Friedrich Naumann STIFTUNG FÜR DIE FREIHEIT

Wandel verstehen. Rechte schützen. Zukunft gestalten.

www.freiheit.org 1963 bis 2013 Jubiläumsschrift

Herausgegeben vom Bereich Internationale Politik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Gemeinsames Vorwort Internationale Projekte 84

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB, Vorsitzender des Vorstandes Nord-Süd-Dialogprogramm am Sitz der Vereinten Nationen, New York 85 Prof. Dr. Jürgen Morlok, Vorsitzender des Kuratoriums 4 Internationale Akademie für Führungskräfte (IAF) 87 Geleitworte Internationale Konferenzen 91 Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen 6 Internationale Programme 99 Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 7 Internationale Kooperation und Vernetzung 100 Wie alles begann. 10 Die bedeutende Rolle der Kooperationspartner 101 Entstehung und Aufbau der internationalen Arbeit Interview mit Dr. Barthold C. Witte 11 Intensive Vernetzung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren 102

Pionierprojekte der Aufbauphase 18 Weltweite Bilanz und künftige Herausforderungen 104

Regionale Schwerpunkte und Projektentwicklungen 24 Bilanz eines halben Jahrhunderts internationaler Arbeit Autor: Dr. h.c. Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied 105 Südliche Mittelmeerländer (Naher und Mittlerer Osten) 25 Neue Herausforderungen und strategische Ziele für die Auslandsarbeit Subsahara-Afrika 31 Autor: Ulrich Niemann, Bereichsleiter Internationale Politik 111

Lateinamerika 39

Südost- und Ostasien 46

Südasien 54

Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien 61

Europäische Institutionen und Nordamerika 68

Herausragende Regionalprojekte 76 Heute ist die Stiftung weltweit wirksam und vernetzt. Mit Projekten in rund 70 Ländern setzt sie Dr. Wolfgang Gerhardt MdB sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Menschenrechte auf der Basis libe- Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit raler Überzeugungen ein. Das Spektrum ihrer Tätigkeit umfasst neben der klassischen Zusammen- arbeit mit liberalen Parteien auch die Unterstützung von Menschenrechtsgruppen, die Ausbildung von Journalisten oder die Durchführung von Klimaschutzprojekten. Die Mitarbeiterinnen und Mit- Prof. Dr. Jürgen Morlok arbeiter der Stiftung sind Vermittler zu Politik und Gesellschaft unserer Partnerländer, gefragte Ex- Vorsitzender des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit perten und hoch motivierte Botschafter für die Freiheit. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung.

Gegenwart und Zukunft bieten große Herausforderungen, die wir als Chancen verstehen. Wir denken „Dem Prinzip ‚Freiheit in Menschenwürde‘ in allen Bereichen der Gesellschaft Geltung zu verschaf- hier zum Beispiel an die gegenwärtige Krise der Europäischen Union, die zugleich eine Chance ist, fen“, diesem Auftrag aus ihren politischen Grundsätzen widmet sich die Friedrich-Naumann- sie nachhaltig zu stärken. Die aufstrebenden Schwellenländer gilt es für eine freiheitliche Gesell- Stiftung für die Freiheit (FNF) seit 50 Jahren weltweit. Die Initiative dazu, Demokratie, Rechts- schaftsordnung und verantwortliches globales Handeln zu gewinnen. Die Friedrich-Naumann- staatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Ausland nicht nur durch staatliche Träger, sondern Stiftung für die Freiheit wird sich diesen Aufgaben auch in Zukunft stellen und für liberale Lösungen auch durch Organisationen der Zivilgesellschaft wie die politischen Stiftungen zu fördern, kam vom werben. damaligen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Walter Scheel. Die Einladung an Prof. Dr. Jürgen Morlok die politischen Stiftungen zeigt nicht nur durch die Förderung von Pluralismus und bürgerschaft- Wir freuen uns, dass mit dieser Publikation 50 Jahre Arbeit für eine Welt in Freiheit gewürdigt wer- lichem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit ein klar liberales Politikverständnis. Sie den. Wir danken allen ehemaligen und aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleisteten stellt zugleich den Startpunkt der Erfolgsgeschichte dar, als die die Auslandsarbeit der Friedrich- Beiträge. Unser besonderer Dank gilt den beiden verantwortlichen Redakteuren Uwe Johannen und Naumann-Stiftung für die Freiheit und der anderen politischen Stiftungen anerkannt ist. Dr. Jürgen Wickert sowie dem Archiv des Liberalismus. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine interessante Lektüre. Die Stiftungsbüros sind in den Ländern, wo sie aktiv sind, tief in der Gesellschaft und im politi- schen Leben verankert. Sie stehen im engen, häufig jahrzehntelangen Austausch mit politischen Parteien, Thinktanks, Nichtregierungsorganisationen, Bildungseinrichtungen und anderen Organi- sationen, Gruppen und Individuen. Gerade für oppositionelle Kräfte, kritische Journalisten und Men- schenrechtsverteidiger sind sie durch ihre klare politische Zuordnung und ihre Unabhängigkeit von wechselnden Mehrheiten in Deutschland ein glaubwürdiger und verlässlicher Partner.

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB Am 1. Juli 1963 wurde die Auslandsabteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ge- gründet und bereits Anfang des folgenden Jahres in Tunesien ein Zentrum für Erwachsenenbildung als erstes Auslandsprojekt der Stiftung aus der Taufe gehoben. Bis Ende der 1960er-Jahre hatte die Stiftung ihre Präsenz auch auf Lateinamerika, Subsahara-Afrika und Asien ausgeweitet. Pioniergeist und Improvisation prägten die ersten Jahre der weltweiten Arbeit und tun dies, gerade in Transiti- ons- und politisch autoritären Ländern, teilweise bis heute. Die langjährige Erfahrung in der Förde- rung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dem Schutz von Freiheit und Menschenrechten sowie der Förderung von Marktwirtschaft und Entwicklung machte sich nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in unserer östlichen Nachbarschaft bezahlt: Auch hier konnte die Stiftung sehr erfolg- reich liberale politische und gesellschaftliche Prinzipien vermitteln und somit zur Einheit Europas beitragen.

4 5 Dr. Guido Westerwelle Dirk Niebel Bundesminister des Auswärtigen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet seit 50 Jahren im Ausland erfolgreich für 50 Jahre Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sind ein Grund zum Feiern. freiheitliche Werte und den Geist der Aufklärung. Dieses schöne Jubiläum ist wahrhaft ein Grund Durch ihr weltweites Engagement für Demokratie und starke Zivilgesellschaften, für Rechtsstaat- zur Freude und ein guter Anlass, die besondere Bedeutung der politischen Stiftungen für Deutsch- lichkeit und den Schutz der Menschenrechte, für die soziale Marktwirtschaft und somit für wirt- land hervorzuheben. schaftliche Entwicklungschancen leistet die FNF gemeinsam mit den anderen politischen Stiftungen einen wichtigen Beitrag zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Wie in vielen anderen Fragen Durch ihre Arbeit mit der Zivilgesellschaft verfügen die Stiftungen über ein tiefes Verständnis für gilt auch hier: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Es sind nicht nur die jahrzehntelange, die Situation in unseren Partnerländern. Mit ihrer Arbeit schlagen sie Brücken jenseits des offiziellen vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Partnern aus der Zivilgesellschaft der Gastländer und die Regierungshandelns und stellen Deutschland in seiner ganzen Pluralität und Offenheit dar. Wir große politische Kompetenz der Stiftungen, sondern der gelebte Pluralismus, der die sechs politi- Deutsche können uns glücklich schätzen, mit unseren Stiftungen über ein besonderes Instrument schen Stiftungen als Aushängeschild unserer Demokratie und als Instrument deutscher Entwick- der Außenbeziehungen zu verfügen. lungszusammenarbeit so wichtig macht. Genau aus diesem Grund hat die Bundesregierung die Dr. Guido Westerwelle Zusammenarbeit mit den politischen Stiftungen und anderen zivilgesellschaftlichen Trägern in dieser Dirk Niebel Als Außenminister sehe ich, was in den Auslandsbüros der Stiftungen tagtäglich geleistet wird. Die Legislaturperiode deutlich gestärkt. Besonders wichtig ist dies, um den demokratischen Aufbruch Stiftungen genießen nicht nur bei uns, sondern auch im Ausland ein überaus hohes Ansehen. Spe- in den Ländern der arabischen Welt, aber beispielsweise auch in Myanmar, weiter zu unterstützen. ziell der Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Transformationsstaaten wird auch von vielen meiner Amtskollegen geachtet, anerkannt und gelobt. Ich bin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sehr dankbar für die gute und vertrauens- volle Zusammenarbeit, die sie seit 50 Jahren mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- Wir erleben nicht nur eine Globalisierung der Wirtschaft, sondern auch eine Globalisierung der sammenarbeit und Entwicklung verbindet. Als zuständiger Bundesminister, aber auch schon zuvor, Werte. Der Irrglaube, dass es Regionen oder Kulturen gäbe, wo Menschen keine Teilhabe, keine De- habe ich enge Kontakte mit der Auslandsarbeit der FNF gepflegt. In vielen persönlichen Kontakten mokratie und keine Freiheit ersehnen, ist widerlegt. Das ist eine große Herausforderung und gleich- und Gesprächen – ob in Berlin, Potsdam oder auf Auslandsreisen – habe ich von der Erfahrung und zeitig eine große Chance für die Auslandsarbeit der Stiftung, auch in den kommenden Jahrzehnten. von der Expertise ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren können. Den Input der Stif- tungen zu verschiedenen Aspekten unserer Entwicklungs- und Außenpolitik habe ich immer als Zur Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit habe ich eine ganz persönliche Bindung: Ich bin sehr konstruktiv, manchmal kritisch, in jedem Fall aber belebend und innovativ erlebt. Mit der Fried- Alt-Stipendiat der FNF und mir der Tatsache sehr bewusst, dass die Stiftung zur Schärfung meines rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ihrer Auslandsarbeit verbinde ich aber nicht nur große politischen Bewusstseins entscheidend beigetragen hat. Mich freut sehr, dass die Stiftung weltweit Gesprächsbereitschaft und innovative Ideen, sondern auch Flexibilität und die Bereitschaft, neue junge Menschen mit den Werten des Liberalismus in Berührung bringt. Die FNF verfügt mit ihrem Wege für mehr Freiheit, Demokratie und Entwicklungschancen zu beschreiten und sich aktuellen Einsatz für Demokratie, für die Freiheit des Einzelnen und für den Schutz der Menschenrechte über Herausforderungen zu stellen. einen klaren Wertekompass. Dies hat die Stiftung in den ersten 50 Jahren ihrer Auslandsarbeit in vielen Ländern immer wieder eindrucksvoll bewiesen, auch unter wechselnden und zum Teil schwie- rigen Rahmenbedingungen. Die heutige weltweite Arbeit der FNF unter der Führung von Wolfgang Gerhardt steht in bester Tradition.

Ich gratuliere allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei- heit und möchte sie ermutigen, ihren mutigen Weg entschlossen fortzusetzen.

6 7 Weltweit aktiv. RB Europäische Institutionen und Nordamerika Für eine Welt Brüssel RB Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien in Freiheit. Sofia

RB Mittelmeerländer RB Lateinamerika Kairo RB Südost- und Ostasien Mexico Stadt Bangkok RB Südasien Neu Delhi

Der Bereich Internationale Politik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit engagiert RB Afrika sich mit seinen sieben Regional- und 47 Projektbüros für die Entwicklung des internationalen Johannisburg politischen Dialogs und die Verbreitung liberaler Politikansätze in 70 Ländern der Erde.

8 9 Entstehung und Aufbau der internationalen Arbeit Wie alles begann. Wie entstand das internationale Engagement der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit? Walter Scheel forderte die politischen Stiftungen als Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- menarbeit 1962 auf, mit öffentlichen Zuwendungen eigene Projekte in der Dritten Welt aufzubauen.

Welche Ziele verfolgte er mit der Einbeziehung der politischen Stiftungen in die Entwicklungsarbeit?

Walter Scheel war einer der Ersten, der erkannt hatte, dass die Entwicklungsarbeit nur erfolgreich Dr. Barthold C. Witte sein würde, wenn die politischen Strukturen der Entwicklungsländer in Ordnung sind und sie ein Geschäftsführer (1964–1970) und Mindestmaß an Demokratie und Schutz der Menschenrechte garantieren. In der damaligen Zeit langjähriges Vorstandsmitglied der galt diese Erkenntnis keineswegs als mehrheitsfähig. Ich entsinne mich gut, dass z. B. der interna- Friedrich-Naumann-Stiftung, ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift „liberal“ tional anerkannte Politologe Richard Löwenthal von den Entwicklungsdiktaturen sprach, die überall notwendig seien. Walter Scheel war hingegen ein früher Pionier der Demokratiebewegung, der zudem das Potenzial und die Chancen der politischen Stiftungen als nicht staatliche Akteure der Entwicklungspolitik erkannte. Wenn wir heute die Früchte des jahrzehntelangen weltweiten Ein- satzes der Stiftungen ernten, dann verdanken wir dies nicht zuletzt ihm.

Wie stand es seinerzeit mit der Idee einer liberalen Marktwirtschaft für Entwicklungsländer? In diesen Pionierjahren war die absolut vorherrschende Meinung, nur Sozialismus könne die Ent- wicklungsländer retten. Ich habe 1968 auf einer Bonner Tagung der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft in dieser ordnungspolitischen Frage dagegengesetzt, dass Marktwirtschaft das bes- sere Rezept sei – wohlbemerkt eine Marktwirtschaft nicht des entfesselten Kapitalismus, wie wir es heute in bestimmten Bereichen leider haben, sondern eine Marktwirtschaft, die durch einen re- gelsetzenden Staat begrenzt wird. Das war damals die Stimme eines Predigers in der Wüste. Heute ist es umgekehrt: Es gilt als Common Sense, dass nur über die Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen der Aufstieg der Entwicklungsländer gelingen kann. Es gibt zwar nach wie vor einige Unverbesserliche, die glauben, der Staat könne das alles viel besser. Aber ich denke, wir haben mit unseren Partnern weltweit zeigen können, welcher Weg in der Realität erfolgreicher ist.

Sie waren der Architekt der Aufbaujahre des internationalen Engagements der Stiftung. Wie kam es dazu? Diese Rolle fiel mir zu, weil ich im Vorstand der FNF der Einzige war, der einige internationale Er- fahrungen mitbrachte. Ich war Präsident des Weltbundes Liberaler Jugend gewesen und hatte über

10 11 die World Assembly of Youth zahlreiche Kontakte im Jugendbereich. Als Vorstandsmitglied der deut- schen Gruppe der Liberalen Weltunion (heute Liberale Internationale) kannte ich dieses Parteien- bündnis gut. Auch hatte ich erste Ost-Kontakte entwickelt, so über die Deutschen Jungdemokraten mit den sowjetischen Jugendverbänden. Mitte 1963 übernahm ich die Leitung der neu geschaffenen Auslandsabteilung und 1965 die Geschäftsführung der Stiftung.

Mit welchen Kernproblemen war die Stiftung in der Aufbauphase der internationalen Arbeit konfrontiert? Die Auslandsarbeit hatte einen schwierigen Start, weil es in den Entwicklungsländern an Kontakten und Erfahrungen mangelte. Da war es sehr hilfreich, dass Walter Scheel die Vorstellung entwickelte, man müsse über internationale Organisationen als jeweiliges Dach in die Entwicklungsländer gehen, Internationales Kolloquium „Freiheit und Menschenwürde in den Entwicklungs- um dort national tätig zu werden. Wir hatten zwar die Liberale Weltunion, jedoch weitgehend be- strategien“ mit über 100 führenden grenzt auf Europa. Da es in Entwicklungsländern kaum liberale Parteien gab – nicht bloß dem Politikern aus allen Teilen der Welt im Namen nach, sondern in der politischen Realität –, mit Ausnahme weniger Länder Lateinamerikas Reichstag in Westberlin, 1980, unter der und Asiens, war der Weg über Schwesterparteien oder Parteienbündnisse nicht möglich, der öffnete Schirmherrschaft von Altbundespräsident Walter Scheel, damals Vorsitzender des 1 2 sich erst sehr viel später durch die Stiftungsarbeit selbst. Daher war es unsere allererste Aufgabe, Kuratoriums der FNF internationale Organisationen zu finden, die bereit waren, mit der Friedrich-Naumann-Stiftung zu- sammen den Aufbau demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen in der Dritten Welt an- zugehen.

Die Strategie hieß also zunächst, im vorpolitischen Raum mit geeigneten Partnern zu arbeiten. Sol- che Partner der Aufbaujahre waren Jugendverbände über die World Assembly of Youth, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft DAG mit ihren internationalen Verflechtungen, wirtschaftsnahe Verei- nigungen, die uns im Wesentlichen über die Montpelerin Society vermittelt wurden, und Genos- senschaftsverbände. Wir haben am Anfang große Schwierigkeiten gehabt, qualifiziertes Personal zu finden. Die alten Kolonialmächte England, Frankreich, Holland etc. hatten reiche Entwicklungs- länder-Erfahrungen. Bei uns war das Reservoir an Fachkräften mit soliden Länder- und Sprachkom- petenzen sowie beruflicher Praxis in Afrika, Asien und Lateinamerika äußerst begrenzt.

Wie entstanden die ersten Pionierprojekte der 60er-Jahre? Die Anbahnung erfolgte auf zwei Wegen: entweder über uns bekannte Kontaktpersonen in der Bun- desrepublik mit Verbindungen in bestimmte Entwicklungsländer, oder über die Vermittlung von 3 4 Kontakten unserer internationalen Kooperationspartner zu potenziellen Projektträgern in den Ein- satzländern. Das erste Auslandsprojekt der Stiftung war das Institut Ali Bach Hamba in Tunesien, dessen Kern die Aus- und Fortbildung von Journalisten, Dokumentaren und gesellschaftlichen Füh- rungskräften war, gewissermaßen ein Mehrzweck-Institut. Der erste Kontakt nach Tunesien erfolgte 1. Regionales Gewerkschaftsseminar für das frankofone Afrika in Kooperation mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Lomé, Togo, 1965 durch Gespräche zwischen mir und dem damaligen tunesischen Wahl-Generalkonsul, Paul Conrad. 2. Eröffnung des Seminars „Die Reform der Staatstrukturen und die nationale Entwicklung“ durch den ehemaligen Staatspräsidenten von Costa Rica, José Figueres, (Mitte) und Prof. Diego Uribe Vargas, Abgeordneter der Liberalen Partei, Bogotá 1966 Er hatte bis zum Staatspräsidenten Bourguiba hin hervorragende Partner. Ich habe dann in Tunis 3. Besuchsprogramm für Wirtschaftsführer nationaler Verbände und Hochschulen aus sechs Ländern Lateinamerikas in der Bundesrepublik, 1966 die Verhandlungen mit der Regierung geführt und den Projektvertrag Anfang 1964 unterzeichnet. 4. 3. Dialog-Konferenz mit der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS), Peking, 1985

12 13 Wie entstanden die zeitlich folgenden Projekte in Lateinamerika? den. Das ist in Grenzen gelungen. Nach vielen Mühen und manchen Misserfolgen haben wir es ge- Als Mitglied der Montpelerin Society, eines internationalen Thinktanks liberaler Ökonomen und In- schafft, ein solches Institut in Ghana ins Leben zu rufen. Ironischerweise etabliert in den Gebäuden, tellektueller, habe ich einige andere Mitglieder in den USA kontaktiert, die in Lateinamerika ein die für eine Segelflugschule gebaut worden waren, deren Leiterin Hanna Reitsch gewesen war. Sie Netz von Institutionen zur Propagierung der Marktwirtschaft aufgebaut hatten. Die Stiftungspro- hatte sich mit dem Diktator Ghanas, Kwame Nkrumah, eng befreundet, war damit untragbar für jekte mit wirtschaftlichen Führungskräften, die daraus entstanden, waren im Ergebnis unterschied- das folgende demokratische Regime und wurde ausgewiesen. In die leerstehenden Gebäude zog lich. Es gab Erfolge, z. B. in Peru, weil dort einige jüngere, selbstständige Unternehmer sich auch die Friedrich-Naumann-Stiftung ein. Aber es stellte sich sehr bald heraus, dass der gesamtafrika- ihrer sozialen Verantwortung bewusst waren. Aber auch Misserfolge, z. B. in Guatemala, wo der nische Ansatz nicht funktionierte. Denn auch in Afrika bildeten sich Nationalstaaten. dortige Stiftungspartner sich ungebremst dem Militärmachthaber in die Arme warf, sodass wir die Kooperation einstellten. Wie war die Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in der Aufbauphase? Lateinamerikanisches Jugendleiterseminar Wie gelang der Einstieg der ersten Projekte in Asien? Sehr gut. Ich kann das wirklich nur mit Tönen des höchsten Lobes sagen. Die BMZ-Vertreter waren, Das erste Seminar für liberalen Führungs- zu den Chancen der wirtschaftlichen nachwuchs in Asien (School for Freedom) Es gab einen Partner in Indien – Minoo Masani –, den Gründer und Generalsekretär der liberalen da muss ich Winfried Böll als den entscheidenden Partner erwähnen, selbst Pioniere und nicht Ver- Integration in Mittelamerika, Bogotá, 1966 in Kooperation mit der Indian Group of Swatantra-Partei, persönliches Mitglied der Liberalen Weltunion. Die Kooperation mit ihm und sei- walter. Sie sahen ihre Rolle auch so, waren offen und haben auch Projekte gefördert, bei denen das , New Delhi, 1965 nen Freunden mündete in ein dauerhaftes Projekt der gesellschaftspolitischen Bildung von Füh- Risiko des Scheiterns von vornherein sichtbar war, sie zeigten also eine Risikobereitschaft, die für rungskräften mit dem Leslie Sawhny Programme in Bombay. Bereits Ende 1965 organisierten wir Behörden nicht typisch ist. In dieser Pionierzeit der gesellschaftspolitischen Entwicklungsarbeit zudem eine „School for Freedom“ in New Delhi, das erste Schulungsseminar für liberale Nach- waren die zeitlichen und inhaltlichen Abstände zwischen Projektantrag und Bewilligung ziemlich wuchskräfte in Asien. Diese Veranstaltung war Teil des ersten gemeinsamen Projektes der Stiftung kurz. Es gab z. B. keine Feasibility-Studien wie heute, ehe ein Antrag gestellt werden konnte, sondern mit der Liberalen Weltunion zur Förderung junger Liberaler. das Ministerium wollte, dass die Mittel schnell und effizient eingesetzt, aber auch seriös adminis- triert wurden. Die gesellschaftspolitische Bildungsarbeit zielte wesentlich darauf ab, Gesamtstruk- Die School for Freedom war ursprünglich von Massimo Salvadori, dem ideologischen Kopf der Li- turen innerhalb der jeweiligen nationalen Gesellschaft und günstige Rahmenbedingungen für eine beralen Weltunion aus den 40er-Jahren, gegründet worden. Sie wurde mit Beginn unserer interna- demokratische Entwicklung zu schaffen. tionalen Tätigkeit in die Mitträgerschaft und Mitfinanzierung der Stiftung übernommen und über viele Jahre gemeinsam von Prof. Hans Reif für die Stiftung und Richard Moore, dem damaligen Ge- Es wurde im Verlauf der ersten Vorhaben sehr rasch deutlich, dass es parallel dazu den Aufbau von neralsekretär der Liberalen Weltunion, geleitet. Die School for Freedom war als Sommerkurs für Basisprojekten geben müsste. Aus dieser Einsicht entstand im Dialog mit dem BMZ die sogenannte junge Liberale eine der allerersten internationalen Aktivitäten der FNF, zunächst auf europäischer Sozialstrukturhilfe als neuer Haushaltstitel. Wir haben ein erstes Projekt 1965 in einem Elendsviertel Ebene, aber dann auch zunehmend mit Teilnehmern aus Entwicklungsländern. Sie wieder aufleben von Valparaíso in Chile gestartet. Wir haben in diesen Pionierzeiten sehr eng mit dem BMZ verkehrt zu lassen, z. B. im Rahmen der Internationalen Akademie für Führungskräfte der FNF in Gummers- und waren bemüht, keine Betriebsgeheimnisse zu schaffen, sondern unsere Motive und Ergebnisse bach, wäre verdienstvoll. Über die DAG und den Dachverband der Angestellten-Gewerkschaften offenzulegen, so gut es nur ging. Es gab daher ein Grundvertrauen zwischen den zuständigen Per- Asiens APRO-FIET erfolgte die Anbahnung von Kontakten in Indonesien. Nach dem Erfolg des Mehr- sonen im BMZ, vom Minister angefangen bis zu den Sachbearbeitern im zuständigen Referat ei- zweck-Instituts Ali Bach Hamba in Tunis hatten wir uns entschlossen, den Versuch zu unternehmen, nerseits, den Verantwortlichen der Stiftung andererseits – ein Grundvertrauen, das beide Seiten in Indonesien ein entsprechendes Institut aufzubauen. So entstanden die Projekte Industrie- und gebunden und sich über die Jahre bewährt hat. Handelskammer Bandung sowie das Bildungsinstitut für wirtschaftliche und soziale Forschung, Er- ziehung und Information in Jakarta. Die Gewerkschaftskomponente unserer Arbeit hat nicht lange Wie war die Kooperation der politischen Stiftungen mit dem Auswärtigen Amt? gehalten, die Widerstände aus dem sozialistischen Bereich waren stark und sehr erfolgreich. In den ersten Jahren der internationalen Arbeit der Stiftungen förderte das Auswärtige Amt (AA) kurzfristige Maßnahmen zum Nord-Süd-Dialog oder mit Fokus auf die Industrieländer. Erst später Und wie entstanden die Pionierprojekte in Afrika? wurden Mittel für dauerhafte Vorhaben im Ausland bereitgestellt, die aber auch nicht in Entwick- Das war ein sehr schwieriges Unterfangen. Wir haben im Jugendbereich zusammen mit dem Gene- lungsländern stattfanden, sondern im „entwickelten Rest“ der Welt. Also West- und Ostprojekte, ralsekretär der World Assembly of Youth, David Wirmark, der aus der Liberalen Partei Schwedens keine Südprojekte, um es plakativ zu sagen. Grundlage dieser Entscheidung im AA war nicht nur kam, versucht, ein gesamtafrikanisches Institut zur Aus- und Fortbildung von Jugendleitern zu grün- die Rivalität zum BMZ, sondern die Erkenntnis, dass die Stiftungen eine sehr hilfreiche Rolle spielen

14 15 könnten bei der Festigung der Integration der Bundesrepublik im Westen einerseits und im begin- Welchen Stellenwert hatte die Auslandsarbeit aus Sicht des Vorstandes in den 1960er-Jahren? nenden Dialog mit dem Osten andererseits. Das war natürlich eine hochpolitische Aufgabe, die uns Es gab lebhafte Diskussionen im Vorstand darüber, welches Gewicht die internationale Arbeit haben da zuwuchs, die von vornherein sehr viel deutlicher politisch war, als das in BMZ-Projekten a priori sollte, weil die Befürchtung groß war, dass schon wegen des Verhältnisses der verfügbaren Finanz- sichtbar wurde. Eine ganze Reihe von Initiativen im außenpolitischen Kontext, die die Stiftung da- mittel die Stiftung fast nur noch Entwicklungsarbeit leisten würde und ihre inländischen Aufgaben mals begonnen hat, vor allem im Ost-West-Dialog, wurde dann aus Mitteln des Auswärtigen Amtes in den Hintergrund treten würden. Diese Sorgen waren nicht unbegründet, aber wir haben bewusst (AA) finanziert. Sie wären sonst nicht möglich gewesen. gegengesteuert. Mein Vorgänger als Geschäftsführer, Werner Stephan, der dann im Vorstand saß, hat die Initiative ergriffen, eine Bildungsstätte im Inland zu errichten. Mit der Theodor-Heuss- Wie war die Akzeptanz der Stiftungsprojekte durch die deutschen Botschaften? Akademie wurde dann auch das Gegengewicht im Inland geschaffen. Sehr unterschiedlich. Es gab Botschafter und Diplomaten, die begriffen, dass die Arbeit der politi- schen Stiftungen für sie sehr hilfreich sein konnte. Es gab freilich auch Botschafter, vor allem der Wie sehen Sie rückblickend die Bilanz der ersten zehn Aufbaujahre? älteren Generation, die sich damit sehr schwertaten, weil sie es anders gewöhnt waren. Diplomatie Die Stiftung musste sich in der ersten Dekade schrittweise als kompetenter Akteur und Partner in fand eben traditionell so statt, dass man von Regierung zu Regierung miteinander verkehrte, also zahlreichen Ländern etablieren, eigene Projekterfahrungen sammeln und ein Reservoir von Personen schon ein Gespräch mit der Opposition eigentlich nicht zulässig war, geschweige denn institutio- aufbauen, die die Praxis der internationalen Arbeit und speziell der Entwicklungsländer kannten. nalisierte Kooperationen mit oppositionellen Kräften. Die Stiftungen machten aber genau das in Heute können die politischen Stiftungen und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit vielen Ländern, indem sie Projekte nicht nur mit Regierungen, sondern auch mit oppositionellen (GIZ) jederzeit auf einen großen Pool von Erfahrungen und Experten zurückgreifen, das war damals Kräften durchführten. Manche Stiftungsvertreter waren sich in der Berichterstattung der Konkur- unmöglich. Es gab also keine Alternative zu dem Such- und Lernprozess der ersten Jahre. Und: Er renzsituation zur Botschaft sehr wohl bewusst. Sie waren in Einzelfällen aufgrund ihrer sehr engen war erfolgreich. Kooperation mit Regierungs- oder Oppositionsspitzen besser unterrichtet über das, was im Innersten der politischen Systeme vor sich ging, als manche Botschaften es waren. Der Bundesregierung kam das sehr zugute.

Wie war die Akzeptanz der ersten Stiftungsprojekte in den Partnerländern? Die Regierungen zeigten sich generell offen für die Tätigkeit der Stiftung und waren bereit, ent- sprechende Rahmenabkommen zu schließen. Die Projekte haben der Stiftung sowohl bei staatlichen Stellen als auch den nicht staatlichen Partnern meist viel Anerkennung, Respekt und Ansehen ein- getragen. Aber auch die Resonanz bei den Zielgruppen unserer Projektarbeit war bemerkenswert. Stichwort Journalistenausbildung: Ich entsinne mich an eine Diskussion mit Kursteilnehmern in Marokko Ende der 60er-Jahre, wo ich vorsichtig darüber sprach, dass Journalisten eine große Ver- antwortung gegenüber der Gesamtgesellschaft hätten und daher genau abwägen müssten, was verantwortbar sei und was nicht. Worauf die Kursteilnehmer ganz empört über meine Zurückhaltung meinten, sie wollten doch endlich auch in Marokko die Presse- und Meinungsfreiheit herstellen. Das sei ihr Ziel. Also, das war für mich auch eine Lehre, dass in der Tat die Stiftungsarbeit in diesen vorpolitischen Bereichen unmittelbare politische Wirkungen hatte. Ich sage das auch deshalb, weil mit der späteren Wendung zum Vorrang der Förderung parteipolitischer Initiativen oft gesagt wor- den ist, dass diese Arbeit im vorpolitischen Raum eigentlich sinnlos gewesen sei. Nein, sie war sehr sinnvoll und hat vielfach bedeutende gesellschaftliche Effekte erzielt und Entwicklungen angestoßen.

16 17 täten strahlten auch auf Zielgruppen im Maghreb und in frankofonen afrikanischen Ländern aus. Pionierprojekte Generationen von tunesischen Journalisten, insgesamt etwa 14.000 aus Hörfunk, Fernsehen, Zei- der Aufbauphase tungen und Zeitschriften, sind durch die Medien-Programme der Stiftungspartner gegangen, ferner 3.500 ausländische Journalisten aus 50 afrikanischen und arabischen Ländern. Seit 1990 vermit- telten Konferenzen mit dem Wirtschaftsmagazin Economiste Maghrébin und dem Arabischen In- Die internationale Arbeit der politischen Stiftungen entstand 1962 durch das Angebot des Bun- stitut der Unternehmensleiter IACE einer breiten Öffentlichkeit kritische Analysen zu wirtschafts- desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, im Rahmen des Haushaltstitels „Gesellschafts- und finanzpolitischen Themen. Durch die jahrzehntelange enge Kooperation mit einem breiten Part- politische Bildung“ eigene Projekte der Stiftungen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Ziel der nerspektrum wurde ein enormes Vertrauenskapital aufgebaut. Bundesregierung war es, durch die Förderung gesellschaftspolitischer Projekte der Stiftungen die Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen in den Einsatzländern günstig zu beeinflussen, Dies hat der Stiftung ermöglicht, nach dem Fall des Diktators Ben Ali im Zuge der Jasmin-Revolution d. h., den Aufbau von Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und pluralistischen Gesellschaften 2011 mit ihren Partnern sofort Reformschritte zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft ein- Die brasilianische Genossenschafts-Akademie in Kooperation mit nationalen Partnern zu unterstützen. Dabei sollten vorrangig politische Parteien, zuleiten. Zwei langjährige Partner der Stiftung haben Schlüsselpositionen im Transitionsprozess „Friedrich Naumann“ in Cascavel betreut Gewerkschaften, Bauern-, Jugend- und Unternehmensverbände, Management in Unternehmen und übernommen: Taïeb Baccouche als Bildungsminister und Sprecher der Übergangsregierung sowie jährlich 140.000 Fortbildungsteilnehmer öffentlicher Verwaltung sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen gefördert werden. Moncef Marzouki als gewählter Übergangspräsident. Verlauf und Entwicklung des Projektes Tunesien zeigen beispielhaft, dass ein sehr langfristiges Engagement in einem Land zur Institutionenbildung Beginn der internationalen Arbeit in verschiedenen Bereichen substanzielle Fortschritte bewirken kann und damit die Nachhaltigkeit Die internationale Arbeit der FNF begann am 1. Juli 1963 mit dem Aufbau der Auslandsabteilung. der Projektarbeit sichert: Alle historischen Partner der Stiftung in Tunesien bestehen heute unab- Das Medien-Ausbildungsinstitut Ali Bach Strategische Zielsetzungen ihrer Projektarbeit waren damals: hängig von unserer Förderung fort. Hamba – das erste Auslandsprojekt der FNF, Tunis, 1964 1. die Bildung und Stärkung verantwortlicher Führungsschichten in Afrika, Asien und Der Start in Lateinamerika Lateinamerika durch fachliche Qualifizierung und Vermittlung liberaler Grundwerte, Auf das Projekt Tunesien folgten 1964 bis 1967 Projekte für wirtschaftliche Führungskräfte in Gua- 2. die Förderung der demokratischen Entwicklung und inneren Stabilität der Partnerländer temala, Peru, Chile und Brasilien. Partner waren vorrangig private Institute für Unternehmensfüh- auf der Grundlage freiheitlicher Ordnungsprinzipien. rung und Managementschulung, Wirtschaftsverbände und Universitäten. Die Programme konzen- trierten sich auf die Vermittlung moderner betriebswirtschaftlicher Konzepte sowie wirtschafts- Programmatisch erfolgte eine Konzentration auf die Aus- und Fortbildung von Führungs- und Nach- und ordnungspolitische Themen. Dabei wurden zahlreiche deutsche und internationale Experten wuchskräften der Publizistik, Wirtschaft, Jugendverbände, Angestellten-Gewerkschaften und öf- als kurzfristige Gastdozenten eingesetzt, u. a. die bekannten Ökonomen F. A. von Hayek, Nobelpreis- fentlichen Verwaltung. Zu Beginn wurden zahlreiche kurzfristige Maßnahmen, d. h. Seminare, träger für Wirtschaftswissenschaften und Gründer des weltweiten liberalen Thinktanks Montpelerin Konferenzen, Informations- und Studienreisen, eingesetzt, um langfristige Projekte unter Einbezie- Society, und Gottfried Haberler, Harvard University. hung von Stiftungsbüros und entsandten Projektleitern anzubahnen. Ab 1969 verlagerte sich der Schwerpunkt dieser Projekte zunehmend auf die Förderung von Ver- Das erste Auslandsprojekt in Tunesien bandsorganisationen und Schulungszentren des Genossenschaftssektors. In Brasilien führte dies Im Frühjahr 1964 konnte das erste institutionelle Auslandsprojekt der FNF in Tunis seine Tätigkeit zum Aufbau von fünf genossenschaftlichen Dienstleistungszentralen in den wichtigsten Landesre- aufnehmen: das Bildungsinstitut Ali Bach Hamba, ein Zentrum zur Aus- und Fortbildung von Jour- gionen und auf Bundesebene. Das brasilianische Genossenschaftswesen befand sich seinerzeit in nalisten, Dokumentaren und gesellschaftlichen Führungskräften, benannt nach einem tunesischen einer tiefen Strukturkrise. Die Partner konnten im Verlauf der 20-jährigen Kooperation mit der Stif- Freiheitskämpfer. Aus diesem erfolgreichen Projekt sind in fast fünf Jahrzehnten der Stiftungsprä- tung eine grundlegende Neuordnung der nationalen Verbandsstrukturen, die Revision des Genos- senz in Tunesien weitere Projekte mit insgesamt 16 Partnerorganisationen in den Bereichen Medien, senschaftsgesetzes und eine wesentliche Stärkung und Dynamisierung ihres Wirtschaftssektors Menschen- und Frauenrechte, Umwelt und Wirtschaft entstanden, darunter ein afrikanisches Fort- bewirken. Die Multiplikatoreffekte waren beträchtlich, denn über die Konsolidierung der Genos- bildungszentrum für Journalisten. Nahezu die Hälfte dieser Partner entwickelte sich erst aus der senschaften wurden 10 Prozent der Bevölkerung erreicht. Als Zeichen der Dankbarkeit für den in- Arbeit der Stiftung heraus, darunter alle Organisationen im Medien- und Umweltbereich. Die Aktivi- tensiven Einsatz der FNF wurde die 1989 gemeinsam errichtete Akademie der Genossenschaften in

18 19 Cascavel, Bundesstaat Paraná, nach Friedrich Naumann benannt. Sie verzeichnete 2012 (20 Jahre nach der Projektübergabe) mehr als 5.000 Fortbildungen mit 140.000 Teilnehmern.

Das Jahr des Durchbruchs Ab 1968 gelang der Stiftung eine erhebliche Ausweitung ihrer internationalen Arbeit mit Neupro- jekten in Indonesien (Institut für gesellschaftliche Führungskräfte), Indien (Akademie für staats- bürgerliche Erziehung), Dahomey (Gewerkschaftsakademie), Ghana (Jugendleiter-Schulungs- zentrum), Zaire (Institut für öffentliche Verwaltung), Marokko (Journalistenausbildung an der Uni- versität Rabat) und Kolumbien (politische Erwachsenenbildung).

