GRUSSWORTE

Trotz der kritischen finanziellen Situation in allen Bereichen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft haben wir das Projekt -Tage 2004 angepackt. Gerade dafür eignet sich das Oratorium Sisara hervorragend. Denn Simon Mayr wirkte im Jahre 1793, als auch Sisara entstand, in einer nicht gerade glorreichen Zeit. Aber mit Sisa- ra begann seine glorreiche Zeit. Möge das auch für die Simon Mayr-Tage in Zukunft so sein. Hans Amler, Präsident der Internationalen Simon Mayr-Gesellschaft

Grußwort der Stadt Bergamo Es sind jetzt schon einige Jahre, daß die beiden Städte Ingolstadt und Bergamo – die eine die usprüngliche, die an- dere die Wahlheimat Johann Simon Mayrs, mit Gewinn zusammenarbeiten, um das Wissen um den berühmten Komponisten zu befördern, der heute endlich in ganz Europa wieder Anerkennung findet. Diese Einheit der Zie- le, unterstützt von einem gemeinsamen Wunsch, bewirkt, daß so Mayrs Musik von einem immer breiteren und unterrichteten Publikum gewürdigt wird. Die Stadt Bergamo hat auf Wunsch der Nachkommen die ehrenvolle Aufgabe, die immense Musikbiliothek des bay- erischen Meisters zu bewahren, die sich in unserer Civica Biblioteca befindet. Überdies ist man dabei, den Histo- rikern und Forschern diesen reichen Bestand durch geeignete Katalogisierung und Bibliographie zur Verfügung zu stellen. Die Gemeindeverwaltung gemeinsam mit der Congregazione della Misericordia Maggiore fördert Kon- gresse, Publikationen, Konzerte um das Leben und Wirken dieses Künstlers im Bewußtsein zu verankern (zu ver- tiefen). Mit Vergnügen ergreife ich diese Gelegenheit, um das deutsche Publikum auf eine letzte Initiative aufmerksam zu machen, die unternommen wurde, um das geistige Erbe Mayrs noch besser zu erschließen: Man beginnt geraden in diesen Tagen, was dank der Finanzierung durch die italienischen Regierung ermöglicht wurde, die Musikauto- graphe des berühmten Lehrers von Donizetti zu digitalisieren und ins Internet zu stellen. Mit der Vorschau auf dieses Feuer der Studien und Initiativen, die freundschaftlichen Beziehungen, die gegensei- tige Anerkennung und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Städten, beide Protagonisten einer jahrhunder- telangen und reichen kulturellen Tradition, wünsche auch ich den „Simon Mayr-Tagen 2004“ breitesten Anklang in der Öffentlichkeit wie in der Beurteilung. Roberto Bruni, Bürgermeister von Bergamo

Grußwort der MIA - Congregazione della Misericordia Maggiore di Bergamo In den letzten Jahren der Zusammenarbeit zwischen Bergamo, Ingolstadt und Altmannstein-Mendorf wurde in Stu- dien, Kongressen und Publikationen mit Deutlichkeit die Bedeutung einer der reichsten und innovativsten Kom- ponisten zwischen dem 18. und 19. Jahrhunderts entdeckt und vertieft, der in seiner Zeit einer der aufgeschlos- sensten europäischen Geister war. Die Veranstaltungen unter anderem betreffen die Musikaufführungen in Bayern und Bergamo und wünschen eine Einheit zwischen beiden kulturellen Räumen - Bergamo und Bayern – herbei. In diesem Jahre treten die Initativen in Ingolstadt, Altmannstein und Mendorf hervor, insbesondere das Oratorium „Sisara“ in der Asamkirche. Die MIA hatte die Freude, die Werke Mayrs als Kapellmeister der Basilika von S. Maria Maggiore zu besitzen und auf seinen Plan hin die „Lezioni Caritatevoli di Musica“ ins Leben zu rufen. Sie ist glücklich zu dieser Gelegenheit ihren tiefst empfundenen Glückwunsch auszusprechen für eine weitere Wertschätzung durch die Arbeiten und Studien über diesen großen bayerischen und Bergamasker Komponisten. Luigi Ugo Pelandi, Präsident der MIA – Misericordia Maggiore di Bergamo

Enrico Albricci (Vilminore, Bergamo 1714 – Bergamo 1775) Giaele e Sisara, Öl auf Leinwand, Bergamo, Accademia Carrara Mit der gleichen Frische, die in seinen Kinderbildern erscheint, ein Genre, das dem Künstler eigen ist, setzt Enri- co Albricci die Geschichte von Jahel in Szene. Die Wahl des Gegenstands gab die Kirchenfabrik der Basilka von S. Martino di Alzano Lombardo vor als ein Auftragswerk für die Cappella del Rosario. Die Darstellung orientiert sich an einer Heldin, die den Sieg Mariens über den Dämon verkörpert. Das Gemälde, das sich in der Accademia Carrara befindet, ist der Entwurf für das große Werk von Alzano, das Al- bricci 1767 ausführte, das durch seine Landschaftsdarstellung und Grazie der Rokoko-Figuren berührt. Dr. Maria Cristina Rodeschini, Accademia Carrara, Bergamo

www.simon-mayr-gesellschaft.de 3 4 Samstag, 11. September 19 Uhr (Ende ca. 21.15 Uhr) Asamkirche Maria de Victoria SISARA (1763-1845)

Oratorium für Soli, Chor und Orchester (1793)

Solisten: Sisara Vanessa Barkowski - Mezzosopran Jahel, Dina Talia Or - Sopran Debora, Thamar Stefanie Braun - Sopran Barac, Elcana Petra van der Mieden - Sopran Abra Claudia Schneider - Sopran

Simon Mayr-Chor Accademia I Filarmonici di Verona Alberto Martini, Konzertmeister Franz Hauk, Cembalo und Leitung Doris Peters - Chorassistenz

Accademia I Filarmonici di Verona Flöte Kozue Sato-Stiller Oboe 1,2 Martino Noferi, Ruggiero Vartolo Fagott François De Rudder Horn 1,2 Dimer Macaferri, Francesco Meucci Violine 1,2 Alberto Martini, Alberto Ambrosini, Giorgio Baldan Michelangelo Cagnetta, Elisabetta Fable, Paola Fasolo Viola Armando Barilli, Wim Janssen Violoncello Pietro Bosna Kontrabaß Carlo Nerini Harfe Angelika Wagner Trompete Hans Jürgen Huber, Harald Eckert Pauken Wolfgang Gindlhumer

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Inhalt

Der außerordentliche Erfolg des Oratoriums Sisara, das bereits wenige Monate nach der Uraufführung 1793 in und um Venedig über zwanzig Mal gespielt wurde, begründete Mayrs Ruhm in Venedig und war der Start einer sich anschließenden glanzvollen Opernkarriere. Mayrs Musik erklang fortan in allen Musikzentren Europas. Mayr widmete „Sisara“ dem bayerischen Kurfürsten Carl Theodor, 1795 wurde das Werk in München aufgeführt.

Die Hauptrollen sind der Bibel entnommen: die Prophetin Debbora, Barac, der Heer- führer der Israeliten, die israelitische Frau Jahel und der Heerführer der Kanaaniter Sisara. Die Handlung schildert eine Episode des Alten Testamentes aus der Zeit der Richter: den Kampf der Israeliten gegen die Kanaaniter. In der zentralen Szene lockt Jahel unter einem Vorwand Sisara in ihr Zelt. Nachdem er eingeschlafen ist, schlägt ihm Jahel den Zeltpflock durch die Schläfe.

Titelbild Enrico Albricci (1714-1775), Giaele e Sisara Bergamo, Accademia Carrara

SISARA - Libretto Seite 7 - 17 Anja Morgenstern - Seite 18 - 21 Johann Simon Mayr und das Ospedale dei Mendicanti Iris Winkler - Seite 22 Sisara in München Isidor Vollnhals - Seite 23 - 24 Sisera - Der Tod des Unterdrückers Biblische Rettungserfahrung Buch Richter, Kap. 4 u. 5 Seite 25 - 26 Interpreten Seite 27 - 29

6 SISARA - LIBRETTO SISARA SISARA ACTIO SACRA EINE HEILIGE HANDLUNG PRO FILIABUS CHORI FÜR DEN CHOR S. LAZARI MENDICANTIUM. DER MENDICANTI. MODOS FECIT KOMPONIERT VON D. SIMEON MAJER HERRN SIMON MAYR MUSICES MAGISTER DEM BERÜHMTEN CELEBERRIMUS. MUSIKMEISTER. SOLEMNI RECURRENTE FÜR DIE ALLJÄHRLICHEN TRIDUO HÆBDOMADÆ FEIERLICHKEITEN DES ÖSTERLICHEN MAJORIS. TRIDUUMS. VENETIIS MDCCXCIII. VENEDIG 1793. SUPERIORUM PERMISSU. MIT ERLAUBNIS DER OBRIGKEIT. In zween Theilen, aus dem Latein übersetzt. Die Musik ist von Hrn. Simon Mayer. München, 1794. [aufgeführt 1795] Gedruckt bey Franz Seraph Hübschmann.

INTERLOCUTORES. PERSONEN. Sisara Sisara Jahel Jahel Debbora Debbora Barac Barac Abra Ein Gefährte des Barac

SOCIÆ JAHEl GEFÄHRTINNEN DER JAHEL Dina Dina Elcana Elcana Thamar Thamar Abra Abra

PARS PRIOR ERSTER THEIL 1 Sinfonia 1 Sinfonia

2 Introduzione con Coro 2 Introduktion mit Chor A 3. Trementes pallentes A 3. In Trauern und Schrecken, Tu numen solare: o Gottheit des Trostes! En proni gementes Sieh‘ seufzend uns flehen Ad aram ad te. vor deinem Altar. A 1. Ah lacrymas vide: A 1. Sie fließen die Thränen, A 1. Suspiria tu senti: A 1. erhöre das Bitten, A 2. Da veniam tuæ genti, A 2. verzeihe dem Volke, Quae fidit in te. das auf dich vertraut.

