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BIRGIT LANGE-ENZMANN

Franz Borkenau als politischer Denker Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 93 Franz Borkenau als politischer Denker

Von

Birgit Lange-Enzmann

Duncker & Humblot · Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Lange-Enzmann, Birgit: Franz Borkenau als politischer Denker / von Birgit Lange- Enzmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Beiträge zur politischen Wissenschaft; Bd. 93) Zug!.: Eichstätt, Kath. Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08699-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in ISSN 0582-0421 ISBN 3-428-08699-6

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @ Inhaltsverzeichnis

Einleitung...... 7

1. Aufstieg und Fall eines Gottes: Borkenau und das kommunistische Ideal 1900 - 1932 ...... 10 1. Werdegang eines Revolutionärs...... 10 2. Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild...... 22 a) Genese der Fragestellung...... 22 b) Ausgangsthesen...... 28 c) Beweisführung...... 33 d) Zeitgenössische Rezeption...... 43 e) Mechanik, Maschine, Manufaktur...... 44 f) Rolle des Klassenkampfes...... 49 g) Bilanz...... 54

II. Faschismus, liberale Demokratie, Sozialismus, Anarchismus: Beiträge zur Staatstheorie 1932 - 1937...... 55 1. Der Weg ins Exil...... 55 2. Eine Soziologie des Faschismus...... 57 a) Entstehungsursachen faschistischer Bewegungen...... 57 b) Proletarische Revolution und faschistische Konterrevolution...... 60 c) Der echte Faschismus...... 63 d) Der Nationalsozialismus...... 66 3. Scheitern der Demokratie...... 70 4. Zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft...... 86 5. Paretos Elitentheorie ...... 94 6. Spanischer Bürgerkrieg...... 111 a) Bedeutung des Kampfes für die politische Linke...... 111 b) Ablösung der Materie durch den Geist...... 115 c) Soziale Revolution und antirevolutionäre Poltik der Kommunisten. .. 119 d) Linke oder rechte Diktatur - Spaniens Zukunftsaussichten...... 127 7. Revolution und Konterrevolution...... 132

III. Ringen um die Weltherrschaft: Kommunismus, Nationalsozialismus, Totalitarismus 1938 - 1945...... 137 1. Kriegsjahre, Kriegsschriften, Neuorientierung...... 137 2. Absage an den Weltkommunismus ...... 141 6 Inhaltsverzeichnis

3. Entwicklung und Inhalt der Totalitarismustheorie...... 146 a) Das Totalitäre als Kennzeichen des Faschismus...... 147 b) Totalitarismus als Gattungsbegriff einer neuartigen Herrschaftsform. . 156 4. Der Totalitäre Feind...... 160 a) Neuer Schwerpunkt Nationalsozialismus...... 161 b) The Totalitarian Enemy - eine Kampfschrift...... 168 c) Nationalsozialistische Wirtschaft...... 170 d) Art und Wurzeln der nationalsozialistischen Ideologie...... 175 e) Deutsche Außenpolitik und ihre Erfolgschancen...... 180 f) Bolschewismus...... 183 g) Resümee...... 187 5. Planwirtschaft und politische Freiheit - Lehren für die westlichen Demokratien...... 192

IV. Kreminologie und Zivilisations geschichte 1945 - 1957...... 201 1. Der Neuanfang...... 201 2. Borkenaus Theorie der Kulturzyklen...... 206 3. Der Kalte Krieg...... 217 4. Borkenau und Marx - ein schwieriges Verhältnis...... 224

Schluß betrachtung ...... 231

Literaturverzeichnis...... 234 1. Primärliteratur...... 234 a) Chronologisches Verzeichnis...... 234 b) Alphabetisches Verzeichnis...... 243 2. Sekundärliteratur...... 252 a) Veröffentlichungen...... 252 b) Unveröffentlichte Quellen...... 259

Namen- und Sachwortverzeichnis ...... 260 Einleitung

"Der wahre Ex- Kommunist kann nie wieder eine geschlossene Persönlichkeit werden". Sein Leben werde stets im Zeichen des Kampfes mit den einstigen Idealen stehen, dem Kommunismus könne er nie entrinnenl . Richard Crossman beschreibt 1950 mit diesem düsteren Bild den schweren Weg der Abkehr vom Kommunismus. Ihn gingen auch zahlreiche prominente Publizisten, die in den zwanziger Jahren in der revolutionären Linken engagiert waren und sich später aus Enttäuschung über die kommunistische Politik von der Bewegung trennten. Zu ihnen gehörten beispielsweise , , Andre Malraux, , Richard Löwenthal und auch Franz Borkenau. Sie entfernten sich ganz unterschiedlich weit von ihren einstigen Idealen und Kameraden und ein jeder versuchte auf seine Weise, den Verlust seiner Ideale zu verarbeiten und sich selbst neu zu plazieren. Franz Borkenaus Bruch war der größte: In den zwanziger Jahren Angehöriger des engeren Apparates der Komintern, entwickelte er sich in den fünfziger Jahren zu einem Mitkämpfer des Kalten Krieges und einem unversöhnlichen Kritiker des Marxismus und der kommunistischen Regime. Er hinterließ nach seinem frühen Tod 1957 ein umfassendes Werk teils wissenschaftlicher, teils journalistischer Schriften zu Politik, Soziologie, Geschichte und sogar Psychologie, in denen sich seine emo- tionale, weltanschauliche und wissenschaftliche Entwicklung spiegelt. Besonders interessant sind dabei seine politischen und politikwissenschaftlichen Arbeiten, in denen er, oftmals angetrieben von seiner persönlichen Erfahrung, Beiträge zur Faschismusanalyse, Demokratietheorie und besonders der Totalitarismus- theorie leistet. Dieser Teil des Werkes Franz Borkenaus soll in vorliegender Arbeit präsentiert werden. Dabei wird Borkenau nicht als ein großer, sondern vielmehr als ein symptomatischer Denker behandelt: Mit dem Werk dieses österreichischen Publizisten, Ex- Kommunisten, gelernten Historikers und leidenschaftlichen Anwalts der menschlichen Erkenntnisfähigkeit begleiten wir den für Deutschland und seine politische Linke bewegenden Zeitraum von der Mitte der zwanziger bis Ende der fünfziger Jahre. Seine Schriften führen in die brisanten Themen der politischen Auseinandersetzung dieser Zeit. Diejenigen seiner Schriften, die die für die politische Linke entscheidenden Ereignisse verarbeiten, wie die Spaltung der Arbeiterbewegung, den Spanischen

