Dissertation
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DISSERTATION Titel der Dissertation “Die Stadt in der rumänischen Literatur“ Verfasserin Laura Smochină angestrebter akademischer Grad Doktorin der Philosophie (Dr. Phil.) Wien, 2012 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 092 236 354 Dissertationsgebiet lt. Studienblatt: Romanistik Betreuer: Univ.- Prof. Dr. Heinrich Stiehler INHALT I. Einleitung 3 1.1. Motivation 3 1.2. Die Stadt als soziologischer Begriff und als literarisches Thema 4 1.2.1. Die soziologische Begriffserklärung 4 1.2.2. Die Stadt in der Semiotik 9 1.2.3. Die Stadt in der Literatur 13 1.2.4. Klein-Paris 25 1.2.5. Die Stadt und die Moderne 28 1.2.6. Historischer Überblick über die rumänische Stadt 29 1.2.7. Forschungsstand 33 1.2.8. Ziele der Dissertation 34 II. Theoretische Voraussetzungen und soziale Bedingungen im rumänischen Raum 36 2.1. Die Stadt und die städtische Literatur in Rumänien 36 2.1.1. Die Land-Stadt-Dichotomie als „national vs. fremd“- Gegensatz 36 2.1.2. Die Hauptstadt Rumäniens als ein riesiges Dorf bzw. als eine orientalische Stadt 44 2.1.3. Das westliche Stadtmodell und Bukarest als Klein-Paris 50 2.1.4. Die rumänische städtische Literatur 59 2.1.5. Das kommunistische Stadtmodell und sein Erbe nach 1989 69 2.2. Die Stadt in der Biografie der rumänischen Schriftsteller 85 2.2.1. Die fremde Stadt als Studienort 85 2.2.2. Der Schriftsteller in der rumänischen städtischen Gesellschaft 92 III. Die Stadt in der rumänischen Literatur 115 3.1. Die Hauptstadt Bukarest 115 3.1.1. Die Bedeutung der Hauptstadt in der rumänischen Literatur 115 3.1.2. Die sittlichen Werte der Hauptstadt 116 3.1.3. Die rasche Modernisierung der rumänischen Hauptstadt 125 3.1.4. Die periphere Hauptstadt 153 3.1.5. Die Hauptstadt als Inbegriff der Superlative 164 3.1.6. Die Anpassung an die Hauptstadt 172 3.1.7. Die freundliche Hauptstadt 178 3.1.8. Das Überleben des bürgerlichen Modells der Hauptstadt 184 3.1.9. Die vergeistigte Hauptstadt 200 3.2. Die Vorstadt: die Mahala 217 3.2.1. Die Mahala – von der orientalischen Einheit zur pejorativen Bezeichnung 217 3.2.2. Die Mahala in der rumänischen Literatur 222 3.3. Die Provinzstadt 237 3.3.1. Die inhaltlose Provinzstadt 237 3.3.2. Die vergangenen glorreichen Zeiten der Provinzstadt 239 3.3.3. Die verlockende Provinzstadt 242 3.3.4. Die anpassungsfähige Provinzstadt in Krisenzeiten 244 3.3.5. Die düstere Provinzstadt 246 3.4. Die fremde Stadt 250 1 3.4.1. Die fremde Stadt als Kennzeichen eines fremden Volkes 250 3.4.2. Die Vornehmheit der fremden Stadt 252 3.4.3. Die fremde, sozial gerechte Stadt 256 3.4.4. Die fremde Stadt als Symbol der Freiheit 258 3.4.5. Der Weg zur Verinnerlichung der fremden Stadt 259 3.4.6. Die fremde Stadt als Kulturgegenstand 261 3.5. Die fiktive Stadt 264 3.5.1. Die Stadt als Zufluchtsort 264 3.5.2. Die Stadt als Dialogpartner 271 3.6. Die zensurierte Stadt 274 3.7. Die ethnische Stadt 281 IV. Conclusio 285 V. Bibliographie 293 Zusammenfassung 304 Abstract 307 2 I. EINLEITUNG 1.1. Motivation Bei einem Thema wie dem von mir gewählten besteht die sozusagen fast „natürliche“ Tendenz, dass die Stadt als solche mehr als die Literatur in den Mittelpunkt gerückt wird. Dies