Das »Teutsche Pompeji« Im 21. Jahrhundert (PDF)

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Das »Teutsche Pompeji« Im 21. Jahrhundert (PDF) SONDERDRUCK AUS: Peter Fasold · Liane Giemsch · Kim Ottendorf · Daniel Winger (Hg.) Forschungen in Franconofurd Festschrift für Egon Wamers zum 65. Geburtstag Mit Beiträgen von Natascha Bagherpour Kashani, Vera Brieske, Falko Daim, Peter Fasold, Thomas Flügen, Uta von Freeden, Liane Giemsch, Holger Grewe, Andrea Hampel, Martina Hartmann, Dunja Henker, Karen Høilund Nielsen, Albrecht Jockenhövel, Ursula Koch, Rüdiger Krause, Niklot Krohn, Patrick Périn, Alexandra Pesch, Andy Reymann, Levente Samu, Christoph Stiegemann, Françoise Vallet, Patrick F. Wallace, Carsten Wenzel, Christoph Willms †, Daniel Winger 3175_00_Titelei.indd 3 10.07.17 14:45 Das »teutsche Pompeji« im 21. Jahrhundert Perspektiven der Forschung im römischen Nida/Frankfurt am Main-Heddernheim Carsten Wenzel »Auf dem Heidenfelde, diesem teutschen Pompeji, aus Nida im wahrsten Sinne des Wortes eine »he- wird sich noch durch weitere Nachgrabungen ent- rausragende« Denkmalgruppe (Abb. 1). Zahlrei- wickeln, wer dort das … Castrum angelegt und che weitere Objekte überregionaler Bedeutung die römische Veteranen-Colonie gegründet hat; … wie die Kultbilder der Mithräen I und III, der und welchen Namen die daraus gewordene Stadt aus über 6000 Putzfragmenten rekonstruierte … führte …«1. Freskenraum oder die einzigartigen Paradehel- Johann Isaak von Gerning (1767–1837) me des 3. Jahrhunderts n. Chr. ermöglichen den Besuchern in Verbindung mit großformatigen Fast zweihundert Jahre sind seit diesen Sätzen »Lebensbildern« einen Einblick in die Geschich- des Frankfurter Gelehrten Johann Isaak von te der römischen Stadt auf Frankfurter Boden Gerning vergangen. Sein Wort vom »teutschen und den Alltag ihrer Bewohner5. Ergänzend zu Pompeji« wird bis auf den heutigen Tag zitiert, dieser musealen Präsentation betreut das Mu- um die Bedeutung der Kleinstadt Nida/Frank- seum in Heddernheim einen Archäologischen furt am Main-Heddernheim für die Erforschung Rundweg, ein Freigelände unweit der Römer- der römischen Epoche im Rhein-Main-Gebiet stadtschule, den Schutzbau am römischen »Töp- hervorzuheben. Dabei schwingt ein Unterton ferhaus« sowie eine Ausstellung von Grabfun- des Bedauerns über den Verlust mit, der durch den in Räumen des Heddernheimer Schlosses. die Überbauung dieser größten archäologischen Darüber hinaus wird im historischen Zentrum Fundstelle der Römerzeit Hessens im Lauf des Frankfurts im Rahmen der Neupräsentation des 20. Jahrhunderts entstand2. Dennoch ist das Archäologischen Gartens auf dem Domhügel die Areal der römischen Siedlung weiterhin eine Darstellung der Besiedlungsgeschichte in römi- »Fundgrube«, allerdings seit nunmehr über 100 scher Zeit zukünftig breiten Raum einnehmen. Jahren für die Denkmalpflege der Stadt Frank- Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich furt am Main3. Als unmittelbare Folge davon zie- die Hoffnungen von Gernings in Bezug auf die ren zahlreiche »sehr merkwürdige Gegenstände Kenntnis der Stadtgeschichte weitgehend erfüllt. der alten Römerstadt«4 das Archäologische Mu- Über den antiken Namen der Stadt herrscht spä- seum der Stadt, dessen Leitung Egon Wamers testens seit