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Coro. Stridet horribilis Chor. Des Unglücks Schreckenbild Procella barbara: wirkt einem Sturme gleich, Heu quanta fulmina so wie verzehrend Feuer, Stant super me! auf unser Haupt.

DEBORA, JAHEL, & BARAC DEBORA, JAHEL UND BARAC 3 Recitativo 3 Rezitativ Debbora. Qualis timor [terror] in vobis? Debbora. Welche Furcht überfällt euch? Cur ploratis, Warum weint ihr? Et cur palpitat cor? Warum pocht das Herz? Jahel. Debbora! O cœli Jahel. Debbora, o Himmel! Nescis quod hostis reus Weißt du nicht, daß unsre Feinde Omnia subvertit? alles zerstören? Barac. Ignoras quod evertit Barac. Weißt du nicht, daß Sie alles würgen, Omnia quæ occurrunt ei? was ihnen vorkömmt? Debbora. Barac, in cælis Debbora. Lebt nicht für uns noch Non est Abrahami Deus? der Gott Abraham im Himmel! Barac. Ah! Vera dicis, Barac. Du sagst die Wahrheit, Sed nos... doch wie? Debbora. Non valet ipse Debbora. Kann sein Arm Hostis perfidi ad cædem? nicht den Feind zerstreuen – zernichten? Barac. Valet; sed quæso dic... Barac. Ja er kanns! Doch sage mir – Tu non respondes? doch keine Antwort? Jahel. Quid!... videte, videte... Jahel. O sehet! Oh quam accensa est facies sua! Wie glüht ihr Angesicht vom Eifer! Ecce tremit ... Seht! Sie bebet! Exauditæ aut non sunt preces nostræ? Unser Bitten, unser Flehen, ist es erhöret? Debbora. Audite audite. Debbora. Nun höret, nun höret! 4 Aria 4 Arie Deborra. Omnipotentis Dei Deborra. Der Allmacht Gottes Stimme In ore meo vox tonat. ertönt aus meinem Munde: Gaudete: palmam donat, Erfreut euch, das Oelzweig grünet, Splendet victoriæ fax. das Licht des Sieges glänzt.

Amica & suspirata Die lang erwünschte Ruhe Spirat jucunda quies: zeigt sich uns einmal wieder, Ulivis coronata gekrönt mit grünen Zweigen Accedit alma pax. kehrt Fried und Freud zurück.

Surgite ad arma, ad arma, Auf, ergreift die Waffen, Pergite in bello mortes: bringt Tod, und bringt Verderben, Strages portate & fortes: die letzte Niederlage, Sit hosti extrema nex. dem Feinde Gottes zu. 5 Recitativo 5 Rezitativ Barac. Ad pugnam pergo [curro]: Barac. Ich eil‘ zum Streite; Tu me rege o Deus: du o Gott! Leit‘ mich gütig! Præcipitatus cadat Der Feind soll durch diese Hände Hostis reus. heute noch fallen. Jahel. Vadam & ipsa jam. Jahel. Ich selbst, ich will zum Streit. Debbora. Tu siste, & audi. Debbora. Du bleibe, und höre. Ad collem perge Du geh zum Thal hin,

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Ubi tentorium tollit wo Haber sein Gezelt hat, Haber maritus tuus. wo sich dein Mann gelagert: Veniet ... nil dico: Glaube mir, er kommet. Veniet... mulier pro te grandia prædico. Weib, auf dich warten grosse Dinge. Jahel. Quid verba sua dixere? Jahel. Was sollen ihre Worte? – Grosse Dinge? Sum mulier, sum curiosa; ardeo videre. Ach ich brenne, alles zu wissen. 6 Coro 6 Chor Victoria, clamate Das Sieggeschrey ertöne Vos colles & montes: durch Fluren, und durch Wälder, Victoria, sonate erschallet von der Freude Vos prata vos fontes; ihr Berge, und ihr Thäler: Tu Israel tryumpha O Israel du siegest, En laurus & pax. dein Preis ist der Fried.

VALLIS QUI VOCATUR SENNIM, UBI TENTORIUM JAHEL. DAS THAL SENIM; WO JAHEL IHR GEZELT HAT. 7 Recitativo-Arioso 7 Rezitativ-Arioso Sisara. Perfida [Iniqua] ingrata sors Sisara. Verwünschtes, neidisches Glück! Fortem vicisti, Du hast gesieget: Sisaram prodidisti: Sisara überwunden, Iniqua gaude, siehe mich, und lache: Vide tryumphatorem hostis, Siehe den Schrecken seiner Feinde, Mundi terrorem sieh‘ ihren Bezwinger, Devictum vulneratum, verwundet, und entkräftet, Frementum [Tremantum] consternatum. und bebend, und entrüstet. Comple tryumphum tuum; Freu dich nun deines Sieges, Perfida ride, grausames Schicksal! Feri, percute me lacera, Schlage, schlage auf mich, Occide. tödte mich – zernichte. Jahel. (Quid cerno? quis est ille?... Jahel. (Was seh‘ ich? Was will dieser? Fremit... plorat ... Bebend, weinend? Audiam inobservata, Er soll mich nicht bemerken, Et sciam cur tam und doch soll er mir In eum sit sors irata.) sein Schicksal selbst entdecken.) Sisara. (Sisara quid de te?) Sisara. Sisara! Jahel. (Sisara!) Jahel. Sisara? Sisara, ah Debbora Sisara, ach Debbora Intelligo tua verba. ich verstehe deine Worte. Quid agam quaeso rege numen Was soll ich? Gott der Völker! Tu cor in me. Leite mein Herz! Quae volvo in mente Was diese Seele in sich Deus aeterne seconda. beschlossen, - befördre. 8 Recitativo 8 Rezitativ Sisara. Himmel! Welche Gegend? Sisara. Qualis sit locus iste? Von jeder Seite Hic circum aura levis wehen friedliche, sanfte Zephirs: Murmure spirat grato: Das Chor der Vögel Aves canoræ tremulas unter dem Schutz der Bäume Inter frondes singt das Lied des Vergnügens. Canunt modulo dulci: Ueberall lachet Undique regnat Freude, und Wonne, Herzenswonne. Quies jucunda & serena ... Nur dieses Herz zerreißet Kummer, Ah! Solum restat mihi acerba pœna. und Elend.

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9 Cavatina 9 Cavatina Sisara. Dulces auræ rivi amici Sisara. Sanfte Lüfte, holde Bäche, Herbæ molles prata amæna, im Gefilde voll der Freude, Ah vos dicite infelici saget doch dem Unbeglückten, Si speranda est alma pax. endet sich einmal mein Schmerz? 10 Recitativo 10 Rezitativ Barac. Jahel! ... Barac. Jahel! Jahel. Tace & ausculta: Jahel. Schweige, und höre: Ille [ipse], quem stratum Der Mann, den du dort Super hærbas tu vides auf den Rasen erblickest, Est Sisara. ist Sisara. Barac. Quid ais? Barac. Was sagst du? Jahel. Nuper audivi nomen Jahel. Erst hört ich selbst seinen Namen In labiis suis. aus seinem Munde: Debbora, intelligo Debbora, nun kenne ich Nunc tua verba. den Sinn deiner Worte; Barac. Quid ages? Barac. Was thust du? Jahel. Deus me inspirat: Jahel. Gott wird es mir sagen, Sinite solam me. laßt mich nun allein. Barac. Vado securus Barac. Ich bin beruhigt Pro gente mea de fato, für das Geschick des Volkes, Dum opus regis tu, vere beato. wenn dein Auge o Gott! über uns wacht. 11 Aria 11 Arie Barac. In te confido Barac. Weib! ich vertraue O mulier fortis, auf deine Stärke, Tu nostræ [sola] fortis weil du Tu sola spes. unsre Hoffnung bist. Non pertimesco Steh‘ fest, wie Felsen, Fatum crudele, fürchte keine Gefahren, Dum, cor fidele, - Tu mecum es. wenn deinem Herzen Friede lacht. 12 Recitativo 12 Rezitativ Jahel. Quid agam? Queso rege numen, Jahel. Was soll ich? Gott der Völker! Tu cor in me. Leite mein Herz! Quae volvo in mente Was diese Seele in sich Deus aeterne secunda. beschlossen, - befördre. Sisara. Adhuc tormenta Sisara. Wühlt ihr noch immer, Herzensqualen Infelicem torquetis? im Innern? Jahel. Etiam delirat. Jahel. Er ist von Sinnen. Sisara. Ubinam te abscondes Sisara. Wo verbirgst du dein Antlitz, Sisara inhonoratus? Sisara! du Mann der Schande? Quidnam dicent de te dum te videbunt? Was wird von dir der Ruf, die Völker sagen? Gentes (o pudor meus!) O meine Schande! Gentes gaudebunt [ridebunt]. Sie werden lachen. 13 Recitativo-Arioso 13 Rezitativ-Arioso Jahel. Ne tardes Jahel: ad opus. Jahel. Zu Werke, Jahel! zu Werke! En accedit momentum fortunatum ... Nun benutze die günstigen Augenblicke. Fortunatum! Quid dico? Die Günstigen? was sag‘ ich? Heu qualia & quanta Ich sehe schon Gefahren aller Arten Rea pericula cerno! ... auf mich warten. Quid! Timebo? Was? ich zage?

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Ah non: Doch nein! Mulier & puchra immo ridebo. Weib – und schön – ich will schon sehen. 14 Aria 14 Arie Jahel. Quercus annosa elata Jahel. So, wie die stolze Eiche De fulgure non tremit; beym Donner niemals zittert, Et dum procella fremit und bey grausamen Stürmen Est magis firma in se. auf ihre Stärke trotzt.