Der Auftakt in Asien Das erste institutionelle Projekt in Asien begann Ende 1968 in Indonesien mit dem Aufbau der In- Einweihung des Bildungszentrums der dustrie- und Handelskammer in Bandung, West-Java. Im Juli 1970 gelang die Gründung einer Ge- Sarvodaya-Bewegung durch Bundesminister sellschaft für Wirtschafts- und Sozialforschung unter Beteiligung der bisherigen Partner, mit dem Dr. Otto Graf Lambsdorff, Sri Lanka, 1978 Ziel, ein umfassendes Programm zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und Mo- dernisierung Indonesiens aufzubauen. Die 40 Gründer gehörten der wissenschaftlichen und admi- 1 2 nistrativen Elite des Landes an, darunter drei Bundesminister. Vorsitzender war Handelsminister Soemitro Djodjohadikusumo, sicher der fortschrittlichste und demokratischste Vertreter im Kabinett von Staatspräsident Suharto. Das gemeinsam mit diesem Partner 1971 errichtete Institut für wirt- schaftliche und soziale Forschung, Erziehung und Information (LP3ES) hat sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer überaus erfolgreichen und hoch angesehenen Institution entwickelt. Das Pro- gramm umfasst bis heute Wirtschafts- und Sozialforschung, Aus- und Fortbildung von Studenten und gesellschaftlichen Führungskräften, eine wissenschaftliche Dokumentationsstelle, die Heraus- gabe der landesweit führenden Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialpolitik „Prisma“ mit 150.000 Exemplaren monatlich, die Erstellung und Übersetzung von Lehrbüchern für Wirtschafts- und So- zialwissenschaften an Universitäten sowie den Aufbau privater Radiosender mit Hörerclubs. Das Institut hat als Herausgeber wissenschaftlicher Arbeiten indonesischer Autoren hohen Rang und ist als Dienstleistungszentrum für entwicklungspolitische Programme und sozioökonomische Studien bekannt. Auftraggeber sind vor allem internationale Organisationen und indonesische Ministerien. Ein besonderer Schwerpunkt war die Förderung der Kleinindustrie und Managementberatung von Kleinunternehmen über Handwerkervereinigungen. Der Partner ist seit Jahrzehnten wirtschaftlich selbstständig. 3 4

Die ersten Projekte in Subsahara-Afrika Die Projektarbeit in Subsahara-Afrika begann 1964 mit einem Bildungsprogramm für Führungskräfte der Angestellten-Gewerkschaften in frankofonen und anglofonen Ländern. Kooperationspartner 1. Eröffnung der Genossenschaftsakademie „Friedrich Naumann“ durch den Gouverneur des Bundesstaates Paraná und den Präsidenten der OCEPAR, 1989 waren die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und der Internationale Bund der Privatan- 2. Fortschrittskontrolle im FNF-Projekt „Informationssystem für agrarpolitische Analyse der Provinz Heilongjang“, Harbin, 1989 gestellten (mit Sitz in Genf). Parallel dazu wurde ein Bildungsprogramm für Jugendleiter und Stu- 3. Einweihung des 1972 gegründeten Partnerinstituts LP3ES durch Außenminister Dr. Adam Malik, Indonesien (Mitte), und Dr. Otto Graf Lambsdorff, Jakarta, 1977 dentenführer aus allen Regionen Afrikas in Kooperation mit der World Assembly of Youth (Brüssel) 4. Einweihung des Nationalen Jugendausbildungszentrums durch Staatspräsident Tolbert (Bildmitte) und mehrere Minister, Bentol, Liberia, 1978

20 21 durchgeführt. Die regionalen Konferenzen und Seminare in Afrika, kombiniert mit Studienreisen in mehrstündigen Wartezeiten. Die Stiftungsbüros waren konfrontiert mit Problemen der lokalen In- die Bundesrepublik, führten zur Anbahnung enger Kontakte mit potenziellen afrikanischen Partnern. frastruktur, zeitaufwendigen Prozeduren im Umgang mit örtlichen Bürokratien sowie Komplikatio- nen durch restriktive Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen. Probleme bei der Auswahl Das erste institutionelle Projekt südlich der Sahara konnte Ende 1968 in Dahomey, Westafrika (heute und Führung des Projektpersonals, kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren und Konflikte im Um- Benin), seine Arbeit aufnehmen. Mit dem Nationalen Institut für gewerkschaftliche Erziehung INEOD gang mit den Partnern sowie das Wissen um die ständige Überwachung aller Stiftungsaktivitäten wurde eine Akademie zur Ausbildung gewerkschaftlicher Führungskräfte errichtet. Die bildungspo- durch Geheimdienste, Staatspolizei oder Sicherheitsorgane stellten hohe Anforderungen. Die Leis- litische Arbeit auf Gewerkschaftsebene wurde 1972 auf Jugend- und Frauenverbände sowie die tungen der ersten Projektleiter als gesellschaftspolitische Berater, Organisatoren und sprachge- fachliche Fortbildung von Wirtschafts- und Verwaltungskadern erweitert. Die Akademie hat bereits wandte Diplomaten waren eindrucksvoll. Sie haben die Hauptlasten der schwierigen Aufbaujahre in der Anlaufphase ihren Aktionsradius auf Togo, Obervolta und Niger ausgedehnt. getragen, häufig unter ungünstigen politischen Rahmenbedingungen und großem persönlichen Ein- satz mit diversen Risikofaktoren. Das zweite institutionelle Projekt in Afrika startete 1971 in Ghana. In Kooperation mit dem Ghana National Youth Council und dem Ministry for Social Welfare and Youth entstand das Jugendleiter- Schulungszentrum Afienya. Im Rahmen neunmonatiger Lehrgänge wurden die Fachgebiete Land- Ismid Hadad Direktor des Partnerinstituts für wirtschaft, Holz- und Metallarbeit sowie Hauswirtschaft unterrichtet. Die Absolventen wurden in wirtschaftliche und soziale Forschung, ihren eigenen Dörfern, Organisationen des Community Development oder der Jugendarbeit einge- Erziehung und Information (LP3ES) setzt. Ergänzend fanden kürzere Lehrgänge für die Mitgliederverbände des Ghana National Youth in Jakarta von 1975 bis 1980, Council statt. Das Programmangebot konnte auch von Teilnehmern aus der Region Westafrika ge- heute Berater des Innenministers, Indonesien nutzt werden. „Indonesien war in der Frühphase des Über- gangs vom autokratischen Sukarno-Regime Bilanz nach zehn Jahren internationaler Arbeit zum Militärregime von Suharto, als das Insti- Die Aufbauphase der internationalen Arbeit gestaltete sich mangels eigener Erfahrungen der Stif- tut LP3ES 1970 mithilfe der FNF etabliert wurde. Es waren die Studentenaktivisten, die tung in Entwicklungsländern und aufgrund der geringen Zahl qualifizierter Fachkräfte mit Länder- halfen, das Regime der ‚alten Ordnung‘ zu und Sprachkompetenzen in Deutschland als überaus schwieriger Such- und Lernprozess. Probleme stürzen und die dann den Aufbau des Insti- bei der Partnerwahl konnten häufig erst nach mehreren Jahren überwunden werden. In einigen Fäl- tutes LP3ES als unabhängige und alternative len wurden neue Organisationen geschaffen, weil im Einsatzland keine geeigneten Partner exis- zivilgesellschaftliche Institution initiierten, um ein Gegengewicht zur wachsenden Rolle tierten. Daher bestand seitens der Stiftung auch eine Tendenz zur Übertragung des in Tunesien der Militärs und zu den autokratischen Ten- erfolgreichen Projektmodells für mehrere Zielgruppen auf andere Länder und Kontinente trotz un- denzen des gerade etablierten Regimes der terschiedlicher gesellschaftlicher Bedingungen. ‚neuen Ordnung‘ von General Suharto zu schaffen.“ Am Ende der zehnjährigen Aufbauphase gelang 1972 ein weiterer Ausbau des internationalen En- gagements durch Neuprojekte in Sri Lanka (sozialwissenschaftliche Forschung/ländliche Entwick- lung), Malaysia (Gewerkschaftsausbildung) und Mexiko (ländliche Entwicklung). Die FNF verfügte damit über 35 Auslandsmitarbeiter in 16 Projekten und 13 Entwicklungsländern (fünf davon in Afrika, je vier in Asien und Lateinamerika).

Die Rolle der Projektleiter Die Projektleiter der Aufbauphase waren weitgehend auf sich allein gestellte Pioniere. Korrespon- denz mit der Stiftung erfolgte aus Sicherheitsgründen nur einmal wöchentlich auf dem Kurierweg über die deutschen Botschaften. Telefonate nach Deutschland gab es nur sporadisch und oft mit

22 23 Südliche Mittelmeerländer Regionale Schwerpunkte (Naher und Mittlerer Osten) Die Anrainerstaaten des südlichen Mittelmeers sind in einem über Jahrtausende gewachsenen Le- und Projektentwicklungen bens- und Handelsraum geografisch vereint und bilden einen einzigartigen Kulturraum, von dem die drei monotheistischen Weltreligionen ihren Ausgang nahmen. Die Beherrschung dieser strate- gisch wichtigen Region war das begehrte Ziel vieler Imperien in ihrem Streben nach universeller Macht und durchzieht die Geschichte von der Antike bis zur Befreiung vom Joch des Kolonialismus in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Zwar war die erkämpfte Unabhängigkeit in vielen der neuen Nationalstaaten mit der Idee von Freiheit und Demokratie verbunden, allerdings in der Rea- lität oft geprägt durch neue Unterdrückung und die Diktatur der eigenen Eliten.

Institut Ali Bach Hamba – das erste Projekt im Ausland Der bereits im Jahre 1962 gefasste grundsätzliche Beschluss der Stiftungsgremien, an der öffentlich geförderten gesellschaftspolitischen Bildung für Entwicklungsländer mitzuwirken, wurde am 15. März 1963 bekräftigt und mit der Planung des Institut Ali Bach Hamba in Tunesien in gemeinsamer Trä- gerschaft mit der Ecole Nationale d’Administration und dem Institut de Presse et des Sciences d’Information in die Praxis umgesetzt. Mehrere durch die Stiftung geförderte deutsch-tunesische Studententreffen in Deutschland waren dem bereits vorausgegangen. Dies half, die ersten und Einweihung des Genossenschaftsprojektes im schwierigen Verhandlungen zur Gründung und zum Aufbau dieses Bildungs- und Ausbildungszen- Gouvernorat Ismaïlia, Ägypten, 1979 trums so abzuschließen, dass vier entsandte Mitarbeiter der Stiftung im März 1964 ihre Arbeit in Tunis an dem Institut aufnehmen konnten, das nach dem türkischstämmigen tunesischen Unab- hängigkeitskämpfer Ali Bach Hamba (1876 bis 1918) benannt worden war. Ziel war die Fortbildung mittlerer und gehobener Führungskräfte aus der Wirtschaft, aus Verbänden, aus den Gewerkschaften und aus der staatlichen Verwaltung. Für die Berufsgruppe Journalismus in Text, Bild und Ton stand die fachliche Qualifizierung und Weiterbildung durch Lehrveranstaltungen, Seminare und Sachleis- tungen wie moderne Ausrüstung und technische Einrichtungen im Vordergrund.

Unterstützung für Freiheit und Selbstbestimmung Die entwicklungs- und gesellschaftspolitischen Grundüberlegungen des ersten Stiftungsprojektes im Ausland, mit der Perspektive eines späteren regionalen Ausgreifens, fußten auf der liberalen Tra- dition der Verwirklichung persönlicher Freiheit, nationaler Selbstbestimmung und sozialer Gerech- tigkeit. Die Gräben zwischen Nord und Süd sollten überwunden, industrielle Entwicklungsmodelle jedoch nicht unreflektiert übernommen und die inneren Spannungen nicht gewaltsam, sondern im gesellschaftlichen Dialog gelöst werden. In der Rückwirkung auf Deutschland bedeutete dies, die Iraker diskutieren die Menschenrechts- Kenntnis fremder Kulturen mit Respekt vor ihnen zu verbinden und in der Vielfalt der Religionen bestimmungen ihres Verfassungsentwurfes, und Werte der Völker einen großen Nutzen zu sehen. Die Frage nach der selbstständigen Gestal- 2005

24 25 tungsmöglichkeit persönlicher Freiheit wurde dabei immer an den Wertmaßstäben und Lebensfor- men der jeweiligen Gesellschaft gemessen, was häufig eine schwierige Gratwanderung war.

Meinungsbildung und Massenmedien Im Mittelpunkt solcher Ansprüche an eine entwicklungspolitische Beteiligung der Stiftung standen die Massenmedien. In der Überzeugung, dass nur ein freier Journalismus in der Lage ist, auch eine freie Meinungsbildung zu ermöglichen, zielte die Stiftungsarbeit deshalb auf die Aus- und Fortbil- dung von Journalisten der gedruckten Presse sowie der Hörfunk- und Fernsehprogramme. Nach dem liberalen Politikverständnis der Stiftung mussten die Bevölkerungen mit politisch freien und pluralistischen Kommentaren versorgt werden, damit sie nicht den einseitig autoritär gesteuerten Informationen der Regierungsapparate ausgeliefert waren. Herstellung eines Lehrfilms im Medienprojekt, Jordanien, 1978 Die Stiftungsarbeit im Vorteil Das war leichter formuliert als in die Praxis umgesetzt, da eine Projektarbeit ohne Zustimmung der Regierungen, ohne zeitlich befristetes Rahmen- oder Projektabkommen mit einer staatlichen Be- hörde, ausgeschlossen war. Dies galt, obwohl die Stiftung mit ihrer Förderung durch den Deutschen 1 2 Bundestag zwar nicht im Regierungsauftrag, aber doch im öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland handelte. Hier war diplomatisches Geschick ebenso erforderlich wie die Unabhängigkeit des Stiftungshandelns als Nichtregierungsorganisation (NGO). In der Ungebundenheit von Weisun- gen heimischer staatlicher Stellen drückte sich eine hohe Flexibilität und Freiheit zur Auswahl von Kooperationspartnern in den Gastländern aus. Genau darin lag der spezifische Vorteil der politischen Stiftungen im Vergleich zu staatlichen Akteuren. Der Umgang mit Genehmigungs- und Überwa- chungsbehörden in den Entwicklungsländern einerseits und den eigenen Ansprüchen an die Pro- jektarbeit im südlichen Mittelmeerraum andererseits war oft eine schwierige Gratwanderung. Sie ist es in den folgenden Jahrzehnten mit unterschiedlichen Ausformungen dort und anderswo auch geblieben, allerdings zum Nutzen einer politisch freien und fachlich qualifizierten Arbeit für und mit Stiftungspartnern.

Leuchttürme mit Ausstrahlung in den Maghreb und das frankofone Afrika Blogger-Workshop, Kairo, 2010 Das Institut Ali Bach Hamba in Tunis strahlte auf den gesamten Maghreb und auf die frankofonen Länder Afrikas aus. Im Jahre 1969 rief die Stiftung deshalb in Marokko am Centre de Formation des Journalistes ein weiteres Projekt der Qualifizierung von Journalisten ins Leben. Erste Kontakte 3 4 zu Algerien wurden im Rahmen einer Konferenz in Algier 1971 geknüpft. Ab dem Jahr 1983 erwei- terte sich das Einzugsgebiet der Fortbildungsmaßnahmen für Journalisten dann noch einmal durch die Zusammenarbeit mit dem Centre Africain de Recyclage des Journalistes et des Communicateurs (CARJC). Die drei- bis zehntägigen Kurse sowie Studienreisen für die Fortbildung von Dozenten 1. Die erste Irak-Konferenz der FNF, 2005 standen Teilnehmern aus dem ganzen frankofonen Afrika zur Verfügung. Tausende Journalisten, 2. Tagung des Economic Freedom Network of the Arab World, Kairo, 2013 Führungskräfte und Meinungsträger aus der Region und weit darüber hinaus durchliefen diese fach- 3. Von der Stiftung ausgebildete Wahlbeobachter vor den ersten freien Wahlen in Tunesien nach Jahrzehnten, Tunis, 2011 lichen Ausbildungsprogramme und erhielten technische Ausstattungshilfen. Dadurch waren enge 4. Arabische Politiker diskutieren über die Rolle der liberalen Oppositionsparteien, Kairo, 2008

26 27 Verbindungen zwischen zunehmend gestärkten demokratischen Kräften des südlichen Mittelmeer- Israelisch-arabische Projekte raumes und einem ebenfalls gewachsenen liberalen Netzwerk entstanden. Der erste tunesische Fantasievoll und effizient gestalteten sich die Demokratie- und Toleranzschulungen des Haifa Mu- Staatspräsident Bourguiba zum Beispiel galt seit seiner Amtsübernahme nach der erkämpften Un- nicipal Theatre, eines israelisch-arabischen Theaterensembles unter Leitung von Noam Semel, das abhängigkeit von Frankreich im Jahre 1956 wegen der Säkularisierung des Rechtssystems und des mit kurzen, aber lehrreichen Stücken durch die Dörfer und über die Marktplätze zog. Das Ensemble Bruchs mit islamischen Traditionen international lange Zeit als Leuchtturm von Aufklärung und de- reüssierte im Jahre 1984 in New York und Washington D.C. im Rahmen des Dialogprogramms der mokratischer Reform. Gemeinsam mit den jungen Führungseliten Ägyptens und Marokkos gehörte Stiftung mit der Aufführung des Stückes „Ghetto“ von Sobol und anschließender erregter Diskussion Bourguiba zu den wichtigen Meinungsbildnern einer aufsteigenden modernen islamischen Welt. mit dem Publikum vor ausverkauften Häusern. Die Stiftung für die Freiheit unterhielt ihr Büro als einzige der politischen Stiftungen im Ostteil Jerusalems und bot ebenfalls als einzige Stiftung ab Erweiterungen nach der ersten Dekade im Ausland dem Jahr 1994 Schulungsprogramme für Unternehmer in den besetzten palästinensischen Gebieten Konferenz des Arab Liberal Network Im Laufe der ersten Dekade der gesellschaftspolitischen Arbeit im Ausland war das Volumen auf sowie Organisationsberatung für palästinensische Verbände an. In dem Bemühen um einen Beitrag „Liberalisierung in der Arabischen Welt“, über 20 langfristig angelegte Projekte in fast ebenso vielen Ländern bei einem Budget von 11 Mil- zum Frieden wurde ein israelisch-palästinensischer Historikerdialog eingerichtet. Viele demokrati- Casablanca, 2007 lionen DM angewachsen. Der Vorstand der Stiftung beschloss 1973 eine neue Positionsbestimmung sche Entwicklungen hatten verdeutlicht, dass der Schlüssel für eine friedvolle gemeinsame Zukunft für die Tätigkeit in Entwicklungsländern. Die drei neuen Schwerpunkte waren erstens der Bildungs- von zerstrittenen Nachbarn in der Aufarbeitung der Vergangenheit lag, was bei den Friedensver- bereich für Massenmedien, Dokumentation und Zivilgesellschaft, zweitens der Jugendbereich mit handlungen zumeist ausgeblendet wurde. Andere Kooperationspartner wie das Dr. Förder-Institut Prof. Dr. Erdal Tuerkkan Vorsitzender der Turkish Competition Programmen zur Befähigung der Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben und schließlich in Tel Aviv, das Adam-Institut in Jerusalem, das Institut für Forschung und Erziehung (Forum der Association (TAC), Türkei ein sozioökonomischer Bereich mit dem Aufbau von Selbsthilfeorganisationen und Genossenschaften. Mitte) und die Universität Haifa, um nur einige zu nennen, veranstalteten Seminare zur israelischen Politik im regionalen Kontext und zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen. Großen Zuspruch „Ich betrachte die FNF als exemplarische Ausdehnung in den Nahen Osten, neuer Standort Jerusalem fanden öffentliche Podiumsdiskussionen zum besseren Verständnis zwischen Israelis und Arabern. Nichtregierungsorganisation mit hoher Effi- zienz. Der wichtigste Faktor, der dies ermög- Nicht zuletzt unter dem Eindruck des Jom-Kippur-Krieges zwischen Ägypten und Syrien einerseits Über Jahrzehnte war es Dr. Otto Graf Lambsdorff, dessen international anerkannte liberale Stimme licht, ist der effektive und wichtige Beitrag und Israel andererseits im Jahre 1973 wurden Sondierungen für Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei vielen Veranstaltungen auch in Israel und der Region ein weithin gehörtes Echo hervorrief und als Anwalt liberaler und demokratischer im arabischen Raum, insbesondere in Jordanien, im Irak, Libanon, in Syrien, Ägypten sowie Israel damit die hoch anerkannte Friedenspolitik Hans-Dietrich Genschers unterstützte. Werte. Dadurch fördert die Stiftung die Ver- unternommen. Im Jahre 1978 startete die Stiftung ein Medienprojekt in Ägypten mit der Fakultät wirklichung einer nachhaltigen Verbesserung von Wohlfahrt, Frieden und stabilen Bedin- für Massenmedien der Universität in Kairo, das 1988 auslief. Ein landwirtschaftliches Genossen- Das starke Land Türkei gungen auf globaler Ebene. Als Ökonom schaftsprojekt mit der General Cooperative Union (GCU), dem Dachverband der Genossenschaften Die Republik Türkei, Nachfolgerin des Osmanischen Reiches und nicht allein geografische Brücke möchte ich hinzufügen: Der soziale und und der Central Agricultural Cooperative Society (CACS) in Ismailia folgte 1980. Das Büro in Israel zwischen Okzident und Orient, ist mit ihrer militärischen Bedeutung als NATO-Mitglied seit 1952 globale Grenznutzen der Stiftungsaktivitäten mit Sitz in Jerusalem wurde in Kooperation mit der liberalen -Partei im Jahre 1983 einge- sowie ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung als Beitrittskandidat der Europäischen Union war immer substanziell höher als ihre Grenz- kosten und globalen Kosten.“ richtet, nachdem die School for Freedom bereits im Jahre 1967 eine internationale Konferenz in seit 1999 ein besonders wichtiges Land unter den Mittelmeerländern des Nahen Ostens. Als die Israel durchgeführt hatte. Intensiviert wurde der politische Dialog durch eine herausragende Schrift- Stiftung im Jahre 2001 ihr zehnjähriges Jubiläum in Ankara und Istanbul beging, konnte sie auf ein Dr. Issam Suleiman stellerkonferenz 1985 in Haifa, an der auf deutscher Seite u. a. der Organisator Peter Finkelgrün, breit gefächertes Spektrum von Partnerorganisationen blicken. Dieses reichte von der Zusammen- Präsident des Verfassungsrates, ehemaliger Rechtsprofessor der Stefan Heym, Horst Krüger und Henryk Broder, auf israelischer Seite Shulamit Lapid, Yehoshua Sobol arbeit mit der Liberal Demokrat Parti und der Ari-Bewegung junger Führungskräfte zur Förderung Lebanese University Libanon und Josef Lapid teilgenommen hatten. An der Spitze der Partner in Israel stand Amnon Rubinstein, von Demokratie und Marktwirtschaft über Fachberatungen der Union der Stadtparlamente der Pro- Gründer der säkularen, vornehmlich aus antiklerikalen Intellektuellen und Wirtschaftskreisen be- vinz Antalya bis zu renommierten Thinktanks an staatlichen und privaten Hochschulen sowie Ge- „Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat mit stehenden Shinui-Partei, selbst Patron der Liberal International, siebenmal in die Knesset gewählt nossenschaftsprojekten zur Unterstützung der Kleinindustrie im ländlichen Raum. Die Metropole ihrer Tätigkeit den Respekt für die politi- schen Grundrechte gestärkt, sowohl rechtlich und viermal Minister in der Regierung. Besondere Bedeutung erlangte Rubinstein als Erziehungs- Istanbul wurde immer stärker zu dem alles antreibenden Motor moderner Entwicklungen in der als auch in der politischen Wahrnehmung. minister mit seinen Programmen zur Öffnung des israelischen Schul- und Ausbildungssystems für die Türkei. Hier wurden und werden Entscheidungen vorbereitet und getroffen, in der Hauptstadt Ankara Ich hatte die Ehre, mit der Stiftung bei der arabischen, muslimischen und christlichen Israelis. Rubinstein gehört zu den wenigen Menschen, die hingegen verwaltet. Die Stiftung verlegte deshalb ihr Büro im Jahre 2002 nach Istanbul. Gezielte Förderung der Vereinigungs- und Versamm- ihren eigenen Nachruf mit steigendem Vergnügen vom Krankenbett im Fernsehen verfolgen konn- Fehlinformationen, die sich gegen die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen richteten, führten lungsfreiheit zu kooperieren, wie auch bei der Weiterentwicklung des Wahlprozesses ten: Knesset-Sprecher Avraham Burg war im Jahre 2000 einer Fehlinformation erlegen und hatte zu einem Prozess, in dem vier deutsche Stiftungen wegen Spionage für Deutschland angeklagt wur- entlang demokratischer Prinzipien.“ voreilig eine Trauerrede für Rubinstein im Parlament gehalten, die im Fernsehen gesendet worden war. den. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Das türkische Staatssicherheitsgericht wurde im Jahre 2004 im Zuge von Verfassungsänderungen abgeschafft. 28 29 Mashrek und die arabische Welt Zum Ende des Jahres 2012 konnte in Kairo ein Abkommen zwischen der ägyptischen Regierung und Bemerkenswert hatte sich die Arbeit des seit 1981 bestehenden Büros in Jordanien mit Ausstrahlung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zur Förderung Jugendlicher durch Bildungspro- in den Mashrek und weit in die arabische Welt hinein entwickelt. Die Produkte eines Ausbildungs- gramme mit dem Fokus auf Menschenrechte, Pluralismus und Toleranz sowie Bürgerverantwortung programms für Fernsehjournalisten fanden ihren Weg in die offiziellen Sendungen. Im Libanon und zivilgesellschaftliches Engagement unterschrieben werden. Es war das erste Abkommen dieser wurde mit der gleichnamigen Stiftung des ermordeten ehemaligen Präsidenten Moawad ein Bil- Art mit einer ausländischen politischen Stiftung seit Antritt der neuen ägyptischen Regierung. Die dungsprogramm gefördert. Die Europäische Union unterstützte ein erstes Großprojekt der Stiftung wichtige politische Netzwerkarbeit findet ihren Ausdruck im Network of Arab , das sich in- und ihrer arabischen Partner (Bunian I + II), das von Amman aus den zivilgesellschaftlichen Aufbau zwischen zur Arab Alliance for Freedom and Democracy entwickelt hat. und liberale Netzwerkarbeit in den Libanon, nach Syrien, Palästina sowie Ägypten förderte. In einer zweiten Phase kamen die Maghreb-Staaten und der Jemen sowie die Themen gute Regierungsfüh- Tief greifende Analysen des Phänomens der arabischen Revolution konnten wichtige Aspekte dieses rung und Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen hinzu. Mithilfe intensiver Stiftungsbera- Teils der Geschichte im Rahmen einer Konferenz mit der International Crisis Group (ICG) aufarbeiten. tung entwickelte die Young Entrepreneurs Association (YEA) von Amman aus Trainingsprogramme Dennoch verheißen die aktuellen Ereignisse in der Region des Nahen Ostens und des südlichen Mit- zu wichtigen wirtschaftsliberalen Themen wie den Wettbewerbsgesetzen, der Privatisierung, der telmeerraumes eine ungewisse Zukunft, zugleich aber auch die Hoffnung auf die Fortsetzung einer WTO und offenen Märkten. Über ein Dutzend Verbände von Jungunternehmern aus zehn arabischen demokratischen Entwicklung, die vor allem eines braucht: Unterstützung, Augenmaß und Zeit. Ländern schlossen sich als Stiftungspartner der gemeinsamen Plattform Arab Forum for Young Entrepreneur Associations mit dem Ziel eines Beitrags zur wirtschaftlichen Liberalisierung der ara- Taher Al-Masri Präsident des Senates, ehemaliger Minister- bischen Welt an. Von Amman aus wurden politische Kontakte in den Irak und nach Syrien geknüpft. präsident und Kabinettsmitglied des Abgeordnete des irakischen Parlaments in Bagdad kamen unter schwierigen Umständen im Jahre Subsahara-Afrika Haschemitischen Königreiches Jordanien 2004 auf Einladung der Stiftung nach Brüssel und Berlin, um die politische Situation nach dem Sturz Saddam Husseins zu bewerten. Politische und regionale Ansatzpunkte „Für mehr als fünf Dekaden hat die FNF durch ihre zahlreichen Aktivitäten weltweit Von der Unabhängigkeit der afrikanischen Nationalstaaten bis zum Ende des Ost-West-Konfliktes dazu beigetragen, demokratische Prinzipien Ägypten und der „Arabische Frühling“ dominierten in Subsahara-Afrika autoritäre politische Systeme, zumeist Militärdiktaturen und Ein- und Werte zu fördern, die im Interesse aller Auf die unerwarteten politischen Entwicklungen, die mit dem Begriff „Arabischer Frühling“ be- Parteien-Regime. Etwa 130 Militärputsche in diesem Zeitraum belegen die hohe Instabilität der Völker sind. Es besteht kein Zweifel, dass ihre schrieben wurden, reagierte die Stiftung mit einer umfassenden Erweiterung des Engagements und nachkolonialen Regierungen. Die Folgen langjähriger Kolonialherrschaft, Unterdrückung und Dis- Initiativen im Bereich der staatsbürgerlichen Bildung – durch Seminare, Konferenzen und einer verstärkten personellen Präsenz in der Region. Der jahreszeitliche Begriff beschreibt tief grei- kriminierung erschwerten nach der Unabhängigkeit der jungen Staaten den raschen Aufbau trag- Publikationen – sichtbare Auswirkungen ge- fende Transformationsprozesse der arabischen Gesellschaften allerdings nur unzureichend. Im Früh- fähiger politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen. Diese Situation änderte sich habt haben. Aus liberaler Perspektive ist Bil- jahr 2011 wurde am Ort der ersten Stiftungstätigkeit im Ausland, in Tunis, das Büro mit einem mit Beginn der 90er-Jahre. Seitdem war die Entwicklung differenzierter: Heute bestehen in Subsa- dung ein Anker und grundlegendes Programm wiederbelebt, das sich sowohl der Qualifizierung von Journalisten als auch der Ausbildung hara-Afrika neun liberale Demokratien, 21 eingeschränkt demokratische Regime (mit reduzierten Erfordernis für eine funktionierende Demo- kratie. Ich war persönlich involviert in einige von Wahlbeobachtern und der Netzwerkarbeit in der Region, mit Auswirkungen bis Brüssel und Bürger- und Freiheitsrechten) und 19 autoritäre Regime, die jedoch fast alle Mehrparteiensysteme Bestrebungen der Stiftung, die sich für mich Berlin, widmete. Die Stiftungsrepräsentanzen für den Maghreb sind seit 2004 in Rabat und Algier und Wahlen zulassen. Die FNF hat sich in der Region seit 1964 engagiert, in der Aufbauphase mit und andere als von großem Wert erwiesen. und wurden zunächst mit einem Menschenrechtsprojekt, einem Programm zur Stärkung der Frau- Projekten zur Aus- und Fortbildung von Führungskräften der Angestellten-Gewerkschaften, Jugend- Die großen Anstrengungen, die von der Stif- enrechte sowie einem Förderprojekt für kleine und mittlere Unternehmen betraut. Das Regionalbüro verbände, Medien, Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung. Ab Mitte der 80er-Jahre entstanden tung unternommen wurden, verdienen Lob und Anerkennung, denn vom Eifer der Stif- in Kairo, von wo aus die Stiftung ihre Arbeit in den südlichen Mittelmeerländern und im Nahen Vorhaben zur Förderung des Rechtsstaates und der Menschenrechte sowie der politischen Bildung tung hat die ganze Weltgemeinschaft profi- Osten seit 1991 steuert, erhielt zusätzliche Unterstützung. Aus dem Prozess der politischen Um- mit liberalen Parteien, Thinktanks und Forschungsinstituten auf nationaler und regionaler Ebene. tiert durch Stärkung individueller Freiheit, wälzungen war eine Vielzahl von Initiativen hervorgegangen, denen durch Kurse zu den modernen des Rechtes auf Wissen und Partizipation. sozialen Medien bzw. ihrem strategischen Einsatz als Instrumente der Demokratieentwicklung ge- Pionierprojekte der Aufbauphase Ich bringe meine Wertschätzung für diejeni- gen zum Ausdruck, die hinter den Anstren- holfen werden konnte. Auch in Libyen fanden nach dem Sturz der Diktatur erste Schulungen und Die Projektarbeit in Subsahara-Afrika begann 1964 durch regionale Konferenzen und Seminare für Die historische Dialog-Konferenz zu gungen der Stiftung stehen.“ Bildungsprogramme für Journalisten statt. Führungskräfte der Angestellten-Gewerkschaften in frankofonen und anglofonen Ländern. Daraus Post-Apartheid-Szenarien in Südafrika entwickelte sich 1968 das erste institutionelle Projekt im damaligen Dahomey (heute Benin): der zwischen IDASA und dem African National Congress auf der Insel Gorée vor Dakar, Aufbau des Schulungszentrums für gewerkschaftliche Führungskräfte INEOD, in Kooperation mit Senegal, 1987

30 31 vier Zentralverbänden der Angestellten-Gewerkschaften. Ab 1975 entstand ein weiteres Ausbil- fördern, medienpolitische Themen aufzugreifen, Programmberatungen durchzuführen oder Probleme dungszentrum in Togo mit dem Dachverband der Angestellten-Gewerkschaften CNTT. Diese Projekte der Wirtschafts- und Ordnungspolitik in den Medien zu diskutieren. In Simbabwe förderte die Stif- führten 1979 zu einem kontinentalen Schulungsprogramm für 71 Mitgliedsverbände der Organi- tung zudem den Wiederaufbau der Redaktion des Verlages Mambo Press und der Wochenzeitung zation of African Trade Union Unity (OATUU), der einzigen panafrikanischen Gewerkschaftsorgani- MOTO, die nach der Unabhängigkeit 1980 kurz vor den Wahlen durch Sprengstoffanschläge zerstört sation, in der alle nationalen Dachverbände vertreten waren. worden waren. Insgesamt haben die Medienprojekte den politischen Diskurs und die ideologiekri- tische Reflexion in autokratischen Systemen der Region erkennbar beeinflusst, ihre tief greifenden Selbsthilfeprojekte als Motor wirtschaftlicher Entwicklung Wirkungen aber vor allem langfristig entfaltet. Im Bereich der Selbsthilfeorganisationen konzentrierten sich die Projektansätze auf die Förderung der ländlichen Entwicklung und gewerblichen Wirtschaft. Partner waren in den 70er-Jahren land- Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechte wirtschaftliche Ausbildungszentren für jugendliche Führungskräfte in Ghana und Liberia. In Burkina Die ersten Vorhaben zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen und Durchsetzung von Menschen- Faso erfolgte eine Regierungsberatung bei der Entwicklung und Umsetzung der Förderungskonzep- und Bürgerrechten entstanden 1984 in Südafrika, Namibia und Simbabwe in Kooperation mit pri- Internationales Gewerkschaftsseminar mit dem Dachverband der Gewerkschaften CNTT tion für das Genossenschafts- und Agrarkreditwesen des Ministeriums für ländliche Entwicklung. vaten Menschenrechtsinitiativen, die benachteiligten und diskriminierten Menschen juristischen in Lomé, Togo, 1982 Ab Mitte der 80er-Jahre verlagerte sich der Fokus der Projektarbeit auf die Förderung der gewerb- Beistand leisteten. Rechtsberatung und -hilfe erfolgten vorwiegend durch angelernte Rechtsberater. Dr. Helen Kijo-Bisimba lichen Wirtschaft durch Neuprojekte in 15 Ländern mit 32 Partnerorganisationen: Industrie- und Die Mitarbeiter der Beratungszentren wurden juristisch, pädagogisch und administrativ weiterge- Leiterin des Sekretariates Southern African Legal Assistance Network (SALAN) Handelskammern, Arbeitgeberverbänden, Handwerkskammern, Industrieverbänden, Vereinigungen bildet sowie durch Ausarbeitung von Handbüchern und Arbeitsmaterialien unterstützt, um eine von Kleinunternehmen, Berufsverbänden, Management- und Beratungsinstituten, Verbänden von Professionalisierung zu bewirken. Ab 1990 folgte eine erhebliche Expansion durch Neuprojekte in „Wie immer begegnet unsere Region südliches Unternehmerinnen und des informellen Sektors. Dabei wurde jeweils ein dreistufiger Ansatz prak- 19 Ländern mit 33 Partnern: Menschenrechtskommissionen, Verfassungsorganen, Forschungszen- Afrika neuen Herausforderungen. Während tiziert: exemplarische Kleingewerbeförderung, Stärkung der Autonomie und Managementkapazi- tren, Rechtsfakultäten, Aktionen zur Abschaffung der Folter, Interessenvertretungen von politischen wir weiter mit den alten Herausforderungen leben, wächst das Problem der Landfrage, ver- täten der Verbände und wirtschaftspolitische Beratung zur Liberalisierung der Rahmenbedingungen. Häftlingen und Exilierten sowie mit der Interafrikanischen Union der Menschenrechte. bunden mit Jugendarbeitslosigkeit. Da die Ein intensiver wirtschafts- und ordnungspolitischer Dialog der Partner untereinander erfolgte auf Mehrheit der Bevölkerung in der Region sich regionaler Ebene in Kooperation mit der Economic Community of West African States (ECOWAS) Das Spektrum der Aktivitäten umfasste Verfassungsberatungen, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ihrer Rechte nicht bewusst ist, und diejenigen, und der Association of Eastern and Southern Africa (ARIESA). und der Judikative, Feldstudien, Aufklärungskampagnen, Fortbildungs- und Beratungsprogramme die sie kennen, zu geringe Mittel haben, sol- che Rechte gerichtlich einzuklagen, entsteht sowie Wahlbeobachtungen. Dass aus solchen Projekten auch direkte politische Folgewirkungen ent- der Bedarf zur Vernetzung, um Ressourcen Medien als Instrumente gesellschaftlicher Entwicklung stehen können, zeigte die Berufung von Arthur Chaskalson, Leiter des Partners Legal Resources und Expertise zu teilen. Darum wurde SALAN Schwerpunkt des Engagements in Afrika waren ab Mitte der 70er-Jahre Medienprojekte zur Aus- Foundation, zum Präsidenten des Verfassungsgerichtes (1994 bis 2001) und des Obersten Gerichts- geschaffen, und es bezieht seine Stärke durch und Fortbildung von Journalisten in Sambia, Simbabwe, Namibia, Kongo-Kinshasa, Kongo-Brazza- hofes (2001 bis 2005) von Südafrika. Er wurde damit zu einer Schlüsselfigur in der demokratischen seinen Hauptpartner FNF.“ ville, Ruanda, Burundi und im Sudan, darunter ein Regionalprojekt mit der Wirtschaftsgemeinschaft Transition des Landes. der Großen Seen (CEPGL). Die Stiftung ging bei dieser Akzentsetzung von der wachsenden Bedeu- tung der Massenmedien und der Erwartung aus, dass funktionsfähige Kommunikationssysteme 1994 schlossen sich elf Menschenrechtspartner der FNF aus den Ländern Botswana, Malawi, Leso- wichtige Voraussetzungen für die Dynamisierung politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher tho, Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Tansania zum Southern African Legal Prozesse darstellen. Partner der FNF waren Bildungsinstitutionen in staatlicher Trägerschaft, die in Assistance Network (SALAN) zusammen, einer bisher einzigartigen Initiative weltweit. Kernaufgabe ein- bis vierjährigen Studiengängen eine journalistische Ausbildung in Theorie und Praxis vermit- der Mitglieder ist die Rechtsberatung und Rechtshilfe in Menschenrechtsfragen und -verfahren telten. Die Projektträger wurden von der Stiftung mit Lehrstudios für Fernsehen, Hörfunk und Print- sowie die Verfechtung des Menschenrechtsschutzes in der Öffentlichkeit. Die Stiftung unterstützt medien ausgestattet. Das größte und erfolgreichste Projekt dieser Art ist bis heute das ZAMCOM das SALAN durch jährliche Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und Strategieplanung. Eva- Institute in Sambia. Die Absolventen der Partnerinstitute haben später vielfach hohe Positionen in luationen des Partners bestätigten die Effektivität und Effizienz seiner Arbeit. den Medien ihrer Länder übernommen und sich aktiv für Presse-, Informations- und Meinungsfrei- heit eingesetzt. In einem zweiten Typ von Medienprojekten folgte ab 1990 die Zusammenarbeit mit Politische Bildung und Demokratieförderung Treffen der Mitgliedsorganisationen des Rundfunkanstalten, Holdings für Massenmedien, Verbänden von Zeitungsverlegern, Informations- Das erste Projekt der politischen Bildung in Afrika entstand 1975 in Kooperation mit dem Institut SALAN in Lilongwe, Malawi, 2007 ministerien, Journalistenverbänden und Wirtschaftsmagazinen, um den Pluralismus der Medien zu für soziale, wirtschaftliche und politische Bildung INFOSEC in Cotonou, Benin. Zielgruppen der Bil-

32 33 dungsprogramme waren gesellschaftliche Schlüsselgruppen, d. h. Führungskräfte aus Politik, Ver- waltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Das INFOSEC verfolgte eine ideologiefreie, auf Kritikfä- higkeit und gesellschaftliche Verantwortung ausgerichtete Bildungsarbeit. Der Partner hat sich in der 20-jährigen Zusammenarbeit zu einer nationalen Institution entwickelt, die so gut wie jeder im Lande kennt. In Westafrika entstand 1980 auch das erste Projekt der politischen Bildung mit einer Vorfeldorganisation, dem Bildungsinstitut ISEFI der Demokratischen Partei des Senegal, zur Qualifizierung von politischen Nachwuchs- und Führungskräften. Ein innovatives Programm des Partners war die Koppelung von Staatsbürgerkunde für die ländliche Bevölkerung mit Alphabetisie- rungsmaßnahmen und die Herausgabe kleiner Hefte zur Demokratieerziehung in 14 Landessprachen.