ist auch in meiner Studie der Fall, die eher eine literarische Definition der Stadt, als eine ästhetische Analyse der städtischen rumänischen Literatur bezweckt. Gleichzeitig spiegelt sie die Tatsache wieder, dass die Problematik der postkommunistischen Stadt in Rumänien mit der Gewinnung der Freiheit, als Individuum auf die Stadt „einzuwirken“, ein großes Interesse geweckt hat, noch dazu, wo das neue städtische abendländliche Vorbild rasche Anpassung verlangt. Ich hoffe, dass so ein Thema angesichts der in den letzten Jahren immer intensiver werdenden österreichisch-rumänischen Wirtschafts- und Kulturbeziehungen auch im österreichischen Raum auf Interesse stößt. Ich muss jedoch betonen, dass ich keine Synthese des rumänischen Urbanismus geleistet, sondern nur eine Reihe von unterschiedlichen subjektiven Ideen und poetischen Darstellungen der Stadt, wie sie in einer Literatur zu finden sind, analyisert habe. Mein Dank für die hilfreiche Unterstützung bei der Erstellung meiner Doktorarbeit geht vor allem an meine Betreuer, Herr Prof. Univ. Dr. Heinrich Stiehler und Herr Prof. Dr. Georg Kremnitz. Auch möchte ich mich bei meinen Kollegen und Freunden bedanken. Ihre Ideen, ihre Anregungen und ihre konstruktive Kritik haben einen wichtigen Beitrag zum Gelingen meiner Dissertation geleistet. Für die deutsche Korrektur und seine Ratschläge schulde ich Dr. Othmar Kolar einen herzlichen Dank. 3 1.2. Die Stadt als soziologischer Begriff und als literarisches Thema Die Stadt wird häufig als Gegensatz zum Dorf definiert. Die Stadt ist das, was das Dorf nicht repräsentiert. Sie ist ein heterogener Ort, weit weg von der unzivilisierten ländlichen Welt. Sie verfügt über komfortable Wohnungen und öffentliche Einrichtungen, sie wird charakterisiert durch eine beträchtliche Vielfalt, Ausdehnung und Dichte. Die Stadt repräsentiert einen neuen, alternativen Lebensstil, ist eine Quelle von Macht und Einkommen, stellt eine kosmopolitische Gesellschaft dar, die ein intensives soziales und kulturelles Leben anbietet. Ihr überfüllter Raum eröffnet die Möglichkeit vielfältiger Erlebnisse und Erfahrungen. Daher bietet die Stadt die Chance auf materielle und spirituelle Erfüllung des Individuums. 1.2.1. Die soziologische Begriffserklärung Für Louis Wirth bedeutet Stadt nicht nur eine bestimmte physische Struktur und ein bestimmtes System der sozialen Organisation, sondern auch eine Reihe von Einstellungen und Ideen. In Urbanism as a Way of Life [Urbanität als Lebensform](1938) definiert er die Stadt folgendermaßen: „a constellation of personalities engaging in typical forms of collective behavior and subject to characteristic mechanisms of social control. [eine Konstellation von Persönlichkeiten, die typische Formen kollektiven Verhaltens zeigen und charakteristischen Mechanismen gesellschaftlicher 1 Kontrolle unterworfen sind.]” Wichtige Merkmale solcher Persönlichkeiten sind die Mobilität und die Anpassungsfähigkeit. Die Stadt ermöglicht die rasche Zirkulation von Menschen und Ideen. So wird die Stadt zu einem Symbol der Entwicklung, des Fortschritts und der Moderne. Die Architektur der Stadt stellt einen Spiegel der Gesellschaft dar, sie konserviert oder zerstört Geschichte, akzeptiert oder