- en, Methoden und Werkzeuge für sichere vorbringen chischer Koordination. IoT-basierte Anwendungen in den Be- Um dem Mangel an hochqualifiziertem reichen Connected Vehicles und Indus- Um 2013 startete das gemeinsame trans- Personal im Bereich der Datenwissen- try 4.0 entwickelt. Der Schwerpunkt von nationale Programm ECSEL - European schaften entgegenzuwirken und Lücken IoT4CPS liegt dabei auf der Entwicklung, Components and Systems for European zu schließen, wurde an der TU Graz 2018 Produktion und dem Betrieb von siche- Leadership. Österreich beteiligt sich sehr eine BMK-Stiftungsprofessur für Daten- ren Komponenten und Anwendungen erfolgreich an ECSEL. Österreichische management in Person von Prof. Mathias für vernetzte und autonome Fahrzeuge. Projektpartner sind in der Hälfte aller in Böhm eingerichtet. den ECSEL-Ausschreibungen der Jahre 2014, 2016 und 2019 - IKT Trends Reinhard Ploss, Infineon, referierte bei den 2014 bis 2016 geförderten Projekte vertre- 2020: Daten, Daten, Daten zweiten IKT Trends 2020 zu Elektronik in ten , etwa jedes dritte ECSEL-Projekt wird und Künstliche Intelligenz Europa durch einen österreichischen Partner ko- Und dann wären noch die ICT Trends ordiniert und etwa 50 % der IKT der Zu- 2020 rund um Big Data, Data Science, kunft-Projekte werden im Rahmen von Web Science und Artificial Intelligence. ECSEL gefördert. Genauso intensiv, wie sie uns im Rahmen Um 2013 entstanden Visionen rund um der ICT Trends 2020 beschäftigt haben, die Weiterentwicklung der Mikroelekt- widmeten sich die Ausschreibungen von ronik in Richtung der Silicon Austria Ini- IKT der Zukunft verstärkt diesen Themen. tiative, die durch gemeinsame Anstren- Der Schwerpunkt „Daten Durchdringen gungen 2018 insbesondere die Silicon - Intelligente Datenanalyse“ ist zweifels- Austria Labs – das europäische Spitzen- ohne das Kernstück im nationalen Teil forschungszentrum für elektronikbasier- von IKT der Zukunft. Jährlich investiert te Systeme - hervorbrachte. das BMK geschätzte 5 Mio. Euro in diesen In Kürze startet das neunte EU-Rahmen- Bereich. forschungsprogramm Horizon Europe. 2013 gab das BMK die Technologieroad-

12 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

Erreichen von Spitzenpositionen von Interessenvertretern in der Data Das ist eine beträchtliche Leistung – auch in Wettbewerbsmärkten und als Science Community - auf nationaler unter dem Aspekt des starken Wettbe- Forschungsstandort und internationaler Ebene - was auch werbs in H2020. Die Herausforderung ist Das BMK verbesserte die Vernetzung zu einem erhöhten Bewusstsein für die nun, auf diesem Niveau zu bleiben und auf Stakeholderebene erfolgreich durch österreichischen Fähigkeiten in diesem weiterhin die Vorreiterrolle zu halten. zahlreiche initiierte Konferenzen und Bereich geführt hat. Rückblickend gesehen, haben mir ge- Workshops. Zum Beispiel brachten ins- Die investierten Anstrengungen zur Eta- meinsam und mit Weitblick viel auf gesamt 3 einschlägige IKT Trends 2020 blierung des Datenmarktes Österreich Schiene gebracht, um auch in Zukunft gemeinsam mit der OCG Forscherinnen als österreichisches Datendienstleis- in den Bereichen der Schlüsseltechno- und Forscher aus verschiedenen wissen- tungs-Ökosystem haben großes interna- logien wie Mikroelektronik, Internet der schaftlichen und technologischen Diszi- tionales Interesse geweckt und den Weg Dinge, AI, dem Automatisierten Fahren plinen zusammen. Ein Höhepunkt war für zahlreiche Kooperationen zwischen und der Datenwirtschaft ganz vorne mit- sicherlich auch die Durchführung des den unterschiedlichsten Akteuren im zuspielen. Mit der Veranstaltungsreihe European Big Data Value Forum (EBD- Datenbereich geebnet. Eine große Her- haben wir zwar das Jahr 2020 erreicht. VF) im Rahmen der österreichischen Rat- ausforderung für die kommenden Jahre Jedoch gerade jetzt stehen wir wieder spräsidentschaft 2018 gemeinsam mit ist es, den Datenmarkt Österreich als ein vor alten und neuen Herausforderungen der OCG. effizientes und nachhaltiges Ökosystem und Änderungen. So wird uns der dra- Das IKT der Zukunft-Leitprojekt Datamar- zu manifestieren, das Forschung, Inno- matische Fachkräftemangel und die Be- ket Austria erhielt eine zentrale Rolle bei vation und Technologietransfer im Be- füllung der Transferlücke weiterhin stark der Zusammenführung von ForscherIn- reich der Intelligenten Datenanalyse in beschäftigen. Klimaschutz und Gesund- nen mit Datenprovidern. Darüber stärk- Österreich und auf internationaler Ebe- heit werden uns auf Trab halten, sowie te DMA die internationale Sichtbarkeit ne ermöglicht. Dazu müssen tragfähige die Frage, wie wir gemeinsam aus Krisen Österreichs im Bereich der Datenwis- Geschäftsmodelle ausgearbeitet und lernen. Für eine begrenzte Zeit sammelt senschaften, was zu zahlreichen interna- etabliert werden, sowie am Konzept der das BMK dafür Ideen und Lösungen auf tionalen Kooperationen führte, wie z. B. DIO-Datenkreise zum Beispiel zu Indust- popuphub.at. Diese aufregende Reise zwischen dem BMK und dem deutschen rie 4.0, Green Mobility Services, Gesund- geht also weiter und mit den Think-Tank Bundesministerium für Wirtschaft und heit, Land-und Forstwirtschaft weiterge- Webinaren der OCG, die sich aus der CO- Energie (BMWi). 2018 wurde das deut- arbeitet werden. VID-Krise entwickelt haben, gehen wir sche Förderprogramm „Smarte Daten- Österreich bringt nun diese Expertise diesen auch wieder gemeinsam mit der wirtschaft, AI und Datensouveränität“ des bereits in zahlreiche H2020-Projekte ein. OCG. deutschen BMWi für die Teilnahme ös- Das Interesse österreichischer Organisati- Danke an die OCG für die spannende und terreichischer Organisationen zur Bean- onen im Bereich Big Data gemessen an inspirierende Kooperation. tragung von Förderungen geöffnet. 2019 der Anzahl der Einreichungen nimmt er- öffnete das dt. BMWi die KI-Plattformen freulicherweise immer weiter zu. für österreichische Partner. Wie oben bereits erwähnt, ist die heimi- Um die Data Science Community in Ös- sche Forschung, Industrie und Wirtschaft terreich weiter zu stärken, wurde im Rah- grundsätzlich im IKT-Bereich des EU-For- Lisbeth Mosnik ist men des EBDVF im November 2018 die schungsprogramms H2020 sehr erfolg- stellvertretende Lei- Kooperationsplattform „Data Intelligence reich. terin der Abteilung Offensive“ (DIO, dataintelligence.at) feier- Schauen wir uns nun detailliert den The- „Schlüsseltechno- lich gestartet. menbereich Big Data/Dateninfrastruktu- logien für industri- DIO fungiert mittlerweile als Sprachrohr ren an, so sehen wir, dass der Anteil der elle Innovation: IKT, für die Daten-Community in Österreich österreichischen Rückflüsse - seitdem es Produktion und Nanotechnologie“ im und eröffnet im September 2020 ge- den Datamarket Austria gibt – von Jahr Bundesministerium für Klimaschutz, meinsam mit dem BMK den Dialog zur zu Jahr stetig am Wachsen ist: In der Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation EU-Datenstrategie in Österreich und er- H2020 Ausschreibung 2019 zu Daten- und Technologie (BMK). Sie steuert arbeitet Handlungsempfehlungen zur infrastrukturen erzielte Österreich eine das nationale Forschungsförderungs- potenziellen Unterstützung von daten- sagenhafte Rückflussquote von 11 %. Das programm IKT der Zukunft. Seit 2013 getriebenen Organisationen. Das BMK entspricht einem Rückfluss von ca. 450 %. leitet sie die österreichische Delega- lädt ein, an dieser Initiative aktiv teilzu- Von den insgesamt 9 von der EU geför- tion im Programmausschuss für das nehmen. derten Dateninfrastrukturprojekten gibt europäische Rahmenforschungspro- gramm H2020 ICT LEIT. Sie ist Mit- Das BMK war somit sehr erfolgreich bei es 6 Projekte mit österreichischer Betei- glied in einschlägigen Gremien, wie der Förderung des Informationsaus- ligung und 11 verschiedenen österreichi- zum Beispiel Future Internet Forum. tauschs zwischen und der Vernetzung schen Partnern. Foto: © Murhammer-Sas

01-02  2020 | OCG Journal 13 Forderungen der ASAI zu einer konkreten AI Strategie in Österreich

vom Vorstand der Austrian Society for Artificial Intelligence (ASAI)

Österreichische AI Strategie aus Sicht der Wissenschaft

Die letzte Regierungsumbildung und schungsstandortes erarbeitet und deren Das Ziel muss sein, die Entwicklung der AI COVID-19 haben zu einer Unterbre- zeitnahe Umsetzung gefordert, um die an den österreichischen Universitäten in ih- chung des 2018 initiierten Prozesses AIM Kompetenz Österreichs im Bereich der rer Gesamtheit und vollen Breite zu fördern. AT 2030 für eine AI Strategie für Öster- AI bzw. ML weiter zu stärken und vor al- Dazu ist ein fachlich breites und ausgewo- reich geführt. Daher wurden in den letz- lem den Forschungsstandort Österreich genes Maßnahmenbündel notwendig. ten beiden Jahren notwenige Akzente in der internationalen AI-Community, im 1. Internationale Vernetzung insbesondere in der Forschungsförde- Speziellen im Verbund der europäischen rung im Bereich des Machine Learning Netzwerke ELLIS1 und CLAIRE2, zu veran- CLAIRE + ELLIS Netzwerk (ML) und der Artifical Intelligence (AI), kern. Europa ist gerade dabei, sich für die AI Forschung aufzustellen. Österreich muss aber darüber hinaus auch in weiteren für Die Zusammenarbeit in der uniko Ar- hier eine maßgebliche Rolle spielen. Die Österreichs Digitalisierung relevanten beitsgruppe hat die unterschiedlichen europäischen Initiativen CLAIRE und Forschungsfeldern, im Gegensatz zum wissenschaftlichen Perspektiven auf das ELLIS haben beide die Stärkung der europäischen Umfeld, nicht gesetzt. breite Feld der AI in ihren Interessen für akademischen Forschung und deren er- Die aktuelle Revolution der AI, die dabei eine gemeinsame österreichische AI Stra- folgreiche Überleitung in die industrielle ist, unsere Welt in allen Lebensbereichen tegie vereint und in der Folge zu einer Anwendung zum Ziel, insbesondere soll zu verändern, wird bestimmt von einer Neuaufstellung der fast 40 Jahre alten die Formierung eines Netzwerkes von nie dagewesenen Geschwindigkeit der Österreichischen Gesellschaft für Artifi- akademischen AI-Forschungseinrichtun- Umsetzung von akademischer Grundla- cial Intelligence (ÖGAI) unter dem engli- gen in Europa dazu dienen: genforschung in unmittelbare Anwen- schen Namen „Austrian Society for Arti- dungen des realen Lebens. Die jüngsten ficial Intelligence (ASAI)“ geführt, welche „„ eine erstklassige Infrastruktur für Ereignisse rund um die durch COVID-19 die Interessen von ELLIS und CLAIRE glei- AI-Forschung (Rechenkapazitäten, ausgelöste Krise haben einen regelrech- chermaßen berücksichtigt. Im Hinblick Zugang zu Daten etc.) auf nationaler ten Boom in der erfolgreichen Durchset- auf die nunmehr kurz bevorstehende und europäischer Ebene zu etablieren zung von AI und ML Methoden im Be- Beschlussfassung der politischen Strate- und für das Netzwerk nutzbar zu ma- reich der Virologie und Epidemiologie, gie für die Digitalisierung und AI in Ös- chen; aber auch zum Beispiel der Wirtschafts- terreich bekräftigen wir als Vorstand der „„ AI-Zentren mit Drehscheibenfunktion forschung, ausgelöst. Dies zeigt die uni- ASAI die Forderung der zeitnahen Um- für die jeweiligen Länder und Regio- verselle Anwendbarkeit und Überlegen- setzung der bereits vor über einem Jahr nen zu etablieren; heit der zugrundeliegenden AI und ML von uns erarbeiteten Maßnahmen im „„ hochwertige Studiengänge und Technologien. uniko Positionspapier3 vom 17. Juni 2019. PhD-Programme mit AI-Schwerpunkt zu entwickeln und zu betreiben, sowie Gezielte Investitionen in Sach- und Perso- Die geforderten Maßnahmen gliedern junge Talente zu fördern; nalmittel der höchst aktiven AI Forschung sich in folgende drei Kernbereiche: „„ gemeinsame Forschungsprojekte sind eine tragende Säule jeder zielführen- 1. Internationale Vernetzung (Grundlagen, anwendungsorientiert, den nationalen (und supra-nationalen) AI 2. Nationale Vernetzung interdisziplinär) sowie Seminare und Strategie sein. Die Österreichische Uni- 3. Schaffung und Ausbau der Infrastruktur Workshops auf höchstem wissen- versitätenkonferenz (uniko) hat mit einer schaftlichem Niveau unter der Leitung spontan gegründeten Arbeitsgruppe 1 ellis.eu von führenden Persönlichkeiten aus bereits vor über einem Jahr ein Positi- 2 www.claire-ai.org diesem AI-Netzwerk zu fördern. onspapier mit konkreten und umfassen- 3 uniko Positionspaper zur AI Strategie AIM den Maßnahmen zur Stärkung des For- AT 2030 uniko.ac.at/modules/download. Beide Initiativen sollten auf europäischer php?key=20408_DE_O&cs=7367 Ebene von Österreich unterstützt wer-

14 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

Qualitätsstandards eine jährliche Finan- Austrian Society for Artificial zierung in der Größenordnung von ca. Bernhard Moser Intelligence (ASAI) 30 Mio Euro für ca. 10-15 Forschungs- und ist seit Februar Nachwuchsforschungsgruppen, die für 2020 Präsident der ist der neue englische Name für die die nächsten 10 Jahre gesichert werden Austrian Society für 1981 gegründete Österreichische muss. Dieser Betrag muss vom Standort Artificial Intelligence Gesellschaft für Artificial Intelligence Österreich aufgebracht werden. Dadurch (ASAI). Er ist Privatdo- (ÖGAI). wird es möglich, sich auf höchstem Ni- zent für Mathematik an der Johannes den, sowohl in ideeller Hinsicht als auch veau zu vernetzen, Attraktionspunkt für Kepler Universität Linz und Research materiell durch eine österreichische Zu- zukünftige PhDs und Forschende zu sein, Director am Software Competence stimmung zur Finanzierung der jeweili- und erhebliche zusätzliche EU-Mittel ein- Center Hagenberg (SCCH). Sein gen Projekte. Inzwischen werden die For- zuwerben. Interesse gilt den mathematischen Grundlagen der daten-getriebenen derungen des CLAIRE Netzwerkes von 2. Nationale Vernetzung Regierungen von 9 europäischen Län- und menschen-zentrierten AI. Er ist Intra- und interdisziplinäre Ver- Koordinator des FFG COMET Modu- dern unterstützt. Anlässlich der letzten netzung NeurIPS Konferenz, der bedeutendsten les “S3AI: Safe and Secure Shared AI Da in Österreich sowohl die universitä- internationalen Konferenz in ML/AI wur- by Deep Model Design” sowie des re AI-Forschung als auch die Unterneh- den die ersten 17 ELLIS-Units in einem H2020 ICT-38 Projektes “TEAMING. mensstrukturen kleinteilig gestaltet sind, internationalen Auswahlverfahren nach AI: Human-AI Teaming Platform for was zu unterkritischen Gruppengrößen wissenschaftlicher Exzellenz ausgewählt. Maintaining and Evolving AI Systems von Forschungsgruppen führt, ist für Ein erster Erfolg dieser Vernetzung in in Manufacturing”. eine unter den aktuellen Entwicklungen CLAIRE und ELLIS zeigt sich in der Ein- weiterhin erfolgreiche Spitzenforschung werbung von je 12 Mio Euro für die H2020 die Förderung von synergetischer Ver- ICT-48 Network of Excellence Projekte netzung dieser Gruppen von essentieller Georg Dorffner ELISE (ELLIS) und TAILOR (CLAIRE). Bedeutung. Wir fordern die Finanzierung leitet das Institut für ELLIS Institut eines nationalen AI Netzwerks zur koope- Artificial Intelligence Das Exzellenz-Netzwerk ELLIS (Europe- rativen Forschung und zum Aufbau und & Decision Support an Laboratory for Learning and Intelli- Austausch gemeinsamer Lehrprogram- an der Medizinischen gent Systems) vernetzt durch die bisher me, in denen die verschiedenen Stand- Universität Wien. Er ausgewählten 17 ELLIS-Units in Alicante, orte synergetisch und gezielt intra- und war in den 1980ern einer der Pionie- Amsterdam, Kopenhagen, Darmstadt, interdisziplinär an AI-Themen zusam- re in Österreich auf dem Gebiet der Delft, Freiburg, Helsinki, Linz, Lausan- menarbeiten können. Die mit der natio- Neuronalen Netze zum Maschinellen ne, Löwen, Oxford, Prag, Saarbrücken, nalen Expertise verfügbaren ausgezeich- Lernen und betreibt angewandte For- Tel Aviv, Tübingen, Wien (IST Austria) neten Voraussetzungen für Synergien schung auf diesem Gebiet mit einem und Zürich (ETH Zürich) die wichtigsten sollen nach erfolgreichen internationalen Schwerpunkt auf Signalverarbeitung Standorte Europas, an denen sich exzel- Vorbildern wie Irland oder Italien unter- in der Medizin. Er ist außerdem Curri- lente Forscherinnen und Forscher in den stützt werden, um ihr volles Potenzial zu culum-Direktor des Masterstudiums Bereichen Deep Learning und Machine entfalten. Dem irischen Beispiel folgend Medizinische Informatik. Learning befinden. Die erfolgreichsten schlagen wir ein Programm im Umfang und größten dieser Units werden dem- von etwa jährlich 15 Mio Euro zur Finan- nächst zu ELLIS Institutes entwickelt und zierung von ca. 100 Prae- und Post-Docs Thomas Eiter ist Pro- werden damit das Rückgrat dieser Exzel- für 10 Jahre vor. fessor für Wissens- lenz-Initiative bilden. Durch zahlreiche Diese Maßnahmen sollen in Österreich basierte Systeme wissenschaftlich hervorragend ausge- zumindest jenes Förderniveau für AI und an der Technischen wiesene Persönlichkeiten hat Österreich, ML garantieren, das andere Länder in Universität Wien. neben der ETH Zürich, der Universität Tü- Europa bereits aktiv betreiben. Seit den Seine derzeitigen Ar- bingen und Cambridge, ausgezeichnete ersten Diskussionen um die österreichi- beitsinteressen sind Wissensrepräsen- Chancen, einer dieser wenigen begehr- sche AI-Strategie wird von unseren euro- tation und -verarbeitung, deklarative ten Standorte eines ELLIS Instituts zu päischen Nachbarn und vergleichbaren Problemlösung und logik-basierte AI. werden. Im Sinne der Sicherstellung der Mitgliedsstaaten bereits massiv Geld in Er ist Fellow der European Association Exzellenz setzt ELLIS Qualitätsstandards die Hand genommen, die damit auch im for AI, korrespondierendes Mitglied sowohl für die wissenschaftliche Quali- inner-europäischen Wettbewerb weiter der Österreichischen Akademie der fikation der Mitarbeiter als auch für die Expertise und Schlüsselkräfte aus Öster- Wissenschaften sowie Mitglied der Ausstattung des Instituts. Ein vollwerti- reich abzuwerben drohen: Academia Europea (London). ges ELLIS Institut erfordert gemäß diesen