Mit Öffnung der politischen Systeme in Afrika ab 1990 erfolgte eine starke Expansion der politischen Bildung durch Neuprojekte in 25 Ländern mit zahlreichen Partnern: politischen Parteien, ihren Vor- feldorganisationen (Jugend, Studenten, Frauen), Parlamentariern und Kommunalpolitikern, liberalen Stiftungen, Forschungsinstituten und Thinktanks, nicht staatlichen Trägern der Demokratieförde- rung, Vereinigungen der politischen Erwachsenenbildung, Bürgerinitiativen, Wahlbeobachtungs- 1 2 gruppen und den regionalen politischen Netzwerken (ALN) und Organisation of African Liberal Youth – Liberals Energizing Africa’s Democracy (OALY-LEAD). Die Förderung der Dr. Frederik van Zyl Slabbert Ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Stiftung umfasste folgende Bereiche: Qualifizierung von politischen Mandatsträgern, Führungs- liberalen Progressive Federal Party (PFP) im kräften und Funktionsträgern der Partner, Strategie-, Organisations-, Programm- und Politikbera- Parlament Südafrikas, Gründer des Instituts tungen in verschiedenen Aktions- und Themenfeldern, regionale und internationale Dialog- und für eine Demokratische Alternative in Austauschprogramme, Informationsreisen in die Bundesrepublik und zu Institutionen der Europäi- Südafrika (IDASA), ehemaliger Rektor der Universität Stellenbosch schen Union, aber auch innerhalb Afrikas. Von 1994 bis 2000 erfolgte eine enge Kooperation mit der New Patriotic Party (NPP) in Ghana durch Qualifizierung von Mandats- und Funktionsträgern „Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat un- und Politikberatung. Der Parteivorsitzende der NPP, John Kufuor, wurde 2000 zum Staatspräsidenten schätzbare Arbeit dabei geleistet, Südafrika gewählt und vollzog damit den ersten demokratischen Regierungswechsel in Ghana. Mit den Part- auf die schwierige Zeit des Übergangs vorzu- bereiten, beginnend mit der berühmten nerparteien in Südafrika, Tansania, der Elfenbeinküste und Senegal besteht aufgrund langjähriger Dakar-Konferenz bis zu dem letzten Treffen Partnerschaft bis heute eine besonders enge Kooperation. in ihrer Akademie in . Die Stiftung hat Projekte finanziert, die von größter Be- Südafrika: Liberale im Kampf gegen die Apartheid deutung sind angesichts der Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben.“ Die FNF durfte in den 1980er-Jahren in Südafrika nicht mit der liberalen Progressive Federal Party (PFP) kooperieren. Diese war nach den Gesetzen des Apartheid-Regimes eine rein weiße Partei und damit nach deutschen Richtlinien nicht förderungswürdig, obwohl sie als einzige im Parlament die 3 4 Abschaffung der Apartheid forderte. Weil der PFP-Vorsitzende Dr. Frederik van Zyl Slabbert für die Überwindung der Apartheid auf parlamentarischem Wege keine Chancen mehr sah, trat er 1986 von seinen Ämtern zurück und gründete das Institute for a Democratic Alternative for South Africa (IDASA). Sofort nahm die Stiftung die Kooperation mit dem IDASA auf. Die vom IDASA durchge- 1. Einweihung des neuen Gebäudes für das 1980 errichtete Medien-Ausbildungsprojekt ZAMCOM mit Staatspräsident Kenneth Kaunda (Mitte), Sambia, 1989 führten Dialogprogramme über ein Post-Apartheid-Regime belegten das gegenseitige Misstrauen 2. Gipfeltreffen des Africa Liberal Network (ALN), Johannesburg, 2007 3. Helen Zille, Ministerpräsidentin der Provinz Western Cape und Vorsitzende der Oppositionspartei Democratic Alliance im Wahlkampf, Kapstadt, 2011 der Volksgruppen, vor allem zwischen dem African National Congress (ANC) und den weißen Afri- 4. Diskussionen am Rande der Dakar-Konferenz, mit Thabo Mbeki und Dr. Frederik van Zyl Slabbert (3. und 4. von l.), Dakar, 1987 kaanern (Buren). Das IDASA suchte dennoch Kontakt zur ANC-Führung im Exil und vereinbarte ein

34 35 hochrangiges Treffen im Ausland. Im Juli 1987 kam es zur sensationellen Dakar-Konferenz im Se- Politikdialog auf hoher Ebene negal, über die in den Weltmedien berichtet wurde. Eine Gruppe von 61 Vertretern des wirtschaft- Anfang 1989 begann die Stiftung eine Kooperation mit dem Africa Leadership Forum (ALF), ge- lichen und wissenschaftlichen Establishments Südafrikas führte einen intensiven Dialog mit 17 gründet von Ex-General Olusegun Obasanjo, Militärherrscher von Nigeria von 1976 bis 1979 und Vertretern der ANC-Führung (fast alle wurden später Minister, Thabo Mbeki Präsident) über Zu- gewählter ziviler Präsident von 1999 bis 2007. Er hatte seinen guten Ruf damit begründet, dass er kunftsszenarien für ein demokratisches Südafrika. Die FNF war aktiv involviert und trug ein Drittel als erster Militärführer Nigerias freiwillig für eine Zivilregierung zurückgetreten war, und wurde der Kosten aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Die Teilnehmer der Konferenz erfuhren nach ihrer zum Elder Statesman, dessen Kommentare zu politischen Fragen gesucht wurden. Der spätere Mi- Rückkehr in Südafrika Hass, Ablehnung und Gewalt, sie wurden als Verräter gebrandmarkt. Einige litärdiktator Sani Abacha ließ Obasanjo inhaftieren, weil er angeblich an einem Putschversuch be- verloren ihre Stellung, der IDASA-Mitarbeiter Eric Mntonga wurde ermordet. teiligt war. Er entging der Todesstrafe nur knapp durch massiven internationalen Druck. Erst nach dem Tode Abachas wurde Obasanjo freigelassen und zweimalig in demokratischen Wahlen zum zi- Doch das IDASA gab nicht auf. Auf Einladung der Stiftung fand 1988 eine zweite Konferenz in Le- vilen Präsidenten gewählt. Er ist u. a. Träger des Freiheitspreises von Liberal International. Pressetermin auf der IDASA-ANC-Konferenz Informeller Dialog von Olusegun Obasanjo, mit Dr. Frederik van Zyl Slabbert (IDASA), verkusen statt. Das politische Spektrum der weißen Südafrikaner war diesmal noch breiter, auch dem ehemaligen Staatspräsidenten von Aziz Pahad (ANC), Dr. Gerhart Raichle (FNF) die Delegation des ANC hochrangiger, da neben Thabo Mbeki der Kommandeur des bewaffneten Zielsetzung des ALF war es, ein panafrikanisches Forum für den Dialog hochrangiger afrikanischer Nigeria (Mitte), auf seiner Farm in Abeokuta, und Thabo Mbeki (ANC), Leverkusen,1988 Flügels des ANC, Joe Slovo, zeitweilig auch Vorsitzender der KP Südafrikas, mit am Tisch saß. Den Politiker zu schaffen und dabei politische und wirtschaftliche Liberalisierung sowie strukturpolitische mit Uwe Johannen, Leiter des Auslandsberei- ches der FNF (r.) und den Projektleitern der rückkehrenden Teilnehmern der weißen Delegation begegnete man diesmal eher mit neugierigen Reformvorstellungen zu vertreten. Obasanjo wusste aus eigenem Erleben von der Schwierigkeit, Stiftung aus West- und Ostafrika, Fragen nach den Zukunftsvisionen des ANC für ein Post-Apartheid-Südafrika. Doch die Regierung einen offenen Gedankenaustausch zwischen afrikanischen Elder Statesmen und nachwachsenden Nigeria, 1993 in Pretoria reagierte schroff: Verteidigungsminister Malan attackierte die Konferenzteilnehmer und Führungskräften des Kontinents herbeizuführen, und ergriff daher selbst die Initiative. Er stellte auf auch die FNF in massiven Tiraden, und der Dialogprozess schien irreversibel. Im Februar 1989 ver- seiner Hühnerfarm in Abeokuta, Nigeria, Räumlichkeiten für das ALF zur Verfügung. Die Kooperation kündete Südafrikas Präsident F. W. de Klerk die Freilassung Nelson Mandelas und die Legalisierung mit der FNF war fokussiert auf Dialogprogramme unterschiedlichster gesellschaftlicher Führungs- des ANC, um eine demokratische, nicht rassische Verfassung auszuhandeln. Die von der FNF geför- kräfte. Im Rahmen der sogenannten Farm House Dialogues wurden Themen wie Demokratie und derten Konferenzen mit dem IDASA haben den Weg dafür wesentlich geebnet. traditionelle Herrscher, Demokratie und Militär, Demokratie und Armut diskutiert. Die Publikationen dieser Symposien, ebenfalls von der Stiftung unterstützt, hatten allein in Nigeria einen Verteilerkreis Zusammenarbeit mit der liberalen Opposition in Südafrika von 5.000 Personen. Das ALF hat sich im Zeitablauf zu einem politischen Thinktank entwickelt und Die Kooperation zwischen der FNF und den südafrikanischen Liberalen nach 1989 galt der Neupo- hohes Ansehen nicht nur in Nigeria, sondern auch im Ausland erworben. sitionierung des organisierten Liberalismus im demokratischen Südafrika. Noch Mitte der 90er-Jahre wurden die Liberalen von nationalen und internationalen Beobachtern als chancenlos betrachtet. Ein alternatives politisches Aktionsprogramm in Kenia Der Aufstieg der Partner zur offiziellen Opposition und zum einzigen relevanten Gegengewicht zum Die FNF konzipierte und koordinierte 1992 das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Reform- ANC ist eine Erfolgsgeschichte, an der auch die FNF ihren Anteil hat. Die Transformation einer klei- programm „Post Election Action Programme“ (PEAP), das von über 60 der besten kenianischen Fach- nen, fast ausschließlich weißen liberalen Partei in eine ethnisch breit zusammengesetzte, inhaltlich leute für vier der Oppositionsparteien erarbeitet wurde. Es war ein überparteilicher Entwurf für liberal fundierte Alternative zum ANC wäre ohne die breit angelegte Kooperation der FNF mit den einen effektiven Wiederaufbau der Wirtschaft und der demokratischen Rahmenbedingungen. Das Parteistrukturen der Democratic Alliance (DA) und insbesondere den beiden Parteivorsitzenden Tony Programm formulierte mit Blick auf die kommende Regierung in 44 Politikbereichen die wesentli- Leon und Helen Zille wohl wesentlich schwieriger verlaufen. Der Partner selbst hat sich nie gescheut, chen Perspektiven und Handlungsanweisungen einer nationalen Politik, die sich an den realen Be- das auch öffentlich anzuerkennen. Organisationsgrad, Struktur und Schlagkraft der DA als effektive dürfnissen und Möglichkeiten Kenias orientierte. Es versuchte, die Entpolitisierung und Oppositionspartei sind auch im internationalen Vergleich vorbildlich. Gerade angesichts der erdrü- Entprofessionalisierung des öffentlichen Lebens zu überwinden, die nationale Kompetenz zu mobi- ckenden Position des ANC in der südafrikanischen Politik, die für das Land nicht gut ist, wie die ak- lisieren und die Glaubwürdigkeit der Politiker wieder herzustellen. Das PEAP fand große öffentliche tuellen Entwicklungen immer wieder zeigen, stellt die enge Kooperation mit der DA einen Beachtung und wurde als das erste von Kenianern erarbeitete, qualitativ hochwertige, Reformpro- signifikanten Beitrag zur Stärkung der Demokratie und demokratischen Kontrolle in Südafrika dar. gramm gewürdigt. Die Kooperation der kenianischen Experten führte darüber hinaus zur Gründung

des Institute for Economic Affairs (IEA). Das PEAP hat vor den Wahlen zur Versachlichung der öf- Pressekonferenz des „Post Election Action fentlichen Debatte beigetragen und nicht nur den beteiligten Oppositionsparteien einen Fundus an Programme“ (PEAP), Nairobi,1993 Fachwissen vermittelt, sondern auch ein öffentliches Beispiel für die kritisch-konstruktive Beteili-

36 37 gung am Demokratisierungsprozess gegeben. Leider führte diese Initiative in Richtung guter Re- tischen Grundsätzen verpflichtet, entweder in der Opposition oder in der Regierung. Das Netzwerk gierungsführung zu repressiven Maßnahmen des autoritären Regimes gegen die beteiligten Partner verfolgt das Ziel, liberale Parteien in Afrika zu stärken, zu unterstützen und zu vertreten. und zur Ausweisung der FNF-Projektleiterin aus Kenia. Obwohl ihr später die Wiedereinreise ge- Das ALN bietet seinen Mitgliedern Aus- und Weiterbildungen sowie Politikberatung für Mandats- stattet wurde, zeigte dieser Fall die Risiken auf, die auch mit konstruktiven Beiträgen zur Demo- und Funktionsträger an. Das Angebot reicht von Strategieberatungen über Wahlkampfbeobachtung kratisierung verbunden sein können. bis hin zu Fertigkeitstrainings. Die FNF unterstützt die Partner in folgenden Bereichen: Maßnahmen zur Strategieplanung und deren Umsetzung, Schulungen in politischer Kommunikation und Pro- Politische Bildung von unten: der Aufbau der Zivilgesellschaft im Kongo grammatik, Workshops zu liberalen Themen sowie Maßnahmen zur Parteientwicklung und -orga- Die FNF hat mit einem Modellprojekt zur Förderung des privaten Sektors in der Demokratischen nisation. Dazu dient auch der Süd-Süd-Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Parteien. Republik Kongo eine bahnbrechende Strategie zum Aufbau der Grundlagen für eine liberale demo- Ferner trägt die Stiftung dazu bei, dass sich das ALN mit anderen regionalen wie auch internatio- kratische Ordnung in einem extrem repressiven politischen System umgesetzt. Dies geschah durch nalen liberalen Organisationen nachhaltig vernetzt. Lindiwe Mazibuko Fraktionsvorsitzende der liberalen Partei Mobilisierung und Strukturierung zivilgesellschaftlicher Akteure im Bereich der Nichtregierungs- Democratic Alliance, Oppositionsführerin Organisationen (NGO) sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Von 1990 bis 1994 im Parlament Südafrikas entstanden zwei Dachverbände für „ökonomisch orientierte“ NGO und für KMU mit jeweils drei Re- gionalverbänden und Hunderten von Mitglied-Basisstrukturen. Das Projekt wurde 1994 von der GIZ Lateinamerika „Die FNF hat unermüdlich Zeit und Ressourcen eingesetzt, liberale Werte zu fördern, nicht nur (damals GTZ) übernommen und in allen elf Provinzen des Landes umgesetzt. Zehn Jahre später ge- in Südafrika, sondern weltweit. Wir begrüßen hörten der NGO-Dachverband mit 1.800 Mitgliedern und der KMU-Dachverband mit 3.600 Mit- Politische und regionale Ansatzpunkte die Arbeit, die die Stiftung im Bereich der gliedern zu den führenden Strukturen der dortigen Zivilgesellschaft. Der NGO-Dachverband wurde Die knapp 600 Millionen Menschen Lateinamerikas leben heute weit überwiegend in stabilen De- staatsbürgerlichen Bildung geleistet hat, durch 2002 Partner der Weltbank bei der Umsetzung des Ansatzes der Community Driven Development mokratien und sich öffnenden, dynamischen Wirtschaften. Der Kontinent ist auf einem langen Weg Seminare, Konferenzen und Publikationen, ausgerichtet auf die Förderung liberaler Werte in der Demokratischen Republik Kongo. der Modernisierung. Von 1960 bis 1990 dominierten in Lateinamerika autoritäre politische Systeme, und Prinzipien. Südafrika hat erheblich profi- zumeist Militärregime und Diktaturen, die ihre Legitimation aus einer Doktrin der „nationalen Si- tiert von der Stärkung dieser Werte.“ Zielsetzungen und thematische Schwerpunkte in neuerer Zeit cherheit“, der Bekämpfung von Terroraktionen urbaner Guerilla-Gruppen und der Eindämmung des Mit zunehmender Öffnung der politischen Systeme in Afrika haben sich die Spielräume für ein En- Kommunismus in der Phase des Kalten Krieges ableiteten. In dieser Zeit der „schmutzigen Kriege“ gagement der Stiftung erweitert. Vorrangige Ziele der Projektarbeit in den letzten beiden Dekaden gegen die Guerilla, linke Sympathisanten und oppositionelle Kräfte in Südamerika und der Bürger- waren: kriege in Zentralamerika wurden von Militärs, Sicherheitskräften und Todesschwadronen Zehntau- sende Menschen ermordet, Hunderttausende gelten als gewaltsam verschwunden, wurden aus 1. Durchsetzung der Freiheitsrechte und politischen Partizipation, Verbreitung liberaler politischen Gründen inhaftiert und gefoltert. Die Aktivitäten ausländischer Organisationen wurden Politikkonzepte, von den Sicherheitsorganen streng überwacht. Die Spielräume für dezidiert politische Projekte 2. Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaat, waren in diesem Kontext sehr begrenzt; sie beschränkten sich auf wenige noch verbliebene Demo- 3. Sicherung von Menschen- und Bürgerrechten, kratien. Die FNF hat sich daher in den 60er- bis 80er-Jahren auf die Förderung von eigenständigen 4. Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen. Selbsthilfeorganisationen, Verbänden und Interessenvertretungen der gewerblichen Wirtschaft kon- zentriert. Dieser Programmschwerpunkt blieb dominant bis Anfang der 90er-Jahre. Die thematischen Schwerpunkte lagen in Abstimmung mit den Partnern in den Bereichen Rechts- staat und Verfassung, Ordnungs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie Kommunal- und Jugend- Ab 1978 begannen ergänzend Rechtshilfe- und Medienprojekte. Erst im Zuge der Öffnung der Mi- politik. Das für die Koordinierung der Aktivitäten verantwortliche Regionalbüro hat seinen Sitz in litärregime ab Mitte der 80er-Jahre konnten Projekte der politischen Bildung und der Parteienko- Strategieberatung des Africa Liberal Network Johannesburg, Südafrika. Der wichtigste Partner der FNF auf regionaler Ebene ist das Africa Liberal operation anlaufen, um durch Förderung demokratischer, rechtsstaatlicher und pluralistischer (ALN) in Johannesburg, Südafrika, 2008 Network. Es wurde 2003 mithilfe der Stiftung als panafrikanisches Netzwerk liberaler Parteien ge- Strukturen den Übergang zu freiheitlichen politischen Systemen zu unterstützen. Die in den ersten gründet. Dieser Schritt erfolgte mit aktiver Unterstützung der britischen Liberal Democrats und der 20 Jahren etablierten Beziehungen der Stiftung zu Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Ver- Westminster Foundation for Democracy. Das ALN ist seither kontinuierlich gewachsen. Gegenwärtig waltung und Zivilgesellschaft erlaubten es, mit Beginn der Öffnungsprozesse kurzfristig geeignete gehören ihm 34 Mitgliedsparteien aus 25 Ländern an. Die Mitglieder sind liberalen und demokra- Schritte zur Demokratisierung einzuleiten.

38 39 Beginn der Arbeit mit Selbsthilfegruppen Von 1964 bis 1967 wurden Projekte für wirtschaftliche Führungskräfte in Guatemala, Peru, Chile und Brasilien durchgeführt. Partner waren private Institute für Unternehmensführung und Manage- mentschulung, Wirtschaftsverbände und Hochschulen. Ab 1970 verlagerte sich der Schwerpunkt dieser Projekte zunehmend auf die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie des Ge- nossenschaftssektors in neun Ländern Lateinamerikas. Partner waren genossenschaftliche Schu- lungszentren und deren regionale Vereinigung ALCECOOP sowie nationale Dachverbände. Nach- folgend entstanden Projekte zur Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen durch Betriebs- beratungsdienste und Managementtraining in zehn Ländern. Ein weiterer Ansatz war die Förderung Ricardo Lopez-Murphy´ vorgenossenschaftlicher Betriebsformen von Kleinproduzenten, Indio-Dorfgemeinschaften, lokalen Ehemaliger Finanz- und Verteidigungs- Basisgruppen und Selbsthilfeinitiativen in urbanen Elendsvierteln sowie die Fortbildung von staat- minister und Präsidentschaftskandidat, lichen Entwicklungsberatern für Basisprojekte in Peru, Kolumbien, Mexiko und der Dominikanischen Argentinien, Vorsitzender des liberalen Netzwerkes RELIAL in Lateinamerika Republik. Ein Sonderfall war der Aufbau einer Fischerei-Genossenschaft an der Pazifikküste, in Kooperation mit dem peruanischen Fischereiministerium und der Food and Agricultural Organization „RELIAL verteidigt die Ideen einer offenen (FAO) der Vereinten Nationen. Auch diese Basisprojekte waren von gewaltsamen Konflikten in ihrem Bürgergesellschaft, die Prinzipien des Umfeld betroffen. Das zeigte die Ermordung eines Partners im Schulungszentrum der Genossen- 1 2 Rechtsstaates und die unteilbare Freiheit in einem Kontinent, in dem sich die totalitäre schaften Guatemalas in Chimaltenango. Der FNF-Vertreter musste daraufhin aus Sicherheitsgründen Bedrohung in besonderer Vitalität zeigt. in die Hauptstadt des Landes abgezogen werden. Unsere Tätigkeit erfolgt im Zusammenwirken von politischen Parteien und Thinktanks. Einsatz für Rechtsstaat und Menschenrechte Die Rolle der FNF war für uns lebenswichtig. Unsere Erfolge sind in hohem Maße der Das erste Rechtshilfeprojekt entstand 1978 zur Ausbildung von 4.000 Friedensrichtern in Peru, in kraftvollen Synergie mit der Stiftung zu ver- Kooperation mit dem Obersten Gerichtshof und den Oberlandesgerichten der Provinzen. Friedens- danken. Die gemeinsamen Aktionen führten richter in Indio-Dörfern und Elendsvierteln der Küstenstädte waren die unterste Instanz des Justiz- zu starkem Widerstand der totalitären Geg- wesens mit 70 Prozent aller Streitfälle. Sie waren jedoch als juristische Laien unterqualifiziert. Das ner der Freiheit in der Region.“ Projekt vermittelte praxisorientierte Ausbildung vor Ort und bot Fernlehrgänge und Radioprogramme an. Es folgte ein Vorhaben mit der Juristenkommission der Andenstaaten zur Fortbildung von Rich- tern und Staatsanwälten über Menschenrechtsfragen in der Rechtsprechung. Ein Projekt mit er- heblicher Multiplikatorwirkung entstand 1982 in Kooperation mit dem Interamerikanischen Institut für Menschenrechte (IIDH) mit Sitz in Costa Rica zur Förderung der Menschenrechtserziehung in allen Staaten Lateinamerikas, u. a. durch die Erstellung von Lehrplänen und didaktischen Materialien für Sekundarschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung, eine Reform der Curricula für Ju- risten und die Fortbildung von Sicherheitskräften in Menschen- und Bürgerrechten. Das Programm 3 4 erreichte 8.000 Teilnehmer aus diversen Zielgruppen pro Jahr. Die FNF setzte sich zudem in mehreren Ländern für die Rechte ethnischer/indigener Minderheiten ein, z. B. mit der Liga Maya Internaci- onal in Zentralamerika. Diese Arbeit führte 2001 erstmals zu einer lateinamerikanischen Konferenz von Exponenten ethnischer Minoritäten in Rio de Janeiro, die große Resonanz fand. 1. Dialog zur Demokratisierung der Streitkräfte zwischen General a. D. Wolf Graf von Baudissin und Staatspräsident Raúl Alfonsín (r.), Buenos Aires 1985 2. Prof. Dr. Bernhard Neumärker (2. Reihe Mitte), Gastprofessor der Theodor-Heuss-Akademie, mit Studenten an der Nationalen Universität UNAM, Mexico City, 2011 Radiostation im ersten Medienprojekt in La- Förderung freiheitlicher und kritischer Medien 3. Ausbildung von jungen Stadträten im Bundesstaat Córdoba, Argentinien, 2008 teinamerika, Puerto Limon, Costa Rica, 1982 Das erste Medienprojekt begann 1979 nach dem Sturz der Diktatur in Nicaragua: der Wiederaufbau 4. Seminar für Friedensrichter mit dem Obersten Gerichtshof in Huacho, Peru, 1979

40 41 des unter Diktator Somoza zerstörten Verlagsgebäudes und der Druckereianlage der Tageszeitung Sandinisten den Arbeitsminister Virgilio Godoy und war damit in die Kabinettsdisziplin eingebunden. La Prensa, die während des Widerstandskampfes gegen die Diktatur das Sprachrohr der Opposition Die Liberalen waren strikte Gegner der autoritären Politik der Sandinisten, konnten jedoch als gewesen war. Die Stiftung gewährte der Zeitung dafür einen Kredit. Aus den Rückzahlungen wurden schwächerer Partner nur begrenzt Einfluss nehmen, was zu einem schwierigen Balanceakt führte. Fortbildungsmaßnahmen für kritische Journalisten in Nicaragua finanziert. La Prensa und ihre He- Für die FNF ergab sich ein ähnlicher Spagat: Sie förderte die politische Bildungsarbeit der Liberalen rausgeberin Violeta Chamorro, eine der Führungspersönlichkeiten der Opposition, haben trotz Me- Partei, stärkte sie durch regionale und internationale Vernetzung, unterstützte das Arbeitsministe- dienzensur der Sandinisten durch großen Mut und Beharrlichkeit eine unabhängige und kritische rium mit Programmen für ländliche Basisgenossenschaften, kooperierte mit der oppositionellen Ta- Berichterstattung aufrechterhalten können und damit ein Mindestmaß an Pluralismus in den Print- geszeitung La Prensa und kritischen Journalisten, war aber gleichzeitig bestrebt, einen Politikdialog medien bewahrt. Ein weiteres Medienprojekt begann 1982 in Costa Rica mit der Förderung ländli- mit den Sandinisten zu führen. In diesem Kontext kam es u. a. zu einer Delegationsreise von sandi- Internationales Seminar „Chile auf dem cher Rundfunksender beim Aufbau regionaler Nachrichtenprogramme mit einer gemeinsamen nistischen Ministern unter Führung des Kommandanten Jaime Wheelock nach Deutschland. Diese Wege zur Demokratie“, Santiago de Chile, Nachrichtenagentur als Gegengewicht zum Informationsmonopol der hauptstädtischen Medien. Balanceakte wurden auch dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der FNF Ralf Dahrendorf anlässlich 1988 Das Konzept wurde erfolgreich in fünf Ländern Zentralamerikas und später in Uruguay umgesetzt. eines Besuches unserer Projekte in Managua deutlich. Als früherer Staatssekretär des Auswärtigen Verfassungsseminar in Sao Paulo, Amtes, ehemaliger Kommissar für Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft und Direktor Brasilien, 1987 Politische Bildung als Schrittmacher der Demokratisierung der London School of Economics mit großer internationaler Erfahrung verwickelte er die sandinis- Das erste Projekt wurde 1968 im demokratischen Kolumbien mit einer Bildungsstiftung begonnen, tischen Kommandanten im Gästehaus der Regierung in eine fesselnde Diskussion über den häufig die von Spitzenpolitikern der liberalen Partei zur Qualifizierung von politischen Führungskräften, unerwarteten Verlauf von Revolutionen, die die Gastgeber sehr nachdenklich zurückließ. Bürgermeistern und Kommunalpolitikern gegründet wurde. Ähnliche Projekte folgten im Zuge der Demokratisierung Lateinamerikas ab 1978 in Kooperation mit Vorfeldorganisationen liberaler Par- Förderung demokratischer Reformen in Argentinien teien, Thinktanks und Forschungsinstituten in 14 Ländern des Kontinents, darunter der Aufbau des Ab 1982 begann die Stiftung ein Projekt mit dem sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut CISEA Staatsbürger-Instituts in Peru, einer überaus erfolgreichen Vorfeldorganisation für politische Bil- in Argentinien, um die Folgen von 50 Jahren Militärherrschaft (mit kurzen demokratischen Inter- dung. Diese Vorhaben führten zur Gründung der Föderation liberaler Parteien Zentralamerikas und vallen) zu analysieren und Reformvorschläge zu unterbreiten. Das nach dem Rückzug der Militärs der Karibik FELICA 1979, ihrer Jugendorganisation JULICA 1980, des liberalen Jugendverbandes La- aus der Politik 1984 hinterlassene Erbe stellte die neue demokratische Regierung vor enorme He- teinamerikas FEJOL 1982 sowie des lateinamerikanischen Netzwerkes liberaler Parteien und Think- rausforderungen. Die Führungskräfte vom CISEA übernahmen hohe politische Ämter, die FNF wurde tanks RELIAL 2004, das sich bis heute ständig weiterentwickelt. Parallel dazu entstanden diverse damit in Kernbereiche der Reformprogramme einbezogen. Im Auftrag von CISEA und FNF erarbeitete Vereinigungen liberaler Bürgermeister und Kommunalpolitiker in Argentinien, Brasilien, Kolumbien ein hoch qualifiziertes Team von Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft unter Leitung und Zentralamerika, die von der FNF durch Fortbildungen und Politikberatungen sowie Austausch- seines Vizepräsidenten Prof. Jürgen Donges in einem dreimonatigen Beratereinsatz ein umfassendes programme untereinander (Süd-Süd-Dialoge) gefördert wurden, um den Leistungsstand der kom- Gutachten zur Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Ergebnisse wurden Staatspräsident Alfonsín und munalen Verwaltungen zu steigern. Komplementär zu den nationalen Projekten begann 1980 ein den zuständigen Ministern persönlich vorgetragen, in den Sanierungsplan der Regierung übernom- Vorbereitung junger Kandidaten der Regionalprojekt für Bildung und Forschung mit liberalen Gruppen Lateinamerikas, das die Führungs- men und in spanischer Sprache publiziert. Democratas auf Interviews im Fernsehstudio, kräfte der Partner durch Politikdialog und Fachkolloquien auf regionaler Ebene sowie Publikations- Brasilien, 2008 reihen, die politische Zeitschrift „Perfiles Liberales“ (Liberale Profile) und aktuelle Nachrichten Ebenfalls 1984 wurde mit der Bildungsstiftung Arturo Illia, einer Vorfeldorganisation der regierenden („Liberale Aktualitäten“) unterstützte. Vor allem die Zeitschrift „Perfiles Liberales“ (Auflage 5.000, linksliberalen Bürgerunion UCR, ein Forum für Führungskräfte geschaffen, um wichtige partizipative ab 2001 mit Internet-Version) wurde für viele Jahre zu einer politisch und intellektuell anspruchs- Reformprojekte voranzutreiben. Ein spektakuläres Vorhaben war das erste zivil-militärische Dialog- vollen und einflussreichen Stimme des Liberalismus in Lateinamerika. Ab 1993 erfolgte ferner der programm in Argentinien: 1985 kam General a. D. Wolf Graf von Baudissin nach Buenos Aires, um Aufbau eines länderübergreifenden Netzwerkes von Seminarmoderatoren für politische Bildung von in Gesprächen mit Präsident Alfonsín, Mitgliedern des Kabinetts, Parlamentariern beider Kammern Peru bis Mexiko. des Kongresses, dem Vereinigten Generalstab der Streitkräfte und Kommandeuren der Militäraka- demien die Führungsprinzipien einer demokratischen Parlamentsarmee am Beispiel der Bundeswehr Herausforderung für Liberale: das sozialistische Nicaragua vorzustellen. Nachfolgend fand ein Informationsprogramm für Verteidigungspolitiker, Verfassungs- Eine besonders schwierige Situation ergab sich für die Liberalen in Nicaragua nach dem Fall Somo- juristen und Generalstabsoffiziere in Deutschland statt, um die Arbeitsteilung zwischen zivilen und zas. Die mit der FNF eng kooperierende Liberale Partei stellte in der Koalition mit den regierenden militärischen Leitungsstrukturen im Rahmen einer Demokratie zu demonstrieren. Ergänzend be-

42 43 suchte der Verteidigungspolitiker Uwe Ronneburger, MdB, Buenos Aires, um Vorträge über parla- •Beratungen der Verfassunggebenden Versammlung in Kolumbien und des Verfassungsrates mentarische Kontrolle der Streitkräfte und die Rolle des Wehrbeauftragten vor Politikern und in von Grenada durch Kurzzeitexperten bis hin zur Ausarbeitung von Verfahrensregeln und Militärakademien zu halten. Strategieansätzen in der Parlaments- und Fraktionsarbeit, •Beratungen der Gemeindeverwaltungen in Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama, Beendigung der Militärherrschaft in Brasilien •Kooperation mit den Ausschüssen der nationalen Parlamente für den südamerikanischen Ab 1984 begann ein Neuprojekt der politischen Bildung in Brasilien, um die verschiedenen Strö- gemeinsamen Markt MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Bolivien, Uruguay, Paraguay) mungen liberaler Führungskräfte zusammenzuführen und die demokratische Öffnung vorzubereiten. in Fragen der wirtschaftlichen Integration und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, Ende 1984 kam es zur Wiedergeburt des organisierten Liberalismus. Durch Abspaltung einer Libe- •Kooperation mit den zentralamerikanischen Parlamentskommissionen für Umweltschutz ralen Front aus der Regierungspartei PDB und Bildung einer Allianz mit der Oppositionspartei PMDB und Entwicklung durch gemeinsame Ausarbeitung und parallele Einbringung von Gesetzes- wurde der Regimewechsel eingeleitet. Die Mitglieder der Front gründeten die Partei der Liberalen vorlagen in jedem Land, Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) mit Mario Vargas Front PFL. Mit dem Bildungsinstitut der PFL wurde sofort eine enge Kooperation beim Aufbau de- •Beratung der Regierung Boliviens bei der Erarbeitung einer Gesetzesvorlage für den Llosa, dem RELIAL-Ehrenvorsitzenden, mokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen vereinbart und viele Jahre erfolgreich umgesetzt. Ombudsmann, während des RELIAL-Kongresses „Ansätze Sergio Sarmiento •Ausbildung von Assistenten der Abgeordneten des Parlamentes in Chile, einer liberalen Sozialpolitik in Lateinamerika“, Caracas, Venezuela, 2009 Publizist und Journalist, Zivil-militärischer Dialog als Instrument der Demokratisierung •Organisationsberatung des Außenministeriums in Guatemala durch Dr. Irmgard Schwaetzer, Ehrenvorsitzender des liberalen Netzwerkes RELIAL in Lateinamerika, Mexiko Auch nach dem Wechsel zu demokratischen Regierungen behielten die Streitkräfte in Lateinamerika frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Vorstandsmitglied der FNF. oft eine Sonderstellung im Staate mit diversen Privilegien. Die Verteidigungsminister waren über- „Als liberaler Rundfunk- und Fernsehjourna- wiegend Militärs mit eigener Budgethoheit. Massive Menschenrechtsverletzungen wurden gar nicht Förderung demokratischer Wahlen list sehe ich es als meine Aufgabe an, für die oder nur schleppend aufgearbeitet. Die Sicherheitskräfte (Militär, Polizei und Geheimdienste) stellten Im Zuge der Demokratisierung Lateinamerikas gewannen Fragen der Wahlsysteme, der gesetzlichen Entwicklung des Schwellenlandes Mexiko Strukturreformen im Sinne von mehr bürger- für die zivilen Regierungen daher eine enorme Herausforderung dar, nicht zuletzt angesichts des Grundlagen und Durchführung von Wahlen an Bedeutung. Die FNF unterstützte das Lateinameri- licher und wirtschaftlicher Freiheit und Ver- Risikos erneuter Militärinterventionen. In diesem Kontext wurde die FNF in zahlreichen Ländern kanische Zentrum für Wahlorganisation und Wahlgesetzgebung CAPEL des Interamerikanischen In- antwortung anzumahnen. Seit mehr als um Unterstützung gebeten. Ziele der Projekte zur Demokratisierung der Sicherheitskräfte waren: stituts für Menschenrechte (IIDH) bei entsprechenden Vorhaben in mehreren Ländern. So wurde sieben Jahren stehe ich in kontinuierlichem nach dem Friedensvertrag in El Salvador 1992 die Regierung bei der Reform der Wahlgesetzgebung, Kontakt mit der FNF. In dieser Zeit hat die Organisation, deren Vorsitzender ich bin, ihre 1. Einführung des Primats der Politik, d. h. zivile Kontrolle aller Sicherheitskräfte, der Organisation des Wahlregisters und den Vorbereitungen für die Präsidentschafts- und Parla- Aktivitäten in enger Zusammenarbeit mit der 2. Einsetzung eines zivilen Verteidigungsministers mit voller Kommandogewalt über das Militär, mentswahlen beraten. Ferner hat die Stiftung durch Ausbilder und Moderatoren Zehntausende von FNF erweitert und verstärkt. Wie Caminos de 3. Abbau der Sondergerichtsbarkeit für Militär und Polizei, Wahlbeisitzern und Wahlhelfern in Ländern Zentral- und Südamerikas auf ihren Einsatz vorbereitet. la Libertad haben auch viele andere Organi- 4. Transparenz der Regelwerke und sationen in Mexiko von der Erfahrung, der Verbindung zum Ausland und dem Enthusi- 5. Einführung des passiven und aktiven Wahlrechts für Militär- und Polizeiangehörige. Liberale Umweltpolitik als neuer Ansatz asmus der FNF profitiert. Zu einem neuen Themenschwerpunkt entwickelte sich ab 1990 die Umweltpolitik. Als Folge eines Ich kann bezeugen, dass ‚die Naumann‘, wie Die zivil-militärischen Dialogprogramme fanden grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit Umweltseminars der internationalen Akademie der Stiftung in Sintra, Portugal, entstand als neuer sie in Mexiko bekannt ist, ohne Unterlass statt (nicht nur bei Einbeziehung der militärischen Geheimdienste), auch unter Beteiligung auslän- Partner das Umweltzentrum für das La Plata-Becken CACPLA, die erste nicht staatliche länderüber- und in sehr unterschiedlichen Formen arbei- tet, um den Bürgern die Ideen von Freiheit discher Kurzzeitexperten (z. B. hochrangiger Ex-Offiziere). Regelmäßig wurden spezifische Besuchs- greifende Umweltorganisation des Kontinentes, mit Sitz in Montevideo. Gründer waren Umwelt- Economic Freedom Network-Konferenz mit und Marktwirtschaft zu erläutern, sie argu- programme für zivile und militärische Entscheidungsträger bei der Bundeswehr und der NATO in schutzinitiativen aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, die einer liberalen dem RELIAL, Mexiko, 2012 mentativ zu untermauern und darzustellen Brüssel einbezogen. Zwischen 1980 und 2002 wurden zivil-militärische Dialogprojekte in Argenti- Umweltpolitik zum Durchbruch verhelfen wollten. Parallel dazu unterstützte die Stiftung vorberei- und die Bürger dafür zu begeistern. Die Ar- nien, Brasilien, Chile, Uruguay, Peru, Ecuador, Nicaragua, Guatemala, Honduras und der Dominika- tende Schritte für die UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ 1992 in Rio de Janeiro durch in- beit der FNF mit den Jugendlichen ist außer- gewöhnlich. Sie hat es geschafft, eine nischen Republik erfolgreich durchgeführt. ternationale Konferenzen in San Carlos de Bariloche, Argentinien, und Belém, Brasilien, in Koopera- wachsende Anzahl an Personen von der tion mit den Vereinten Nationen. Dieser Arbeitsschwerpunkt wurde 2012 im brasilianischen Porto Überlegenheit dieser Ideen zu überzeugen, Beratung von Parlamenten und Regierungen Alegre wieder aufgenommen, wo Politiker und Thinktanks des Netzwerkes RELIAL begleitend zum nicht nur im Sinne von wirtschaftlichem Durch die engen Beziehungen der Stiftung mit politischen Parteien und Parlamentariern ergaben Rio+20-Gipfel marktwirtschaftliche Instrumente der Umweltpolitik entwickelten. Wohlstand, sondern auch im ethischen und moralischen Sinne.“ sich vielfach Projekte mit Organen der Legislative und Exekutive, wie:

44 45 Entwicklungen und thematische Schwerpunkte in neuerer Zeit Nach Verabschiedung der Auslandsstrategie 1992 erfolgte eine stärkere Politisierung und Fokus- sierung der Projektarbeit. Sie verlagerte sich zunehmend auf die Kernaufgabe der Kooperation mit liberalen Parteien und Institutionen, während liberale Entwicklungsprojekte zurückgingen. Mit der Demokratisierung und Modernisierung Lateinamerikas konzentrierte sich die Projektarbeit der Stif- tung auf folgende Ziele:

1. Durchsetzung der Freiheitsrechte und politischen Partizipation der Bürger, 2. Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaat, 3. Sicherung von Menschen- und Bürgerrechten, besonders der Meinungs- und Pressefreiheit, 4. Erweiterung der wirtschaftlichen Freiheit.

Arbeitsschwerpunkte liegen in der Qualifizierung der Arbeit von liberalen Parteien und Thinktanks, insbesondere in den Themenbereichen Ordnungs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie Kommu- nal- und Jugendpolitik. Schwerpunktländer der Stiftung in der Region sind die Schwellenländer Brasilien und Mexiko, dazu Argentinien und Zentralamerika. Das für die Koordinierung der Aktivi- 1 2 täten verantwortliche Regionalbüro hat seinen Sitz seit 2001 in Mexiko City. Der wichtigste Partner auf regionaler Ebene ist seit 2004 das Netzwerk liberaler Parteien und Thinktanks Lateinamerikas RELIAL (Red Liberal de América Latina), dem 40 Institutionen aus 17 Ländern des Kontinents ange- hören. Die im RELIAL zusammengeschlossenen Liberalen stehen mit den undemokratischen, popu- listischen Herrschern Lateinamerikas in einer elementaren, ideenpolitischen Auseinandersetzung um den Entwicklungsweg des Kontinents. Die Partner der FNF sind Stimmen der Freiheit im regio- nalen Kontext der Bedrohung politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Rechte und Freiheiten durch sozialistisch- oder rechts-autoritäre Regime.