Sic ipsa non pavesco So steh‘ ich, wie ein Felsen Corde securo ardenti [animosa]; mit Muth in meiner Seele, Sed dona o Deus fidenti die Vorsicht, und die Stärke Vires in tanta re. von Gottes Allmacht hofft. 15 Recitativo 15 Rezitativ Sisara. Lasso defatigato Sisara. Elend, matt, und entkräftet Requies ubi? ubi quies? wo find‘ ich Ruhe? Und wo Frieden? Ah stelle ingratæ Ich seh‘ es Sterne! Nimis sanguinea luce Ihr glänzt mir blutig. Splendetis vos! Weh mir! Was ahndet mir? Heu me! quis dicet mihi Wer wird mir sagen? Armer! Miser dolores leni, Vergiß die Schmerzen, Et ad securitatem veni? ... vertraue auf uns, und komme! Dina & Elcana. Veni. Dina und Elcana. Komme! Sisara. Quis loquitur ad me! quis erit?... Stulte! Sisara. Wer schenkt mir seine Worte? Was sag‘ ich? Echo me illudit ... Echo? Spielwerk des Widerhalles täuscht mich. Oh quam sunt bellæ Ach welche Reize Quae veniunt modo ad me charæ puellæ! verbreiten rings um die holden Mädchen! 16 Duetto 16 Duett Dina & Elcana. Vas lacte repletum Dina und Elcana. Der Becher von Milch voll, En accipe & bibe: ist für dich geeignet: Est donum completum Ist jetzt eine Gabe, Si bonum pro te. bestimmt für dich. Recitativo Rezitativ A 4. A 4. Sisara. Dona a vobis oblata, Sisara. Beste! Welche Freude Oh vere mihi grata! machen mir jetzt eure Geschenke! Dicite: quænam estis? Sagt mir doch, Respirabit per vos wird durch euch Ista [pro vobis hac] mea vita? dieses Blut noch ferner wallen? Mea pœna erit finita? ... Mein Leiden durch euch sich enden? Thamar & Abra. Erit finita. Thamar und Abra. Durch uns sich enden. 17 Duetto 17 Duett Thamar & Abra. En terræ fœcundae Thamar und Abra. Die Früchte der Erde En fructus suavis [jucundi]: sind süße, und trefflich: Ne tibi sit gravis Verschmähe den Willen Eum [en] accipe a me. der Gebenden nicht. Recitativo-Arioso Rezitativ-Arioso Sisara. Quod portentum! Quæ nova oculis meis Sisara. Welche Wunder, welch neue Reize Pulchritudo! Loquimini o dilectæ erblicken meine Augen? Dicite o meæ puellæ Saget doch, holde Mädchen!

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Ubi sum, quæ vos estis; Saget doch! Wo bin ich? wer seyd ihr? Si cor meum Wird mein Herz, A malis sublevetur, frey von Leiden, frey von Quaalen seyn? Et si lætetur hodie? Wird es sich heute noch freuen? A 4. Hodie lætetur. Obige. Es wird sich freuen. 18 Arioso-Aria 18 Arioso-Arie Sisara. Ubi sum o dei potentes! Sisara. Wo bin ich? Allmächtige Götter! Vivo Wach‘ ich, oder lieg‘ ich im Schlafe begraben? Aut sopor nunc me inundat! Ach was fühl‘ ich für Vergnügen, Ah quæ dulcis und Herzensfreud‘! Me circumdat Welche sanfte Ruhe fühl‘ ich, Quies amica & alma pax! und welch Vergnügen erquicket die Seel! Aria Arie A motu celeri Ja mein Herz schlägt mir In me cor palpitas: viel froher im Leib, Affectus teneri vos sentio in me. der Triebe Zärtlichkeit belebet diese Seel. Oh dies dulcissima! [O sors amabilis] O Freudenvoller Tag! Cor meum tu jubila in læta spe. Freue dich, das Licht der Hoffnung strahlt. 19 Recitativo 19 Rezitativ Jahel. O virorum fortissime! tu mecum? Jahel. O Held aller Helden, du bey mir? O felix domus mea! Wie glücklich ist mein Haus Puellæ amatæ O liebste Mädchen! Ipsi bona præstate Thut ihm alles Gute, Quæ sylvestris paupertas, was die ländliche Anmuth Sed cor sincerum dat. und Herzens = Reinheit giebt. Sincerum crede; Offene Freundschaft herrschet in unserm Zirkel, Manet veritas hic superna in sede. und Wahrheit begleitet sie. 20 Finale I 20 Finale I Jahel. Veni solare & ride: Jahel. Komme, dir lacht Trost, und Freude Omnia parata vide komme, und seh‘ bereitet, O grandis vir pro te. o Held alles für dich. Sisara. Venio ... (sed pes recusat) Sisara. Ich komme! – allein was hält mich? Venio ... (sed cor repugnat.) Ich komme! Was widerstrebt mir? Et volo et nolo, oh coeli ! Bald will ich? Und bald nicht. Dubium opprimit me. Zweifel bedrücken mich. A 3. Cur trepidas amice A 3. O Himmel! Cur pavet cor in te? Fast unterlieg‘ ich der Wahl. Sisara. A scio quod est miserimus Sisara. Ich weiß, daß jener elend ist, Qui incaute credit fœminæ: der unklug einem Weibe traut, Syrena est ea venefica, die allzeit der Sirene gleicht, Cantando [ridendo] occidet me. die singend Menschen würgt. Jahel. Imago est innocentiæ [ea venifica]: Jahel. Die Unschuld Bester! würgt nicht, Oh quæ stultitia in te! was soll die bange Furcht? A 4. Veni, solare, & ride A 4. Komme, dir lacht Trost, und Freude O grandis vir cum me o Held mit mir ist alles, O grandis vir pro te omnia parata vide. o Held, sieh, alles ist für dich bereit. A 5. A5. Sisara. Et volo ... & nolo ... oh cœli! Sisara. Und ich will und will nicht, o Himmel! Dubium opprimit me. Zweifel bedrücken mich.

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PARS ALTERA ZWEYTER THEIL Sinfonia Sinfonia

ABRA & SISARA ABRA & SISARA 21 Recitativo 21 Rezitativ Sisara. Quæso puella Sisara. Höre, holder Jüngling! Loquere sincera. Sage mir die Wahrheit. Abra. Sincera quantum [quam tu] vis. Abra. Was willst du von mir wissen? Sisara. Amor, quem mihi Sisara. Jahel! fühlt sie im Herze Jahel tam magnum demonstrat, was sie mir versichert? Sincerus [Verus] est? Liebt sie mich? Abra. Et dubitas? Abra. Daran zweifle ich nicht. Sisara. Me impellit Sisara. Ich bebe Ad trepidandum vis ignota. von unbekannter Ahndung. Abra. Ah sine dubia Abra. Nein zweifle keineswegs, Quæ lædunt [offendunt] du beleidigst Suum dulum [dulcem] amorem, ihre zärtliche Liebe; Et cordis longe a te fuga timorem. weit von dir entfernt sey böser Argwohn. 22 Cavatina 22 Kavatine Abra. Pacem spera suspiratam Abra. Hoffe den erwünschten Frieden: Ubi vivit cor sincerum: Der ein Herz hat rein, und offen, Vitam tibi fortunatam führt ein Leben voll des Glückes, Verus amor certe dat. lebet selbst den Engeln gleich.

SISARA & JAHEL SISARA & JAHEL 23 Recitativo 23 Rezitativ Sisara. Amabilis irata Sisara. Dein Zorn ist liebenswürdig, Adorabilis amans deine Liebe zu wünschen, Ah tu Jahel prodis me. Sisara, vade, und du Jahel hassest mich! Laqueum fuge mortale, Sisara gehe, flieh die tödtlichen Bande, Atque fatum pro te flieh ein Schicksal für dich – Nimis fatale. grausam und tödtend. Jahel. Sisara... Jahel. Sisara! Sisara. Fugiam, fugiam... Sisara. Laß mich, laß mich! Jahel. Siste ingrate, senti... Jahel. Bleibe, höre! Sisara. Parce: martialis honor meus Sisara. Laß mich! Pflicht, und Ehre Vocat ad bellum me. ruft mich zum Schlachtfeld hin. Jahel. Prius quæso o chare Jahel. Vorher, o Bester! Quiesce. Erhole dich! Sisara. Requiem. Nolo. Sisara. Laß mich eilen. Jahel. Ah non: exoro; Jahel. Ach nein! Ich bitte, Pretiosa mihi vita tua. dein Leben ist mir mehr als heilig. Sisara. Pretiosa? Sisara. Mehr als heilig? Jahel. Magis ipsa mea vita. Jahel. Mehr als selbst mein Leben. Sisara. Ah cara! ... (stulte! Sisara. Ach Liebste! (Schweige! Ars terribilis ista.) Ihre Lieb‘ ist Verstellung). Jahel. Tu non credis Jahel. Ach du glaubst nicht, Tenero amori meo? crudelis! welche Flamm‘ meine Seel‘ verzehret. Sisara. Senti: Sisara. Höre! Credam ... sed tu ... sed ego ... Doch du? Und ich? Anima mea, tu ploras?... Ach, meine Liebste! du weinest! Fletum terge... resto... resto... Weine doch nicht, - ich bleibe.

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(Ubi ratio? Ubi mens?) (Sie verläßt mich, die Vernunft.) Jahel Jahel Cor infedele! Ach Ungetreuer! Sisara Sisara Quem credis non sum ego ... Ich bin nicht der, wie du glaubest. (Opem requiro a vobis cæli.) Hilfe! Ich bitte! Hilfe, o Himmel! Oh deus! Ardeo ... deliro. Ich liebe, brenne, rase. 24 Duetto 24 Duett Jahel. Resta o chare & me solare, Jahel. Bleibe, Liebster! mir zur Freude, Quæ non vivo ni pro te. die nur einzig für dich lebt. Sisara. Vade & parce, ad te redibo, Sisara. Laß mich gehen, ich komme wieder, Crede o cœli occidis me. glaube mir, du tödtest mich. Jahel. Ah te occido Jahel. Ich dich tödten, Dum te adoro? die dich so liebt, die dich anbethet. Sisara. (Me seducit nimis bella.) Sisara. Wie verführen ihre Reize! Jahel. Heu misella! Vane ploro. Jahel. Sind vergebens meine Thränen? Sisara. Ah sta firmum cor in te. Sisara. Ach, wer stärket meine Seel‘. A 2. A 2. Jahel. Crede, crede cordi amanti, Jahel. Glaube dem liebenden Herzen, Veni precor veni ad me. komme, Bester! komme zu mir. Sisara. Fugam sine deliranti, Sisara. Laß mich gehen, weit entfernet Vade vade tentas me. von dir bleibt mir Sicherheit.

