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MAI.15

Frauen EINSCHLAUFEN Betrifft: Hier schiesst die Frau Impressum Nº 04.15 Ach, sie kennen ihn ja, meinen Mann. Den punkt, mein Gewehr zu holen und ihm einen DER MUSIKZEITUNG LOOP 18. JAHRGANG Quasselstrippenheini, der normalerweise diese Betäubungsmittelpfeil in den Bauch oder den Zeilen hier hinschreibt und sich dabei regelmäs- Oberschenkel zu schiessen. P.S./LOOP Verlag sig verheddert. Man könnte ihm das als Ma- Er zuckt zusammen, steht dann kurz wieder Postfach, 8026 Zürich rotte oder – netter formuliert – als Stilelement auf, verbeugt sich, dankt dem ganzen Team Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 durchgehen lassen, aber das wäre falsch. Denn (das stets auch umfasst, obwohl www.loopzeitung.ch es handelt sich dabei tatsächlich um einen We- der direkt nichts beigesteuert hat), zieht sich senszug, um einen schrulligen Wirbel innerhalb den Pfeil raus, geht sich die Zähne putzen und Verlag, Layout: Thierry Frochaux der Persönlichkeitsstruktur, der ihn auch im danach ins Bett, um in der Bewusstlosigkeit zu [email protected] wirklich wahren Leben abseits der Editorial- verschwinden. Eine knappe Stunde später ge- schreiberei permanent straucheln lässt. Wenn selle ich mich jeweils auch dazu, drehe ihn auf Administration, Inserate: Manfred Müller ich ihn darauf anspreche, wischt er das jeweils den Rücken und schreibe ihm mit dem halb- [email protected] mit einer wegwischenden Wegwischgeste weg dicken Edding-Filzstift eine kleine Message auf und setzt zu einem konfusen Referat an, in des- den Bauch. «No Love Lost.» «Thank You All Redaktion: Philippe Amrein (amp), sen Verlauf es praktisch immer um Strandspa- For Nothing.» «Keep Me in Your Heart For a Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe ziergänge und die Landung in der Normandie While.» Was man halt so schreibt, wenn da eine [email protected] geht, um uralte Countrysongs, Häagen-Dazs, leere Bauchdecke vor einem liegt. Kathleen Edwards, The Simpsons, die verwir- Wenn er am anderen Morgen irgendwann aus Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden renden Pionierleistungen auf dem Gebiet des dem Badezimmer zurückkehrt, grinst er immer. (ash), Thomas Bohnet (tb), Roseli Ferreira, Rundfunks («Fessenden!» «Edison? Marconi?» Er trägt dann jeweils ein weisses T-Shirt mit ei- Roman Elsener, Christian Gasser, Michael Gasser «Fessenden!») und die tragische Dynamik des nem Aufkleber drauf, auf dem steht: «Hello, my (mig), Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), Alltäglichen. Name is…» Was er dort reinschreibt, ist an die- Susanne Loacker, Sam Mumenthaler, Das ist natürlich mehr als abendfüllend, und so ser Stelle nicht vollständig zitierbar. Aber natür- Philipp Niederberger, Jürg Odermatt, Sarah Pfäffli, sitzen wir oft stundenlang auf unserem salzfar- lich hat er jeden Tag eine Fülle von neuen Ideen Adrian Schräder (räd), Miriam Suter benen Sofa herum, trinken trockene Weissweine und Formulierungen, die mich immer wieder und diskutieren über veganes Backen und dis- umhauen. Was nicht selbstverständlich ist von Druck: NZZ Print, Schlieren krete Gitarrensolos. Der Guido – Sie kennen einem Dude, den man mit einem Elefanten- ihn ja – schraubt sich dann bisweilen in seinem gewehr beschossen hat. Ich glaube, ich behalte Das nächste LOOP erscheint am 29.5.2015 argumentativen Furor in ungesunde Höhen em- ihn. Bessere Männer gibt es nicht. por und rifft (ja, Männer beherrschen das) über Titelbild: Sylvie Simmons (© Di Holmes) winzige Passagen. Das ist jeweils ein guter Zeit- Lady Guido

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] SOMETIMES A BITCH… Schlimm? Nicht wirklich. Mir geht es wirklich um Aufmerksamkeit für die Band und nicht für mich. Wenn ich der erste Anziehungs- punkt bin, der Katalysator für die Aufmerksamkeit, dann ist das schon okay. Die Leute sind es halt aus dem Pop-Sektor so gewöhnt, dass die Männer auf der Bühne für die Ohren sind und die Frauen für die Augen. Bei einer Frau ist eine Gitarre ein Accessoire. Jedes Bikini-Model hat eine Gitarre in den Händen, auch wenn sie mit ihren Gel-Nägeln im Leben keinen Akkord spielen kann. Wenn sich sogar ein Porno-Star mit einem Gitarrenhals zwischen den Silikontitten ablichten lässt, muss man sich ja nicht drüber wundern, dass man als Gitarristin nicht ernstgenommen wird. Da denk ich immer nur: Fuck. Wirst du manchmal richtig wütend? Ich erinnere mich an einen Gig im Rock City in Uster. Da kam eine deutsche Band, die schon mit der Jack-Daniels- Flasche aus dem Bus stieg. Als ich meine Sachen raustrug, fanden die nur: ‹Wow, das Groupie von der anderen Band ist gut erzogen, wenn die sogar Amps rumträgt.› Ich war so froh, dass ich die Hände voll hatte und ihm nichts an- schmeissen konnte. Gibt es innerhalb von T.B.A. auch Rollenspiele oder Geschlechterkämpfe? Überhaupt nicht, auf diese Idee kommt keiner von uns. Wir diskutieren auch nie lang darüber, wer ein Solo spielt. Wenn wir einen Song fertiggeschrieben haben, jammen wir, bis der Solopart kommt. Manchmal fräsen Sandro und ich dann bei- de drein. Dann genügt oft ein Blick. Wir haben uns noch nie Konkurrenz gemacht, dazu klingen wir auch viel zu verschie- den und haben zu grossen Respekt voreinander. Wie verschieden klingt ihr? Ich bin eher das High-Gain-Kind, ich mag es, wenn es quietscht. Sandro hat einen viel wärmeren, erdigeren Sound, er kommt eher vom Blues und Country, ich eher vom klassischen Rock mit Metal-Einschlag. Sandro sagt jenna holic immer, ich sei schneller als er. Aber eben: Das mit dem Wettbewerb interessiert mich echt nicht. zum Beispiel vor, dass je- Jenna Holic, die Frontfrau der Zürcher mand nach dem Konzert zu Du bist die Texterin von T.B.A. Sandro kommt, der wie ich Auf «Rocktopus» habe ich bei allen Songs zumindest mit- Rockband T.B.A., ist die klassische Anti- Gitarre spielt, und ihm zu geschrieben, die meisten sind von mir alleine. Vorbilder einem Solo gratuliert, das habe ich eigentlich keine. Aber wenn ich einen fremden these zum Quotengirlie: Sie spielt gross- ich gespielt habe. Song höre, achte ich schon sehr auf den Text. Beim Ra- diohören frage ich mich oft, weshalb ich mir so viel Mühe artig Gitarre, kann dazu noch singen und Passiert das umgekehrt auch? gebe, Texte fünfzigmal überarbeite, ganze Passagen weg- Nein, das ist bisher noch werfe, wenn ich höre, mit was für Material andere in die manchmal ganz schön nerven. Trotzdem nie vorgekommen. Ich bin Charts kommen. Aber ich möchte nichts rausgeben, hinter es gewohnt, dass man mich dem ich nicht stehen kann. Ich kann doch nicht sieben- ist und bleibt sie die Prinzessin der Band. für ein «girl with guitar» mal «I love you, I love you» singen, auch wenn die Band hält und davon ausgeht, manchmal extrem lang auf Texte warten muss. T.B.A., kurz für «To Be Addicted», sind Jenna Holic, Sandro dass Sandro der «richtige» Garcia, Thomas Stutz und Nicolas Winter. Das Old-School- Gitarrist des Quartetts ist. Müssen die Jungs auch sonst Geduld haben mit dir? Quartett aus dem Raum Zürich erfindet das Rock-Rad nicht Sind Filmkameras auf der Ich habe einfach hohe Ansprüche an mich selber. Früher habe neu, aber die vier drehen ebenso heftig wie gekonnt daran. Bühne, geht das Spiel im- ich acht Stunden am Tag geübt und mich während der Lehre Soeben ist mit «Rocktopus» der erste Longplayer erschienen. mer gleich: Spielt Sandro damit ziemlich kaputtgemacht, dass ich immer und überall Auch wenn T.B.A. konsequent als Band auftreten und keiner ein Solo, zoomen sie auf noch Stunden zum Gitarrespielen reingequetscht habe. Vor der vier Starallüren hat: Das Auffälligste an der Combo ist ihn. Spiele ich ein Solo – Gigs fordere ich recht viel Toleranz von den Jungs: Ich bin die Sängerin, die eigentlich Gitarristin ist und nur singt, weil auch. immer nervös, kann nicht essen, werde entweder sehr ruhig es sonst keiner tut. Die 23-jährige Rasta-Blondine mag aus- Wenn dann ein schlauer oder sehr zickig, es leiden alle unter mir. Ich arbeite dran, ser Gitarren Einhörner und alles, was entweder pink ist oder Kameramann merkt, dass aber die Jungs kennen mich, und sie wissen, was vor einem glitzert. Oder beides. das Solo unmöglich von Gig im Umgang mit mir gilt: Sometimes a bitch, but al- Sandro kommen kann, ways a princess. Die Frage aller Fragen: Nimmt man die Gitarristin Jenna Holic ernst? schwenken sie ratlos zuerst Interview Susanne Loacker Für die Jungs in der Band ist das keine Frage, aber wir la- auf den Bassisten und dann Konzerte: 23.5., Big Ben Pub, Zürich; 8.8., Rock-on Festival, Gossau chen oft zusammen über Reaktionen von aussen. Es kommt in die Totale. www.tbarocksofficial.com SZENE

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MAI 2015

COMING OF AGE für ! www.xenix.ch «DAS BANJO WAR ZU LAUT» Die Engländerin Sylvie Simmons hat sich sylvie simmons in den Siebzigerjahren als eine von ganz wenigen Frauen in der Männerbastion des Musikjournalismus etabliert. Nun hat sie – temporär – die Seiten ge- wechselt.

Sie hat die goldenen Zeiten der Musikbranche miterlebt, als sie in den späten Siebzigerjahren nach Los Angeles kam. Eine junge Frau am westlichen Ende der freien Welt, die von dort als Korrespondentin für die englische Musikwo- chenzeitung «Sounds» berichtete. In den Achtzigern schrieb Sylvie Simmons grosse Features über aufstrebende Bands wie Mötley Crüe und Guns N’ Roses, kehrte nach zurück, lebte drei Jahre in Frankreich und zog schliesslich nach San Francisco, wo sie noch immer lebt. Neben ihrer journalistischen Arbeit für diverse Tageszei- tungen, Magazine und Anthologien hat sie sich nach der Jahrtausendwende auch einen Namen als erstklassige Bio- grafin erschrieben. Davon zeugen ihr formidables Gains- bourg-Buch «A Fistful of Gitanes» (2001), Liner Notes für die postume Johnny-Cash-Box «Unearthed» (2003) sowie die Leonard-Cohen-Biografie «I’m Your Man» (2012), für die sie jahrelang recherchiert hat – und die als ihr Meister- werk gilt. Nach Jahrzehnten als Kritikerin hat sich Sylvie Simmons aber schliesslich auch einen Ausflug auf die andere Seite gegönnt und Ende Oktober ihr Debütalbum «Sylvie» ver- öffentlicht, eine Sammlung wunderbarer Songs, bei denen sie sich auf der Ukulele begleitet. Eine neue, grosse Leiden- schaft.

Wo kann man derzeit Ihre Artikel lesen? Denali Gray Lowder In verschiedenen Büchern und Zeitungen, aber hauptsäch- lich im Londoner Musikmagazin «Mojo». Als es vor zwan- Das besteht allerdings – bis auf eine Ausnahme – aus Eigenkomposi- zig Jahren gegründet wurde, war ich nach einem längeren tionen. Wie sind die entstanden? Aufenthalt in Frankreich wieder nach London zurückge- Bereits bevor ich die Cohen-Biografie in Angriff nahm, hat- kehrt und war von der ersten Nummer weg mit dabei – te ich begonnen, Ukulele zu spielen und eigene Stücke zu und bin es noch immer. Die Leute von «Mojo» kümmern schreiben. Musikerfreunde von mir haben mich dann über- sich darum, dass guter Musikjournalismus weiterhin ein zeugt, diese Songs auch aufzunehmen. Besonders wichtig Zuhause hat. war dabei Howe Gelb von Giant Sand, dem ich jeweils meine Demoversionen mailte. Bis zur Cohen-Tour hatten Und wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, die Seiten zu wechseln und ein wir rund 25 Songs beieinander, und nach meiner Rückkehr Album aufzunehmen? haben wir die dann aufgenommen – innerhalb von zwei Es gibt da dieses Klischee, dass Musikjournalisten eigent- Tagen, direkt auf Band, ohne digitalen Krimskrams. lich Möchtegern-Musiker sind. Etliche meiner männlichen Als das Album dann veröffentlicht wurde, war ich natürlich Kollegen fallen tatsächlich in diese Kategorie, und in ge- ziemlich nervös und erwartete sarkastische Besprechungen wisser Weise ist das auch bei mir der Fall. Ich habe bereits der Platte, immerhin hatte ich mir ja erlaubt, den Graben als Kind verschiedene Instrumente erlernt und hatte immer zwischen Musikjournalistin und Musikerin zu überschrei- den Traum, Musikerin oder Autorin zu werden. Als ich ten. Die bösen Worte sind dann ausgeblieben, aber es fühlt dann allerdings erstmals eine Bühne betrat, war ich wie ge- sich noch immer sehr seltsam an, Kritiken des eigenen Al- lähmt. Also habe ich mich aufs Schreiben verlegt. bums zu lesen. Die Bühnenangst ist geblieben. Erst die Arbeit an der Cohen-Biografie hat es mir ermöglicht, diese zu besiegen. Wieso ausgerechnet die Ukulele? Ich hatte jahrelang an diesem Buch geschrieben, und als Als ich Mitte der Nullerjahre nach San Francisco gezogen ich damit fertig war, wollte ich auf Lese-Tournee gehen. bin, hab ich meine ganzen Habseligkeiten in London ge- Meine Verleger hatte aber keine Lust, das zu organisieren, lassen, auch meine Gitarre und mein Klavier. Doch dann also hab ich das Booking selber gemacht. Insgesamt war hatte ich wieder Lust, Musik zu machen. Also kaufte ich in ich über ein Jahr unterwegs, und da ich nicht einfach nur einer Pfandleihe ein Banjo. Meine Nachbarn beschwerten aus dem Buch vorlesen wollte, habe ich jeweils auch immer sich über den Lärm, also gab ich das Banjospiel wieder auf. ein paar Cohen-Songs gespielt. So ist meine Bühnenangst Eines Abends kam mein damaliger Freund mit einer Uku- schliesslich verschwunden. lele vorbei. Das war zu einer Zeit, als Ukulelen noch nicht bitte umblättern Düdingen 28–30.05.2015 kilbi.badbonn.ch sylvie simmons «DAS BANJO WAR ZU LAUT» als hippe Instrumente galten. Aber als ich zum ersten Mal darauf spielte, war es um mich geschehen.