Südost- und Ostasien

Politische Rahmenbedingungen In Südost- und Ostasien dominierten bis Ende der 1980er-Jahre autoritäre politische Systeme. Die Region galt aus historischen Gründen als Nachzügler der Demokratisierung. Die Kolonialherren 3 4 haben die Bildung demokratischer Bewegungen nicht gefördert, noch weniger unabhängige poli- tische Parteien entstehen lassen. Folglich war der Kampf für Demokratie mit zwei Hindernissen konfrontiert: den Kolonialmächten und den autoritären und feudalen Traditionen innerhalb der asiatischen Gesellschaften. Die Dominanz autoritärer Regime und Militärdiktaturen endete mit dem 1. Wahlkampfauftritt des Oppositionsführers Sam Rainsy in der Provinz Bantey, Kambodscha, 2009 Durchbruch demokratischer Systeme auf den Philippinen, in Thailand, Südkorea, Taiwan und Indo- 2. Treffen des CALD-Vorstandes mit Aung San Suu Kyi, myanmarische Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin (1. von r.), in Yangon, Myanmar, 2011 nesien in den 1990er-Jahren. Seitdem setzen asiatische Demokraten ihre Hoffnungen auf eine weiter 3. Der erste Kongress von Liberal International in Asien, Manila, Philippinen, 2011 fortschreitende Liberalisierung und wachsende politische Freiheiten. Nur die kommunistischen Ein- 4. Gründung des Council of Asian Liberals and Democrats (CALD) mit Ministerpräsident Chuan Leekpai, Thailand (6. von l.) und Kim Dae-jung, Oppositionsführer in Südkorea (4. von r.), Bangkok, 1993

46 47 Parteien-Regime in der VR China, in Nordkorea, Vietnam und Laos blieben bisher von diesem Trend schaften mit dem Landwirtschaftsministerium und nicht staatlichen Selbsthilfeinitiativen. Diese unberührt. mündeten 1987 in ein nationales Projekt mit dem NGO-Coordinating Committee on Rural Deve- lopment zur Qualifizierung und Stärkung von Nichtregierungsorganisationen, die sich der Förderung Regionale Schwerpunkte sozioökonomischer Basisgruppen im ländlichen Raum widmeten. In Indonesien lag der Schwerpunkt Die FNF hat sich in den 60er- und 70er-Jahren in Indonesien, Malaysia und Thailand engagiert. In auf dem Aufbau von Handels- und Handwerkskammern sowie der Stärkung von kleinen und mitt- den 80er-Jahren erfolgte eine Ausweitung mit Neuprojekten in zahlreichen Ländern der Region. Die leren Betrieben durch nicht staatliche Projektträger. Schwerpunkte lagen in der Aus- und Fortbildung von Führungskräften der Angestellten-Gewerk- schaften, Jugendverbände, Wirtschaft, öffentlichen Verwaltung, ländlichen Entwicklung und ange- Politische Bildung und Politikdialog in den 70er- und 80er-Jahren wandten sozioökonomischen Forschung. Mit Beginn der 90er-Jahre fokussierte sich das Engagement In Malaysia begann 1974 eine Kooperation mit der nationalen Verbraucherschutz-Organisation auf die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat, gesellschaftlichem Pluralismus und Marktwirtschaft. Consumers‘ Association of Penang (CAP), die sich neben Warentests, Rechtsberatung, Forschung, Einweihung des neuen FNF-Büros in Hanoi Historisches Strategieseminar zur Reform- durch Manfred Richter, Vorstandsmitglied Eine Besonderheit in der Region war der frühe Einsatz von Regionalprojekten mit Partnern aus zahl- Lehre und Publikationen in der Umweltpolitik und Drogenbekämpfung engagiert hat sowie bei Um- politik im Agrarsektor mit Führungskräften der FNF, Dr. Philipp Rösler, Bundesminister reichen Ländern Asiens und Ozeaniens zur Bildung von Netzwerken zum gegenseitigen Austausch weltskandalen spektakuläre Musterprozesse am Obersten Gerichtshof führte. CAP war nach 25 Jah- der Provinzen der VR China unter Leitung für Wirtschaft, Jutta Frasch, deutsche und für gemeinsame regionale politische Initiativen. Das für die Koordinierung der Aktivitäten ver- ren Förderung eine der erfolgreichsten und effizientesten Lobbyorganisationen für Bürgerrechte von Du Runsheng, Mitglied des Zentral- Botschafterin in Vietnam, Dr. Rainer Adam, komitees und des Staatsrates, Shenyang, 1991 antwortliche Regionalbüro hatte seinen Sitz ab 1992 in Singapur, seit 2000 in Bangkok, Thailand. der Dritten Welt und ist bis heute in Malaysia eine nationale Institution. Aus diesem Projekt entstand Leiter des Regionalbüros Ost- und Südost- asien, und Cornelia Pieper, Staatsministerin 1985 eine Kooperation mit dem Asia-Pacific People’s Environment Network (APPEN), dem Dachver- im Auswärtigen Amt (v. l. n. r.), Vietnam, Projekte der Aufbauphase band aller Umweltschutzorganisationen der asiatisch-pazifischen Region. Schwerpunkte waren Auf- 2012 Schwerpunktland der Stiftung in den ersten beiden Dekaden war Indonesien. Dort wurden von 1968 klärungs- und Aktionsprogramme zu Fragen der Umwelt- und Entwicklungspolitik unter Einbeziehung bis 1988 neun Projekte durchgeführt: darunter der Aufbau der Handelskammer in West-Java, des der direkt betroffenen Bevölkerungen und Politikdialog mit den Regierungen auf regionaler Ebene. Instituts für wirtschaftliche und soziale Forschung, Erziehung und Information (LP3ES) in Jakarta, der In den 80er-Jahren entstanden zwei weitere Regionalprojekte: Verwaltungsakademie in Bandung, der Handwerkskammer in West-Java, der Stiftung für Selbsthilfe- Förderung YDD in Yogyakarta, der Indonesian Society for Pesantren and Community Development 1. Zusammenarbeit im Bereich der politischen Bildung mit dem Regional Institute for Higher (P3M). Diese Konzentration ergab sich durch die hohe Absorptionsfähigkeit der indonesischen Part- Education and Development (RIHED), einem Institut der ASEAN-Staatengemeinschaft ner, die mehrere Vorhaben bereits nach relativ begrenzter Laufzeit erfolgreich übernehmen konnten. zur Koordination der Erwachsenenbildung, 2. die Förderung des Politikdialogs mit dem South East Asian Forum for Development Die Arbeit in Malaysia begann 1972 mit dem Dachverband der Angestellten-Gewerkschaften zur Alternatives (SEAFDA), einem Netzwerk nicht staatlicher Forschungs- und Aktionsgruppen Fortbildung von Kadern der angeschlossenen neun Einzelgewerkschaften. Daraus entstand ein gro- für politikrelevante angewandte Studien. ßes Regionalprojekt in Kooperation mit APRO-FIET, dem regionalen Spitzenverband von 43 natio- nalen Dachverbänden der Angestellten-Gewerkschaften aus 14 Ländern Asiens und Ozeaniens mit Beide Projekte profitierten von den beginnenden Öffnungstendenzen in mehreren Ländern der Re- Sitz in Singapur. Von 1972 bis 1990 wurden langfristige Fortbildungsprogramme für Bildungsbe- gion und ebneten den Weg zur Förderung der Demokratisierungsprozesse und Kooperation mit po- auftragte der Dachverbände und Führungskräfte in den Fachgruppen Banken, Versicherungen, Han- litischen Parteien in den 90er-Jahren. Hintergrundgespräche von Außenminister Verhandlungen einer FNF-Delegation Dr. Guido Westerwelle mit Spitzenvertretern del und Industrie der 1,3 Millionen Gewerkschaftsmitglieder durchgeführt. Ein weiteres Regional- im Landwirtschaftsministerium der Zentral- der Zivilgesellschaft aus dem Partner- projekt startete 1975 in Kooperation mit dem Asian Youth Council (AYC), der Dachorganisation von Förderung von Marktwirtschaft und Reformpolitik in der VR China regierung der VR China über die laufenden spektrum der FNF, Bangkok, 2012 17 nationalen Jugendverbänden Asiens und Ozeaniens mit Sitz in Kuala Lumpur, Malaysia, bei der Seit 1980 bestanden Kontakte der FNF zur Chinese Academy of Social Sciences (CASS), die mit 35 Projekte im Agrarsektor, Peking, 1990 Aus- und Fortbildung von Jugendleitern durch nationale und regionale Seminare. Instituten und 3.500 Wissenschaftlern als führender Thinktank der Regierung gilt. Im Kontext der marktwirtschaftlichen Öffnungspolitik in Peking fanden bilaterale Konferenzen und Delegations- Förderung nicht staatlicher Selbsthilfeorganisationen reisen zum Politikdialog in China und der Bundesrepublik statt. Erste Projekte in China begannen In Indonesien, Thailand und auf den Philippinen lag der Schwerpunkt des Engagements zu Beginn 1987 in Kooperation mit den Ämtern für Landwirtschaft der Provinzen Heilongjiang (Aufbau eines im Agrarsektor und in der gewerblichen Wirtschaft. Die ersten Projekte der integrierten ländlichen Informationssystems für agrarpolitische Analyse) und Hunan (Ausbau einer Schwerpunktfachschule Entwicklung entstanden 1975 in Nordthailand mit dem Aufbau von 27 Spar- und Kreditgenossen- als Modellprojekt).

48 49 Aus diesen Ansätzen entwickelte sich rasch ein umfangreiches Projekt zur Förderung von Markt- Förderung der Demokratisierung und politischen Partizipation wirtschaft und Reformpolitik in der VR China mit zahlreichen Komponenten und Partnern auf na- Mit dem Durchbruch demokratischer Systeme in der Region ab Ende der 80er-Jahre konnte die tionaler Ebene und in acht Provinzen. Die wichtigsten Partner waren das State Statistical Bureau Stiftung ihren Fokus auf die Förderung demokratischer Parteien, Institutionen und Strukturen im (Aufbau eines nationalen Systems landwirtschaftlicher Gesamtrechnungen), die State Administra- Transitionsprozess von autoritären zu demokratischen Regimen verlagern. Ab 1987 förderte sie an tion for Industry and Commerce (Strategien zur Förderung der privaten klein- und mittelständischen der privaten Hanyang University in Seoul den Aufbau des Center for Local Autonomy (CLA), um im Wirtschaft, Liberalisierung der Produkt- und Faktormärkte), das China Centre for Economic Research Rahmen der Dezentralisierung Südkoreas die Selbstverwaltung der Gemeinden, Städte und Provinzen in Kooperation mit wirtschaftspolitischen Thinktanks, Instituten, Akademien und Universitäten in durch Bildungs- und Beratungsprogramme für kommunale Mandatsträger zu unterstützen. Daraus den Provinzen Liaoning, Hebei, Jiangsu und Shanxi (Weiterbildung in wirtschaftspolitischer Analyse, entwickelte sich eine mehr als 20-jährige erfolgreiche Kooperation zur Stabilisierung der koreani- marktwirtschaftlicher Theorie und Empirie, Transformation sozialistischer Gesellschaften von der schen Demokratie an der Basis. Auf den Philippinen begann 1989 nach dem Fall der Marcos-Diktatur Plan- zur Marktwirtschaft), das Ministry of Agriculture, Peking (Ausbildung in modernen Methoden der Aufbau des National Institute for Policy Studies (NIPS), einer Vorfeldorganisation der Liberal Fortschrittskontrolle mit der Regierung zum Aufbau einer Modell-Fachschule für die VR der wirtschaftspolitischen Analyse), die Planning Commission, Provinzen Sichuan und Yunnan (Auf- Party, zur Förderung der demokratischen Entwicklung. In Thailand folgte noch vor dem Amtsantritt China in Changsha, Provinz Hunan, 1990 baukurse zur Rolle des Staates in der Marktwirtschaft) und die Chinese Academy of Social Sciences, der demokratischen Regierung Chuan Leekpai die Kooperation mit der Democrat Party und landes- Peking (angewandte Forschung zur Reformpolitik mit dem Rural Development Institute). Weiterhin weit agierenden Bürgerforen zur Stärkung der politischen Partizipation. Angesichts von 17 Militär- wurden Konferenzen zur Entwicklung eines modernen Wettbewerbsrechts/Kartellgesetzes mit dem putschen in Thailand in 30 Jahren wurde ein Programm zur Demokratisierung der Streitkräfte durch- Institute of Law veranstaltet, angewandte Feldstudien und Übersetzungen herausragender westlicher geführt, u. a. durch Studienreisen für hochrangige Offiziere nach Deutschland und England zum Dr. Surin Pitsuwan Ökonomen mit dem CASS-Verlag in Buchform herausgegeben – die vielfach Bestseller wurden – Dialog mit Führungsstäben der Bundeswehr, der British Armed Forces sowie der Verteidigungsmi- Gründungsvorsitzender des Council of und schließlich in Kooperation mit dem Unirule Institute of Economy, Peking, eine Beratung des nisterien beider Länder. In späteren Jahren ergab sich eine sehr fruchtbare und innovative Koope- Asian Liberals and Democrats (CALD), ersten nicht staatlichen wirtschaftspolitischen Thinktanks liberaler Ausrichtung in China durchgeführt. ration mit Thailands Wahlkommission. ehemaliger Außenminister Thailands, ehemaliger Generalsekretär der ASEAN-Staatengemeinschaft Aus der umfangreichen und komplexen Projektarbeit in China sei auf eine herausragende Maß- Unterstützung der demokratischen Opposition in Kambodscha nahme hingewiesen: das historische Strategieseminar zur Reformpolitik im Agrarsektor mit Füh- Nach Beendigung des Bürgerkrieges in Kambodscha durch den Pariser Friedensvertrag 1991 enga- „Obwohl verschiedenartig, ist unsere rungskräften aus Provinzen der VR China in Shenyang, Provinz Liaoning, im Frühjahr 1992, auf gierte sich die FNF ab 1992 beim Wiederaufbau des Landes und im sehr schwierigen Demokratisie- ASEAN-Region vereint durch das gemein- same Streben, eine Gemeinschaft aufzu- Wunsch und unter Leitung von Du Runsheng, Mitglied des Zentralkomitees (ZK) und des Staatsrates, rungsprozess. Die Projektarbeit konzentrierte sich auf die Stärkung nicht staatlicher Selbsthilfeini- bauen, in der die Völker Frieden, Direktor des Rural Development Institute der Strukturkommission des ZK und als enger Berater von tiativen der ländlichen Entwicklung, die Förderung von unabhängigen Menschenrechtsorganisatio- wirtschaftliche Prosperität und gute Lebens- Deng Xiaoping Pionier der marktwirtschaftlichen Reformpolitik in China, die er mit dem Selbstver- nen und die Zusammenarbeit mit der Buddhist und der Sam Rainsy Party im Rahmen qualität genießen können. Wir können dies antwortungssystem im Agrarsektor 1979 eingeleitet hatte. Es war die erste Veranstaltung in China, der politischen Bildungsarbeit und Politikberatung. Die Parteienkooperation wurde durch restriktive nur erreichen durch den festen Glauben an die Werte fundamentaler Freiheiten, Demo- um nach dem Reformstillstand 1989/90 wieder die marktwirtschaftliche Dimension zu stärken, nach und repressive Praktiken des autoritären Regimes außerordentlich erschwert, insbesondere wurde kratie, Menschenrechte und den Rechtsstaat. der berühmten Reise von Deng Xiaoping nach Südchina, in deren Verlauf er als „elder statesman“ Oppositionsführer Sam Rainsy durch politisch gesteuerte Gerichtsverfahren ins Exil getrieben. Für mehrere Dekaden eines andauernden En- einen Kurswechsel der Regierung erzwang, die Reformen wieder zu forcieren. Der entsprechende Gleichwohl konnten die Partner bei der politischen Bewusstseinsbildung, der Einforderung rechts- gagements ist die Arbeit der FNF und des Beschluss des Politbüros zur Fortsetzung der Reformpolitik erfolgte am 10.3.1992 und begründete staatlicher und freiheitlicher Prinzipien und bei Wahlen gewisse Erfolge erzielen. Council of Asian Liberals and Democrats instrumentell gewesen, unsere Gemeinschaft den Aufstieg Chinas zur globalen Wirtschafts- und Gestaltungsmacht in den folgenden zwei Dekaden. darauf hinzulenken, diese Werte und diese Verhandlungen mit dem Rektorat der Indonesien als Demokratielabor Vision zu realisieren.“ Hanyang University über ein Projekt zur Durch das starke und vielseitige Engagement der Stiftung und die überaus positive Resonanz der Nach dem Sturz des Suharto-Regimes 1998 entwickelte sich Indonesien für viele Jahre zu einem Förderung der kommunalen Selbstverwaltung Aktivitäten bei den Partnern wurde China für nahezu zehn Jahre zu einem Schwerpunktland in Labor für Demokratisierungsinitiativen. Die Stiftung verfügte aus ihrer 30-jährigen Präsenz im Lande und Dezentralisierung von Entscheidungs- strukturen in Südkorea, Seoul, 1986 Asien. Leider kamen die Projekte zu einem abrupten Ende, als die chinesische Führung die FNF im über hervorragende Kontakte bis hin zum späteren Präsidenten Abdurrahman Wahid, mit dem die Juli 1996 des Landes verwies, weil sie eine internationale Konferenz der Stiftung mit der tibetischen Zusammenarbeit zu einer Zeit begann, als er noch zu den Dissidenten zählte. Die FNF unterstützte Exil-Administration und den Tibet Support Groups im Juni 1996 in Bonn als Provokation und un- politische Parteien bei der Vorbereitung auf die Wahlen, bildete 50.000 Wahlbeobachter aus, in- vereinbar mit dem Gastrecht in der VR China ansah. Das Stiftungsbüro in Peking wurde geschlossen. formierte die 117 Millionen Wahlberechtigten durch Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen über die Die Partner wurden angewiesen, die Kooperation einzustellen. Bedeutung der Wahlen und das Wahlverfahren und führte mit den 300 bekanntesten Karikaturisten

50 51 des Landes eine Kampagne für Toleranz und demokratisches Miteinander durch. Nach den Wahlen Das Angebot der Opposition, den Verfassungsentwurf als Basis des Dialogs zwischen Militärregime, wurde im Rahmen eines EU-Projektes ein Parlamentarier-Netzwerk in Sumatra zur Aus- und Wei- NLD und den ethnischen Minderheiten zu übernehmen, wurde jedoch von den Generälen 1997 ab- terbildung von Abgeordneten der Distriktebene aufgebaut. Nach Ausgliederung der Polizei aus dem gelehnt. Die Projektarbeit konzentrierte sich in den Folgejahren darauf, die exilbirmanischen Partner Militärapparat folgte ein Projekt der Stiftung mit dem Partner Police Watch zur Demokratisierung in Thailand zu unterstützen, sie in den Politikdialog in Asien einzubinden (NCUB wurde CALD-Mit- der Sicherheitskräfte in Indonesien. glied) und vertrauensvolle Kontakte über Kuriere zur NLD in Yangon zu unterhalten. In Kooperati- on mit dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNDP) und der EU wurden ferner Bildungs- Kooperation mit dem Dachverband liberaler Parteien in Asien projekte mit nicht staatlichen Partnern in Myanmar durchgeführt. Erst die politische Öffnung des Die in den Jahren des Umbruchs der autoritären Regime entwickelten Beziehungen der FNF mit li- Landes erlaubte es seit 2010, das Engagement zu intensivieren. beral orientierten Parteien in Südost- und Ostasien führten 1993 zur Gründung des regionalen Sitzung aller Menschenrechtsaktivisten der regionalen und nationalen Arbeitsgruppen Dachverbandes liberaldemokratischer Parteien Asiens Council of Asian Liberals and Democrats Einsatz für Menschen- und Bürgerrechte Eröffnung der CALD-Konferenz „Politische aus sechs Ländern, die sich für die Errichtung Dimensionen der Globalisierung aus asiati- (CALD). Ihm gehören heute Parteien aus 14 Ländern an. Der CALD wurde zum wichtigsten Partner In fast allen Ländern der Region bestanden seit Mitte der 70er-Jahre Stiftungsprojekte mit einem des ASEAN-Menschenrechtsmechanismus scher Perspektive“ durch Teofisto Guingona, der Stiftung für politische Bildung und Politikdialog in der Region mit Konferenzen, Fortbildungen, breiten Spektrum nicht staatlicher Partner zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Sicherung von einsetzen, Jakarta, 2007 Vizepräsident der Philippinen, Manila, 2000 Publikationen sowie politischen Aktionen zur Demokratisierung (Wahlbeobachtungen, Pressekon- Menschen- und Bürgerrechten. Aus diesem Netzwerk entstand 1993 eine einzigartige private Ini- ferenzen, Interviews, Resolutionen). Mit den CALD-Parteien besteht eine Kooperation auch auf na- tiative zur Errichtung eines zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN- tionaler Ebene durch die Fortbildung von Nachwuchs- und Führungskräften und Politikberatungen. Staaten. Die Gründer der Regional Working Group (RWG) repräsentierten die Elite der Menschen- Aus dieser Arbeit entstand 2003 auch der regionale Dachverband liberaler Jugendorganisationen rechtsaktivisten Südostasiens und waren hochrangige Exponenten aus Justiz, Politik, Wissenschaft Young Liberals and Democrats of Asia (YLDA), die erste demokratische Jugendorganisation des Kon- und Zivilgesellschaft, darunter ein ehemaliger Sonderberichterstatter der UN für die Unabhängigkeit tinents überhaupt. von Richtern und Anwälten. Nach einem fast 20-jährigen zähen Verhandlungsprozess mit den ASEAN-Regierungen konnte der Partner 2009 die Verabschiedung der ASEAN-Menschenrechtskom- Zusammenarbeit mit Staatspräsident Kim Dae-jung mission und 2012 der ASEAN-Menschenrechtscharta erreichen. Die FNF hat durch ihre strategische Einer der CALD-Gründungsväter, der Oppositionsführer Südkoreas Kim Dae-jung, der mit der Stiftung Assistenz und eine Serie von Konferenzen mit den Partnern und Regierungsvertretern der ASEAN- im Rahmen ihres Korea-Projektes eng verbunden war, gründete 1994 das Forum of Democratic Lea- Staaten beim Europarat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ent- ders in the Asia-Pacific Region (FDL-AP) als internationale Demokratie- und Menschenrechtsorga- scheidend zu diesem Erfolg beigetragen. nisation. Dies führte zu einer Kooperation mit dem FDL-AP bei der Durchführung wichtiger Konferenzen zu aktuellen politischen Problemen in Asien (z. B. der Situation in Birma) sowie dem Liberalisierung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen Florencio Abad jährlich stattfindenden „Young Leaders Workshop Asia“. In den Jahren nach der Wahl Kim Dae- Auf Initiative der FNF wurde 1998 das Economic Freedom Network Asia (EFN Asia) als regionales Minister für Budget und Management, jungs zum Staatspräsidenten 1997 und der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn, aufgrund Netzwerk von wirtschaftsliberalen Forschungsinstituten und Thinktanks in Asien gegründet. Die ehemaliger Präsident des Parlamentes, seiner Rolle als führender Verteidiger der universellen Menschenrechte in Ostasien und seiner Ver- Mitglieder setzen sich für marktwirtschaftliche Strukturen, offene Märkte und Freihandel ein. Die Vorsitzender der Liberalen Partei Philippinen Dr. Marzuki Darusman söhnungspolitik gegenüber Nordkorea, hat sich die Beziehung mit diesem außergewöhnlichen Arbeit stützt sich auf den jährlich publizierten Economic Freedom of the World Report, dessen In- Ko-Vorsitzender der ASEAN-Menschen- „Wir sind inmitten einer grundlegenden Ver- Staatsmann und seiner Partei, dem National Congress for New Politics, noch weiter intensiviert. dikatoren den Grad wirtschaftlicher Freiheiten messen. Es werden jährliche Konferenzen zu Pro- rechtslobby RWG, ehemaliger General- änderung der Politik auf den Philippinen, blemen der Wirtschafts- und Ordnungspolitik im asiatischen Raum veranstaltet. Damit trägt das staatsanwalt und Parlamentarier, Indonesien indem die Welle der Reform sich zunehmend Unterstützung der demokratischen Opposition in Myanmar Netzwerk dazu bei, den Austausch, die Zusammenarbeit und die Lobbyaktionen der Mitglieder sys- in Richtung transparenter, verantwortlicher „Die Kooperation zwischen der RWG und Seit 1990 unterstützte die FNF den Dialog der National League for Democracy (NLD) und ihrer cha- tematisch zu fördern. Die Thematisierung der Bedeutung wirtschaftlicher Freiheiten für das Leis- und partizipativer Führung wendet. Die der FNF war dauerhaft, dank eines geteilten Wende der Aquino-Administration zu guter rismatischen Vorsitzenden Aung San Suu Kyi mit dem Militärregime in Myanmar. Im Mittelpunkt tungsprofil nationaler Volkswirtschaften ist ein Schwerpunkt der Projektarbeit der Stiftung in Asien. Verständnisses darüber, was innerhalb der Regierungsführung – ihrerseits ausgehend der Projektarbeit stand das Ziel, einen föderativen Verfassungsentwurf zu erarbeiten. Er konnte ASEAN-Staatengemeinschaft tatsächlich von den Prinzipien des Liberalismus – findet nach mehrjährigen Beratungen zwischen der birmanischen Exil-Organisation National Coalition of Entwicklungen und Trends in neuerer Zeit erreichbar war, aufbauend auf sichtbaren einen wertvollen Partner in der FNF, die ein Veränderungen, die den historischen Fort- the Union of Burma (NCUB), der Parteiführung der NLD und den ethnischen Minderheiten mit As- Die Zusammenarbeit der FNF mit „klassischen“ Thinktanks und Forschungsinstituten hat in der Re- unermüdlicher Anwalt für fruchtbaren politi- schritt markieren, in Richtung auf eine immer schen Dialog und Reform der Regierungsfüh- sistenz der Stiftung fertiggestellt werden. Der Projektleiter der FNF in Bangkok fungierte dabei auf gion eine sehr lange Tradition. Mit der Demokratisierung und erheblich erweiterten Freiheitsgraden demokratischere, Menschenrechte respektie- rung im Lande geblieben ist.“ Reisen nach Yangon als persönlicher Bote der Exil-Birmanen in Gesprächen mit Aung San Suu Kyi. der Zivilgesellschaften entstand eine neue Kategorie von Thinktanks und Bürgerinitiativen mit einer rende und regelbasierte Regionalorganisation.“

52 53 explizit freiheitlichen Agenda, wie das Freedom Institute, das Netzwerk liberaler Islam, das Radio (davon 31 in Indien). Partner waren Verbände von kleinen und mittleren Unternehmen, Industrie- Forum Freiheit in Indonesien, die Internet-Zeitung Malaysiakini oder die Rechtshilfeinitiative in- und Handelskammern, Forschungsinstitute, Thinktanks, politische Institutionen, Bürger- und Men- tellektueller Frauen „Sisters in Islam“ in Malaysia. Sie sind heute Partner der Stiftung, überzeugen schenrechtsinitiativen. Parallel entstanden Regionalprojekte zur Förderung der wirtschaftlichen In- mit innovativen Ideen und Konzepten und eröffnen neue Perspektiven. tegration, des Rechtsstaates und Politikdialogs in Südasien.

Als erste deutsche Stiftung hat die FNF 2004 den Dialog mit der Demokratischen Volksrepublik Pionierprojekte der Aufbauphase Korea (DVRK) aufgenommen. Das Programm umfasst Fachkolloquien und Workshops zur Reform Das erste Projekt in Südasien begann 1969 mit dem Aufbau der Akademie für Erwachsenenbildung des Wirtschaftssystems, zu marktwirtschaftlichen Instrumenten der Wirtschaftspolitik und Erfah- des Leslie Sawhny Programme of Training for Democracy (LSP) in Bombay, einer Initiative von Minoo rungen aus der Transformation sozialistischer Planwirtschaften sowie Informationsreisen für Füh- Masani, dem Gründer und Generalsekretär der liberalen Swatantra-Partei in Indien. Zielsetzung des rungskräfte nach Deutschland. Darüber hinaus hat die Stiftung den informellen Dialog zwischen Partners war es, Schlüsselgruppen gesellschaftlicher Führungskräfte aus Politik, Verwaltung, Wirt- der DVRK und der Europäischen Union durch hochrangig besetzte Foren über die Entwicklung der schaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft für die aktive Mitarbeit an einem freiheitlichen, demo- bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in Brüssel und Pjöngjang organisiert. Im Frühjahr 2012 wurde kratischen Staatswesen zu gewinnen. Es wurden Lehrgänge und Kolloquien zu aktuellen Fragen der ferner ein Neuprojekt der FNF zur Förderung marktwirtschaftlicher Transformation und Reformpolitik Entwicklungs-, Rechts-, Sozial-, Wirtschafts- und Medienpolitik in dem von der FNF errichteten I. A. Rehman in der SR Vietnam begonnen. Inhalt ist die Beratung von Entscheidungsträgern der Regierung beim Bildungszentrum in Deolali bei Bombay und dezentral in den Bundesstaaten der indischen Union Generalsekretär der Menschenrechts- Umbau dirigistisch-planwirtschaftlicher Instanzen in Richtung marktwirtschaftlicher Strukturen. durchgeführt. Das LSP hat zahlreiche Publikationen und ein Magazin für Wirtschafts- und Sozial- kommission von Pakistan (HRCP) politik herausgegeben. Das Projekt lief 1985 aus und wird bis heute vom Partner erfolgreich fort- „Die HRCP hat ein breites Mandat: geführt. Mit einigen Trägern des LSP arbeitete die Stiftung bis 2008 über das Project for Economic Sie versucht, die bürgerlichen und politischen Education zusammen, das landesweit liberale Ideen und Reformkonzepte verbreitete. Rechte der pakistanischen Bevölkerung zu Südasien fördern und zu verteidigen. Wir haben eine langjährige Verbindung mit der FNF gehabt In Sri Lanka wurde 1972 die Zusammenarbeit mit dem Marga Institute aufgenommen. Der Partner und finden, dass die Stiftung ein starkes In- Politische und regionale Ansatzpunkte wurde damals als autonomes sozioökonomisches Forschungs- und Entwicklungszentrum gegründet, teresse an politischen und gesellschaftlichen Die Region Südasien umfasst die Länder der South Asian Association for Regional Cooperation das durch interdisziplinäre, angewandte Feldstudien die Basis für konkrete Pilotprojekte und wich- Fragen sowie der Verbesserung der politischen (SAARC) und ist durch extreme Heterogenität ihrer Mitglieder gekennzeichnet. Das britisch-kolo- tige Daten zur Entwicklung der nationalen Wirtschaft, vor allem des Agrarsektors, lieferte. Darüber und sozialen Lage der Bevölkerung hat. Wir finden diese Kooperation sehr nützlich niale Erbe hat, bei allen Fehlentwicklungen, mit Indien und Sri Lanka zwei der ältesten liberalen hinaus wurden Forschungsstudien über Entwicklungsprobleme in den Regionen Süd- und Südost- für unsere Arbeit.“ Demokratien der Dritten Welt hervorgebracht, gleichwohl haben sich die politischen Systeme, In- asiens erstellt. Unter seinem Vorsitzenden Gamani Correa (ab 1974 Generalsekretär der UNCTAD) stitutionen und Kulturen in Südasien sehr unterschiedlich entwickelt. In allen Staaten wurden entwickelte sich das Marga Institute zu einer Institution mit internationalem Ansehen, die maß- Schritte zur Liberalisierung der Wirtschaft eingeleitet, dennoch gingen die Reformen nicht weit geblich an der UNCTAD IV-Konferenz beteiligt war. Der Partner vermittelte der FNF auch die ersten genug, um Defizite rascher abzubauen und Potenziale auszuschöpfen. In allen Ländern manifestieren Kontakte zur Akademie der Sozialwissenschaften in der VR China. Seine Auftraggeber waren vor sich regionale, ethnische, religiöse und separatistische Konfliktstrukturen und Fundamentalismen, allem nationale Ministerien und internationale Organisationen. Herausragende Beispiele aus der zumeist mit Rückwirkungen auf die Nachbarländer. Die FNF setzte sich in Südasien prioritär für die langjährigen Kooperation mit der FNF waren eine Studie über das Parteiensystem in Sri Lanka und Modernisierung und Stärkung von Institutionen der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freien das Forschungsprojekt „Systematische Analyse der Regierungsvorschläge zur Lösung des ethnischen Marktwirtschaft sowie die Förderung von Freiheit und Verantwortung innerhalb der Zivilgesellschaft Konfliktes zwischen Singhalesen und Tamilen“ unter dem Titel „Macht-Dezentralisierung als Lösung ein. Ansatzpunkte waren und sind Wirtschaftsförderung, Stärkung des Rechtsstaates, der Men- des ethnischen Konfliktes“. Das Marga Institute ist nach 40 Jahren erfolgreicher Arbeit eine der re- schenrechte und aktiven Bürgerbeteiligung sowie Konfliktprävention und -bewältigung. Die Koor- nommiertesten Institutionen Sri Lankas. dination der Aktivitäten erfolgt durch das Regionalbüro der FNF in New Delhi. Ebenfalls 1972 begann in Sri Lanka die Kooperation der FNF mit der buddhistischen Sarvodaya Regionale Schwerpunkte Shramadana-Bewegung, einer von Dr. A. T. Ariyaratne gegründeten, eigenständigen Freiwilligenor- Die FNF hat sich in den 60er- und 70er-Jahren mit drei Pionierprojekten in Indien und Sri Lanka enga- ganisation, mit dem Ziel, die Bevölkerung im ländlichen Raum durch Motivations- und Bildungs- giert. Seit 1980 entstanden 68 neue Vorhaben in Indien, Sri Lanka, Pakistan, Nepal und Bangladesch maßnahmen zur Selbsthilfe und für entwicklungsrelevante Eigeninitiativen in ihren Dörfern zu mo-

54 55 bilisieren. Die Stiftung förderte Dorfentwicklungsprogramme auf Selbsthilfebasis, die Ausbildung von Nachwuchs- und Führungskräften sowie die Errichtung eines zentralen Ausbildungszentrums.

Schwerpunkt wirtschaftliche Selbstorganisation und Liberalisierung Die Ausweitung des Engagements in Südasien in den 80er-Jahren begann durch Projekte der länd- lichen Entwicklung in Indien, Pakistan und Nepal mit nicht staatlichen Partnern, nämlich die Förde- rung von der Basis getragener Initiativen durch Mobilisierung, Beratung und Ausbildung von Selbst- hilfegruppen, Führungskräften und Dorfkomitees. In Nepal wurden einkommensschaffende Maß- nahmen, die Ausbildung von Multiplikatoren und Rechtsberatung mit funktionaler Alphabetisierung von Frauen und Mädchen (Analphabetenrate damals 97 Prozent) in abgelegenen Gebirgsdörfern des Himalaya kombiniert. Die Förderung der gewerblichen Wirtschaft wurde 1988 mit dem Dach- Prof. Rajmohan Gandhi verband der Industrie- und Handelskammern in Sri Lanka eingeleitet. Ab 1990 folgten 17 Neupro- Emeritierter Professor, University of Illinois, jekte in Indien in Kooperation mit den Dachorganisationen der Industrie- und Handelskammern USA, ehemaliges Mitglied im Oberhaus des (FICCI, ASSOCHAM, CECCH), dem Dachverband der Kleinindustrie ICSI, dem Dachverband der Un- indischen Parlamentes, Ko-Vorsitzender des Centre for Dialogue and Reconciliation ternehmerinnen ICWE sowie Verbänden der Kleinindustrie, des Handwerks und der Genossenschaf- (CDR), Enkel des Mahatma Gandhi 1 2 ten in den Bundesstaaten. Kernbestand der Projektarbeit waren jeweils Beratung und Ausbildung für klein- und mittelständische Unternehmen, Stärkung der Autonomie und Managementkapazitäten „Trotz einigem beeindruckenden Wirtschafts- der Verbands- und Kammersysteme als autonome Interessenvertretungen und Dialogprogramme wachstum begegnet Südasien großen Hemmnissen auf dem Wege zu ordentlicher zur Liberalisierung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Dieser Projektansatz wurde Regierungsführung, Handel und guten Bezie- flankiert durch die Kooperation mit renommierten Managementinstituten wie dem Indian Institute hungen innerhalb und zwischen seinen Län- of Management (IIM) und dem Entrepreneurship Development Institute of India (EDI). Ein heraus- dern. Die FNF hat eine beständige Rolle dabei ragender Erfolg der selbstbestimmten Gewerbeförderung sei hier genannt: Der Partner Cooperative gespielt, Südasiaten in ihren Bemühungen zu unterstützen, diese Barrieren zu verringern. Development Foundation schaffte es, in neun indischen Bundesstaaten ein liberales Genossen- Insbesondere applaudiere ich der Partner- schaftsgesetz einzuführen. Die vorsichtigen Liberalisierungsschritte der indischen Regierung ab schaft der Stiftung bei den Versuchen der 1991 begünstigten den Dialog der Stiftungspartner mit der Exekutive über den Abbau von Restrik- Südasiaten, die Beziehungen zwischen Indien tionen sowie die komparativen Vorteile wirtschaftlicher Freiheiten und marktwirtschaftlicher Struk- und Pakistan und die Situation in Kaschmir zu verbessern.“ turen für die indische Volkswirtschaft.

Das starke und vielseitige Engagement der FNF mit Verbänden und Kammern der Wirtschaft in Süd- asien führte 1994 zu einem innovativen Schritt auf regionaler Ebene. Seit Jahren war die Gründung einer südasiatischen Industrie- und Handelskammer im Rahmen der South Asian Association for Regional Cooperation diskutiert worden, ohne sichtbares Ergebnis. Hier ergriff die FNF nun die Ini- 3 4 tiative und brachte im Juni 1993 Vertreter der nationalen Industrie- und Handelskammern Südasiens auf einer Studienreise nach Brüssel zusammen. Auf einem Folgetreffen in New Delhi im Oktober wurde die SAARC Chamber of Commerce and Industry (SCCI) gegründet und der Pakistaner S. M. Inam zum Vorsitzenden gewählt. Im Februar 1994 konnte die SAARC-Kammer in Dhaka, Bangla- 1. Regionalseminar: „Die Rolle von Basisorganisationen im Entwicklungsprozess asiatischer Länder“, Bangalore, 1983 desch, in Anwesenheit der Premierministerin und turnusmäßigen SAARC-Vorsitzenden Khaleda Zia 2. Mitgliederversammlung von Liberal Youth South Asia (LYSA), Cochin, Indien, 2008 3. Asia Liberty Forum mit Thinktanks aus 30 Ländern Asiens in New Delhi, 2013 feierlich konstituiert werden. Damit begann ein bis heute andauernder Einsatz der Stiftung mit der 4. Udaipur, Indien regionalen Industrie- und Handelskammer für wirtschaftliche Integration, Zollpräferenzabkommen,

56 57 Abbau von Handelsschranken und die Verteidigung wirtschaftlicher Freiheiten durch direkten Dialog litischer Führungs- und Nachwuchskräfte und in der aktiven Mitwirkung an politisch wichtigen mit den Regierungen. Das Projekt zeigt bis heute, dass zivile Netzwerke in einer heterogenen Region Vorhaben: Entwicklung des Regierungsplans für die Kommunalwahlen, Gesetzesentwürfe für Ge- mit unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer durchaus tragfähige Gemeinsamkeiten schaf- meindefinanzierung, Wahlrecht und Parteien. fen können. Die Kooperation mit den liberalen Bürgerinitiativen Association of Youth for a Better India, Liberal Sozioökonomische Forschung, Politikanalyse und Einsatz für Marktwirtschaft Youth Forum India, Council for Liberal Democracy (CLD) und Liberal Youth Guilds in Sri Lanka mit Ab 1980 entwickelte sich schrittweise eine Zusammenarbeit mit insgesamt elf privaten Forschungs- ihrer Academy for Political Leadership sowie dem Liberalen Forum in Pakistan dienten der Qualifi- instituten und Thinktanks in Indien, Pakistan, Sri Lanka, Nepal und Bangladesch zur Förderung nicht zierung gesellschaftlicher Führungskräfte und der Verbreitung liberaler Reformkonzepte. Besonders staatlicher Initiativen der gewerblichen Wirtschaft, ländlichen Entwicklung, Wirtschafts-, Finanz-, erfolgreich waren die Liberal Youth Guilds, aus deren Reihen bereits vier Parlamentsabgeordnete Umwelt- und Verbraucherpolitik. Maßnahmen waren angewandte Feldstudien, die Fortbildung von und etliche Mandatsträger auf lokaler und Provinzebene hervorgegangen sind. Der international Convention on Liberal Values mit einer Multiplikatoren und Dialogprogramme zur Reformpolitik. Dabei ging es um restriktive Bedingungen renommierte srilankische Partner Centre for Policy Alternatives hat mit einer vielbeachteten Publi- Vielzahl von hochrangigen indischen S. H. der XIV. Dalai Lama Tenzin Gyatso Führungskräften, moderiert von Dr. Otto Graf für private Unternehmen, regulatorische Hürden der staatlichen Bürokratie, Ineffizienz, Verschwen- kationsserie zu brennenden verfassungspolitischen Themen den politischen Diskurs in Sri Lanka Friedensnobelpreisträger Lambsdorff, Vorsitzender des Vorstandes der dung und Korruption im öffentlichen Sektor, staatliche Monopole (Banken, Versicherungen, Post, stark beeinflusst. FNF, und Sir David Steel, Präsident von Energie, Telefon, Eisenbahn, Fluggesellschaften), Defizite in Infrastruktur und Ausbildung sowie po- „Die FNF hat in den letzten 50 Jahren Men- Liberal International, in New Delhi,1996 schenrechte, Demokratie und den Rechtsstaat litische Reformparalyse durch zerstrittene Parteien. Die Partner legten profunde Analysen über Kooperation mit der tibetischen Minderheit in Indien in mehr als 60 Ländern der Welt gefördert. strukturelle Defizite, öffentliche Fehlinvestitionen, Fehlanreize der Wirtschaftspolitik und bürokra- In Indien leben heute etwa 100.000 Tibeter, Flüchtlinge aus der VR China und deren Nachkommen. Darin einbezogen war eine standhafte Unter- tische Hemmnisse vor, um die negativen Wirkungen der staatlichen Kontroll- und Lenkungspraxis Sie verfügen über einen Flüchtlingsstatus, sind also keine indischen Staatsbürger. Der indische Staat stützung für tibetische demokratische Bestre- zu demonstrieren. Mit den Thinktanks Rajiv Gandhi Institute, New Delhi, und Alternate Solutions stellt ihnen Identitätsdokumente aus, die auch Auslandsreisen ermöglichen. Freizügigkeit hinsicht- bungen. Seit meiner Kindheit in Tibet habe ich die Notwendigkeit für die tibetische Ge- Institute, Islamabad, wurden die Erkenntnisse der World Economic Freedom Reports des kanadischen lich kultureller und religiöser Belange sowie Bildung und Erziehung ist gewährleistet, aber politische sellschaft erkannt, sich zu ändern und der Fraser Institute und seines weltweiten Netzwerkes von 50 Instituten verbreitet. Dabei erfolgte eine Betätigung, die die indischen Beziehungen zu China tangiert, ist der Gemeinschaft und ihren Insti- modernen Welt anzupassen. Doch unsere enge Kooperation mit dem Economic Freedom Network Asia. In Indien wurde zudem die wirtschaft- tutionen nicht erlaubt. Versuche, Reformen einzuführen, wurden liche Freiheit in einzelnen Bundesstaaten untersucht – ein Projekt mit großer politischer Folgewir- vereitelt, während ich noch in Tibet war. Nachdem wir ins Exil kamen, haben wir den kung, da es die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Seit 1991 besteht eine Partnerschaft der FNF mit dem Parlament der Exil-Tibeter, der Assembly of Aufbau demokratischer Strukturen für die im nationalen Kontext aufzeigte. Daran entzündete sich eine intensive Diskussion in den Medien. Tibetan People’s Deputies (ATPD) mit Sitz in Dharamsala, Bundesstaat Himachal Pradesh, Nordindien, tibetische Selbstverwaltung, die als Arbeits- und seinem Forschungszentrum, dem Tibetan Parliament and Policy Research Center (TPPRC) in modell für die Zukunft unseres Landes die- Politische Bildung und Politikberatung New Delhi. Das Zentrum führt politische Bildungsarbeit unter Multiplikatoren der Exil-Tibeter in nen würden, als von höchster Bedeutung angesehen. In den letzten beiden Dekaden ist Mitte der 80er-Jahre begannen neue Vorhaben der politischen Bildung und Politikberatung. Die Di- ganz Indien durch, um das Bewusstsein der Tibeter im Sinne von Demokratie, Rechtsstaat und in- die FNF ein zuverlässiger Partner gewesen, rektwahl der Distrikt- und Dorfparlamente in Nepal führte zur Förderung des Central Panchayat nerer Autonomie für ihr Land zu schärfen, Nachwuchskräfte auszubilden und den Kontakt zwischen indem sie uns half, unsere demokratischen Präsentation des World Economic Freedom Training Institute (CPTI), eines Ausbildungszentrums für Kommunalpolitiker und -beamte mit dem der tibetischen Selbstverwaltung in Dharamsala und den weit verstreuten tibetischen Siedlungen Institutionen zu stärken und eine neue Ge- Report – Ausgabe Pakistan, mit dem Partner- neration tibetischer Führungskräfte heranzu- Thinktank Alternate Solutions Institute, Ziel einer Qualifizierung und Stärkung der Parlamentarier gegenüber der mächtigen Staatsbüro- in Indien zu vertiefen. TPPRC bereitet Wahlen zum Parlament der Exil-Tibeter vor und schult Wahl- bilden, durch Training notwendiger Fertig- Islamabad, 2006 kratie. In Sri Lanka wurde die FNF aufgrund guter Beziehungen zur regierenden United National helfer, es dokumentiert die Arbeit des Parlamentes, um die Exil-Tibeter über diese informiert zu hal- keiten, um unsere Demokratie eine lebendige Party (UNP) 2002 gebeten, eine Politikberatung zum Thema „Reform der Parlaments- und Kommu- ten. Durch Konferenzen, Seminare und Publikationen versuchen die Partner, Unterstützung für die Realität werden zu lassen. nalwahlen“ durchzuführen. Damit wurde erstmals in der Geschichte des Landes ein Vorschlag einer Bürger- und Menschenrechte der Tibeter zu gewinnen. TPPRC fungiert als Thinktank der demokra- Anlässlich ihres goldenen Jubiläums möchte ausländischen Einrichtung dem Parlament vorgelegt. tisch gewählten ATPD. Die FNF tritt weltweit für die Bürger- und Menschenrechte ein, dies gilt auch ich meine Glückwünsche aussprechen und viel Erfolg wünschen.“ für die Rechte ethnischer Minderheiten. Die Stiftung hat von 1996 bis 2007 mehrere Konferenzen In Pakistan stellen das Erbe der Militärdiktaturen, die Islamisierungstendenzen im Rechtswesen und der weltweiten Tibet-Unterstützungsgruppen in Europa in Zusammenarbeit mit dem Dalai Lama und öffentlichen Leben sowie die feudalistischen Gesellschaftsstrukturen für liberale Kräfte in Politik der ATPD unterstützt. Die Kooperation mit den Exil-Tibetern konzentriert sich seit 2008 auf die und Zivilgesellschaft besondere Herausforderungen dar. Die Partner der Stiftung, wie das Liberal Stärkung demokratischer Strukturen und Verfahren ihrer Selbstverwaltungsorgane in Indien. Forum Pakistan, Individualland u. a. engagierten sich im politischen Diskurs, in der Fortbildung po-

