Musicology Today Journal of the National University of Music Bucharest
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Musicology Today Journal of the National University of Music Bucharest Issue 4 (32) October-December 2017 Title: Die katholische Kirchenmusik der Banater Deutschen und die Dommusik zu Temeswar Author: Franz Metz E-mail: Source: Musicology Today: Journal of the National University of Music Bucharest / Volume 8 / Issue 4 (32) / October-December 2017, pp 219-253 Link to this article: musicologytoday.ro/32/MT32studiesMetz.pdf How to cite this article: Franz Metz, “Die katholische Kirchenmusik der Banater Deutschen und die Dommusik zu Temeswar”, Musicology Today: Journal of the National University of Music Bucharest, 8/4 (32) (2017), 219-253. Published by: Editura Universității Naționale de Muzică București Musicology Today: Journal of the National University of Music Bucharest is indexed by EBSCO, RILM, and ERIH PLUS Studies Franz Metz Südosteuropäisches Musikarchiv, München Die katholische Kirchenmusik der Banater Deutschen und die Dommusik zu Temeswar Keywords: organ, cantors, Hapsburg Empire, Romania Einführung ie neuzeitliche geistliche Musikkultur der römisch-katholischen Kirche des Banats kann auf eine dreihundertjährige Tradition Dzurückblicken. Geprägt wurde dieser Bereich der Banater Musikkultur durch die Kolonisten aus den süddeutschen Reichsgebieten in der Zeit der drei großen Schwabenzüge des 18. Jahrhunderts. Die Metropole Temeswar war bis zur Teilung des Banats nach dem ersten Weltkrieg der wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt dieses Kulturraums und gleich- zeitig eines der wichtigsten politischen Zentren Österreich-Ungarns. Danach wurde diese Stadt zum „neuen Musikzentrum“ Großrumäniens, wie es der damalige Musikkritiker und Journalist Gabriel Sárkány festgestellt hat. Die Musik spielte in dieser mehrsprachigen Region schon immer eine bedeutende Rolle, die u. a. von Rumänen, Deutschen, Ungarn und Südslawen bewohnt wurde. Der mitteleuropäische Charakter des Banats wurde besonders durch die deutsche Musikkultur stark beeinflusst und durch die vielen Musiker, Instrumentenbauer, Kantoren und Pädagogen, die sich hier niederließen. Dabei spielten auch die böhmischen Musiker ab etwa 1810 im südlichen Banat eine wichtige Rolle. Wenn die deutschen Kantorlehrer im ländlich geprägten Banat eine wichtige Rolle in der Kirchenmusik und in der Verbreitung des Kirchenliedes Journal of the National University of Music Bucharest 220 | Studies | Franz Metz spielten, so waren es in Temeswar die Domkapellmeister, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts dem Musikleben dieser Metropole bedeutende Impulse verliehen. Ob der aus Böhmen stammende Joseph Kratochwill, der in Wien geborene Franz Limmer, Martin Nováček oder Desiderius Járosy – alle waren bedeutende Musiker und trugen dazu bei, dass die Stadt Temeswar als „Klein Wien“ in die Musikgeschichte eingezogen ist. Das deutsche Kirchenlied zur Zeit der Kolonisation Durch die Neubesiedlung des Banats im 18. Jahrhrundert entstanden neue Pfarrgemeinden, deren Mitglieder nicht nur sprachlich und mundartlich verschiedener Herkunft, sondern auch kirchlich aus vielen Diözesen des Deutschen Reiches gekommen waren. Sie brachten somit keine einheitliche Tradition und kein einheitliches kirchliches Lied mit. Wenn man bedenkt, dass manche weder schreiben noch lesen konnten und auch nur wenig Gesangbücher vorhanden waren, ist zu verstehen, mit wieviel Schwierigkeiten die Eingliederung in das kirchliche Leben verbunden war. In manchen Pfarreien und Filialgemeinden wird in den ersten Jahren und Jahrzehnten ein sangeskundiger Kolonist das Amt des Kantors verse- hen haben, der das aus der Heimat mitgebrachte Liedgut gepflegt und den Gemeindemitgliedern weitergegeben hat. Die Bistümer wurden teilweise neu gegründet und deshalb konnte lange Zeit die Frage des gottesdienstlichen Gesanges nicht auf Bistumsebene so schnell gelöst werden. Die ersten Seelsorger der Siedlungsdörfer waren meist Ordensleute und ehemalige Feldgeistliche. Trotz der neuen, meist schlechten Lebensumstände, wurde in jener Zeit auch viel gesungen und gebetet, viel- leicht auch gerade aus diesem Grund. Viele der aus dieser Zeit erhaltenen handgeschriebenen Gebetbücher enthalten auch viele Lieder. Die Siedler brachten aus ihrer Heimat die alten deutschen Kirchenlieder mit. Solche finden wir im Bruderschaftsbüchlein der Wallfahrtskirche Maria-Kéménd in der Diözese Fünfkirchen, das 1774 in Fünfkirchen in Druck erschienen war und sicherlich handschriftliche Vorgänger hatte (Homagium 1774). Es enthält Lieder wie: Komm o Heilger Geist herein, O mein Zung frohlocke, Der Tag, der ist so freudenreich, Christus ist erstanden, von seiner Marter aller, Komm Hl. Geist mit deiner Gnad. Auch eine Anzahl Marienlieder enthält dieses Gebetbuch. Messlieder sind darin