Ein Instrument ist eine Sache. Wie haben Sie sich dem Gesang genähert? Da gab es kein spezielles Vorgehen. Ich hab immer schon sehr gerne gesungen, vorzugsweise traurige Songs. hat mir einmal gesagt: «Es gibt Songwriter, die mit ihren Liedern Abschied nehmen, und solche, die hallo sa- gen. Meine Songs sagen goodbye.» Bei mir ist es ebenfalls so. Was meine Stimme betrifft: Sie scheint ganz gut zu mei- nen Liedern zu passen...

Sie haben sehr viel geschrieben – Artikel, Bücher, Fiction und Non-Fiction. Inwiefern hat sich das auf Ihr Songwriting ausgewirkt? Schreiben und Musik sind zwei absolut zentrale Bereiche meines Lebens, die sich nur schwer voneinander getrennt analysieren lassen. Was das Songwriting betrifft, so hatte ich keine bewussten Einflüsse oder Künstler, die ich nach- zuahmen versucht hätte. Aber da ich mein halbes Leben lang täglich Musik gehört und darüber geschrieben habe, ist das in seiner Gesamtheit wohl die Basis für meine ei- genen Lieder. Jeder Musikjournalist hat wohl schon mal einen Musiker zum Prozess des Songwriting befragt und dann zur Antwort erhalten: «Keine Ahnung, woher die Songs kommen, ich schreibe sie nicht, sondern kanalisiere sie einfach.» Da verdreht man als Interviewerin natürlich die Augen. Aber es stimmt schon, was sie sagen. Sich einen Song auszudenken – oder auch eine Short Story –, ist äus- serst mysteriös. Man muss sich einfach in eine Stimmung begeben, in der man aufnahmefähig ist für neue Ideen, von denen man sich dann wegtragen lässt. Wenn du am Ende zufrieden bist mit der Richtung, kannst du dich an die Feinarbeit machen. Oder die Idee verwerfen und hoffen, dass bald wieder ein Song vorbeikommt.

Sind Sie ständig aufnahmefähig? Ich bin nicht wirklich gut im Umgang mit Notizbüchern. Ideen kritzle ich meist auf irgendwelche Zettel, die ich dann natürlich verliere – also muss ich mich an meine Einfälle er- innern können. Normalerweise setze ich mich in eine Ecke meines Sofas, lausche den Geräuschen, die von der Stras- Todd Regan se unten ins Zimmer dringen, trinke ein Glas Wein und klimpere dazu ein wenig auf meiner Ukulele herum – und Daraus hat sich über die Jahre hinweg eine Freundschaft Und wie sehen Ihre Zukunftspläne plötzlich scheinen meine Finger ganz genau zu wissen, was entwickelt. Irgendwann habe ich dann eben damit begon- aus? sie zu tun haben. Bald schon sind da auch Worte in meinem nen, ihm Demoversionen meiner Songs zu schicken – «Ra- Hm, knifflige Frage. Ich Mund, die sich, so scheint es, hinter meinem Rücken mit tenzahlungen», wie Howe sie nannte. Hatte ich mal eine habe ja jetzt sozusagen der Melodie verbündet haben. Und plötzlich, ohne bewuss- Weile lang keine neuen Demos, meldete er sich und fragte: zwei brotlose Karrieren, tes Mitwirken meinerseits, steht ein Song, mit Strophen, «Wo bleibt die nächste Rate?» Das war so ums Jahr 2007 da die Musikbranche und Refrain, Mittelteil und einer Story. herum. Er sagte immer: «Wir müssen unbedingt ein Album der Journalismus unter der machen.» Und das haben wir dann auch getan. Als wir es «Geiz ist geil»-Mentalität Sie haben «Rhythm oft he Rain» von den Cascades gecovert, ein Stück, das im Kasten hatten, schmiedeten wir Pläne für eine weitere der digitalen Ära leiden. man eher mit Easy Listening assoziiert. Es gibt nicht sehr viele von Frauen ge- Platte. Da ich damals einen Zwei-Alben-Vertrag mit mei- Aber ich bin keineswegs sungene Versionen dieses Songs, immerhin muss dann eine Zeile abgeändert nem Lieblingslabel Light In The Attic abschliessen konn- verbittert, denn die Musik werden: «The only boy I loved has gone away». Eine andere Sylvie – Vartan te und ständig neue Songs schreibe, werden wir uns wohl und das Schreiben haben – hat das ebenfalls gemacht. nächstes Jahr an die Arbeit machen. mir ein wunderbares, erfül- Grossartig, das wusste ich gar nicht! Es ist eines dieser Ab- lendes Leben ermöglicht. schiedslieder – wie Cohen sie nennt –, das ich als Mädchen Sie haben Hunderte von Konzerten besucht, nun stehen Sie auf der anderen Natürlich, auch ich muss geliebt habe, in der Version von Ricky Nelson. Eigentlich Seite der Bühnenkante. Wie ist es dort so? Rechnungen bezahlen. Be- hatte ich gar nicht vor, das Stück zu covern, aber im Stu- Interessant ist: Je zahlreicher das Publikum, desto weniger vor ich mir also eine Aus- dio hat mich «Rhythm oft he Rain» dann verfolgt. Immer, sieht die Person auf der Bühne von den Leuten. Der Künst- zeit nehmen kann, um das wenn die Bandmaschine gerade einen Aussetzer hatte, was ler wird vom grellen Scheinwerferlicht geblendet, während nächste Album einzuspie- ziemlich oft vorkam, sang ich diesen Song. Die betreffende die Zuschauer im dunklen Raum stehen. Das fühlt sich len, werde ich wohl ein Zeile habe ich automatisch abgeändert – ebenso wie die dann, so komisch es klingen mag, sehr intim an – als ob ich weiteres Buch schreiben nachfolgende Passage: «Little did he know that when he nur für mich alleine singen würde. In kleineren Lokalen, müssen – wesentlich zügi- left that day, the motherfucker took my heart». Howe Gelb wenn ich für ein paar Dutzend Leuten spiele, kann ich jede ger als damals die Cohen- hat das dann einfach mal aufgenommen, wir waren zufrie- einzelne Person im Publikum sehen, was ganz schön müh- Biografie. den, also ist das Stück auf dem Album drauf. sam sein kann, wenn die mit ihren Handys beschäftigt sind oder miteinander sprechen. Das lenkt mich ziemlich stark Interview Philipp Anz Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit Howe Gelb? ab. Also schliesse ich dann oft einfach meine Augen, wenn Wir kennen uns schon ziemlich lange, von einem Inter- ich singe, oder konzentriere mich auf irgendein unsichtba- Sylvie Simmons: «Sylvie» view her, das ich vor Urzeiten mal mit ihm geführt habe. res Objekt in der Ferne. (Light In The Attic) FEMINISMUS NOW Ich denke, das hat auch viel damit zu tun, dass die Hausarbeit gesellschaftlich Sleater-Kinney waren in den Neunzigern eine der prägenden nach wie vor nicht der Erwerbsarbeit gleichgestellt ist. Genau! Und dabei ist es wichtig, diese Diskussion zu füh- Bands der Riot-Grrrl-Bewegung. Anfang Jahr kehrten sie nach ren, mehr darüber zu reden. Auch über die anspruchsvolle Arbeit als Eltern, beispielsweise, das betrifft Frauen und zehn Jahren Pause mit der Platte «No Cities to Love» zurück. Männer gleichermassen. Eine solche Diskussion hilft uns allen, der gesamten Gesellschaft, nicht nur den Eltern und Sängerin und Gitarristin Corin Tucker über Privilegien, Empö- Kindern. rung – und den neuen Cinderella-Film. Wie ist das eigentlich in Amerika, wie lange können Eltern frei nehmen nach der Geburt eines Kindes? Corin, nach knapp zehn Jahren habt ihr mit Sleater-Kinney wieder ein Album In den meisten Unternehmen sind es, glaube ich, drei Mo- rausgebracht. Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit wieder zusammen im nate. Studio und auf Tour zu sein? Fühlt sich super an! Das Album war der Grund für unsere Für Väter und Mütter? Reunion, und das war definitiv die richtige Entscheidung. Ja, für beide. Aber das ist nicht lang genug! Sechs Monate Es hat uns geholfen, als Band eine neue Bindung herzu- wären schon viel besser. stellen, an neuem Material zusammen zu arbeiten. Es hat riesigen Spass gemacht, die neuen Songs gemeinsam aufzu- Hier in der Schweiz gibt es gar keinen gesetzlich vorgeschriebenen Vater- nehmen, gemeinsam auf Tour zu gehen, und wir haben ein schaftsurlaub. Album gemacht, auf das wir sehr stolz sind. Das ist wirklich ein Skandal! Und es beweist einmal mehr, dass wir dringend eine Gleichstellung der Geschlechter ver- Wie war der erste gemeinsame Auftritt nach dieser langen Zeit? folgen sollten. Ein bisschen surreal. Lustig, ich weiss nicht, aber wirklich surreal. An dem Tag, als wir zum allerersten Mal wieder Apropos: Heute bezeichnen sich immer mehr weibliche Superstars als Feminis- zusammen gespielt haben, konnte ich das überhaupt nicht tinnen. Taylor Swift, Emma Watson, Beyoncé, um nur einige zu nennen. einordnen. Ich weiss noch, wie ich abends nach dem Gig Ich finde es wunderbar, dass sich immer mehr junge Frauen eingeschlafen bin und am nächsten Tag aufwachte und dem Feminismus zuwenden und die Kontrolle über ihre ei- gedacht habe: «Welches Jahr haben wir? Wie viele Kinder gene Karriere übernehmen. habe ich?» (lacht) Ich war total verwirrt. Gleichzeitig ist Feminismus ein sehr dehnbarer Begriff, ein Idealismus, der sich mit der Zeit verändert. Dass jetzt so Aber jetzt erinnerst du dich wieder daran, wie viele Kinder du hast, richtig? viele Junge diesen Weg beschreiten, finde ich natürlich sehr Haha, ja! Jetzt fühlt sich alles wieder normal und richtig stark. Hier in Amerika beobachte ich, dass mehr und mehr an. Ich habe mich wieder daran gewöhnt, mit Sleater-Kin- junge Frauen sich stärker auf ihre Karriere konzentrieren, ney aufzutreten. als früher. Das führt natürlich zu ganz neuen Herausfor- derungen. Auf eurem neuen Album klingt ihr immer noch sehr wütend. Aber etwas weni- ger melancholisch als in früheren Songs. Warum? Zum Beispiel? Ich glaube, unsere Wut ist heute konzentrierter und fokus- Die jungen Frauen überlegen sich heute sehr sorgfältig, ob siert auf ganz spezifische Themen, die uns persönlich ent- und wann sie Kinder bekommen und wie sie das mit ih- rüsten. Wir kanalisieren diese Empörung dann in unsere rer Karriere vereinbaren können. Hier spielt natürlich die Songs. Aufklärung auch eine wichtige Rolle. Das Thema Verhü- tung ist ja vielerorts immer noch fast ein Tabuthema – und Worüber seid ihr empört? wir schreiben das Jahr 2015! Verhütung ist nach wie vor Die Songs auf «No Cities to Love» behandeln eher globale nicht gratis, was für viele Frauen bereits die erste Hürde Brandherde. Krisen, die auch andere Menschen betreffen. darstellt. Und gerade in Amerika kämpfen wir immer noch Geschichten wie etwa im Song «Price Tag», in dem es da- sehr stark um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, die rum geht, als Frau Arbeit zu haben, um seine Familie er- selbstbestimmte Verhütung und die leichtere Zugänglich- nähren zu können – und dass das eben lange nicht überall keit zu den entsprechenden Mitteln. der Fall ist. Viele Menschen werden ausgebeutet und ent- rechtet, damit grosse Unternehmen daraus Profit schlagen Inwiefern engagiert ihr euch als Band dafür? können. Solche Themen frustrieren uns, und mit unseren Wir arbeiten mit der Non-Profit-Organisation «Planned Songs wollen wir zeigen, dass das Frauenrecht eben nicht Parenthood» zusammen, die in über 700 Kliniken in Ame- nur uns als Individuen betrifft, sondern auch Frauen, die rika ihre Dienste anbietet. An unseren Konzerten verteilen viel weniger privilegiert sind als wir. diese Leute zum Beispiel immer Gratis-Kondome, ganz süss verpackt. Ein Privileg ist es beispielsweise, dass ihr als Musikerinnen Geld verdienen könnt. Aber einfach ist das auch nicht. Du hast zwei Kinder. Hast du dir vorher Gedanken über die Vereinbarkeit von Nein, es ist wirklich schwierig und eine Herausforderung, Familie und deinem Beruf als Musikerin gemacht? heutzutage mit Musik Geld zu verdienen. Erfreulicherwei- Ich wollte schon immer Mutter sein. Ich liebe Kinder und se haben wir mit unserer Band Erfolg. Wir betrachten das bin sehr glücklich mit meiner Familie. Aber um ehrlich zu nicht als selbstverständlich. Die Menschen, die es in unse- sein: Es war schon ein echt anstrengender Kampf, gleich- rem kapitalistischen System mit am schwierigsten haben, zeitig Mutter und Musikerin zu sein. Das ist kein einfacher überhaupt den Mindestlohn zu verdienen, sind arbeitende Beruf, man ist oft unterwegs oder im Studio und wenig zu- Mütter. Und ich denke, darauf müssen wir aufmerksam hause. Ich denke aber, es ist nie einfach, gleichzeitig Eltern machen. Wenn diese Menschen nicht im gleichen Masse zu sein und eine Karriere zu verfolgen. Aber wirklich, ich wirtschaftlich geschätzt und gefördert werden wie alle an- bin sehr glücklich, so wie es ist – meine Kinder sind wun- deren, ist das auch ungesund für unser ganzes Sozialsystem. derbar! Brigitte Sire

sleater-kinney corin tucker (mitte)