58 59 Maja Daruwala Einsatz für Menschen- und Bürgerrechte Schwerpunkt Konfliktprävention und Friedenssicherung in Südasien Direktorin, Commonwealth Human Rights Die ersten Rechtshilfeprojekte entstanden 1989 in Pakistan. Partner der Stiftung waren die Men- Die FNF hat sich mit ihren Partnern mehrfach in Konfliktsituationen in Südasien engagiert, um auf Initiative (CHRI) schenrechtsorganisation Human Rights Commission of Pakistan, die AGHS Legal Aid Cell und das der Ebene des Dialogs zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und staatlichen Organen Beiträge „Rechte brauchen Anwendung und Demokra- Komitee zur Abschaffung der islamischen Hudood-Gesetzgebung. Sie unterstützten vor allem dis- zum politischen Konfliktmanagement zu leisten. Ob durch den Bürgerkrieg in Sri Lanka, maoistische tien brauchen Kommunikationsflüsse, Partizi- kriminierte Frauen in islamischen Familien- und Eherechtsfragen sowie zu Unrecht verurteilte min- Aktionen in Nepal und Indien oder die Gewalt in Kaschmir, der Frieden und damit die Freiheit in pation und Transparenz. Daher hat unsere derjährige Mädchen. Herausragende Persönlichkeit der Partner war die prominente Anwältin beim und zwischen den Staaten Südasiens waren gefährdet. Deshalb erfolgten in Nepal 1993 Verfas- Organisation bewusst den Weg gewählt, für den Zugang zur Justiz und den langfristigen Obersten Gerichtshof und Menschenrechtsaktivistin Asma Jahangir, Mitbegründerin der Menschen- sungsberatungen der Regierung mit dem Partner Nepal Law Society durch Kurzzeitexperten der Zugang zu Informationen zu arbeiten, denn rechtskommission und Initiatorin der AGHS Legal Aid Cell. Sie unterhielt ein Haus für verfolgte FNF, um den Übergang vom autoritären zum demokratischen Regierungssystem zu unterstützen. dies sind schwierige Herausforderungen. Wir Frauen, verteidigte diskriminierte Frauen in exemplarischen Gerichtsprozessen und bekämpfte frau- In Sri Lanka wurde nach Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition im Jahr 2000 im Rah- glauben, dass sie lebenswichtig sind, um De- enfeindliche Gesetzestexte und Rechtsprechung. Sie wurde damit zum Feindbild der konservativen men eines Verfassungsforums des Partners Institute for Democracy and Leadership (IDL) mit Regie- mokratie perfekter zu machen und eine freie Dr. Irmgard Schwaetzer Gesellschaft zu verwirklichen. Der singuläre islamischen Gesellschaft und u. a. Ziel einer Fatwa und eines Attentats. Asma Jahangir ist Trägerin rung, Opposition und allen ethnischen Gruppen eine Analyse der gegebenen Handlungsalternativen Vorstandsmitglied der FNF, beim Vortrag auf Beitrag der FNF bestand in ihrer Bereitschaft, des Freiheitspreises von Liberal International und war zweifach Sonderberichterstatterin der Ver- im ethnischen Konflikt vorgenommen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Sri Lanka wurde 2010 dem Symposium „Verfassungen für die Frei- diesen Weg mit uns langfristig zu gehen und einten Nationen (zunächst für außergerichtliche und Massen-Hinrichtungen sowie standrechtliche mit dem Centre for Policy Alternatives eine Studie zur Dezentralisierung erstellt. heit: 60 Jahre Demokratie in Deutschland und Indien“, New Delhi, 2010 unterwegs nicht zu ermüden.“ Erschießungen, nachfolgend für Religions- und Glaubensfreiheit). Der langjährige Konflikt in Kaschmir, der die gesamte Region tangiert, hat zahlreiche einflussreiche In Pakistan erstellte die FNF 2000 mit dem Fazaldad Human Rights Institute ein Basis-Curriculum Interessengruppen entstehen lassen, die in den Friedensprozess einbezogen werden müssen. Der zur Menschenrechtserziehung an Schulen sowie ein Trainingsprogramm für Lehrer. Auf dieser Basis Partner Centre for Dialogue and Reconciliation (CDR) in Indien, gegründet von Rajmohan Gandhi, wurden über 900 Menschenrechtssendungen von insgesamt 17 Rundfunksendern in neun Landes- einem Enkel des Mahatma, bringt diese Akteure zusammen und bietet ihnen eine Diskussionsplatt- sprachen ausgestrahlt. Ferner wurden in allen pakistanischen Kinos im Vorprogramm drei- bis fünf- form, um gemeinsam Konfliktlösungen zu erarbeiten. Das CDR fördert auch Begegnungen für zivil- minütige Menschenrechtsfilme gezeigt. Mit der Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI) gesellschaftliche Akteure aus Indien und Pakistan an, z. B. einen Wettbewerb für die juristischen und ihren pakistanischen Partnern erfolgte 2010 die Vorbereitung eines Informationsfreiheitsge- Fakultäten beider Länder mit simulierten Gerichtsverhandlungen zur Konfliktregulierung. Dadurch setzes in Pakistan, in dem das Recht auf Information gesetzlich verankert wird. Die CHRI hatte in wurden neue Dialog- und Kommunikationskanäle eröffnet. Indien mit Unterstützung der Stiftung als Teil einer NGO-Koalition einen wichtigen Beitrag zur Ein- führung eines solchen Gesetzes geleistet, das seither einen wesentlichen Schub an Transparenz be- wirkt hat. Das Centre for Peace and Development Initiatives (CPDI) begann 2010 mit einer breit angelegten Kampagne zur Gesetzesreform. In ganz Südasien bildet die Stiftung Moderatoren aus Mittel-, Südost- und Osteuropa, und verbessert dadurch die Reformarbeit. Südkaukasus und Zentralasien In Indien erfasste die FNF in einem 2006 bis 2008 von der EU geförderten Projekt „Preventing Tor- ture“ mit People’s Watch Tamil Nadu über 6.000 Fälle von Folter in Polizeihaft und brachte sie vor Lange vor dem Fall der Berliner Mauer und der Implosion des kommunistischen Herrschaftssystems Konferenz des Council of Asian Liberals and Gerichte und Menschenrechtskommissionen – und zwar in neun indischen Bundesstaaten. Die Daten in den Staaten Mittel-, Südost- und Osteuropas wurden bereits Mitte der 70er-Jahre politische Democrats (CALD) „Schaffung von Wohlstand wurden für eine nationale Kampagne genutzt, um Öffentlichkeit und Politik zu sensibilisieren und Kontakte, insbesondere nach Warschau und Prag, aufgenommen. Die Neue Ostpolitik der Ära Brandt/ und nachhaltiger Entwicklung“ mit Premier- minister Ranil Wickremesinghe, Sri Lanka, rechtsstaatliche Strukturen durchzusetzen. Zugleich half die Stiftung bei der Initiierung eines süd- Scheel stand seit 1969 unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“. Es entstanden neue Mög- Dr. Wolf-Dieter Zumpfort, stellv. Vorsitzender asiatischen Netzwerkes zur Polizeireform. Da eine Reform der Polizei und das Recht auf Information lichkeiten eines West-Ost-Dialogs aufgrund internationaler Entwicklungen und interner Zwänge des Vorstandes der FNF, Senator Franklin in allen Staaten Südasiens zentrale Anliegen sind, baut die Commonwealth Human Rights Initiative der Sowjetunion zur Modernisierung ihrer Volkswirtschaft. In diesen Zusammenhang gehört auch Drilon, Philippinen, CALD-Vorsitzender, zu beiden Themen zivilgesellschaftliche Netzwerke auf. Auf regionaler Ebene hat die Stiftung ferner das Viermächteabkommen über Berlin von 1971. Der Geist einer vorsichtigen Verständigung führte Florencio Abad, Vorsitzender der Liberal Party, Philippinen, und Sam Rainsy, Oppositions- mit verschiedenen südasiatischen Menschenrechts- und Minderheitengruppen zu den Themen zu einer Reihe zwischenstaatlicher Verträge mit den Nachbarn Deutschlands im Osten und gipfelte führer, Kambodscha (v. r.), Colombo, 2003 Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsschutz und friedliche Konfliktlösung zusammengearbeitet. 1975 mit der Schlussakte von Helsinki in der Gründung der Konferenz für Sicherheit und Zusam- menarbeit in Europa (KSZE, seit 1995 OSZE) mit mittlerweile 57 Teilnehmerstaaten und Sitz in Wien.

60 61 Dieser Staatenkonferenz und späteren ständigen Organisation zur Friedenssicherung und zum Wie- deraufbau nach Konflikten gehören alle Staaten Europas, die Türkei und seit November 2012 auch die Mongolei sowie die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA und Kanada an. Konsultation statt Konfrontation war zum neuen Leitbild eines Weges west-östlichen Dialogs geworden.

Bereitstellung von Fördermitteln aus dem Bundeshaushalt Durch die Bereitstellung von Fördermitteln sowohl aus dem Auswärtigen Amt als auch aus dem Bundespresseamt waren bereits ab 1980 erste Treffen mit Journalisten und Persönlichkeiten aus dem Wissenschafts- und Kulturmilieu Polens, der Tschechoslowakei und Ungarns möglich. Es kam zu mehreren Besuchsprogrammen, an denen liberal denkende Intellektuelle und Journalisten teil- Grigory Yavlinsky Ehemaliger Vorsitzender der liberalen Russian nahmen, u. a. der einflussreiche Dariusz Fikus, Generalsekretär des polnischen Journalistenverbandes, United (), und Krzysztof Klinger, der Sekretär für auswärtige Beziehungen des Verbandes (SDP). Die Verhängung ehemaliger Präsidentschaftskandidat des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981 als Reaktion auf die angewachsene Macht der Soli- Russlands darnosc-Bewegung´´ beendete diesen Austausch zwar abrupt, beschleunigte aber zugleich die weitere „Der Beginn der Partnerschaft von Yabloko demokratische Entwicklung im kommunistischen Machtbereich. 1 2 mit der FNF geht auf die Tage der Öffnung ihres Moskauer Büros und die Gründung un- Selbstbestimmung und Freiheit in Mittel-, Südost- und Osteuropa (MSOE) serer Partei zurück. Unsere Partnerschaft hat Die unwahrscheinlichste aller erhofften politischen Entwicklungen war eingetreten. Die kommu- demonstriert, wie effizient die Interaktion zwischen einer Stiftung mit reicher Erfah- nistischen Vasallenregime der Sowjetunion waren zum Ende der 80er-Jahre in einer atemberau- rung in der Förderung demokratischer Werte benden Geschwindigkeit zusammengebrochen. In den Ländern, in denen kommunistischer und und Unterstützung demokratischer Projekte faschistischer Terror und die Schrecken des Zweiten Weltkrieges am furchtbarsten gewütet hatten, und einer neu geschaffenen Partei unter den wo demokratische Entwicklungen entweder noch nie oder nur für kurze Zeit zwischen den Welt- schwierigen russischen Bedingungen sein kann. Wir wissen die große Zahl gemeinsa- kriegen stattgefunden hatten, verwirklichte sich das wichtigste Prinzip des Liberalismus, nämlich mer Projekte zu schätzen. Viele derjenigen, das Recht des Bürgers auf Selbstbestimmung und Freiheit, allerdings ohne dass dies den neu ent- die an solchen Programmen teilgenommen standenen liberalen Parteien zugutekam. haben, nutzen die erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in ihrer heutigen politischen Arbeit. Ich persönlich schätze den Wert Erste Büros in Budapest, Warschau und Prag meiner kontinuierlichen Kommunikation mit Das erste Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Ungarn eröffnete Dr. Martin Ban- Otto Graf Lambsdorff und anderen Führern gemann, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung, im Jahre 1989 in der vorsichtigen Hoffnung, dass der FDP und der FNF. Mit Unterstützung von die Entwicklung der Region bald weitere Büros in anderen Ländern ermöglichen würde. Bereits ein FDP und FNF wurde Yabloko Vollmitglied der Liberalen Internationale und in der Allianz Jahr später hatte sich eine ständige Zusammenarbeit mit Partnern in Polen, der Tschechoslowakei, der europäischen Liberalen und Demokraten Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien etabliert. Gleich zu Beginn des Systemwechsels wurde die 3 4 (ALDE). Im Namen von Yabloko und meinem Friedrich-Naumann-Stiftung überall dort tätig, wo liberale Gruppierungen, Parteien oder Einzel- eigenen wünsche ich der FNF weitere erfolg- persönlichkeiten fachliche und organisatorische Beratung, Informationen und Kontakte benötigten. reiche Arbeit bei der Verteidigung der Freiheit und liberalen Demokratie in Deutschland und Im Grunde war alles gleichzeitig vonnöten – und das in so vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks weltweit.“ mit Millionen von Menschen, deren Bedürfnisse nach Freiheit und materiellem Wohlstand keinesfalls 1. Dr. Siim Kallas, Vizepräsident der EU-Kommission, stellt im Europäischen Parlament liberale Reformkonzepte von Stiftungspartnern aus Osteuropa vor, Brüssel, 2008 so rasch erfüllt werden konnten, wie sie sich erhofft hatten. In den MSOE-Staaten musste der Sys- 2. Internationale Konferenz mit Vladimir Ryshkov, Abgeordneter der Staatsduma, Dr. Falk Bomsdorf, Projektleiter der FNF in Russland (v. r.), Belokuricha, 2005 temwandel zu Demokratie und Marktwirtschaft in allen Bereichen gleichzeitig umgesetzt werden. 3. Registan-Platz in Samarkand, Usbekistan Dies geschah auf der Basis einer maroden Infrastruktur, eines zusammengebrochenen Wirtschafts- 4. Boris Nemzow, stellv. Ministerpräsident Russlands, und Dr. Otto Graf Lambsdorff im intensiven politischen Gedankenaustausch in Moskau, 1993

62 63 und Sozialsystems, einer leistungsschwachen und gefährlichen Energiewirtschaft, eines kommu- gramme und der Informationsreisenden aus MSOE-Staaten zeigte dies, aber auch der Politische nistischen Erziehungs- und Bildungssystems und ohne Erfahrungen mit demokratischen Prozessen. Club der Stiftung und das politische Milieu der Bundeshauptstadt Bonn konnten von dieser räum- lichen Konzentration profitieren. Bereits im Jahre 1992 waren Büros in Bratislava, Sofia, Bukarest Mit vereinten Kräften für die Erneuerung und Ljubljana mit der Zuständigkeit für die Länder des ehemaligen Jugoslawiens und für Albanien Die Begeisterung des Jahres 1989 wich alsbald großer Ernüchterung. Die Angleichung der Wirt- hinzugekommen. Büros in Moskau für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und in schafts- und Sozialleistungen an die Standards der westlichen Welt verlief weniger dynamisch als Tallinn für die wieder unabhängig gewordenen baltischen Staaten wurden 1992 vorbereitet. Vier erwartet und stärkte dadurch die noch vorhandenen restaurativen Kräfte, die eine Rückkehr zum Jahre später war die Stiftung in den meisten Ländern des ehemaligen Ostblocks mit Büros und Ver- alten System betrieben und damit den Prozess der Demokratisierung stark behinderten. Die Arbeit anstaltungszentren vertreten. der Stiftung hatte sich auf dieses schwierige Umfeld der Partner einzustellen, die selbst keineswegs stabil waren. Flankierende Veranstaltungen bot der Politische Club am damaligen Sitz der Stiftung Die Arbeit hatte sich so weit konsolidiert, dass das Regionalbüro MSOE im Jahre 1996 von der Ge- in Königswinter an, aber auch in Bonn und Berlin. Bewegend war dort der Auftritt der tschechischen schäftsstelle in Königswinter nach Budapest, also in die Region, verlegt wurde. Von den zwar riva- Prof. Vesna Pusic´ Andrus Ansip Vizepremierministerin und Außenministerin Künstlerin Marta Kubisova, einst eine Mitkämpferin von Alexander Dubcek´ im „Prager Frühling“ lisierenden, aber starken liberalen Parteien Ungarns (SDSZ und FIDESZ) gingen positive Impulse für Ministerpräsident von Estland, von Kroatien, ehemalige Vorsitzende der und Sängerin des berühmt gewordenen Liedes „Gebet für Marta“, mit dem sie vor 200.000 Menschen Demokratie, Marktwirtschaft und eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union aus. Polen, die Vorsitzender der liberalen Reform-Partei liberalen kroatischen Volkspartei im Jahre 1989 auf dem Prager Wenzelsplatz zum Kampf für die Freiheit aufgerufen hatte. In den Tschechoslowakei und Ungarn hatten sich bereits im Jahre 1991 zum Interessenverbund der Vise- „Die FNF eröffnete ihr Büro in Tallinn 1993. Dialogprogrammen in Washington D.C., in New York und Brüssel, aber auch in Städten wie Bratislava grad-Staaten zusammengeschlossen, der auch nach der Teilung in die Tschechische und die Slo- „Die FNF war die erste liberale Stiftung, die Es waren schwierige Zeiten: Trennung von nach Kroatien und in den Rest Südeuropas und Wien, wurden der Werte- und Systemwandel Osteuropas zur Diskussion gestellt, der Abbau wakische Republik fortbestand. Übrigens hatten sich die Könige Polens, Böhmens und Ungarns der Rubel-Zone, Beginn marktwirtschaftlicher kam, in Zeiten des Tumultes, des Wechsels von Vorurteilen befördert und der Aufbau von Kontakten zu internationalen Organisationen wie erstmals im Jahre 1335 in der malerischen Burg des Örtchens Visegrad am Donauknie unweit von Reformen und Aufbau politischer Institutio- und der Transformation unserer Staaten, zur UNO, zur Weltbank, zur Europäischen Union, zum Europarat und zum Deutschen Bundestag Budapest versammelt, um gemeinsame wirtschaftspolitische Probleme zu lösen. Die Bemühungen nen. In diesem Kontext war die ermutigende Gesellschaften und politischen Parteien. und hilfreiche Orientierung der FNF unbe- unterstützt. Informationsreisen und Besuchsprogramme in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur ihrer neuzeitlichen Nachfolger um einen Beitritt zur Europäischen Union setzten in der Folgezeit Seitdem haben die politische Bildung, der zahlbar. Ich bin sicher, sie spielte auch eine Erfahrungsaustausch und die Kooperation und Medien erforderten weitreichende Kompetenzen und Kapazitäten und damit ein Höchstmaß neue Prioritäten auf der politischen Agenda Mittelosteuropas. Die bereits Mitte der 90er-Jahre ge- Rolle bei unserem ersten Wahlerfolg 1995 mit der FNF unser politisches Umfeld an Engagement auf beiden Seiten der ehemaligen Sperrzäune. stellten Anträge auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union hatten vor allem die Innenpolitik von fast 20 Prozent der Parlamentssitze. transformiert, auf eine höhere Stufe beherrscht, um die Aufnahmekriterien erfüllen und die damit verbundene Harmonisierung der Ge- Kürzlich haben wir gemeinsam die liberale gebracht und einen bemerkenswerten Fuß- Geistesgeschichte in Estland publiziert. Neue Haushaltstitel für die Transformationsstaaten setze mit dem Acquis Communautaire der EU mit seinen etwa 30.000 Gesetzen, Normen und Ver- abdruck in der liberalen Geschichte dieser Höchste Dankbarkeit und Anerkennung. Region hinterlassen.“ Die vorhandenen Haushaltsmittel reichten bei Weitem nicht aus, um die vielen neuen Aufgaben zu ordnungen bewältigen zu können. Auch hier lag ein ausgedehntes Betätigungsfeld der Stiftung. Die Kooperation mit der Stiftung war eine finanzieren. Das Auswärtige Amt, vor allem aber das Bundeministerium für wirtschaftliche Zusam- Der Vorschlag zur Aufnahme von Litauen, Estland, Lettland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Erfolgsgeschichte.“ menarbeit und Entwicklung (BMZ) konzipierte mit Unterstützung des Deutschen Bundestages und in Slowenien sowie Zypern und Malta wurde im Jahre 2002 in Brüssel angenommen, die acht Staaten enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien und den politischen Stiftungen speziell für den Mittelosteuropas wurden im Mai 2004 als Vollmitglieder aufgenommen. Bedarf pluralistischer, gesellschaftspolitischer Arbeit in den MSOE-Staaten neue Haushaltstitel. Für einen Großteil der MSOE-Staaten trafen nämlich die Kriterien für Entwicklungsländer bei der Ver- Die Steuerung der Stiftungsarbeit für die Region MSOE erfolgt seit 2007 vom derzeitigen Standort gabe öffentlicher Fördermittel nicht zu, da sie z. B. in militärisch genutzter Technologie und anderen des Regionalbüros in Sofia. Nach der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union Sektoren hoch entwickelt waren. Die Staaten des schon 1949 gegründeten ehemaligen Comecon- im Jahre 2007 unterstützt die Stiftung von dort aus die insgesamt schwächer gewordene liberale Paktes befanden sich nicht in einem herkömmlichen Entwicklungsprozess, sondern in einer schwie- Parteienlandschaft in der Gesamtregion. Um den unterschiedlichen Entwicklungen und Bedürfnissen rigen Phase der Transformation von einer Diktatur in ein demokratisch-freiheitliches System. der Partnerländer gerecht zu werden, wurde die Stiftungsarbeit auf die Ebene von Teil- oder Sub- regionen konzentriert. Nach verschiedenen Phasen der Projektarbeit, in denen einzelne Bürostand- Etappen des Regionalbüros MSOE orte der Stiftung geschlossen und neu eingerichtet wurden, sind die Projektländer der Stiftung in Die Steuerung der gesellschaftspolitischen Arbeit in Mittel-, Südost und Osteuropa wurde nach Mittel-, Südost- und Osteuropa gegenwärtig sechs Subregionen zugeordnet: Mitteleuropa und Bal- Tagung von LIBSEEN, dem Netzwerk liberaler einem kurzen Intermezzo in Prag im Jahre 1992 an den Sitz der damaligen Geschäftsstelle in Kö- tische Staaten (Bürostandort Prag), Westbalkan (Belgrad), Südosteuropa (Bürostandort und Sitz des Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Persönlichkeiten in Südosteuropa, Kroatien, nigswinter verlegt. Als sehr vorteilhaft erwies sich die unmittelbare Nähe zur Bundesregierung und Regionalbüros Sofia), Südkaukasus (Bürostandort Tiflis), Ukraine/Belarus (Kiew) und Russland/Zen- 2008 zum Bundestag, zu den Journalisten und zahlreichen Thinktanks. Die große Zahl der Besuchspro- tralasien (Moskau).

64 65 Zielgruppen und Partner in den MSOE-Staaten ergab sich häufig die Möglichkeit, in der Folge an Informationsreisen teilzunehmen und an inter- Die grundsätzliche Frage der Förderung von organisiertem oder geistigem Liberalismus war für Mit- nationalen Konferenzen mitzuwirken. tel-, Südost- und Osteuropa anfangs zugunsten der Unterstützung liberaler Parteien als Vertreter des organisierten Liberalismus entschieden worden. Zwar entstanden in den ersten Jahren des Trans- Erweiterung, Grenzen und Ausblick formationsprozesses zahlreiche neue liberale Parteien, die dieses Attribut für sich in Anspruch nah- Im Juli 1993 wurde das Büro der Stiftung für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion in men, viele hatten jedoch keinen Bestand. Dem neuen Zielgruppenkonzept der Stiftung gemäß Moskau offiziell eröffnet. Das Veranstaltungsprogramm beschränkte sich nicht nur auf die Haupt- wurden deshalb Vorfeldorganisationen wie Verbände, Bewegungen, Institutionen und Institute, stadt, sondern wurde über das Format eines mobilen „Politischen Clubs“ im ganzen Land angeboten. Multiplikatoren, Medienvertreter und unbelastete Einzelpersönlichkeiten in die Förderung aufge- Die Arbeit der Stiftung und ihrer Partner trug essenziell zur Verbreitung des liberalen Gedankenguts nommen. Wo kein organisierter Liberalismus entstanden war, gab es vielfach doch einen geistigen bei. Die Programm- und Organisationsberatung der liberalen Partei Yabloko nahm einen breiten Liberalismus, der in den gesellschaftlichen Prozessen eine starke Rolle spielte. Die offene Partner- Raum der Stiftungsarbeit in Russland ein. Die seit dem Jahre 2003 vielfach wiederholte Aufführung Dr. Solomon Passy Teilnehmer des internationalen Workshops Ehemaliger Außenminister Bulgariens, politik der Stiftung, die sich auf einen kontinuierlichen Wandel der Gesellschaft einstellen musste, von Lessings „Nathan der Weise“ in der Hauptstadt Usbekistans war ein ungewöhnliches, aber umso der Jungen Liberalen zum Kampagnen- ehemaliger Vorsitzender der KSZE, fand einhellige Zustimmung bei den Partnern. Der erste Präsident des demokratischen Bulgariens, erfolgreicheres Beispiel für die Vermittlung politischer Werte. In Taschkent, Buchara und vielen Management in Aserbaidschan, 2008 ehemaliger Vorsitzender des UN-Sicher- Zhelyu Zhelev, nannte die Tätigkeit der Stiftung eine Hilfe zur Wiederauferstehung von Freiheit und Städten der historischen Seidenstraße wurde dieses Theaterstück zur Vermittlung der Idee von Frei- heitsrates Menschenwürde. Jiríˇ Dienstbier, der tschechische Außenminister, begrüßte die konstruktive Unter- heit und Toleranz zwischen den Religionen und Völkern eingesetzt. Es wurde in zahlreichen Radio- „Die FNF war seit dem Fall der Mauer eine stützung der Liberalen sehr, insbesondere die Seminare für mittelständische Unternehmer und Ju- und Fernsehprogrammen übertragen und war auch Anlass für einen Bericht der ARD. Die hierin Säule der Freiheit und Demokratie in Osteu- gendgruppen. Als herausragend in ihrer Bedeutung schätzte der Präsident der Sozialliberalen Partei vermittelte Ansicht von Freiheit und bürgerlichen Werten stellte für die autoritär geführten Folge- ropa, jetzt in der dritten Dekade. Doch die Kroatiens, Dražen Budiša, die offene Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in seinem Land ein. regierungen der ehemaligen Sowjetunion bzw. ihrer Bestandteile, und nicht nur für diese, eine er- Demokratie hat seit 1990 ihre Standards ver- hebliche Verunsicherung dar, was sich von Fall zu Fall in Einschränkungen der Programme, der bessert, und ihre Nachfrage impliziert eine neue und größere Rolle der FNF in der Welt Regional übergreifende Förderstrukturen Bewegungsfreiheit von Mitarbeitern, der rechtlichen Position der Stiftung oder administrativen Be- in den kommenden Dekaden.“ Hauptziele der Stiftung waren von Anfang an die Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher Sys- hinderungen niederschlug. teme, die Entwicklung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen, Schutz der Minder- heiten und die Förderung zivilgesellschaftlicher Werte wie Religionsfreiheit und Toleranz. Erstmals Im Südkaukasus hat sich, beginnend 1996 mit politischen Bildungsveranstaltungen in Aserbai- wurde ein regionales Verbundprojekt zur Förderung der Mittel- und Kleinindustrie mit Sitz in Buda- dschan, die Arbeit bald auch auf Armenien und Georgien ausgedehnt. Mit vorwiegend jungen, re- pest eingerichtet. Ein ebenfalls regional konzipiertes Fortbildungs- und Dialogprogramm kam hinzu. formorientierten Kräften aus Parteien und Medien wurden Themen der marktwirtschaftlichen Unterhalb dieses regionalen Ansatzes stand den Partnern die ganze Palette von Maßnahmen der Entwicklung, des Konfliktmanagements und der Kooperation mit europäischen und euroatlantischen politisch-programmatischen sowie der organisatorischen Beratung, der politischen Bildung und der Institutionen bearbeitet. Ein Schwerpunkt lag dabei immer auf länderübergreifenden Projekten, mit Einbindung in einen nationalen, regionalen und internationalen Dialog zur Verfügung. Der Arbeits- dem Ziel, die Partner auf dem Weg zu einer regionalen Friedensordnung zu unterstützen. Ist die ansatz vollzog sich also auf zwei Ebenen. Die Stiftung und viele ihrer Partner gingen von der An- Arbeit im Südkaukasus aus Mangel an rechtsstaatlichen Strukturen nur unter unsicheren Bedin- „Nathan der Weise“ als spektakuläres nahme aus, dass eine zunehmende Globalisierung in allen Bereichen unaufhaltsam war und deshalb gungen möglich, so gilt dies zunehmend auch für die Ukraine und insbesondere für Belarus. Vom Instrument der politischen Bildung zur nur eine Kooperation größerer geopolitischer Regionen Zukunftschancen bieten würde. Projektbüro in Kiew aus hat sich die Stiftung seit 2007 unter anderem für die Stärkung lokaler ad- Stärkung der Toleranz in Zentralasien ministrativer Strukturen und mehr Bürgerbeteiligung eingesetzt. Mehrere Bürgerämter haben in durch die FNF, 2007 Bildungsangebote breit gefächert der Folge ihre Arbeit aufgenommen. Die Unterstützung der belarussischen liberalen Kräfte war und Radio- und Fernsehprogramme, Zeitungen und Buchpublikationen halfen mit, nicht nur die Bal- ist unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschränkt möglich. Der kri- lungszentren, sondern auch die ländlichen Regionen mit Informationen und Bildungsprogrammen tisch-konstruktive Umgang mit und die Überwindung von solchen Schwierigkeiten gehört indes zu zu versorgen. Zu den bereits genannten Themen kam ein starkes Interesse an kommunalpolitischen den Hauptaufgaben gesellschaftspolitischer Erwachsenenbildung auf dem Weg zu einer offenen Fragen hinzu. Verstärkt nachgefragt wurden auch Seminare zu den weithin unbekannten Ideen des Bürgergesellschaft in Freiheit und Verantwortung, in Mittel-, Südost- und Osteuropa und anderswo politischen Liberalismus, zu seiner Geschichte und Verbreitung. Berichte über konkrete liberale Lö- in den Projektländern. Vorbereitung für das USA-Programm „Promoting Tolerance“ in Russland, sungen von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen aus westlichen Ländern stießen Moskau, 2011 auf besondere Aufmerksamkeit. Für die Teilnehmer an den Diskussionsabenden und Vortragsreihen

66 67 mit den ostdeutschen Kommunisten (SED) und dem starken Bruder in Moskau. Die jahrzehntelange Europäische Institutionen Macht in den Händen der Christlich-Konservativen zerfiel wegen der korrupten Klientelwirtschaft. und Nordamerika Kriminalität und politischer Terrorismus beherrschten den Alltag. Die einst staatstragenden Liberalen waren zerstritten, in zwei Parteien zerfallen und in ihrer Machtlosigkeit fast ohne politische Be- deutung. Ein schwieriger Start der Demokratie in Südeuropa Liberale politische Bildungsarbeit, politische Dialoge und Beratungen begannen in Europa Mitte Ein mutiger Beschluss der Liberalen und seine Folgen der 70er-Jahre im Süden des Kontinents, nachdem die Diktatur der Obristen in Griechenland und In ganz Südeuropa zeichneten sich Entwicklungen zugunsten einer politischen Linken ab, deren De- das seit 1932 bestehende Regime Salazars in Portugal 1974 ein Ende zugunsten demokratischer mokratie- und Wirtschaftsverständnis zu erheblichen Sorgen Anlass bot. Die Gremien der Freien Kräfte gefunden hatten. Die Franco-Diktatur zerbrach nach dessen Tod 1975. Demokratischen Partei (FDP), der Friedrich-Naumann-Stiftung, aber auch der Liberalen Internatio- nale (LI) beschlossen zunächst eine Intensivierung der Suche nach Kontakten zu liberalen Parteien Gipfeltreffen liberaler Spitzenpolitiker auf Griechenland in Südeuropa und schließlich 1977 die Entwicklung von Programmen mit eigenen Büros in Portugal, einer Veranstaltung des FNF-Büros Rom Der Studentenaufstand am Athener Polytechnikum 1973 wurde noch blutig niedergeschlagen. Erst Spanien, Italien und Griechenland. Vorausgegangen war diesem mutigen Beschluss die Erkenntnis, (v. r. n. l.) : Urs Schöttli, Generalsekretär, Li- durch den Putsch der griechischen Nationalgarde 1974 und die türkische Invasion in Zypern brach dass in keinem der Länder liberale Parteien oder nennenswerte liberale Gruppierungen über die pro- beral International; , Minister- in der Folge die Diktatur der mit Folter und Gewalt seit 1967 herrschenden Obristen zusammen. Es grammatischen oder organisatorischen Mittel verfügten, die für eine ernsthafte politische Aus- präsident von Luxemburg, Präsident der Europäischen Kommission, Präsident von kam zur triumphalen Rückkehr des im Pariser Exil lebenden früheren Präsidenten Karamanlis und einandersetzung unabdingbar waren. Liberal International und Präsident der UN- zu einer Demokratie, deren vielfältige Schwächen sich aber rasch offenbarten. Vollversammlung; Gräfin Beatrice Rangoni- Offene Unterstützung des Liberalismus in Europa und weltweit Machiavelli, spätere Präsidentin des Portugal Erstmals legte die Friedrich-Naumann-Stiftung 1977 ein Positionspapier vor, in dem als Ziel die Europäischen Wirtschafts- und Sozialrates; Giovanni Malagodi, Präsident des Partito Li- Auch in Portugal putschten die Militärs gegen das verknöcherte, korrupte und gewalttätige Regime, Stärkung des politischen und organisierten Liberalismus in Europa und weltweit benannt wurde. berale Italiano, Senator auf Lebenszeit und das Diktator Salazar seit über vier Jahrzehnten im Windschatten des Interesses der Großmächte Dabei waren nicht nur West- und Südeuropa angesprochen, sondern ausdrücklich auch die Ost- ehemaliger Präsident Liberal International, etabliert und – als NATO-Mitglied seit 1949 – aufrechterhalten hatte. Aus Begeisterung und als West- und internationalen Beziehungen. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit den liberalen Abdoulaye Wade, Oppositionspolitiker im Dank für die nahezu unblutige Revolution steckte die Bevölkerung rote Nelken in die Gewehrläufe Parteien anderer Länder, mit der Konföderation der liberalen europäischen Jugendverbände (EFLRY), Exil, späterer Präsident der Republik Senegal, Rom, 1981 der Soldaten und schuf mit dem Begriff der „Nelken-Revolution“ ein neues Symbol der Freiheit, das mit dem Zusammenschluss der europäischen Liberalen (ELD) und mit der Liberalen Internationale seine Bedeutung über Jahrzehnte auch in anderen Ländern behielt. erfolgen. Zur raschen Umsetzung wurde die Arbeit im Ausland neu strukturiert, eine „Gruppe Europa“ direkt dem Vorsitzenden der Geschäftsführung unterstellt. Spanien König Juan Carlos I. als Nachfolger des 1975 gestorbenen spanischen Diktators Franco bekannte Finanzierung durch den Deutschen Bundestag sich eindeutig zur Demokratie und zur Entwicklung einer offenen, freien spanischen Gesellschaft Die nationale wie die internationale Arbeit aller politischen Stiftungen, die einer im Bundestag ver- Treffen von Außenminister Hans-Dietrich mit Teilhabe aller an den Entscheidungsprozessen. Er hatte es bis zu dem gescheiterten Militärputsch tretenen Partei nahestanden, waren anerkannte Bestandteile der politischen Bildung, und die Stif- Genscher (l.) mit Ministerpräsident 1981 jedoch schwer, die verkrusteten alten Strukturen der in vielen Machtpositionen verharrenden tungen handelten im öffentlichen Interesse, was bis heute so geblieben ist. Dies wurde zunehmend Giovanni Spadolini, Italien, und Dr. Barthold C. Witte, Vorsitzender des Beirates der FNF (r.), Franco-Anhänger aufzubrechen. Erst seine mutige Fernsehrede als Oberbefehlshaber der Armee mit auch als sinnvolle Ergänzung der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik und als besonderer Rom, 1980 dem eindeutigen Bekenntnis zur Demokratie öffnete den Weg zu einem modernen Spanien. Ausdruck des demokratischen Pluralismus der Bundesrepublik Deutschland gesehen. Die Unterstüt- zung von Demokratisierungsprozessen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa durch Programme Italien zur Förderung des freien Handels, der offenen Marktwirtschaft, des Schutzes der Menschen- und Das Italien jener Zeit war zwar ohne Zweifel demokratisch verfasst, hatte aber in der ständig stärker Minderheitenrechte, der freien Medien und der Teilhabe an Wissen, Bildung und Entscheidungs- werdenden Kommunistischen Partei Italiens (PCI) eine Opposition mit nur geringem Interesse an prozessen entsprach dem Handlungsauftrag eines modernen Liberalismus, wie ihn die FDP nach Demokratie, offener Marktwirtschaft und freien Medien. Stattdessen pflegte die italienische Linke innen und außen vertrat. intensive Beziehungen und Verflechtungen – ebenso wie die französischen Kommunisten (PCF) –

68 69 Die finanziellen Mittel für die politische Bildungs-, Beratungs- und Dialogarbeit in den neuen De- mokratien Portugal, Spanien und Griechenland kamen über den Bundeshaushalt aus dem Etat des Entwicklungsministeriums, begrenzt auf eine Transformationszeit von zehn Jahren. Für die Pro- gramme in Italien und den Ausbau der Kontakte nach Mittel- und Osteuropa, insbesondere zu Polen und der Tschechoslowakei, sowie zu anderen Industrieländern wurden die Mittel seit 1972 in zu- nehmendem Maße aus dem Etat des Auswärtigen Amtes bereitgestellt.

Frischer Wind bei der ersten Wahl zum Europäischen Parlament Bei der ersten Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 1979 erhielt die liberale und demokrati- sche Fraktion knapp 10 Prozent und 40 Sitze. Damit verbunden war ein starkes Signal zur weiteren Förderung der Gemeinsamkeiten in den politisch-liberalen Forderungen und Lösungsansätzen. Man- date wurden dort errungen, wo die Spalter und ewig Unzufriedenen zugunsten offener, transpa- renter Modernität verdrängt worden waren. Illustre Persönlichkeiten wie der Automobildesigner Sergio Pininfarina oder Susanna Agnelli aus der legendären FIAT-Familie sorgten mit vielen anderen für frischen Wind und auch etwas Glanz in der liberalen Politik. Die internationale Arbeit der Fried- 1 2 rich-Naumann-Stiftung hatte einen beträchtlichen Anteil an diesen Entwicklungen.

Große Schritte zur Internationalisierung der Aufgaben Der liberale Beitrag zum Nord-Süd- und Ost-West-Dialog wurde gehört und beachtet. Er fand be- sonders auf der Nichtregierungsebene, aber auch mit staatlichen Vertretern und denen von inter- nationalen Organisationen statt; Themen waren die Stärkung der Menschenrechte, der Bürgerge- sellschaft, der Marktwirtschaft, des Freihandels, der Umwelt- und Friedenspolitik. Hinzu kam die Vermittlung eines besseren Verständnisses der Grundlagen und Mechanismen der Europäischen Union, des Europarates, der NATO und der Einrichtungen der Vereinten Nationen. Erfolgreiche, liberal dominierte europäische Politikmodelle wurden ausgetauscht und in vielen Ländern und Projekten hinsichtlich einer möglichen Adaption auf den Prüfstand gestellt.