DEBBORA & BARAC DEBBORA UND BARAC 25 Recitativo 25 Rezitativ Barac. Quid actum sit? Ego pavesco. Barac. Ich zittre für des Volkes Geschicke. Debbora. Qualis timor in te? Debbora. Welche Furcht überfällt dich? Ne dubites. Nein, zweifle nicht. Barac. Sed adhuc Barac. Ich sehe sie noch nicht, Non cerno ad nos Jahelem. die gute Jahel? Debbora. Brevi revertet; Debbora. Sie wird bald kommen. Crede mihi, Glaub‘ es sicher, Tolle a corde tuo laß aus deinem Herzen Trementi umbras omnes terroris. alle Sorgen verschwinden. Barac. O mulier adorata Barac. Weib! du Freundin Gottes! Est pax in corde meo Ich sorge für dein Schicksal Pro te exoptata [renata]. nicht mehr weiter. 26 Aria 26 Arie Barac. Ah cor tu non consola – O pax suspirata: Barac. Ich komme nun Friede, du bist meine Freude, Tu chara tu sola – Tu dulcis pro me. ich sehn‘ mich nach dir. Vos umbræ molestæ [funeste] Ihr traurigen Schatten Terroris abite: des Schreckens entfernt euch, Me [Vos] sinite infestæ geht von meiner Seite, Ne [Ni] cadam a spe. ich hoffe auf Gott.

TENTORIUM JAHEL DAS GEZELT DER JAHEL NOX. NACHT. 27 Recitativo 27 Rezitativ Jahel. Adjuva æterne Deus manum armatam Jahel. Segne die Waffen, o Himmel! Tui nominis ad gloriam. Sie rächen deines Namens Ehre: Cessit Sisara laqueis, & me adorat. Er ist verblendet, Sisara, von meiner Liebe. Ad somnum brevi Bald kommt er nun zu schlafen Hic spero se donabit, her in diese Gegend.

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Et amplius auras vitæ Ach möchte der Schlaf ihm Non spirabit. die Augen ewig schließen. 28 Arioso 28 Arioso Sisara. Quod silentium! Quæ tacita profunda Sisara. Wie schön, und still herrscht sie nunmehr Imperat circum nox. die Freundin sanfter Ruhe die Nacht. Sisara lassus e [et] pugna e [et] via Sisara! Müde vom langen Streite, Te ad requiem dona: ergieb dich der Ruhe. In somnis (Si misero fas est Im Schlafe (wenn das Geschick Quietis momenta) je einem Elenden Schlaf gönnt) Tu [tua] sepeli funesta seyen tief unterdrückte Schmerzen, Impia tormenta. und Kummer. Dormiam .... Komme Schlaf... Heu me! quis clangor tubæ! ... Weh mir! Die Trompete schallt! Ad pugnam hinnientes currunt equi ... Es wiehern die Pferde dem Streite entgegen! Arma & furores Die Wuth der Waffen Omnia subvertunt jam ... greifet schon rings um sich. Sisaræ anhelant sanguinem hostes ... Sisaras Blut begehren schon seine Feinde. Heu vulnus mortale Sie schleudern den Tod Vibrant [iam] in me ... mir wirklich schon entgegen. Quonam me abscondo aut vado?... Welche Nacht verbirgt mich? was thu ich? Gentes ... vacillo ... auxilium ... Völker, ach helft mir! Tremo ... cado. Ich zittre, bebe, falle. Jahel. Clamor unde?... Jahel. Welch Getöse? Sisara. Quis est? Sisara. Wer ists? Jahel. Amica & amans Jahel. Deine Freundin, deine Liebste, Eh Jahel ad te. sieh Jahel bei dir. Sisara. Ah tu chara! ... somniabar ... Sisara. Ach du? – ich träumte. Quale præsentia tua dulce levamen Welch Freude bringt mir deine Gegenwart, Mihi donat! dein Antlitz. I me quasi renata In mir zeigt sich nun wieder Est dulcissima quies süsse Herzensruhe. Mulier amata. Beste, Geliebte! 29 Aria 29 Arie Sisara. Veni o chara ad me vicina Sisara. Komme, Liebste zu dem Freunde! Senti cor, te semper clamat; Der für dich sein Leben giebt: Te o dilecta solam [semper] amat, Komme, lindre meine Schmerzen, Vitam quærit cor a te. schenk‘ dein Beyleid gütig, mir. Veni... Komme! Jahel. Venio... Jahel. Ich komme. Sisara. Fuge, fuge Sisara. Fliehe, fliehe! Monstrum cerno in me sævire: Eine Schlange seh ich auf mich eilen. Tu ... sum ipse... est ille ... oh pœna Du? Ich bin es? Ists jener? Sibilando vult ferire!... Welch ein Leiden! Ah consola, ad sinum vola Zischend will sie mich verwunden, Chara mulier tu mea spes. fliehe, fliehe. 30 Recitativo 30 Rezitativ Jahel. Tam fortis vir pavescit? Jahel. Ein solcher Held erzittert? Tantus timor te certe non est dignus. Dies Zagen bedecket dich mit Schande; Tace, dormi, & tua poena schweige, schlafe, und dein Leiden In placido sopore sit finita. wird sich in sanften Träumen ganz verlieren. Ne timeas chare mi, Fürchte nichts, o Liebster! Dormi mea vita. Schlafe mein Leben.

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31 Duettino 31 Duett Sisara. Veni somne... Sisara. O Schlaf so komme! Jahel. Somne accede... Jahel. Schließ seine Augen! Sisara. Timor fuge... Sisara. Furcht verschwinde Jahel. Ab eo recede ... Jahel. aus seinem Herzen. Sisara. Resta... Sisara. Bleibe! Jahel. Resto... Jahel. Sieh mich! Ich bleibe. Sisara. Mecum... Sisara. Mit mir... Jahel. Tecum... Jahel. Mit dir ... Sisara. Nunc in placido sopore... Sisara. Nun gewiegt im sanften Schlummer Non est amplius reo timore... fühl‘ ich keine bange Leiden, Agi... tatum... cor... in me... und dieß Herz Sed... tran...quillum... est in se... hat Ruh in sich. 32 Recitativo 32 Rezitativ Jahel. Dormi perfide dormi, Jahel. Schlafe, Gottloser! schlafe! & habe in somnis noctem [mortem] æternam. Und schliesse deine Augen auf ewig. Clavus hic & malleus Der Nagel, und der Hammer hier Opus conficiant grande. sollen das Werk vollenden. Ictus mortales eja cadite... Tödtliche Streiche schickt ihn aus der Welt. – O Deus summa tua gloria! O Gott! Gott! Deine Ehre siegt! Felix ego! Venite: O wie glücklich! Ach kommet, Ecce victoria. sehet, ich siegte. Barac. Cœli quid cerno! Barac. Himmel! Was seh ich? Debbora. Tibi ego quid dixi? Debbora. Was hab ich dir gesagt? O mulier tu ministra O Weib! Getreues Werkzeug Vindictæ summi Dei. der Rache unsers Gottes? Gaude & tryumpha: Freue dich deines Sieges. Atque posteris Deine Ehre, Gott! Restet celebratum nomen tuum Wird die späte Nachwelt Summo honore, noch mit innigstem Danke preisen, & adoratum. dich anbethen. 33 Aria 33 Arie Debbora. Hostes fugati fremant Debbora. Der Feinde Schaar erbebet. Est nobis pax renata: Uns glänzt die Friedenswonne Jucunda & fortunata Glück, Freude, und Vergnügen Consurget dies pro te. gab uns ein einz’ger Tag. 34 Recitativo 34 Rezitativ Barac. Impera mulier tu quid vis: Barac. Befehle Frau, was du verlangst: Parebo; Ich werde gehorchen. Te divitiis implebo. Ich werde dich mit Reichtum überschütten. Noscimus omnia a te. Wir wissen alles durch dich. Cuncta debemus Alles verdanken wir dem, A quo pacem & vitam nunc von dem wir jetzt Frieden Habemus. und das Leben haben. 35 Arioso 35 Arioso Jahel. Ah quid dicitis vos? Jahel. Ach was sagt ihr? Nil ego possum Ich für mich kann nichts, Mulier misera & sola. bin ein schwaches Weib, vermag nichts. E cœlis numen Nur Gott im Himmel Dexteram mihi armavit: hat meine Hand bewaffnet, Ictus numen vibravit Gott that selbst dieses Zeichen ...

16 SISARA - LIBRETTO

Unde tanta lætitia: Daher der Freude Uebermaaß ... Ah sentio affectus Ach meine Seele Tam alte jubilare zerfliesset fast in Wonne, Quod super me elevata daß deine Hand sich rächte, Cantando dicam tibi, wird singend sie dir danken, O dextra amata. o Gott der Heere! 36 Aria 36 Arie Jahel. Per te victoriæ [victoria] & pax, Jahel. O Gott! Tu luminosa fax; Du Freude meines Herzens, Lætitia cordis mei, du bist alleinig Sola delitia & spes. die Hoffnung, der Trost.

Fremebant [Fremebunt] reæ procellæ Das Wetter war erschrecklich, Ruinas minitantes: es drohte Tod, Verderben, Vidisti lacrymantes, du sahest deines Volkes Thränen, Et fugit atra nex. und die Gefahr verschwand.