Was ist dir wichtig bei der Erziehung fand dann, dass wir den Film ja danach zusammen disku- über sexuelle Gewalt oder Body Shaming, überhaupt erst deiner Kinder? tieren können, also ging ich mit ihr ins Kino. Es war total ermöglicht. Wichtig ist, dass weitergemacht wird. Ein offener Dialog! Ich interessant. Ich sagte ihr, dass ich nicht so sicher sei, ob will, dass wir als Familie Cinderella sich selbst wichtig genug nehme oder ob sie sich Jemand, den man als «modernes Riot Grrrl» bezeichnen könnte, ist «Girls»- über alles reden können. zu sehr unterdrücken lasse. Im neuen Film wehrt Cinde- Regisseurin Lena Dunham. Sie hat Sleater-Kinney kürzlich als Ikonen bezeich- Der wichtigste Punkt ist für rella sich gegen ihre Stiefmutter, da hat sich meine Tochter net – was sagt Corin Tucker über Lena Dunham? mich, dass meine Kinder – im Kino zu mir umgedreht und gesagt: «Siehst du Mama, (lacht) Ich finde, Lena ist eine Ikone! Sie haut mich total ein Junge und ein Mädchen Cinderella steht für sich selbst ein! Sie ist stark!» vom Hocker mit ihrer Arbeit. Was sie tut, ist so wichtig, – kritisch denken und nicht ihr Schreiben, ihre TV-Serie, so etwas gab es in dieser Form einfach die Einstellungen Wie cool! Wie alt ist deine Tochter? vorher einfach nicht. Was ich ausserdem sehr an ihr mag, übernehmen, die ich oder (lacht) Sie ist sieben Jahre alt. Da war ich wirklich stolz ist, dass sie sehr offen für Kritik ist. Sie wird so oft kritisiert, mein Mann haben. Wir auf sie. Und eben, es zeigt, wie wichtig es ist, auch mit aber sie ist interessiert, darüber zu reden und aus Fehlern reden sehr offen über Fe- kleinen Kindern schon über Themen wie Feminismus und zu lernen – und dann weiterzumachen. Und darum gehts minismus, Sexismus und Geschlechterklischees zu reden. Ich denke, ihre Generati- meiner Meinung nach wirklich, so kann man viel erreichen. weibliche Vorbilder. Ich on wird total anders denken als meine, wenn es um diese finde sehr wichtig, dass Themen geht. In einer Folge der Satiresendung «Sound Advice» erklärt euch die Moderatorin man das als Familie bespre- Vanessa Bayer, dass es im Feminismus ja eigentlich darum gehe, dass die Män- chen und analysieren kann. Schon heute ist das gesellschaftliche Bewusstsein für diese Themen ge- ner endlich die Frauen nett behandeln sollen. Das Video ist superlustig, aber Ich kann so wiederum auch schärft: An Schulen diskutieren wir über sexuelle Belästigung, mehr und mehr ich höre das erschreckend oft von jungen Frauen, die das nicht als Witz meinen. viel von meinen Kindern Frauen wehren sich gegen Alltagssexismus und machen in sozialen Medien Kannst du mir einen Tipp geben, was ich das nächste Mal sagen könnte? lernen – meine Tochter hat darauf aufmerksam. Ich denke, gerade die Riot-Grrrl-Bewegung war ein wich- Puh, das ist eine gute Frage. Aber du könntest zum Bei- mir zum Beispiel letztens tiger Vorstoss in diese Richtung. spiel vorschlagen, dass die Person mal ein Buch von bell anhand des neuen Cinde- Für mich ist das alles ein fortlaufender Prozess, mit Riot hooks (afroamerikanische Autorin, Verfechterin von femi- rella-Films erklärt, warum Grrrl hat das alles ja nicht angefangen. Das ist auch wich- nistischen und anti-rassistischen Anliegen, Anm. d. Red.) Cinderella eine Feministin tig, dass wir den Dialog rund um Frauenthemen und lesen soll. Das könnte helfen. Eigentlich ist das sehr inter- ist. Gleichstellung aufrecht erhalten und unsere Gesellschaft essant. Warum denken manche Frauen das? Vielleicht wäre und damit auch unsere Welt nach und nach verbessern. es spannend, darüber zu reden, woher diese Gedanken Wie das? Ich denke da ganz klar auch an meine eigene Tochter. An kommen. Daraus könnte sich eine interessante Diskussion Ich wollte mir den Film zu- die Welt, in der sie leben wird, wenn sie erwachsen ist. Ich ergeben. Ich versuche immer, so offen wie möglich zu sein. erst nicht mit ihr ansehen. hoffe wirklich, dass wir nicht aufhören, für eine bessere Andere Meinungen einfach grundsätzlich abzulehnen, dar- Cinderella schien so eine und sicherere Welt zu kämpfen, gerade für junge Frauen. an glaube ich nicht, das bringt uns nicht weiter. Das sollte schwache Figur zu sein, Eine der wichtigsten Errungenschaften der Riot-Grrrl- aber das Ziel sein: Gemeinsam weiterzukommen! das fand ich blöd. Aber sie Bewegung ist sicher, dass sie einige gesellschaftliche Tabus wollte unbedingt, und ich gebrochen hat. Das hat die heutigen Diskussionen, etwa Interview Miriam Suter UNBERECHENBAR EXPLOSIV Siebziger zwischen Kunstschule (die sie verlässt), besetzten waren eine der ersten reinen Häusern und Jobs als Barmaid in eine Szene eintaucht, die bald als Punk explodieren sollte. Frauenbands der englischen Punk-Be- Wer sich an «sex, drugs and rock’n’roll» und bekannten Namen erfreut, wird hier gut bedient. Albertine wird zur wegung. In ihrer Autobiografie blickt Gi- Verehrerin der Mode von und Mal- colm McLaren, erlebt ihren ersten Blow Job mit Johnny tarristin Viv Albertine auf ihre musikali- Rotten, verliebt sich beinahe in Johnny Thunders, konsu- miert mit ihm einmal Heroin und danach nie wieder. Sie schen Anfänge, das London der Siebziger geht eine längere On-off-Liebesbeziehung mit Mick Jones ein, der später als Gitarrist von den Song «Train und ihr Leben nach dem Punk zurück. in Vain» für sie schreiben wird. Und sie pflegt eine enge Freundschaft mit . Der Radiomoderator konnte einem fast schon leid tun, Mit Jones und Vicious beginnt auch die Geschichte der aber er behielt die Ruhe im Durcheinander. Eigentlich woll- Musikerin Viv Abertine. 1976 kauft sie sich ihre erste Gi- te er nur das Konzert der englischen Band The Slits an die- tarre: «Mick kommt mit mir in den Shop an der Denmark sem Winterabend 1980 in Madison, Wisconsin, promoten Street. (...) Der Verkäufer schaut spöttisch auf ihn, ich mer- und hatte deshalb Gitarristin Viv Albertine, Bassistin Tessa ke, dass er es erbärmlich findet, wie dieser Typ die ganze Pollitt und Sängerin ins Studio des College-Sen- Zeit seine Freundin fragt, welche Gitarre ihr gefalle. Als ders WORT-FM eingeladen. Doch die drei Frauen waren er merkt, dass die Gitarre für mich ist und ich keinen Ton müde von einer langen Autofahrt und hatten überhaupt spielen kann, wird er sehr ungeduldig.» Zusammen mit keine Lust, sich auf ein «normales» Interview einzulas- Sid und Paloma Romero alias , der damaligen sen. Männliche Anrufer, die Fragen stellten wie «Kennt ihr Freundin von Joe Strummer, am Schlagzeug, gründet sie Nina Hagen?», wurden reihenweise mit lautem Gekicher, Flowers of Romance. Doch Vicious schmeisst zuerst Pal- Gekreische, Gestöhne oder einem schlichten «Nächste Fra- molive und dann auch Albertine aus der Band. Ein Bruch, ge» aus der Leitung gekippt. Dazwischen liessen The Slits der ein neues Kapitel eröffnet. über ein mitgebrachtes Kassettengerät immer wieder Zugs- Palmolive beschliesst zusammen mit der erst 14-jährigen geräusche durchs Studio rattern und verlangten «Tee mit Ari Up, eine Frauenband zu starten: The Slits. Nach einer Zitrone». Das Chaos war über die US-Kleinstadt Madison kurzen Phase mit zwei anderen Musikerinnen holen sie hereingebrochen. 1976 Albertine und die 17-jährige Tessa Pollitt am Bass Ein Mitschnitt des Auftritts wurde später als Promo-Single dazu. Diese sagt später über die Anfänge: «Es gab so wenig dem Album «Return of the Giant Slits» beigelegt und gilt weibliche Vorbilder für uns, so viele Einschränkungen für für viele als eine mediale Sternstunde des Punk. In der Öf- Musikerinnen, die durchbrochen werden mussten. Viele fentlichkeitswirkung nicht vergleichbar mit den Schimpfti- Leute wurden durch uns verunsichert. Wir waren ihnen zu raden der bei Bill Grundys TV-Show «Today» unberechenbar, zu explosiv.» Ein Schreiber des Fanzines 1976, waren diese Radiominuten trotzdem Ausdruck einer «Sniffin’ Glue» berichtete über einen der ersten Slits-Gigs: ebenso provokativen wie selbstbestimmten Haltung. Die «Their set was mad, noisy, chaotic, brilliant... They were Website Waxidermy schreibt dazu: «Das Interview erinnert inspired but totally unrehearsed... I’ve got to admit, they an das mythische Zusammentreffen eines Hexenzirkels mit scared the shit out of me.» einem Haufen (männlicher) Stadtbewohner – es ist gleich- zeitig urkomisch, hintergründig und angsteinflössend.» Viv ANGST, CHAOS, ZERSTÖRUNG Albertine erinnert sich: «Wir sollten eine Wettbewerbsfrage stellen, um Tickets zu verlosen. Also fragten wir: ‹Was sind Lucy Toothpaste, die in jenen Tagen das feministi- die Farben der Flecken auf dem Slip einer Frau während sche Punk-Fanzine «Jolt» veröffentlichte, sagt im Buch ihres Menstruationszyklus?› Zuerst kamen jede Menge «England’s Dreaming» über The Slits und andere Musi- Beleidigungen, dann ist ein Girl in der Leitung und sagt: kerinnen wie , Poly Styrene (X-Ray Spex) ‹Weiss, pink, rot, dunkelrot, pink, weiss.› Wir: ‹Yeah, sie oder Gaye Black (The Adverts): «Punk tat nicht viel, um gewinnt!›» die männliche Sexualität oder Rollenbilder herauszu- Albertine beschreibt diese Episode in ihrer Autobiografie fordern. Aber in den Anfangstagen gab er vielen Frauen «Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Selbstvertrauen. Jungsbands kamen auf die Bühne, ohne Boys, Boys», die im englischensprachigen Raum nicht einen einzigen Ton spielen zu können. Also war es einfach nur von der Musikpresse zu einem der besten Sachbücher für Frauen, die ihr Instrument ebensowenig beherrschten, des vergangenen Jahres gewählt wurde. Das Buch ist kein auch auf die Bühne zu stehen. Als sie sich weiterentwickel- Rückblick einer 59-Jährigen, die nochmals ein wenig Öf- ten, sangen diese Frauen über ihre eigene Erfahrungen, wie fentlichkeit mit Anekdoten aus wilden Jugendtagen sucht, sie es noch nie zuvor getan hatten.» Eine Entwicklung, die sondern eine faszinierende Lebensgeschichte: lustig, trau- nicht von allen goutiert wurde. Als The Slits als Vorband rig, schonungslos – dem Stolz auf Erreichtes ebenso ver- mit The Clash auf deren berüchtigte «White Riot»-Tour pflichtet wie den Momenten des Scheiterns. gingen, wurde ihnen öfters der Zugang zum Hotel ver- wehrt. Aus Angst, Chaos und Zerstörung würden ausbre- HEROIN UND GITARREN chen – während ein solcher Ruf bei männlichen Musikern zum Rock-Mythos beitrug. Es ging auch bis zu körperli- «Clothes...» ist in zwei Hälften geteilt, gleichsam einen chen Angriffen: Im Vorraum eines Londoner Clubs kam Punk- und einen Post-Teil. Im ersten Teil erleben wir Al- ein Mann unvermittelt auf Ari Up zu und stiess ihr mit den bertines Reise von ihrem Geburtsland Australien nach Eng- Worten «So you’re The Slits? Well, here’s a slit for you!» land und ihre Jugendtage mit der alleinerziehenden Mutter ein Messer in den Rücken. Nur Aris «Zwiebeloutfit», ihre und ihrer Schwester in einer kleinen Wohnung in Nordlon- vielen Kleiderschichten verhinderten Schlimmeres. don, ihre musikalische Sozialisation und die Entdeckung In «Clothes...» lassen sich noch mehr solcher Begegnun- ihrer Sexualität. Und dann, wie sie in der ersten Hälfte der gen nachlesen. Aber auch, wie The Slits ihren eigenen Weg suchten und gingen. Sie lernten ihre Instrumente und entwickelten sich mu- sikalisch weiter mit Dub, UNBERECHENBAR EXPLOSIV Post-Punk und Experimen- ten. Sie spielten mit Rollen- mustern und hinterfragten sie wie mit dem Album- cover von «Cut», das sie nackt mit Lendenschurz und bedeckt mit braunem Schlamm zeigt. Sie hinter- liessen – nicht nur in Ra- diostudios – Chaos, aber auch kreative Energie. Und sie wurden zu Vorbildern: für die späteren Riot Grrrls oder für , die sie als Teenager kurz beglei- tete. Dann lösten sich The Slits 1981 auf. Der erste Teil von Albertines Biogra- fie endet mit: «Ich ertrage keine Musik mehr. Jedes Mal, wenn ich einen Song höre, verspüre ich körper- liche Schmerzen, nur schon ein Instrument zu hören, ist unerträglich. Es erinnert mich an das, was ich verlo- ren habe.» Palmolive war zu diesem Zeitpunkt bereits aus- gestiegen. Nach einem kurzen Gastspiel bei machte sie sich auf eine spirituelle Suche, wurde zur wiedergebore- nen Christin und ist heute sehr aktiv in einer Freikir- che in den USA. Tessa Pol- litt unternahm noch in den letzten Slits-Tagen einen Suizid-Versuch, bekämpfte erfolgreich ihre Heroin- sucht, ging auf Reisen und zog dann nach London zu- rück. Ari Up machte wei- ter Musik, lebte mit ihrem Mann und zwei Kindern in Indonesien und liess sich schliesslich auf Jamaica nieder. Und Viv Abertine? Hier beginnt der zweite Teil von «Clothes...». DIE ZEIT DER BEERDIGUNGEN viv albertine

