Nach Geltendem Recht Raub Und Restitution Der Fayence-Sammlung Polaczek
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035-046 siefert 18.02.15 08:35 Seite 35 Originalveröffentlichung in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg - 50.2013/14, S. 35-46 Katharina Siefert Nach geltendem Recht Raub und Restitution der Fayence-Sammlung Polaczek »Die Obgenannte befindet sich seit zwei Wochen in Treuhänder für diese Sammlungen, deren Verteilung Südfrankreich. Mit ihrer Rückkehr nach Deutschland auf mehrere Museen nach Beendigung des Krieges ge- ist nicht zu rechnen.« Was zunächst nach einem er- plant war.« holsamen Urlaub oder gar eskapistischen Dauerauf - Dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich war enthalt klingt, entpuppt sich als zynische Formu lie - die Erwerbung der Sammlung Polaczek von Muse- rung eines Steuerinspektors des Finanzamtes Freiburg- umsseite aus aktiv betrieben worden. Erst elf Jahre Stadt im Dezember des Jahres . Tatsächlich war nach den ersten Ankaufsbemühungen, am . März die angesprochene Friederike Polaczek aus Freiburg/ , wurde die Sammlung, bestehend aus Ob- Br. – im oben genannten Schreiben bezeichnet als »Po- jekten von Keramikmanufakturen aus Straßburg und laczek Ernst Witwe Sara« und somit ihrer Identität be- Niderviller (Lothringen) nach Restitution rechtmäßig raubt – bereits am . Oktober in das französi - durch das BLM erworben. sche Internierungslager Gurs am Rande der Pyre näen Obgleich der Vorgang damit juristisch abgeschlossen deportiert worden. An jenem Tag fand erstmalig eine ist, zeigt die Akte aus dem BLM Hausarchiv mit so genannte Evakuierung von deutschen Juden aus dem Titel »Restitution Slg. Polaczek« exemplarisch Baden und der Pfalz statt, von der anfangs nur trans- den Entzug einer Kunstsammlung aus so genanntem portunfähige Menschen ausgenommen waren. jüdischen Besitz während der NS-Herrschaft, der Die Internierung von Friederike Polaczek stellt einen nachfolgend in seinem Ablauf vorgestellt wird. Höhepunkt, aber noch lange nicht den Schlusspunkt im Ringen um eine wertvolle Fayencesammlung dar, Die Verfolgung der Eheleute Polaczek in Freiburg die in Museumsbesitz überführt werden sollte. Im wird erstmals im März in einem Schreiben der April schildert ein Vertreter des Badischen Lan- Polizeidirektion an die Gestapo in Freiburg akten - desmuseums Karlsruhe (im Folgenden BLM) der fran - kundig: »Im Hause Holbeinstrasse hier [Freiburg/ zösischen Militärverwaltung die Situation so: »Die im Br.] wohnen die Eheleute Dr. Ernst Polaczek, Muse- Neuen Schloss in Baden-Baden lagernden jüdischen umsdirektor und Friederike geb. Löbl. Beide Ehe leute [Keramik] Sammlungen Reiß, Gallinek und Polaczek sind Juden, als evangelisch gemeldet und bisher als wurden seinerzeit nicht erworben und auch nicht in- Juden nicht erfasst. / nachrichtl. an Finanz amt Stadt ventarisiert. Das Bad. Landesmuseum war lediglich Freiburg.« Tatsächlich war das Ehepaar Polaczek nach StaA Freiburg/Br., Bestand F /, Nr. /, Finanzamt Der Eintrag der Objekte in das Inventarbuch des BLM er- Freiburg-Stadt, internes Schreiben vom ... folgte retrospektiv im Februar mit den fortlaufenden Die erste Abschiebung polnischer und staatenloser Juden Nummern V – V . nach Polen fand am ./.. statt. Vgl. Tanja Baensch, »Un petit Berlin«? Die Neugründung HA BLM, Akte Restitutionen (Slg. Polaczek), im Fol- der Straßburger Gemäldesammlung durch Wilhelm Bode, genden nur als HA BLM Akte bezeichnet, Brief Nr. Göttingen , S. f., Anm. Ernst Polaczek trat am , ..; an die »Französische Militärregierung/Divi- .. in Straßburg zum evangelischen Glauben über. sion Education Publique / Section Recuperation Artistique, StaA Freiburg/Br., Bestand F /, Nr. /; Brief vom Baden-Baden / Villa Stephanie«, i. V. Dr. Friedrich Garscha .., Polizeidirektion Freiburg/Br. an die Gestapo (Mitarbeiter des BLM). Freiburg/Br. 35 035-046 siefert 18.02.15 08:35 Seite 36 Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg · Band 50 Definition der nationalsozialistischen Rassengesetze schließlich wurde Polaczek zum Direktor der schon seit Diskriminierungen ausgesetzt. Ernst Oberlausitzer Gedenkhalle und des Kaiser-Friedrich- Polaczek wurde am . Juli in Rei chenberg (Böh- Museums in Görlitz ernannt, wo er, wie schon in men), heute Liberec, geboren. Er stu dierte Kunst- Straßburg, umfassende Neueinrichtungen plante und geschichte an den Universitäten in Prag, München mit der Eröffnung des Museums im Kaisertrutz Ende und Wien. Prägend war seit sein Stu dium an der auch durchführte. Obgleich bestens in entspre - Universität Straßburg, wo er bei Georg Dehio – auch chenden Kreisen in Görlitz verankert, wurde Ernst noch in späteren Jahren sein Mentor – pro- Polaczek nach der Machtergreifung der Nationalso - movierte. Nach seiner Habilitation im Jahre trat zialisten