lehnt Geschichte ab. Ihre Heterogenität sowie die Tatsache, dass die Stadt sich ständig im Wandel befindet, sind ein weiterer Ausdruck der Diversität der städtischen Welt, aber auch ihrer Macht und ihres politischen Einflusses. Da die Stadt die Hauptrolle im politischen, ökonomischen und kulturellen Leben eines Landes spielt, und auch Motor des Fortschritts war und ist, stellte sie immer einen Anziehungspunkt für die ländliche Bevölkerung dar. Dennoch wurde sie vor allem nach der 1 WIRTH, Louis: Urbanism as a Way of Life, The American Journal of Sociology, Bd. 44, No. 1, (Juli, 1938), 1-24, S. 18-19, http://www.jstor.org/stable/2768119, Stand: 23/06/2008, übers. ins Deutsche v. Herlyn, U. (Wirth, 1974). 4 Industrialisierung, als es zu einem raschen Anstieg der Bevölkerung der Städte kam, immer negativer gesehen, und als negativer Gegenpol zu einem idealisierten ländlichen Raum dargestellt. Die Verurteilung der Stadt ist nicht so paradox, wenn man an ihre Schattenseiten denkt. Eine der wichtigsten davon ist die Entfremdung von der Natur, die in der Stadt auf ein Minimum reduziert und durch eine mechanisierte Welt ersetzt wird, in der man die natürlichen Lebensabläufe und Rhythmen ignoriert. Auch der Stadtbewohner selbst wird in dieser künstlichen Umgebung zu einem mechanischen Wesen, das von Gier, Gemeinheit und Egoismus geprägt ist, und das zu keinen echten Gefühlen fähig ist, wie etwa Mitgefühl für die Mitmenschen, sondern lediglich nach Geld und Macht strebt. Wenn wir dennoch versuchen, die Stadt mit der Natur in Verbindung zu bringen, können wir sie höchstens mit einem Dschungel vergleichen.2 Einem Dschungel, der danach strebt, sich überallhin auszubreiten und der das Dorf zu verschlucken droht, wie auch der zunehmende wirtschaftliche und politische Einfluss der Stadt sich sehr rasch ausbreitet und die Unterschiede zwischen der Stadt und dem Dorf zugunsten der Stadt auflöst. Außerdem wird die Stadt als Ziel der Migration von Fremden, von Ausländern, in einen sonst einheitlichen ethnischen Raum sozusagen zu einem „Fremdkörper“ in demselben. Die rumänische Stadt bildet hierbei keine Ausnahme. Mihai Eminescu hat in einem polemischen Artikel von 1880 folgendes geschrieben: „Aducă-şi cineva aminte de ce erau Bucureştii în zilele lui Vodă Cuza: un oraş românesc. Ce sunt astăzi? Un oraş străin.” (22 ianuarie 1880). [Kann sich jemand daran erinnern, wie Bukarest zur Zeit des Prinzen Cuza war? Es war eine rumänische Stadt. Was ist es heute? Eine fremde Stadt. "(22. Jänner 1880).]3 Die Verbundenheit zum Ort entsteht in erster Linie durch die Bindung an die jeweilige Gesellschaft, denn die soziale Verankerung ist wichtiger und stärker als die Bindung zum physischen Raum.4 Auch in diesem Zusammenhang wird das Ländliche positiv bewertet. Das Dorf wird als Raum der Gemeinschaft gesehen, in dem Solidarität und Hilfsbereitschaft dominieren, und nicht Isolation und Entfremdung, wie es in der Stadt der Fall ist. Gemäß dem 1887 von 2 Die verbreitete Metapher der Stadt als Dschungel wird vom Antropologe Desmond Morris humorvoll abgelehnt, weil die Stadt nichts Natürliches enthält: „Die Stadt ist kein Asphalt-Dschungel – sie ist ein ‚Menschen-Zoo’.” In: MORRIS, Desmond: Der Menschen-Zoo