Dieser zweite Teil unter- Eine psychisch zermürbende Zeit, bis sie schliesslich eine Die Begnungen mit ihren alten Bandfreundinnen sind be- scheidet sich von den übli- Tochter bekommt. Wenige Wochen nach der Geburt wird rührende Momente zum Ende von «Cothes...». Es folgen chen Musikbiografien und bei ihr Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Sie gewinnt viele Beerdigungen: von Ari Up, Malcolm McLaren, Steve macht dieses Buch umso den Kampf gegen die Krankheit. Dann kriselt die Ehe und New/Stella Nova oder Poly Styrene. Doch Viv Albertine mehr zur beeindruckenden zerbricht. Nach 25 Jahren sucht sie etwas, das sie längst verfällt nicht in Wehmut und Trauer, da ist immer noch Lektüre. Albertine wird Ae- verloren glaubte, und nimmt wieder eine Gitarre in die etwas von einer «Punk-Haltung» und der Blick hinaus ins robic-Lehrerin, besucht die Hand. Leben. Auf den letzten Seiten macht sie eine kurze Bestan- Filmschule und führt Regie. Als Ari Up und Tessa Pollitt 2006 The Slits reformieren, desaufnahme ihrer aktuellen Befindlichkeit und schliesst Sie heiratet und beginnt fragen sie auch Albertine an. Aber diese lehnt ab, nicht mit dem Satz: «I still believe in love.» eine geradezu bürgerlich- wegen alter Zwistigkeiten, sondern weil sie einen eigenen, Philipp Anz glückliche Existenz. Aber neuen Weg gehen möchte, der sie zuerst an Open-Mic- es folgen auch erschüttern- Nächte in kleinen Pubs und schliesslich 2012 zum Soloal- Viv Albertine: «Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, de und qualvolle Passagen: bum «The Vermilion Border» führt. The Slits hatten schon Boys», Faber & Faber 2014. Albertine versucht lange, zuvor ihr drittes Album «Trapped Animal» veröffentlicht. mittels künstlicher Befruch- Es sollte ihr vermutlich letztes sein, denn 2010 stirbt Ari Für Sommer 2015 ist der Dokumentarfilm «Here to be Heard – The Story of tung Mutter zu werden. Up erst 48-jährig an einer Krebserkrankung. The Slits» angekündigt. SZENE

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PALACE 5/6 Samstag, 16. Mai Sonntag, 24. Mai SOUL THE GALLENGORIES (USA) MYSTERY Freitag, 22. Mai PARK (CH) DAGO- BERT (CH) Sonntag, 31. Mai SIND (DE) NOURA MINT SEYMALI (MRT) Blumenbergplatz, St. Gallen LISTEN TO THE LADY Alicia Keys: Welchen Frauen hören wir gerne Eurythmics: Sweet Dreams (Are Made of This) Sam Brown: Stop! zu? Wenn sie welche Lieder Nena: Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann singen? Wir haben unsere haus- Madonna: Frozen Sam Mumenthaler internen Fachleute befragt. Patti Smith: Gloria Kleenex: Ain’t You Jürg Odermatt The Ronettes: Be My Baby Karen Dalton: Something on Your Mind Big Mama Thornton: Hound Dog Betty Davis: They Say I’m Different Etta James: I’d Rather Go Blind Hildegard Knef: Das Glück kennt nur Minuten The Bangles: Goin’ Down to Liverpool Massive Attack: Unfinished Sympathy Patsy Cline: Sweet Dreams Nina Simone: Don’t Smoke in Bed The Pretenders: Back on the Chain Gang Viele bunte Autos: Küsse Lucinda Williams: Sweet Old World Suzi Quatro: Warm Leatherette Nina Hagen: Rangehn Gloria Jones: Heartbeat Liliput: Die Matrosen Benedikt Sartorius Bobbie Gentry: Ode to Billie Joe Kimya Dawson: Singing Machine Missy Elliot: Work It Roseli Ferreira Tirzah: I’m Not Dancing Patrice Rushen: Superstar patsy cline Young Marble Giants: Colossal Youth Airling: Ouroboros Lower Dens: Brains First Aid Kit: Wolf Sarah Pfäffli The Raincoats: Fairytale in the Supermarket Grace Jones: Libertango Feist: Secret Heart Broadcast: Until Then Christine and The Queens: iT Jenny Lewis: Acid Tongue Billie Holiday: Strange Fruit Robyn (& Kindness): Who Do You Love? Cat Power: Lived in Bars Kelis: Caught Out There My Brightest Diamond: Pressure Charlotte Gainsbourg: Heaven Can Wait The Velvet Underground: After Hours St. Vincent: Digital Witness Sophie Hunger: Le vent nous portera : Laura M.I.A.: Paper Planes Miriam Suter Tracy Chapman: Fast Car Warpaint: Love Is to Die Patti Smith: Piss Factory Regina Spektor: Fidelity Courtney Barnett: Small Poppies Reto Aschwanden Wir sind Helden: Müssen nur wollen PJ Harvey: The Words That Maketh Murder Tina Turner: River Deep, Mountain High : Time Is Now Dum Dum Girls: Rimbaud Eyes Tegan And Sara: You Went Away Cat Power: Song to Bobby L7: Shove Tony Lauber Sleater-Kinney: Modern Girl Lana Del Rey: Born to Die Patti Smith: Land Nina Simone: My Baby Just Cares for Me Grace Jones: Libertango Aretha Franklin: I Never Loved a Man (The Way Sharon Van Etten: Everytime the Sun Comes Up Soap & Skin: Death Mental I Love You) Regina Spektor: Fidelity Anne Clark: Poem for a Nuclear Romance Janis Joplin: Trust Me Amy Winehouse: Tears Dry on Their Own PJ Harvey: In the Dark Places Wanda Jackson: Funnel of Love : Pancho and Lefty Brenda Lee: Sweet Nothings Thomas Bohnet Sandy Dillon: Enter the Flame Dusty Springfield: Son of a Preacher Man Françoise Hardy: Comment te dire adieu Irma Thomas: Cry On Emmylou Harris: Wayfaring Stranger Philippe Amrein Bettye LaVette: Let Me Down Easy Monie Love: It’s a Shame (My Sister) Janis Ian: At Seventeen Carole King: (You Make Me Feel Like) A Na- Lone Justice/MariaMcKee: Ways to Be Wicked Patsy Cline: Leaving on Your Mind tural Woman Patti Smith: Dancing Barefoot Buffy Sainte-Marie: Moonshot Julie Driscoll: Road to Cairo Siouxsie and the Banshees: Cities in Dust Lia Ices: Love Is Won Michelle Shocked: 5 am in Amsterdam Caitlin Rose: Sinful Wishing Well Susanne Loacker Patsy Cline: I Fall to Pieces Lassie Singers: Hamburg Katy Moffatt: If You Can’t Stand the Heat Aretha Franklin: Respect Billie Holiday: I’m a Fool to Want You Nanci Griffith: Speed of the Sound of Loneliness Britta: Depressiver Tag Sharon Van Etten: One Day Terri Binion & Lucinda Williams: GayleAnne Carly Simon: You’re So Vain Tish Hinojosa: Drifter’s Wind Hanspeter Künzler Gwen Stefani & Eve: Hollaback Girl Carrie Rodriguez: If I Needed You Annette Peacock: My Mama Never Taught Me Eleni Mandell: Put My Baby to Bed How to Cook Michael Gasser Emmylou Harris: When Halley Came to Jackson Sandy Denny: At the End of the Day Bobbie Gentry: Ode to Billy Joe Iris DeMent: Let the Mystery Be Richard & Linda Thompson: For Shame of Do- : The Last Time I Saw Richard Miley Cyrus: Jolene ing Wrong Petra Jean Phillipson: Into My Arms Jann Browne: Better Love Next Time Steeleye Span (Gay Woods & Maddy Prior): All : Caleb Meyer Things Are Quite Silent Françoise Hardy: Mon ami la rose Roman Elsener Francoiz Breut: Derrière le Grand Filtre Sandy Denny: Who Knows Where the Time Goes : Hounds of Love P.J. Harvey: All and Everyone Karen Dalton: Ribbon Bow Patti Smith Group: Dancing Barefoot Gillian Welch: Caleb Meyer Anna Ternheim: No Subtle Men Tanita Tikaram: Twist in My Sobriety Julie Tippetts: Lilies Kate & Ann McGarrigle: Heart Like a Wheel Neneh Cherry: Woman Pooka: One in a Million Keren Ann: Polly Blondie: Hanging on the Telephone Metric (Emily Haines): Sick Muse SZENE

