Das Politische, Das Korrekte Und Die Zensur I
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie Herausgegeben von Beatrix Müller-Kampel und Marion Linhardt JAHRGANG 11 (2018) NUMMER 15 Das Politische, das Korrekte und die Zensur I Kulturgeschichtliche und kultursoziologische Perspektiven Medieninhaber und Verleger LiTheS. Ein Forschungs-, Dokumentations- und Lehrschwerpunkt am Institut für Germanistik der Universität Graz Leitung: Beatrix Müller-Kampel Herausgeberinnen und Lektorat Ao. Univ.-Prof. Dr. Beatrix Müller-Kampel Institut für Germanistik der Universität Graz Mozartgasse 8 / I, 8010 Graz Tel.: ++43 / (0)316 / 380–2453 E-Mail: [email protected] Fax: ++43 / (0)316 / 380–9761 Prof. Dr. Marion Linhardt Universität Bayreuth Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät, Gebäude GW I Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth E-Mail: [email protected] Umschlagbild Karikatur Die gute Presse. In: Leuchtturm vom 1. Jänner 1847. Gestaltung und Satz mp – design und text / Dr. Margarete Payer Gartengasse 13, 8010 Graz Tel.: ++43 / (0) 664 / 32 23 790 E-Mail: [email protected] © Copyright »LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie« erscheint halbjährlich im Internet unter der Adresse »http://lithes.uni-graz.at/lithes.html«. Ansicht, Download und Ausdruck sind kostenlos. Namentlich gezeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors oder der Autorin wieder und müssen nicht mit jener der Herausgeberinnen identisch sein. Wenn nicht anders vermerkt, verbleibt das Urheberrecht bei den einzelnen Beiträgern. Editorische Notiz LiTheS Nr. 15: Das Politische, das Korrekte und die Zensur I präsentiert u. a. die Ergebnisse der im Rahmen der LiTheS-Tagung gleichen Titels im Mai 2017 an der Universität Graz geführten und davon angestoßenen Diskussionen. Gefördert vom Vizerektorat für Studium und Lehre, vom Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung, vom Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Fran- zens-Universität Graz und vom Land Steiermark. ISSN 2071-6346=LiTheS Vizerektorat für Studium und Lehre Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung INHALTSVERZEICHNIS Ein und Alles Von Alfred Dorfer 7 Eine Zensur findet nicht statt Über die Freiheit des Theaters Zweite Rede aus der Sicht des Praktikers Von Dietrich von Oertzen 8 A. Die Zensur 9 B. Das politisch Korrekte 9 a. innerhalb des Theaters 9 b. als Kontrollinstanz gegenüber dem Theater (3 Anmerkungen) 10 C. Das Tabu 11 D. Das Politische (als politisches Theater) 14 E. Bürgerpolitik 17 Schluß 19 Literatur 19 Genus, Sexus, Sprache und Schreibung: Gendern – kommunikativ notwendiges Ärgernis oder ärgerliches Kommunikationshindernis? Ein szientistischer Essay Von Richard Schrodt 20 Das politisch Korrekte und das Strafrecht Von Alexander Tipold 40 1. Ausgangsüberlegungen 40 2. Politische Korrektheit und ihre strafrechtliche Absicherung über andere Rechtsgüter 41 3 a. Politisch Unkorrektes als Beleidigung 41 b. Politisch Unkorrektes als strafbare Verhetzung nach § 283 StGB 46 c. Politisch Unkorrektes als strafbare Religionsstörung 48 d. Abschließende Gesamtbetrachtung 52 3. Politisch Korrektes im strafrechtlichen und strafprozessualen Gesetzgebungsverfahren 53 a. Vom „Schwachsinn“ 53 b. Besondere Schutzbedürftigkeit von Opfern 55 c. Straferschwerungsgrund nach § 33 Abs 3 StGB 57 4. Zusammenfassung 58 Zwischen „Grand Tour“ und „Kolonialreise“. Fremdheitsdiskurse und die Bedingungen des Sagbaren im Theater des 19. Jahrhunderts Von Marion Linhardt 60 Vom Sagbaren und Nicht-Sagbaren 60 Kontextualisierung 1: Die Ferne und das Fremde nahegebracht. Kurze Hinweise zur Massenunterhaltung im 19. Jahrhundert 61 Kontextualisierung 2: Die Fremden sind da. Ein Seitenblick auf das Theater über Geflüchtete und mit Geflüchteten in den 2010er Jahren 64 Vielgesehen. Zwei Reise-Stücke des 19. Jahrhunderts 66 In die Ferne. Reisen im Theater 70 Mozart, Da Ponte, and Censorship: Don Giovanni and Così fan tutte at the Vienna Court Theater, 1798–1804 By Martin Nedbal 75 Manuscript Sources 75 The Authors of the Vienna Adaptations 77 Censorial Interventions 81 The “Restorative” Effect of Censorship 83 Prior to and Beyond Censorship 84 Expansion and Excision 90 Conclusion 95 4 Literatur als „Zweig der Politik“? Habsburgische Bücherzensur in Lombardo-Venetien zwischen moralischer Motivation und Diskurssteuerung Von Daniel Syrovy 110 1. Grundlagen 110 2. Zensur im Kontext polizeilicher Maßnahmen 112 3. Zur Theaterzensur 116 4. Das Zeitschriftenwesen: Zensur und Diskurssteuerung 121 5. Pluralisierung der Standpunkte 126 „Sendung nicht angekommen“ – Die Wiener Kleinkunstbühne ABC (1934–1938) Opposition zwischen Zensur und Publikumsgeschmack? Von Mario Huber 130 1. Einleitung 130 2. Vorgeschichte I: Konstitution des Austrofaschismus und Repressionsmaßnahmen 133 2.1. Repressionsmaßnahmen 134 2.2. Kulturpolitik im Ständestaat 136 3. Vorgeschichte II: „Kleinkunstbühnen“ und „Theater für 49“ im Wien der frühen 1930er Jahre 139 4. Das ABC: Cabaret ABC (1934) – ABC im Regenbogen (1935) – Cabaret Regenbogen (1937) 140 4.1. „Scharmante“ Kritik am Nationalsozialismus 142 4.2. „Die Sendung ist nicht angekommen“ – Kritik am Ständestaat? 