01-02  2020 | OCG Journal 15 „„ In Deutschland wurden von 150 ge- Learning, Symbolische / Logik-basierte AI, planten Maßnahmen der KI-Strategie Computer Vision, Data Mining, Language Wolfgang Faber des Bundes 2019 bereits 100 gestartet. Processing, Computational Neuroscience ist Professor für Se- Unter anderen werden momentan und Robotik) international hervorragend mantische Systeme bis zu 30(!) AI Humboldt Professuren, ausgewiesen. Für zukünftige Entwick- an der Alpen Adria dotiert jeweils mit bis zu 5 Mio Euro lungen und Herausforderungen für den Universität Klagen- vergeben.4 Des Weiteren wurde die Einsatz von AI-Technologien im täglichen furt. Seine Forschung Förderung für 5 universitäre AI-Zen- Leben der Menschen ist eine starke Zu- umfaßt: Logik-basierte Künstliche tren und eine Forschungsinstitution sammenarbeit dieser Forschungsberei- Intelligenz, Semantische Syste- verdoppelt und zusätzlich 15 weitere che wichtig. Um Synergien zwischen ein- me, Deklaratives Programmieren, bundesweite Fördermaßnahmen ge- zelnen AI-Wissenschaftsdisziplinen und Nichtmonotones Schließen, Planen, startet. Anwendungen zu heben, sind hier neben Komplexität, Ontologien, Deduktive „„ In den Niederlanden investieren allein existierenden Programmen wie AI-spezifi- Datenbanken; er ist Mitbegründer von Amsterdams Universitäten, als Teil ei- schen SFBs (Spezialforschungsbereichen) DLVSYSTEM s.r.l., einer Spin-Off Firma ner nationalen AI Koalition5, 300 Mio auch flexiblere Programme notwendig, der Universität von Kalabrien. Euro in AI in den nächsten 10 Jahren, um auch punktuelle, bilaterale Zusam- um 150 neue Professuren und PhD menarbeit von Spitzen-Forscher­Innen auf Günther Klambauer Stellen zu schaffen.6 nationaler Ebene sowie einen Austausch ist Assistenz-Profes- „„ In Frankreich sollen bis 2022 laut Prä- von Lehrinhalten zu ermöglichen. sor am Institut für sident Macron 1.500 Mio Euro in AI 3. Infrastruktur Machine Learning investiert werden. 2019 wurden vier an der Johannes „Interdisciplinary Artificial Intelligen- GPU-Cluster, geteilte Rechen- Kepler Universität ce Institutes“ (3IAs) gegründet. Insge- und Storage Infrastrukturen Linz und Leiter der Arbeitsgruppe für samt sollen 225 Mio Euro in 3IA-Projek- Um im internationalen Wettbewerb der AI in Life Sciences und gehört zu den te investiert werden.7 Weiters geplant AI-Forschung mithalten zu können, wer- führenden Wissenschaftlern in sei- sind zwei Calls für AI Projekte und Dok- den Rechenkapazitäten, insbesondere nem Bereich; für die Einführung von toratsprogramme zu jeweils 20 Mio GPUs (Graphikkarten-Cluster) benötigt, Methoden des maschinellen Lernens Euro. Um die AI Forschung anzukur- die die aktuellen Ressourcen der Uni- in der Molekularbiologie wurde er mit beln, soll das Budget der nationalen versitäten deutlich überschreiten. Junge dem österreichischen Life Science Förderungsagentur ANR um 100 Mio Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- Award ausgezeichnet. Er ist bekannt Euro erhöht werden. ler müssen sich ihre Positionen danach aussuchen, wo sie die Möglichkeit ha- für die Erfindung selbstnormalisieren- All diese Länder werben bereits zuneh- ben, ihre Forschung effizient zu betrei- der neuronaler Netze. Er ist Grün- mend talentierte Nachwuchswissen- ben. Derzeit ist das nur bei Google Brain, dungsmitglied der europäischen AI schafterInnen, die u. a. in Österreich DeepMind und anderen privaten For- Exzellenz-Initiative ELLIS. ausgebildet wurden, ab. Vergleichbare, schungsinstituten der Fall, wo die Verfüg- akzentuierte und konsequente Initia- barkeit von 1000 GPUs pro Wissenschaft- tiven werden daher auch in Österreich lerIn inzwischen Standard ist. Robert Legenstein gebraucht, nicht nur um internationa- ist Professor für le Kräfte von außen nach Österreich zu Die Einrichtung eines GPU-Clusters mit Artificial Intelligence holen, sondern vor allem auch um die ca. 10.000 GPUs (Größenordnung ca. 40 und Vorstand des etablierten exzellenten ForscherInnen in Mio Euro Anschaffungskosten), der ex- Instituts für Grund- Österreich halten zu können. klusiv für die akademische Forschung im Bereich des Deep Learnings – dem lagen der Informati- Einrichtung von synerge- Motor der aktuellen Revolution in der AI onsverarbeitung an der Technischen tischen AI-Leuchtturmpro- – zur Verfügung steht, kann diese Dis- Universität Graz. Seine Forschungs- jekten und Förderpro- krepanz verringern, sodass die vorhan- interessen gelten der Informations- grammen denen exzellenten WissenschaftlerInnen verarbeitung in biologischen und Österreichische Wissenschaftlerinnen und NachwuchswissenschaftlerInnen künstlichen neuronalen Systemen und Wissenschaftler sind in vielen Teilge- mit den Ergebnissen der internationalen und neuromorphic machine lear- bieten der AI (Maschinelles Lernen / Deep Community weiter mithalten können. ning; er ist am europäischen Human Flankierend ist die Finanzierung von wis- Brain Project (HBP) beteiligt und ist 4 www.humboldt-professur.de senschaftlichem Personal und von Trai- Koordinator des Chist-ERA Projektes 5 nlaic.com ningsmaßnahmen für Studierende not- „SMALL: Spiking Memristive Archi- 6 www.nrc.nl wendig, um eine breite Nutzbarkeit einer tectures for Learning to Learn“. Er ist 7 www.gouvernement.fr/en/ai-research-in- entsprechenden GPU-Cluster-Infrastruk- Gründungsmitglied der europäischen stitutes-established-in-grenoble-nice-pa- AI Exzellenz-Initiative ELLIS. ris-and-toulouse tur garantieren zu können; eine solche

16 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020 geteilte Infrastruktur für ML/Deep Lear- nachhaltig zu betreiben, und innovativ ning sollte idealerweise für alle Universi- stetig weiterzuentwickeln. Bernhard Nessler täten gleichermaßen zugänglich sein. Die ASAI begrüßt und unterstützt auch ist Universitätsassis- Daneben ist auch eine geteilte Cloud-In- Initiativen wie zum Beispiel die „Data In- tent am Institut für frastruktur zum Hosting großer For- telligence Offensive“11, die als Kristallisati- Machine Learning schungsdatensätze notwendig, um die onspunkt für ein wie von uns gefordertes im Team von Sepp synergetische (Wieder-)Verwendbarkeit Daten-Ökosystem dienen können, wir Hochreiter an der von Forschungsdaten allen Universitä- fordern aber gleichzeitig, dass in die Ent- Johannes Kepler Universität Linz; ten zu ermöglichen. Es ist erstrebenswert wicklung und Förderung eines solchen seine Forschungsthemen umfassen nach Möglichkeit an vorhandene natio- Daten-Ökosystems die akademische Deep Learning, Computational Neu- nale und internationale Infrastrukturen AI-Forschung aktiv eingebunden wird roscience. Er ist Leiter des Bereiches der Industriekollaborationen für und Initiativen wie etwa VSC oder der Eu- „„ als notwendiger Stakeholder, um der technische Anwendungen von Deep ropean Open Science Cloud (EOSC), die Forschung Zugang zu Echtdaten zu Learning und autonomer Robotik; er bereits von mehreren österreichischen verschaffen ist Gründungsmitglied der europä- Universitäten unterstützt werden, anzu- „„ als Entwickler innovativer Lösungen ischen AI Exzellenz-Initiative ELLIS knüpfen. für gemeinsam nutzbare, sichere und und Mitglied im ELLIS Coordination vertrauenswürdige Datenpools, Datenzugriff und Datenpools Committee (ECC). Sicherstellung der Verfügbarkeit von um nicht weiterhin statt dessen isolierte Daten für die Forschung durch Schaf- Datensilos unter der vollständigen Kon- fung geeigneter Datenpools bzw. Zu- trolle nicht-europäischer IT-Konzerne zu Axel Polleres ist griffsmöglichkeiten mit entsprechenden fördern, sondern einen Datenverbund Professor für Data Rechtsgrundlagen für deren Nutzung aufzubauen, der es tatsächlich ermög- and Knowledge sind essentiell. Dies beinhaltet sowohl licht, österreichischen Betrieben von Engineering an das Betreiben eines entsprechenden KMUs bis zur Industrie, gewinnbringend der Wirtschaftsuni- Daten-Ökosystems, dessen sich For- Daten untereinander und mit der For- versität Wien und scherInnen an Österreichs Universitäten schung auszutauschen, ohne die Daten- Vorstand des Instituts für Informati- bedienen und in dem sie sicher und un- hoheit dadurch aufgeben zu müssen. onswirtschaft. Er beschäftigt sich mit abhängig von Datensilos Daten auch mit Fazit intelligentem Datenmanagement wie Unternehmen austauschen können, als Im Zuge der jüngsten Entwicklungen zum Beispiel offenen Daten und Wis- auch Maßnahmen zur Nutzbarmachung im Bereich der AI gilt es zu verhindern, sensgraphen. Seit 2017 ist er Faculty von öffentlichen Daten – siehe z. B. die dass Österreichs Wirtschaft, aber auch Member des Complexity Science Hub Plattform Registerforschung8 – sowie die die ausgezeichnete österreichische aka- . 2018 hatte er einen Gastlehr- Förderung und Incentivierung von Un- demische Forschung, international ins stuhl an der Stanford University im ternehmen zur Open-Data Landschaft Hintertreffen gerät. Dazu hat die ASAI, Rahmen des Distinguished Visiting beizutragen, etwa durch einen öffent- als Vertretung der akademischen AI For- Austrian Chair Professors Programms lich verfügbaren Metadaten-Katalog von schung konkrete Forderungen, die auch inne, wo er u. a. mit dem Stanford nicht-öffentlichen Daten-Assets zur An- durch die uniko in ihrem Positionspapier Center for Biomedical Informatics Re- bahnung von Kollaborationen, beispiels- zur österreichischen AI Strategie bereits search (BMIR) zusammenarbeitete. weise auf einem der österreichischen vor über einem Jahr kommuniziert wur- Open Data Portale9. Ein besonderes Au- den. Untermauert werden diese Forde- genmerk kommt hier Daten in der Me- rungen durch den aktuellen Vergleich Stefan Woltran ist dizin zu, wo einerseits AI wesentlich zum mit internationalen Entwicklungen und Professor für Formal Erfolg der personalisierten Medizin bei- Aktivitäten. Einerseits müssen wir in den Foundations of Artfi- tragen kann, andererseits aufgrund der weiteren Aufbau der internationalen cial Intelligence am Sensitivität der Daten ein Zusammenfüh- Netzwerke CLAIRE und ELLIS investie- Institut für Logic and ren enorm erschwert ist (siehe dazu die ren, um hier weiterhin mitbestimmend Computation der TU Medizininformatik-Initiative in Deutsch- zu sein, andererseits aber müssen wir Wien. Seine Forschung untersucht die land10). Wie auch schon beim vorigen durch nationale Initiativen und vermehr- formalen Grundlagen logik-basierter Punkt sind flankierende Maßnahmen te Förderungen in Wissenschaft und In- Methoden der künstlichen Intelligenz, und Mittel, um entsprechende Plattfor- frastruktur unsere internationale Wett- insbesondere in Bezug auf Komplexi- men breit nutzbar zu machen (Trainings), bewerbsfähig sicherstellen, um Talente tätsanalyse und Algorithmus-Design. 8 www.registerforschung.at anzuziehen, anstatt diese zu verlieren. Er ist Fellow der European Association 9 data.gv.at (für Daten der öffentlichen Ver- 11 www.opendataportal.at (für offene Daten for AI und wurde 2013 mit dem FWF waltung), bzw. das Schwesternportal von Wirtschaft, Kultur, NGO/NPO, Forschung START Preis ausgezeichnet. 10 www.medizininformatik-initiative.de und Zivilgesellschaft)

01-02  2020 | OCG Journal 17 Mit Szenarien auf die Zukunft vorbereiten

von Ursula Eysin

Technologie in Zeiten der Krise

Die Post-Lockdown-Situation in Wuhan, verbreiten – so in der Art sah auch das uns jetzt konfrontiert sehen, zur Gefahr der Elf-Millionen-Einwohnerstadt am Ja- Worst-Case-Szenario in einem Zukunfts­ werden: rücksichtsloser Wettbewerb, ngtse-Fluss in Zentralchina, von wo aus szenario-Prozess aus, den ich gemeinsam Kurzzeit-Denken und Profit um jeden sich COVID-19 zu einer globalen Pande- mit einer sehr diversen Expertengruppe Preis haben ökonomischen Puffer be- mie ausbreiten sollte, sei eine Warnung 2019/20 für das das Bundesministerium seitigt und Unternehmen wenig bis gar für die Welt, schreibt das Wired Magazin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobi- nicht krisenfest gemacht. Das sehen wir in einem Artikel vom 24. April 2020. Über lität, Innovation und Technologie (BMK) auch jetzt: Obwohl die Welt durch glo- Alipay und WeChat, beides Apps, die von zum Thema „Next Generation Internet bale Märkte und digitale Technologien der chinesischen Regierung kontrolliert – The Internet for People 2040“ durch- stärker miteinander verbunden und von- und zensuriert werden, wird durch ein führen durfte. Wir nannten es das „Pri- einander abhängiger ist denn je, verhal- Ampelsystem der Gesundheitsstatus soners-Szenario“. War es dort ein großer ten sich einzelne Nationen, Firmen und jedes einzelnen bestimmt. Grün bedeu- Technologie-Gigant, der die Weltherr- auch Menschen rücksichtsloser als je zu- tet relative Bewegungsfreiheit, Gelb schaft übernommen und die Menschheit vor und machen einander in erbittertem oder Rot heißt Isolation in den eigenen erst unmerklich und dann immer vehe- Wettkampf selbst dringend benötigte vier Wänden. Der Status wird auch von menter durch seine Technologie kontrol- medizinische Hilfsmittel streitig. Als wür- Buschauffeuren und an Supermarktein- liert, eingesperrt und versklavt hat, so ist de jeder, wie im Lonesome-Cowboy-Sze- gängen gescannt. Die Behörden wis- es jetzt ein Virus, COVID-19, der das selbst- nario, in seiner eigenen selbstsüchtigen sen, dass die Technologie fehleranfällig bestimmte Leben der Weltbevölkerung Blase seine eigene Insel erschaffen und ist und Menschen mitunter auch falsch schlagartig verändert hat. könnte ohne die anderen überleben. Da- kennzeichnet werden. Dennoch wurde Der Szenario-Prozess hatte in keiner Wei- bei kann dieses Kartenhaus sehr schnell die Krise zusätzlich gleich genutzt, um se eine globale Pandemie vor Augen und zusammenbrechen. eine weitere technologische Anwen- die beteiligten ExpertInnen betrachte- Die Corona-Krise zeigt uns mehr denn dung, das KI-gestützte soziale Bonus ten dieses Extremszenario auch weit- je, wie wichtig Kooperation für das lang- System mit Denunziationslisten für Ab- gehend als Science Fiction. „Haben wir fristige Überleben der Menschheit ist. trünnige weiter auszubauen. Wer seine schon die Filmrechte dafür?“, scherzte Reisetätigkeit z. B. nicht selbst meldet, einer von ihnen bei der ersten Vorstel- wird von Nachbarn an die Behörden lung der Storyline. Zum Zeitpunkt der Sabine Köszegi und Ursula Eysin bei den IKT geliefert und ein Jahr auf einer digita- Szenario-Erstellung hätte niemand ver- Trends 2020 zum Thema Artificial Intelligence len Plattform an den virtuellen Pran- mutet, dass eine ähnliche Situation so ger gestellt. Isolation, Denunziation, schnell eintreten könnte. Klar war aber, Unterdrückung, Machterhalt um jeden dass ein Augenmerk auf Entwicklungen Preis und ein Rund-um-die-Uhr-Über- wie überbordende Überwachung durch wachungssystem, das die BürgerInnen Technologie, die psychologischen und der VR China bei jeder Bewegung im physischen Auswirkungen von Isolation Auge behält. Ich denke auch, dass das – nicht grundlos auch als Folterinstru- ein abschreckendes Beispiel und kein ment eingesetzt – und die Angstverbrei- Erfolgsrezept mit Vorbildfunktion oder tung über verschiedene Medien, gelegt eine Handlungsanleitung für westliche werden musste, sollten Anzeichen in die Demokratien sein sollte. Richtung dieses Szenarios deuten. Eine Welt, in der Technologie Menschen House of Cards rund um die Uhr überwacht, sich ein Auch ein weiteres der 4 entstanden Sze- Großteil der Weltbevölkerung in Isolati- narien, das Lonesome-Cowboy-Szenario, on befindet und traditionelle und sozi- zeigt Verhaltensweisen auf, die in wirkli- ale Medien Angst, Schrecken und Panik chen Krisen wie derjenigen, mit der wir