der Entdeckung der »Dendropho- seit dem Jahr 2002 innehatte. In der im Langhaus reninschrift« im Jahr 1961 Einigkeit6. Auch sind der ehemaligen Karmeliterkirche untergebrach- mittlerweile chronologische Eckpunkte der Be- ten Dauerausstellung bilden die Jupitersäulen siedlungsgeschichte Nidas eng gefasst7. Seit dem 1 Von Gerning 1830, 6 f. zeit« siehe Fasold 2011. Ergänzend dazu: Hampel/Wamers 2 Zur Forschungsgeschichte Nidas siehe Fasold 2001; Fasold (Hg.) 2007 und Hampel/Wamers (Hg.) 2011–2014. 1997; Huld-Zetsche 1979. 6 Der antike Name Nida wurde im Jahr 1903 endgültig 3 Ausführlich dokumentiert in den Fundberichten des identifiziert: Riese 1903. Zur Dendrophoreninschrift siehe Denkmalamtes der Stadt Frankfurt am Main: Hampel Fischer/Schleiermacher 1962. 1993, 114 ff., 212 ff.; Hampel 1997, 122 ff., 233 ff.; Hampel 7 Zusammenfassend: Fasold 2012. Zum Beginn der Besied- 2002, 49 ff., 180 ff., Hampel 2008, 77 ff., 176 ff.; Hampel lung zuletzt ausführlich Fasold 1991. Das Ende der römi- 2015, 159 ff., 247, 252, 254. schen Präsenz in der Stadt nach der Mitte des 3. Jhs. wird 4 Von Gerning 1830, 7. vor allem in den letzten Jahren diskutiert: Fasold 1994; 5 Zur aktuellen Gestaltung der Dauerausstellung »Römer- Wenzel 2000, bes. 70 ff., Reis 2010, bes. 265 ff. Das »teutsche Pompeji« im 21. Jahrhundert • 87 3175_Festschrift_Wamers.indb 87 31.05.17 15:59 Ergänzungen. In der Frühzeit der Erforschung des antiken Ruinengeländes kam den Arbeiten Georg Wolffs eine zentrale Rolle zu. Ihm gelang als Erstem eine sichere Trennung zwischen der Mauer des Steinkastells und der die Zivilstadt im 3. Jahrhundert umgebenden Stadtmauer8. Seine Gesamtdarstellung des römischen Nida erfuhr erst nach dem Bau der »Römerstadt« (1927–1929) maßgebliche Ergänzungen9. Karl Woelcke, erster Direktor des 1937 gegründeten »Museums für heimische Vor- und Frühgeschichte«, legte 1938 einen aktualisierten Gesamtplan vor10. Mit den Arbeiten Ulrich Fischers, Direktor des Museums in den Jahren 1954–1980, die er zum Teil im Vor- griff auf den Bau der Nordweststadt 1961–1973 durchführte, konnte der Siedlungsplan Nidas weiter ergänzt werden – freilich erneut auf Kos- ten der endgültigen Zerstörung weiter Bereiche der antiken Stadt. Maßgeblich sind bis heute vor allem die daraus hervorgegangenen Veröffentli- chungen Fischers zum Steinkastell sowie zu den großflächigen Untersuchungen südlich des Fo- rums11. Die Ergebnisse der von ihm initiierten Grabungen und baubegleitenden Untersuchun- gen flossen zudem in Arbeiten anderer Autoren ein12. Basierend auf den bis dahin geschaffenen Grundlagen entstand 1988 der »Archäologische Plan des römischen Areals Frankfurt a. M.-Hed- dernheim und Praunheim«, den man bis heute im Archäologischen Museum erwerben kann (Abb. 2)13. Ingeborg Huld-Zetsche, langjährige Kustodin der Abteilung Römerzeit im Archäo- logischen Museum, veröffentlichte wenige Jahre darauf einen Führer, der leicht zugänglich den 1 Die Iupitersäulen aus Nida Ende des 19. Jahrhunderts widmeten sich zahl- wesentlichen Forschungsstand zur Geschichte der in der Dauerausstellung des 14 Archäologischen Museums reiche Forschungsarbeiten Fragen der Siedlungs- antiken Kleinstadt an der Nidda zusammenfasst . Frankfurt. struktur und -entwicklung Nidas; der Stadtplan Das skizzierte Gesamtbild erfuhr in jüngerer des Hauptortes der Civitas Taunensium erfuhr Vergangenheit Ergänzungen durch die Bear- auf diese Art fortschreitend Veränderungen und beitungen ausgewählter Fundgattungen15 und 8 Wolff 1898. 