in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Ernst Polaczek Anfang eine Assistentenstelle im Vielleicht um dem Elsass nahe zu sein, zog das Ehe - Fach Kunstgeschichte bei Dehio an, die schließlich paar Polaczek daraufhin nach Freiburg. in eine Honorarprofessur an der Universität Spätestens nach der namentlichen Erfassung durch Straßburg mündete. Bereits wurde er Direktor die Gestapo war die Verfolgung offenkundig und des städtischen Kunstgewerbe museums (ehe mals Ernst Polaczek plante wohl, wie viele andere als jü- Hohenlohemuseum) und des Museums der disch eingestufte Bürger, die Ausreise. So verpfändete Schönen Künste (heute Musée des Beaux-Arts) in er u. a. Wertpapiere in Höhe von .,– RM, Straßburg. In beiden Museen setzte Polaczek grund - um die so genannte Reichsfluchtsteuer bezah len zu legende Neuerungen hinsichtlich Erwerbung und können. Seine Korrespondenz mit dem Finanzamt Präsentation der Exponate durch. Dabei wurden die Freiburg zeugt von dem verzweifelten ver geblichen kunsthistorischen Eigenheiten des Elsass und Loth- Versuch, wenigsten einen Teil seines Vermögens zu ringens als eigenständige Regionen innerhalb des retten. deutschen Kaiserreiches betont. Zahlreiche Vorträge Wie die Familie Polaczek die Reichsprogromnacht und Publikationen zur Kunst des Elsass bezeugen im November erlebte, lässt sich nur mutmaßen. seine intensive Auseinandersetzung mit den künst- Ernst Polaczek starb am . Januar im Alter von lerischen aber auch politischen Besonderheiten dieses Jahren in der Universitätsklinik in Freiburg; als Grenzlandes, die auch seine privaten Interessen und Todesursache wurde ein »Darmleiden« angegeben. Kontakte prägten. Umso schmerzlicher war für ihn Friederike Polcazek war nun auf sich alleine gestellt die Ausweisung aus dem nun französischen Straß- und versuchte ihrerseits, mit Veräußerungen aus der burg nach Ende des Ersten Weltkriegs. Mit seiner privaten Kunstsammlung, zu Geld zu kommen. Ernst zweiten Ehefrau Friederike, geb. Löbl, lebte Pola - Polaczek hatte im Laufe seines Lebens diverse Kunst- czek fortan in München, wo er sich weiterhin seinen werke zusammengetragen, einerseits zur standesge - Studien und Schriften zur elsässischen Kunst, ins- mäßen Ausstattung eines großbürgerlichen Lebens, besondere auch der Keramik aus Straßburg und andererseits gespeist aus seiner kunstwissenschaft - Nider viller, widmete. lichen Tätigkeit und seinen persönlichen Interessens- Quellen hier und im Folgenden: Heiner Mitschke, Profes- wirkte Dehio als Hochschullehrer in Königsberg. sor Ernst Polaczek, in: http://www.goerlitz.de/stadtportrait- erhielt er einen Ruf an das Kunstgeschichtliche Insti- von-goerlitz/stadtgeschichte/persoenlichkeiten/polaczek. tut in Straßburg, Ende der akademischen Laufbahn . html, zuletzt eingesehen am ..; Marlies Meckel, In Straß burg Direktor der Gemäldegalerie; Arbeit am Den Opfern ihre Namen zurückgeben. Stolpersteine in Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Quelle http:// Freiburg, Freiburg/Br. , S. – ; Heiner Mitschke, www.dehio.org/dehio/index.html (Dehio-Vereinigung e.V). Professor Ernst Polaczek und seine Zeit in Görlitz. Doku- zuletzt eingesehen am ... mentation zur Tagung zur Geschichte der Juden in der Vgl. hierzu Baensch, Die Veränderung in der Kommu- Östlichen Oberlausitz am .. in Görlitz, hg. v. der nalpolitik – Ernst Polaczeks neuer Kurs für die Straßburger Friedrich Ebert-Stiftung, Dresden . Museen, in: Dies. (wie Anm. ), S. – . Georg Dehio (geb. Reval – gest. Tübingen). Ab Friederike Löbl, geb. am .. in Aussig, Böhmen 36 035-046 siefert 18.02.15 08:36 Seite 37 Katharina Siefert · Nach geltendem Recht. Raub und Restitution der Fayence-Sammlung Polaczek gebieten. Dies trifft vor allem auf die Sammlung her- ausragender Fayencen der Keramikmanufaktur Han- nong zu. Diese Manufaktur war durch Carl F. Hannong in Straßburg gegründet worden und wurde mit einer Zweigstelle in Hagenau, später in Franken- thal (Pfalz) durch die beiden Söhne Balthasar und Paul Anton und deren Nachfolger bis weitergeführt. Friederike Polaczek ist aufgrund des am . Juli von Ernst Polaczek verfassten Testaments verfügungs- berechtigte Haupterbin. Neben einigen Vermächtnis- sen, die Bibliothek betreffend, sind die drei Nichten Ernst Polaczeks als Nacherbinnen eingesetzt. Explizit genannt für den Fall, dass Friederike Polaczek vor ihrem Mann sterben sollte, sind die »in meiner Woh- nung verwahrten elsässischen und lothringischen Fayencen« den Nichten zu überlassen. Diese hoch geschätzte Fayence-Sammlung bietet Friederike Pola - czek einer Marie Junghanns, wohnhaft auf Schloss Frauenberg in Bodman am Bodensee, mit Vertrag vom .. zum Kauf an: »Frau […] Junghanns kauft von Frau […] Polaczek […] ca. Stück Straßburger und Niederweiler Fayencen laut Liste, eine Holzfigur, darstellend die Heilige Katharina, 1. Kaufvertrag zwischen Friederike Polaczek