keine enthalten. Auf höherer Ebene wurde erst durch Kaiserin Maria Theresia abgehol- fen, die den ehemaligen Jesuiten Johann Cosmas Michael Denis (1729-1800) betraute, ein Gesangbuch herauszugeben. Denis war Dichter und gelehr- Musicology Today Issue 4 | 2017 Die katholische Kirchenmusik der Banater Deutschen | 221 ter Theologe, der auch mit eigenen Schöpfungen und Umdichtungen das Kirchenliedgut – schon unter Einwirkung der Aufklärung – bereichert hat.1 Im Jahre 1774 erschien sein Gesangbuch unter dem Titel Geistliche Lieder zum Gebrauche der hohen Metropolitankirche bey St. Stephan in Wien und des ganzen wienerischen Erzbistums. Dieses Gesangbuch übernahm die Kaiserin für die ganze Monarchie, es hieß fortan das Maria-Theresianische Gesangbuch (Gießler 1929). Im Jahre 1777 erschien ein weiteres Gesangbuch von Franz S. von Kohlbrenner in Landshut unter dem Titel: Der hl. Gesang zum Gottesdienste in der röm.-kath. Kirche. In diesem Gesangbuch befand sich außer dem Meßlied Wir werfen uns darnieder auch die bekannte Singmesse Hier liegt vor deiner Majestät (daher Majestätsmesse), deren Text von Kohlbrenner stammt. Zu diesem Text schuf dann Johann Michael Haydn, der einstige Domkapellmeister zu Großwardein, die uns bekannte Melodie. Sie wurde von ihm für vierstimmigen Männerchor und Bläser komponiert und war den deutschen Kolonisten im donauschwäbischen Raum bis zur Vertreibung die beliebteste und häufig gesungene Festmesse. Die alten Kantorlehrer haben sie mit besonderem Geschick und feiner Kunst in ihrer barocken Zierlichkeit und Wendigkeit auf der Orgel zu spielen gewußt. An Kirchweihfesten wurde diese Messe meist auch von einem Blasorchester begleitet. Außer der Majestätsmesse verbreitete sich eine weitere Schöpfung Haydns: Wir beten an dich wahres Engelsbrot, deren Text auch von Kohlbrenner stammt und bei Segensämtern gesungen wurde (Humpert 1930). Für das Fronleichnamsfest vertonte Michael Haydn auch die Sequenz Deinem Heiland, deinem Lehrer, eine Übersetzung aus dem Lateinischen durch den Priesterdichter Franz X. Riedel (* 1737 Mautern, Österreich, † 1775 Güns, Ungarn), der als Hymnendichter und Übersetzer bekannt war. Das in den Notjahren besonders zusagende Bitt- und Sühnelied Strenger Richter aller Sünder und das einzigartige Lob- und Danklied Großer Gott, wir loben dich – beide vom schlesischen Priester Ignaz Franz (1719-1790) bil- deten mit den vorher genannten Gesängen den ersten festen geistlichen Liederschatz der jungen Pfarrgemeinden. Auch die Wallfahrtslieder waren sehr beliebt. In dem Bruderschafts- und Wallfahrtsbüchlein von Maria-Kéménd sind auch einige Marienlieder enthalten, so u. a.: Dich, o Meerstern, grüßt von fern, Sey gegrüßt o Königin, 1 Von Denis waren folgende Lieder bekannt: Tauet, Himmel, den Gerechten, Laß mich deine Leiden singen, O Engel Gottes! eilt hernieder und die Umdichtungen Dies ist der Tag, den Gott gemacht, Der Heiland ist erstanden. Journal of the National University of Music Bucharest 222 | Studies | Franz Metz Maria ging geschwind, Christi Mutter stand in Schmerzen. Eines der festlichs- ten und schönsten Marienlieder, das Hohe und herrliche, eine Umdichtung des Sonnenschein prächtige des Vorarlberger Kapuziners P. Laurentius von Schnüffis (1636-1702), bekannt unter dem Namen Johannes Martin, war das meist gesungene Marienlied der Banater Schwaben, aber auch der Völker der Doppelmonarchie in ungarischer und slawischer Übersetzung. In jener Zeit sandten die Jesuiten Missionare ins Banat, ließen Kirchen bauen, führten Glocken und Orgeln wieder ein und unterrichteten das Volk im „Volksgesang mit Musikbegleitung“. Aus Anlass des Sieges des österrei- chischen Heeres gegen die Türken und der Einnahme der Festung Temeswar, veranlasste Kaiser Karl VI. (1711-1740) in der Wiener Hofburgkapelle am 16. Oktober 1716 die Feier eines Messopfers, bei dem ein doppelchöriges Te Deum laudamus von der Hofmusik gesungen wurde. Auch in der Banater Metropole Temeswar hatte man lange Zeit hin- durch den 13. Oktober mit viel Pomp gefeiert: unter anderem wurde für die Gefallenen ein Requiem, für die Geretteten ein Te Deum gehalten. Am 6. August 1736 legte Bischof Adalbert von Falkenstein (1730-1739) den Grundstein für den Bau der neuen Domkirche. Aber schon viel früher, bereits am 14. Mai 1719 soll in der Jesuitenkirche St. Georg, die während der Türkenherrschaft als Hauptmoschee benützt wurde, zum ersten Mal nach dem Krieg eine Orgel erklungen haben. Dieses Instrument hat man aus Wien angeschafft. Es wurde in den Kirchenbüchern auch belegt, dass viele Franziskaner der Pest, die in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts in Temeswar wütete, zum Opfer vielen. Die Beisetzung des letzten an der Pest Verstorbenen fand am 28. März 1739 statt. Pater Flavian Leitner entrann dem Tode und unter dem Donner der Kanonen, die das Ende der Pestepidemie ankündigten, führte er seine