Affectus mei clamate Mein Mund erschalle von dem Danke In die tam fortunata: für deine so grosse Güte, Mi Deus quam adorata o Gott, wie heilsam ist Est tua superna lex! nicht allzeit dein Gesetz. 37 Recitativo 37 Rezitativ Debbora. Pergite mecum: summi Deo clementi Debbora. Kommet mit mir! Laudes eja donate, laßt uns dem höchsten Gott Et nomen suum Dankes = Opfer bringen O gentes celebrate. und seinen Namen! O Völker! Diesen preiset. 38 Finale II 38 Finale II Chorus. Vive immortale numen, Chor. Gott wacht allein im Himmel Vive superne Deus: für seine Erdenkinder: Tu nostræ menti lumen, Er leitet unsre Schritte, Tu salus nostra & pax. er ist uns Heil, und Licht.

FINIS ENDE

Sisarawww.simon-mayr-gesellschaft.de 17 Anja Morgenstern Johann Simon Mayr und das Ospedale dei Mendicanti

Um 1790 galt Venedig - politisch inzwischen in Be- sare Galuppi in der Mitte des 18. Jahrhunderts. 1744 deutungslosigkeit versunken - immer noch als ein gehörten 80 figlie dem coro an. In den siebziger Jah- musikalisch faszinierendes Zentrum Europas. Eine ren kämpften alle vier Häuser mit großen finanziel- Vielzahl Theater, die Kirchenmusik in S. Marco und len Problemen, was einen Aufnahmestopp bewirkte. die Musikaufführungen an den hochberühmten So waren an den Mendicanti 1790 nur noch 21 figlie Ospedali übten gleichwohl auf Musiker und Reisen- aktiv. de eine große Anziehungskraft aus. So kam auch Jo- hann Simon Mayr Ende 1789 oder Anfang 1790 in die Neben der musikalischen Ausgestaltung der Liturgie Lagunenstadt mit dem Ziel, beim Markuskapellmeis- und religiöser Andachten wurde zunehmend eine ter Ferdinando Bertoni Kompositionsstunden zu Gattung besonders intensiv gepflegt: das Oratorium. nehmen. Zu einem geregelten Unterricht ist es wohl Mehrere hundert Libretti zeugen von einer äußerst nicht gekommen, aber ihm dürfte Mayr die Verbin- reichen Tradition. Der englische Musikschriftsteller dung zu einem der Ospedali verdanken, für die er in Charles Burney berichtet, dass üblicherweise an den nächsten fünf Jahren vier Oratorien komponie- Samstagen und Sonntagen Konzerte zu hören waren ren sollte. Bertoni war seit 1752 Maestro di coro am und an hohen kirchlichen Festtagen wie Ostern oder Ospedale dei Mendicanti. Dieses Haus gehörte zu Patronatsfesten sowie zur Fastenzeit Oratorien die den zahlreichen karitativen Einrichtungen Venedigs, musikalischen Höhepunkte an den Ospedali bilde- die über Jahrhunderte Armut und Elend der Stadt zu ten. Ort der Aufführungen waren jeweils die zu den mildern suchten, Bedürftige, Kranke und Waisen Ospedali gehörenden Kirchen, für die Proben oder aufnahmen und sie versorgten. Einige von ihnen ent- private Konzerte dienten eigens eingerichtete Musik- wickelten sich zu bedeutenden Musikinstitutionen, säle. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es an den da sie die musikalische Ausbildung der jugendlichen Mendicanti zwei Oratorien pro Jahr, die mehrmals Zöglinge ins Zentrum ihrer pädagogischen Arbeit hintereinander gespielt wurden. Nach 1770 steiger- stellten. Die Besonderheit dieser venezianischen te sich deren Zahl bis auf vier Werke. Dabei wurde Ospedali, La Pietà, untrennbar mit dem Namen Vival- auch stets auf Novität und Exklusivität geachtet. Zu dis verbunden, Gli Incurabili, I Derilitti und I Mendi- bemerken ist, dass die Texte aller Oratorien in latei- canti, bestand nun darin, dass - gewissermaßen als nischer Sprache verfasst waren, zu einer Zeit, da dies Pendant zu den neapolitanischen Konservatorien - in Italien längst nicht mehr üblich war. In der Ver- nur Mädchen in den Genuss dieser exzellenten Aus- wendung des Lateinischen ist wohl eine deutliche bildung kamen. Die Leiter der Häuser erkannten Abgrenzung vom weltlichen Repertoire, vor allem schnell einen direkten Zusammenhang zwischen der Oper, und die Unterstreichung der Einzigartig- hochqualitativen Musikaufführungen und ihrer öko- keit des ausschließlich weiblichen Ensembles zu se- nomischen Relevanz. Zahlreiche Spenden, Testa- hen. mente u. ä. kamen den Ospedali zugute und sicher- ten somit auch den Erhalt der sozialen Einrichtun- Zwischen 1791 und 1795 war das Ospedale dei Men- gen. dicanti musikalisch am aktivsten. Dieser Eindruck wird auch durch die zeitgenössische Presse ver- Musikausübung an den Mendicanti ist für die Zeit vor mittelt. Dass es das beste unter den vier Ospedali 1604 belegt. Mit der Einstellung von festen Lehrern war, wusste bereits Goethe, der im Herbst 1786 in und eines Maestro di coro nahm die Qualität der Venedig weilte: Musik und auch die Größe des Ensembles zu. Das so- wohl aus Sängerinnen und Instrumentalistinnen be- „Den Plan in der Hand suchte ich mich durch die stehende Ensemble wurde coro genannt. Die größte wunderlichsten Irrgänge bis zur Kirche der Mendi- Bedeutung erlangte er unter der Leitung von Baldas- canti zu finden. Hier ist das Konservatorium, wel-

18 ANJA MORGENSTERN: JOHANN SIMON MAYR UND DAS OSPEDALE DEI MENDICANTI

ches gegenwärtig den meisten Beifall hat. Die Frau- für seine musikalische Karriere gelegt habe (und enzimmer führten ein Oratorium hinter dem Gitter hielt sich selbst als Verfasser des Libretto einen gro- auf, die Kirche war voll Zuhörer, die Musik sehr ßen Anteil daran zugute). Die Rezeption dieses schön, und herrliche Stimmen. Ein Alt sang den Kö- außerordentlichen Werkes belegt in der Tat dessen nig Saul, die Hauptperson des Gedichtes. Von einer große Beliebtheit. Der Erfolg von Sisara war sicher solchen Stimme hatte ich gar keinen Begriff; einige ausschlaggebend für Mayrs erste Opernscrittura für Stellen der Musik waren unendlich schön, [...] die das Teatro La Fenice im Jahr 1794 (). Musik ... findet hier ein weites Feld.“ Das Oratorium wurde erstmals zu Ostern, am 31. Die erwähnte Altistin dürfte auch Mayrs Hauptsänge- März und 1. April 1793 in der Mendicantikirche auf- rin, Bianca Sacchetti, gewesen sein, für die Mayr alle geführt. Es war wohl wegen des großen Publikums- Titelpartien seiner vier lateinischen Oratorien ge- zulaufs üblich, ein Oratorium zweimal hintereinan- schrieben hat. Der Musikverleger Carl Friedrich Cra- der zu geben. Eine Wiederaufführung erfolgte noch mer berichtet 1789 über sie: im selben Jahr zu Pfingsten und 1794 am gleichen In- stitut. In einem Briefentwurf spricht Mayr davon, „Ich zweifle, ob Sacchetti, jetzo die erste Sängerin dass das Werk „durch eine 22 malige ununterbro- daselbst, könne übertroffen werden. Wenigstens ha- chene Aufführung beliebt“ wurde. In der veneziani- be ich in ganz Italien keine angetroffen, die ich ihr an schen Presse fand Sisara große Aufmerksamkeit. die Seite setzen möchte, so groß sind in meinen Au- Mayr selbst führte dies in seiner Autobiographie vor gen ihre Vorzüge in der Stärke, Reinheit und Bieg- allem auf die hervorragenden Sängerinnen zurück. samkeit ihrer Stimme nicht nur, sondern im Aus- druck auch, und in der Erweckung der Empfindun- Sisara hatte aber auch außerhalb Venedigs einen er- gen. Sie singt einen Alt, dessen tiefste Note von ihr staunlichen Erfolg. Weitere Aufführungen sind für gesungen wie ein Donner tönt. Schnell hüpft sie, München, Lucca, Bergamo und Mailand belegt. wie über Ährenspitzen, über die Töne leichten Schrittes hin bis in die äußerste Höhe, wo sie weit Bereits zwei Jahre nach der günstigen Aufnahme von und allmählich sich verliehrt.“ Sisara in Venedig wurde das Oratorium in München bekannt gemacht. Vorausgegangen war ein auf Ende Ab 1791 bis zur Schließung der Ospedali 1796 (Fall 1793/1794 datierbares Widmungsgesuch, wohl an der Republik) hat Simon Mayr mit seinen Werken das den bayrischen Kurfürsten Carl Theodor. Die Ver- Oratorienrepertoire am Ospedale dei Mendicanti do- mittlung einer Aufführung von Sisara geht auf Peter miniert. Im März 1791 kam sein erstes Oratorium Ja- von Winter zurück, der sich um diese Zeit in Vene- cob a Labano fugiens zur Aufführung. In seiner dig aufhielt. Im Mayr-Nachlass in Bergamo ist ein Autobiographie betont der Komponist ausdrücklich, Schreiben vom 9. November 1793 des Münchner dass es in Anwesenheit Kaiser Leopolds II., des Kö- Hoftheater-Intendanten, Graf Joseph Anton von See- nigs von Neapel, des Erzherzogs zu Mailand sowie au, an Winter erhalten, in dem über Sisara von Mayr des Großherzogs der Toskana aufgeführt worden ist. verhandelt wird. Ob das Widmungsschreiben, das Mit Jacob präsentierte sich Mayr gleichsam erstmals nur als Entwurf überliefert ist, tatsächlich abgesen- dem venezianischen Publikum mit einem großen det wurde, ist nicht bekannt. Auch ist bislang keine musikdramatischen Werk. Nach einer Pause von ei- Widmungspartitur in München aufgetaucht. Gesi- nem Jahr folgten dann Sisara (1793), Tobiae matri- chert ist jedoch eine Aufführung in München als „Bi- monium (1794) und David in spelunca Engaddi blisches Singspiel“ in deutscher Sprache am Münch- (1795). Librettist aller vier Werke war Giuseppe Ma- ner Hoftheater im März 1795. Das erhaltene deut- ria Foppa, Verfasser zahlreicher Oratorientexte für sche Textbuch, eine Prosafassung, ist bereits auf das die Mendicanti. Er ist vor allem als Operntextdichter, Jahr 1794 datiert. meist komischer Opern und Farsen bekannt (u. a. La scala di seta und Il signor Bruschino von Gioachi- Im Dezember 1796 erlebte Sisara dann eine Auffüh- no Rossini). Mayr vertonte von ihm zehn Opern. rung in italienischer Sprache in der Kirche S. Maria Cortelandini von Lucca anläßlich des traditionellen S. Natale-Festes. Vor allem zu Beginn des 18. Jahrhun- Die Rezeption von Sisara derts gab es hier eine rege Oratorienpflege. Mayrs Si- Die actio sacra Sisara war zweifelsohne das meist sara ist offenbar eines der wenigen und zugleich verbreitete und erfolgreichste venezianische Orato- letzten Beispiele dieser Tradition. Für die Auffüh- rium Mayrs. Foppa schätzte später ein, dass der bay- rung wurde ein Libretto gedruckt. In die von Mayr rische Komponist mit diesem Werk den Grundstein selbst aus Venedig entsandten Partitur, die als Halb-