13 Huld-Zetsche/Rupp 1988. Zur Siedlungsentwicklung 9 Wolff 1908. Die für eine breitere Öffentlichkeit gedachte und -struktur siehe auch Wenzel 2003. Darstellung Friedrich Gündels bietet in dieser Hinsicht 14 Huld-Zetsche 1994. Neu: Fasold im Druck. wenig Neues (Gündel 1913). 15 Einzelfunde und Fundgruppen: Welker 1974 und 1985 10 Woelcke 1938. (Glas), Rüger 1980 (Terrakotten), Schubert 1989 (Mün- 11 Fischer 1973 (Steinkastell); Fischer u. a. 1998 (»Vicusgra- zen), Obmann 1997 (Beinfunde), Biegert 1999 (Keramik bung«). aus den Töpfereien), Scholz 1999 (Grafitti), Huld-Zet- 12 So bei der Bearbeitung der römischen Töpfereien (Biegert sche 2014 (Tonlampen). 1999), der Stadtmauer (Wenzel 2000) oder der Arbeit von A. Reis zur Geschichte Nidas im 3. Jh. (Reis 2010). 88 • Carsten Wenzel 3175_Festschrift_Wamers.indb 88 31.05.17 15:59 Forschungsarbeiten im engeren und weiteren die entscheidenden »Rätsel« dieser römerzeit- 2 Gesamtplan von Nida nach Vorfeld der Stadtmauern Nidas. Dazu zählt die lichen Fundstelle nunmehr hinreichend unter- Huld-Zetsche/Rupp 1988. Vorlage von über 1.000 Gräbern aus den Nek- sucht und gelöst seien. Der stetig anhaltende Zu- ropolen durch Peter Fasold, Kustos in der Ab- zug von Menschen und die damit verbundenen teilung Römerzeit 1988–2016, ebenso wie die Baumaßnahmen jedoch bedingen im Stadtgebiet von ihm maßgeblich mitgetragene Bearbeitung von Frankfurt jährlich eine Vielzahl von Gra- des Grabmonuments von Frankfurt am Main- bungen durch das zuständige Denkmalamt. Dies Zeilsheim oder die Arbeiten des Denkmalamtes betraf – und betrifft weiterhin – auch das Stadt- der Stadt Frankfurt am Main an den villae rusti- gebiet Nidas. In vielen Fällen gibt es von diesen cae in den Ortsteilen Niederursel und Nieder- Maßnahmen bislang nur Vorberichte17. Bereits Eschbach16. diese regen zum Hinterfragen bestehender For- Resümierend könnte man nach rund 200 schungsmeinungen an und geben den Blick frei Jahren Forschung zu dem Schluss kommen, dass auf neue Themen. Die Grundvoraussetzung für 16 Gräber: Fasold 2006/2011; Grabmonument Zeilsheim: 17 Vgl. dazu Hampel (Anm. 3) sowie Hampel/Scholz 2013; Fasold/Hampel/Scholz/Tabaczek 2016; Villen: Hampel Hampel/Flügen 2014. 1993, 179–195 (Niederursel); Hampel 2002, 147–162; Hampel 2011a (Nieder-Eschbach). Das »teutsche Pompeji« im 21. Jahrhundert • 89 3175_Festschrift_Wamers.indb 89 31.05.17 15:59 die Aufarbeitung derselben sind in Frankfurt in gesetzt werden könnten. Einige zentrale Fra- geradezu idealer Weise gegeben: Das Archäo- gestellungen zur Siedlungsgeschichte und der logische Museum übernimmt im Rahmen der Struktur der Stadt sollen im Folgenden vorge- Stadtarchäologie die Inventarisierung, Restau- stellt und damit Perspektiven für die weitere wis- rierung, Aufbewahrung sowie in ausgewählten senschaftliche Beschäftigung mit der römischen Fällen die museale Präsentation des bei den Gra- Stadt auf Frankfurter Boden aufgezeigt werden. bungen geborgenen Fundmaterials. Die enge Verknüpfung
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