145 4.3. Widerständiges von Jura Soyfer? 147 5. Fazit 152 5 6 Ein und Alles Von Alfred Dorfer Universitäten sind Stätten der Bildung. Aber auch der Aus- und Einbildung. Uni- versal heißt alles, wörtlich allerdings: dem Einen zugewandt. Universitäten sind also Alles in Einem, manchmal Eines in Allem. Sie bilden Spezialisten aus, verfolgen also einen Zweck und bilden, haben also Sinn. Einmal, bei einer Alumnidiskussion, wurde von einem Schweizer Professor beklagt, die Unireife der Studierenden, wie man jetzt so schön sagt, sei zweifelhaft. Wichtiger wäre allerdings über die Unireife der Lehrenden nachzudenken. Man hört, dass Leute, die über ihr Spezialgebiet spre- chen, ihre Vorlesung abbrechen müssen, weil Power Point seinen Geist aufgibt. Und nicht nur er, dieser verlorene Geist macht die Unis zur Stätte der Einbildung. Didak- tisches Niemandsland auf Raubzug. Geraubt wird damit den Jungen ihr Wertvoll- stes, weil Unwiederbringliches, die Zeit. Natürlich vermitteln Lehrende stets neben dem Gewussten auch das Nicht-Gewusste. Vom Unbewussten ganz zu schweigen. Aber eben dieses Nicht-Gewusste ist ein entscheidender Punkt. Denn es zeigt Gren- zen auf, persönliche und besonders jene der Wissenschaft. Das wird gerne von Uni- versitäten ignoriert, begrenzte Instanzen sind unglaubwürdig. Denn es geht auch um Glauben an den Unis, nicht nur auf der theologischen Fakultät. Der Glaube an die Methode muss andere Methoden ignorieren. Es ist ein Monotheismus, der gepredigt wird und jenseits des Pfades nichts Reliables duldet. Paradox, denn das wirft man im Normalfall den Bildungsfeindlichen vor. Ständiger Fortschritt ist das oberste Gebot, man benimmt sich wie die gute Tochter der Wirtschaft. Auch dafür gibt es Universitäten. Die Evaluierungsindustrie wertet aus und schenkt uns Zahlen für Unmessbares, eine erstaunliche Leistung. Gleichzeitig müssen an der Wertebörse die Kurse fallen von Inspiration, geistiger Freiheit und Empathie. Der universitäre Output sollte eine kritische Masse der Kritischen nicht übersteigen. Vermutlich zum Schutz unserer Auffassung von Demokratie. Ja, auch dafür gibt es Universitäten, als systemstützender Spielball der Politik. Aber: das alles ist nicht alles. Wir sollten eines nicht vergessen. Wie die Geologie weiß, existieren in ver- steinerten Strukturen stets Einschlüsse. Nicht Fossilien, davon war lange genug die Rede. Biotope, also Lebensorte. Die – und das scheint eine Ironie geistiger Entwick- lung – durch ungünstige Umgebung erst befeuert werden. Einzelne Personen, kleine Gruppen, Thesen oder einfach nur vermeintliche Hirngespinste. Inseln natürlich, aber immerhin. Mit epizentrischem Charakter, anstößig und anstoßend, initial- zündend, eine subkutane Welle vorerst. Doch einmal erst ans Licht gekommen, unaufhaltsam. Getragen vom seltsamen Dualismus aus Kompromisslosigkeit und Respekt. Respekt vor den Studentinnen und Studenten, Respekt vor der Lehre und ihrer Verantwortung. Erst dann macht der Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes Sinn: Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Das ist das Eine, das vor allem wichtig ist. Dafür, denke ich, gibt es Universitäten wirklich. Dorfer, Alfred: Ein und Alles. In: LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theater- soziologie 11 (2018), Nr. 15: Das Politische, das Korrekte und die Zensur I, S. 7: http://lithes.uni-graz.at/lithes/18_15.html. 7 DOI: 10.25364/07.11:2018.15.1 Eine Zensur findet nicht statt Über die Freiheit des Theaters Zweite Rede aus der Sicht des Praktikers1 Von Dietrich von Oertzen Meine Damen und Herren, als erstes möchte ich Ihnen sagen, daß es mir ganz ungewöhnlich schwer gefallen ist, die drei Begriffe „das Politische“, „das Korrekte“ und „die Zensur“ mit dem heutigen Theater kurzzuschließen, und ich will Ihnen auch gleich sagen, warum: Die Zensur und das politisch Korrekte spielen für das Theater keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das Politische, namentlich das politische Theater, ist gut belegt und weitgehend aufgearbeitet, ich habe kein Interesse, das zu wiederholen. Ich hatte vor, einen kleinen Spaziergang entlang der politischen Grenzen des jetzi- gen Theaters zu machen und die eine oder andere Aufführung zu streifen, die ich gesehen habe. Dabei hatte ich die Zensur keiner Betrachtung wert gefunden, und das politisch Korrekte habe ich im Zusammenhang des Theaters für eine Arabeske gehalten, die ein bißchen bizarr, ein bißchen unverständlich, meist als Anekdote an den Rändern der