www.simon-mayr-gesellschaft.de 19 autograph im Konservatorium zu Parma überliefert land nicht zu zweifeln, auch wenn über Anlass und ist, wurde die italienische Übersetzung mit roter Tin- Ort noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen. te eingetragen. Es geht nicht hervor, ob die Gesangs- Vielleicht wurden die Oratorien am Hof des Viceré partien in eine sonst übliche gemischte Besetzung d’Italia, Eugenio Napoleone, zwischen 1805 und übertragen worden sind, was aber denkbar wäre. 1813 aufgeführt. Nur wenige Monate später war das Werk auch in ei- ner privaten Akademie des Luccheser Alessandro Ot- Die weite Verbreitung von Sisara dokumentiert sich tolini, eines Mitglied der Theaterleitung, zu hören. schließlich auch in der Überlieferung einer aus Ita- Laut einer zeitgenössischen Tagebucheintragung lien stammenden zeitgenössischen Partiturabschrift war dies am 25. März 1797. in der Library of Congress in Washington.

Dass Johann Simon Mayr sein venezianisches Orato- rium Sisara besonders geschätzt hat, zeigt nun auch Inhalt und musikalische Gestalt die Wiederaufführung in Bergamo am 27. August Die Geschichte um Sisara war ein sehr beliebter Stoff 1808. Sisara gelangte, neben verschiedenen Instru- in der Oratoriengeschichte, Beispiele sind ab der mentalstücken während einer Abschlussakademie - zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts belegt. Die wahrscheinlich die erste - an den Lezioni caritatevo- Handlung des Oratoriums schildert eine Episode des li di musica, die Mayr nur drei Jahre zuvor ins Leben Alten Testaments um die Prophetin Debora und den gerufen hatte, zur Aufführung. Unter den Ausfüh- Kampf der Israeliten gegen die Kanaaniter. Sie wird renden befand sich auch der junge Gaetano Donizet- im Buch der Richter Kapitel 4, Vers 4 bis 24 erzählt. ti. Das in Bergamo erhaltene Stimmenmaterial über- Im Mittelpunkt des Geschehens steht Sisara, der liefert eine stark gekürzte und bearbeitete Fassung. Heerführer des Königs von Kanaan, unter dessen Sie hält jedoch an dem originalen lateinischen Text Herrschaft die Israeliten leben. Die Prophetin Debo- fest. Veränderungen resultieren aus zahlreichen ra sagt voraus, eine Frau, Jahel, werde Sisara töten Streichungen (v. a. der Nebenrollen), zwei Neukom- und ihr Volk befreien. Jahel lockt den erschöpften, positionen sowie einer Parodiearie. Bei dieser greift vor den aufständischen Israeliten fliehenden Feld- Mayr musikalisch auf eine Arie aus seinem David- herrn, Liebe heuchelnd in ihr Zelt und tötet den Oratorium von 1795 und textlich auf ein ebenfalls Schlafenden, indem sie einen Zeltpflock durch sein 1793 an den Mendicanti aufgeführtes Oratorium von Schläfe treibt. Domenico Fischietti zurück. In drei Stücken hat Mayr den Orchesterapparat um Klarinetten, Trom- Das Libretto Sisara von Giuseppe Maria Foppa orien- peten und Pauken erweitert. In der venezianischen tiert sich deutlich an der Vorlage. Direkte Bibelwort- Originalfassung hatte Mayr den Schlusschor, wel- zitate gibt es zwar kaum, Details werden aber aufge- cher in der Regel ein Oratorium beschließt, nicht ver- griffen und zum Teil ausgearbeitet. Dabei setzt das Li- tont. Die Gründe für das Fehlen erschließen sich bretto einen interessanten, für den Komponisten at- nicht leicht. Offensichtlich bedauerte aber Mayr dies traktiven Schwerpunkt: Es rückt die in der Bibel nur und komponierte für die Bergamasker Aufführung angedeutete Verführung Sisaras ins Zentrum der einen neuen Finalchor, der auch im heutigen Kon- Handlung und schreibt sie aus. zert das Oratorium beschließen wird. Wie die meisten Oratorien der Zeit ist Sisara zweitei- Vermutlich etwa zur gleichen Zeit erklang das Ora- lig. Es enthält insgesamt 16 Nummern: zehn Arien, torium ebenfalls in einer italienischen Version in der vier Duette und zwei Chöre (ohne den nachkompo- Nachbarstadt Mailand. Die im dortigen Konservato- nierten Schlusschor). Im Verhältnis v. a. zu den drei rium vorhandene Partiturabschrift gehört zu einem anderen lateinischen Werken enthält Sisara wenige Fundus mehrerer venezianischer Oratorien, darun- Ensembles, nur zwei Duette und ein Duettino für die ter bis auf Jacob a Labano fugiens auch alle Orato- Protagonisten Jahel und Sisara. Dies erklärt sich aus rien der venezianischen Zeit Mayrs. Da der Fundus der individualisierten Handlung des Oratoriums. auch autographe Quellen enthält, kann davon ausge- gangen werden, dass Mayr persönlich für die Über- Wie bereits im ersten Oratorium Jacob geht die ein- sendung verantwortlich war. Er selbst hielt sich zu- leitende Sinfonia direkt in den Eingangschor über. dem ab 1800 regelmäßig wegen Premieren seiner Dieser, ein Lamento der Israeliten, folgt einem an Opern an der Mailänder Scala in der lombardischen den Ospedali ausgeprägten Typ. Homophone Tutti- Hauptstadt auf. Aufgrund des jeweils komplett vor- Abschnitte rahmen solistische a 1- oder a 2-Passagen handenen Stimmenmaterials (stets für gemischte ein. Der zweite Chor ist ein Jubelgesang in festli- Sängerbesetzungen) ist an einer Aufführung in Mai- chem D-Dur und mit fanfarenartigen punktierten

20 ANJA MORGENSTERN: JOHANN SIMON MAYR UND DAS OSPEDALE DEI MENDICANTI

Motiven, in dem der militärische Erfolg der Israeliten den Part der Jahel ausstattet. über die Feinde gefeiert wird. Sisara wird von Beginn an als schwacher, von Seelen- Auffällig ist die Bevorzugung des orchesterbegleite- ängsten gequälter Held charakterisiert. Sein erster ten Rezitativs, ein Kennzeichen fast aller Mayrschen Auftritt zeigt ihn als Geschlagenen, verzagt, schwach Oratorien. Darin bekundet sich ein enges Wort-Ton- und klagend. Er ist nach der Niederlage, von seinen Verhältnis und auch die differenzierte, rhetorisch ef- Gefährten verlassen, allein zurückgeblieben. In ei- fektvolle und ausdrucksstarke Musiksprache Mayrs. nem Accompagnato beklagt er sein Schicksal und In den Accompagnati, die den großen Arien und sucht in der folgenden Cavatina „Dulces aurae“ inne- Duetten vorausgehen, kommen auch die Bläser zum ren Frieden. Von einem lieblichen Ort, dem locus Einsatz. Ein reichhaltiges Bläserkolorit macht den amoenus, verspricht sich Sisara Linderung von sei- Reiz aller Oratorienpartituren Mayrs aus. Durch die nen Seelenqualen. Mayr greift zu den musikalischen Verwendung von Sonderinstrumenten - Englisch Mitteln, die seit jeher den locus amoenus hörbar ma- Horn, Flöte und Harfe - an exponierten Stellen ge- chen. Er verwendet eine Soloflöte statt der Oboe winnt Mayr zusätzliche instrumentale Farben. und eine Harfe, um den Eindruck einer naturhaften, pastoralen Landschaft hervorzurufen. Im Orchester In der ersten Arie der Debbora „Omnipotentes Dei“ hört man das Rauschen der Lüfte, das Murmeln des wird ihre Prophezeiung durch feierliche, punktierte Baches oder das Zwitschern der Vögel. Hörnerklänge eingeleitet. Es ist dies ein Beispiel für einen häufig bei Mayr anzutreffenden semantisch ge- Für das Englisch Horn hegte Mayr offenbar eine be- bundenen Einsatz der Bläser. Hier schlagen sie „eine sondere Vorliebe. In drei der vier lateinischen Orato- Brücke zum traditionellen Symbolgehalt des Bläser- rien hat er es benutzt. Mit seinem dunklen weichen klangs für Göttliches oder Überirdisches“ (Helen Ge- Klang scheint es für private Gefühlsäußerungen, yer). Die Figur der Debbora entspricht der bibli- meist an emotionalen Höhepunkten des zweiten schen Gestalt. In der ersten Arie tritt sie in ihrer Teils, prädestiniert zu sein. In Sisara untermalt es im Funktion als Prophetin und Überbringerin einer gött- Duettino „Veni somne“ eine äußerst intime Situa- lichen Botschaft hervor. Mit zwei Arien und mehre- tion. Jahel hat Sisara erfolgreich verführt, dessen ren Rezitativen hat Debbora einen größeren Anteil Zweifel zerstreut und singt ihn nun in den Schlaf. Ein am Geschehen als es in ähnlichen Oratorien an den ruhig dahinströmender Duktus beherrscht die Sze- Ospedali üblich war. ne: liegende Bläsertöne, abwärtsgerichtete Motive zu gleichmäßiger Streicherbegleitung. Nur bei der Einzigartig ist die konzertante Arie Jahels „Quercus Textstelle „amplius tormentum“ erinnern Synkopen annosa elata“. Jahel in Foppas Sisara steht in der Tra- in den Violinen und Bratschen an ausgestandene dition heroischer Frauengestalten, wie sie vor allem Qualen. Am Ende wird das Einschlafen Sisaras ganz in den Libretti für das Ospedale dei Mendicanti ent- bildhaft, das Orchester wird immer leiser, die Bewe- wickelt worden sind. Jahel vermittelt ebenfalls Glau- gung erstirbt, am Schluss hört man nur mehr zwei bensinhalte. Sie zählt wie Judith und Esther zu den Hörner im Pianissimo. Nachdem Sisara eingeschla- typologischen Gestalten des Alten Testamentes, die fen ist, schreitet Jahel zur Tat, mit größter Anschau- den Teufel besiegen und somit Maria präfigurieren. lichkeit ertönen in den Streichern die todbringenden Schon ihr erster Auftritt zeigt sie als heroische Ge- Schläge mit dem Zeltpflock. Die jubelnden Ausrufe stalt. In einer Gleichnisarie stellt sie sich als bejahr- „oh Deus summa tua gloria“ und „ecce vittoria“ wer- te, aufrechte Eiche vor, die um so fester steht, je stär- den von einem für Mayr typischen reinen Bläser- ker der Sturm wütet. Die Arie ruft zu Beginn durch block beantwortet. ein unisono gespieltes, aufwärtsgerichtetes Drei- klangsmotiv das Bild der standhaften Eiche auf. In der zweiten Strophe erbittet Jahel göttlichen Bei- stand für die Tat, die ihr auferlegt ist. Mayr hat dafür - in starkem Kontrast zur vorangehenden, nur von Streichern begleiteten Arie des israelitischen Heer- führers Barac - eine große Arie mit vier konzertieren- den Bläsern, Oboe, Fagott und zwei Hörnern kompo- niert. Ungewöhnlich sind das lange Orchestervor- spiel sowie eine ausgeschriebene Kadenz, die die Gesangsstimme mit den solistischen Bläsern vereint, und auch das reiche Koloraturenwerk, mit dem Mayr