Respekt und Toleranz als Basis für jeden Dialog Der europäische Integrationsprozess bot trotz vieler Schwächen und Webfehler neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Erweiterung gesellschafts- und entwicklungspolitischer Arbeit und der Orientierung in Richtung gegenseitigen interkulturellen Lernens und Handelns. Dabei spielte die Vernetzung von Akteuren mit liberalen Grund- und Wertehaltungen aus Entwicklungs- und Trans- 3 4 formationsländern mit denen aus Industrieländern eine bedeutende Rolle. Respekt und Toleranz sind als Basis jedes Dialogs unerlässlich für den handlungsorientierten Austausch von Erfahrungen und politischen Ideen. Neue Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Brüssel und Washington D.C. 1. 4. Dialog-Konferenz der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament (ALDE) und dem Council of Asian Liberals and Democrats, Brüssel, 2004 waren eine notwendige Konsequenz zur Stärkung des organisierten Liberalismus weltweit. 2. Vorstellung des European Network of Political Foundations (ENoP) durch den Koordinator und FNF-Repräsentanten Dr. Jürgen Wickert und José Manuel Barroso (l.), Präsident der EU-Kommission, Brüssel, 2008 3. Der ehemalige US-Außenminister Dr. Henry Kissinger mit Dr. Otto Graf Lambsdorff (l.), Dr. h.c. Rolf Berndt (r.), Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der FNF, Berlin, 2000 4. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Axel Hoffmann (2.v.l.) gemeinsam mit dem Stiftungsrepräsentanten für die USA und Kanada, Claus Gramckow und dem Regionalbüroleiter Hans H. Stein anlässlich des 25. Jubiläums des Transatlantischen Dialogs am 27.9.2011 in Washington D.C. 70 71 Nord-Süd-Dialog in Brüssel, Straßburg und Genf Aktive Teilnahme hochrangiger Vertreter der Partnerorganisationen Das 1985 neu eröffnete Büro in Brüssel mit Arbeitsschwerpunkten in Straßburg und Genf diente Jeder sinnvolle Dialog hat immer auch Komponenten der Bildung und der Beratung. Dies wurde in der weiteren Vernetzung vieler Stiftungspartner untereinander und der Verbindung zu internatio- Brüssel, in Straßburg und Genf dadurch besonders deutlich, dass hochrangige Vertreter von Part- nalen Organisationen und Institutionen wie der Europäischen Union, dem Europarat, der NATO, der nerorganisationen aus aller Welt an internationalen Konferenzen oder Seminaren teilnahmen und UNO in Genf mit der Welthandelsorganisation WTO, der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ihrerseits zu Gesprächspartnern und wertvollen Informationsquellen für die Entscheidungsträger und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Zusammenarbeit mit dem in Brüssel, Straßburg und Genf, später auch in Bonn und Berlin, wurden. Europäischen Parlament, mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und mit zahl- reichen Generaldirektionen der Kommission wurde zu einem verlässlichen Dienstleistungsangebot Gemeinsam mit dem Nord-Süd-Zentrum des Europarates in Lissabon und dem Center for Justice an die weltweiten Projektbüros und Partnerorganisationen. and International Law in Washington D.C. wurden Arbeitskreise zur Verbesserung regionaler Schutz- systeme eingerichtet, wobei die Teilnahme von Experten aus Partnerländern, vor allem aus Asien, Seminar „Konfliktmanagement und Konflikt- Die Stiftung als Partner der europäischen Institutionen durch die Stiftung gefördert und sichergestellt werden konnte. Der bereits seit vielen Jahren etab- lösung im Südkaukasus“ mit dem EU-Son- Die Profilierung der Stiftung durch jahrzehntelange Erfahrung in ihren Kernaufgaben der politischen lierte zivil-militärische Dialog in Lateinamerika konnte durch Programme bei der NATO in Brüssel derbeauftragten für den Südkaukasus Peter Bildung, der Politikberatung und des politischen Dialogs mit definierten Themenschwerpunkten sinnvoll ergänzt und auf Partner in Asien ausgedehnt werden. Semneby, Brüssel, 2008 machte sie, nicht zuletzt auch durch eine dezentral straffe Entscheidungsstruktur mit vertrauens- würdiger Mittelverwaltung, zu einem willkommenen Partner der europäischen Institutionen. Ob es Arabisch-israelisch-europäischer Dialog der Aufbau zivilgesellschaftlicher Einrichtungen oder Mechanismen im Nahen Osten, die Bildung Unter der Überschrift „Feindbilder abbauen, Verständnis und Vertrauen stiften“ wurde der 1987 von Journalisten-Netzwerken im Maghreb oder das Menschenrechtsmonitoring in Südamerika und noch sehr diskret begonnene israelisch-palästinensisch-europäische Dialog zu einem arabisch-is- Afrika war, die Stiftung konnte sich für ergänzende politische Aufgaben zusätzliche Finanzierungs- raelisch-europäischen Dialog ausgebaut. Einzelne Komponenten wurden je nach Themenstellung möglichkeiten erschließen. Die sogenannte Drittmittelakquise war damit geboren und sollte für den und Zielgruppe auch in weiter gefasste Programme integriert, vor allem in die Veranstaltungen der weiteren Ausbau der weltweiten Stiftungstätigkeit noch eine große Rolle spielen. Internationalen Akademie für Führungskräfte (IAF), des Transatlantischen Dialogprogramms und der Internationalen Konferenzen. Das politische Netzwerk ist entscheidend Das politische Netzwerk der Stiftung war entscheidend für die Zusammenarbeit der neu gegründe- Gruppe Friedensentwicklung (FriEnt) im BMZ, Bonn ten Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker mit europäischen und Auf die zunehmende Bedeutung von Friedensentwicklung, Krisenprävention und zivilem Konflikt- interamerikanischen Schutzmechanismen für Menschenrechte. Dazu gehörten Konferenzen 1988, management, auch als Herausforderung für staatliche und nicht staatliche Partner der Entwick- 1990 und 1992 in Straßburg, die z. B. zu Konzepten für Zusatzprotokolle zur Afrikanischen Men- lungszusammenarbeit, reagierte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und schenrechtscharta für die Einsetzung eines unabhängigen Gerichtshofs oder zur Erarbeitung einer Entwicklung 2001 mit einer Initiative, die sich als „Arbeitsgemeinschaft Entwicklungspolitische Geschäftsordnung für die neue Kommission auf der Basis internationaler Standards führten. Friedensarbeit“ mit der „Gruppe Friedensentwicklung“ (FriEnt) im BMZ etablierte. Die Friedrich- Naumann-Stiftung trat dieser auf Dauer angelegten Arbeitsgruppe 2003 als Vertragspartner bei. Die Stiftung landet Bestseller Die von den Vertragspartnern für diese Tätigkeit abgestellten Fachkräfte verstanden ihre Arbeit als Nimmt man die Anzahl der Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische, Arabische, Chi- Dienstleistung zur Weiterentwicklung von Analysen und Konzepten, als Zentrum zur Sammlung von nesische und Russische als Kriterium für Publikationserfolg, so war das Handbuch „Electoral Moni- Informationen, als Ort fachlichen Austauschs und als Agentur zur Vernetzung der Vertragspartner toring and Electoral Systems“, das 1995 für die Unabhängige Palästinensische Wahlkommission auf mit ihren Projektpartnern weltweit. Die Kooperation wurde seitens der Stiftung nach einigen Jahren der Basis eines Stiftungsseminars herausgegeben wurde, ein internationaler Bestseller. Unmittelbar von der institutionellen auf eine projektorientierte Mitarbeit umgestellt. nach dem Fall der Zäune und Mauern der kommunistischen Regime in Mittel-, Südost- und Ost- europa drängte sich die Implementierung der Europäischen Menschenrechtskonvention zumindest Vernetzung mit europäischen Liberalen durch Dialogprogramme in den Staaten auf, die Mitglieder des Europarates wurden oder es bereits waren. Die sogenannten Die Gesamtentwicklung der internationalen Vernetzung und der politischen Dialoge hat sowohl zu EG-/EU-Einführungsseminare der Stiftung in Straßburg wurden deshalb konsequent für zivilgesell- einer Verbreiterung der Themen als auch zu einer Vertiefung in der Materie geführt. Das Dialogan- schaftliche Vereinigungen angeboten, unter denen neben vielen anderen Helsinki-Komitees, An- gebot in Brüssel und Washington D.C. umfasst europapolitische Fragestellungen grundsätzlicher waltsvereine und Handelskammern erwähnt werden sollen. 72 73 Natur ebenso wie die Auslotung fachspezifischer Probleme. Die eigens konzipierten Dialogformate an Veranstaltungen aus der ganzen Palette des Dialogs zu realisieren, um wieder für mehr Ver- reichen mittlerweile vom „liberal breakfast“ über die gewohnten Vortrags- und Diskussionsveran- ständnis, für mehr gegenseitiges Verstehen und Vertrauen zu werben. Der Atlantik durfte weder staltungen bis zu mehrtägigen Konferenzen in enger Zusammenarbeit mit den Büros und Partnern breiter noch tiefer werden, wie es der damalige Außenminister Genscher treffend ausdrückte. aus aller Welt. Dank der Bewilligung von Sondermitteln durch die Bundesregierung arbeitet die Stiftung seit April 2012 daran, Reformen in Griechenland zu unterstützen und zivilgesellschaftliches Stabile Arbeitsbeziehungen mit bewährten Partnern Engagement zu fördern. Die Herstellung stabiler Arbeitsbeziehungen im breit gefächerten Milieu der transatlantischen Nicht- regierungsorganisationen war von New York aus bereits mit dem American Council on , Immer wichtiger und intensiver geworden ist die enge Verzahnung mit dem organisierten europäi- dem American Jewish Committee, der Columbia University, dem Aspen-Institute und dem German schen und internationalen Liberalismus und seinen Vertretern im Europaparlament, in der Europäi- Marshall Fund möglich gewesen. Dort war eine Basis für politisches Vertrauen entstanden, das sich schen Kommission, dem europäischen liberalen Parteienzusammenschluss (ALDE), der Liberalen später, um ein Vielfaches erweitert, im Vorlauf der komplexen Verhandlungen zur deutschen Einheit Internationale (LI), dem Verbund der liberalen Thinktanks European (ELF) und den na- bewähren sollte. Sir Transatlantischer Dialog in Washington Mitglied des Europäischen Parlamentes, tionalen wie regionalen Gliederungen der liberalen Parteien und ihrem Umfeld in Europa. Das Dia- zwischen Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) und Vorsitzender der liberalen Fraktion des logprogramm Europäische Integration stellt hierfür eine Plattform für liberale Parteienvertreter und Von Washington D.C. in die US-Bundesstaaten und nach Kanada Charles Hagel, ehemaliger Senator für Europäischen Parlamentes 2002 bis 2009, Multiplikatoren, auf der länderübergreifend integrationspolitische Themen im Vorfeld von politi- Es war von Anbeginn wichtig, die Konferenzen und Besuchsprogramme nicht nur auf die Hauptstadt Nebraska und seit 2013 Minister für Vorsitzender der Allianz Europäischer schen Entscheidungen diskutiert werden können. zu begrenzen. Das Konzept dieses Dialogs bezieht sich auf den geopolitischen Raum Nordamerikas, Verteidigung der USA Liberaler Parteien (ALDE Party) also auf die gesamten Vereinigten Staaten und auch Kanada. „Ich begegnete der FNF erstmals 1977 als Alle Programme des Internationalen Politikdialogs in New York, Washington D.C., Brüssel, Straßburg, Vizepräsident der Europäischen Jungliberalen. Genf oder zuvor schon in Lissabon, Madrid, Barcelona, Rom und Athen erzielten ihre Wirkung von Interesse an Deutschland und Europa wecken In den 35 Jahren habe ich den enormen Anfang an durch Abstimmung und intensive Vernetzung mit den Partnern, mit den Regional- und Von großer Wichtigkeit für den Transatlantischen Dialog war es, Entscheidungsträger aus Politik, Nutzen der Stiftungsarbeit zugunsten des Liberalismus schätzen gelernt, sowohl Projektbüros in aller Welt, und stehen wegen der engen Verbindung von zeitgemäß gestaltetem Kultur, Wissenschaft, Medien sowie der Landes- und Kommunalpolitik dieser großen Länder für die innerhalb als auch jenseits Deutschlands, Angebot, moderner Pädagogik und inhaltlicher Qualität in hohem Ansehen. Geschehnisse in Deutschland vor einem europäischen Hintergrund zu interessieren. Die Angebote und die Unterstützung und Kooperation für Veranstaltungen und Informationsreisen wurden anfangs nur zögerlich wahrgenommen. Das vieler Mitarbeiter der Stiftung genossen. Die Transatlantisches Dialogprogramm, Washington D.C. änderte sich mit den Entwicklungen in Richtung deutsche Einheit und Neuordnung Europas nach Förderung des Liberalismus jenseits unseres Kontinents wäre ohne die FNF schlicht nicht Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war in Europa, insbesondere im West- dem Zusammenbruch des Kommunismus. Das Interesse an den differenzierten Programmen des möglich gewesen. Der Liberalismus weltweit teil des geteilten Deutschlands, eine Generation in Demokratie und Freiheit herangewachsen, die Transatlantischen Dialogs stieg im Verlauf der späten 80er-Jahre rapide. ist dadurch umso stärker.“ nicht mehr automatisch aufschaute zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die Ereignisse und Entwicklungen nicht mehr kritiklos hinnahm. Der lange traumatisch nachwirkende Vietnamkrieg Anpassung spezieller Veranstaltungsformen mit seinen unzähligen Opfern und verheerenden Schäden war zum Symbol geworden für unter- Die Schnelllebigkeit und die multikulturellen Ausformungen der nordamerikanischen Informations- schiedliche, in gewisser Weise emanzipierte Ansichten und Haltungen – auch in den transatlanti- und Bildungskultur führten zur Entwicklung und Etablierung ganz eigener Veranstaltungsformate. schen Beziehungen. Mehrtägige internationale Konferenzen, beispielsweise über „Wertewandel und Wert des Wandels“, bezogen auf kontroverse Politikfelder wie Arbeit, Sicherheit, soziale Marktwirtschaft und Freihandel, Eingebunden in den Wertekanon des Westens fanden immer an einem entsprechend passenden Ort statt. Das Thema „Frieden, Sicherheit und Ab- Da die Bundesrepublik Deutschland andererseits wie kaum ein anderes Land eingebunden war in rüstung“ wurde beispielsweise in der Nähe eines alten Puebloindianer-Dorfes und in Kooperation den Wertekanon des von den USA dominierten westlichen Bündnisses, erschien ein starker liberaler mit dem Los Alamos Center for National Security Studies im US-Bundesstaat New Mexico durch- Beitrag zur Etablierung eines Transatlantischen Dialogs im Jahre 1986 mit Sitz in der Hauptstadt geführt. Der spätere Gouverneur des Staates und UN-Botschafter Bill Richardson hatte den Kontakt der Vereinigten Staaten von Amerika unerlässlich, nachdem vorbereitende Maßnahmen bereits seit zu dem bekannten Los Alamos Center hergestellt, in dem einst das „Manhattan-Project“, die erste 1984 begonnen hatten. Die Aufgabe des Büros in Washington D.C. war die konsequente Erweiterung Atombombe, konzipiert und getestet worden war und nun mit beeindruckenden Laserkanonen für des bereits im Jahre 1983 in New York begonnenen Programms mit Fokus auf den Nord-Süd-Dialog Präsident Reagans „Star Wars“ experimentiert wurde. am Sitz der Vereinten Nationen. Das Washingtoner Büro hatte in den USA und Kanada ein Angebot

74 75 Das Thema „Arbeit und Strukturwandel“ war in einer ehemaligen Eisen- und Stahlregion, dem heu- sierung, bot für eine politische Stiftung lange Zeit kaum Ansatzpunkte einer tragfähigen Parteien- tigen Zentrum für medizinische Versorgung und Gesundheit um Pittsburgh, ebenfalls gut angesie- kooperation. Dies änderte sich erst mit dem Durchbruch demokratischer Systeme auf den Philippi- delt. Eine Konferenz über die seit Langem befürchtete Abwendung der USA von ihrer atlantischen nen, in Thailand, Korea und Taiwan Ende der 1980er-Jahre. Orientierung zugunsten einer Ausrichtung in den pazifischen Raum wurde in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer in Kalifornien und der University of Honolulu auf Hawaii kon- Vorgeschichte zipiert und mit Partnern aus Asien durchgeführt. Für die spezifischen Informationsbedürfnisse Wa- Die FNF knüpfte ihre ersten Kontakte zu liberalismusaffinen Parteien der Region ab Mitte der shingtons zu engeren Fachthemen oder breiten politischen Überblicken war ein knapp zweistündiges 1980er-Jahre. Schwerpunkte waren Länder des demokratischen Übergangs, in denen aufsteigende Format zur Frühstücks- oder Mittagszeit mit Impulsreferat und moderierter Diskussion üblich. In Mittelschichten und hohe Wachstumsraten günstige Startbedingungen für politische Reformen ständigen Gesprächskreisen mit Nachwuchskräften, insbesondere mit dem eigens durch den Trans- schufen, aber auch einige Staaten mit autoritären politischen Systemen. Der jahrelange Dialog mit atlantischen Dialog geschaffenen FNF Young Political Professionals Network, kommen aktuelle The- den politischen Partnern führte 1993 zur Gründung eines regionalen Dachverbandes liberaldemo- Die myanmarische Oppositionsführerin und men wie Konzepte zur Gesundheitspolitik, zur Bildungs- und Rentenpolitik zur Sprache. Die lang- kratischer Parteien Asiens: des Council of Asian Liberals and Democrats. Die liberalen Politiker Asiens Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi jährige Partnerschaft mit der National Conference of State Legislature (NCSL) konnte ergänzt wer- hatten sich auf Treffen der Liberalen Internationale als exotische, wenig verstandene Gäste gefühlt am Rande eines Workshops, den der CALD den um die Zusammenarbeit mit der US Lieutenant Governor Association (NLGA), was die gegen- und daher nach einem eigenen Netzwerk und Diskussionsforum mit asiatischer Agenda gestrebt, um 2011 für den Women’s Wing der National League for Democracy in Yangon, seitige außenpolitische Wertschätzung beider Staaten verdeutlicht. sich besser gegenseitig kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame Problemlagen zu Myanmar, durchführte Rabbi Andrew Baker diskutieren, Politikkonzepte und Lösungsansätze für die eigenen Länder und Parteien zu entwerfen, Director of International Jewish Affairs, Informationsprogramme und „Promoting Tolerance“ Führungs- und Nachwuchstraining für die Mitgliedsparteien anzubieten sowie mit Resolutionen und American Jewish Committee (AJC), USA Sehr genau auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen auf beiden Seiten des Atlantiks aus- Publikationen die Demokratisierung und den politischen Diskurs in der Region stärker zu beeinflussen. „AJC und FNF haben über 30 Jahre eng ko- gerichtete, mehrtägige Informationsreisen mit differenziertem Programm waren ebenso gefragt operiert, aber ihr Flaggschiff-Programm war wie mehrwöchige Bildungsprogramme für Berufsanfänger. Dazu gehörte das speziell für Mitarbeiter Entstehung und Gründungsmitglieder die ‚Toleranz-Förderung‘, konzipiert für auf- des US-Kongresses konzipierte Besuchsprogramm an Orte deutscher und europäischer Politik. Seit Schlüsselfigur und treibende Kraft in der Vorbereitungsphase war der frühere Vorsitzende der Liberal steigende Führungskräfte neuer Demokra- 1992 wurde ein jährlich neu aufgelegtes „Promoting Tolerance Program“ durchgeführt, das in enger Party und heutige philippinische Budget-Minister Florencio Abad, unterstützt von Mandats- und tien, um öffentliche und private Initiativen zur Stärkung von Pluralismus, Toleranz und Kooperation mit dem American Jewish Committee (AJC) jungen Entscheidungsträgern und Multi- Funktionsträgern aus Thailand und Taiwan. Der Durchbruch wurde erzielt, als diese Gruppe 1992 Wertschätzung von Vielfalt zu präsentieren: plikatoren aus Mittel- und Südosteuropa über mehrere Wochen in den USA Beispiele von praktischer an einem Strategieseminar der Friedrich-Naumann-Stiftung in Portugal teilnahm und ein erster durch ein europäisches und Online-Seminar Toleranz und die Möglichkeiten ziviler Gegenwehr bei Diskriminierungen aller Art vermittelt. Das Entwurf für das liberale Manifest des CALD entstand. Es folgte eine ganze Reihe von Treffen in und eine intensive Studienreise in den USA. Promoting Tolerance Program war nach einstimmiger Aussage nahezu aller Teilnehmer besonders Asien, bis alle Bauelemente des neuen Trägers abgestimmt waren. Die konstituierende Versammlung Schlüssel des Erfolges ist es, die amerikani- sche jüdische Erfahrung zu teilen, zusammen wichtig auf dem Weg zu höheren beruflichen Positionen. erfolgte auf Einladung der regierenden Democrat Party Thailands im Dezember 1993 in Bangkok. mit der impliziten Botschaft der deutsch-jü- Zu den CALD-Gründungsvätern gehörten Spitzenpolitiker wie der Premierminister Thailands Chuan dischen Kooperation und Aussöhnung.“ Leekpai, der Oppositionsführer und spätere Staatspräsident Südkoreas Kim Dae-jung, Freiheits- kämpfer mit langjährigen politischen Haftstrafen wie der Vorsitzende der Democratic Progressive Herausragende Regionalprojekte Party aus Taiwan She Ming-te sowie Minister, Senatoren, Abgeordnete, Parteivorsitzende und Ge- neralsekretäre der Gründungsparteien aus Südkorea, Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Thailand Regionalprojekte hatten seit den Aufbaujahren der internationalen Arbeit der FNF wichtige Funk- und Kambodscha. Erster CALD-Vorsitzender wurde der Vizeaußenminister Thailands Dr. Surin Pit- tionen bei länderübergreifender Kooperation und Vernetzung der Partner, sei es auf kontinentaler suwan. Damit übernahm die thailändische Democrat Party als erste den in zweijährigem Turnus Ebene oder auch in größeren Subregionen. Aus den zahlreichen in 50 Jahren realisierten Regional- wechselnden Vorsitz. projekten seien hier aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung drei Fallbeispiele ausführlicher dar- gestellt. Erweiterung der Mitglieder und Aufgabenspektrum Mit Errichtung eines ständigen Sekretariates in Manila konnte der CALD seine Professionalität, stra- 1. Der Dachverband Liberaler Parteien in Asien – CALD tegische Ausrichtung und Leistungsbilanz kontinuierlich steigern. 20 Jahre nach der Gründung Die Region Ost- und Südostasien, aus historischen Gründen ein später Nachzügler der Demokrati- dieses in Asien bis heute einzigartigen Trägers demokratischer Parteien kann man zweifellos von

76 77 einer Erfolgsgeschichte sprechen. Der Mitgliederkreis hat sich auf Parteien aus Hongkong, Indone- beispielsweise gegenüber Arbeitsmigranten, Frauen und Kindern, aber auch Bürgerrechtlern, Oppo- Param Cumaraswamy sien, Japan, der Mongolei, Myanmar, Pakistan, Singapur und Sri Lanka erweitert (inkl. assoziierte sitionspolitikern, Journalisten, Anwälten und politischen Aktivisten, vor allem in autoritären Staaten. Mitbegründer der ASEAN-Menschenrechts- lobby RWG, ehemaliger UN-Sonderbericht- und Parteien mit Beobachterstatus). Nach Gründung des CALD wurden die Interessen der birmani- Während in Europa, Amerika und Afrika in den 90er-Jahren bereits regionale Menschenrechts- erstatter für die Unabhängigkeit von schen Demokraten durch den Beitritt der Exil-Organisation National Council of the Union of Burma schutzmechanismen und Menschenrechtsgerichtshöfe existierten, gab es in Asien nichts derglei- Richtern und Anwälten in Malaysia wahrgenommen. Während dieser Zeit bestanden laufende Kontakte zur Oppositionspartei National chen. Die ASEAN-Staaten waren daher besonders nach der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993 League for Democracy und ihrer Vorsitzenden Aung San Suu Kyi in Yangon, ohne dass deren CALD- zunehmend internationaler Kritik ausgesetzt. „Wenn die Geschichte über die Errichtung der zwischenstaatlichen ASEAN-Menschen- Mitgliedschaft möglich gewesen wäre. Erst nach Öffnung des Militärregimes in Myanmar erlangte rechtskommission geschrieben wird, dann die National League for Democracy Beobachterstatus im CALD. Die birmanische Oppositionsführerin Private Menschenrechtslobby auf hoher Ebene wird die FNF in Erinnerung bleiben als Start- und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wurde als individuelles Ehrenmitglied des CALD In diesem Kontext entstand 1993 eine Regionale Arbeitsgruppe (RWG) zur Errichtung eines zwi- helferin 1995 zur Initiierung der RWG und auf Lebenszeit gewählt, der frühere Staatspräsident Indonesiens Abdurrahman Wahid als weiteres schenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN-Staaten. Die Gründer dieser dank ihrer kontinuierlichen Unterstützung dieser Gruppe bis zum heutigen Datum.“ individuelles Mitglied. nichtstaatlichen Initiative repräsentierten die Elite der Menschenrechtsaktivisten Südostasiens: Sam Rainsy Mitglied des Parlamentes und Oppositions- Marzuki Darusman, Vizepräsident der nationalen Menschenrechtskommission und ehemaliger Ge- führer in Kambodscha, ehemaliger Finanz- Der CALD kann heute auf eine lange Reihe erfolgreicher Aktivitäten zurückblicken, die dem Politik- neralstaatsanwalt Indonesiens, Wigberto Tañada, Senator der Philippinen, Param Cumaraswamy, minister, Vorsitzender des Council of Asian dialog, dem Führungs- und Nachwuchstraining, der Unterstützung der Mitgliedsparteien vor allem ehemaliger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Liberals and Democrats (CALD) in repressiven politischen Systemen und der Förderung demokratischer Prozesse dienten (durch Anwälten, Malaysia, und Prof. Vitit Muntarbhorn, international renommierter Menschenrechtsex- „Obwohl Asien bedeutende Schritte gemacht Wahlbeobachtungen, Pressekonferenzen, Interviews, Dialog-Maßnahmen, Demarchen). Buchpubli- perte, Thailand. Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten schlossen sich der Gruppe an. Es entstand ein hat, politische und wirtschaftliche Entwick- kationen (darunter ein CALD Party Management Handbook), eine professionelle Webseite kooperierendes Netzwerk selbstständiger nationaler Arbeitsgruppen auf den Philippinen, in Thailand, lung zu fördern, leidet eine Anzahl von (www.cald.org) und ein elektronischer Newsletter machten das Netzwerk einem breiteren Publikum Malaysia, Kambodscha und Singapur. Das ständige Sekretariat der RWG wurde am Human Rights Ländern noch immer unter Autoritarismus, in der Region bekannt. Schwerpunkte der Arbeit sind zurzeit professionelles Parteimanagement, Center der Ateneo Universität in Manila, Philippinen, etabliert. Armut und Mangel an guter Regierungsfüh- rung. Vor diesem Hintergrund ist die FNF, in moderne politische Kommunikation, marktwirtschaftliche Instrumente des Klimawandels sowie die Partnerschaft mit dem Council of Asian Libe- Förderung von Frauen und der Jugend in der Politik (über den CALD Women‘s Caucus und den CALD Partner mit Kompetenz und klarer Vision rals and Democrats und anderen liberalen Youth Caucus). Obwohl die RWG eine informelle Gruppe ohne Rechtsstatus war und die Erfolgsaussichten dieser Organisationen und demokratischen Bewe- privaten Initiative angesichts der ablehnenden Haltung der meisten ASEAN-Staaten gegenüber gungen, in ihrem Engagement unerschütter- lich geblieben, die asiatische Region wirklich Internationale Vernetzung einem zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus sehr skeptisch beurteilt wurden, auf den Prinzipien von Demokratie, Rechts- Der CALD ist kooperierendes Mitglied der Liberalen Internationale (LI) und hat mehrere gemeinsame hat sich die Stiftung dennoch entschieden, den Partner von Beginn an gezielt zu unterstützen, weil staat und dem Respekt und Schutz der Men- Konferenzen in Asien gestaltet, darunter den ersten LI-Kongress in Asien 2011 in Manila. Darüber sie das Potenzial des Projektes erkannte und die äußerst ambitionierte Zielsetzung durch sehr lang- schenrechte und fundamentaler Freiheiten hinaus bestehen Kontakte mit den liberalen Netzwerken in Lateinamerika (RELIAL), in Afrika (Africa fristige, beharrliche Arbeit erreichbar schien. Auch die Partner gaben sich keinen Illusionen hin, zu begründen.“ Liberal Network) und Nahost (Arab Alliance for Freedom and Democracy). Mit der liberalen Fraktion dass der angestrebte zwischenstaatliche Mechanismus schnell zu erreichen sei, und gingen bei im Europaparlament ALDE (Alliance of Liberals and Democrats for ) erfolgt ein besonders ihren Lobbyaktionen sehr systematisch, taktisch geschickt und beharrlich vor. Sie wurden aufgrund enger Austausch, es finden regelmäßig biregionale Dialog-Konferenzen in Europa und Asien mit ihrer unstreitigen Kompetenz und Statur von den Regierungsvertretern (Ministern, Spitzenbeamten) hochrangiger Besetzung statt. Ferner besteht ein Abkommen über die Förderung politischer Nach- sowie dem ASEAN-Sekretariat als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert und respektiert. Die wuchskräfte aus Asien durch Praktika im Europaparlament. Die FNF hat Entstehung, Aufbau und RWG war daher der einzige nicht staatliche Träger in der Region, dem die ASEAN-Regierungen in Die Führungsriege der regionalen Menschen- Entwicklung des CALD intensiv beraten, gefördert und kritisch begleitet. Dieser Partner stellt ein Menschenrechtsfragen Zugang zu ihren Sitzungen gewährten und von dem sie Beratungen annah- rechtslobby in den ASEAN-Staaten (RWG) beeindruckendes Beispiel des politischen „Institution Building“ mit Pioniercharakter dar. men. Die Treffen wurden offiziell protokolliert. zum Arbeitstreffen beim ASEAN-Generalse- kretär Dr. Surin Pitsuwan (4. v. r.) mit Dr. Marzuki Darusman (3. v. r.), Param 2. Der Menschenrechtsschutzmechanismus für die ASEAN-Staaten Konferenzen mit dem Europarat als Meilensteine Cumaraswamy (4. v. l.) und Senator Wigberto Die Situation der Menschenrechte in den zehn ASEAN-Staaten (Association of Southeast Asian Na- Die Förderung der Stiftung war fokussiert auf Strategie- und Planungssitzungen der RWG mit den Tanada (3. v. l.), Jakarta, 2008 tions) variiert aufgrund der Heterogenität ihrer politischen Systeme stark (Demokratien, autoritäre nationalen Arbeitsgruppen sowie Tagungen mit Vertretern der ASEAN-Staaten. Im Verlauf der fast Regime, Ein-Parteien-Diktaturen). Dennoch gibt es in allen Ländern Menschenrechtsverletzungen, 20-jährigen Kooperation wurde ferner eine Serie von vier Konferenzen mit der Kommission für Men-

78 79 Prof. Vitit Muntarbhorn schenrechte des Europarates in Straßburg durchgeführt. Sie dienten dem Austausch der Partner Ko-Vorsitzender der ASEAN-Menschen- mit Spitzenvertretern der Menschenrechtsschutzmechanismen in Europa, Amerika und Afrika sowie rechtslobby RWG, Rechtsprofessor an der Chulalongkorn Universität Thailand den Präsidenten und Richtern des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Zu diesen Kon- ferenzen wurden Regierungsvertreter aller ASEAN-Staaten eingeladen, um aus erster Hand Stand und Entwicklung der Menschenrechtsschutzmechanismen außerhalb Asiens kennenzulernen. Dabei „Die FNF ist beispielhaft für eine Organisa- wurden von den Sprechern der anderen Kontinente auch Probleme und Schwierigkeiten beim Aufbau tion, die Arbeiten in Entwicklungsländern auf einer langfristigen, nachhaltigen Basis fördert, der eigenen Schutzmechanismen selbstkritisch dargestellt. Die Asiaten empfanden es als sensatio- insbesondere im Bereich der Menschenrechte. nell, dass der Entscheidungsprozess in Europa 40 Jahre brauchte und dass selbst Frankreich und Der Mehrwert dieses Engagements ist, dass England jahrelang Widerstand gegen den europäischen Schutzmechanismus leisteten, weil sie be- es einen Ad-hoc-Ansatz vermeidet. Dadurch fürchteten, als Regierungen auf die Anklagebank zu kommen. Die Debatten trugen erkennbar dazu bewirkt sie ein lang dauerndes Engagement mit Partnern – eine Partnerschaft in Freund- bei, Blockadehaltungen der ASEAN-Vertreter abzubauen. Nach Einschätzung der Partner waren die schaft, grenzüberschreitend, weltweit.“ Straßburg-Konferenzen entscheidende Meilensteine auf dem Wege zur Zielerreichung, weil sie als vertrauensbildende Maßnahmen die Positionen der ASEAN-Regierungen stark beeinflusst haben.

Durchbruch nach 14 Jahren Durststrecke Im Verlauf der jahrelangen Lobbyaktionen der RWG gab es graduelle Fortschritte, aber auch Rück- 1 2 schläge im Dialog mit ASEAN und Perioden der Frustration, verursacht durch ablehnende Haltungen der autoritären Staaten. Der Durchbruch gelang erst nach 14 Jahren zäher Verhandlungen mit der Schaffung folgender Mechanismen:

2007 ASEAN-Charta Artikel 14 Asiatische Menschenrechtskörperschaft 2009 ASEAN Zwischenstaatliche Kommission für Menschenrechte (AICHR) 2010 ASEAN-Kommission für die Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen und Kindern (ACWC) 2012 ASEAN-Charta für Menschenrechte

Die RWG ist die einzige Menschenrechtsorganisation, die in der ASEAN-Charta als Dialogpartner der AICHR anerkannt wird. Der unermüdliche Einsatz der Partner hat sich gelohnt und wird fortge- setzt. Es gilt, die praktische Umsetzung der neu geschaffenen Menschenrechtsinstrumente mit Leben zu erfüllen, auch gegen noch bestehende Widerstände in autoritären Staaten. Fernziel ist ein Asiatischer Gerichtshof für Menschenrechte. 3 4 3. Das Netzwerk RELIAL – eine Stimme der Freiheit in Lateinamerika Das RELIAL ist das Netzwerk liberaler politischer Parteien und Thinktanks in 17 Ländern Lateiname- rikas. Die angeschlossenen mehr als 40 Institutionen repräsentieren das Streben nach Freiheit in einer Umgebung, die zunehmend durch sozialistisch-autoritäre Regime geprägt wird. 1. 15 Jahre CALD: Festveranstaltung mit dem früheren Präsidenten Indonesiens Abdurrahman Wahid, dem Ministerpräsidenten Thailands Abisith Vejjajiva und dem thailändischen Außenminister Kasit Piromya, Bangkok, 2008 Insofern stellen sie sich der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den undemokratischen, po- 2. Hochrangige Regierungsvertreter der ASEAN-Staaten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, 2009 3. Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) und Mario Vargas Llosa im Dialog auf dem RELIAL-Kongress in Caracas, Venezuela, 2009 pulistischen Herrschern Lateinamerikas. Das RELIAL bildet den institutionellen Rahmen, innerhalb 4. Juli Minoves, Vizepräsident Liberal International (l.), Mario Vargas Llosa, Ehrenpräsident RELIAL (Mitte), und Ulrich Wacker, Regionalbüroleiter Lateinamerika, während einer RELIAL-Tagung in Santiago de Chile, 2010 80 81 dessen liberale Politiker, Intellektuelle, Unternehmer und Vertreter gesellschaftlicher Initiativen die Die Besonderheit: liberale Parteien und Thinktanks in einem Netz ihnen gemeinsamen Vorstellungen individueller Freiheit, des sich begrenzenden Staates, der Markt- Eine Eigenart des Netzwerkes RELIAL ist das Miteinander von liberalen Parteien und liberalen Think- wirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit und freier demokratischer Systeme und Gesellschaften auf dem tanks, darunter solche, die in einschlägigen Rankings zu den führenden Lateinamerikas gezählt wer- Kontinent diskutieren und politisch ausformen. Indem sich Schlüsselakteure in der öffentlichen De- den. Eine Kultur des politischen und kulturellen Dialoges innerhalb der Gesellschaften Lateiname- batte zu diesen Werten und Ideen bekennen, bildet das RELIAL ein Gegengewicht zum antiliberalen rikas braucht kompetente Thinktanks, die Wächter der Demokratie, Staatsbürgerschule und Diskurs und zu autoritären Regimen des Kontinents, die zur Sicherung ihrer Herrschaft vor Verfas- Politikberater sind. Das RELIAL bietet ihnen regionale Arbeitsbeziehungen und einen politischen sungsbruch, Wahlbetrug und Einschüchterung des politischen Gegners nicht haltmachen. Dialog mit politischen Parteien und mit Thinktanks anderer Länder. Parteien sind programmatisch häufig profillos und unsicher, ihnen hilft der Dialog mit liberal profilierten Thinktanks. Letztere Entstehung und institutioneller Rahmen haben wiederum die Möglichkeit, im Zusammenspiel mit ihren RELIAL-Partnerparteien konkrete Das RELIAL wurde 2004 gegründet und ist seit 2008 als gemeinnützige Stiftung in Panama rechtlich Politikentwürfe in den parlamentarischen Prozess einzuspeisen. verfasst. Vorsitzender ist seit 2012 Ricardo López Murphy, der ehemalige Finanz- und Verteidi- gungsminister Argentiniens. Ehrenvorsitzende sind unter anderem Literatur-Nobelpreisträger Mario RELIAL – Netzwerk wider den Antiliberalismus Vargas Llosa (ehemaliger Präsidentschaftskandidat in Peru), der exilierte kubanische Publizist Carlos Mit seiner Arbeit will das RELIAL in der politischen Systemkonkurrenz Lateinamerikas ein ordnungs- Alberto Montaner und der mexikanische Journalist Sergio Sarmiento. Das RELIAL ist seit seiner politisch liberales Gegengewicht zum sozialistisch-autoritären, regional ausstrahlenden Politik- und Gründung regionaler Projektpartner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Herrschaftsmodell des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sein, der die Macht in seinen Händen konzentriert, das traditionelle Parteiensystem schwächt und auflöst, die demokratischen Themen und Arbeitsweise Institutionen delegitimiert, die Medienfreiheit einschränkt, die Wirtschaft durch den Staat kontrol- Die Dynamik der Netzwerkarbeit macht aus, dass die RELIAL-Institutionen sich in eigener Initiative liert und oppositionelle Kräfte systematisch einschüchtert. und im Direktdialog zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammenfinden und im Rahmen ihrer na- tionalen Arbeit systematisch Referenten austauschen. Die jährlichen RELIAL-Kongresse sichern eine Chávez und seine Sympathisanten in Regierungen und Eliten des Kontinents nehmen das RELIAL Verleihung des Freiheitspreises der FNF hohe öffentliche Wirkung, machen die Liberalen des Kontinents sichtbar und ermutigen diejenigen als profilierten politischen Gegner wahr. Als 2009 der IV. RELIAL-Kongress in Caracas, Venezuela, an Mario Vargas Llosa (l.) durch Dr. Wolfgang Gerhardt und Prof. Dr. Jürgen Liberalen, die in manchen Ländern Lateinamerikas in nur kleinen Parteien und politisch bedrängt zum Thema „Ansätze für eine liberale Sozialpolitik in Lateinamerika“ stattfand, schickte die Regie- Morlok (r.) in der Paulskirche, Frankfurt, 2008 für die Freiheit streiten. rung Dauerdemonstranten, die das Tagungshotel umlagerten. Hugo Chávez bot Mario Vargas Llosa eine Fernsehdebatte an, machte aber auch schnell wieder einen Rückzieher, als der peruanische Thematische Arbeitsschwerpunkte des Netzwerkes waren in den vergangenen Jahren: Kampf gegen Schriftsteller das Angebot öffentlich angenommen hatte. die Armut, Bedrohungen der Demokratie, Schutz von Eigentumsrechten, marktwirtschaftliche In- strumente in der Umweltpolitik sowie liberale Positionen in den Beziehungen zwischen der Euro- So ist RELIAL die institutionelle Antwort auf den Bedarf Lateinamerikas nach einem öffentlichen päischen Union und Lateinamerika. Zu diesen Themen erarbeiten die RELIAL-Mitglieder nationale politischen Diskurs, der die Vertreter des Antiliberalismus herausfordert und ihnen die Überlegenheit Analysen, tragen Musterlösungen aus der Praxis zusammen und entwickeln Politikvorschläge, die der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit markt- über die Netzwerkpartner in den Ländern Lateinamerikas verbreitet werden. wirtschaftlicher Systeme entgegenhält.

Die Zusammenarbeit in regionalen Arbeitsgruppen, etwa zu Analysen der wirtschaftlichen Freiheit in Lateinamerika oder zur Definition von liberalen Positionen im Eigentumsschutz und in der Um- weltpolitik, schließt die globale Zusammenarbeit mit anderen liberalen Institutionen ein; hierzu gehören Liberal International, die liberale Fraktion im Europäischen Parlament (ALDE) und der wirt- schaftspolitische Thinktank Fraser Institute in Kanada mit seinem weltweiten Economic Freedom Network.

82 83 Nord-Süd-Dialogprogramm am Sitz der Vereinten Nationen, New York

Es war der neue FNF-Vorstandsvorsitzende Ralf Dahrendorf, der 1983 vor dem Hintergrund seiner internationalen Erfahrungen als langjähriger Direktor der renommierten London School of Econo- Internationale mics und als Vorstandsmitglied der Ford Foundation eine Diskussion in den Gremien der Stiftung anstieß, die zu einem neuen Typ von Projektarbeit unter dem Oberbegriff des Internationalen Poli- tikdialogs führte. Ziel war, zur Befähigung der Stiftungspartner beizutragen, auf internationalen Projekte Foren und Podien Ideen zu politischen Lösungen aus liberaler Sicht auszutauschen, politische For- derungen zu erheben und dadurch wichtige Erfahrungen zu sammeln oder weiterzugeben. Die Stif- tung unterstützte damit einen Meinungs- und Informationsaustausch zwischen Entscheidungsträ- gern des öffentlichen und privaten Lebens aus den Partnerorganisationen und liberalen Parteien zu Themen, die für eine demokratische und marktwirtschaftliche Entwicklung der mittlerweile 40 Part- nerländer und im internationalen Kontext von großer Bedeutung waren.

Die Teilung der Welt in Ost und West Die Welt der 80er-Jahre war immer noch geteilt in die Machtblöcke von Ost und West, in die je- weiligen Bündnisse mit ihren Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Zwar wurden die großen Themen der Zeit, wie die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung oder einer neuen Weltinfor- mationsordnung, zunächst blockintern diskutiert. Dennoch war das Bedürfnis nach einem Gedan- kenaustausch, nach Diskussion statt Konfrontation, mithin nach Dialog, spürbar, besonders dort, wo die Vertreter aus Ost und West, aus Süd und Nord zusammentrafen – z. B. im Rahmen der Ver- einten Nationen und ihrer über den Globus verstreuten Unterorganisationen.

New York: Treffpunkt der Welt Nach 20 Jahren gesellschaftspolitischer Arbeit auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene begann 1983 die Entwicklung eines neuen Instruments politischer Vermittlung: Der Internationale Politikdialog wurde mit der Gründung des Nord-Süd-Dialogprogramms dort aus der Taufe gehoben, wo sich alle Staaten und eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGO) versammeln – am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Komplementär zur offiziellen Diplomatie wurde noch im Herbst 1983 damit begonnen, Foren für die zahlreichen Interessierten und Partner in aller Welt zu schaffen, um dogmatische Blockaden zu überwinden, den Austausch politischer Ideen zu fördern und liberalen Beiträgen Gehör zu verschaffen.