18 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

Große Herausforderungen können ein- zelne nicht alleine lösen. Mit Rücksichts- losigkeit und im Kampf gegeneinander können wir nicht bestehen, geschwei- ge denn eine wünschenswerte Zukunft schaffen. Unsicher ist, wie wir jetzt damit umge- hen. Als besonders signifikante kritische Unsicherheiten, in die viele andere Fak- toren hineinspielen, wurden im erwähn- ten Szenario-Prozess das soziale Gefü- ge (Social Texture) und das Ökosystem gesehen. Hinter Social Texture steht die Frage: Was ist uns wichtig, worauf legen wir Wert? Auf die Verbundenheit zu an- deren Menschen und ein gemeinsames Gestalten der Zukunft oder individuelle Abgrenzung und Isolation. Hinter dem Ökosystem steht die Frage: Wo sind die Ressourcen und wie wird ihr Entstehen und ihre Verteilung ermöglicht, um ein gutes Umfeld für Kreativität und Inno- vation, also Dinge, die gerade in einer Krise besonders wichtig sind, zu schaf- fen? Durch eine zentrale Autorität oder verteilt (distributed) und selbstverwaltet? Entlang dieser zwei Achsen – also Social Texture und Ecosystem – ergaben sich 4 Abbildung: Scenario-Cross „NGI – The Internet for People 2040“ Coypright ©Red Swan unterschiedliche Szenarien (siehe Abb. rechts). gien werden zum Wohl aller – nicht nur nomische Puffer, Staatliche Intervention Szenario 3 und 4 wurden schon als ziem- einiger weniger – genutzt. Sie verbinden und Digitale Gesundheit diskutiert wer- lich desaströs beschrieben. Aus Szenario Menschen, aber ohne Lock-in Systeme, den sollen, um gemeinsam aus der Krise 2, dem Worker-Bee Szenario, lernen wir, transparent und mit dem Recht auf die zu lernen, aktiv die Diskussion zu wichti- dass zu viel Konformität Kreativität und individuelle Datenhoheit. Kreative Ideen gen gesellschaftlichen Fragen zu eröff- Innovationskraft hemmt. Sie ist zwar ef- und Innovationen finden hier den idea- nen und neue Lösungen zu erarbeiten. fizient in der Massenproduktion und die len Nährboden. Innovationen entstehen Wer Ideen einbringen möchte, ist herz- Gesellschaft funktioniert wie ein gut geöl- unter Einbeziehung der Perspektiven lich dazu eingeladen. ter Motor oder ein emsiger Bienenstock, verschiedener Menschen und deren aber wirklich neue, disruptive Ideen ent- Details dazu auf popuphub.at. Wohlergehen. Nicht, weil eine zentra- stehen in diesem Szenario nicht. Eher Link zum Szenario-Bericht: www.bmk. le Autorität das bestimmt, sondern weil „More of the same“. Hier bedarf es mehr gv.at/themen/innovation/publikationen/ wir die Entwicklung von Menschen zu Freiheit und Empowerment für das Indi- ikt/scenario_report_ngi.html selbstbewussten Individuen, die sich aber viduum, sonst können keine nachhalti- gleichzeitig um das Wohlergehen ande- gen Innovationen geschaffen werden, die rer bemühen und gemeinsam auf die ge- uns aus Krisen hinausführen. Dabei geht meinsame Gestaltung einer wünschens- es nicht nur um Dinge wie Überregu- Ursula Eysin ist werten Zukunft setzen, ermöglicht und lierung, sondern auch gesellschaftliche Gründerin und Ge- gefördert haben. Die Entstehung flexib- Zwänge, die Menschen zur Konformität schäftsführerin von ler, kooperativ-kreativer Ökosysteme, in zwingen. Red Swan denen eine Vielfalt verschiedener Akteu- (www.redswan.at). Was sollen wir also tun? Das Connected re zusammenarbeiten, wird gefördert Mit Szenario-Prozes- Surfers Szenario ist eine Art Idealzus- und begünstigt. tand und weist den Weg in die richtige sen hilft sie Organisationen, Unge- Unabhängig von den Szenarien startet Richtung. Es ist eine Welt der freien, in- wissheit und Veränderung in einen das BMK jetzt einen Pop-up-Hub, in dem dividuellen Entscheidung, aber nicht auf Vorteil zu verwandeln. die Themen Distancing & Isolation, Öko- Kosten anderer Menschen. Technolo- Foto ©Richard Tanzer

01-02  2020 | OCG Journal 19 Vertrauen als Voraussetzung für nachhaltige IoT Lösungen

von Mario Drobics

IoT am Ende des Hypes?

Im Jahr 2018 haben wir im Rahmen dergrund. Standen zu Beginn noch klas- rungen zu simulieren, ohne dabei die An- der OCG Jahrestagung versucht, aus- sische Konsumgüter wie Medien oder lage selbst zu verändern. IoT liefert die Da- gehend vom neu gestarteten IoT Leit- Fahrzeuge im Vordergrund, gewinnt das ten, um dieses digitale Abbild in Echtzeit projekt IoT4CPS, aufkommende Ent- Konzept der geteilten Nutzung nun auch zu erstellen. So können Digitale Zwillinge wicklungen und Trends im Bereich im industriellen Umfeld an Bedeutung. auf Basis der mittels IoT gesammelten In- Internet-of-Things zusammenzufassen. So werden nicht mehr Anlagen und Fahr- formationen zur Analyse von Störungen Die wichtigsten Themen, aus dama- zeuge gekauft oder geleast, sondern die oder der Planung von Wartungsarbeiten liger Sicht, waren die zunehmende damit verbundenen Produktions- oder verwendet werden. Durchdringung aller Arbeits- und Le- Transportkapazitäten. Produzenten wer- IoT liefert den Treibstoff bensbereiche durch IoT, die damit ein- den zu Serviceanbietern. Im Mittelpunkt für wirksame AI hergehenden erhöhten Sicherheitsan- einer solchen Transformation steht die Der Einsatz von AI Methoden ermöglicht forderungen, sowie der zunehmende Fähigkeit des Anbieters, Verfügbarkeit unzählige neue Anwendungen. Im indus- Einsatz von AI und verteilter Systemar- und Leistungsfähigkeit seiner Produkte triellen Kontext steht dabei die Erhöhung chitekturen. garantieren zu können. Dazu braucht es von Qualität, Effizienz und Sicherheit im über den gesamten Lebenszyklus hin- Heute ist IoT bereits allgegenwärtig. Im- Vordergrund. Die dazu benötigten Daten weg ein umfassendes (digitales) Lagebild mer mehr Unternehmen nutzen die können mittels IoT in Echtzeit erhoben der Anlage. Dieses vollständige digitale durch IoT (und auch AI) entstandenen werden. Gleichzeitig ermöglicht es IoT Abbild der Anlage wird auch als digitalen Möglichkeiten, um ihre Prozesse zu ver- direkt in Prozesse steuernd einzugreifen Zwilling (Digital-Twin) bezeichnet. Digita- bessern und neue Geschäftsmodelle zu und damit die Ergebnisse aus den AI le Zwillinge ermöglichen es das Verhalten entwickeln. Auch die Sicherheit der Sys- Systemen direkt umzusetzen. IoT schafft von Anlagen zu analysieren und Verände- teme wird laufend verbessert. IoT ist so- somit die Brücke zwischen der realen mit gerade auch in der aktuellen Corona Krise zu einem zentralen Bestandteil un- serer digitalen Infrastruktur geworden. Damit haben sich aber auch neue Her- Mario Drobics war bei den IKT Trends 2020 zum Thema IoT zu Gast. ausforderungen ergeben, auf die wir in diesem Artikel näher eingehen wollen. IoT als Enabler neuer Geschäftsmodelle Um das volle wirtschaftliche Potential von IoT ausschöpfen zu können, bedarf es einer Anpassung der zugrundeliegenden Geschäftsmodelle. Hier liegen gerade im Bereich der industriellen Anwendungen große Potentiale, die jedoch eine umfas- sende Digitalisierung der Produkte (und damit einen umfassenden Einsatz von IoT) voraussetzen. Neue Geschäftsmodelle auf Basis von Sharing Modellen haben bereits wesent- lich zu einer Dynamisierung des B2C Marktes beigetragen. Nicht mehr der Besitz, sondern die Nutzung steht im Vor-

20 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

(physischen) und der digitalen (vernetz- physischem Schaden (safety), die Fähig- gemeinsam mit der deutschen Indust- ten) Welt und liefert damit die Basis für keit die definierte Leistung zu erbringen rie forcierte GAIA-X Initiative. Damit soll wirksame AI Lösungen. (reliability) und die Fähigkeit mit Störun- ein Datenökosystem geschaffen werden, 1 Das zuvor erwähnte Modell des digitalen gen umzugehen (resilience) . welches offen für unterschiedlichste An- Zwillings bildet die Basis für den Einsatz Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kön- wendungen und Hersteller ist. IoT kommt von AI Methoden zur verbesserten Steue- nen auch kritische Systeme vollständig dabei eine zentrale Rolle im Sinne der Da- rung von (Produktions-) Anlagen. So kön- digitalisiert werden. Dabei ist es aber es- tenbereitstellung zu. nen beispielsweise Materialabnützungen senziell die Rahmenbedingungen, in de- IoT hat sich damit zu einem wesentlichen frühzeitig erkannt und entsprechende nen dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, Werkzeug der digitalen Transformati- Wartungsarbeiten bedarfsorientiert an- genau zu definieren. on entwickelt, welches die Schnittstelle gestoßen werden. Auch die Einsatzpla- zwischen physischer und digitaler Welt Ausblick nung wird mittels erhobenen virtueller herstellt. Die durch diese Digitalisierung Es scheint also, als wäre IoT von einem und physischer Datensätze und den geschaffene Transparenz und Flexibilität Hype zu einem fixen Bestandteil unse- Einsatz von AI wesentlich erleichtert. So kann - gerade auch in Krisenzeiten - we- rer digitalen Infrastruktur geworden. Die liefern IoT Sensoren laufend Informatio- sentlich zu einer Erhöhung der Resilienz grundlegenden Funktionen sind verfüg- nen über den Standort und die Umwelt- von Liefer- und Produktionsketten beitra- bar und es existieren tragfähige Plattfor- bedingungen während des Transports gen. Damit dieser Wandel gelingen kann, men für die Nutzung von IoT im industri- und ermöglichen so eine optimale Inte- braucht es aber Vertrauen und ein offe- ellen Umfeld. Was bleibt noch zu tun? gration in den weiteren Produktionspro- nes (Daten-)Ökosystem. Dies bietet die zess. Darüber hinaus liefern IoT Sensoren Wie bereits ausgeführt, ist Vertrauen ein Chance für neue innovative Lösungen, wesentlichen Input zur Verbesserung der wesentlicher Baustein für erfolgreiche IoT die - auf den europäischen Werten auf- Produkte, da typische Nutzungsszenari- Lösungen. Dieses Vertrauen muss auf Ba- bauend - einen Mehrwert für die europä- en erfasst und umfassend analysiert wer- sis transparenter und nachvollziehbarer ische Industrie und Gesellschaft schaffen. den können. Die Voraussetzung dafür ist Informationen sichergestellt werden. Dies aber, dass den erhobenen Daten vertraut gilt sowohl für den privaten als auch den werden kann und mit diesen Daten ver- industriellen Bereich. Wer kann auf Daten trauensvoll umgegangen wird. zugreifen? Wie sind diese gesichert? Wie wird die Sicherheit über den Lebenszy- Vertrauen als Vorausset- klus des Produkts sichergestellt? Diese zung für nachhaltige IoT und viele weitere Fragen müssen vorab Lösungen beantwortet werden. Sonst droht im Falle Vertrauen spielt in unseren persönlichen eines Missbrauchs sowohl materieller und Beziehungen seit jeher eine zentrale Rol- finanzieller Schaden als auch ein Vertrau- le. Mit der zunehmenden Vernetzung in ensverlust in IoT Lösungen als Ganzes. Es dynamischen Netzwerken, gewinnt Ver- sollte somit im Interesse aller Beteiligten trauen aber auch im digitalen Kontext sein, hier entsprechende Regulatorien zu immer mehr an Bedeutung. Gerade an etablieren, die dieses Vertrauen schaffen der durch IoT eröffneten Schnittstelle und nachvollziehbar gestalten. zwischen physischer und digitaler Welt Damit einher geht die Entwicklung von ist dieses Vertrauen nicht mehr nur eine flexiblen Systemen, die IoT-/datenbasierte Mario Drobics leitet Frage des Datenschutzes, sondern viel- Services herstellerübergreifend ermögli- die Competence Unit mehr auch Basis für das Funktionieren chen. Durch einen sicheren und flexiblen Cooperative Digital kritischer Infrastrukturen und die Un- Austausch von Daten über Hersteller- Technologies am AIT versehrtheit der involvierten Akteure. grenzen hinweg, können neue Anbieter Austrian Institute of Vertrauen in solche cyber-physischen gezielt innovative Services entwickeln. Technology. Seine Systeme umfasst damit nicht nur die Ein Beispiel dafür ist die im letzten Jahr Forschungsgruppe beschäftigt sich Unversehrtheit der digitalen Daten (se- von der deutschen Bundesregierung mit verteilten resilienten Systemen curity) und den Schutz der Privatsphäre sowie Sicherheitsaspekte von industri- (privacy), sondern auch den Schutz vor 1 ISO/IEC 30141:2018 Internet of Things (IoT) – ellen IoT Lösungen. Reference Architecture

01-02  2020 | OCG Journal 21 Big Data: Was tun gegen blinde Zustimmung?

von Anna Fensel und Anelia Kurteva

Towards a better modelling of consent

Data sharing is not a new phenomenon. ties, namely a user and a company. But is CampaNeo’s main goal is to set up a With the current technological advance- this enough? The answer is no. Research platform for secure vehicle sensor data ments it is happening everywhere and has shown that most of the users are una- sharing between multiple entities. The at any time. But do we know which data ware of what it means to consent and the platform is to provide sensor data ana- is actually shared, with whom, where implications of giving it. Of course, there lysis and future predictions generated and for which purposes? For many ye- are users who are aware of the problem, with machine learning models. The sen- ars already, consent for data sharing has but external and internal factors may af- sor data are collected in real-time from a been addressed by both users and com- fect their judgement. With the boom dedicated fleet of cars of Volkswagen that panies. With the enforcement of the of social media more and more people are equipped specifically for the purpo- GDPR1 directive in 2018, however, user feel pressured to fit in, thus a culture of se. The smashHit project, funded under rights and data privacy have shifted into a “blind consent”4 has developed. Privacy H2020-EU.2.1.1 builds further upon the the focus of attention. In particular artic- policies are disregarded and almost never solution of the CampaNeo and provides le 142 of the GDPR directive which intro- read due to being too long, too complica- users and industry with a secure data duces the notion of informed user con- ted and written in a legal jargon, which is sharing platform. smashHit addresses sent and penalties for non-compliance. not aimed at the every-day user. All in all, consent, its representation and manage- Fines may add up to 10 million euros or GDPR calls for transparency at each level ment on a deeper level and has planned 2% of the company’s worldwide annual of the data sharing process: from the type to have a dedicated tool for automatic revenues (Article 833). Furthermore, the of data itself and processing applied to it contracting. issue of informed user consent is beco- all the way to the metadata and algorith- Both CampaNeo and smashHit address ming more and more prominent, espe- ms associated with it. Consent can be re- consent, but how exactly will a solution be cially in the current year of 2020, which quested via GDPR compliance forms but developed? In the past decade, seman- confronted us with a pandemic leading representing it in both machine-readable tic technologies, namely ontologies and to an adverse situation and many prob- and human-readable form is a challen- knowledge graphs, started to gain broad lems. More often than ever people are ge. How do we make sure that users un- real-life adoption. Due to their ability to asked to share personal information derstand what actually happens to their represent knowledge in human-readable with authorities (e.g. location tracking, data? Who has access to the data and and machine-readable format, interoper- health information), which is then analy- who has not? ability, faster and easier knowledge disco- sed and shared with third parties. All this Research is on the rise and solutions very, big companies such as Google have leads to a major shift in all sectors that using machine learning and artificial built knowledge graphs and integrated depend on data sharing. intelligence are in development. For ex- them in their systems. This is also the Some of the major challenges many com- ample, such work is currently being done case with the CampaNeo and smashHit panies encounter during this adjustment in the FFG CampaNeo5 and Horizon 2020 projects, whose data models are repre- period to GDPR are representing and ma- smashHit6 projects partnered by the Uni- sented as knowledge graph. In both pro- naging consent. Representing consent versity of Innsbruck. jects, consent is one of the main priorities can be looked at from many perspectives. and will be represented with a carefully From a technological point of view, con- 4 A. Bechman, Non-informed Consent Cultu- crafted ontology. Several ontologies for sent is an agreement between two enti- res: Privacy Policies and App Contracts on consent, such as the CDMM Consent On- Facebook, Journal of Media Business Studies 1 gdpr-info.eu 11 (1): 21-38, 2014 2 gdpr-info.eu/art-14-gdpr/ 5 projekte.ffg.at/projekt/33146680 3 gdpr-info.eu/art-83-gdpr/ 6 www.smashhit.eu

22 OCG Journal | 01-02  2020 Schwerpunktthema: IKT Trends 2020

Abb.: Fensel/Kurteva

tology7 and GConsent8 have already been real-world. Infotripla9 and Forum Virum implication and user rights. Here the se- developed in the past and even though Helsinki10, two of the main industry part- mantic technology can provide better they have detailed representation of con- ners in smashHit, have provided several modelling solutions.. sent according to GDPR, there are limit- use cases based on real-world challenges ations. In most cases, the ontologies re- that they have encountered since the Anna Fensel is As- present the notion of consent but do not acceptance of GDPR in the smart city sociate Professor at provide information about which data domain. In addition, Volkswagen11, Atos12, Semantic Technolo- consent is required for, for which purpo- LexisNexis13 and the X/OPEN Company14 gy Institute Inns- ses, i.e. handle data granularity in a res- provide their expertise in the areas of bruck, Department tricted way, especially for the sensor data, mobility, digital transformations, and in- of Computer Science, and are not able to handle consent state surance. University of Innsbruck, Austria. She changes. With smashHit and CampaNeo In conclusion, the expansion of the In- has her habilitation and her doctoral we aim to overcome these limitations by ternet of Things has allowed connecting degree in Computer Science from the reusing several ontologies from different everyday devices to a network that can University of Innsbruck, and a Mathe- areas (finance, business, legal, technolo- be accessed at any time and has defined matics and Computer Science degree gy, engineering, mobility) and to build a data as a new currency. Informed user from Novosibirsk State University, complete solution that focuses on con- consent is not only expected but also Russia. sent, users, data, processing. Third-party obligatory for GDPR compliance and the organizations thus provide full transpa- user acceptance of the technology. Insti- rency of the data sharing process. tutions should focus on raising awareness Anelia Kurteva is The diversity of partners in the smashHit as well as on informing about possible working at Semantic project allows for the unique opportunity Technology Institute of testing the developed solution in the 9 www.infotripla.fi (STI) Innsbruck. Her 10 forumvirium.fi/en/frontpage-2/ focus is knowledge 7 www.w3.org/community/dpvcg/wiki/CDMM_ 11 www.volkswagenag.com/ representation and Consent_Ontology 12 atos.net/en/ visualisation in the area of data gover- 8 openscience.adaptcentre.ie/ontologies/ 13 www.lexisnexis.com/en-us/gateway.page nance and privacy for smart cities. GConsent/docs/ontology 14 www.opengroup.org/unix®-systems

01-02  2020 | OCG Journal 23 Blockchain als Teil einer komplexeren Infrastruktur

von Nicholas Stifter

Vertrauen schaffen durch Blockchain?