www.simon-mayr-gesellschaft.de 21 IRIS WINKLER: SISARA IN MÜNCHEN

Iris Winkler Sisara in München Ein autographer Entwurf, der in der Biblioteca civica in Bergamo aufbewahrt wird, für ein offizielles Widmungsschreiben an die Münchner Hofintendanz – oder direkt an den Kurfürsten – verweist auf die Aufführung des Oratoriums Sisara in München 1795: Simon Mayr hat sich an sei- nen „Landesvater“ gewandt und ihm Sisara als „Landeskind“ dediziert.Wir danken der Biblioteca civica Angelo Mai, Herrn Dott. Marcello Eynard dafür, Simon Mayrs Skizze reproduzieren zu dürfen.

Johann Simon Mayr an die Münchener Hofintendanz I-BGc Mayr Salone N.9.3/1-2:506 [Venedig, ca. 1794] Excellenz!

Zutrauend auf die allbekannte Huld in Unter= / stützung und Aufmunterung der schönen Künste, / besonders der Musik, wage ich an Eu[re] Excellenz die / unterthänige Bitte, meinen Muth an Hoch- dieselbe mich zu / wenden, nicht in Ungnade anzusehen. Von meinem Vater, / dem Schullehrer zu Mendorf, ohnweit Ingolstadt, in der Kindheit / zu dieser Kunst angeleitet, hat mich das Schicksal nach Italien / geführt, wo ich mein Talent unter der Direction des hiesigen / Kapellmeister[s] den bekannten Hn. Bertoni auszubilden suchte. / Einige meiner musikalischen Productionen, die ich dem hiesigen / Publikum ausstellte, hatten das Glück, demselben nicht zu miß= / fallen, und ein für das hiesige Conservatorium / i Mendicanti verfertigtes Oratorium, Sisara betitelt, ward / von dem- selben durch eine 22malige ununterbrochene Aufführung / beliebt. Aufgemuntert nun von dem würdigen Hr. Kapellmeister Winter / wage ich an Eu[re] Excellenz / Durch Aufmunterung des würdigen H. Kapellmeisters / Winter nun unterfange ich mich Eu[re] Ex- cellenz demüthig / zu bitten, mir durch bei Ihren hohen Vorschutz beÿ Sr [=Seiner] Kurfürstlichen [?] Durchleicht [Durchlaucht?] / meinem gnädigsten Landesvater die höchste Gnade zu gewähren [?] / das obbemelt Oratorium als Landeskind Sr [=Seiner] Kurfürstlichen [?] Durchlaucht // die er- ste Frucht meines ganzen Talents S. [=Seiner] Kr. [=Kurfürstlichen?] Durchl[aucht] [?] mildeste und unterthänigst widmen zu dürfen. Diese höchste / Gnade Von der allbekannten Güte, mit der Sie je- des Landeskind / aufkeimende Talent in jedem Landeski[nd] Baÿern durch dero hohen Schu[tz] aufzumuntern und / [....?] suchen, schmeichle ich mir, in meiner daß Sie diese meine Bitte an / Hochdieselbe erhört zu werden nicht ganz verachten möchten.

die aufkeimenden Talente jedes Baÿers durch den hohen [?] Schutz aufzumuntern / sich getrauen [?] / wofür ich Ew Excellenz mit der höchsten Achtung und ewigen Dankbarkeit / in unterthänigstem Respekt zu verharren der Ehre

22 Ein autographer Entwurf von Simon Mayr aus dem Jahre 1794 an die Münchener Hofintendanz.

www.simon-mayr-gesellschaft.de 23 ISIDOR VOLLNHALS: SISERA - DER TOD DES UNTERDRÜCKERS BIBLISCHE RETTUNGSERFAHRUNG

Isidor Vollnhals Sisera - Der Tod des Unterdrückers Biblische Rettungserfahrung

Die biblische Botschaft: Jahwe rettet sein Volk lungen mit seiner damaligen Umwelt, doch die „Bot- schaft“ darin ist letztlich sogar eine Ablehnung des Das Buch Richter – Rettergestalten der Frühzeit Krieges. Selbst ein auf den ersten Blick kriegslüster- Die Rettung der Stämme Israels durch Jael, eine Frau, nes Buch wie das Buch Judit ist eine Erzählung, die unter der Führung der Richterin Debora: diese dop- im Namen Gottes den Krieg ablehnt (vgl. im Schluss- pelte Provokation gibt Anlass zum Jubel im uralten lied Judit 16,1 f: „Fürwahr ein Gott, der den Kriegen Deboralied (Richter 5). ein Ende setzt, ist der Herr!“). Gleichzeitig ist es ein dankbarer Stoff für künstleri- sche Bearbeitung (siehe Simon Mayr, Sisara). Auch das Buch Ester, eine weitere „Mordgeschich- te“, ist ein erzählerischer Protest gegen die Gewalt Das alttestamentliche Buch „Richter“ (hebräisch: und ein Bekenntnis zum Gott Israels, der sich als Ret- schophetim) meint nicht so sehr Männer der Recht- tergott der Juden und auch „der Völker“ erweist. sprechung, sondern kriegerische Helden und Herr- scher. Das Grundmuster jeder Richtergestalt ist das Und was die missverständlich übersetzten biblischen gleiche: Die Stämme Israels sind Jahwe untreu ge- Begriffe „Rache“ und „Vergeltung“ angeht, so ist ge- worden; er überlässt sie den Feinden („Sisera hatte meint: Die durch Gewalt gestörte Lebensordnung die Israeliten 20 Jahre lang grausam unterdrückt“ Ri wird durch Jahwe wieder hergestellt, indem er zu al- 4,3); er erweckt ihnen einen Retter, den „Richter“. lererst den Geschädigten hilft. Den „Störenfried“ (et- wa Sisera) lässt er oft „in die Grube fallen, die er sich Im vorausgehenden Buch Josua („Jahwe ist Rettung, selbst gegraben hat“ (Sirach 27,26). Heil“) wird der Einzug in das verheißene Land Ka- naan (seit etwa 1230 v.Chr. ) idealisiert dargestellt: Jahwe ist ein die Taten ausgleichender Gott, der vol- Das Volk, das seinen Gott in der Wüste gefunden ler Anteilnahme auf der Seite der Leidenden und hatte, empfängt nun sein Land aus der Hand seines Schwachen steht. Zur Wiederherstellung der Le- Gottes. In der Mitte der etwa 150 Jahre dauernden bensordnung setzt der Gott des Rechtes und der Ge- Richterzeit steht der Sieg bei Taanach unter Debora rechtigkeit seine „Schutz-Gewalt“ ein. Dazu beruft er und Barak (um 1125 v. Chr.), der den Nordstämmen Rettergestalten, „Richter“ wie Debora und Barak. die Jesreelebene in die Hand gab. Der biblische Gott ist freilich auch ein Gott, der alle Schuld vergibt – auch den Todfeinden. Das ist die Alle Richtergestalten waren überzeugte Jahwe-An- Botschaft etwa der wichtigen Lehrerzählung des Pro- hänger; die Bundeslade in Schilo war das „nationale“ pheten Jona (vgl. Jona 4,2 f). Heiligtum. Unterjochung durch die Nachbarvölker galt als Strafe für Gottlosigkeit; Siege wie unter Debo- Vom Bibeltext zum Libretto des Singspiels Sisara ra waren eine Folge der Rückkehr zu Gott. Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Venedig im Jahr 1793 Das alte Klischee: der Gott der Rache und Gewalt? Der Gott des Alten Testaments sei gewalttätig und Venedig, jahrhundertelang Seemacht im östlichen rachsüchtig, er legitimiere Mord und Krieg: Dieses Mittelmeer, als aggressiv empfunden, nicht zuletzt Fehlurteil reicht von Markion (2. Jhd. n. Chr.) bis in seit der unseligen, barbarischen Eroberung Konstan- unsere Tage. In aller Kürze kann dagegen festgehal- tinopels am 12. April 1204, ist Ende des 18. Jahrhun- ten werden: Wohl teilt Israel den Stil der Kriegserzäh- derts in einer prekären politischen Situation. Die Re-