Einflussreiche Persönlichkeiten halfen mit Ohne die kenntnisreiche Mithilfe des ehemaligen Präsidenten der UN-Vollversammlung Rüdiger Freiherr von Wechmar und ohne das aktive Engagement weltbekannter Persönlichkeiten wie Henry

84 85 Kissinger, David Rockefeller, Otto Graf Lambsdorff, Fritz Stern, Ralf Dahrendorf, John J. McCloy, Integration des Nord-Süd-Dialogs am Sitz der Vereinten Nationen Hans-Dietrich Genscher, Helen Suzman, , Hernando de Soto, Corazon Aquino Durch Kontinuität, ein breites Themenspektrum und weit gestaffelte Veranstaltungen in den Re- und vieler weiterer kompetenter Mitstreiter aus den Partnerorganisationen wäre es nicht gelungen, gionen und Ländern entstand eine tragfähige Zusammenarbeit, die in den folgenden Jahrzehnten in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl von hochkarätig besetzten Konferenzen zu wichtigen politischen wichtige Entwicklungen angestoßen hat, insbesondere im Bereich der Demokratieförderung und Themen zu organisieren. Es entwickelte sich ein breit gespanntes und tragfähiges Netz, dessen Ver- des Schutzes der Menschen- und Minderheitenrechte. Die Aktivitäten des New Yorker Büros am knüpfungen sowohl aus der Brisanz von Themen aus Wirtschafts- und Handelswelt, Medien, Wis- Sitz der Vereinten Nationen wurden zu Beginn der 90er-Jahre in den von Washington D.C. und senschaft, Kultur und Politik herrührten als auch aus den jeweils speziell passenden Veranstal- Brüssel aus gesteuerten Internationalen Politikdialog überführt, nachdem durch die Auflösung der tungsformaten und Konferenzorten. kommunistischen Regime neue Kräfteverhältnisse und Dialoglinien entstanden waren.

Partnerschaftliche Unterstützung des Dialogprogramms Das „Forum Entwicklungszusammenarbeit“ Seminar zum Brundtland Report on Dem in jeder Hinsicht besonders hohen Niveau und der hohen Pulsfrequenz der Metropole New Ein aus Mitteln des BMZ finanziertes „Forum Entwicklungszusammenarbeit“ (FEZ) ermöglichte in Environment and Development der Vereinten Nationen, mit Präsentation von York mit ihrer einzigartigen Dichte von Ethnien, Religionen und Interessen entsprechend, fanden den folgenden Jahren eine Ergänzung des vom Auswärtigen Amt geförderten Transatlantischen Prof. Emil Salim, Minister für Bevölkerung die Aktivitäten der Stiftung an politisch herausragenden Orten und mit weltweit bekannten Per- Dialogs in Washington D.C. um entwicklungspolitische Themen. Diese Aktivitäten entsprachen den und Umwelt, Indonesien, Mitglied der von sönlichkeiten statt. Die Anziehungskräfte New Yorks sorgten für Besuche ständig wechselnder be- gestiegenen Anforderungen nach größerer Teilhabe der weltweiten Partner in einer neuen, zunächst UN-Generalsekretär Pérez de Cuéllar deutender Partner zu Sitzungen im Umfeld der Vereinten Nationen, der Wall Street oder der New unipolar geprägten Entwicklung der Vereinten Nationen, hervorgerufen durch die Dominanz der eingesetzten Brundtland-Kommission und langjähriger Partner der Stiftung in Indone- Yorker Universitäten. Die teuren Basiskosten für Büro und Personal konnten deshalb durch Einspa- Vereinigten Staaten als einzig verbleibender Supermacht. In enger Zusammenarbeit mit den welt- sien (2. v. l.), New York,1987 rungen an Reisekosten für Referenten und Teilnehmer sowie Mieten für geeignete Räumlichkeiten weiten Projekten verhalf dieser Teil der Dialogarbeit auch dazu, die zum Teil sehr großen Unter- ausgeglichen werden. Zu den Kooperationspartnern gehörten die New School for Social Research – schiede in Theorie und Praxis zwischen der deutschen/europäischen Entwicklungszusammenarbeit einst Lehrstätte von Adorno und Horkheimer während ihres von den Nazis erzwungenen Exils und und der der USA zu verdeutlichen. Differenzen in den transatlantischen Beziehungen waren häufiger Sitz des von Bundeskanzler Willy Brandt eingerichteten Theodor-Heuss-Lehrstuhls –, die Columbia in Bezug auf Probleme im Umgang mit Dritten entstanden als unmittelbar zwischen den Partnern University (Business Graduate School), das berühmte Museum of Modern Art, der altehrwürdige des atlantischen Bündnisses selbst. Insbesondere der Einsatz militärischer und wirtschaftlicher Macht University Club und das Leo Baeck Institute for Jewish History, New York, mit seinen Archivschätzen entsprach nicht dem politisch liberalen Willen der FNF und den Erfahrungen aller politischen Stif- deutscher Juden. Für Veranstaltungen wurden häufig Konferenzräume der Vereinten Nationen genutzt. tungen der Bundesrepublik, die in ihrer Entwicklungszusammenarbeit auf jahrzehntelange Erfolge mit politischer Bildung, politischer Beratung und dem politischen Dialog blicken konnten. Themen und Programme des Dialogs Im Vordergrund standen Themen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen von Entwicklung in der Dritten Welt als liberaler Beitrag zum Internationalen Dialog. Bereits 1984 wurde über Fragen einer neuen Weltinformationsordnung und über Möglichkeiten regionaler Kon- Internationale Akademie fliktlösungen debattiert sowie eine Serie von Konferenzen zur Reform der „Vereinten Nationen im Jahre 2000“ gestartet. Eingehend wurden im informellen Konferenzrahmen die Vorschläge des Prä- für Führungskräfte (IAF) sidenten des Wirtschafts- und Sozialrates der UNO zur Reform internationaler Handels- und Fi- nanzbeziehungen erörtert, in Anwesenheit sowjetischer und chinesischer Diplomaten, hochrangiger Die positive Resonanz der internationalen Dialogprojekte führte zu Überlegungen über einen zu- UN-Vertreter sowie des Sprechers der mächtigen „Gruppe 77“ innerhalb der Vereinten Nationen. sätzlichen Standort als Kristallisationspunkt, als Zentrum und eine Art Dialogkreuz mit Nord-Süd- Internationale Konferenzen – z. B. „Strategien für die Zukunft Asiens“ in Bangkok oder „Wege zur und Ost-West-Bezügen. Die Wahl fiel zunächst auf Portugal, das wegen seiner kolonialen Vergan- Demokratie in Zentralamerika“ in Costa Rica in Kooperation mit dem Interamerikanischen Institut genheit, der Randlage in Europa und stark liberal geprägter Politik besonders geeignet war, inter- für Menschenrechte in San José – waren komplementäre Bestandteile des von New York aus orga- nationale Konferenzen zu beheimaten, und darüber hinaus als Standort für die Einrichtung einer nisierten Nord-Süd-Dialogs. Dialog-Akademie infrage kam. In den Jahren 1987 und 1988 fanden die ersten beiden „Lisbon- Meetings“ als Test mit positivem Ergebnis statt. Die „Internationale Akademie für Entwicklung in Freiheit“ wurde dann 1989 in Sintra, unweit von Lissabon, mit portugiesischen Partnern aus der

86 87 Taufe gehoben. Ihre Aufgabe bestand in der Konzeption und Durchführung von Programmen, die mit ihren Foren und Konferenzen übergreifende Ergänzungen zu den inzwischen üblichen Bildungs- und Dialogmaßnahmen anboten. Hinzu kam die Funktion eines Ansprechpartners für die Partner in Ländern ohne eigenes Stiftungsbüro sowie für solche Länder, in denen bestimmte Themen aufgrund der politischen Gegebenheiten nicht oder noch nicht erörtert werden konnten.

Sintra in Portugal als internationaler Treffpunkt Der portugiesische Ministerpräsident Aníbal Cavaco Silva eröffnete die erste Konferenz mit dem Titel „East Meets West on Human Rights in a New Climate of International Cooperation“. Hoch- rangige Delegierte aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Dänemark, Kanada, Südafrika, Israel und Italien trafen auf Gesprächspartner aus der UdSSR, Polen, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und Treffen von Absolventen der Internationalen Akademie für Führungskräfte (IAF) in Indien, der Deutschen Demokratischen Republik. Ehemalige Dissidenten diskutierten über Menschenrechte 2006 mit hochrangigen Funktionären in einem Klima, das bereits den Wind der Freiheit in sich trug, denn wenig später fiel die Mauer in Berlin mit den bekannten dramatischen, umwälzenden Folgen.

1 2 Die Theodor-Heuss-Akademie wird Standort der Internationalen Akademie Die grundlegend veränderte politische Karte ganz Europas hatte zwangsläufig zur Folge, dass die Standortfrage neu gestellt und der Bedarf nach einer internationalen Akademietätigkeit neu be- stimmt werden musste. Es galt einen Ort im Zentrum Europas zu finden, dessen geopolitische und infrastrukturelle Beschaffenheit geeignet war, den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Ver- änderungen im politischen Partnerspektrum Portugals beschleunigten den Umdenkprozess, der schließlich zugunsten der schon seit fast 30 Jahren bewährten und bekannten Theodor-Heuss- Akademie in Gummersbach ausfiel. Aufgrund der beeindruckend großen Nachfrage an Schulungen für junge Führungskräfte, jetzt auch aus den demokratischen Nachbarländern in Mittel-, Südost- und Osteuropa, gründete die Stiftung die neue „Internationale Akademie für Führungskräfte“ (IAF).

Signale nach innen und außen Damit waren einige Signale nach innen und außen verbunden. Nach innen unterstrich diese Zu- sammenlegung unter Ausnutzung vielfältiger Synergieeffekte das Wirken der Friedrich-Naumann- Stiftung zur Förderung eines modernen Liberalismus in Deutschland und weltweit. Nach außen wurde die Möglichkeit geschaffen, die Wiedervereinigung Deutschlands als Muster einer friedvollen Revolution durch gezielte Kurzreisen der Seminarteilnehmer, etwa nach Köln, Halle, Dresden oder 3 4 Berlin, näher kennenzulernen. Der tägliche Dialog zwischen den Teilnehmern aus dem Ausland und denen aus der Bundesrepublik förderte über die konkrete Wissensvermittlung hinaus das gegensei- tige Verständnis und den Abbau von Vorurteilen unter Menschen vieler unterschiedlicher Ethnien, Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen. 1. II. Berlin-Meeting der IAF mit Dr. Otto Graf Lambsdorff und Annemie Neyts Uyttebroeck, Präsidentin, Liberal International 2. Konferenz der Tibet Support Groups. Dialog des Dalai Lama mit dem tschechischen Präsidenten Václav Havel, Prag, 2003 3. Dr. Otto Graf Lambsdorff, Vorsitzender des Kuratoriums der FNF, Aníbal Cavaco Silva, Ministerpräsident, Portugal, und , Präsidentin des Europäischen Die Internationale Akademie für Führungskräfte als Erfolgsmodell weltweiter politischer Bildung Parlamentes (v. l.) auf dem ersten Lissabon-Meeting in der Internationalen Akademie der FNF, Sintra, 1989 Die IAF ist eine der großen Erfolgsgeschichten der FNF, wobei mehrere Faktoren entscheidend sind, 4. Teilnehmer der 2. internationalen Minderheitenkonferenz, Berlin, 2000 insbesondere die enge Zusammenarbeit mit den Projekten und Partnern im Ausland. Hinzu kommen 88 89 die Qualität der angebotenen Schulungsthemen und das hohe Niveau von Referenten und Teilneh- Europäische Auszeichnung auf der führenden Technologiemesse CeBIT mern, die in den zweiwöchigen Seminaren auf künftige Führungsaufgaben vorbereitet werden. Be- Selten hat eine technische Erneuerung zu einer so tief greifenden Verbesserung bei der Vermittlung sonders erfreulich sind die Gründungen von IAF-Alumni-Verbänden in vielen Ländern, die von Wissens- und Bildungsinhalten für die Demokratisierung des globalen politischen Dialogs ge- selbstständig und erfolgreich arbeitend ein Reservoir an hoch motivierten, politisch liberal denken- führt. Bereits zum Ende der Pilotphase im Jahre 2005 erhielt das Konzept der Internationalen den jungen Menschen geschaffen haben. Pakistan, die Philippinen, Ghana und Honduras sind her- e-Academy den „Europäischen E-Learning Award – eureleA 2005“ auf der weltweit wichtigsten ausragende Beispiele für die erfolgreiche Arbeit der Akademie, da in diesen Ländern die Anzahl der Messe der digitalen Wirtschaft, der CeBIT in Hannover. In der Laudatio wurde die erneute Auswahl in Führungspositionen aufgestiegenen IAF-Absolventen besonders hoch ist. Mit Rücksicht auf die für den Preis „eureleA 2008“ damit begründet, dass „der hier eingeschlagene Weg der Internatio- Hauptstadtfunktion wurde die Steuerung der IAF im Jahre 2010 nach Berlin verlegt. Die IAF stellt nalisierung der politischen Bildung via Internet und der Bildung einer weltweit verteilten Interes- seit einer Dekade mit allen von ihr wahrgenommenen Aufgaben der Stiftung im In- und Ausland sengruppe politischer Leistungsträger nach Ansicht der Jury so innovativ [sei], dass eine erneute und auch unter Gesichtspunkten von Kosten und Effizienz eine viel beachtete Komponente der ge- Preisvergabe gerechtfertigt [war]“. 5. Lissabon-Meeting liberaler Spitzenpolitiker samten Stiftungsarbeit mit besonders nachhaltiger Wirkung dar. Mit der IAF ist ein internationales in der Akademie für internationale Entwick- lung der FNF mit Dr. Otto Graf Lambsdorff und interkontinentales Forum geschaffen worden, das jungen Führungsnachwuchskräften aus allen Anzahl und Themen der Online- und Präsenzseminare und dem portugiesischen Ministerpräsidenten Projektländern die einzigartige Möglichkeit bietet, miteinander und voneinander zu lernen, politische Pro Jahr finden drei Online-Seminare in Verbindung mit dem Präsenzseminar in Gummersbach in Aníbal Cavaco Silva (2. und 3. v. r.), Sintra, und kulturelle Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam praktikable, liberale Lösungen für Ent- einem Gesamtzeitraum von etwa 18 Wochen, einschließlich der Vorbereitungs- und Nachbetreu- 1993 wicklungsprobleme zu erarbeiten. ungsphasen, statt. Von den 100 Bewerbern werden 25 in die Internationale Akademie für Führungs- kräfte eingeladen. Am Ende einer Dekade ist somit ein globales Netz von etwa 750 jungen Führungs- Internationale e-Academy kräften entstanden, dessen Tragfähigkeit besonders in politisch turbulenten Zeiten der Verbreitung Zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Seminare der IAF ist ein weltweit gespann- und Vertiefung des Demokratiegedankens dient. Die Schulungsthemen variieren von „New Public tes Netz von Informationen, aber auch von Entscheidungen notwendig. Die Vielfalt der Kulturen, Management“ über „Human and Civil Rights“ bis zu „Political Youth Organizations“ und sind an der Sprachen und der unterschiedlichen Wertesysteme haben auf ganz natürliche Weise auch Aus- den Themenschwerpunkten der Stiftung ausgerichtet. wirkungen auf Beurteilungen von Kandidaten und deren Auswahl. In der Konsequenz führte dies oft zu unterschiedlichen Qualifikationen der Teilnehmer zu Beginn der IAF-Seminare und damit zu Neue Praxis der Freiheit kostbaren Zeitverlusten bei der Angleichung der unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlich Die enorme Geschwindigkeit technischer Entwicklungen lässt moderne Angebote international aus- Wissen und Bildungsstand. Hier kamen die Entwicklungen der IT-Branche zu Hilfe. gerichteter Wissens- und Bildungsvermittlung ohne Unterstützung der Informationstechnologie kaum noch denkbar erscheinen. Die Möglichkeiten für den Einzelnen, über nationale und sprachliche Modernste Technologie und klassische Pädagogik Grenzen hinweg mit eigenen Beiträgen in einen globalen virtuellen Dialog einzutreten, sind nahezu Unter dem Dach des Internationalen Politikdialogs wurden zweisprachige Online-Seminare in eng- unbegrenzt. Das gilt zumindest überall dort, wo die technischen und politischen Voraussetzungen lischer und spanischer Sprache entwickelt. Die Friedrich-Naumann-Stiftung war damit die einzige vorhanden sind. Mit der Internationalen e-Academy ist eine neue Praxis der Freiheit verbunden, die Organisation weltweit, die solche zweisprachigen Online-Seminare mit Internet-Foren anbot. Die allerdings nur in direkter Verbindung mit den Präsenzseminaren in der Theodor-Heuss-Akademie Beiträge der Referenten und Teilnehmer wurden in den Internet-Foren einer weltweit eingerichteten zu nachhaltig wirksamer Bildungsvermittlung im liberalen Sinne führt. Online-Bibliothek innerhalb von maximal 24 Stunden übersetzt und erlaubten dadurch, auch unter Berücksichtigung der globalen Zeitdifferenzen, eine sprachübergreifende Diskussion. Die Vorteile einer breiter gestreuten Teilnahme und Bewerbung gingen Hand in Hand mit verbesserten, d. h. ob- jektivierbareren Auswahlmöglichkeiten der Teilnehmer und gezielt einsetzbaren Lehr- und Lernma- Internationale Konferenzen terialien, schon Wochen vor dem Präsenzseminar in der Theodor-Heuss-Akademie. Auch nach dem Seminar in Deutschland war es mit dieser neuen Methode für die weltweiten Projektbüros sehr viel Seit der Stiftungsgründung gehörte der Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hi- einfacher und effizienter, eine nachhaltige Betreuung der Teilnehmer zu gewährleisten. Vor allem naus durch die Zusammenarbeit mit der Liberalen Weltunion zum Kern des Bemühens um die Ver- war die Vernetzung untereinander nur noch eine Frage weniger Handgriffe. breitung und Stärkung des Liberalismus. Bereits 1960, also drei Jahre vor der Eröffnung des ersten Auslandsprojektes in Tunesien, fand eine Konferenz mit ausländischen Referenten und Diskussions-

90 91 teilnehmern zum Thema „Europa und die Entwicklungsländer“ in Baden-Baden statt. Wenig später stand bei einer Folgekonferenz schon die Bildungshilfe in Entwicklungsländern auf dem international ausgerichteten Programm. Die Vorträge wurden damals in der Schriftenreihe der Friedrich-Nau- mann-Stiftung veröffentlicht. Früher als die meisten vergleichbaren Institutionen erkannte die Stif- tung mit ihren ersten internationalen Partnern die Problematik der Entwicklungsländer und der Entwicklungshilfe als eine Lebensfrage auch der westlichen industrialisierten Welt, die dringend und konkret angegangen werden musste.

Internationale Konferenzen gehören zum Grundprogramm Der Dialog als weltweiter Austausch von Gedanken, Problemen und politischen Lösungen gehörte mit internationalen Konferenzen, Kolloquien und Seminaren von Anbeginn zum Grundprogramm und damit zum öffentlichen Angebot der Stiftung. Mit der verkehrstechnisch zunehmend enger vernetzten Welt wurde es auch einfacher und finanziell vertretbar, längere Distanzen in kürzerer Zeit zu fast allen Orten des Globus zurückzulegen. In den fünf Jahrzehnten der Stiftungstätigkeit im Ausland und der internationalen Arbeit im Inland haben ungezählte internationale Konferenzen weltweit stattgefunden. Fast alle wurden dokumentiert, publiziert, ihre Ergebnisse vielfach in der 1 2 politischen Bildung, in der Politikberatung und im Dialog erneut verwendet, adaptiert, zum Teil auch revidiert. Einige besonders herausragende Beispiele verlangen wegen ihrer lange ausstrahlenden politischen Wirkung nach einer kurzen Darstellung. Dazu zählen auch die 1987 und 1988 von der FNF geförderten Dialog-Konferenzen über ein Post-Apartheid-Südafrika in Dakar und Leverkusen, die den Weg zur demokratischen Transition in Südafrika wesentlich geebnet haben und ein welt- weites Medienecho auslösten.

Trilaterale Kuba-Konferenz Die Entstehungsgeschichte mancher Konferenzen verlief ungewöhnlich. 1986 erhielt der in Latein- amerika erfahrene Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik der FNF eine Einladung der kubanischen Regierung zu einem einwöchigen Aufenthalt in Havanna. Im Verlauf seiner Gespräche mit Vertretern des Zentralkomitees der KP, des Außenministeriums, des Parlamentes und verschiedener Thinktanks wurde von den Gastgebern der Vorschlag unterbreitet, eine gemeinsame Konferenz in der Bundes- republik über „Die Rolle Kubas im Spannungsfeld der internationalen Beziehungen mit Westeuropa“ durchzuführen. Ein Kernanliegen der Kubaner war dabei die Einbeziehung hochrangiger Vertreter des US-State Departments, um auf neutralem Boden auch die problematischen bilateralen Bezie- 3 4 hungen zu den USA diskutieren zu können. Man ging davon aus, dass die FNF über Außenminister Genscher die Amerikaner zur Teilnahme bewegen könne. Wie sich ergab, bestand sowohl im Aus- wärtigen Amt als auch im State Department starkes Interesse an der Konferenz. Sie fand im Juni 1987 am Sitz der Stiftung in Königswinter statt. Leiter der kubanischen Delegation war Ricardo 1. Politischer Gedankenaustausch zwischen dem Dalai Lama und Dr. Otto Graf Lambsdorff am Rande der Konferenz mit den Tibet Support Groups, Bonn, 1996 Alarcón, Vizeaußenminister und späterer Parlamentspräsident. Gastgeber auf deutscher Seite war 2. Politikdialog mit Dr. Wolfgang Gerhardt, Prinz Turki Al-Faisal von Saudi-Arabien, Madeleine Albright, ehemalige Außenministerin der USA und Direktorin Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt und Vorstandsmitglied der FNF. Die Debatten des National Democratic Institute (NDI), und Václav Havel, Präsident der Tschechischen Republik (v. l. n. r.), Prag, 2005 3. Studienreise von Richtern des Obersten Gerichtshofes aus Indonesien in Deutschland, 2003 4. Hochrangige Delegation von Regierungsvertretern der ASEAN-Staaten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, 2008

92 93 wurden durch Positionspapiere der Westeuropäer, Kubaner und Amerikaner eingeleitet, behandelten „Menschenrechte und Minderheiten“ in Königswinter die Grundlagen intensiver Reformen mit Ver- die politischen Differenzen in den jeweiligen Beziehungen und in der aktuellen Mittelamerika- tretern von Minderheiten aus 23 Ländern erarbeitet. Vier Jahre später in Berlin konnte nach inten- Politik sowie mögliche Kooperationen in Wirtschaft, Technologie und Kultur. Die Konferenz wurde siver Erörterung in fachbezogenen Arbeitsgruppen und Überarbeitungen im Plenum ein umfassendes als wichtiger Beitrag zur Verbesserung der deutsch-kubanischen Beziehungen und zur Konfliktlösung Konzept deutlich liberaler Grundsätze mit einer breiten Zustimmung durch Delegierte nationaler, in Zentralamerika bewertet. ethnokultureller und indigener Minderheiten verabschiedet werden.

Menschenrechtskonferenzen mit dem Europarat in Straßburg Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Lord Russel-Johnston bezeich- Menschenrechtskonferenzen der FNF gab es in den letzten fünf Jahrzehnten viele. Außergewöhnlich nete das fertige Dokument als mutiger als alles, was von internationalen Organisationen zum Thema erfolgreich war eine ab 1988 durchgeführte, lange Serie von Konferenzen mit der Kommission für bis dato vorgelegt worden war. Er sah darin ein Ensemble von Werten, für das sich der Einsatz lohne Menschenrechte des Europarates bzw. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straß- und das in dem Bestreben, Besseres zu schaffen, Menschen vom Generalsekretär der Vereinten Na- burg unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Generalsekretärs des Europarates. Die Konferenzen tionen Kofi Annan bis zu den Betroffenen verband. Das Ergebnis der internationalen Konferenz Verabschiedung der Minderheitencharta dienten dem Dialog hochrangiger regionaler Menschenrechtspartner der Stiftung aus Lateinamerika, wurde unter dem Titel „Die Rechte von Minderheiten“ durch das Liberale Institut der Stiftung pu- auf der 2. internationalen Minderheiten- Konferenz unter Vorsitz von Lord Russel- Afrika und Asien mit Spitzenvertretern der Menschenrechtskommissionen anderer Kontinente sowie bliziert und fand in viele Sprachen übersetzt eine hohe Verbreitung. Diese Minderheitencharta wurde Johnston, Präsident der Parlamentarischen den Präsidenten und Richtern des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Die beteiligten zu einem wichtigen Instrument weltweiter Projektarbeit auf dem Gebiet der Menschenrechte und Versammlung des Europarates (l.), Dr. Gerhart Partner waren das Interamerikanische Institut für Menschenrechte mit Sitz in Costa Rica (IIDH), zu einem herausragenden Beispiel von Zusammenarbeit im Rahmen des Themenschwerpunktes Raichle, Leiter des Liberalen Instituts (Mitte), die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, die regionale Initiative zur Etablierung Rechtsstaat, Menschenrechte und Minderheiten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. und Dr. h.c. Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der FNF, Berlin, 2000 eines zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN-Staaten (RWG) und die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker. Der Einsatz der Stiftung für die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen – das Beispiel der Tibeter Zu diesen Konferenzen wurden neben den Partnern auch hochrangige Regierungsvertreter aus Mit den Organisationen der etwa 100.000 in Indien lebenden Tibeter und Tibetischstämmigen un- Afrika, Lateinamerika und Asien eingeladen, um aus erster Hand Stand und Entwicklung der weltweit terhält die Stiftung gute Kontakte. Insbesondere betrifft dies die Assembly of Tibetan People’s De- etablierten Menschenrechtssysteme kennenzulernen. Die Debatten trugen erkennbar dazu bei, Blo- puties (ATPD), das Parlament der Exil-Tibeter mit Sitz im nordindischen Dharamsala, und das ckadehaltungen der Regierungsvertreter abzubauen. Nach Einschätzung der Partner waren die dazugehörige Tibetan Parliament and Policy Research Center (TPPRC) in New Delhi. Aus dieser Part- Straßburg-Konferenzen entscheidende Meilensteine auf dem Wege zur Zielerreichung, weil sie als nerschaft mit der Selbstverwaltung der Exil-Tibeter in Indien entstand auch eine Zusammenarbeit vertrauensbildende Maßnahmen die Positionen ihrer jeweiligen Regierungen stark beeinflusst haben. mit den weltweit tätigen Tibet Support Groups. In den Jahrzehnten des Exils hatten sich in vielen In Afrika trugen sie zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte nach in- Ländern Gruppierungen gebildet, die sich der berechtigten und gerechten Anliegen der weltweit ternationalen Standards bei. Auch dass das afrikanische Schutzsystem eine moderne Geschäftsord- im Exil lebenden Tibeter angenommen haben. Durch Pressearbeit, Informations- und Kulturveran- nung bekam, war ein Verdienst der FNF. In Asien führten diese Konferenzen 2009 zur Schaffung staltungen wurden diese Tibet Support Groups (TSG) zu einem wichtigen Instrument im Ringen um einer zwischenstaatlichen Menschenrechtskommission in den ASEAN-Staaten. Die ursprünglich von weltweite Aufmerksamkeit für die friedliche Politik des Dalai Lama und der Central Tibetan Admi- der Stiftung etablierten regelmäßigen Treffen der drei regionalen Menschenrechtssysteme finden nistration im indischen Exil in Dharamsala. Während ein erstes Treffen der Freunde Tibets 1990 auch heute noch statt. Zu ihrem 50-jährigen Bestehen versammelte die FNF 2008 in Königswinter noch im kleinen Kreis in Dharamsala stattfand, kamen zur zweiten Konferenz auf Einladung der nahezu alle Partner zu einer großen Menschenrechtskonferenz, deren Ergebnisse – in Buchform FNF 1996 in Bonn bereits 265 Vertreter von 164 Unterstützergruppen aus 53 Ländern zu Beratungen dokumentiert – Grundlage für die weitere Zusammenarbeit wurden. zusammen. Der Dalai Lama hatte für die Zukunft der Tibeter unmissverständlich den Weg zur par- lamentarischen Demokratie eingeschlagen, hatte die Entwicklung demokratischer Institutionen für Freiheit und die Rechte der Minderheiten die Tibeter im Exil gefordert, hatte mehr Bildung und Ausbildung für die tibetischen Kinder unter- Nach zweijähriger Vorbereitung durch eine internationale Arbeitsgruppe des Liberalen Instituts stützt und vor allem die kulturelle Autonomie für die tibetischen Gebiete in China und den Dialog konnte die Internationale Akademie für Führungskräfte der Stiftung im September des Jahres 2000 mit der Führung in Peking verlangt. Zum ersten Mal konnte im Ergebnis dieser Konferenz in Anwe- über 60 Vertreter nationaler Minderheiten in Berlin zur Diskussion des Entwurfs zu einer Minder- senheit des Dalai Lama und mit großer Unterstützung des Stiftungsvorsitzenden Graf Lambsdorff heitencharta begrüßen. Bereits im Jahre 1996 hatte eine internationale Konferenz zum Thema ein vernetzter Aktionsplan für das weitere, international ausgerichtete gemeinsame Vorgehen zum

94 95 Schutz der Menschenrechte und Minderheiten verabschiedet werden. Keine andere Veranstaltung der Stiftung hatte davor oder hat danach derartige Kontroversen ausgelöst, die von der Schließung des Stiftungsbüros in Peking bis hin zur Absage bereits bewilligter öffentlicher Fördermittel des Bundes und der ersatzweisen Finanzierung dieser internationalen Konferenz durch private Spenden dank kostenloser Anzeigen in der gedruckten Presse reichten.

Diese internationalen Konferenzen zur Unterstützung des friedlichen Weges der Tibeter zu kultureller Autonomie in ihrer Heimat wurden fortgesetzt und fanden im Jahre 2000 in Berlin mit der Gründung des International Tibet Support Network, im Jahre 2003 in Prag mit großer Unterstützung des Prä- Internationale Konferenz „Constructing sidenten Tschechiens Václav Havel und im Jahre 2007 in Brüssel, am Sitz der Europäischen Union Peace – Deconstructing Terror“ mit dem statt. Politischer Druck aus China bewirkte eine diplomatische Intervention der belgischen Regierung indischen Thinktank Strategic Foresight Group, Mumbai, Brüssel, 2010 gegen einen Besuch des Dalai Lama, der seine Teilnahme trotz der Einladung des Europäischen Par- laments daraufhin absagte. Im Ergebnis war der politische Schaden aufseiten Chinas und Belgiens erheblich, die Solidarisierung und erhöhte Motivation zwischen den über 300 Teilnehmern aus 56 Ländern von großer Nachhaltigkeit. Die Konferenzen werden mittlerweile vom Internationalen Tibet Support Network selbstständig weitergeführt. 1 2

Deutschland und Russland – Politik und Energie Im Jahre 2002 kam es am neuen Sitz der Stiftung in Potsdam zu einem bedeutenden eintägigen deutsch-russischen Kolloquium. Thema war das Spannungsfeld wechselseitiger Abhängigkeit von Politik und Energie. Zu den etwa 25 Teilnehmern gehörten der spätere Präsident und Premierminister Russlands Dimitrij Medwedjew, der Präsident des Yukos-Konzerns und reichste Mann Russlands Mi- chael Chodorkowski, der Wirtschaftsberater Präsident Putins Andreij Iliaronow, der vormalige Chef- redakteur der angesehenen Zeitung Nesawissimaja Gaseta Vitalij Tretjakow und der Präsident der Alpha-Bank Pjotr Aven. Auf deutscher und EU-Seite sprachen Kommissar Frits Bolkestein, der Vor- standsvorsitzende der Commerzbank Klaus-Peter Müller, der Vorsitzende der Ruhrgas AG Burckhard Bergmann, der Staatssekretär im Finanzministerium Caio Koch-Weser, der damalige Finanzvorstand der Deutschen Bank Tessen von Heydebreck, der Journalist Thomas Kielinger und Otto Graf Lambs- dorff als Stiftungsvorsitzender. Jedem der hoch qualifizierten Teilnehmer war schon mit der Einla- dung bewusst, dass bei einem so komplexen Thema in so kurzer Zeit allenfalls einige wesentliche Aspekte zur Sprache kommen konnten, auf keinen Fall aber auch nur Teilprobleme einer Lösung nähergebracht werden würden. Elementar waren der Dialog, der Austausch von Ideen, das persön- liche Kennenlernen und die Bildung von Vertrauen, die diese so unterschiedliche Gruppe von Per- sonen an einem Samstag, jenseits allen Spektakels und Medienaufsehens, im Truman-Haus in Potsdam zusammengeführt hatten.

1. 1988 nimmt die Internationale Akademie für Entwicklung und Freiheit in Sintra, Portugal, ihre Arbeit auf 2. Seit 1995 setzt die IAF den internationalen Dialog, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Seminaren in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach fort

96 97 Der sicherheitspolitische Dialog – Russland und Deutschland erkennen und Lösungen entwickeln zu können. Der ständige Austausch von Ideen im friedlichen Der vertrauliche Dialog im kleinen Kreis wurde ergänzt durch große, in die Öffentlichkeit getragene Dialog ist ebenso möglich wie unerlässlich geworden. bilaterale Veranstaltungen wie die Erörterung sicherheitspolitischer Probleme zwischen Russland und Deutschland. Wenn ein Land sich bedroht fühlt, während das andere sich nur besser schützen Durch die Verzahnung der internationalen Arbeit mit der Bildungsarbeit im Inland werden diese möchte, entstehen rasch gefährliche Konfliktherde. In enger Zusammenarbeit mit der russischen Entwicklungen durch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit aufgegriffen und in ihren Botschaft in Berlin fanden deshalb in den Jahren 2010 und 2011 in deren legendärem Gebäude Programmen vielfältig synergetisch umgesetzt. Unter den Linden in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor Diskurse zu euroatlantischen Si- cherheitsstrukturen für das 21. Jahrhundert statt. Mit weit über 100 Teilnehmern und Referenten auf hoher Ebene ermöglichten diese den kritischen Austausch gegensätzlicher Positionen und för- derten Vertrauen. Um die Bedeutung dieses Dialogs für die Meinungsbildung der Politik im Hinblick Internationale Programme Amre Moussa auf eine strategische Partnerschaft zu unterstreichen, nahm auf russischer Seite der Vorsitzende Außenminister Ägyptens (1991 bis 2001), des Auswärtigen Ausschusses der Duma Konstantin Kossatschow teil, auf deutscher Seite der Staats- Informations- und Studienprogramme für Nachwuchs- und Führungskräfte der Partner in der Bun- Generalsekretär der Arabischen Liga minister im Auswärtigen Amt Dr. MdB. desrepublik, auf europäischer Ebene oder in anderen Regionen haben in der internationalen Arbeit (2001 bis 2011) der FNF immer eine wichtige Rolle gespielt. Sie dienten der politischen und fachlichen Qualifizierung „Die FNF verdient großen Respekt für ihre Frieden schaffen – Terror bekämpfen der Teilnehmer und dem Dialog mit Entscheidungsträgern und Institutionen aus Politik, Medien, Arbeit und Projekte, besonders in ihrer glo- Globale Problemlagen bedürfen internationaler Initiativen und Zusammenarbeit, wobei den Nicht- Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft der besuchten Gastländer. Zweck und Inhalte der Pro- balen Orientierung und dem Interesse an den regierungsorganisationen für die Früherkennung, die vertiefte Ursachenanalyse und die Entwicklung gramme hatten stets einen sehr engen Projektbezug, d. h., sie wurden maßgeschneidert auf be- Ländern der Dritten Welt, ihren Freiheiten und Gesellschaften. Ich habe an einigen von Lösungsansätzen häufig eine besondere Aufgabe und Verantwortung zukommt. Die gemeinsame stimmte Zielgruppen und Projektziele hin konzipiert und durchgeführt. Sie wandten sich an gesell- Aktivitäten der Stiftung teilgenommen und Arbeit lange gewachsener Netzwerke wissenschaftlicher und politischer Natur aus vielen Regionen schaftlich relevante Schlüsselgruppen und Funktionseliten der Einsatzländer und kamen i. d. R. aus war sehr beeindruckt von der Seriosität, dem der Welt, die auch aus der gesellschaftspolitischen Bildungsarbeit der Stiftung hervorgegangen sind dem Partnerspektrum der Stiftung. Wichtige Zielgruppen waren politische Mandats- und Funkti- Enthusiasmus und der Aufrichtigkeit der oder gefördert wurden, hat sich in vielen Beispielen als handlungsfähig erwiesen und ihre Akzeptanz onsträger sowie Nachwuchsführungskräfte auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene sowie geleisteten Arbeit.“ unter Beweis gestellt. Fach- und Führungskräfte der Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Bildung und Forschung (einschließ- lich Thinktanks). Gemeinsam mit der indischen Strategic Foresight Group (SFG) und der Allianz der Liberalen und Demokraten im Europaparlament (ALDE) wurde zwischen den Jahren 2004 und 2007 durch die we- Informations- und Studienprogramme haben sich auch im Rahmen von Projekten des zivil-militä- sentliche Förderung der Stiftung ein handlungsorientierter Katalog ( Consensus) für Maß- rischen Dialoges, der Krisenprävention und des Konfliktmanagements bewährt. In diesen Fällen nahmen zur Schaffung oder Erhaltung von Frieden durch die Bekämpfung des nationalen und wurden gemischte Gruppen aus Vertretern der Konfliktparteien gebildet (Israelis/Palästinenser, Par- internationalen Terrorismus erarbeitet. An der gestellten Aufgabe Constructing Peace – Decon- lamentarier/Generalstabsoffiziere), um während einer Studienreise gegenseitiges Kennenlernen und structing Terror waren Experten weltweit anerkannter Thinktanks ebenso aktiv beteiligt wie hoch- neue Kommunikationsebenen zu ermöglichen. In jüngerer Zeit wurden auch Süd-Süd-Austausch- rangige Vertreter von Regierungen aus asiatischen, arabischen und europäischen Staaten sowie der programme, z. B. zwischen politischen Führungskräften Asiens und Lateinamerikas, oder Programme Vereinten Nationen. Besonderes Gewicht im Hinblick auf die islamische Welt hatte u. a. die Teil- in mehreren Ländern realisiert: z. B. eine Studienreise zur Verfassungsberatung über föderativen nahme des Generalsekretärs der Arabischen Liga Amre Moussa aus Ägypten, des Botschafters SKH Staatsaufbau für irakische Parlamentarier in Deutschland, Spanien und Malaysia. Gelegentlich hat- Prinz Turki Al-Faisal von Saudi-Arabien, des früheren Außenministers Jordaniens Kamel Abu Jaber, ten solche Maßnahmen auch unerwartete politische Effekte: Während der Studienreise einer De- des früheren Außenministers der Türkei Yasar Yakis, des stellvertretenden Außenministers Omans legation liberaler Spitzenpolitiker aus Kolumbien in die BRD kam es 1984 zu einer Einigung zwischen Sayyid Badr Bin Hamad Bin Hamood al Busaidi und des Vorsitzenden der großen islamischen Partei den rivalisierenden Präsidentschaftskandidaten Virgilio Barco und Luis Carlos Galan darüber, wer Nahdatul Ulama aus Indonesien Hasyim Muzadi. bei den Wahlen antreten sollte. Dieser im Ausland erzielte, unerwartete Konsens erfuhr in Kolumbien ein enormes Medienecho. Und Virgilio Barco wurde der nächste Staatspräsident des Landes. Die rasch fortschreitende Globalisierung und ihre Auswirkungen auf nationale Politiken haben die ebenfalls stark zunehmende internationale Vernetzung von Entscheidungsträgern und Einrichtungen des öffentlichen und privaten Lebens erforderlich gemacht, um auch nur die drängendsten Probleme 98 99 Die bedeutende Rolle der Kooperationspartner

Die ersten 30 Jahre der internationalen Arbeit der FNF wurden ausschließlich aus öffentlichen Zu- wendungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Internationale Kooperation und des Auswärtigen Amtes (AA) finanziert. Mit beiden Ministerien besteht eine historisch gewach- sene, konstruktive Partnerschaft, die sich auch in schwierigen Phasen stets bewährt hat. Entschei- dende Faktoren dafür waren die fortschrittliche Förderpolitik der Zuwendungsgeber BMZ und AA und Vernetzung (ausgereifte Richtlinien, langfristige und auf Nachhaltigkeit angelegte Förderkonzepte, Flexibilität Entwicklungsminister Dirk Niebel (Mitte), der Bewilligungsverfahren), die hohe Sachkompetenz der Ministerien durch jahrzehntelange Erfah- Harald Klein, Abteilungsleiter BMZ (l.), und rungen mit der Praxis der Projektförderung sowie das umfassende Verständnis für die komplexen Ulrich Niemann, Leiter Internationale Politik Rahmenbedingungen in den Einsatzländern. Ohne die privilegierte Partnerschaft mit diesen beiden der FNF, auf der Auslandsmitarbeiter-Konfe- renz, Berlin, 2011 entscheidenden Kooperationspartnern wäre die Erfolgsgeschichte des internationalen Engagements der politischen Stiftungen nur schwer vorstellbar. Diese Form einer effektiven „Public Private Part- nership“ hat enorme Chancen eröffnet, Potenziale entwickelt und fruchtbare Synergien bewirkt. Das spezifische Instrumentarium der deutschen politischen Stiftungen wird in vielen Ländern als einzigartig und zentral anerkannt, um gesellschaftspolitisch relevante Wirkungen zu erzielen. Es kommt daher auch nicht von ungefähr, dass Deutschland auf internationaler Ebene um diese Insti- tutionen beneidet wird.