Der Begriff „Blockchain“ wird mehr als beispielsweise mögliche Angriffe gegen- knüpfen, kann dies zu einer Vielzahl an zehn Jahre nach der Veröffentlichung über Bitcoin und ähnlichen Protokollen möglichen Angriffen und unerwünsch- des Bitcoin-Whitepapers noch immer bekannt, die etwa durch das Zurückhal- ten Nebeneffekten führen. So sollten die primär mit Kryptowährungen assoziiert. ten von Informationen oder Bestechung verbrauchten Ressourcen zum Verifizie- Zurecht, könnte man sagen, denn die von anderen TeilnehmerInnen für Miner ren und Durchführen einer Transaktion Wortschöpfung ist untrennbar mit der profitablere Strategien darstellen als ehr- in Relation zur eigentlichen Transakti- zugrunde liegenden Datenstruktur von liches Verhalten2. Dennoch werden sol- onsgebühr stehen, da sonst eventuell Bitcoin verbunden. che Angriffe in der Praxis selten durchge- Denial-of-Service Attacken möglich wer- 3 Es mehren sich aber auch jene Stim- führt und beschränken sich zumeist auf den. Auch kann es passieren, dass uner- men, die einen Einsatz dieser Technolo- weniger bekannte Kryptowährungen. wünschte Daten von NutzerInnen in eine 4 gien in Bereichen verfolgen, bei denen Ist man aber nun versucht, diese spiel- Blockchain codiert werden . Letzteres es nicht um den direkten (peer-to-peer) theoretischen Elemente bei der Verwen- Problem verdeutlicht eine spannende Austausch von virtuellen Währungen dung eines Blockchain-Protokolls vor- Dichotomie zwischen der intendierten geht - diverse erstrebenswerte Eigen- weg zu lassen, so verändern sich diverse Konstruktion einer Blockchain als unver- schaften, die Bitcoin und anderen Kryp- Grundannahmen. Bei einer Bitcoin-ähn- änderliche Historie aus Transaktionen towährungen zugeschrieben werden, lichen Konstruktion sind die inkludierten und der Notwendigkeit, gewisse Infor- sollen auch anderweitig genutzt wer- Währungsaspekte aber ein integraler mationen eventuell nicht nur selektiv zu- den. Insbesondere verteilte Systeme, die Bestandteil für die Sicherheit und Kor- rückhalten zu können, sondern sogar zur nicht auf einzelne vertrauenswürdige rektheit. Das soll jedoch nicht bedeuten, Gänze entfernen zu müssen. Systeme, in Dritte angewiesen sind, Nachvollzieh- dass Blockchains ohne Währungskom- denen eine solche Veränderlichkeit ge- 5 barkeit und Transparenz ermöglichen ponente inhärent unsicher sind; lediglich geben ist werfen die Frage auf, wer diese sowie Transaktionen unveränderbar sind weitere Annahmen, wie etwa zusätz- Editierungen veranlassen kann und wie und eindeutig protokollieren, sind Inspi- liche Konsensprotokolle oder ein stär- viel Vertrauen gegenüber Dritten da- ration für interessante Einsatzszenarien. keres Vertrauen in die TeilnehmerInnen durch neuerlich nötig wird. Daher ist es essenziell, die fundamen- notwendig, um die erwarteten Garantien Ein weiterer wichtiger und kritisch zu hin- talen Mechanismen und Garantien von und Eigenschaften der Blockchain auch terfragender Aspekt ist die Verwendung Blockchain-Technologien mit beson- in einem neuen Anwendungsszenario si- von zusätzlichen komplexen kryptogra- derer Sorgfalt auf ihre Tauglichkeit für cherstellen zu können. phischen Protokollen, insbesondere zur bestimmte Anwendungsszenarien zu Ganz ähnlich kann es sich bei der für Teil- Verbesserung der Privatsphäre durch untersuchen. Es mag daher verwun- nehmerInnen bereitgestellten Funktio- dern, dass viele der grundlegenden nalität des Blockchain-basierten Systems 3 blog.ethereum.org/2016/09/22/ethere- um-network-currently-undergoing-dos-at- Eigenschaften von Bitcoin bzw. Block- verhalten. Besteht beispielsweise die tack/ chain-Technologien aus wissenschaft- Möglichkeit, Smart Contracts selbst zu 4 Matzutt et al., A Quantitative Analysis of the licher Sicht noch nicht vollständig er- erstellen, einfache Gültigkeitsbedingun- Impact of Arbitrary Blockchain Content on forscht und verstanden sind. So werfen gen für Transaktionen zu definieren oder Bitcoin, Proceedings of the 22nd Internati- insbesondere die spieltheoretischen As- zusätzliche Daten an eine Transaktion zu onal Conference on Financial Cryptography pekte, speziell in Bezug auf Mining und and Data Security (FC), 2018. der Erzeugung neuer Blöcke, oft mehr 2 Zhang and Preneel, Lay down the common 5 Ateniese et al., Redactable Block- metrics: Evaluating proof-of-work consensus chain-or-Rewriting History in Bitcoin and Fragen auf als sie beantworten1. So sind protocols‘ security, Proc. of 2019 IEEE Sympo- Friends, IEEE European Symposium on 1 eprint.iacr.org/2019/775 sium on Security and Privacy, 2019. Security and Privacy (EuroS&P), 2017.

24 OCG Journal | 01-02  2020 Wissenschaft & Innovation

Abb.: istock/ matejmo sogenannte „Zero-Knowledge Proofs“. Kritische Stimmen gegenüber Block- schiedliche Anforderungen haben, die Mögliche Vorteile können bei einer feh- chain-Technologien werden sich ob der nicht von einer einzigen generischen Lö- lerhaften Implementierung oder inkor- genannten Beispiele eventuell bestätigt sung erfüllt werden können. Der Einsatz rekten formalen Konstruktion weitrei- fühlen. Es ist allerdings nicht unser Ziel, von Blockchain-Technologien vermeidet chende Konsequenzen haben und die Skepsis zu verbreiten. Vielmehr soll auf- nicht, dem Thema Sicherheit die notwen- generelle Konsistenz der Blockchain ge- gezeigt werden, dass gerade jene Be- dige Aufmerksamkeit zu widmen und so fährden. Als warnendes Beispiel sei eine reiche, in denen Blockchains und Distri- Vertrauen zu rechtfertigen. fehlerbehaftete kryptographische Konst- buted-Ledger-Technologien sinnvollen ruktion der auf Anonymität fokussierten Einsatz finden können, oftmals starke Kryptowährung ZCash zu nennen, die es Anforderungen an Sicherheit und Kor- einem Angreifer theoretisch ermöglicht rektheit haben. In dieser Hinsicht müssen hätte, weitgehend unbemerkt beliebig auch traditionelle Systemarchitekturen viele Einheiten der virtuellen Währung den hohen Anforderungen gerecht und aus dem Nichts zu generieren6. Das dort nach bestem Wissen und Gewissen kons- verwendete Konzept wurde von renom- truiert bzw. überholt werden. Nicholas Stifter mierten Kryptographen erdacht, auf Eine Blockchain ist kein eigenständiges forscht mittlerweile ausgezeichneten Konferenzen publiziert System, sondern immer Teil einer kom- seit mehreren Jahren und von Kryptographie-ExpertInnen plexeren Infrastruktur, bestehend aus als Researcher bei technisch umgesetzt; dennoch konnte Soft- und Hardware-Komponenten, de- SBA Research und sich dieser Fehler in das Protokoll ein- nen wir ebenfalls vertrauen können müs- im Rahmen seines schleichen. Jenseits der massiven finan- sen. Blockchain-Technologien an sich Doktoratsstudiums an der TU Wien ziellen Schäden, die durch solche Fehler sollten nicht als Mechanismus gesehen zum Thema Blockchain und Distribu- entstehen können, sollten insbesondere werden, um das Vertrauen in ein System ted Ledger Technologien. die Konsequenzen für andere Anwen- zu erhöhen. Vielmehr können sie dabei Hierbei ist sein Interesse breit ge- dungsszenarien bedacht werden. Gerade helfen, dieses Vertrauen von einzelnen fächert, er legt jedoch besondere bei Themen wie digitaler Identitäten, die Entitäten und Punkten auf mehrere Ins- Schwerpunkte auf Konsens-Protokolle durch eine Blockchain abgesichert wer- tanzen hinweg zu verteilen, um so mehr und Sicherheitsaspekte, die in ver- den, ergeben sich heikle Problemstellun- Resilienz gegenüber Fehlern und Angrif- teilten Systemen zu tragen kommen gen, wenn beispielsweise beliebige Iden- fen zu erhalten. Weiters sollte eine mög- sowie der Fragestellung wie solche titätsnachweise erzeugt werden könnten. liche Nutzung von Blockchain immer Systeme nachhaltig und langfristig sorgfältig erwogen werden, da verschie- 6 electriccoin.co/blog/zcash-counterfei- betrieben werden können. ting-vulnerability-successfully-remediated/ dene Anwendungsszenarien sehr unter-

01-02  2020 | OCG Journal 25 Eltern bei der Technik-Vermittlung einbinden

von Margit Ehardt-Schmiederer, Katharina Resch-Schobel und Irina Scheitz

Wie begeistere ich mein Kind für MINT?

In den MINT-Disziplinen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) liegt die Zukunft – deshalb wol- len wir mehr junge Menschen für eine Ausbildung in diesen Bereichen begeis- tern. Dazu wendet sich das Forschungs- projekt E-MINT an die wichtige Zielgrup- pe der Eltern. Die Corona-Krise hat viele Eltern zum Homeschooling verpflichtet. So wurde uns allen wieder in Erinnerung gerufen, Das Projekt E-MINT ist das erste öster- Teilnehmer*innen können sich im Vor- wie wichtig die Rolle der Eltern für den reichweit, das sich mit der Vorbildfunkti- feld Tools oder Geräte nach Hause schi- Bildungsweg der Kinder ist. Es gilt die on von Eltern für die Förderung von digi- cken lassen und über eine Smartphone Neugier zu bewahren und zu wecken, taler Neugier intensiv beschäftigt. Ziel ist App erste Schritte bei der Verwendung um so den Herausforderungen von Schu- es, besonders jenen Eltern, die wenig Be- der Tools selbst umsetzen. Alle Erkennt- le, Ausbildung und Beruf gewachsen zu zug zu den MINT-Bereichen haben, Kom- nisse, die durch die Mitwirkung der Teil- sein. Der große Fachkräftemangel, wenn petenzen zu vermitteln, damit sie das nehmenden entstehen, werden für die es um technische und informatische Be- Interesse der Kinder für die digitale Welt Entwicklung der E-MINT Makerspace rufe geht, ist auch eine Chance: Beson- fördern können und zu Türöffner*innen Formate herangezogen. ders Mädchen und junge Frauen werden werden. Die App bietet zudem weitere Mög- gesucht, wenn es um eine gut bezahlte KOMPETENZ SCHAFFT BEGEIS- lichkeiten sich mit dem Themengebiet Karriere im technischen, informatischen TERUNG auseinanderzusetzen. Dabei werden oder naturwissenschaftlichen Bereich Die Frage, wie ein Kompetenzaufbau er- beispielsweise Storytelling-Elemente ein- geht. zielt werden kann, beschäftigt das Ent- gesetzt, die vermittelte Inhalte in einem persönlichen Rahmen einbetten. EINZIGARTIGES PROJEKT ZUR wicklungs- und Forschungsteam von ROLLE VON ELTERN E-MINT. Gemeinsam mit Eltern werden MÖGLICHKEITSHORIZONTE ER- Dabei spielen Eltern eine sehr wichtige verschiedene Zugänge wie Makerspaces WEITERN Rolle als Gatekeeper*innen und Vorbil- und eine spezielle App entwickelt, getes- Von klein auf lernen Kinder durch Kinder- der. Es ist bereits gut erforscht, dass sich tet, evaluiert und adaptiert. bücher oder -lieder vor allem klassische Kinder stark an ihren engsten Bezugs- Ein Makerspace etwa vermittelt durch Berufe wie Bäcker*in, Friseur*in, Ärzti*in personen orientieren, bevor die Pubertät Selbermachen ganz konkrete Eindrü- oder sogar noch den „Müller“ kennen, einsetzt. Gleichzeitig fördern Erziehungs- cke von technischen Prozessen. Da wird doch was macht eigentlich ein Cyber Se- berechtigte oft die Talente und Interes- z. B. eine „Welt im Glas“ (Hermetosphä- curity Consultant und ist es möglich, dass sen, die sie selbst teilen. Wenn Eltern zu re) gestaltet oder es werden mit dem wir bald Expert*innen für Roboter brau- einem Thema keinen Bezug haben, fällt Schneidplotter und dem Lasercutter ei- chen? es ihnen schwer, in ihren Kindern Begeis- gene Entwürfe verwirklicht. Aufgrund der Die Visualisierung von Berufsfeldern der terung dafür zu wecken. Deshalb brau- aktuellen Situation wird derzeit verstärkt Zukunft, die mit einer MINT-Ausbildung chen Eltern Wissen über die Potentiale auf virtuelle Makerspaces gesetzt, womit möglich sind, stellen einen wesentlichen von MINT für die berufliche Zukunft ihrer der Projektpartner Otelo große Erfolge Aspekt des Projekts dar. Dabei ist ein Kinder. hat. wichtiger Aspekt des innovativen Pro-

26 OCG Journal | 01-02  2020 Coding & Robotics jekts, Gender-Stereotype aufzubrechen Projektaktivitäten und auf Diversität zu achten. Gerade für sozioökonomisch benachteiligte Fami- lien spielen berufliche Perspektiven, die E-MINT App finanzielle Sicherheit bieten eine gro- Im Projekt entwickeln wir eine App speziell für ße Rolle, hier kann E-MINT ansetzen, da Eltern zur Förderung der “digitalen Neugier” ihrer MINT-Ausbildungen eine große Jobsi- Kinder. cherheit und häufig auch lukrative Aus- sichten bieten. Doch auch die sozialen, spielerischen und kreativen Aspekte von MINT gilt es zu ver- mitteln, um das Stereotyp des einsamen, seltsamen, in der Regel als männlich wahrgenommenen Technikers zu über- winden und ein breiteres Spektrum an Persönlichkeiten anzusprechen. E-MINT Makerspaces

ELTERN ZUM MITMACHEN GE- In den virtuellen E-MINT Makerspaces können SUCHT Eltern über die App angeleitete Projekte rund um Das Projekt läuft noch bis 2021. Auf der Technik & Naturwissenschaften direkt zu Hause Webseite E-MINT können sich Eltern von umsetzen. Kindern bis 14 Jahre anmelden, um die Angebote Makerspace und App kosten- los zu testen. E-MINT wird von der Österreichischen Computer Gesellschaft, dem Zentrum für Angewandte Spieleforschung (Do- Forschung nau-Universität Krems), ovos media gmbh, MOVES - Zentrum für Gender und Das E-MINT Angebot baut auf unseren For- Diversität sowie Otelo eGen - Offenes schungsergebnissen auf und wird im Rahmen Technologie Labor als FFG Projekt durch- eines Pilottests evaluiert und weiterentwickelt. geführt. In der OCG sind Katharina Resch-Scho- bel und Margit Ehardt-Schmiederer mit Unterstützung von Irina Scheitz für das Projekt im Einsatz. Aufgrund der Coro- na-Maßnahmen werden flexibel Maß- nahmen gesetzt, um dem Projekt trotz aller Schwierigkeiten zum Erfolg zu ver- helfen. Auch die Stadt Wien hebt in ihrem Strate- giepapier Digitale Bildung 2030 in Wien die Bedeutung der Eltern und Erzie- hungsberechtigten hervor. So richtet sich die Vision der Stadt Wien für 2020 nicht nur an Schüler*innen, Pädagog*innen und Schulleitungen, sondern auch an Erziehungsberechtigte. Ganz in diesem Sinne unterstützt das Projekt E-MINT El- tern, um die digitale Neugier von Kindern zu wecken und sie so für ihren künftigen Lebensweg und ihr Berufsleben vorzube- reiten. Das Projekteam beim Kick-off: Sitzend v.l.n.r.: S. Zauchner-Studnicka (Moves), Ines Aistleitner Weitere Informationen: www.e-mint.at (Otelo), J. Hofstaetter (ovos); stehend v.l.n.r.: M. Hollinetz (Otelo), K. Resch-Schobel (OCG), T. Wernbacher (DUK), N. Denk (DUK), , M. Ehardt-Schmiederer (OCG), N. Salomon (ovos) Foto und Grafiken auf diesen Seiten: Projekt