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EIN FILM VON MIA HANSEN-LØVE JETZT IM KINO musik im briefkasten DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Kürzlich habe ich mir «Easy Rider» ausgeliehen, die Ge- schichte dieser zwei Hippies, die sich 1969 auf ihren Har- ley-Davidsons auf die Suche nach Amerika machen. Nach welchem Amerika? Nach dem Amerika des Aufbruchs oder nach dem ländlichen Amerika, das sich nicht verändern will? Oder nach dem mythischen Amerika? Henry Fonda, Kendrick Roisin Murphy Nadja Stoller der schweigsam ist wie ein Cowboy und dessen Benzintank Lamar Hairless Toys Earthbound die amerikanische Flagge ziert, scheint den Traum zu ha- To Pimp a Butterfly (PIAS) (Everest Records/Godbrain) ben, diese drei Amerikas zu verbinden. (Universal) Ein ähnlicher Traum wurde in der Musik ab 1966 ver- Moloko gehörten zu den 2011 veröffentlichte Nad- wirklicht, als mehr und mehr langhaarige Musiker ihren Hip-Hop-Album des Jah- interessanteren und auch ja Stoller ihr Solodebüt Rock’n’Roll mit Country zu «long haired country» be- res: Selten sind sich Mu- leichter betanzbaren Er- «Alchemy», jetzt kommt ziehungsweise Country-Rock kurzschlossen. Den Anfang sikpresse und Feuilleton so scheinungen am rauchver- ihr zweites Album «Earth- machte die International Submarine Band (Gram Parsons’ einig wie bei Kendrick La- hangenen Nachthimmel bound». Man könnte auch erste Band), dicht gefolgt von Buffalo Springfield und Lo- mars neuem Werk. Und es von Trip-Hop. Nach der behaupten: Auf die Be- vin‘ Spoonful.1968 stieg Gram Parsons bei The Byrds ein, ist zu vermuten, dass 2015 Auflösung des Duos er- schäftigung mit dem Zweig und es entstand das meisterhafte «Sweetheart of the Ro- in Sachen Hip-Hop nichts schienen von Roisin Mur- der Naturphilosophie folgt deo». Wichtig war aber auch der Traditionen gegenüber Besseres mehr kommen phy noch zwei hörens- nun die Annäherung an immer wachsame Bob Dylan: Bei den Aufnahmen von wird als dieses Monster von werte Solo-Alben. Danach die Scholle selbst. Um die «Blonde on Blonde» in Nashville war er von der Qualität einem Album des 27-Jähri- trat sie lang nur noch bei neuen Lieder zu entwer- der Sessionmusiker so begeistert, dass er sich fortan ver- gen aus Compton in L.A. diversen Dance-Produk- fen, mutierte die Bernerin mehrt auch countryesken Einflüssen öffnete. Gut, Kendrick Lamar galt tionen als Gaststimme in vorübergehend zur Ere- Die Fusion war zwingend: Die Energie des Rock’n’Roll, vorher schon als einer der Erscheinung, ehe sie 2014 mitin – und zog an einen die Seele und das prägnante Storytelling des Country und talentiertesten und vielsei- mit einer Sammlung von nicht näher bezeichneten nicht zuletzt die Themen des zeitgenössischen Amerikas: tigsten seiner Zunft, aber italienischen Songs wie- Ort, fernab der Zivilisa- Immer wieder schwirren Drogen und Vietnam, die gesell- was er hier auf seinem drit- der in eigener Sache an tion. Dort liess sie zehn schaftlichen und politischen Verwerfungen der Zeit durch ten Album anstellt, ist so die Öffentlichkeit trat. Die Vignetten entstehen, die die Songs. In dieser Musik steckte der Traum einer neuen etwas wie der momentane Präsenz von Eddie Stevens, von der Stille geprägt sind kulturellen Frontier, in der das zeitlose und das aktuelle, «state of the art». Lamar der schon bei Moloko und karger wirken als eine das mythische und das reale Amerika zusammenfinden nimmt uns mit auf eine musikalische Geburtshilfe windumtoste Hütte weit würden. Reise durch Raum und Zeit geleistet hatte, zeigt an, in oberhalb der Baumgrenze. Bevor in den Siebzigerjahren eine gewisse kalifornische der afroamerikanischen welche Tradition sich nun «Ich bin ein Schwamm. Ich Band mit ihrem Countrysoftrock die Charts besetzte (siehe Kultur, die von FreeJazz «Hairless Toys» einpassen sauge alles auf», sagt die weiter unten), war dem Country-Rock kein überwältigen- bis Gangsta-Rap und dem lässt. Die Songs werden Singer/Songwriterin über der kommerzieller Erfolg beschieden. Er trug aber dazu P-Funk George Clintons mehrheitlich von heftigen sich selbst und legt zum bei, dass sich beide Welten annäherten. Zum einen fielen reicht. Schräges wie der und minimalen House- Beweis ihre neuen Stücke die Vorurteile dem Volkstümlichen gegenüber, so dass auch jazzige Spoken-Word-Titel Beats getrieben, die auch vor. Während sie auf «Litt- progressive Rockbands wie Grateful Dead, Jefferson Air- «U» steht Eingängigerem mal ins Discoide abdriften le Dead Bird» zu getupften plane und natürlich die grossartigen Creedence Clearwater wie der ersten Single «I» können. Murphys Stimme Pianoklängen ein Stillleben Revival ohne Scheu Countryelemente aufnahmen. Ande- gegenüber. Anderes ist ist geschmeidig und aus- heraufbeschwört, stehen rerseits näherten sich Countrygrössen wie feister Funk, mit Chören drucksstark wie je, der Reiz auf «Lazy Protector» das oder an die Rockmusik an. verzierte Reimkunst oder des liegt indessen alpine Grollen und die Fest- Diese Geschichte rollt Bear Family Music in ihrer Serie Old-School-Soul und be- im Kontrast zwischen den stellung im Vordergrund, «Truckers, Kickers, Cowboy Angels» auf, deren vier erste, kiffter Rap. In den Lyrics Beats und dem ungewöhn- dass es besser ist, alleine die Zeit von 1966 bis 1971 abdeckenden (Doppel-)CDs er- geht es auch um den täg- lich jazzigen instrumen- zu sein, als mit dem jeman- schienen sind. Weitere Namen? Townes Van Zandt, Linda lichen Rassismus in den tellen Beigemüse. Selbst dem, dem man egal ist. Die Ronstadt, The Band, J.J. Cale und immer wieder die sehr USA, wobei es sich Lamar Balladen wie «Exile» oder Emotionen sind so roh und wunderbaren Songs des ex-Monkees-Teeniestars Michael gar nicht so einfach mit der das Titelstück, die auf dem fragmentarisch wie der Nesmith. Und das alles vertieft durch die üppigen Booklets Schuldzuweisung macht, Papier wohl noch eher kon- zeitlose Folk, der sich aus des Herausgebers Colin Escott. wie der Track «The Bla- ventionell ausgesehen ha- den Songs hervorschält. «Easy Rider» endet bekanntlich schlecht: Der Cowboy cker the Berry» zeigt. Die ben, werden mittels unge- Mit «Earthbound» gelingt und der Indianer (Dennis Hopper) werden von Rednecks Texte sind mehrdeutig und wöhnlichen Klangtupfern Nadja Stoller ein schweize- von ihren Eisenrössern geholt. Die beiden Amerikas ent- verspielt wie die Musik, und –kaskaden in etwas rischer Gegenentwurf zum puppten sich als unvereinbar. Auch mit dem Country-Rock die auswuchert und dieses völlig anderes verwandelt. Americana. Ihre Songs sind nahm es ein übles Ende: Mit den Eagles. Und nun kann Album, das bei jedem wei- Murphy schafft das Kunst- traditionsbewusst, wirken man sich streiten, welches Ende schlimmer ist, der Tod der teren Durchgang neue Ent- stück, experimentelle Lie- frisch und ergreifen – und zwei Easy Rider oder der Triumph der Eagles... deckungen bereithält, zum der zu machen, die auch zwar von A bis Z. Hörgenuss macht. Famose süffig sind. Christian Gasser Platte. mig. hpk. tb. DIE NEUEN PLATTEN Kim Gordon Kim Gordon ist so ziemlich der Inbegriff von Coolness. Bassistin und Frontfrau der Avantgarde-Rockband Sonic Youth. Künstlerin. Autorin. Mutter. Modeikone. Und 27 Jahre mit Bandgspänli verheiratet. Man möchte meinen, diese Frau habe es hingekriegt: älter zu werden, ein wenig spiessig fast mit Mann und Tochter und Haus – und dabei Rock’n’Roll zu bleiben. Yeah. Courtney Sophie Hunger Bis dann, 2011, die Trennung kommt. Das Aus für die Ehe Barnett Supermoon Balas y Chocolate bedeutet auch das Ende der Band. In ihrer Autobiografie Sometimes I Sit (Caroline/Universal) (Sony Latin) «Girl in a Band» hat Gordon das Ganze nun öffentlich and Think, and verarbeitet. Schmerzhaft detailliert breitet sie das Ende der Sometimes I Just Sit Die Welt der Indie-Labels «I’ve seen hell; I’ve seen the Liebe aus. Wie sie herausfindet, dass ihr Mann eine Affäre (Marathon/Limmat Records) hat Sophie Hunger fürs news», singt Lila Downs hat – weil sie SMS von «ihr» entdeckt. Wie Moore immer Erste hinter sich gelassen, in «La Patria Madrina». wieder lügt. Wie er insgeheim in Hotels absteigt mit der Mitglieder der Generation nicht aber deren Glauben Das Video zum Song zeigt Geliebten. Hach: Menschliches, Allzumenschliches. Y sind derzeit die armen ans Gute. Die höhere Di- Zerstörung natürlicher Und vor lauter unschönen Details ist man plötzlich gar Hunde, auf die medial ein- plomatentochter zeigt sich Ressourcen und Bilder nicht mehr so sicher, ob man das wirklich alles wissen woll- geprügelt wird. Doch wie auf «Supermoon», ihrem zum Drogenkrieg in Me- te. Kim Gordon schnüffelt im Handy ihres Mannes! Thurs- sich das anfühlt, Teil dieser fünften Album, weniger xiko. «Balas y Chocolate» ton Moore raucht heimlich wie ein Teenager! Das Idealbild Generation zu sein, deren aufreibend, aber eben- (Knarren und Schokolade) verschwimmt beim Lesen zusehends. Mitglieder mit Ende zwan- so engagiert wie auf dem heisst das aktuelle Album Leider nur in einigen Anekdoten erfährt man im Buch zig immer noch die Unent- Vorgänger «The Danger of der Singer/Songwriterin auch, wie ambivalent es für Gordon war, das «Girl» in der schlossenheit eines Teen- Light» (2012). Die 32-Jäh- und Politaktivistin, die mit Band zu sein, die Exotin in der Männerwelt: Dass ihr beim agers besitzen, darüber rige thront über den 18 ihren rootsigen Partysongs Videodreh die Brüste tropften, weil sie ihre Tochter Coco wird wenig geschrieben. Liedern der Deluxe-Version und emotionalen Folkballa- noch stillte. Dass bei einem Konzert in der Schweiz einmal Ich bin Teil dieser Genera- und herrscht dabei über ein den zum Star geworden ist. ein Typ in ihren Hintern biss. Dass sie irgendwann in den tion, und mein Herz mach- Sammelsurium aus Stilen, Beim Hören des furiosen Neunzigern begriff, dass man «dissonante Musik besser te einen Hüpfer, als ich das Gefühlen, Farben und For- Eröffnungsstücks «Humi- verkaufen konnte, wenn man sich sexier anzog». Debüt von Courtney Bar- men, das heterogener kaum to Copal» deutet sich an, Und offensichtlich hat Kim Gordon auch realisiert, dass nett entdeckte. Schon das sein könnte und sich doch dass Downs die besondere sich Bücher besser verkaufen, wenn viele berühmte Namen Cover! Und dann der Titel, als Einheit offenbart. «Love Beziehung der Mexikaner darin stehen. Lustig ist ihr Namedropping dann, wenn es der treffsicher das Grund- Is Not the Answer» findet zum Tod untersucht. Im von der langweiligen Berichterstattung in Tratsch kippt: gefühl von vielen Genera- Antworten im Glam-Pop, Land ist er allgegenwärtig. Billy Corgan von den Smashing Pumpkins war «such a tion Y-ler beschreibt. Ich «Die ganze Welt» stösst Laufend werden Massaker crybaby». Fast niemand mochte Jeff Koons. Und Courtney habe mich in die rotzige auf Erfüllung im schütte- unter rivalisierenden Kar- Love ist ganz schrecklich. Mit diesem Klatsch packt uns Stimme von Courtney ver- ren Soul, und «La Chanson tellen publik, wie 2014 die Gordon abermals bei unserem Voyeurismus. liebt, in ihre Texte, die in d’Hélène» folgt den Spuren Hinrichtung von 43 jungen Am Ende ist der Zauber des Rock’n’Roll dahin. Aber es hat Bob-Dylan-Manier mit von Romy Schneider und Männern im Bundesstaat etwas Tröstliches. Die Einsicht: Sogar die grossartige Kim Begriffen und Wortbedeu- Michel Piccoli: Das Duett Guerrero. Die harten sozi- Gordon ist ziemlich normal. Einfach mit einem wahnsinnig tungen spielen und den All- aus der Feder von Philippe alen Realitäten verarbeitete coolen Leben. Und wahnsinnig berühmten Freunden. tag poetisch mit Rebellion Sarde präsentiert Hunger Downs zu einer beeindru- verflechten. In den Songs gemeinsam mit dem sprech- ckenden Kollektion aus Sarah Pfäffli gehts ums Schwimmen und singenden Ex-Fussballer fremden und eigenen Songs, Joggen, darum, dass man Eric Cantona. Das Resultat in denen sich Folk, Pop, Kim Gordon: «Girl in a Band», Kiepenheuer & Witsch, 352 S., 27.90 Fr. dank eines Kaffeekochers ist ein melodramatisches Jazz, Reggae und Hip-Hop weniger Geld in teuren Ca- Kammerstück, das sich wie mischen. Die muntere Mu- fés ausgibt, um Abende, an ein streichelnder Schlag an- sik im Titelstück oder der denen man gleichzeitig aus- fühlt. Die zwischen Brüssel Norteño-Polka «Las Casas gehen und zuhause bleiben und San Francisco entstan- de Madera» kontrastiert will, und, natürlich, ums den Songs sind satt struktu- zu den Themen, die Downs Verliebtsein. Courtney ist riert, wendig und werden anspricht. Neben Wut und dabei nie pathetisch, son- von der sehnsüchtig ma- Verunsicherung blitzt in dern immer clever und chenden Stimme der Ber- diesen Songs auch Optimis- genau die richtige Portion nerin gesättigt. Eine Platte, mus auf, beispielsweise in wütend. Ein grosses «Dan- die Provinzielles und Mon- «La Patria Madrina», ei- ke!» nach Australien fürs dänes zum Klingen bringt, ner Kollaboration mit dem Vertonen von grossen und durch Poesie besticht und kolumbianischen Sänger weniger grossen Ängsten das beweist, was man nicht Juanes. Eine grosse Stimme und für das gute Gefühl: Es für möglich gehalten hätte: besingt das moderne Mexi- geht noch anderen so wie Sophie Hunger steigert sich ko und schlägt immer auch mir – das macht alles ein weiter. eine Brücke zu den Wurzeln bisschen angenehmer. indigener Kultur. mig. mim. tl. DIE NEUEN PLATTEN The Pride Vor zwölf Jahren erschien die Compilation «Country», zu- sammengestellt von den Betreibern der legendären Rough Trade Shops. Auf zwei CDs fanden sich Songs von Bands wie dem American Music Club, Golden Smog oder Souled American. Es waren allesamt Bands und Sängerschaften, die teilweise bereits seit dem Beginn der Achtziger nach ei- Moriarty Django Django Biggles ner neuen Americana suchten, lange bevor das Modegen- Epitaph Born Under Saturn Orange Wedge re «Alt-Country» erfunden wurde. Um es mit Howe Gelb (Air Rytmo) (Warner) (Endorphin/Irascible) auszudrücken: «This is without a country.» Ein Land für ihre Americana, das hatte die Schaffhauser Bereits 1995 gegründet, Mit ihrem rundum in Es gibt Fragen, die erfor- Band The Pride auch nicht, als sie sich vor dreissig Jah- startet die Erfolgsgeschich- höchsten Tönen gelobten dern trockene Antworten: ren aufmachte, das rootsige amerikanische Liedgut hierzu- te dieser eher ungewöhnli- und schliesslich sogar in Wer von Biggles wissen lande zu pflegen. Dafür den Rheinfall und damit spätere chen Pariser Band erst, als Platinmengen gekauften will, warum sein fünftes Schlagzeilen wie «Kein Reinfall vom Rheinfall». Drei Al- Sängerin Rosemary Stand- Debütalbum hätten Django Opus den Namen «Oran- ben erschienen zwischen 1991 und 1996, es gab Radiohits ley Ende der Neunziger Django vor drei Jahren bei- ge Wedge» trägt, bekommt wie «Stand the Rain», ehe sich die Band 1999 nach einer dazustösst und Moriarty nahe den Mercury-Preis ge- gesagt, dass «Rise Like a Tour auflöste. 2014 rauften sich Tom Krailing, Markus 2007 schliesslich ein De- wonnen. Der zweite Wurf Phoenix» schon besetzt «Zoogey» Graf, Hännes Grüninger und Stefan Zahler zu- bütalbum veröffentlichen. steht dem Erstling in punk- war. «Und die Orange be- sammen, um ihre zeitlosen Lieder nochmals auf der Bühne Die Liveshows der Band to süffiger Melodik und steht aus mehreren Stü- zu singen – und eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, aus französischen, ameri- stimmungsvollem Einsatz cken, die erst zusammenge- um das nun vorliegende Boxset zum dreissigsten Bandge- kanischen, vietnamesischen von Harmoniegesängen in fügt ein Ganzes ergeben.» burtstag mitzufinanzieren. und Schweizer MusikerIn- keiner Weise nach. Typisch So wie seine Band, so wie «Boxing Clever» heisst diese sehr schön aufgemachte nen wurden seither immer für die Django’sche Stilme- seine Platte. Nach seinem Werkschau, dank der nun nachzuhören ist, wieso The besser und Moriarty, deren lange ist Track 2, «Shake letzten Werk «Cloudspea- Pride beinahe Rockstars wurden. Das Songwriting von Heimat man nicht unbe- and Tremble»: es beginnt ker» (2012) stand Biggles Krailing ist schnörkellos angelegt, die Band changiert zwi- dingt in Frankreich veror- mit einem feurigen, zwi- Post-Tournee ohne Tas- schen frischem Powerpop und der Rock’n’Roll-Autobahn, ten würde, touren auch eu- schen Cramps, Pink Pan- tenmann da. Der Zürcher während die Arrangements auch schon mal mit einer Pe- ropaweit. «Epitaph», das ther und Dancehall-Reggae grämte sich nicht, sondern dal-Steel ausgeschmückt sind. Mit am schönsten sind die wunderschöne, inzwischen angesiedelten Teufelsriff, erfand sich (halb) neu. Mit bislang unveröffentlichten Songs «Stuck» und «Ohm», in vierte Moriarty-Album, dann kommen plötzlich aufgefrischtem Personal an denen die linde Melancholie, die das übrige Songmaterial ist eine Sammlung neuer die multi-getrackten Stim- Bord reiste er nach Frank- bei allen überschwänglich gespielten Gitarren durchzieht, Songs, die in verschiede- men mit einem herrlich reich – und liess sich durch in ein elegant-trauriges Cello-Jammertal kippt. 1999 hätte nen Stationen entstanden sunshine-poppigen Chor- Süden, Sonne und Som- es also durchaus eine Zukunft, wenn nicht gar nicht ein sind. So stammen sechs gesang daher, dahinter merliches inspirieren. Vom Land für The Pride gegeben, eine Zukunft, die nun, «ein der Tracks aus einer Arbeit schillern und schimmern Chanson zeigen sich die 12 halbes Leben später» (so der Titel der Liner-Notes) wie- fürs Radio. Denn Moriar- die Computer wie zu den Tracks zwar nicht tangiert, der beginnt. Mit einem Rückblick, der ganz am Schluss ty haben Bulgakows «Der besten Eno-Zeiten bei dafür manifestiert sich auf die Banderkennungsmelodie «At X-Mas I Feel Blue» in die Meister und Margarita» Roxy Music. Die vier Djan- dem Album eine ausserge- ausgelassene Disco von Guz steckt. vertont. Andere Songs wur- gos lernten sich alle an der wöhnliche Lockerheit, die den im Elsass eingespielt, Kunstschule in nicht nur besticht, sondern Benedikt Sartorius während «Ginger Joe» mit kennen, formierten die vereinnahmt. Man spürt: der befreundeten Genfer Band aber erst, als sie sich Hier wurde rasch, live, di- The Pride: «Boxing Clever» (Sound Service/www.the-pride.com) Cajun-Band Mama Rosin alle in London wiederfan- rekt, aber auch durchdacht entstanden ist. den. Den «Art Rock» sieht umgesetzt. Die Gitarren man ihnen insofern an, als schimmern, die Rhythmen tb. sie sich nicht scheuen, ihre sind entspannt und der Ge- Einfälle weitab von den sang wohlig. Man huldigt ausgetretenen Pfaden zu dem Indie-Pop, rückt nur suchen. Höchstens an die ausnahmsweise in Rich- Turtles selig fühlt man sich tung Rock und ergeht sich manchmal erinnert. Jubel: lieber in übergewichtigen, Die Djangos rocken mit aber zufriedenen Harmo- Witz, Konzept, «Art» und nien. Die Reise geht dabei Charme! stets in Richtung Sonneun- tergang und das ist – wie hpk. bei «Until the Sugary End» – nicht immer kitschfrei, aber voll fein gesetzter Moog-Klänge.

