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Kultur

sie ein Vermögen in Sicherheitsanlagen in- gentlich egal ist, weil Sprache hier nur als POP vestiert zum Schutz vor all den Irren in ein weiteres flauschiges Klangelement ge- der Welt da draußen. nutzt wird. Um den richtigen Ton, die an- Das kann sie sich leisten: ist ei- gemessene Stimmung zu treffen, hat Enya Singen, summen, ne der erfolgreichsten Musikerinnen der auch schon in Elbisch gesungen, der Phan- Welt, rund 70 Millionen Mal sind ihre Plat- tasiesprache des „Herr der Ringe“-Schöp- ten verkauft worden, und trotzdem ist es fers J.R.R. Tolkien, und in einer exklusi- schnurren ihr weitgehend gelungen, sich dem Radar ven Kunstsprache namens Loxian. Die irische Sängerin Enya wärmt der medialen Beobachtung zu entziehen. Wobei der wahre Geniestreich und ei- Sie gibt nie Konzerte und kaum Interviews. gentlich ihr Markenzeichen der virtuelle die Herzen ihrer Fans mit einer Berichte über Drogenexzesse, fragwürdige Enya-Chor ist, der viele ihrer Lieder trägt, flauschigen neuen Winter-CD – Liebhaber oder irgendwelche Marotten – auch die neuen Winterstücke. Bis zu 500 Erfolgszahlen fast garantiert. Fehlanzeige. Im Pop-Universum ist sie ein Gesangsspuren werden für einen Song auf- Phantom. genommen: „Ich singe aber jeden Ton n einem Schlosshotel bei Dublin sitzt „Ich bin erfolgreich, aber nicht berühmt, selbst“, sagt sie. die Künstlerin Eithne Ní Bhraonáin, die und mein Privatleben bleibt privat“, sagt So gelingt ihr lindernder Wohlklang, Isich der Einfachheit halber Enya nennt, sie streng, fügt aber vergnügt hinzu: „Das ein Sphärensound, der Millionen Men- in einem Saal mit meterhohen Spiegeln, wenige, das über mich geschrieben wird, schen Ablenkung verschafft von der Un- Ölgemälden in dicken Goldrahmen, wein- ist eigentlich immer unwahr.“ gemütlichkeit einer gebeutelten Welt. roten Vorhängen und einem Kamin, in Bekannter als Enya sind ihre Lieder, und Kein Wunder, dass bei dem amerikani- dem ein halbes Orchester Platz fände. Mit weil es nun zwölf neue davon gibt auf einer schen Nachrichtensender CNN jemand höflichem Lächeln stellt Enya fest: „Das CD namens „And Winter Came …“, ge- auf die Idee kam, die Bilder der kolla- ist wirklich ein tolles Anwesen hier, aber währt sie ein paar Audienzen, um Werbung bierenden New Yorker Twin Towers mit mein Schloss ist noch sehr viel schöner.“ zu machen, die sie eigentlich nicht nötig einer tröstenden Enya-Melodie zu unter- Dass ihr Privatbesitz Manderley Castle hat. Die Platte steht jetzt auf Platz fünf der legen. Das löste einen weiteren weltweiten ein viktorianisches Anwesen von 1839 sei, deutschen Charts. Boom ihrer Musik aus. Dabei muss festgehalten werden, dass die Marke Enya eigentlich ein Trio ist. Denn am Erfolg ihrer Musik sind zu großen Anteilen auch Nicky und Roma Ryan be- teiligt – als Produzenten, Ma- nager, Berater und Beschüt- zer, die noch viel mehr im Dunkeln bleiben möchten als ihre Frontfrau. Ohne das ge- schäftstüchtige Paar gäbe es vielleicht die Sängerin Enya, aber sicher nicht das Phäno- men Enya. Immerhin war es , der Enya aus ihrer Folk-Familien-Band befreite und den virtuellen Klon-Chor erfand, während seine Frau Roma die Texte liefert. Das Album „Water-

WARNER MUSIC (L.); HAYDN WEST / PA PHOTOS (R.) PHOTOS / PA WEST MUSIC (L.); HAYDN WARNER mark“, ihr internationaler Musikerin Enya, Wohnsitz Manderley Castle: „Ich bin erfolgreich, aber nicht berühmt“ Durchbruch, erschienen vor 20 Jahren, enthielt den Über- erbaut auf einem Granitfelsen zu Ehren Enya stellt zunächst klar, dass es sich bei raschungshit „“ und verkauf- von Queen Victoria und dass sie von ihrem ihrem neuen Werk um keine Weihnachts- te sich spektakuläre acht Millionen Mal. Schlafgemach aus einen Postkartenblick platte, sondern um eine „Winterplatte“ Ein Triumph, der Enya und Konsorten seit- über die wilde Irische See habe, berichtet handelt – was die kommerzielle Halb- dem unglaubliche Freiheiten garantiert. stolz die Frau, die auf der Hitliste der be- wertszeit des Albums natürlich um einiges Dabei betont sie, und da setzt sie sich sehr güterten Iren im Jahr 2006 unter den obers- verlängert. aufrecht hin, dass sie „wahnsinnig normal“ ten hundert vertreten war. Dass darauf eine gälische Version von geblieben sei. Auf einer blutrot gepolsterten Antiquität „Stille Nacht“ – „Oíche Chiúin“ – zu hören War sie schon mal in einem Techno- thront die 47-Jährige in schwarzem Kleid ist sowie Lieder über Engelreisen und Spiel- Club?„O Gott, nein!“ Und wann zuletzt im und schwarzen Schuhen. Ihre Augen sind zeugsoldaten, stört dann auch nicht. Ande- Supermarkt? „Ich gehe nie in Supermärkte!“ groß und dunkel geschminkt, ein wenig rerseits klingt das neue Enya-Dutzend eben Da knarrt es im Kamin, wahrscheinlich sieht die Sängerin aus wie eine Eule auf auch nicht anders als alles, was sie bislang so der Schlossgeist. Hat sie auch einen? der Lauer – längst nicht so feenhaft, wie unfassbar erfolgreich produziert hat. „Nein, Gespenster gibt es in meinem immer wieder behauptet wird. Sehr auf- Enyas Lieder sind ein raffinierter Mix Schloss leider nicht. Aber vielleicht habe merksam, konzentriert und leicht ange- aus sanfter Pseudo-Klassik, ätherischem ich sie einfach noch nicht getroffen“, sagt spannt registriert Enya jede Frage. New Age und Popmusik. Sie singt, summt Enya, bedankt sich und entschwindet, so Sie gilt als notorisch scheu, verlässt nur und schnurrt in allerlei Sprachen wie Gä- schnell und unauffällig, als wäre sie selbst ungern ihr Gemäuer, und angeblich hat lisch, Latein und Englisch. Was aber ei- ein Geist. Christoph Dallach

182 der spiegel 49/2008