01-02  2020 | OCG Journal 27 Algorithmen Denken Anders – ADA

von Mihaela Rozman

Das Projekt ADA

„In Zukunft werden neun von zehn Jobs Gestaltung der Programmieraufgabe mädchen in Österreich, die diese davon digitale Fähigkeiten erfordern.“ Diese war das Programm Eliza. Eliza wurde abhalten in das Feld der Informatik ein- Prognose von Tibor Navracsics, dem Eu- in den 1960er Jahren von Joseph Wei- zutreten, zählt der Mangel an weiblichen ropäischen Kommissar für Bildung, Kul- zenbaum erfunden. Sie gilt als der erste Vorbildern, wenig bis keine praktische tur, Jugend und Sport, nimmt man an Gesprächs-Chatbot in der Geschichte. Erfahrung mit Informatik und eine ne- der Fakultät für Informatik der TU Wien Die SchülerInnen hatten die Möglichkeit gative Vorstellung der täglichen Reali- ernst: Seit Mai 2019 leitet das Vienna echte Herausforderungen zu lösen und tät einer Frau in der Wissenschaft. Um Center for Logic and Algorithms (VCLA) dabei ihre ausgebauten digitalen Kennt- diese Barrieren anzusprechen, hat die das Projekt ADA, gefördert durch die nisse mit Überlegungen über Nachhal- Pilotworkshop-Reihe „Tagebuch der In- Wirtschaftsagentur Wien und Bundes- tigkeitsthemen in der modernen Welt zu formatikerin“ in Zusammenarbeit mit ministerium für Klimaschutz, Umwelt, verbinden. „Der ‚Hackathon für eine gute Informatik Austria, der OCG und ande- Energie, Mobilität, Innovation und Tech- KI‘ ist eine großartige Gelegenheit, um ren KooperationspartnerInnen über 300 nologie (BMK). die Themen Coding und Nachhaltigkeit Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren in Der Auftakt des Projekts ADA war das miteinander zu verbinden und die kreati- Klassenräumen quer durch Österreich größte Sortiernetzwerk der Welt, bei dem ven Problemlösungskompetenzen zu er- die Möglichkeit gegeben, einen Einblick 50 SchülerInnen parallel Sortierungen lernen, die die Welt so dringend braucht“, in das Leben und die Arbeit von bewähr- auf 1225 Knoten durchführten. Seit Sep- sagte Johannes Stangl, Präsident der IG ten Informatikerinnen und Fachfrauen tember 2019 hat das Projekt ADA solche Wien und Aktivist für Fridays For Future, zu gewähren. Die Workshops fanden zwi- Arten von Aktivitäten erfolgreich bis März der auch als Jury-Mitglied agiert hat. schen Mitte Januar 2020 und Mitte Feb- 2020 vorangetrieben, bis die Teilnahme Bei dem 24-stündigen virtuellen Hacka- ruar 2020 statt. „Die Nachfrage der Schu- an Veranstaltungen für LehrerInnenbil- thon im Rahmen des DigiEduHacks, len war viel größer, als wir uns vorgestellt dung und Wissenschaftskommunikation welcher zeitgleich in Europa, Afrika, Asi- hatten“, sagt Agata Ciabattoni, Professo- aufgrund von COVID-19 verschoben wer- en und Süd- und Nordamerika stattfand rin für Logik in der Informatik. Aufgrund den musste. und Teilnehmende aus aller Welt zusam- des riesigen Interesses der LehrerInnen menbrachte, konnten SchülerInnen im an den Workshops planen die Organisa- Hackathon für gute Künst- Alter von 14 bis 17 Jahren, aus den am Di- toren der Aktivität, welche Teil des Pro- liche Intelligenz giEduHack teilnehmenden Ländern, teil- jekts ADA – Algorithmen Denken Anders Mit Aufgaben beim „Hackathon für gute nehmen. Unter den 31 Einsendungen hat ist, bereits die nächste Workshop-Runde KI”, der jeden Herbst als virtueller Hacka- die Jury drei Gewinner gewählt, welche für den Winter 2020/2021. thon im Rahmen der EU Code Week Barzahlungspreise aus dem Fonds im stattfindet, sollten die SchülerInnen die Informatik ohne Computer Wert von 500 Euro erhalten haben. Die Informatik kennenlernen, die ein Weg Grundkonzepte der IT können auch spie- österreichische Edition des „Hackathon sein kann, der uns hilft, Probleme der mo- lerisch und ganz ohne Computer ver- für gute KI“ war Teil der EU Code Week, dernen Welt zu lösen und unser Leben mittelt werden. Um den Zugang zu und die in Österreich von CodeWeek Austria zu verbessern. Im Oktober 2019 organi- den Erwerb von Fähigkeiten aus dem Be- zwischen 5. und 20. Oktober 2019 koordi- sierte das Projekt ADA zwei Hackathons: reich der Informatik zu erleichtern, wird niert wurde. Bei diesem Online- bzw. vir- einen 24-stündigen Hackathon (Teil von das Projekt, die international gepriesene tuellen Hackathon haben fast 200 Schü- DigiEduHack) und einen zweiwöchigen, Lehrmittelsammlung „CS Unplugged”, lerInnen zwischen der 5. und 9. Schulstufe virtuellen Hackathon (Teil der EU Code jetzt auch auf ADA.wien zur Gänze auf teilgenommen. Die Jury hat drei Gewin- Week in Österreich). Die Aufgabe bei Deutsch veröffentlicht. Die Kapitel des ner gewählt, welche Barzahlungspreise den beiden Hackathons bestand darin, Buches werden bis Sommer 2020 als aus dem Fonds im Wert von 2000 Euro mit der Programmiersprache Scratch, Open Access auf der Website des Pro- erhalten haben. der frei zugänglichen Desktop-basierten jekts veröffentlicht. Programmierschnittstelle, einen Chat- Tagebuch der Informatikerin bot zu entwerfen. Die Inspiration für die Zu den größten Hindernissen für Schul-

28 OCG Journal | 01-02  2020 Coding & Robotics

Mini-Roboter unterstützt bei digitaler Grundbildung

von Barbara Sabitzer

Ozobots erobern das Klassenzimmer 4.0 „Oh, ist der entzückend!“, ist meist die lung einer eigenen kreativen Schaffens- tätig werden lassen (Brandhofer, 2017) erste Reaktion auf den kleinen, Linien kraft. In Kombination mit spielerischen und zu Kommunikation anregen, um abfahrenden Ozobot, den sowohl Kinder Methoden können hohe Motivation und Computational Thinking zu fördern. als auch Erwachsene faszinierend fin- nachhaltige Lernerfolge erreicht und die Computational Thinking den. Dass jedoch in dem kleinen Robo- informatische Grundbildung im Über- Den Begriff Computational Thinking ter viel mehr Möglichkeiten stecken als gang zur Sekundarstufe gestärkt werden prägten Seymour Papert und Jeanette man zunächst vermuten würde, zeigt (Himpsl-Gutermann et al., 2017). Wing. Papert, Erfinder der Programmier- der folgende Artikel auf. Außerdem wird Bislang gibt es leider noch zu wenig Er- sprache LOGO, prägend auch für den der Frage nachgegangen, wie Schüle- fahrungen und Studien zur Einführung Konstruktionismus, ordnete sich damit rinnen und Schüler davon profitieren des informatischen Denkens in der Pri- in die Reihe von Erziehungswissenschaft- können bzw. warum spielerisches Pro- marstufe und auch die Bildungspolitik lerInnen wie z. B. Maria Montessori mit grammieren bereits ab der Primarstufe steckt diesbezüglich noch in den Kinder- dem Motto „Menschen lernen, wenn sie zum Unterricht gehören sollte. schuhen. Daher liegen für den Bereich etwas tun“ ein (Döbeli, 2016). Wing, eine Ausgangslage der informatischen Bildung im Elemen- US-amerikanische Informatikerin, spricht Digitale Medien und der damit verbunde- tar- und Primarbereich bisher keine em- bei Computational Thinking von einem ne Umgang mit Informations- und Kom- pirisch fundierten Kompetenzmodelle Denkprozess, der die Formulierung ei- munikationstechnologien sind aus dem vor. Daraus resultiert ein Mangel an ver- nes Problems und die Repräsentation Alltag der Kinder heutzutage nicht mehr lässlichen Instrumenten zur Messung der der Problemlösung so darstellt, dass wegzudenken. Gerade in der Primarstufe von Kindern erworbenen Kompetenzen Lösungsstrategien von Menschen oder erschließen sich viele Möglichkeiten des im Elementar- und Primarbereich der durch Maschinen ausgeführt werden spielerischen Einsatzes von Computer, informatischen Bildung (Bergner et al., könnten (Wing, 2006). 2018). Tablet und anderen Technologien, um Laut Definition der ISTE und CSTA (2011) den kompetenzorientierten Unterricht zu Dennoch sind sich ExpertInnen einig, ist Computational Thinking ein Problem- bereichern. Computerkompetenz wurde dass man mit spielerischem Program- lösungsprozess, der aus folgenden Eck- auch ganz klar als Schlüsselkompetenz mieren z. B. mit Robotern, informatisches punkten besteht: für lebenslanges Lernen (Europäische Denken und kreatives Problemlösen för- „„ Probleme so formulieren, dass sie mit Union, 2006) definiert. dern kann (Brandhofer, 2017). Futschek einem Computer und verschiedenen (2016) meint, dass Computational Thin- Bisher beschränkten sich die Didaktik Tools gelöst werden können king in allen Altersstufen vom Kinder- und die Forschung aber vor allem auf „„ Daten logisch organisieren und analy- garten bis zur Reifeprüfung gelernt und die Anwendungskompetenzen und den sieren gelehrt werden kann. Auch Weigend Umgang mit digitalen Medien. In letz- „„ Repräsentationen von Daten durch (2009) schreibt, dass Kinder ab der drit- ter Zeit sind sich ExpertInnen aber einig, Modelle und Simulationen herstellen ten Schulstufe keine grundsätzlichen dass man den informatischen Hinter- „„ Algorithmisches Denken Schwierigkeiten zu haben scheinen, „die grund nicht vernachlässigen darf und „„ Identifizieren, Analysieren und Imple- wesentlichen Ausdrucksmittel einer Pro- bereits in der Primarstufe beginnen soll, mentieren möglicher Lösungen grammiersprache zur Steuerung von Ak- einen Grundstein für die informatische „„ Identifizieren, Analysieren und Imple- tivitätsflüssen und zur Benennung von Bildung zu legen (Döbeli, 2016). Algorith- mentieren möglicher Lösungen mit Entitäten zu begreifen und anzuwenden“. misches Denken dient als Grundlage des dem Ziel, effiziente wie ebenso effek- Verstehens und Lösens vieler Problem- Wobei es aber grundsätzlich wichtig ist, tive Kombinationen von Abläufen und stellungen aus Schule und Lebensalltag darauf zu achten, dass Kindern solche Ressourcen zu finden sowie als Wegbereiter für die Entwick- Aufgaben gestellt werden, die sie kreativ „„ Generalisieren und Transferieren des

01-02  2020 | OCG Journal 29 Problemlöseprozesses in andere Kon- Code) texte „„ vollziehen eindeutige Handlungsan- Da das Be-Greifen und Handeln in Lern- leitungen (Algorithmen) nach und prozessen gerade bei jüngeren Kindern führen diese aus im Vordergrund steht, eignen sich pro- ly.com), ähnlich wie Scratch, program- Kreative Nutzung von Program- grammierbare Roboter besonders, um mierbar. Die Programmierung erfolgt miersprachen: Schülerinnen und Schülern eine Einfüh- am Rechner, Tablet oder Smartphone. Schülerinnen und Schüler rung in das informatische Denken zu bie- Sie besticht dabei durch ihre relativ ein- „„ erstellen einfache Programme oder ten. Der Ozobot hat sich gerade hier als fache Bedienung und der simplen Über- Webanwendungen mit geeigneten geeignetes „Hilfsmittel zum Aufbau eines tragung vom Bildschirm auf den Ozobot, Tools, um ein bestimmtes Problem zu informatischen Basiswissens und einer bei der die Befehle mittels Farbsignalen lösen oder eine bestimmte Aufgabe problemlösungsorientieren Denkweise auf den Ozobot geladen werden. zu erfüllen heraus kristallisiert“ (Geier & Ebner, 2017). Ozobots im Unterricht In der Primarstufe ist bereits eine Einar- Ozobot Die Arbeit mit dem Ozobot ermöglicht beitung digitaler Grundkompetenzen Ein Ozobot ist ein ca. 2,5 cm breiter Robo- auf spielerische Art und Weise, Kompe- in den Lehrplan bis 2020/21 geplant. Im ter, der sich auf zwei Rädern bewegt und tenzen in den Bereichen Medien und In- Vordergrund stehen die Medienbildung mit Hilfe von Farbsensoren Linien folgt formatik, Natur und Technik zu erzielen, und der reflektierte Umgang mit dem In- und Farbcodes erkennt. Grundsätzlich aber auch Teamfähigkeit, Kollaboration ternet sowie ein spielerischer Zugang zu kann er auf zwei verschiedene Möglich- und Sozialkompetenz zu fördern. Durch Technik und Problemlösung. keiten programmiert werden: den einfachen Einstieg in die Program- Die Lernziele differieren je nach Art der Programmierung mit Farbcodes mierung des Ozobots können bereits Aufgabenstellung und Anwendung. Vor Dazu benötigt man nur Papier und Stifte. jüngere Kinder, empfehlenswert ab der 2. allem geht es beim spielerischen Pro- Linien und Farbcodes werden einfach auf Schulstufe, mit den kleinen Robotern ar- grammieren mit Ozobots darum, den Papier gezeichnet. Mit Hilfe vorgegebe- beiten. „Durch die einfache Handhabung Schülerinnen und Schülern bewusst zu ner Farbcodes befolgt der Ozobot Befehle des Ozobots wird ermöglicht, den kleinen machen, dass sie den Roboter mit einer wie Richtungsänderungen, Veränderung Roboter bereits in einer einzigen Unter- Abfolge von konkreten Befehlen steuern der Geschwindigkeit, aber auch verschie- richtseinheit sinnvoll einzusetzen und die können. Das Verwenden der Codierung dene Spezial-Moves wie z. B. Zickzack-Be- gesetzten Lernziele zu erreichen“ (Geier & reicht vom Erstellen der Farbcodes bis wegungen. Genaues Zeichnen der Linien Ebner, 2017). Da die kleinen Roboter auf hin zum Einsatz von Programmierblö- und Farbcodes ist wichtig, damit der Bot verschiedenen Niveaustufen verwendet cken bei Ozoblockly. Durch das Arbeiten seine Befehle erfolgreich ausführt. werden können, eignen sie sich zum ein- an gemeinsamen Aufgaben fördert der Im Übrigen besteht ebenso die Möglich- fachen Programmieren bis hin zu kom- Einsatz der Ozobots die Kollaboration keit, Linien und Codes auf einem Tablet plexeren Aufgabenstellungen und Pro- und regt außerdem zur Kommunikation zu zeichnen. Es gibt dazu eine eigene, grammierlösungen. Das algorithmische über Problemlösungsstrategien an. Denken wird im Besonderen durch die kostenlose Ozobot-App. Beispiele für den Einsatz Nutzung der Programmierumgebung des Ozobots im Unterricht: Ozoblockly gefördert. Mathematik: Zusätzlich können die Ozobots, z. B. Der Ozobot muss mithilfe von Farbcodes durch Verkleidungen und seine Umge- eine bestimmte Strecke innerhalb einer bung künstlerisch gestaltet werden und vorgegebenen Zeit zurücklegen und am bieten daher zahlreiche Möglichkeiten Ende eine Drehung absolvieren. Es dür- der Kreativitätsförderung und Anlässe für fen dazu nur bestimmte Farbcodes ver- Storytelling. wendet werden. Lernziele Deutsch/Werken: Da digitale Grundbildung mittlerweile Storytelling: Im Werkunterricht wird aus bereits als fixer Bestandteil des Lehrplans einer Schuhschachtel ein Geisterschloss Android: play.google.com/store/apps/ der Sekundarstufe I verankert ist, findet gebaut. Der Ozobot bekommt eine Ver- details?id=com.evollve.ozobot, man den Bezug zur Arbeit mit Robotern kleidung als Geist. Die SchülerInnen iOS: itunes.apple.com/us/app/ im Bereich Computational Thinking: zeichnen Linien für den Ozobot ein, den- ozobot/id910831867?mt=8 Mit Algorithmen arbeiten: ken sich dazu eine Geschichte aus und Programmierung mit Ozoblockly Schülerinnen und Schüler schreiben diese auf. Die Geschichte kann Der Ozobot ist auch über die visuelle Pro- „„ verwenden, erstellen und reflektieren danach mit einem Tablet oder einem grammiersprache Ozoblockly (ozoblock- Codierungen (z. B. Geheimschrift, QR- Smartphone gefilmt werden.