mig. DIE NEUEN PLATTEN Money for Nothing Dire Straits nannte Mark Knopfler 1977 seine Band, zu deutsch etwa «herbe Notlage», was durchaus auch finan- ziell gemeint war: Mark und sein Bruder Dave, zusammen mit dem Bassisten John Illsley, wohnten in einer Bruchbude in London und jammten, Geld hatte keiner. Doch Punks waren die Endzwanziger nicht. Zum einen fehlte Knopf- ler schon damals die Haarpracht zu einer Punkfrisur, zum Boz Scaggs Karl Culley American anderen spielte er Gitarre wie kein Zweiter. Nicht wirklich A Fool to Care Stripling Aquarium Jazz, aber auch nicht Rock, zu anspruchsvoll für Pop und (429) (Sound of Jura) Wolves nicht schwarz-soulig genug für Funk – die Dire Straits wa- (Blue Rose/MV) ren die «Sultans of Swing», sie prägten den Sound der spä- Nach Erfolgen in den Karl Culley ist ein nor- ten Siebziger und Achtziger in einer eigenen Liga, fernab Siebzigern – gipfelnd im denglischer Singer/Song- «This town has a way of der New Wave und der Langhaar-Rocker. Blue-Eyed-Soul-Hit «Silk writer mit Akustikgitarre. suckin’ you in», singt BJ Zwar waren sie bald sehr erfolgreich, irgendwie wurde ih- Degree» (1975) – ver- Vom Stil her gemahnt er Barham im Stück «Family nen die kritische Anerkennung aber verwehrt – keine mei- sank Sänger, Gitarrist und an Sixties-Leute wie den Problems». Nichts könnte ner Freundinnen mag die Band, keiner meiner Indie-Kum- Songwriter Boz Scaggs in inzwischen verstorbenen gegensätzlicher zum Leben pels fährt auf Knopflers Gitarrenspiel ab. Dabei schwöre der Versenkung, um sich Bert Jansch oder auch an einer fleissig tourenden ich bis heute, dass Knopfler ein Gitarrenduell mit Neil in den Neunzigern wieder Michael Chapman, der Rockband wie American Young auch im Wüstensturm gewinnen würde. Doch um aufzurappeln. Jetzt meldet derzeit eine wohlverdiente Aquarium sein. Während die Gitarrenfertigkeit geht es hier nicht, sondern um Geld er sich mit einem starken Renaissance nicht zuletzt die Band in der Alt-Coun- und Musik, und dazu hat Knopfler das Musterbeispiel ei- Album zurück. «A Fool to in den freien Improvisati- try-Szene verankert bleibt, nes Songs geschrieben, der nicht nur auf lyrischer Ebene Care» knüpft dort an, wo onskreisen geniessen darf. gestaltet sie ihren Sound höchst ironisch funktioniert, sondern in Mache, Präsentati- «Memphis» 2013 abge- Wie diese beiden verfügt opulenter, zugleich span- on und Besetzung sich selbst schon fast ad absurdum führt brochen hat: Mit bemer- Culley über eine stupende nender, die Gitarren und «Money for Nothing» ist eigentlich ein langweiliger Song, kenswert agiler Stimme Gitarrentechnik, die sich Keyboards bewegen sich der auf einem Riff und einem geschickt eingefädelten Cho- interpretiert der Mann auch vor dem Überschrei- in bisher unerforschte Ge- rus basiert – erst die Gesamtinszenierung entfaltet die gan- Rhythm & Blues. Erneut ten der Schallgrenze nicht biete. Zur aktuellen Beset- ze Wirkung. Knopfler – gelernter Journalist – zeigt sich als lässt er sich von der wun- scheut. Dabei versteht er es zung der Band aus Raleigh, multimedialer Geschichtenerzähler, der auf verschiedenen derbar groovenden Band aber, diese Technik nie zum North Carolina, gehören Ebenen tanzt. Als Background-Sänger holten sich die Dire mit Gitarrist Ray Parker Selbstzweck verkommen Barham, die Gitarristen Straits ausgerechnet , der eben The Police aufgelöst Jr., Bassist Willie Weeks zu lassen – immer stellt Ryan Johnson und Colin hatte und bis heute trotz aller Regenwald-Aktivitäten den und Drummer Steve Jor- er sie in den Dienst seiner Dimeo, Bassist Bill Corbin, Ruf des habgierigen Egomanen nicht los wird. Ihm gab dan begleiten. Dazu gesel- fein gesponnenen Songs. Drummer Kevin McClain Knopfler die Zeilen «I want my MTV» – zu einer Zeit, als len sich Cracks wie Reggie «Stripling» ist bereits sein und Whit Wright an Key- Musiksender ihren Schützlingen noch Millionen für Mu- Young und Al Anderson viertes Album. Entstanden boards und Pedal-Steel- sikvideos und Promotionsauftritte zur Verfügung stellten. sowie Pedal-Steel-Könner ist es in Krakau, wo der Gitarre. Auch «Southern Dem Musikkritiker Bill Flanagan erzählte der Komponist Paul Franklin. Subtil ein- Künstler dem Herz folgend Sadness» ist ein Song, der 1985 die Geschichte der Entstehung des Songs: In einem gesetzte Bläser oder eine inzwischen sesshaft gewor- Aufschluss darüber gibt, Elektrowaren-Geschäft in New York hörte Knopfler zufäl- Hammondorgel veredeln den ist. Derweil auf seinen was einen Mann forttreibt lig mit an, wie zwei Arbeiter eine Rockband kritisierten, die den Southern-Soul, dessen früheren Werken dann und und ihn doch daran hin- über die ausgestellten Bildschirme im Geschäft flimmerte. Bandbreite vom New-Orle- wann auch noch andere dert, wirklich zu gehen. «Ich borgte mir ein Stück Papier und fing an, das niederzu- ans-R&B bis zum dezenten Musikanten auftauchten, «Losing Side of Twenty- schreiben, was die beiden sagten», sagte der Sänger. Latin-Shuffle reicht, von Al hat er «Stripling» nun ganz Five» schildert, wie sich die Dem Lied das Krönchen setzt aber die Filmanimation zum Greens funkigem «Full of allein eingespielt. Seine Prioritäten unter Freunden Song auf, das erste Video, das bei MTV Europa über den Fire» zum Curtis-Mayfield- bisweilen an die heitereren zu ändern beginnen. Wenn Sender ging und noch heute zu den beliebtesten Musik- Titel «I’m so Proud». Huey Momente von Nick Drake der Protagonist vom fami- filmchen gehört. Knopfler hat aus seiner Verachtung für P. Smiths «High Blood gemahnende Stimme, die liären Glück der anderen Musikvideos nie einen Hehl gemacht: Die beiden Arbeiter Pressure» kommt ausge- zudem mit einem donova- berichtet, während er sel- aus dem New Yorker Haushaltswaren-Laden treten im Vi- lassen und rau rüber, ganz nesken Vibrato ausgestattet ber das Sorgenkind seiner deo als vierschrötige animierte Zügelmänner auf, die sich anders der aalglatte Philly- ist, steht denn klar im Vor- Eltern bleibt, schwingt eine über die Dire Straits lustig machen. Die Ironie verstand Sound des Spinners-Hits dergrund – zusammen mit gewisse Wehmut mit. Den- die kanadische Behörde für Rundfunk auch 25 Jahre nach «Love Don’t Love Nobo- den durchwegs hörenswer- noch ist er froh darüber, Veröffentlichung des Songs nicht: Der Song wurde für den dy». Heisser wird die Stim- ten Texten. Also ich könnte seinen eigenen Weg gefun- Gebrauch des Wortes «Faggot» (abschätzig für Schwuler) mung in «Hell to Pay», weil Karl Culley und seinen stil- den zu haben. Barham be- 2011 von den Sendern verbannt. Knopflers Kommentar: Bonnie Raitt mitsingt und len Feuerwerken stunden- singt den typischen Klein- «Was der eine der beiden Dummköpfe gesagt hat, war den treibenden Rockabilly- lang zuhören! stadt-Mief, wie er überall noch viel derber als das, was im Song wiedergegeben ist.» Blues mit ihrer schneiden- anzutreffen ist. Seine Songs den Slidegitarre aufwertet. hpk. sind Selbstreflexionen über Roman Elsener Eine makellose Kollektion Probleme, die sich weder mit Einflüssen aus Blues, schnell noch leicht lösen Soul und Country. lassen.