Ab 1990 entwickelte sich schrittweise eine komplementäre Zusammenarbeit der FNF mit weiteren Kooperationspartnern. Die Beantragung von Projekten bei der Europäischen Union (EU) und dem Auswärtigen Amt (Sondermittel für Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktmanagement) erfolgte im Wettbewerb mit einer Vielzahl von Antragstellern. Ergänzend wurden Projekte mit der GTZ (heute GIZ), dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNDP), dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR), dem UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) sowie einer Reihe staatlicher Träger und privater Stiftungen aus Industrieländern vereinbart. In diesen Fällen war eine Beantragung nicht gangbar. Die FNF wurde vielmehr ersucht, gemeinsame Projekte durchzuführen, weil sie Expertise im Einsatzgebiet, Zugang zu Partnerstrukturen und politischen Akteuren hatte oder bei schwierigen politischen Rahmenbedingungen komparative Vorteile als Projektträger aufwies. Ein Pionierprojekt der Stiftung mit der EU: Die neuen Kooperationspartner haben in diesen Fällen die Finanzierung der Projekte übernommen informeller Politikdialog zwischen einer oder bereits bestehende Vorhaben der Stiftung durch komplementäre Komponenten erweitert. In Delegation der Europäischen Union und der mehreren Fällen entstanden durch solche Kooperationen aber auch neue BMZ- oder AA-Projekte. Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) in Kaesong, Nordkorea, 2000 Seit 1990 hat die FNF so insgesamt 132 Projekte mit neuen Kooperationspartnern finanziert. Diese wurden in 42 Ländern mit Schwerpunkten in Nahost, Nordafrika und Südostasien durchgeführt, vor allem in Krisengebieten sowie Staaten mit repressiven oder autoritären politischen Systemen.

100 101 Sie galten der Zusammenarbeit mit nicht staatlichen Partnern in den Bereichen Menschen-, Bür- ger- und Freiheitsrechte, Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Medien, selbstbestimmte Kommunal- entwicklung, Stärkung der Zivilgesellschaft, Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen und Reformkonzepte sowie Krisenprävention und Konfliktbearbeitung.

Intensive Vernetzung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren

Die mit neuen Kooperationspartnern realisierten Projekte haben eine wesentlich erhöhte Vernetzung der Stiftung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren in den Einsatzgebieten bewirkt. Da- durch konnten zusätzliche Finanzmittel, Partnerstrukturen und Allianzen mobilisiert werden. Die Akquisition komplementärer Partner, Budgets, Fachkräfte und Infrastrukturen hat die Aktionsfreiheit 2 Madeleine Albright und Flexibilität der Stiftung in den Projektländern erheblich gesteigert und bedeutende Synergien Ehemalige US-Außenministerin, bewirkt. Die folgenden international tätigen Kooperationspartner haben wichtige finanzielle und Vorsitzende des National Democratic inhaltliche Beiträge geleistet: Canadian International Development Agency (CIDA), National En- Institute for International Affairs (NDI), USA dowment for Democracy (NED), National Democratic Institute for International Affairs (NDI), In- „Für mehr als ein halbes Jahrhundert stand ternational Republican Institute (IRI), Westminster Foundation for Democracy, Atlas Economic die internationale Arbeit der FNF unerschüt- Research Foundation, Ford Foundation, Asia Foundation, Asia Europe Foundation, Taiwan Democracy terlich in der Verteidigung von Demokratie Foundation, International Research Foundation (Sultanat Oman), Sasakawa Peace Foundation und liberalen Werten weltweit. NDI ist stolz (Japan). Weitere relevante Kooperationspartner haben ihre Kompetenz, Expertise und Erfahrungen auf die langjährige Verbindung und Zusam- menarbeit und beglückwünscht Sie zu die- eingebracht: Europäische Kommission für Menschenrechte des Europarates, Europäischer Gerichts- sem Meilenstein. Wir sehen der Fortsetzung hof für Menschenrechte, Internationale Juristenkommission, UN Center for Human Rights, Inter- unserer gemeinsamen Arbeit in den kom- national Crisis Group, Transparency International, Amnesty International, International Institute for menden Jahren entgegen.“ Democracy and Electoral Assistance (IDEA), das kanadische Fraser Institute mit seinem weltweiten Economic Freedom Network sowie eine Vielzahl von politischen und wirtschaftspolitischen Think- tanks und Forschungsinstituten aus nahezu allen Weltregionen.

Im Bereich der Demokratieförderung und Parteienkooperation waren und sind wertvolle Partner: Liberal International (LI), Allianz der Liberalen und Demokraten im Europäischen Parlament (ALDE), 1 3 Europäische Liberal-Demokratische Reformpartei (ELDR), die Jugendverbände Internationale Föde- ration der Liberalen Jugend (IFLRY), Liberale Jugendbewegung der Europäischen Gemeinschaft (LYMEC), British Liberal Democrats und das Swedish Liberal International Centre (SILC).

1. Außenminister Dr. Guido Westerwelle bei seinem Vortrag vor der Auslandsmitarbeiter-Konferenz, Berlin, 2011 2. Abschlusskonferenz des Projektes mit der Europäischen Union „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zivilgesellschaftlicher Organisationen im arabischen Raum“ (Mashrek/Maghreb), im Hauptsitz der Arabischen Liga, Kairo, 2010 3. Internationale Konferenz mit der liberalen Atlas Economic Research Foundation (USA) zum Stand der Reformpolitik in China mit führenden Reform-Ökonomen der Regierung, unter Vorsitz von Prof. Mao Yushi, Gründer des liberalen Unirule Institute for Economy (Mitte), Peking, 1995

102 103 Bilanz eines halben Jahrhunderts internationaler Arbeit Dr. h.c. Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied

Nach 50 Jahren weltweitem Einsatz für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und ge- Weltweite Bilanz sellschaftlichen Pluralismus kann festgestellt werden: In enger Kooperation mit über 800 Partner- organisationen aus mehr als 100 Ländern hat die FNF substanzielle Beiträge zur Demokratisierung und Transformation autoritärer politischer Systeme erbracht. Dabei wurden wichtige Schritte zur und künftige Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechten erfolgreich unterstützt sowie marktwirtschaftliche Reformen restriktiver gesetzlicher und ordnungspolitischer Rahmenbedingun- Herausforderungen gen vorangetrieben. Durch den Aufbau eigenständiger Partnerinstitutionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Bildung und Forschung konnten wesentliche Beiträge zur Stär- kung freiheitlicher, zivilgesellschaftlicher, pluralistischer und partizipativer Strukturen in den Ein- satzländern geleistet werden. Aus der engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Stiftung mit Institutionen liberaler Werteorientierung haben sich vertrauensvolle Beziehungen und weitreichende Netzwerke mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten der Einsatzländer entwi- ckelt, die eine solide Plattform für den Politikdialog und Initiativen zur nachhaltigen Politikgestal- Dr. h. c. Rolf Berndt tung darstellen.

Mit Beginn der Demokratisierungstendenzen in den weltweiten Einsatzregionen Mitte der 1980er- Jahre hatte die FNF die Zusammenarbeit mit liberal orientierten Parteien aufgenommen und zu einem Schwerpunkt ihres Engagements für politische Bildung, Politikberatung und Politikdialog ent- wickelt. Aus dieser intensiven Kooperation sind zahlreiche Parteien mit liberalen Grundwerten her- vorgegangen, die sich im Zeitablauf zu regionalen Parteien-Netzwerken zusammengeschlossen ha- ben: dem asiatischen Dachverband liberal-demokratischer Parteien CALD (Council of Asian Liberals and Democrats), dem afrikanischen Parteienbündnis ALN (Africa Liberal Network), dem lateiname- rikanischen Netzwerk liberaler Parteien und Thinktank RELIAL (Red Liberal de América Latina) und dem liberalen Netzwerk Arab Alliance for Freedom and Democracy (AAFD) in Nordafrika/Nahost.

Die regionalen Partner-Netzwerke und ihre Mitgliedsparteien sind heute wichtige Träger einer frei- heitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Agenda und beeinflussen den politischen Diskurs in ihren Regionen und Ländern. Diese Entwicklungen gehen unzweifelhaft auf das starke Engagement der FNF in den letzten 30 Jahren zurück. Nachdem im Partnerspektrum der ersten 20 Jahre nur sieben Parteien existierten (vornehmlich in Lateinamerika), umfasst die Par- teienkooperation heute 97 Parteien aus vier Kontinenten. Neben der Qualifizierung von Führungs- kräften haben Politikberatungen der FNF zur Strategie-, Organisations- und Programmentwicklung, inklusive Wissens- und Change Management, wesentliche Fortschritte für die Partnerinstitutionen

104 105 bewirkt. Die Stiftung wird diese Arbeit auf der Basis breiter Erfahrungen fortsetzen, denn politische Parteien sind essenziell für demokratische Regierungsführung. Demokratie braucht demokratisch organisierte, funktionsfähige und programmatisch profilierte Parteien. Die Parteiensysteme und Parteistrukturen in den Einsatzländern sind jedoch vielfach noch im Entwicklungsstadium und be- dürfen einer gezielten Kooperation und Unterstützung, insbesondere zur Qualifizierung von Man- dats- und Funktionsträgern sowie Nachwuchs- und Führungskräften.

Die FNF hat während der 50 Jahre ihrer internationalen Tätigkeit eine bedeutende Rolle bei der In- stitutionenbildung innerhalb ihres Partnerspektrums gespielt. Eine Vielzahl von sehr erfolgreichen, selbstständigen Partnerorganisationen, die aus der Projektarbeit entstanden sind, würde ohne die Stiftung nicht existieren, andere hätten sicherlich keine so dynamische Entwicklung erlebt. Dies gilt in besonderer Weise für gemeinnützige Organisationen, z. B. Menschenrechtsinitiativen, deren Finanzierung aus Eigenmitteln in vielen Einsatzländern Probleme bereitet. Aus langfristig angelegten Regionalprojekten der Stiftung entstanden schrittweise länderübergreifende Partner-Netzwerke für Prof. Dr. Amnon Rubinstein Kooperation, gegenseitigen Austausch und gemeinsame politische Initiativen. Dies gilt für den Zu- Viermaliger Minister im israelischen Kabinett, sammenschluss der Industrie- und Handelskammern in Südasien zur regionalen SAARC-Chamber 1 2 Gründer und Vorsitzender der liberalen of Commerce and Industry, die Gründung des Southern African Legal Assistance Network (SALAN) Shinui-Partei und Dekan des Interdisciplinary Center Herzliya (IDC) durch Menschenrechtsinitiativen aus acht Ländern des südlichen Afrika sowie die Integration wirt- schaftspolitischer Thinktanks und Forschungsinstitute im Rahmen des Economic Freedom Network „Ich war mit der FNF länger verbunden, als Asia und des Economic Freedom Network of the Arab World. Diese auf entscheidende, kreative Im- ich mich erinnern kann, und ich denke mit pulse der Stiftung zurückgehende Institutionenbildung auf nationaler und regionaler Ebene hat Sehnsucht an meine Freundschaft mit Otto Graf Lambsdorff zurück. Für mich war Otto vielfach eine Eigendynamik entwickelt und gewinnt zunehmend an Bedeutung und Einfluss. nicht nur ein gelehrter Freund, sondern auch das Symbol des Wiederauflebens eines freien, Durch fünf Jahrzehnte kontinuierlicher Arbeit mit den Partnern bei der Aus- und Fortbildung von demokratischen, liberalen und humanen Führungseliten und Führungsnachwuchs in Schlüsselbereichen der Gesellschaft mit jeweils Hun- Deutschlands. Sein Vermächtnis inspiriert alle Liberalen. Ich bin auch froh, dass die FNF eine derttausenden von Teilnehmern in vielen Sektoren sind qualifizierte liberale Fach- und Führungs- starke Beziehung zum IDC hat und dass ich kräfte herangewachsen. Sie haben in ihren Wirkungsstätten neue Initiativen, Reformprogramme eine gewisse Rolle in dieser Beziehung spiele. und Aktionen entwickelt. Die mithilfe der Stiftung in mehreren Einsatzländern errichteten Ausbil- Die Aktivitäten der FNF in Israel sind außer- dungszentren betreuen auch nach dem Projektende selbstständig fortlaufend weitere Generationen gewöhnlich wichtig in einem Land, wo libe- rale Ideen, obwohl gesetzlich verankert, in von Zielgruppen. Als Fallbeispiel sei die 1989 aus der Projektarbeit der FNF entstandene Akademie seinen grundlegenden Menschenrechten, der Genossenschaften in Brasilien genannt, die jährlich 5.000 Fortbildungsprogramme mit 140.000 noch flackern und durch antiliberale Kräfte Teilnehmern durchführt. Die weltweit entstehenden Langzeitwirkungen der selbstständigen Fort- 3 herausgefordert werden. Ich wünsche der FNF führung von Bildungsprogrammen durch die Partner sind nicht leicht zu quantifizieren, die Teil- weitere 50 erfolgreiche Jahre.“ nehmerzahlen pro Jahr dürften in der Dimension aber im siebenstelligen Bereich liegen.

Auch die von der FNF seit 1963 in Eigenregie veranstalteten Bildungsprogramme für liberale Füh- 1. Empfang von Dr. h. c. Rolf Berndt (l.) durch den südkoreanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger^ Kim Dae-jung in Seoul, 2000 rungseliten der Partnerländer in Deutschland, Europa und Übersee, vor allem maßgeschneiderte In- 2. Konferenz zur Zukunft Europas mit Hans-Dietrich Genscher (r.) und dem tschechischen Senator Jirí Dienstbier (2. v. l.), Prag, 1999 formations- und Studienaufenthalte für hochrangige Zielgruppen, haben langfristige Wirkungen 3. Asien-Europa-Dialog unter Leitung von , Vorsitzender der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament (2. v. l.), Sir Graham Watson, Vorsitzender entfaltet. Darüber hinaus hat die Internationale Akademie für Führungskräfte (IAF) der Stiftung seit der Allianz Liberaler und Demokraten Europas ALDE (2. v. r.), und Sam Rainsy, Vorsitzender des Council of Asian Liberals and Democrats (r.), Brüssel, 2012

106 107 ihrer Gründung 1988 etwa 8.000 Führungsnachwuchskräfte aus allen Weltregionen fortgebildet, Projekten verbunden sein können, vor allem wenn autoritäre Regime und mächtige Lobbygruppen deren Wirkung und Einfluss sich auch durch die Gründung von Alumni-Netzwerken in zahlreichen ihre Interessen tangiert sahen. Die Stiftung war bei grundsätzlicher Risikobereitschaft in ihrer Pro- Ländern erkennbar manifestiert. jektsteuerung stets bemüht, sich nicht dem Vorwurf der Einmischung in innenpolitische Angele- genheiten auszusetzen. Dies erforderte immer wieder schwierige Gratwanderungen und eine ver- Im Jahre 2013 feiert eine weitere Arbeitseinheit der Stiftung ein rundes Jubiläum: Die Begabten- trauensvolle Güterabwägung mit den Partnern. Fehlschläge oder das Scheitern von Projekten muss- förderung wird 40. Seit 1973 haben über 1.400 junge Menschen nicht deutscher Nationalität mit ten in solchen Fällen einkalkuliert werden. einem FNF-Stipendium in Deutschland studiert oder wurden dort promoviert. Häufig werden die Verbindungen zur Stiftung auch nach dem Ende der Förderung noch über lange Zeiträume hinweg Substanzielle Beiträge zur deutschen Außen- und Entwicklungspolitik aufrechterhalten. In vielen Ländern gibt es für die Stiftungsprojekte Berührungspunkte und Koope- Die FNF konnte durch die jahrzehntelange Kooperation mit ihren weltweiten Partnerstrukturen rationen mit Altstipendiaten, die nicht selten nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland hervorgehobene sowie die Vernetzung mit ihren internationalen Kooperationspartnern aus Industrie-, Transforma- Gemeinsame Konferenz der FNF mit dem Center for Local Autonomy (CLA) der berufliche oder politische Positionen bekleiden. In vielen Ländern bestehen Alumni-Vereine von tions- und Entwicklungsländern die staatliche Entwicklungszusammenarbeit und die Außenpolitik Hanyang University über „Demokratie und Altstipendiaten, die sich regelmäßig treffen. der Bundesregierung wirksam ergänzen. Die Anfang der 1960er-Jahre eingeführte Projektförderung Bürgerbeteiligung“ in Seoul, 2008 durch die Zuwendungsgeber Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und In den ersten zwei Dekaden der internationalen Projektarbeit mit den Partnern lag der Schwerpunkt AA hat sich als innovatives Instrument einer weitsichtigen Entwicklungs- und Außenpolitik erwiesen. Siim Kallas der Aktivitäten im Bereich der gesellschaftspolitischen Bildung und auf weitgehend länderbezoge- Die FNF konnte die dadurch eröffneten Möglichkeiten und Chancen zur Unterstützung der gesell- Vizepräsident der Europäischen Kommission, ehemaliger Ministerpräsident, Außen- und nen Programmen. Mit Beginn der Demokratisierungstendenzen ab Mitte der 1980er-Jahre steigerte schaftspolitisch relevanten liberalen Kräfte in der Welt effektiv nutzen. Die Stiftung wird daher Finanzminister der Republik Estland sich der Anteil der Politikdialog-Programme auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. Der Po- heute von ihren weltweiten Partnern als einzigartiges Instrument zur Stärkung liberaler Institutionen litikdialog erfolgte dabei nicht nur in Nord-Süd-Richtung, sondern auch in Süd-Süd- und Ost-West- und Entwicklungen anerkannt und respektiert. „Als ich 1994 in Estland die Reform-Partei Richtung und mit dem Aufstieg der Schwellenländer zunehmend in Süd-Nord-Richtung sowie auf gründete, setzte sich die FNF für die Förde- rung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie globaler Ebene. Themen, Substanz und Ausrichtung der Konferenzen, Symposien sowie Informati- Die komparativen Vorteile der politischen Stiftungen bei der Förderung und Gestaltung von Trans- und Menschenrechten durch politische ons- und Studienprogramme wurden dabei auch durch profunde Politikanalysen der Partner-Think- formationsprozessen politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme sind aus ihren bis- Bildung und Dialog in meinem Land ein. tanks in einem breiten Spektrum von Politikfeldern bestimmt. Fallbeispiele im Bereich der Krisen- herigen Leistungsprofilen zweifelsfrei abzuleiten. Durch ihre Programme und Projekte tragen sie Die Stiftung half dabei, die Reform-Partei prävention, Friedenssicherung und Konflikttransformation sind eine umfassende Studie über die wesentlich dazu bei, dass von relevanten gesellschaftlichen Kräften in den Partnerländern entschei- zu gestalten und sie in das liberale Netzwerk weltweit zu integrieren. Es war immer eine politischen, militärischen, ökonomischen, sozialen, ökologischen und menschlichen Kosten des 65- dende Impulse für den Wandel der politischen Rahmenbedingungen und nachhaltige Entwicklungs- Freude, an ihren Veranstaltungen teilzuneh- jährigen Konfliktes um Jammu und Kaschmir, vorgelegt durch die Strategic Foresight Group in Mum- prozesse ausgehen. Im Zeitalter einer rasant fortschreitenden Globalisierung in allen Politikfeldern, men. Ich beglückwünsche die Stiftung zu bai (105 Seiten in Buchform), sowie die Analyse der gegebenen Handlungsalternativen im der Verschiebung internationaler Kraftzentren und des Auftretens neuer regionaler und globaler ihrem Jubiläum und wünsche ihr weiterhin ethnischen Konflikt in Sri Lanka durch das Institute for Democracy and Leadership (IDL) in Colombo. Gestaltungsmächte können die politischen Stiftungen im Interesse der neuen Rolle Deutschlands Erfolg bei ihrer Arbeit, den Liberalismus zu fördern.“ Aus der Projektarbeit mit der Stiftung entstanden insgesamt mehrere Zehntausend Publikationen in der Welt substanzielle Beiträge leisten. Die FNF ist bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen. der Partner, die teilweise auch über den Buchhandel der Einsatzländer in zahlreichen Auflagen ver- trieben wurden, darunter eine ganze Reihe von Bestsellern. Wirkungs- und Erfolgskontrolle der Stiftungsprojekte Charles Hagel Ehemaliger Senator von Nebraska, Die Überprüfung von Stiftungsprojekten durch unabhängige Gutachter begann bereits in der Auf- Verteidigungsminister der USA Akzeptanz und Risiken des internationalen Engagements bauphase der 1960er-Jahre. Ab 1974 wurde in der Auslandsabteilung der Stiftung eine eigene Die Akzeptanz der FNF als ausländischer Partner lokaler Organisationen war in der überwiegenden Stabsstelle Evaluation geschaffen. Seit 2009 erfolgt die Planung, Durchführung und Auswertung von „Die FNF spielt eine wichtige Rolle in der Mehrzahl der Einsatzländer gegeben. Die Regierungen zeigten sich i. d. R. offen für die Tätigkeit der Evaluationen im In- und Ausland durch den Stab Strategisches Controlling und Evaluation beim Förderung von Freiheit, Rechtsstaat und globaler Demokratie. Die Arbeit der Stiftung Stiftung und waren bereit, entsprechende Rahmenabkommen zu schließen. Statusprobleme und Geschäftsführenden Vorstandsmitglied. Der Stab ist auch Ansprechpartner für Evaluierungen der in verschiedenen Regionen der Welt stellt ein Restriktionen ergaben sich meist in Ländern mit autoritären bzw. repressiven politischen Systemen. Zuwendungsgeber (Bundesministerien) und der Kooperationspartner im In- und Ausland (EU, GIZ, unentbehrliches Leuchtfeuer für diejenigen Diese führten in Einzelfällen auch zum Rückzug der Stiftung aus Projektländern, wenn die politi- UNDP etc.). dar, die nach Freiheit streben.“ schen Rahmenbedingungen die Verfolgung freiheitlicher Ordnungsprinzipien nicht mehr erlaubten. Konfliktsituationen in mehreren Ländern zeigten die Risiken auf, die mit gesellschaftspolitischen

108 109 2010 führte die Stiftung eine Evaluierungs-Richtlinie ein, die detaillierte Verfahrensregeln und Qua- litätsstandards definiert. Die FNF orientiert sich bei ihrer Wirkungs- und Erfolgskontrolle an den Neue Herausforderungen und internationalen Standards, Kriterien und Prinzipien, die von der Organisation für wirtschaftliche strategische Ziele für die Auslandsarbeit Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen des Development Assistance Committee (DAC) festgelegt wurden. Danach sollen Evaluierungen fünf grundlegende Kriterien überprüfen: Relevanz, Ulrich Niemann, Bereichsleiter Internationale Politik Effektivität, Effizienz, Wirkungen und Nachhaltigkeit. Das liberale Wertemodell vor neuen Herausforderungen Ein Grundproblem der Evaluierungen besteht darin, dass sich die Wirksamkeit politischer Projekte Das weltweite Streben nach Freiheit ist ungebrochen, wie das Aufbegehren der Menschen in der wesentlich schwerer messen lässt als im Falle von Projekten der technischen und finanziellen Zu- arabischen Welt oder in Myanmar zeigt. Das von den Werten der Aufklärung getragene Modell li- sammenarbeit. Die unzweifelhafte Zuordnung von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen beraler Demokratien und freier Märkte gerät jedoch an vielen Orten dieser Welt zunehmend unter Helen Zille Ministerpräsidentin der Provinz Western Cape, zu bestimmten Projekten ist aufgrund der Komplexität der Rahmenbedingungen und der Vielzahl Legitimationsdruck: Der Aufstieg politisch-autoritärer Staaten zu Wirtschaftsmächten, die negative Vorsitzende der liberalen Oppositionspartei von Einflussfaktoren häufig nur begrenzt möglich. Die Stiftung arbeitet daher mit entsprechend Darstellung des liberalen Gesellschaftsmodells aus kultureller, historischer und politischer Perspek- Democratic Alliance (DA), Südafrika angepassten Zielsystemen und zugeordneten Wirkungshypothesen, die regelmäßig überprüft wer- tive sowie die Wahrnehmung und Diffamierung freiheitlicher Werte und Normen als antisoziale den. Auf diese Weise können Abweichungen oder Fehlentwicklungen von Projekten frühzeitiger oder antireligiöse Bedrohung verringern die Anziehungskraft liberaler Lösungsansätze. Diesen Ge- „Die FNF hat eine instrumentelle Rolle in der Förderung des Liberalismus in Südafrika festgestellt und korrigiert werden. In den letzten zehn Jahren wurden nahezu alle internationalen gensatz zwischen dem Wunsch nach Freiheit und den genannten Herausforderungen für das liberale gespielt, nicht nur durch Beiträge zum intel- Aktivitäten der Stiftung flächendeckend durch zahlreiche Experten evaluiert. Die Ergebnisse und Modell können Liberale nur überwinden, wenn sie überzeugende Antworten auf die großen globalen Ulrich Niemann lektuellen Diskurs, sondern auch durch Unter- Empfehlungen der Gutachter fanden Eingang in die Steuerung der Projekte und beeinflussen die Herausforderungen geben. stützung seiner praktischen Entwicklung in strategische Ausrichtung der internationalen Arbeit in den Regionalbüros der FNF. allen Gesellschaftsschichten, von Politikern bis zu Studenten. Für mehrere turbulente Das von Francis Fukuyama 1989 postulierte „Ende der Geschichte“, die universelle Verbreitung von Dekaden war die FNF ein wertvoller Partner, Erfolgreiche Dezentralisierung der Entscheidungsstrukturen liberaler Demokratie und Marktwirtschaft als endgültige menschliche Gesellschaftsordnung, ist die Flammen der Freiheit am Leben zu erhal- Die 1992 eingeführte Strukturreform der Aufbau-Organisation der Stiftung für die internationale trotz vieler Schritte in diese Richtung nicht eingetreten. ten, während Südafrika mit der Geißel wett- Arbeit hat sich umfassend bewährt. Die in den ersten 30 Jahren bestehende isolierte Existenz zahl- eifernder Nationalismen konfrontiert war.“ reicher Einzelprojekte weltweit, mit direkter Anbindung an die Stiftungszentrale in Deutschland, Vielmehr haben sich an einigen Orten traditionelle, ideologisch oder religiös begründete Rechts- und ist einer strategischen Ausrichtung und systematischen Verknüpfung der Projekte durch verant- Wirtschaftsordnungen erhalten oder haben sogar an Einfluss gewonnen. Selbst dort, wo formal demo- wortliche Regionalbüros in den Einsatzgebieten gewichen. Die Führung durch Zielvereinbarungen, kratische und marktwirtschaftliche Verhältnisse herrschen, versperren traditionelle Elitenkoalitionen Regionalstrategien und die Steigerung der Steuerungskompetenz aufgrund kurzer Dienstwege, di- Bürgerinnen und Bürgern den freien Zugang zu Politik und Märkten, indem sie sich der Herrschafts- rekter Partnerkontakte und Vertrautheit der Regionalbüroleiter mit den jeweiligen politischen, in- mittel Patronage und Korruption bedienen. Organisierte Kriminalität, Korruption und schwache stitutionellen und soziokulturellen Rahmenbedingungen der Regionen haben entscheidende Staatlichkeit führen in vielen Ländern zum Entstehen rechtsfreier Räume und physischer Unsicher- Fortschritte gebracht. Durch die Bündelung regionaler und sektoraler Projektkomponenten auf den heit, die das tägliche Leben der Bürger und die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen. Kontinenten wurden zudem erhebliche Synergieeffekte erzielt. Die Stiftung ist heute mit sieben dezentral agierenden Regionalbüros und 47 Projektbüros in 70 Ländern strukturell anpassungsfähig Zwar haben demokratische und marktwirtschaftliche Transformationsprozesse vielerorts neue Chan- und reaktionsschnell und damit auch für die Zukunft gut aufgestellt. cen eröffnet, es kommt jedoch auch zu Gegenbewegungen und Rückschlägen. Es handelt sich hierbei um teilweise mit der Abwehr vermeintlicher ausländischer Einflussnahme begründete Restriktionen Internationale Tagung „Im Schatten der gegen die Zivilgesellschaft und Parteien, offene und unterschwellige Wahlmanipulation oder po- Macht – Die Situation der Medien in Russ- pulistisch begründete, aber letztendlich für alle schädliche Eingriffe in Eigentumsrechte und Preise. land, Belarus und Ukraine“, Berlin, 2000 Doch auch in freiheitlichen Demokratien werden Bürgerrechte und Datenschutz durch Sicherheits- gesetze, die sich vor allem gegen terroristische Bedrohungen richten, eingeschränkt.

110 111 Armut begrenzt Lebenschancen, schafft existenzielle Abhängigkeiten und beschränkt die Freiheit. Liberale müssen noch stärker als bisher zeigen, wie die von dem liberalen Ökonomen Hernando de Soto propagierte „Marktwirtschaft von unten“ Zugänge zu Bildung, Gesundheit und Eigentums- rechten schafft, um das Leben der Armen zu verbessern und somit eine Antwort auf die Frage nach wirtschaftlicher Freiheit und sozialem Ausgleich zu geben.

Der Klimawandel stellt eine globale Herausforderung mit enormen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen dar. Er stellt Liberale insbesondere vor eine ordnungspolitische Herausfor- derung: Wie kann ökologisch sinnvolles Handeln durch marktwirtschaftliche Anreize und intelligente Regulierung gefördert werden? Wie ist das Haftungsprinzip in der Ökologie auszugestalten? Wel- chen ordnungspolitischen Rahmen brauchen wir, um Schutz vor und Anpassungen an Klimaände- rungen zu erreichen?

Eine weitere große Herausforderung bilden die Krisen an den Finanzmärkten. Eine liberale Kern- aufgabe ist es zu zeigen, wie ein entsprechender Ordnungsrahmen monetäre Stabilität und die Gel- 1 2 tung des Haftungsprinzips sicherstellt. Finanzkrisen, ausbleibende Fortschritte in der Doha-Runde Benigno Simeon Aquino III sowie zunehmender Protektionismus gefährden den wohlstandsfördernden freien Welthandel. Auch Präsident der Philippinen, ehemaliger Vize- im Wettbewerb um knappe Ressourcen wird der Marktmechanismus unterlaufen. präsident des Abgeordnetenhauses und Senator der Philippinen

Oligopole, Monopole, unklare geistige Eigentumsrechte, Fortschrittsfeindlichkeit sowie gesellschaft- „Der 1986er Volksaufstand zum Sturz der liche Beharrungskräfte und Besitzstandswahrung im Zusammenhang mit technologischem Wandel Marcos-Diktatur war ein Schlüsselmoment in behindern Innovation. Innovationen helfen jedoch, bestehende Knappheiten zu überwinden, und der Geschichte der Philippinen, in der Welt gefeiert als ein Markstein der Demokratie. sind Motor für Wachstum und Wohlstand. Förderung von Innovation und Fortschritt gehört daher Für mehr als zwei Dekaden fahren wir fort, die für Liberale zu den wichtigsten Aufgaben. in diesem historischen Ereignis gewonnenen Freiheiten aufrechtzuerhalten und zu erwei- Vor dem Hintergrund dieser großen Herausforderungen müssen internationale Dialoge und Koope- tern, und mit Partnern wie der FNF bewegen wir unsere Nation vorwärts, auf einem rationen die globalen Kräfteverschiebungen hin zu aufstrebenden Mächten wie China, Indien und geradlinigen und gerechten Weg. Zusammen Brasilien friedlich und kooperativ gestalten. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg bietet die Chance auf eine werden wir ein besseres Umfeld für kommen- weitere Verringerung der Armut und bringt bereits jetzt Wohlstandseffekte für die ganze Welt. Ohne de Generationen aufbauen, in dem wir unter die neuen aufstrebenden Mächte und Schwellenländer sind die drängenden Probleme auf globaler Respektierung unterschiedlicher Glaubens- richtungen, vielfältigen kulturellen Erbes Ebene nicht zu lösen. Entsprechend ihrer neuen Stärke müssen diese Länder auch ermuntert werden, sowie Wissen und Können vereint für Frei- Verantwortung zu übernehmen. Es gilt also, sie im Dialog mit einem möglichst breiten Spektrum heit und Frieden stehen.“ 3 4 ihrer wirtschaftlichen und politischen Eliten und für Reformen, freiheitliche Politikansätze und ver- antwortliches internationales Handeln zu gewinnen.

Freiheit als Antwort 1. Teilnehmer der Internationalen Akademie für Führungskräfte der Stiftung treffen Außenminister Dr. Guido Westerwelle, Berlin, 2009 Die Antwort auf die Herausforderungen ist eine freiheitliche Grundordnung, die den Menschen ein 2. XXIV. Freiheits-Forum des Instituts für Unternehmensstudien (IEE), Porto Alegre, 2011 3. Demonstrationen in Kairo, 2011 Leben in Selbstbestimmung, Wohlstand und Eigenverantwortung ermöglicht. Demokratie, Rechts- 4. Eröffnungsrede von Benigno Simeon Aquino III, Präsident der Philippinen, auf dem ersten Kongress von Liberal International in Asien, Manila, 2011 staat und Marktwirtschaft sind die drei Ordnungsprinzipien für eine offene, liberale Gesellschaft.

112 113 Diese offene Gesellschaft erfordert einen neu gestalteten Ordnungsrahmen für Politik, Gesellschaft Kern dieser Aufgabe ist die Demokratieförderung. Für uns bedeutet Demokratieförderung mehr als und Wirtschaft – einen Ordnungsrahmen, der sowohl globalen Herausforderungen wie Armut und den – fraglos notwendigen – Aufbau formaler Institutionen und Prozesse. Unabdingbar für eine Klimawandel als auch Transformationsgesellschaften mit beschränktem Zugang zu Markt, Gesell- gelebte Demokratie ist jedoch der friedliche, faire und regelgeleitete Wettbewerb politischer Par- schaft und Politik Rechnung trägt, ohne das Primat der Freiheit aufzugeben. Solcherart struktu- teien, die die Werte und Interessen der Bürgerinnen und Bürger abbilden und im politischen Wett- rierte, offene Gesellschaften sind empirisch nachweisbar auch deutlich friedfertiger im Inneren wie bewerb vertreten. Aus diesem Grund fördern wir weltweit liberale politische Parteien und ihnen nach außen. nahestehende Organisationen. Mit ihrer weltweiten Präsenz stellt die FNF wichtige politische und gesellschaftliche Verbindungen zwischen unseren Partnerländern und Deutschland her und fördert Der Aufbau eines funktionierenden Gemeinwesens kann nicht gelingen, wo Menschenrechte miss- die internationale Vernetzung des politischen Liberalismus. achtet und Zugänge zu sozialer und institutioneller Infrastruktur breiten Gesellschaftsschichten verwehrt bleiben. Die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten ist daher die Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte fördern wir beispielsweise durch Veran- zentrale Aufgabe der Stiftung. Trotz kultureller Unterschiede und religiöser Überzeugungen sind staltungen und Seminare zur Dezentralisierung, zu Prinzipien guter Regierungsführung sowie zu für uns die Menschenrechte unteilbar. Im Dialog mit religiös begründeten Ordnungsvorstellungen Minderheitenrechten. Unsere Menschenrechtsarbeit, die fester Bestandteil aller Projekte ist, werden Annemie Neyts Uyttebroeck Zhelyu Zhelev Staatsministerin in Belgien, Mitglied des gilt es einerseits anzuerkennen, dass die Idee der Freiheit des Individuums auch religiöse Wurzeln wir weiter intensivieren und uns auch in menschenrechtlichen Foren weiter vernetzen und positio- Präsident der Republik Bulgarien Europäischen Parlamentes, ehemalige hat und in den meisten großen Religionen angelegt ist; andererseits aber der religiöse Anspruch nieren. Um die Entwicklung marktwirtschaftlicher Ordnungen zu begünstigen, unterstützen wir von 1990 bis 1997 Präsidentin von Liberal International, sich an das Individuum wendet und in Freiheit beantwortet werden muss, ohne den Staat als wirtschaftliche Freiheit und die Stärkung des Unternehmertums in unseren Partnerländern, zum ehemalige Vorsitzende der Allianz Zwangsinstrument zu missbrauchen. Beispiel durch die Unterstützung von Jungunternehmerverbänden. In unseren Projekten zum Schutz „Die Partnerschaft mit der FNF geht zurück Europäischer Liberaler Parteien auf die ersten Tage der Demokratie in Bulga- (ALDE Party) vor dem Klimawandel und zur Anpassung an seine Folgen unterstützen wir unsere Partner dabei, rien und den Beginn meines Amtes als Präsi- Das beste Entwicklungsprogramm sind freie Märkte. Diese liberale Überzeugung wird durch die em- nachhaltiges und klimaschonendes Wachstum zu fördern und Vorsorge für die Folgen des Klima- dent. Sie war untrennbar verbunden mit „Es war in der Tat eine große Freude, gemein- pirische Wirtschafts- und Sozialforschung bestätigt, die eine positive Korrelation zwischen (wirt- wandels zu treffen. Lösungen, die auf marktbasierte Anreizsysteme und intelligente Regulierung geteilten Idealen, starken Emotionen und sam für die Entwicklung des Liberalismus schaftlicher) Freiheit und Wachstum, Human-Development-Index und Pro-Kopf-Einkommen, gerade setzen, können die beiden Ziele wirtschaftlicher Entwicklung und Nachhaltigkeit am besten mit- kühnen Projekten für die Zukunft. Ihre enor- rund um die Welt zu arbeiten. Unter der men Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung Führung von Otto Graf Lambsdorff und auch der ärmsten Bevölkerungsteile eines Landes, belegt. Marktwirtschaftliche Reformen haben einander vereinbaren. in ganz Südosteuropa sind unstreitig. Im Wolfgang Gerhardt hat die FNF ein eindrucks- das Ziel, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der freien und fairen Wettbewerb gewährleistet, offene Zeitraum 1999 bis 2000 spielte die Stiftung volles Netzwerk von Persönlichkeiten und Märkte, Vertragsfreiheit und Privateigentum schützt sowie wirksame Haftungsregelungen und das Die Stiftung leistet ihre politische Arbeit im Bewusstsein um die Notwendigkeit des beharrlichen eine Schlüsselrolle durch ihre Mitwirkung bei Organisationen aufgebaut, die sich der Sache Verursacherprinzip im Umweltbereich umfasst. und geduldigen Eintretens für neue Ideen und Reformkonzepte. Nachhaltige Erfolge stellen sich der Errichtung des Politischen Balkan Clubs, der Freiheit und Menschenwürde widmen. zu dessen Präsident ich gewählt wurde und Dabei haben sie den Respekt für die Men- erfahrungsgemäß erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten ein. Ein zentrales Merkmal unserer Arbeit der später internationale Prominenz erlangte. schenrechte in das Zentrum ihrer Arbeit ge- Angesichts der globalen Machtverschiebungen ist es von großer Bedeutung, die Schwellenländer bildet daher seit langer Zeit die Bereitschaft zu langfristigem Engagement in den Einsatzländern Um die gegenwärtige Krise zu bewältigen, stellt. Die Stiftung war stets sorgfältig darauf und neuen Gestaltungsmächte stärker für das liberale Ordnungsmodell und verantwortliches in- wie auch mit den Partnerorganisationen. Hieran werden wir festhalten. Die eingangs beschriebenen brauchen wir wieder die Partnerschaft mit bedacht, ihre Unabhängigkeit zu wahren ternationales Handeln zu gewinnen. Im Dienste übereinstimmender Interessen sind gemeinsame Veränderungen erfordern jedoch auch Anpassungen in unserer Auslandsarbeit. der FNF. Nur zusammen können wir die ein- und sich niemals der Macht, Autorität, dem engenden Trennlinien überwinden, die puren Druck oder sanfteren ungebührlichen Ein- Reformansätze auf globaler, regionaler und nationaler Ebene zu erarbeiten und umzusetzen. Europa politischen Diskurs abgrenzen, und uns hi- flussnahmen zu beugen. Ich beglückwünsche kann in diesem Dialog und im zukünftigen Kräftespiel nur erfolgreich sein, wenn es selbst bereit ist, Im Dialog mit den Schwellenländern und „neuen Gestaltungsmächten“ gilt es, Konzepte und For- nauswagen in den Bereich der Zivilgesell- die Führung und Belegschaft der Stiftung zu sich zu reformieren und handlungsfähig zu machen. Dadurch wird es auch als wertebasiertes Inte- mate zu entwickeln, mit denen wir auch jenseits unseres traditionellen Partnerspektrums für liberale schaft als gesunde Basis für nachhaltige ihrem Jubiläum und wünsche, dass das grationsmodell weiterhin attraktiv bleiben. Die Stiftung wird diesen Dialog intensiv unterstützen. Lösungsansätze, für globale Herausforderungen sowie für bewährte Prinzipien liberaler Weltordnung demokratische Entwicklung.“ nächste halbe Jahrhundert so erfolgreich sein möge wie das zu Ende gehende.“ wie den freien Welthandel werben können. Darüber gilt es, liberale Vertreter in den Schwellenlän- Die Zukunft unserer Auslandsarbeit dern miteinander zu vernetzen und zu stärken. Die Aufgabe der Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird es auch in Zukunft sein, freiheitliche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, den Schutz der Menschenrechte und Auch die Herangehensweise und Methoden unserer Auslandsarbeit müssen vor dem Hintergrund eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung im Rahmen der jeweiligen politischen und sozioöko- eines veränderten Arbeitsumfelds in den Partnerländern überprüft werden. Einerseits haben pro- nomischen Bedingungen zu fördern. fessionell organisierte und auftretende politische Partner in einigen Ländern das Potenzial, selbst beratend für liberale Partner in anderen Ländern tätig zu werden. Noch stärker als bisher wird

114 115 unsere Arbeit also von einem politischen Wissens- und Kompetenztransfer in beide Richtungen ge- prägt sein. Andererseits muss die Stiftung auf die oben beschriebene Dominanz antimoderner, tra- ditionell geprägter Strömungen in anderen Partnerländern sowie restriktive Arbeitsbedingungen reagieren. Notwendig ist also die Entwicklung kulturell sensibler und an lokale Bedingungen an- passbarer Konzepte der politischen Bildung und Politikberatung.

Die heutige Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, ihre Vernetzung und ihr hohes Ansehen im In- und Ausland basieren auf den Pioniertaten sowie auf der kontinuierlichen Arbeit der letzten 50 Jahre. Trotz des tief greifenden Wandels des politischen Umfelds sowie des Charakters unserer Arbeit hin zu einer stärkeren politischen Ausrichtung, werden wir unsere Arbeit für eine Welt in Freiheit erfolgreich fortsetzen.

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