30 OCG Journal | 01-02  2020 Coding & Robotics

Zusammenfassung und Aus- se für Informatik zu fördern. Durch seine blick vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Durch den einfachen Einstieg in die durch Aufgabenstellungen aus der All- Programmierung des Ozobots können tags- und Lebenswelt der Kinder, lässt bereits jüngere Kinder mit den kleinen sich der Ozobot gut im Unterricht in un- Robotern arbeiten und somit erste Ein- terschiedlichsten Gegenständen integ- blicke in informatisches Denken gewin- rieren. nen. Durch ihr Aussehen und ihre Fä- Geplant ist eine Studie, um zu untersu- higkeit Linien abzufahren üben sie eine chen, inwieweit man die Teilbereiche Faszination aus und wirken motivierend. von Computational Thinking beim spie- Weitere Beispiele und Aufgaben fin- Dadurch fällt der Einstieg ins Program- lerischen Programmieren mit Ozobots in det man unter: eis.ph-noe.ac.at/eis-kar- mieren nicht nur leicht, sondern führt der Primarstufe identifizieren kann. ten-ozobots/ möglicherweise auch dazu, das Interes-

Links

Ozobot.com ozobot.com PH NÖ eis.ph-noe.ac.at/eis-karten-ozobots/ PH Schwyz ilearnit.ch/download/OzobotProjektideen.pdf TU Graz learninglab.tugraz.at/informatischegrundbildung/oer-schulbuch/ozo- bot-unterrichtsbeispiele/ Literatur:

Döbeli Honegger, Beat. (2016): Mehr als 0 und 1. Schule in einer digitalisierten Welt. Bern: hep verlag ag. Bergner, N. et al. (2018). Fruhe informatische Bildung – Ziele und Gelingensbedin- gungen fur den Elementar- und Primarbereich. Wissenschaftliche Untersuchun- gen zur Arbeit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ Band 9. Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hrsg.) Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich. Brandhofer, G. (2017). Coding und Robotik im Unterricht. In: Erziehung und Unter- richt. Lernen und Lehren mit Technologien: Vermittlung digitaler und informati- scher Kompetenzen. (Digitale Sonderausgabe) Verfügbar unter: //eeducation.at/ fileadmin/downloads/e_u_7-8_17_digital.pdf [27.12.2018]. Europaische Union (EU). (2006). Empfehlung des Europaischen Parlaments und des Rates zu Schlusselkompetenzen fur lebensbegleitendes Lernen. Verfügbar unter: www.bmb.gv.at/schulen/euint/eubildung_abb2010/schluesselkompeten- zen_17454.pdf?5te6t4 [10.12.2018]. Geier, G., Ebner M. (2017). Einsatz von OZOBOTs zur informatischen Grundbildung. Verfügbar unter: www.researchgate.net/publication/320704288_Einsatz_von_OZO- BOTs_zur_informatischen_Grundbildung [03.01.2019]. Barbara Sabitzer ist Himpsl-Gutermann et al. (2017). Das Projekt „Denken lernen – Probleme lösen seit 2017 Professo- (DLPL)“. Etablierung von Education Innovation Studios (EIS) in Österreich zur Stär- rin für Instructional kung der informatischen Grundbildung mit Schwerpunkt Primarstufe. Medienim- Technology an der pulse, Digitale Grundbildung (2/2017). Verfügbar unter: www.medienimpulse.at/ JKU Linz und hat be- articles/view/1092?navi=1 [27.12.2018]. reits 2013 im Rahmen ihrer Habilitation an der Alpen-Ad- ISTE & CSTA (2011). Operational Definition of Computational Thinking for K–12 ria-Universität Klagenfurt die Informa- Education. Verfügbar unter: c.ymcdn.com/sites/www.csteachers.org/resource/resm- tik-Werkstatt ins Leben gerufen. Diese gr/CompThinkingFlyer.pdf [02.01.2019]. war ebenso wie ihre langjährigen Weigend, M. (2009). Algorithmik in der Grundschule. In: Bernhard Koerber (Hrsg.) Erfahrungen als BHS-Lehrerin für Zukunft braucht Herkunft. INFOS 2009 Proceedings, Bonn (GI) 2009, S. 97-108. Fremdsprachen und Informatik, als Wing, J. M. (2006). Computational thinking. In: Communications of the Acm 49 (3) Psychologin sowie als Vortragende in S. 33-35. Verfügbar unter: https://www.microsoft.com/en-us/research/wp-content/ der LehrerInnenbildung die Grundlage uploads/2012/08/Jeannette_Wing.pdf [11.12.2018]. für die Entwicklung des COOL Labs.

01-02  2020 | OCG Journal 31 Positionspapier der PH-Oberösterreich

von Wolfgang Wagner abc - Activity Based Coding

Informationstechnik prägt das Leben dungssemester zeigt, dass deutlich mehr Kindern Teil ihres Alltags, werden jedoch unserer Gesellschaft. Den Zugang dazu, als die Hälfte den Begriff Programmieren häufig nicht als solche gekennzeich- etwa in Spielen oder Haushaltsgeräten, als abstrakt bzw. eher abstrakt ansehen net (vgl. Weigend, 2009). Das bewusste haben Kinder bereits vor dem Schu- und Programmieren in deren schuli- Erkennen und Benennen von Algorith- leintritt. Ein kompetenter Umgang mit schen Ausbildungen mit „Auswendigler- men in Handlungssträngen kann den informationstechnischen Geräten be- nen“ in Beziehung setzen. Das Konzept Verständnisaufbau von Computational dingt auch eine Kenntnis informatischer Activity Based Coding soll neben dem Thinking begünstigen. Die enge Verzah- Inhalte. Activity Based Coding verfolgt Vermitteln informatischer Inhalte an Kin- nung von eigenen Aktivitäten mit dem das Ziel, Kindern im Kindergarten- und der auch bei Lehramtsstudierenden und Planen von Programmen und der dar- Primarstufenalter einen Zugang zu Lehrkräften eine Sichtweise der Informa- auffolgenden symbolischen Notation soll informatischen Inhalten anzubieten. tik in der Grundschule als eine Wissen- die Entwicklung von Grundvorstellungen Diese Inhalte sind der Schlüssel für ein schaft, die durch den Transfer eigener begünstigen. Verständnis der modernen Umwelt (Gal- Handlungen hin zu mentalen Bildern Zu einem Verständnis, wie Computer lenbacher, 2017). und schließlich zu symbolischen Abstrak- funktionieren, benötigen die Kinder im Das Konzept Activity Based Coding wird tionen verständlich machen. Dies lässt Sinne von Computer Science Unplugged im Education Innovation Studio (EIS) der sich durch folgendes Zitat, das Edsger (Informatik ohne Strom) nach Bell keinen Pädagogischen Hochschule OÖ seit 2017 Dijkstra zugeschrieben wird ausdrücken: Computer bzw. keine Maschine. Die Vor- im Rahmen von unterrichtspraktischen gangsweise entspricht dem konstrukti- In der Informatik geht es genau Umsetzungen mit Kindern im Vorschul- vistischen E-I-S Prinzip nach Bruner, mit alter und der Primarstufe erprobt und so wenig um Computer wie in dem Schwerpunkt, dass für die erfolgrei- beforscht. Ziel ist informatische Inhalte der Astronomie um Teleskope. che Umsetzung die Wechsel zwischen „be-greifbar“ (Döbeli Honegger, 2016) zu Edsger Dijkstra den Repräsentationsstufen (Handlung - machen und bei den Kindern Grundvor- Bild - Symbol) möglichst eng miteinander stellungen (Vom Hofe, 1995; Wartha, 2010) Kernpunkte von Activity verzahnt sind, um zu ermöglichen, dass zu generieren sowie Computational Thin- Based Coding die Kinder in Folge selbst solche Wechsel king als Teil der Allgemeinbildung in den „„ konstruktivistisches Vorgehen (Acker- der Repräsentationen durchführen kön- Regelunterricht zu integrieren. mann, 2001; Piaget & Szeminska, 1975) nen. Dadurch wird ermöglicht, dass Kin- „„ E-I-S Prinzip (Bruner, 1971) der einen mathematisch-informatischen Abstrakte Symbole, die nicht „„ Computer Science Unplugged (Bell, Inhalt (z. B: Programmbefehl Forward) durch eigene Aktivitat des Kin- Alexander, Freeman, & Grimley, 2009) über eine Handlung selbst darstellen des mit Sinn gefullt, sondern ihm „„ Grundvorstellungen entwickeln (Vom können. Auf diese Repräsentationsstu- von außen aufgepragt werden, Hofe, 1995; Wartha, 2010) fenwechsel bauend soll ein erfolgreicher sind tote und nutzlose Symbole. „„ natürliche Differenzierung (Krauthau- Problemlöseprozess anhand des bereits sen, Scherer, & Scherer, 2017) Sie verwandeln den Lernstoff in generierten Wissens bei neuen Aufga- „„ kompetenzorientiert arbeiten Hieroglyphen, die etwas bedeu- benstellungen generiert werden. Gelingt „„ Computational Thinking entwickeln ten konnten, wenn man nur den dies, so hat dieses Kind eine Grundvor- „„ Peer-to-Peer Learning stellung aufgebaut (Vom Hofe, 1995). Die Schlussel dazu hatte. Da aber „„ fächerübergreifende Inhalte umsetzen Lösungswege, deren Darstellung und die der Schlussel fehlt, ist der Stoff Ziel von Activity Based Coding ist es, ein benötigte Zeit sind für die Kinder im Sin- eine tote Last. Verständnis für Algorithmisierungen und ne einer natürlichen Differenzierung der John Dewey (1859-1953) darauf aufbauend für ein erstes Program- Aufgabenstellung völlig frei wählbar. Die mieren bei Kindern zu entwickeln, das Kinder konstruieren – im Sinne des Kon- Eine Untersuchung (Wagner 2019) von auf deren eigenen Aktivitäten aufgebaut struktionismus nach Papert (1993) – ihre Studierenden im Regelstudium der Pri- ist. Algorithmisierungen sind bei vielen Lösungen selbst. marstufenausbildung im ersten Ausbil-

32 OCG Journal | 01-02  2020 Coding & Robotics

Basierend darauf, dass viele Kinder (vgl. nenrolle übernehmen. Die prozessbe- nisse können mit Bodenrobotern wie Weigend, 2009) bereits Algorithmisie- zogenen Kompetenzen des Problemlö- Cubetto, Matatalab bzw. Blue-bots stets rungen, wie Erklärungen von Spielen, sens bei der Umsetzung, beispielsweise verbunden mit Handlungen Programm- nach Plan bauen, angewandt oder aus- einer Wegstrecke zu einem Programm, befehle, Iterationen und Funktionen von geführt haben, kann der Fokus auf das des Kommunizierens beim Debuggen den Kindern verstanden werden. Ein Wesen solcher Algorithmisierungen oder Überprüfen eines Programmes, des Verständnis für ein Programmieren mit selbst gelegt werden. Kindgerecht wird Operierens bei der Vervielfachung eines blockbasierten Sprachen - wiederum das Roboterspiel (Kommando Pimperle) Algorithmus bei der Wegstrecke des Um- über das Roboterspiel - kann etwa mit und dessen Ablauf und Regelwerk ge- fangs eines Quadrats und des Modellie- dem Einsatz von Ozobots in Verbindung meinsam besprochen (vgl. Wagner, 2018). rens beim Transfer eines Programmes in mit Ozoblockly aufgebaut werden. Ein Dabei kann das Wesen, die Einsatzmög- die Handlungsebene und wieder zurück, ausschließlich textbasiertes Program- lichkeiten und deren derzeitige Grenzen, werden angeregt. Activity Based Coding mieren etwa mit Swift Playground kann die Hilfeleistungen und die Gefahren von lässt Kindern Lösungswege kreativ fin- über das Nachbauen von in der Pro- Robotern thematisiert werden. In Part- den, lässt sie Algorithmen erstellen und grammumgebung dargestellten Land- nerarbeit oder in Teams können somit erproben, wodurch ein automatisiertes schaften und einem damit verbundenen die Kinder miteinander und voneinander Programm entsteht und kann somit ein Bewegen der Kinder nach den jeweiligen lernen. Leistungsstarke Kinder können Verständnis für ein erstes Programmie- Befehlen mit der Repräsentationstufe beim Lernen mit anderen die Tutor/in- ren anregen. Aufbauend auf diese Kennt- der Handlung verbunden werden. Mit dem Konzept Activity Based Coding lassen sich fächerübergreifende Inhal- Literatur te, beispielsweise mit der exakten deut- Ackermann, E. (2001). Piaget’s constructivism, Papert’s constructionism: What’s schen bzw. englischen Benennung von the difference. Future of learning group publication, 5(3), 438. Programmbefehlen, dem Thematisieren von Möglichkeiten und Gefahren von Bell, T., Alexander, J., Freeman, I., & Grimley, M. (2009). Computer science unplug- Robotern, kreativen Anwendungen (z. B. ged: School students doing real computing without computers. 13(1), 20-29. Musikerziehung, Bildnerische Erziehung), Bruner, J. (1971). Studien zur Kognitiven Entwicklung. Stuttgart: Klett. der Umsetzung mathematischer Inhalte Döbeli Honegger, B. (2016). Mehr als 0 und 1. bern. In: hep Verlag. (z.B. dynamische Geometrie, Logik), The- Gallenbacher, J. (2017). [Abenteuer Informatik. IT zum Anfassen für alle von 9 bis 99 menbereiche des Sachunterrichts (z. B. – vom Navi bis Social Media]. Stromkreis, Sensoren, Fortbewegungs- arten) sowie dem Lernen in Bewegung Krauthausen, G., Scherer, P., & Scherer, P. (2017). Natürliche Differenzierung im Ma- umsetzen. thematikunterricht: Konzepte und Praxisbeispiele aus der Grundschule: Kallmeyer in Verbindung mit Klett. Activity Based Coding soll mit Unplugged Science ein Grundverständnis für ein ers- Papert, S. (1993). The children‘s machine. TECHNOLOGY REVIEW-MANCHESTER tes Programmieren generieren, auf dem NH-, 96, 28-28. in weiterer Folge unter Beibehaltung des Piaget, J., & Szeminska, A. (1975). Die Entwicklung des Zahlbegriffs beim Kinde: E-I-S Prinzips das Programmieren mit Klett-Cotta. blockbasierten und textbasierten Umge- Vom Hofe, R. (1995). Grundvorstellungen mathematischer Inhalte: Spektrum Akad. bungen ermöglicht werden kann. Verlag. Wagner, W. (2018). Erstes Algorithmisieren über die Darstellung von Bewegungen mittels grafischer Symbole. Retrieved from www.medienimpulse.at/articles/vie- w/1229?navi=1 Wolfgang Wagner Wagner, W. (2019): Fragebogen Umgang mit Computern und Tablets. Unveröf- unterrichtet an der fentlichte Untersuchung von 80 Studierenden der Primarstufenausbildung im Pädagogischen ersten Ausbildungssemester der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Hochschule OÖ Wartha, S. (2010). Aufbau von Grundvorstellungen. Beiträge zum Mathematikun- Mathematik und terricht 2010, 44. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik vom Medienbildung im 08. bis 12. März 2010 in München. Bereich der Primarstufenausbildung Weigend, M. (2009). Algorithmik in der Grundschule. Paper presented at the und ist Leiter des Education Innova- Gesellschaft für Informatik (GI) publishes this series in order to make available to a tion Studios. Derzeitiger Forschungs- broad public recent findings in informatics (ie computer science and information schwerpunkt ist das Entwickeln systems), to document conferences that are organized in co-operation with GI and informatischer Kompetenzen bei to publish the annual GI Award dissertation. Grundschulkindern

01-02  2020 | OCG Journal 33 Neue Veranstaltungsreihe: OCG Think-Tank Webinar

von Irina Scheitz

Stopp Corona-App - Ein nütz- liches Tool ohne Vertrauen

„Bei der öffentlichen Debatte zur Stopp schiedensten Seiten. Die kontroversiellen der breiten Bevölkerung - erlebt haben“, Corona-App ist die Suppe versalzen“, Diskussionen haben eine Entscheidung, berichtete Thomas Lohninger, Geschäfts- resümierte Datenschutzaktivist Max ob die App installiert werden sollte, sicher führer von Epicenter.works. Lohninger Schrems beim zweiten OCG Think-Tank nicht leicht gemacht. Das sind aber Ent- versteht die Verunsicherung bezüglich Webinar zum Thema Datenschutz in scheidungen, die wir in der heutigen Zeit der App sehr gut, da es hier um sehr sen- Zeiten gesellschaftlicher Krisen. Er und immer wieder für uns treffen müssen: In- sible Gesundheitsdaten geht. Auch das sein Team von noyb, einer europäischen wieweit sind wir bereit, Daten von uns zur Thema Freiwilligkeit sei bei Weitem noch Datenschutz-Initiative, waren über- Verfügung zu stellen?“, leitete Seyruck die nicht geklärt. Zwar herrsche mittlerwei- rascht wie negativ die App aufgenom- Online-Veranstaltung ein. le auch in der Politik Konsens, dass die men wurde. Man hatte sich eher erwar- Christof Tschohl, Datenschutz-Berater für App nicht vorgeschrieben werden kön- tet, dass der „bösen DSGVO“ die Schuld das Rote Kreuz und Leiter des Research ne, „doch es hindert heute nichts daran, für die Ausbreitung des Virus unterstellt Institute, der die Diskussion moderierte, dass man in Hausordnungen und Ge- würde. „Passiert ist genau das Gegen- zeichnete für die über 70 Teilnehmenden schäftsbedingungen die Verwendung teil: Gerade die App, die sehr versucht des Webinars die spannenden Phasen der App vorschreibt. Auch die Frage der hat, alles datenschutzrechtlich korrekt der Entwicklung der App nach. Bereits Dienstfreistellung gehört geklärt“, wies zu machen - besonders im Vergleich zu vor dem Lockdown im März fiel die Ent- Lohninger auf Problempunkte hin. Für anderen Dingen, die wir auf den Tisch scheidung eine europäische App zu ent- die Datenschutz-Community jedoch war haben - wurde sehr schlecht aufgenom- wickeln, da sich andere Modelle, etwa aus es sehr spannend erstmals zu erleben, men“, so Schrems. Der Diskurs sei teil- Israel oder dem asiatischen Raum, als wie die komplexe Frage des Contact Tra- weise höchst irrational geführt worden. ungeeignet herausstellten. Am Anfang cing mittels der Tools des Datenschutzes Während beispielsweise Dating-Apps, habe man nur den Fokus gehabt, mög- gelöst werden könne, berichtet Lohnin- die bis zu 5.000 Tracker integriert haben, lichst schnell etwas zu entwickeln, um ger. Während China oder Südkorea bei- die Leute nicht stören würden, löste die Leben zu retten, das Datenschutzrecht- spielsweise auf Gesichtserkennung und Contact-Tracing App starke Überwa- liche und besonders die Kommunikation Kreditkartendaten zum Tracing setzen, chungsängste aus. darüber seien dabei zu kurz gekommen. hat man sich in Europa für Handyda- ten entschieden, „was schon viel daten- Viele interessante und teils überraschen- Erst in der zweiten Phase habe man dann schutzfreundlicher war“, so Lohninger. de Einblicke zu den Hintergründen der die NGOs und die Zivilgesellschaft einge- „Privacy by Design Technologien haben Stopp Corona-App gab es beim zweiten bunden und versucht, möglichst alle Kri- sich bezahlt gemacht“, freute sich der OCG Think-Tank Webinar am 21. Juli. OCG tikpunkte ernst zu nehmen, erzählt der Datenschutz-Experte. Präsident Wilfried Seyruck begrüßte alle Leiter des OCG Arbeitskreises Forum Pri- Teilnehmenden aus den Räumlichkeiten vacy. „Lesson learned: In Krisenzeiten soll- Für Heidi Scheichenbauer, Senior Consul- der Österreichischen Computer Gesell- ten solche Datenschutzprozesse mög- tant des Research Institute, die an der schaft und die Redner*innen des Nach- lichst früh beachtet werden“, so Tschohl. Entwicklung der App maßgeblich betei- mittages schalteten sich online dazu. „Die ligt war, geht es vor allem um die Frage: App hat Befürworter und Gegner zu sehr, UNERWARTET GROSSES INTER- Wie kann ich Gefahrentechnologie so ge- sehr leidenschaftlichen Diskussionen be- ESSE AN DATENSCHUTZ stalten, dass sie für Betroffene wenig bis wegt“, so Seyruck. „Die OCG beschäftigt „Die Stopp Corona-App war ein Thema, keine Auswirkungen hat? wo wir selten ein so großes Interesse an sich mit den Wechselwirkungen von In- „Ganz am Anfang war der Glaube: ‚Wir unserer Arbeit als neutraler Aufklärer bei formationstechnologien und Gesellschaft schreiben eine Datenschutzinformation technisch-rechtlichen Fragestellungen - und betrachtet Entwicklungen von ver- und damit hat sich das Thema erledigt‘“, nicht nur in der Politik, sondern auch in