tl. tl. DIE NEUEN PLATTEN

Stealing Sheep The Bright Villagers Patrick Watson Tocotronic Not Real Light Social Darling Arithmetic Love Songs Tocotronic (Das rote (Heavenly/PIAS) Hour (Domino/Irascible) for Robots Album) Space Is Still the (Domino/Irascible) (Vertigo/Universal) Auf ihrem Debütalbum vor Place Aufs Aufmöbeln folgt die drei Jahren präsentierten (Frenchkiss) Dekonstruktion: Nachdem In seiner Jugend arbeitete Es soll Menschen geben, sich Stealing Sheep als folki- Conor O’Brien, Kopf und Patrick Watson als Wasser- die sich nach dem letzten ge Psychedelikerinnen mit Wenn aus den Herz der Villagers, auf dem analyst in einem Geschäft Tocotronic-Album «Wie einem Hang zu mittelalter- Südstaaten wären, dann 2013 erschienen Zweitling für Schwimmbäder in seiner wir leben wollen» und Sät- lich wirkenden Melodien würden sie klingen wie die- «{Awayland}» die Arrange- Heimatstadt Hudson, ei- zen wie «Um mich solls und sprühendem Übermut. se Band aus Austin, Texas. ments zu erheblicher Grösse nem Vorort von Montreal. nach Erdbeer stinken» Den Ton gaben die Gitarre «Space Is Still the Place» ist antrieb, steht dem Musiker Eine Welt, die der Kanadi- von der Band um Dirk und die drei Stimmen von verspielt, doch nicht aus- auf «Darling Arithmetic» er längst hinter sich gelas- von Lowtzow verabschie- Emily Lansley, Lucy Mer- ufernd und geizt nicht mit der Sinn nach Reduktion. sen hat, wobei: Die Lieder deten. Nun, diese Perso- cer und Rebecca Hawley tanzbaren Beats und betö- Das Album sei eigentlich auf seinem neuen Album nen werden auch nach der an, die mit ungekünstelter renden Melodien, die wie ein Unfall, wie der Musi- «Love Songs for Robots» neuen, unbetitelten Platte, Verspieltheit mit-, neben- eine Technicolor-Flut hin ker der «Irish Times» an- mögen sich vielleicht nicht die wegen der Coverfarbe und gegeneinander die ei- und her wabern. Mühelos vertraute: Mit den zuhause durch Keimfreiheit, aber als «rotes Album» durch- genartigsten Wege gingen. meistert die Band den Wech- auf einem 16-Track-Gerät sehr wohl durch grosse geht, nicht zurückkehren. Der Zweitling «Not Real» sel zwischen mal besänfti- eingespielten Demos plan- Klarheit auszeichnen. Der Was man ihnen zunächst ist auf den ersten Blick genden, mal manischen Gi- te er ins Studio zu gehen, Singer/Songwriter ist mit nicht verargen sollte, denn fast nicht als das Werk der tarrenjams und treibendem wo die Lieder von seiner einer Falsettstimme geseg- der schöne Sänger und sei- gleichen Musikerinnen zu Electro-Pop. Ihre «Sweet Band ausgeschmückt wer- net, die so zerbrechlich an- ne Gefährten agieren im erkennen. Feist wabbert Madelene» erforscht beide den sollten. Doch O’Brien mutet, dass bereits ein leiser 21. Bandjahr in Songs wie plötzlich der Computer- Enden des Spektrums, baut geriet ins Grübeln, verwarf Hauch genügen könnte, um «Zucker» oder «Haft» ge- Bass, Synthies fiepen und sich allmählich auf, lässt den Plan und entschied sich ihr den Garaus zu machen. fährlich nahe an der Selbst- zwitschern wie die Vögel kontrolliertes Chaos zu, für den Alleingang. Weil er Ein Umstand, den Watson parodie. Selten klangen im Frühling, und die Beats nimmt dann Gas weg, um eingesehen habe, dass er und sein nicht minder fra- Tocotronic aber auch so wären auch auf einem schliesslich in einem mächti- kein Rockstar sei und weil giler Sound zu ihrem Vor- toll und locker wie im In- Tanzboden nicht fehl am gen Finale auszuklingen. Die er den Fokus auf seine in teil zu nutzen verstehen. stant-Hit «Rebel Boy», in Platz. Die Stimmen indes Gitarren scheinen ein Eigen- den letzten Jahren gemach- Der 36-Jährige haucht, ro- dem von Lowtzow neben sind die gleichen geblieben. leben zu führen und beamen ten Lebenserfahrungen mantisiert, schmachtet und der Liebe auch gleich die Wie eh und je schlagen sie die Hörer in entfernte Gala- richten wollte; nicht zuletzt lässt seine Emotionen wil- anderen Richtungen dieser die kuriosesten Bögen, gön- xien. Der Sound des Tracks auf sein Coming-Out. In dern. «Good Morning Mr. Platte vorgibt: «Flucht und nen sich nun aber gelegent- erinnert an die walisischen «Little Bigot», einem sanft Wolf», das mit muskulösen Himmelfahrten sind unse- lich auch einen herzhaften Psych-Pioniere Man. Ver- wogenden Folk-Rock- Rhythmen und als zärtliche re Koordinaten», singt er Refrain. Spätestens beim zerrte Gitarren und Stim- Stück à la Bert Jansch, Akustikballade bezirzt und in dieser Hymne auf den geheimnisvoll düsteren men prägen «Slipstream», setzt sich O’Brien mit dem berührt, kommt einem Bad bübischen Rebellen. Und «Greed» wird aber klar, Pink Floyd den Blick in den Schwulenhass auseinander, in einem schier bodenlosen bei allem Übersteigerten dass die Band nicht plötz- Sternenhimmel von «Sea in «Hot Scary Summer», Meer gleich. In der Musik und Verklausulierten und lich all ihre Eigenheiten of the Edge». Den pulsie- einem sinnierenden Wal- von Watson lauert denn Pathetischen dieser Platte zugunsten eines stromlini- renden Soundtrack zum zer, wühlt er in seinen Er- auch so gut wie überall das ist «Solidarität» – dieses enförmigen Pop-Soundes Mitternachts-Rave liefern innerungen: «And all the Szenario eines drohenden Wiegenlied für jene, die vor in den Mersey geworfen «Dreamlove» und «Infinite pretty young homophobes/ Untergangs. Seine Kom- dem Abriss stehen – eine hat. Trotz Computern hat Cities». Das Album entfal- lookin’ out for a fight.» Der positionen jedoch, die Bon der Melodien zur Zeit, ehe das Trio nichts von seiner tet seine Sogwirkung am Künstler nutzt die Platte als Iver mit Rufus Wainwright sich ganz am Schluss des spontanen Art verloren besten, wenn es in einem Beichtstuhl, konzentriert mischen, sind versponnene Albums die luftige Musik Stück gehört wird. Ein Al- sich dabei auf Zartbitteres und vielschichtige Nacht- verflüchtigt und sich der hpk. bum, das vom verträumten und entscheidet sich im schattengewächse, die erst Sänger mit Löwenzahn- Hippie-Sound bis zur Sta- Zweifelsfall für Liebliches. einlullen, dann einnehmen – wein betrinkt. Ein heiliger dionhymne «Ghost Dance» Ein Album voller Dornen, und nicht wieder loslassen. Unernst, dem schwer zu und zum Electrorock führt. die sich als Blüten ausgeben widerstehen ist. Diese Band macht atemlos und auch als solche durch- mig. und überwältigt mit ihrer gehen. bs. Euphorie. mig. tl. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Ich hätte schwören können, es sei Ilja Richter gewesen. War es aber offenbar nicht. Jedenfalls finde ich auf Youtube nichts. Dafür hats einen anderen Clip, und der kommt mir sofort sehr bekannt vor – der wars! Halt ohne Ilja, dafür mit sonst so einem dunkelhaarigen halbcoolen Moderator, irgendwann am Anfang der Siebzigerjahre am deutschen Fernsehen. Hinter der Band auf einem Art Gerüst verteilt Charles Jimbo Mathus Seasick Steve die gelangweilten Studiozuschauer, im Vordergrund ein Aznavour Blue Healer Sonic Soul Surfer verwirrt hopsender Tanzboden. Und in der Mitte einge- Encores (Blue Rose/MV) (Universal Music) klemmt die Band: Anzüge, weisse Hemden und Krawat- (Barclay/Universal) ten, zu einer Zeit, als solches Zeug in coolen Kreisen noch «Dark Night of the Soul» Mit Bart, Mütze und einer völlig verpönt war, dazu ein wüst in die Gegend starrender Der Mann ist ein Phäno- war eines meiner Liebling- Kollektion von selbstge- Keyboarder, der aussah wie das Kind von Adolf Hitler und men. Mit 90 bringt Charles salben von 2014. Darauf bastelten Gitarren scheint Charlie Chaplin, sowie ein minimalistischer Sound, der Aznavour, der grosse Alte zelebrierte Jimbo Mathus Seasick Steve schon immer klang, als seien die Troggs in ein Tintenfass gefallen und des französischen Chan- Roadhouse-Rock & Roll Teil unserer Leben gewesen als Kunststudenten wieder herausgestiegen. Sparks waren sons, ein neues Album he- und Kneipenblues, es gelan- zu sein. Doch sein kom- das natürlich, das Bild ist mir in Erinnerung geblieben, als raus. «Encores» heisst das gen ihm auch eindrückliche merzieller Durchbruch war sei es gestern passiert, und der Song auch: «Wonder Girl». neue Werk von Aznavour. Erlösungshymnen. «Blue erst 2006, als der angeb- Selten dürfte sich ein eigenartiger Musikantentrupp in eine Es ist sein 51stes Album. Healer» nun – ein vieldeu- liche Hobo bei «Later… Entertainment-Show germanischer Prägung verirrt haben. Und seine Stimme ist im- tiges Konzeptalbum, das with Jools Holland» auf- Es war der Anfang einer bis heute andauernden Liebesge- mer noch bemerkenswert, Mythen und Pathos mit trat. Seitdem hat sich Steve schichte. Und soeben hat diese Geschichte eine gänzlich rau und altersreif. Wir hö- persönlichen Songs über Wold mit rauem Country- neue Wende genommen. Nämlich komme ich gerade aus ren zwölf sehr schöne, neue Mühen und Befreiung ver- Blues zum Publikumslieb- dem supertrendigen Shoreditch zurück. Dort im Fox-Pub, Chansons, etwa die Jugend- bindet – ist wiederum sehr ling gemausert. «Sonic Soul 28 Paul Street, sass ich eine ganze halbe Stunde lang einge- erinnerung «Les petits pains stark. Im Garagerocker Surfer» bringt Bewährtes: klemmt zwischen eben diese Sparks, Ron und Russell Mael, au chocolat», Liebeslieder «Shoot Out the Lights» gibt lange Bluesjams, ein paar sowie Alex Kapranos. Denn die beiden Bands – Sparks und wie «Ma vie sans toi» oder der Mississippi-Mann den Balladen, Songs über das Franz Ferdinand – haben sich nach elfjähriger Freundschaft «Mon amour je te porte en Rock-&-Roll-Macho. Das Leben auf Achse und na- zu einer veritablen Combo zusammengetan und ein ganzes moi». Die Nächte im Mont- Titelstück bezieht sich auf türlich über einen Hund. Album eingespielt! Quasi eingeklemmt zwischen den sinni- martre behandeln «La mai- eine (weibliche) Muse, die Wenn der kauzige Ameri- gen Bücherstützen des Bandnamens FFS (ausgeschrieben: son rose», Erinnerungen an unseren Helden auf mys- kaner, begleitet von Drum- For Fuck’s Sake) und dem letzten Song «Piss Off» kreden- Edith Piaf werden in «De teriöse Weise beglückt und mer Dan Magnusson, dem zen sie ein Smorgasbord von klingenscharfen Pop-Songs la môme à Edith» wach. inspiriert, untermalt von staunenden Publikum de- mit typischerweise smarten Lyrics, dem unverkennbaren In der wunderbaren Sing- Blues und Tango. Country- monstriert, wie er es mit 73 «Klavier» von Ron Mael, dazu den ebenso unverwechsel- le-Auskopplung «Avec un Gospel mit einem schönen krachen lässt, so klingt das baren Stimmen von Russell und Alex. Der zackige Gitarren/ brin de nostalgie» geht es Chörli prägt «Sometimes einfach geil. «Roy’s Gang» Drums-Groove der Franzens passt wunderbar zu den ähn- um die Farben der Melan- I Worry», in «Mama Ple- veranschaulicht, was die- lich zackigen Synthi-Beats von Sparks. Und wenn «Johnny cholie, und «Chez Fanny» ase» versüsst ein Tex-Mex- se Qualität ausmacht: Das Delusional» Ende Jahr nicht meine Single des Jahres ist, ist ein Lied über den franzö- Akkordeon Jimbos Stossge- Stück dauert sechs Minu- müsste schon noch ein ganz gehöriges Wunder passieren. sischen Widerstand gegen bet. Als rockiges Manifest ten und ist im Grunde ein 15 Tage hätten sie gebraucht für die Aufnahmen. Und tat- die Nazi-Besatzung. Mit könnte man «Ready to Vehikel, um einige röhren- sächlich klingt das Werk wie ein Garten voller Frühlungs- der einzigen englischspra- Run» bezeichnen. Nach de Gitarrenriffs abzufeu- blumen. Man habe gar nie gross etwas diskutieren müssen, chigen Nummer «You’ve der akustischen Ballade ern. Der Text erzählt, wie erzählt Kapranos, es sei schon immer einfach irgendwie Got to Learn» ist er mit «Thank You» heult der toll es ist, live aufzutreten, klar gewesen, dass die Maels und die Franzens ähnlich dem aufstrebenden Jung- «Coyote» – eine einzige mit dem Refrain «We’re tickten. Überhaupt drängt es Kapranos immer wieder, her- star Benjamin Clementine Halluzination mit staub- going to get on that stage vorzuheben, wie spontan und unreflektiert dieses Album zusammen zu hören. Alles trockener Wüstenrock-Be- and play you a really good entstanden sei: Keine der Bands hätte es nötig gehabt, ihrer sehr geschmackvoll und gleitung. «Bootheel Witch» show». Das ist banal, aber Karriere mit einem solchen Schritt neue Impulse zu verset- trotz Streichern und Blä- kehrt zum Rock und Soul mit urchigem Charme. zen. Nein, es habe ganz einfach sehr viel Spass gemacht. sern nicht überladen inst- zurück, dem Track ist ein Ähnlich verfährt Steve im Und Kapranos – das darf mir die geneigte LeserInnenschaft rumentiert und arrangiert. psychedelischer Touch «Sonic Soul Boogie», al- glauben – wirft nicht wie tausend andere mit karriere- Interessanterweise erscheint nicht abzusprechen. «Save lerdings mit mehr Ener- fördernden Lügen um sich. Zurück zum Ilja Richter, der das Album im deutschspra- It for the Highway» ist gie. Unglaublich, welche ja eben nicht Ilja Richter war. «Wirklich?», staunt Rus- chigen Raum gleichzeitig R&B-getränkter Bluesrock, Sounds der Mann mit einer sell Mael, als ich ihm die Geschichte von unserem ersten wie in Frankreich. Das zeigt wie er den Stones um 1972 schrottreifen, dreisaitigen Rendez-Vous erzähle. «Das war nicht nur unser erster TV- auch die Bedeutung, die glückte. «Love and Affec- Gitarre erzeugt. Klar ist Auftritt in Europa. Es war überhaupt unser allererster TV- diese Region für Aznavour tion» schliesslich verkün- das nichts anderes als Opa- Auftritt! Der Himmel weiss, wie dieser verrückte Produ- hat. War er hier doch über det, dass Liebe alles andere Boogie. Aber derzeit bringt zent auf die Idee verfiel, uns dort auftreten zu lassen. Gary all die Jahre immer ein ger- überdauert. Jimbo Mathus ihn keiner so mitreissend Glitter war übrigens auch im Programm.» ne gesehener und gehörter ist erneut eine authentische, wie der seekranke Steve. Gast. inspirierte Platte gelungen. Hanspeter Künzler tl. tb. tl. DIE NEUEN PLATTEN 45Prince Gibt es etwas Besseres als eine Zusammenstellung mit 60s- Garage-Punk aus Australien? Ugly Things, Before Birdmen Flew, Pretty Ugly, Devils Children, Diggin For Gold etc. sind teilweise seit mehr als dreissig Jahren fester Bestandteil des Einschulungsprogramms eines jeden Schallplattenstu- denten. Und dank etlichen Coverversionen aus der ganzen Zatokrev The Weyers The Sonics Welt sind diese Songs auch fest verankert im kollektiven Silk Spiders Beep Beep Beep This Is The Sonics Musikbewusstsein. Erstaunlicherweise stammen viele die- Underwater (Eigenvertrieb) (Revox) ser Hits aus dem Labelumfeld von Festival Records, aufge- (Candlelight Records) nommen in den besten Studios Australiens von meist pro- Luk und Adi Weyermann Dieses Frühjahr kündigten fessionellen Bands. Blank Records ist nun zusammen mit Zatokrev sind eine beein- waren letztes Jahr viel un- die Garagerock-Pioniere dem labeleigenen Masteringingenieur in die Archive abge- druckende Band. Mit ext- terwegs. Um die 50 Gigs aus Tacoma, Washington, stiegen und hat die ursprünglichen Bänder neu transferiert rem verdichtetem Schwer- spielten die Brüder, meist ihr erstes Studioalbum und gemastert. Daraus entstanden die zwei Box-Sets «Black metall erspielte sich das in Deutschland als Support seit 1967 an. Was so nicht Diamonds» mit je zehn Singles. Die damals 15-jährige Toni Quartett um Frederyk Rot- artverwandter Bands. Und stimmt. Denn 1980 er- McCann hat mit ihrem beinharten R&B «My Baby» da- ter in den letzten zwölf Jah- was schon bei Auftritten schien unter dem Bandna- mals bestimmt mehr erschreckt als eine Handys klauende ren einen exzellenten Ruf in nach der Heimkehr offen- men die fabelhafte LP «Sin- Jugendgang. «Sad and Lonely» von den 4 Strangers ist der Szene. Dieser Konzept- bar wurde, manifestiert derella». Allerdings waren trotz Falsetto-Gesang dringlicher als das gesamte Beatles- brocken hier erwischt einen sich nun auf diesem Mini- damals neben Sänger Jerry Repertoire. Mit ihrer Folgeband The Sunsets schufen sie trotzdem unvorbereitet. Album. War der Sound auf Roslie keine Sonics-Mit- mit dem orgelunterlegten «I Want Love» ein Back-from- «Silk Spiders Underwater» dem Debüt «Within’» noch glieder involviert. Jetzt sind the-Grave-Meisterwerk oder den Titelsong des Surf-Films sprengt Vorstellungen und weitgehend radiotauglich, von der Originalbesetzung «Hot Generation» (von dem es auch eine sechsminütige Genregrenzen. Die Basis rabatzt sich das Duo nun immerhin drei Fünftel da- Version gäbe). Wie so viele australische Bands kombinieren bilden weiter Doom und durch sechs schön wüste bei: Roslie, Gitarrist Larry Derek’s Accent in «Ain’t Got No Feelin’» Pop-Sensibilität Sludge mit Einsprengseln Nummern. Erneut von Roli Parypa und Saxofonist Rob perfekt mit Rocker-Aggressivität und Tamburin mit dicker aus Death und Black Me- Mosimann aufgenommen, Lind. Unterstützt von Bas- Fuzzgitarre. Selbiges gelingt auch The Lost Souls in «This tal. Doch da ist noch viel steigern sich The Weyers in sist Freddie Dennis (The Life of Mine». Später sollten die eigentlich eher braven The mehr: Progressive, Industri- einen wahren Spielrausch. Kingsmen) und Drummer Black Diamonds gleich mit zwei Songs in den Hitparaden al, Ambient, so als Beispie- Das Tourleben hat Spu- Dusty Watson (Dick Dale). vertreten sein. Doch die drei brutalen Gitarrenattacken le. Als Referenzen tauchen ren hinterlassen, so heisst Wer sind die Sonics? Mit ihrer B-Seite «I Want, Need, Love You» legen nahe, dass nicht nur Avant-Metaller ein Song «A Show to Die zwei epochalen LPs – «Here ihre verzweifelte Liebeserklärung wohl durch Gitterstäbe wie Neurosis, Triptykon For», «Rock’n’Roll (Did Are the Sonics» (1965) und hinaus in die Weiten des Meeres geschrien wurde. Greg oder Wolves in the Throne Save This Life)» ein ande- «Boom» (1966) – definier- Andersons «I Feel Good» oder The Atlantics' «Come On» Room auf, sondern auch rer, der vom Text bis zur ten sie das Punk- und Ga- sind weitere unverzichtbare Klassiker. Wer grad knapp bei Krachkoryphäen wie die breitbeinigen Aufführung ragerock-Genre. Manisch Kasse ist, tröstet sich mit den Argumenten, dass die zwölf Swans. Die acht Songs dau- kein Klischee auslässt und vorgetragene, knüppelhar- Songs, welche man bisher nicht auf den Samplern fand, ern sechs und mehr Minu- trotzdem nicht in die Ho- te Songs wie «Strychnine» kein Grund sind, diese Box anzuschaffen, und dass die ten, doch kommt nie Über- sen, sondern als Hymne oder «Psycho» inspirierten Soundqualität zwar besser ist, jedoch minim. Alle anderen druss auf. Stimmungen und durchgeht. Die Wucht der Generationen von Bands wischen sich vor dem Plattenspieler die Freudentränen aus Rhythmen variieren auch Weyers macht vor nichts – von The Stooges, The den Augen. innerhalb eines Stücks, halt, und so verwandeln Cramps, Mudhoney bis und in der Summe spannt sie «The Changeling», das White Stripes. Zur Gegen- Philipp Niederberger die Songsammlung Bögen in der Originalversion der wart: Anders als andere zwischen den Extremen. Doors eher marginal blieb, tragische Zuckung aus Dabei bleiben Zatokrev in ein rüttelndes und schüt- der Geriatrieabteilung des stets nachvollziehbar, und telndes Funkmonster. Über Rock’n’Roll klingt die von weil auf schweres Schlep- die letzten 20 Jahre sind Jim Diamond produzier- pen brutale Eruptionen einem die Weyermänner zu te Musik auf «This Is The und dann epische Sphä- musikalischen Begleitern Sonics» heiss und vibrie- renklänge folgen, ermüdet geworden. Sie nun derart rend. Jerry Roslie & Co. das Ohr nicht, sondern entfesselt rocken zu hören, pflügen sich durch ein Re- bleibt neugierig, was diese ist eine Freude und ein Ge- pertoire aus R&B-Covers Satansbraten noch in petto schenk. (Ray Charles’ «Don’t Need haben. Klar, «Silk Spiders No Doctor», Eddie Floyds Underwater» ist schwere ash. «Leaving Here») und ei- Kost. Vor allem aber ist es genem Material wie «Save ein gottverdammtes Meis- the Planet», einer Öko- terwerk. Saufhymne. Tolle Platte. ash. tl. NACHTSCHICHT