1 Richard Crossman: Ein Gott der keiner war. Zürich 1950, S. 16. 8 Einleitung

Bürgerkrieg, die zunehmende Instrumentalisierung der Kommunistischen Internationale oder den Hitler-Stalin-Pakt, zeigen zudem den Weg seiner zunehmenden Abkehr vom Kommunismus. Es ist diese organische Verbindung von persönlicher und allgemeiner Geschichte, von politischer Praxis und Theorie, die in Franz Borkenaus Leben und Werk so deutlich hervortreten und ihn zu einem überaus anregenden Untersuchungsgegenstand machen.

Diese Arbeit zum politischen Denken Franz Borkenaus kann sich auf eine Reihe früherer Studien zu Borkenau stützen: Bereits 1962 verfaßte John E. Tashjean eine Dissertation mit dem Titel "Franz Borkenau: A Study of his Social and Political Ideas", eingereicht an der Georgetown University in Washington. Tashjean beschränkt sich in der Präsentation des Werkes Borkenaus häufig auf genaue Übersetzungen deutschsprachiger Schriften ins englische oder auf detaillierte Inhaltsangaben. Der biographische Teil aber ist von kaum zu überschätzendem Quellenwert, da Tashjean noch eine Reihe von Zeitgenossen und Bekannten Borkenaus befragen konnte, was der Arbeit große Intimität verleiht. Sie wurde leider nicht veröffentlicht. Ebenfalls reichhaltige biographische Informationen liefern ein Nachruf Richard Löwenthals auf seinen Freund Borkenau und sein Vorwort zum posthum veröffentlichten "Ende und Anfang". Ausführliche Beachtung findet Borkenau auch in der Studie von William David Jones zum deutschen Antitotalitarismus. Er liefert zusätzliche Informationen für die Zeitspanne ab 1945. Eine Studie Volker Reineckes von 1992 befaßt sich mit den geschichtsphilosophisch interessanten Schriften Borkenaus. Die Arbeit gibt interessante, wenngleich kontroverse Anregungen zu den Berührungspunkten von Borkenau mit Marx. Alles in allem läßt die Sichtung der bisherigen Literatur zu Borkenau eine Studie seiner politik- wissenschaftlich interessanten Arbeiten unter Berücksichtigung ihres wissen- schaftlichen, sozialen und historischen Umfelds vermissen. Ich hoffe diese Lücke mit vorliegender Arbeit zu schließen. Grundlage sind die Schriften Franz Borkenaus. Sie werden, wo erforderlich, durch Hinzuziehung von Sekundär- literatur zur gleichen Themenstellung ergänzt, um eine Bewertung der Leistungen Borkenaus zu erlauben. Die biographischen Informationen wurden aus den genannten früheren Veröffentlichungen zu Franz Borkenau gewonnen, sowie aus zahlreichen verstreuten Hinweisen auf Borkenau in der Literatur zur Geschichte der politischen Linken. Einige zusätzliche Informationen erhielt ich aus Gesprächen mit Dr. Peter Borkenau, Dr. Wolfgang Berner und Elle Rosenkranz, denen ich für ihre Hilfe herzlich danken möchte. Leider ließen sich die Informationen zur Person Borkenaus nicht zu einer befriedigenden Biographie verdichten. Trotz der genannten Unterstützung standen zu wenig Berichte von Zeitgenossen zur Verfügung, Korrespondenz war nicht zugäng- lich, autobiographische Aussagen waren rar. Einigen Schaffensperioden konnten daher nur skizzenhafte biographische Passagen vorangestellt werden; der Mensch Borkenau bleibt im Hintergrund. Einleitung 9

Im Winter 1994 wurde diese Arbeit als politikwissenschaftliche Dissertation an der Katholischen Universität Eichstätt eingereicht. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Karl Graf Ballestrem, der mir nicht nur die Anregung zu diesem Thema gab, sondern die Arbeit auch betreute und in erheblichem Umfang wertvolle Hinweise und Kritik beisteuerte.