34 OCG Journal | 01-02  2020 News & Internes erklärte Scheichenbauer. „Wir haben mer, betonte, dass Österreich im Moment der App sind. Auch die Einbindung der dann darauf aufmerksam gemacht, dass keine andere Wahl habe, als auf Cont- Zivilgesellschaft wurde von den Entwick- es ein sehr hohes Risiko für Betroffene ainment zu setzen, da ein zweiter Lock- ler*innen als sehr wertvoll wahrgenom- gibt und man daher eine Datenschutz- down eine wirtschaftliche Katastrophe men. folgenabschätzung, wie sie in der DSGVO darstellen würde. Die App sei ein ausge- Das Thema Superspreader, und ob man vorgesehen ist, durchführen muss.“ Dabei zeichnetes technisches Mittel, um infek- die App für gewisse Bereiche verpflich- wurden nicht nur datenschutzrechtliche, tiöse Brandherde so schnell wie möglich tend machen sollte, wurde angeregt dis- sondern auch gesellschaftliche Risiken auszutreten. Allerdings forderte Klein ar- kutiert. Das Publikum stellte über den mitgedacht. „Es handelt sich um einen beitsrechtliche Klarstellungen ein. Aktuell Chat Fragen, etwa wie eine grenzüber- Prozess, der regelmäßig neu evaluiert sei noch nicht geregelt, was es für Arbeit- greifende Nutzung der Tracing funktio- und in der App angepasst werden muss“, gebende und Arbeitnehmende bedeute, nieren könne. so Scheichenbauer. wenn diese aufgrund einer gelben oder roten Warnstufe, ohne bestätigte Diag- VERTRAUEN UND GUTE CONTAINMENT ALS nose nicht zur Arbeit erscheinen würden. KOMMUNIKATION GENAUSO EINZIGE STRATEGIE Weiters hält es der Arbeitsmarktexper- WICHTIGE WIE TECHNOLOGIE Prof. Eva Schernhammer, Epidemolo- te für problematisch, dass die App-User „Rückblickend war die App einfach zu gin an der MedUni Wien, legte nachvoll- ihre Symptome selbst diagnostizieren schnell dran und jetzt ist es schwierig ziehbar dar, warum die App trotz ihrer und so eine Warnstufe auslösen können. das negative Image zu ändern“, meinte Limitationen, etwa weil nicht jeder ein Gerade wenn die übliche Grippe-Saison Schrems, der auch den Journalismus in Smartphone besitze, sinnvoll sei. Aktu- im Herbst wieder starte, könnte dies ein die Pflicht nahm Tatsachen zu berichten. ell versuche man mittels Containments Massenphänomen werden. Eine Abklä- Es sei nun die Politik gefragt, das recht- den Virus in den Griff zu bekommen, das rung mit der Coronavirus-Hotline wäre liche Umfeld zu und das Vertrauen in heißt Infizierte so schnell wie möglich hier bestimmt sinnvoll, so Klein. der Bevölkerung zu schaffen, damit man zu identifizieren und deren Kontaktper- nicht da stehen bleibe, wo man heute sei, sonen festzustellen. Bei Corona sei es EIGENVERANTWORTUNG so Lohninger. „Es ist zwar ein guter Schritt besonders wichtig die sogenannte Lat- WIRD DURCH VERTRAUEN nach vorne, aber es reicht noch nicht.“ zenzzeit (2,5 Tage, in denen man bereits GEFÖRDERT Die Stopp Corona-App zeigt, dass auch ansteckend sei, aber noch keine Sympto- „Wie können wir im Diskurs einen Beitrag eine noch so gut durchdachte und da- me habe) zu erkennen. Dafür sei die App leisten, dass wir die Eigenverantwortung tenschutzrechtlich überlegte Techno- ein gutes Tool. „Wenn schon 9 bis 20% der stärker motivieren - ohne Zwang und logie nur dann funktioniert, wenn ent- Bevölkerung [durch Maßnahmen des ohne Diskriminierung?“, stellte Tschohl sprechend Vertrauen aufgebaut wird, die Containments] künstlich immun seien, eine wichtige Frage in den Raum. Alle Kommunikation funktioniert und Men- hat das einen großen Einfluss“, so Schern- am Panel waren sich einig, dass vertrau- schen bereit sind, die App freiwillig zu hammer. ensbildende Maßnahmen, transparen- verwenden. te Information über die Ergebnisse von ARBEITSRECHTLICHE Diskussionen, gutes Zuhören, Aufklärung REGELUNGEN FEHLEN über technische und datenschutzrechtli- Christian Klein, Direktor der Arbeiterkam- che Hintergründe und weiterhin kritische mer Wien und der Bundesarbeiterkam- Debatten entscheidend für einen Erfolg

OCG Think-Tank Webinare

OCG Think-Tank Webinar #01, 22. Mai 2020 Der Bioinformatiker Stephan Winkler, Professor für Bioinformatik am FH OÖ Campus Hagenberg, sprach beim OCG Think- Tank Webinar über Modellierung und Simulation der Ausbreitung von Covid-19. Eine Videoaufzeichnung des gesamten Vortrags steht zur Verfügung. Terminvorschau: OCG Think-Tank Webinar #03 zu Mobiles Arbeiten & Digitalisierung: Fortschritt durch die Corona-Krise Referent: Michael Bartz, IMC FH Krems Termin: 15. Dezember 2020, 16:00 Wir danken dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) für die Unterstützung der OCG Think-Tank Webinare!

01-02  2020 | OCG Journal 35 Informatiklegende Niklaus Wirth war der erste Zemanek Lecturer Barbara Lachner | Photosandmore.at

Computerpionier Heinz Zemanek wird mit einer Vortragsreihe geehrt

von Katharina Resch-Schobel

Die erste Zemanek Lecture Bei der Auftaktveranstaltung der Zema- Im Bundesministerium für Verkehr In- lin geworden“, ist Peter Reichl (Universität nek Lectures der OCG im voll besetzten novation und Technologie (BMVIT) hat Wien) überzeugt und erinnert an Heinz Kuppelsaal der TU Wien am 14. Jänner die OCG von Anfang an einen wichtigen Zemaneks Schlussworte bei einem sei- teilten Wegbegleiter des Visionärs Heinz Unterstützer bei der Umsetzung ihrer ner Vorträge: „Das Bleibende aber ist der Zemanek mit einem Expert*innenpubli- Agenden gefunden. Michael Wiesmüller Mensch!“. Bernhard Schmid von der Wirt- kum ihre Erfahrungen. Mit dem Turing begrüßt die Gäste im Namen des BMVIT, schaftsagentur Wien freut sich, dass die Award Preisträger Niklaus Wirth als freut sich über den „mit IKT-Kompetenz Veranstaltungsreihe Zemanek Lectures ersten Sprecher der in Zukunft jährlich gefüllten Raum“ und verspricht auch wei- 2020 zum Ziel der Stadt Wien beiträgt, stattfindenden Zemanek Lectures wur- terhin seine Verbundenheit mit der OCG Digitalisierungshauptstadt zu werden. de die Latte sehr hoch gelegt. und ihren Zielen. Peter Lieber (VÖSI) wünscht sich für Ös- terreich manchmal mehr Mut und Tem- Die „Entwicklungen rund um die Digi- In teilweise sehr persönlichen Statem- po, wenn es um Innovation geht – und ist talisierung machen manchmal Angst, ents schließen Gerti Kappel (Dekanin TU zuversichtlich, dass die neue Regierung daher müssen diese Entwicklungen von Wien), Peter Reichel (Österreichischer das Thema Digitalisierung vorantreiben allen Seiten kritisch betrachtet werden – Verband für Elektrotechnik OVE), Erich wird. hier agiert die Österreichische Computer Neuhold (International Federation for Gesellschaft seit ihrer Gründung 1975 als Information Processing IFIP) und Peter Auch Norbert Rozsenich und Gerhard Think-Tank“, sagt OCG Präsident Wilfried Reichl (Universität Wien) an die Visionen Chroust stellen in ihrer Laudatio an Heinz Seyruck in seinen Eröffnungsworten. So Zemaneks an und drücken ihre Wert- Zemanek den visionären Menschen und zieht sich dann auch durch die ganze schätzung für den Computerpionier, der Wissenschaftler in den Vordergrund, der Veranstaltung der Leitgedanke, dass bei „überzeugen und begeistern konnte“, sich immer auch philosophischen Fragen allem Fortschritt immer der Mensch im aus. gestellt hat. Transdiziplinäre Forschung, Mittelpunkt steht und die Möglichkeiten internationale Vernetzung und leiden- Das Bleibende aber ist der der Informatik als Herausforderung für schaftliche Überzeugungskraft zeichne- Mensch den Menschen und die Gesellschaft zu ten das Wirken von Heinz Zemanek aus, betrachten sind. „Die Informatik ist eine politische Diszip- der bis an sein Lebensende ein hochge-

36 OCG Journal | 01-02  2020 News & Internes schätzter Vortragender war. Im Kern sah einfache Algorithmen und schlanke Soft- durch den Abend und es gelang ihm auf er sich immer auch als Ingenieur, daher ware. „Software wird schneller langsamer, gewohnt wertschätzende Art mit den auch sein Ausspruch „Wahr ist, was funk- als die Hardware schneller wird“ lautet Gästen ins Gespräch zu kommen. tioniert“. Mit seiner Begabung auch Laien das Wirthsche Gesetz. Heute mahnt er, komplexe Inhalte verständlich zu vermit- nicht nur Moderne Trends und anwen- Die OCG führt das Werk Heinz Zemaneks teln ist ein Vorbild für WissenschaftlerIn- dungsorientierte Themen an den Uni- weiter – sie will Menschen für die IKT be- nen alle Disziplinen. versitäten zu lehren, sondern grundsätz- geistern, als beratender Think-Tank für liches Verständnis zu fördern und damit die politischen Entscheidungsträger*in- Niklaus Wirth spannt in seinem Vortrag Wissen, das auch noch 20 Jahre später nen, mit einem kritischen Blick auf die 50 Jahre Pascal einen Bogen von den Gültigkeit hat. Technik und immer mit dem Menschen 1960er Jahren bis in die Gegenwart. Sein im Mittelpunkt. ganzes Forschungsleben plädierte er für Franz Zeller, ORF, führte fachkundig

Familie Zemanek mit den Vortragenden Der Kuppelsaal der TU Wien war der perfekte Rahmen für das Event. Alle Fotos: Barbara Lachner | Photosandmore.at

Prof. Gerti Kappel, Dekanin an der Informatikfakultät der TU Wien OCG Präsident Wilfried Seyruck

Unterstützer Zemanek Lecture 2020

Wir danken unseren Organisationspartnern für die erste Zemanek Lecture: BMK, Universität Wien, OVE, IFIP, TU Wien, VÖSI sowie Wirtschaft- sagentur Wien Zemanek Lecture 2021

Termin: 1. Juli 2021 Vortragender: Douglas R. Hofstadter, Physiker, Informatiker und Lectures Kognitionswissenschaftler

01-02  2020 | OCG Journal 37 Interview mit Niklaus Wirth am 16. September 2019 in Zürich, Teil 2

von Ronald Bieber

Streben nach Wissen: Pascal, Modula und Oberon

Lesen Sie auf den folgenden Seiten das Nachtrag zu diesem Konzept, dass man Der Computer muss ein wenig schneller Gespräch, das am 16. September 2019 in Bausteine sucht, die man dann mehr sein und dann merkt niemand die Kom- Zürich stattfand. oder weniger gut zusammenfügt. Das plexität. Ich glaube aber schon, dass die ------ist natürlich dann nicht mehr das Lernen Suche nach guten und einfachen Lö- von Konzepten und von Konstruktions- sungen, überzeugenden Lösungen, das Ich habe gehört, dass einige Ihrer Schü- methoden. Das ist Internetsuche und Wichtigste ist. ler in die Welt ausgeschwirrt sind und ei- „Zusammenklätschen“. Das ist der Trend niges bewegt haben. Jürg, du bist auch Im deutschsprachigen Raum haben heutzutage. ein Schüler von Professor Wirth. Einer wir das Problem, dass in der Informatik davon ist Urs Hölzle, der nach Amerika Wobei das allein nicht genügen wird. Frauen unterpräsentiert sind. Es beginnt zu Google gegangen ist. Wie müssen Ihrer Meinung nach Syste- im Studium und geht bis zur Arbeitswelt. me entworfen werden, um einfach und Was haben Sie für Empfehlungen, um Wirth: Hölzle hat bei Jürg Gutknecht dip- zuverlässig zu funktionieren? da eine Trendwende zu schaffen? Wir lomiert und ist dann nach Standford ge- sprechen immer vom Nachwuchskräf- gangen. Er hat sicher damit zu tun, dass Wirth: Wenn ich das in ein paar Worten temangel. Google so gut vertreten ist in Zürich ausdrücken könnte, wäre ich sehr glück- lich. Ich weiß es nicht, aber dazu gehört Wirth: Ich glaube die Trendwende ist Gutknecht: Es ist damals schon aufgefal- ganz sicher eine Menge Erfahrung. Das schon eingetreten. Zu meiner Zeit gab len, dass er jemand Spezieller ist und In- können Sie natürlich nicht in ein oder es an der ETH keine Mädchen und das itiative hat. zwei Vorlesungen an der Universität er- hat sich schon geändert. Dazu braucht Wirth: Ein sehr aktiver Kerl, Verbindung werben. Das muss sich über die Jahre es einfach Zeit und natürlich gibt es Pro- von Wissenschaftlichem und Kommerzi- anhäufen. Selbst wenn man alt ist, merkt gramme, und das ist auch gut so, um ellem. man immer noch, dass man verbessern Frauen etwas zu animieren in techni- Gutknecht: Er hat sich damals speziell kann. [Edsger] Dijkstra hat einmal gesagt: schen Berufen mitzumachen. Ich glau- interessiert für die Programmiersprache „Das Vermeiden von unnötiger, hausge- be Informatik ist prädestiniert dazu, dass Self und er wollte sich eigentlich in die machter Komplexität ist das Wichtigste, Frauen im gleichen Anteil teilnehmen. Programmiersprachen-Branche weiter- das ein Programmierer jeden Tag üben Ich bin gegen künstliche Programme entwickeln und hat dann offenbar Leute muss.“ Die Probleme, die uns vorgelegt und Quoten und so. Ich glaube aber, das in Google gefunden. werden, sind kompliziert genug, man wird sich schon einpendeln. Es stimmt Wirth: Darf ich noch einen kleinen Nach- muss sie nicht noch künstlich weiter ver- aber, gerade in der Schweiz sind bei Frau- trag geben zur Sache der Programmier- komplizieren. en technische Berufe immer noch relativ sprache und wie sie gelehrt werden? Damit bin ich schon bei meiner nächs- unbeliebt. Das ist einfach so. Sie können Ein Kollege hat schon etliche Male eine ten Frage: Was macht einen guten ja Ihrer Tochter lange erklären, dass sie Vorlesung in Hongkong gehalten. Da Softwareentwickler Ihrer Meinung nach jetzt Mathematik studieren muss. Wenn hat er letztes Mal gesagt, er hätte eine aus? sie nicht will, dann geht es nicht. Aufgabe an die Studenten ausgegeben: Wirth: Ich glaube schon, dass es das stän- Gutknecht: Ich dachte, gerade in der Ma- „Programmieren Sie etwas, was das und dige Überdenken ist. Könnte man das thematik ist die Geschlechterpräsenz das und das vollbringt.“ Danach sind alle nicht einfacher machen und meistens ausgeglichen, oder nicht? Eigentlich soll- aufgestanden und hätten sich sofort ih- damit auch noch besser lösen? Aber Pro- te das in der Informatik ebenso sein. ren Handys und Computern zugewen- grammierer sind überall unter hohem Wirth: Das ist auch in vielen Orten so, z. B. det, um im Internet zu suchen, ob so Zeitdruck und der verunmöglicht das. Es in der USA und in China, aber nicht in der etwas nicht schon bestehe. Das eben als lohnt sich nicht darüber nachzudenken. Schweiz.