Trennen mit Black Yaya & Stanley Brinks Zurückkehren mit Shannon Wright

In der Band der falschen Brüder Herman Dune war die Rollenverteilung Es war nicht irgendwann, sondern ziemlich genau Mitte der Neunzigerjah- zwischen den beiden Songwritern klar: hier die naiven herzlichen Loser-Vig- re, als Shannon Wright mit ihrer damaligen Band Crowsdell einen nachge- netten von David Ivar, dort die zuweilen unglaublich niedergeschlagenen rade legendären, wenngleich nur wenig beachteten Auftritt in der Aktions- Songskizzen von André. Bis 2006 mit «I Wish That I Could See You Soon» halle absolvierte. Es war der Abend der grossen Big-Cat-Labelshow, bei der ein erster Hit, der abseits der LoFi-Antifolk-Landschaft wahrgenommen die Augen und Ohren natürlich vor allem auf die ebenfalls aufspielenden wurde, erschienen ist. Es war eine typische David-Ivar-Komposition, die Bands Blumfeld und Pavement gerichtet waren, derweil die Combo aus Bühnen wurden grösser, doch André war nicht mehr zu sehen. Die Bande Florida mit der charismatischen jungen Frau vorne am Mikrofon kaum der Brüder war gerissen. Nun kehren beide fast gleichzeitig wieder auf die beachtet wurde. Konzertbühnen zurück, doch mit gänzlich anderen Projekten. Denn André Wenige Jahre später lösten sich Crowsdell auf, Shannon Wright zog in die siedelte nach dem Ausstieg nach Berlin über und veröffentlicht seither als Indie-Hochburg Chapel Hill in North Carolina und widmete sich fortan Stanley Brinks eine Vielzahl an Musik mit ständig wechselnden Gefährten ihrer Solokarriere, die sie mit dem Album «Flightsafety» eindrucksvoll und Gefährtinnen – wie etwa die Sängerin Freschard eine ist, mit der der begann. Es folgten weitere Werke, gerne auch mal in Kollaboration mit einstige André Zürich besucht. Derweil nennt sich David Ivar abseits der Grössen wie Steve Albini oder Yann Tiersen, und inzwischen gilt Wright Band nun Black Yaya und veröffentlichte jüngst sein versiert produziertes als wichtige Referenz im sich ständig vergrössernden Zirkel cleverer und Album auf City Slang. Allein, noch immer ist die Trennung der beiden gefühlvoller Singer/Songwriterinnen mit Stromgitarren. Diesen Ruf hat sie Brüder nicht gänzlich verdaut – wie auch der Antifolk-Komplize Jeffrey mit dem aktuellen Album «In Film Sounds» noch einmal nachhaltig unter- Lewis festgestellt hat, der sang: «I miss Herman Dune with both brothers füttert. Und so kehrt sie knappe zwei Jahrzehnte nach dem Big-Cat-Spek- in the band». (bs) takel (und zwei Jahre nach ihrem letzten Auftritt an diesem Ort) diskret triumphierend in die Rote Fabrik zurück. (amp) Black Yaya: 30.4., 1. Stock, Münchenstein; 1.5., Südpol, Luzern; 2.5., Bad Bonn, Düdingen. 8.5., Rote Fabrik, Zürich Stanley Brinks & Freschard: 4.5., El Lokal, Zürich

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Psychedelisieren am Swiss Psych Fest Halt auf Verlangen mit Stahlberger

Der Underground lebt, zumal dort, wo es psychedelische Tiefen auszulo- Wenn ein Traditionsanlass ansteht, darf man auch mal traditionelle Worte ten gilt und Bands und Musiker geheimbündlerische Namen wie Gnod aus dem Archiv hervorholen. Also los: «Der Berg ruft. Das ist eines seiner oder Gull tragen. In Yverdon erhalten diese Künstler während drei Tagen zentralen Merkmale. Und wer sich unten in der Stadt durch das Gewu- eine Bühne, und zwar am Swiss Psych Fest, das bereits zum dritten Mal sel bewegt, ignoriert das Rufen gemeinhin. Doch spätestens an Pfingsten von der Swiss Reverb Federation veranstaltet wird. Anders als es der Fes- wird es Zeit, die urbane Ignoranz für zwei Tage wegzulegen und dem Ruf tivalname vermuten lässt, hat die Vereinigung aus hiesigen Psychedelikern zu folgen. Man besteigt also den Zug nach Luzern und anschliessend den ein international besetztes Programm zusammengestellt. So gibts etwa den Zug nach Engelberg, wo man wiederum den Shuttle-Bus besteigt, der die «Fuzzed out motorik spacerock» der amerikanischen White Hills zu hö- geneigte Zuhörerschaft zum Gasthaus Grünenwald befördert. ren, die kürzlich in Jim Jarmuschs Vampirfilm einen Auftritt hatten. Die In diesem sympathischen Aussenposten der hiesigen Musikszene findet Besucher werden auf kurlige Gestalten wie den Tschechen Kamil Kruta auch heuer wieder das Halt-auf-Verlangen-Festival statt, in rustikalemAm- treffen, der seine One-Man-Band Koonda Holaa betreibt. Und es gibt die biente. Die Hausherren von Jolly & The Fly-Trap kümmern sich um den nordenglischen Gnod (Bild) zu erleben, deren Track «Deadbeatdiscoinpa- reibungslosen Ablauf, und so kann man sich völlig entspannt den Konzer- pererrorshocker!!!» genauso grossartig klingt, wie er betitelt ist. Aus der ten widmen, den DJs beim Auflegen zuschauen oder auch einfach nur ein Schweiz reisen beispielsweise die Basler Papiro und Dimensione in das flott gehopftes Kaltgetränk zu sich nehmen.» Diese Jahr sind beispielsweise Städtchen am Neuenburgersee, wie auch Reverend Beat-Man, der mit sei- Stahlberger zu sehen. Alles andere ergibt sich dann vor Ort. (amp) nen Monsters aufspielen wird. Wer braucht da noch Drogen? (bs) 23./24.5., Grünenwald, Engelberg, www.gasthaus-gruenenwald.ch 8.–10.5., L’Amalgame, Yverdon; www.swisspsychfest.ch Durchschütteln mit der Bad Bonn Kilbi Verarbeiten mit Waxahatchee Zurück zur Wundertüte: So hiess es vor einem Jahr, als Festivalchef Daniel Natürlich werden Vergleiche gezogen. Beispielsweise zu Liz Phair oder «Duex» Fontana ein Kilbi-Programm präsentierte, das auf spektakuläre Juliana Hatfield, die in früheren Jahren musikalische Pfade beschritten Namen weitgehend verzichtete. Dieser Wundertütencharakter ist dieses hatten, auf denen auch Katie Crutchfield wandelt. Doch die Sängerin und Jahr noch stärker ausgeprägt. Denn ausser einem beinahe obligaten Be- Songschreiberin, die sich das Pseudonym Waxahatchee zugelegt hat mag such eines Mitglieds der verblichenen Sonic Youth – dieses Mal übernimmt sich nicht auf vermeintliche Vorbilder beziehen. Und sie mag auch nicht Thurston Moore diese Rolle – gibt es kaum Nichtüberraschungen zu ver- die weibliche Antwort auf Elliott Smith sein, wie das ein Journalist einst melden. Da ist etwa die japanische Band Bo Ningen mit ihrer sehr psy- schrieb. Stattdessen zieht die Frau aus Alabama ihr ganz eigenes Ding durch. chedelischen, sehr lauten und doch sehr genau gespielten Gitarrenmusik. Nachdem sie als Teenagerin erste Erfahrungen in Bands sammelte, begann Ähnlich frei treiben es Viet Cong, während Thee Oh Sees den Rock’n’Roll Katie Crutchfield ihre Solokarriere 2012 mit dem Album «American Week- auf seine primitiven Tugenden eindampfen. Dass sich dies positiv auf Sta- end», das sie innerhalb einer Woche geschrieben und eingespielt hatte. Dem gediving-Tätigkeiten im Publikumsbereich auswirken kann, war bereits an Debüt liess sie ein knappes Jahr später die LP «Cerulean Salt» folgen und der Minusgrad-Kilbi-Ausgabe 2013 zu beobachten. Ein Freund des Stage- begab sich auf ausgedehnte Konzertreise, die sie dazu nutzte, weiteres Ma- divings ist auch Mac DeMarco (Bild), der ausser Flausen brillante Songs terial zu schreiben. Ihr Freund hat mit ihr zusammen an den Arrangements im Kopf hat. Drastik und Noise gibts derweil mit Vessel aus Bristol und gefeilt, ihr Mitbewohner hat bei den Aufnahmen den Computer bedient, dem Proleten-Rap der Sleaford Mods, während ein Tribute-Ensemble das und aus dieser Kollaboration entstand schliesslich der eben veröffentlichte schillernde Werk von Arthur Russell ehrt. Stärker vertreten sind im Kilbi- Drittling «Ivy Tripp». Darauf präsentiert sich die 26-Jährige noch facetten- Jahrgang 2015 Namen, die bislang noch kaum beachtet wurden. Es sind reicher als Liedermacherin und Interpretin ihrer eigenen Stücke. Künstlerinnen wie die Inuit-Kehlkopfsängerin Tanya Tagaq, Bands wie das Es ist Erfahrungsverarbeitung in Form erhabener Songs, die auf verschie- Künstlerkollektiv DakhaBrakha aus Kiew oder Musiker wie der äthiopi- denen Ebenen berühren und einen immer wieder leise mitseufzen lassen. sche Keyboarder Hailu Mergia. Kurz: Dieses Programm wird die Kilbi- Bisweilen darf aber natürlich auch mal gegrinst werden. (amp) Besucherschaft wunderbar durchschütteln. (bs)

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