38 OCG Journal | 01-02  2020 News & Internes

Niklaus Wirth bei der ersten Zemanek Lecture. Mit im Bild: Ronald Bieber, Generalsekretär der OCG und Wilfried Seyruck, Präsident der OCG. Alle Fotos: Barbara Lachner | Photosandmore.at

Erst in den letzten Jahren erfolgte der Seite muss man anerkennen, dass auch gend Daten gegeben hat, dann kann ich Durchbruch von Machine-Learning, das Fortschritte erzielt wurden, also Machine- voraussagen, was das Resultat sein wird. inzwischen mit künstlicher Intelligenz Learning ist ein Beispiel dafür. Aber wie Das ist in der heutigen Zeit nicht mehr gleichgesetzt wird. Wie haben Sie diese gesagt, Wunder würde ich nicht erwarten. üblich, also mehr und mehr vertraut man Entwicklung, wie z. B. die Triumphe von Eine Kurzbeschreibung von Machine-Le- eben auf Heuristiken und schaut dann AlphaGo erlebt? arning lautet ja: Daten schreiben Pro- einfach, was das Resultat ist. Das ist viel- Wirth: Das ist ein Thema und ich bin gramme. Lässt sich Programmieren au- leicht nicht so tragisch, aber es gibt Ge- ziemlich weit herum bekannt als Skep- tomatisieren oder wären Programmierer biete, wo man das vermeiden sollte. Den- tiker von Artificial Intelligence, aber ich in der Zukunft wegrationalisierbar? ken Sie an medizinische oder militärische Anwendungen. darf Ihnen gleich erklären warum. Ich Wirth: Nein, das glaube ich sicher nicht. habe schon 1964 mit Exponenten von Machine-Learning heißt, dass man aus Wie schätzen Sie die aktuellen Entwick- künstlicher Intelligenz gesprochen, wie Daten, Beispielen lernt, wie die Zusam- lungen auf dem Gebiet der Rechnerar- [John] McCarthy, [Joseph] Weizenbaum menhänge sind und dann auch das chitekturen, der Programmiersprachen und [Edward] Feigenbaum, und ich habe Programm anpasst. Meistens wird gar und der Softwaretechnik ein? Was davon dann immer empfunden, es sei etwas kein Programm geändert, sondern Be- brennt Ihnen am Ehesten am Herzen? Großtuerei, dass man riesige Versprechen dingungen werden anders eingestuft. Wirth: Man redet auch immer wieder von macht, die dann doch nicht eingelöst Das Schlagwort nach meiner Meinung neuen Computerarchitekturen. Ich habe werden, um von den Funding Agencies ist Heuristik. Man bezieht vergangene eigentlich noch keine grundlegenden Geld zu bekommen. Tatsächlich sind die Erfahrungen mit in die Verarbeitungs- Änderungen wahrgenommen. Natürlich Versprechungen immer erst viel später, methodik der Zukunft ein. Wo ich immer werden die Computersysteme immer aber doch immerhin, eingelöst worden. noch skeptisch bin ist dort, wo Program- komplexer, und zwar zum Zweck der Op- Heute hat sich das Blatt gewendet. Man me verwendet werden, deren Resultate timierung. Die verrücktesten Dinge wer- kriegt den Eindruck, dass Computer nicht voraussehbar sind, also nicht de- den unternommen, um ein paar Instruk- Science fast gleich steht mit künstlicher terministische Programme, und wo sich tionen sparen zu können. Intelligenz. Das ist natürlich jetzt, weil die Resultate auch nicht wiederholen las- Neben Artificial Intelligence ist ja das Wort auch unter die Politiker und sen, weil man Erfahrungen in einer nicht Quantencomputing das zweite große unter das Volk geraten ist und man sich übersehbaren Art und Weise bezieht. Ich Schlagwort heutzutage. Ich verstehe gerne Wunder verspricht. Aber Wunder habe den Computer immer als Maschi- Quantencomputer nicht, weil ich Quan- sind nicht zu erwarten. Auf der anderen ne aufgefasst, und wenn man mir genü- tenphysik kaum verstehe. Ich muss ein-

01-02  2020 | OCG Journal 39 fach zur Kenntnis nehmen, was darüber geistern. Wir haben den Biber der Infor- Mensch gewesen diesbezüglich. Dass berichtet wird, aber ich glaube, es han- matik Wettbewerb. Da geht es genau in man schon in der Unterstufe Informatik- delt sich um eine völlig andere Art von dieses Computational Thinking hinein, prinzipien lehren muss, ist nach meiner Computer, als wir es heute gewohnt sind wo letztes Jahr 32.000 Schülerinnen und Ansicht nicht unbedingt nötig. Wo eben und ich glaube, man sollte nicht allzu vie- Schüler von 8–18 Jahren mitgemacht ein analytisches und mathematisch fun- le verfrühte Hoffnungen in diese Dinge haben. Wir versuchen, auch in Compu- diertes Denken möglich wird, da gehört stecken. ting-Kursen, Kindern algorithmisches es sicher hin. Wenn man „Informatik“ sagt, Gibt es jetzt aus Ihrer Sicht Fehlentwick- Denken mitzugeben. Wie stehen Sie zu muss man gleich fragen, was damit ge- lungen im Bereich der Informatik bzw. solchen Initiativen? meint ist. In den schweizerischen Schulen Dinge, wo Sie sagen: Das passt absolut, Wirth: Die habe ich eigentlich immer als meinen sie meistens die Anwendung von das geht in die richtige Richtung? positiv empfunden. Handys für Text-Editing und Massiv-Sen- ding und vielleicht PowerPoint, also An- Wirth: Heute geht ja alles in alle Richtun- Haben Sie Empfehlungen, die Sie der SI wendungen. Das ist nicht, was ich unter gen. und der OCG mitgeben können? Worauf Informatik verstehe. Das gehört meiner sollen wir noch mehr, auch in der Politik, Was wäre Ihr Wunsch an die Zukunft? Meinung nach eher ins Gymnasium, wo achtgeben? Wie soll sich die Informatik weiterentwi- es dann wirklich um Konzepte der Infor- ckeln? Wirth: Das ist so eine Sache. Man darf es ja matik geht, nicht nur um Anwendungen. auch nicht übertreiben. Man kann diese Wirth: Gerade in der Ausbildung: Dass Wir als OCG stehen ja auch hinter dem jungen Leute nicht zwingen nur noch an man die Grundprinzipien, Grundkonzep- Europäischen Computer Führerschein, Informatik zu denken und nur noch mit te in den Vordergrund stellt, und dass der genau auf diese Anwendungskennt- dem Handy herumzuwandern, aber rich- dann die selbstdenkenden Menschen nisse hinzielt. ableiten können, was man mit diesen tig eingesetzt ist es sehr wichtig; z. B. in Wirth: Das ist auch wichtig, ich möch- Grundprinzipien alles machen kann und normalen Schulfächern wie Mathematik, te das überhaupt nicht kleinreden. Wie nicht einfach Rezepte verteilt, ganz ähn- Physik, da ist es immer gut, wenn man man früher Schreibmaschinenstunden lich wie wir vorher bemerkt haben mit die Informatik miteinbezieht, wo es sinn- nehmen musste, muss man heute Com- diesen Internetsuchen. voll ist. Es gibt ja kaum Gebiete, wo der Computer keine Rolle mehr spielt. Viel- puterstunden nehmen. In der Ausbildung ist Computational leicht Theologie. Sie hatten in Ihrer aktiven Zeit Kontak- Thinking ist ein wichtiger Ansatz. Selbst die Kirche würde keine Kirchen- ten mit österreichischen Forschern, z.B. Wirth: Ja genau, jawohl. steuer mehr bekommen, hätte sie keine an der JKU Linz. Haben Sie auch im Ru- Ich glaube die Schweiz hat das erfolg- guten Computersysteme. Welche Infor- hestand noch Kontakte zu diesen Insti- reich in den Lehrplan 21 umgesetzt. Die matikkenntnisse sollten heute bereits an tuten? OCG setzt sich sehr dafür ein, Kinder und den Schulen gelehrt werden? Wirth: Nur auf privater Ebene. [Gustav] Jugendliche für Informatik früh zu be- Wirth: Ich bin immer ein konservativer Pomberger kenne ich noch und [Hanspe-

Niklaus Wirth im Gespräch mit Ronald Bieber (OCG) und Michael Wies- Peter Reichl, Universtät Wien, organisierte im Rahmen der Lecture eine müller (BMK) kleine Hardwareausstellung.

40 OCG Journal | 01-02  2020 News & Internes ter] Mössenböck natürlich und [Laszlo] Böszörményi in Klagenfurt. Mit denen habe ich am ehesten noch Kontakte. Sonst habe ich mich ziemlich zurückge- zogen. Ein Projekt darf ich jetzt vielleicht doch noch erwähnen. Woran Sie gerade arbeiten? Wirth: Auch das ist jetzt bereits am Aus- klingen. Wir [Wirth und Gutknecht] ha- ben ja zusammen ein Buch geschrieben, 1992. Das nennt sich Project Oberon und da haben wir unser ganzes Projekt von A bis Z beschrieben, in einem einzigen Buch. Die Entwicklung des Betriebssys- tems, des Compilers und von gewissen Anwendungen, Grafik-Editor Oberon. Das Buch ist sehr detailliert, ist sehr tech- nisch und hat deshalb relativ wenig An- Gerhard Chroust und Norbert Rozsenich erinnerten an Heinz Zemanek, hier im Bild mit Niklaus klang gefunden. Dann ist ungefähr zwi- Wirth und Ronald Bieber, OCG. schen 2000 und 2005 ein Engländer zu Gibt es von dem Buch schon eine fertige geworden. Ich habe mit Pascal und Obe- mir gekommen und hat gesagt, er hätte Ausgabe? ron nichts verdient. Ich war ein guter Leh- aus diesem Buch sehr viel gelernt. End- Wirth: Nein, das Buch nicht, aber es ist al- rer an der ETH und das hat mit genügt. lich ein Buch, wo man sagt, wie man et- les im Internet frei verfügbar. Das Ganze Aber heute ist schon das Streben nach was tut und nicht nur was. Es wäre doch heißt: Project Oberon. Es ist unter meiner Geld dominant. Ob das Computergesell- schön, wenn ich dieses Buch neu beleben Webseite und auch unter ProjectOberon. schaften etwas nützen kann, wenn ich könnte mit einer neuen Ausgabe. Zuerst com zu finden. das sage, weiß ich nicht. habe ich gezögert, aber dann doch zuge- Sie haben drei Kinder, zwei Töchter und sagt. Da war dann das Kapitel über den Die OCG ist ja auch ein Verlag. Wir könn- einen Sohn. Ist jemand in die Richtung Compiler. Das war natürlich ein Unikum, ten das mit Ihnen publizieren, wenn Sie der Informatik gegangen? denn der Computer, für den kompiliert wollen. wird, den gibt es nicht mehr, schon lange Wirth: Können Sie gerne, ja. Wirth: Nein, keiner. Schlimmer noch: Sie haben das immer möglichst vermieden. nicht mehr. Also was machen? Ich muss Welche Empfehlung oder Ratschläge Aber meine Tochter war die ältere, die ist es sowieso auslassen oder neu schreiben. können Sie Computergesellschaften, heute 100 Mal gerissener in der Compu- Dann hat er gesagt, dass ich dann eben wie der SI oder der GI in Deutschland, die terbenützung als ich. Das heißt natürlich meinen eigenen hypothetischen Com- heute den 50er feiert, oder der OCG, die Internet Search. Sie hat ein kleines Le- puter konzipieren oder bauen soll. Das nächstes Jahr den 100sten Geburtstag bensmittelgeschäft und da geht heute kann man ja simulieren. Dann ist dieser ihres Gründers, Heinz Zemanek feiert, nichts mehr ohne das Handy. Von Bestel- Paul Reed gekommen und hat gesagt: mitgeben? Ja, jetzt gibt es diese programmierbaren lungen zu Bezahlungen ist alles möglich, Wirth: Ich weiß nicht, ob ich da einen Bausteine, also FPGAs, Field Program- alles. Da ist sie wirklich gerissen. Ratschlag mitgeben kann, aber ich kann mable Gate Arrays. Da könntest du ja Hier in Zürich? Ihnen sagen, was mir etwas Bauchweh diesen Computer selber bauen. Das ist macht in der heutigen allgemeinen Ent- Wirth: Ja, ganz in der Nähe. ja nur ein Hardwareprogramm, das du wicklung und das ist, dass alles nur noch Sehr schön. So schließt sich dann der schreiben musst. Das habe ich dann in ei- nach Geld orientiert ist. Man lernt etwas, Kreis. ner kurzen Zeit gemacht und dieses Ding um sein Know-how zu erweitern und um habe ich dann zu Ende geführt und so- Wirth: Der Sohn, der ist Musiklehrer, Mu- in neue Gebiete, in denen Geld eine Rol- gar das Kapitel neugeschrieben. Ich kann siker. Damit habe ich wiederum nichts zu le spielt, einzutreten. Ich glaube ich darf Ihnen das nachher selber schnell zeigen. tun gehabt. sagen, zu meinen Zeiten hat man noch Zur Verknüpfung von Informatik und Das ist jetzt mein letztes Projekt, das ich mehr studiert, einfach um der Neugier Musik wird aber intensiv geforscht. Ich mehr oder weniger abgeschlossen habe. Willen. Man wollte etwas erlernen, Wis- denke da etwa an die Arbeit von Ger- Tatsächlich ist dieses FPGA im Prinzip sen nähren. Natürlich brauchte man das hard Widmer an der JKU Linz. eigentlich sehr ineffizient. Aber dieser später auch zum Erwerb, aber es stand Computer läuft so schnell wie der Com- nicht so sehr im Vordergrund. Also wenn Wirth: Ja, Musik und Mathematik werden puter, den ich 1990 gebaut habe für Obe- ich auf das Geld geschaut hätte, wie das ja oft verknüpft. ron. Erstaunlich. heute üblich ist, wäre ich nicht Professor Herzlichen Dank für das Interview.

01-02  2020 | OCG Journal 41 Buchbesprechung

von A Min Tjoa

Auf dem Weg zur Protektion 4.0

Zum Datenschutz scheint alles gesagt welche die Autorität demokratischer Ins- Die zahlreichen Fallstudien machen das zu sein. Seit 1983 hat sich in Europa die titutionen vermindern. Lesen und die Zuordnung nach theoreti- Vorstellung dazu trotz der noch sehr Müller diagnostiziert eine Entfremdung schen Konzepten sehr anschaulich. jungen DSGVO (Datenschutzgrundver- durch den passiven Charakter der DSG- Da Günter Müller sich mit der rechtli- ordnung) nicht wirklich viel verändert. VO und die eher rückständige Denkweise chen, technischen und ökonomischen Der Datenschutz (und die DSGVO) sei auf der Gesetzgeber. Statt nur einer Konzen- Sicht nicht zufriedengibt, bildet das Buch dem Stand von vor 30 Jahren ein bloßes tration auf einen Schutz „wovor“, wäre eine sehr wichtige Basis zur Auffindung passives Recht, das - so muss man heute auch eine Perspektive zur Befähigung eines passenden Weges, der aus der un- sagen - die Digitalisierung im Grundsatz „wozu“ wichtig, um nicht nur Schaufens- populären DSGVO eine „Protektion 4.0“ ablehnt. Sie fördere sogar den Daten- terrechte, wie zum Vergessen und zur entstehen lässt. schutz nicht, da sie allseits sichtbare Dis- Portabilität für die Zukunft anbieten zu ruptionen im Nutzerverhalten nicht be- können. achtet. Ihre Konzepte nutzen weder die So lange das alles so bleibt, stehen sich wirtschaftlichen Chancen noch entspre- Datenschutz und Innovationen im Sinne chen sie der technischen Entwicklung. eines „Entweder-oder“ als Gegner gegen- Die DSGVO schützt die Daten genauso über. wenig, wie ein Schirm den Regen schützt, In Diktaturen bilden andere Linien die meint Günter Müller in seinem Buch. Trennung von wirtschaftlicher Teilhabe Eine solche Diagnose des DSGVO von und politischen Einfluss. Der Pakt ohne einem der renommiertesten Wissen- Datenschutz zwischen Staat und Nut- schaftler auf dem Gebiet des Privacy und zern führt zur Überwachung. Nach Mül- Transparency kann man nicht so ohne ler kann und soll diese Gefahr in Europa weiteres übergehen. durch eine kontrollierte Transparenz ver- Nach Müller ist die DSGVO höchstens mieden werden. eine Protektion 2.0. Der Datenschutz DSGVO hat zahlreiche Rückgriffe auf wird trotz DSGVO allgemein als ein kul- zivilisatorische Errungenschaften ge- tureller Wert im Sinne des europäischen nommen, die sich aus althergebrachten Verständnisses zur Privatheit anerkannt. – meist europäischen – Traditionen, sozi- Nutzer wissen weder was die Daten- alen Normen und Gesetzgebungen spei- sammler über sie speichern noch werden sen. Es wurde aber versäumt zu untersu- sie gleichzeitig zur Datensparsamkeit chen, ob bei so einer bloßen Übernahme Günter Müller: angehalten. Daher wirke diese doppelte von Normen nicht letztlich das innovative Protektion 4.0: Das Digitalisierungs- Geheimhaltung wie eine gegenseitige Ziel auf der Strecke bleibt. dilemma 2020, Springer Vieweg, 241 S. Blockade der wichtigsten Akteure. Zur Entwicklung in Gleichheit gehört ISBN/EAN978-3-662-56261-1 Nutzer müssen sich über ihre prinzipiell auch die Teilhabe aller am Wissenszu- positive Einstellung zum Datenschutz wachs. Die doppelte Geheimhaltung und hinwegsetzen und sind zur großzügigen die Konzentration auf einen Schutz vor Datenpreisgabe gezwungen, um an den teilweise spekulativem Datenmissbrauch Vorteilen der Digitalisierung teilzuhaben. ist kein erfolgsversprechender Weg in Nutzer müssen Dienstanbietern ohne eine Zukunft, die von der Gleichheit der Kontrollmöglichkeit vertrauen. Chancen getragen ist. Dies ist eine Art „Neo-Kolonisierung Das Buch ist originell und höchst lesens- durch Daten“, wie Kampagnen zeigen, wert.

42 OCG Journal | 01-02  2020 187.048 45 Schüler*innen haben über die Jahre österreichweit am Schulwettbe- werb Biber der Informatik teilgenommen. Seit 2011 unterstützt die OCG diesen internationalen Wettbewerb. Wir freuen uns über die jählichen Jahre Zuwachsraten.. Seit 1981 veranstaltet und unterstützt die OCG Jugendwettbewerbe. Vom OCG Jugend Informatik Wettbewerb über den Biber der Informatik bis zur Informatik Olympiade IOI ist für alle Altersstufen und Bildungs- level etwas dabei.

OCG Förderpreise wurden seit 1988 vergeben. Ur- sprünglich53 für hervorragende Diplom- bzw. Master- arbeiten von Studierenden an Österreichs Univer- sitäten ausgelobt, wurde er 2008 mit dem OCG Förderpreis-FH erweitert. Den Informatiktalenten winkt ein Preisgeld von 2.000,-. 345Bände sind bisher in der OCG Schriftenreihe veröffentlicht worden. In der ersten Publikation aus dem Jahr 1977 konnten mit Liste der Zeitschriften auf dem Gebiet der Informations- und Datenverarbeitung alle damals verfügbaren Titel in einem Band untergebracht werden. 16+ Millionen Menschen nehmen weltweit an der Initiative Europäischer/Internatio- naler Computer Führerschein ECDL/ICDL teil. In Österreich sind bisher 8,5% der Bevölkerung beteiligt. Die OCG hat 1997 den ECDL nach Öster- 23Heinz Zemanek Preisträger*innen gibt es reich gebracht und ihn hier zum erfolgreichsten Zertifikat für IT-Anwen- bisher. Erstmals wurde der Preis 1985 zu dungskenntnisse gemacht. Ehren des 65. Geburtstags des OCG-Grün- ders ausgelobt. Er wird zur Zeit alle zwei Jahre für hervorragende Dissertationen auf den Gebieten der Informatik und fachver- wandter Bereich vergeben. Der Preis ist mit 5.000,- dotiert 1.300+ Mitglieder zählt die OCG im Jahr 2020. Mit ca. 160 Personen und Institutionen ging es im Jahr 1975 los. Die OCG darf sich heute zu den größten IT-Verbänden in Österreich zählen. Vielen Dank an alle unsere Mitglieder und ein besonders lieber Gruß an die 24, die uns seit 45 Jahren die Treue halten! IT-Sicherheit zertifizieren ISO/IEC 27001

Wir zertifizieren Ihre Informationssicherheit nach ISO/IEC 27001 und bescheinigen jetzt auch die NIS-Anforderungen für Betreiber wesentlicher Dienste.

www.ocgcert.com Österreichische Computer Gesellschaft • 1010 Wien • Wollzeile 1 istock