24 ISIDOR VOLLNHALS: SISERA - DER TOD DES UNTERDRÜCKERS BIBLISCHE RETTUNGSERFAHRUNG publik wird Opfer Napoleons. Er übergibt Venedig - Aus der biblisch anders zu verstehenden „Vergel- 1797 im Frieden von Campoformio an Österreich. tung“ wird im Libretto die Hoffnung auf Gott, den Diese Bedrohungssituation ist 1793 präsent, auch für mächtigsten Vergelter. den Opernlibrettisten Giuseppe Maria Foppa. Der bi- blische Stoff Sisera ist in dieser Zeitsituation ein - Aus der biblischen Ironie der Errettung durch eine dankbares Thema: Venedig wartet auf Rettung, wie „schwache“ Frau wird im Libretto die Frau als Täu- damals das Volk Israel bei Debora und Sisera. scherin („Ich weiß, dass jener elend ist, der unklug einem Weibe traut“, Ende 1.Teil; „O Weib! Getreues Die Legitimation der politischen Herrschaft durch Werkzeug der Rache unseres Gottes?“) biblisch- religiöse Bezüge hatte in Venedig Tradition. La Serenissima als weibliche Verkörperung Vene- - Aus dem biblischen Gastrecht, das unantastbar, digs, die sich bedroht fühlt: Was lag näher, als einen heilig, ist, und selbst für den Feind gilt (Aufnahme entsprechenden biblischen Stoff zu wählen? (So wie des fliehenden Sisera im Zelt des Keniters durch des- es schon Vivaldi tat mit einer Vertonung des bibli- sen Frau Jael, Ri 4,17) wird im Libretto ein Liebes- schen Juditbuches, der großen weiblichen Retterge- duett zwischen Jahel und Sisara (2. Teil), hin- und stalt! Juditha triumphans devicta Holofernes bar- hergerissen zwischen „Pflicht, Ehre, Schlachtfeld“ barie, Venedig 1716, RV 645. Diesen Hinweis verdan- und „ich liebe, brenne, rase“. ke ich Frau Dr. Iris Winkler) Mag diese freie Ausgestaltung des biblischen Textes Die biblische Rettung Israels, dargestellt anhand der auch der Dramatik eines opernhaften Librettos ge- Tötung des feindlichen Feldherrn Sisera durch Jael, schuldet sein, so zeigt dies dennoch eine der Aufklä- eine Frau: Dieser Text, im Singspiel opernhaft verar- rung verpflichtete Entschärfung der biblischen Pro- beitet, war Balsam auf die Ängste der Stadt. Giusep- vokation. pe Foppa, der routinierte Opernlibrettist, war der Das biblische Gottesbild ist operettenhaft verkürzt; geeignete Mann, um den biblischen Text in eine “ac- mit bukolisch-pastorellen Szenen („friedlicher Ze- tio sacra“ (heilige Handlung) nach damaligem Ver- phir/Nordwind, Chor der Vögel unter dem Schutz ständnis umzuschreiben. der Bäume“, 1. Teil) ist die Gestalt des mächtigen Heerführers Sisera („900 eiserne Wagen“ Ri 4,13) in Der Geist der Aufklärung als Deutungshorizont eine idyllische Landpartie aufgeheitert. Damit geht der biblischen Texte auch eine Verniedlichung der Prophetin Debora ein- Geistiger common sense Ende des 18. Jahrhunderts her, der Richterin/Retterin. Ihre erste Aufgabe ist war europaweit der Geist der Aufklärung. Religion nicht, „die letzte Niederlage dem Feinde Gottes zu- diene der Erziehung und Bildung der Bürger, das zufügen“ (1. Teil), sondern Recht zu sprechen im Na- Christentum sei die geschichtliche Einführung der men Jahwes. Vernunftreligion, die Kirche die Erziehungsschule des Volkes: Dieses Verständnis war allgemein ver- Im Libretto erscheint das Gottesbild der Aufklärung breitet. Kants Philosophie („Religion innerhalb der (Schlusschor: „Gott wacht allein im Himmel für sei- Grenzen ihrer Vernunft“, Königsberg 1793) sollte ne Erdenkinder“). Unter dem ständigen Aufblick zu gesellschaftlich – politisch umgesetzt werden. Gott Gott wird Religion ausgeübt als sittlicher Lebens- als der moralische Weltregent, die Bibel nicht mehr wandel. Das biblische Gottesbild dagegen spricht als das geoffenbarte Gotteswort, sondern als Stoff von der ständigen Treue, dem Festhalten an dem ei- zur religiös-sittlichen Erbaulichkeit, zur „Belehrung nen Gott Himmels und der Erde. Nach biblischem und innigsten Rührung“ (so Vitus Anton Winter, von Verständnis lässt sich dieser Gott nicht vereinnah- 1794 bis 1801 Münsterpfarrer und Professor für Kir- men, weder vom Volk noch vom Einzelnen. „Ich chengeschichte, ab 1799 für Liturgie, in seinem weiß nicht, an welchem Tage mir der Engel Jahwes Werk „Erstes deutsches kritisches Messbuch“ 1810). Erfolg geben wird“ (Ri 4,9).

„Erfolg ist keiner der Namen Gottes“ (Martin Buber). Veränderung des biblischen Textes Nicht für die Stämme Israels, nicht für die Christen- Dieser geistige Hintergrund schlägt sich im Text- heit, erst recht nicht für den Stadtstaat Venedig. buch zu Sisara nieder. Auch nicht, im 21. Jahrhundert, für Osama bin Laden oder George W. Bush. Jahwe der biblische Gott, er- - Aus Jahwe, der die Stämme Israels aus höchster Not weist sich als der Rettende, auf seine „göttliche“ rettet, wird im Libretto Gott als der „moralische Weise. Diese Botschaft „transportiert“ – in seiner Art Weltherrscher“ (Immanuel Kant), der „moralische – auch das biblische Singspiel Sisara von Simon Weltregent“ (Vitus Anton Winter). Mayr.

www.simon-mayr-gesellschaft.de 25 BUCH RICHTER, KAP. 4 U. 5

Buch Richter, Kap. 4 u. 5

DEBORA UND BARAK: Der Sieg über Sisera: scharfem Schwert] vor den Augen Baraks in gro- 4 Als Ehud gestorben war, taten die Israeliten ße Verwirrung. Sisera sprang vom Wagen und wieder, was dem Herrn mißfiel. 2 Darum liefer- floh zu Fuß. 16 Barak verfolgte die Wagen und te sie der Herr der Gewalt Jabins, des Königs von das Heer bis nach Haroschet-Gojim. Das ganze Kanaan, aus, der in Hazor herrschte. Sein Heer- Heer Siseras fiel unter dem scharfen Schwert; führer war Sisera, der in Haroschet-Gojim nicht ein einziger Mann blieb übrig. wohnte. 3 Da schrien die Israeliten zum Herrn; denn Sisera besaß neunhundert eiserne Kampf- wagen und hatte die Israeliten zwanzig Jahre lang Siseras Tod grausam unterdrückt. 4 Damals war Debora, ei- 17 Sisera war zu Fuß zum Zelt der Jael, der Frau ne Prophetin, die Frau des Lappidot, Richterin in des Keniters Heber, geflohen; denn zwischen Ja- Israel. 5 Sie hatte ihren Sitz unter der Debora- bin, dem König von Hazor, und der Familie des Palme zwischen Rama und Bet-El im Gebirge Keniters Heber herrschte Frieden. 18 Jael ging Efraim, und die Israeliten kamen zu ihr hinauf, Sisera entgegen und sagte zu ihm: Kehr ein, Herr, um sich Recht sprechen zu lassen. 6 Sie schickte kehr ein bei mir, hab keine Angst! Da begab er Boten zu Barak, dem Sohn Abinoams aus Ke- sich zu ihr ins Zelt, und sie deckte ihn mit einem desch-Naftali, ließ ihn rufen und sagte zu ihm: Teppich zu. 19 Er sagte zu ihr: Gib mir doch et- Der Herr, der Gott Israels, befiehlt: Geh hin, zieh was Wasser zu trinken, ich habe Durst. Sie öffne- auf den Berg Tabor, und nimm zehntausend Naf- te einen Schlauch mit Milch und gab ihm zu trin- taliter und Sebuloniter mit dir! Ich aber werde Si- ken; dann deckte sie ihn wieder zu. 20 Er sagte sera, den Heerführer Jabins, mit seinen Wagen zu ihr: Stell dich an den Zelteingang, und wenn und seiner Streitmacht zu dir an den Bach Ki- einer kommt und dich fragt: Ist jemand hier?, schon lenken und ihn in deine Hand geben. dann antworte: Nein. 21 Doch Jael, die Frau He- 8 Barak sagte zu ihr: Wenn du mit mir gehst, wer- bers, holte einen Zeltpflock, nahm einen Ham- de ich gehen; wenn du aber nicht mit mir gehst, mer in die Hand, ging leise zu Sisera hin und werde ich nicht gehen. 9 Sie sagte: Ja, ich gehe schlug ihm den Zeltpflock durch die Schläfe, so mit dir; aber der Ruhm bei dem Unternehmen, zu dass er noch in den Boden drang. So fand Sisera, dem du ausziehst, wird dann nicht dir zuteil; der vor Erschöpfung eingeschlafen war, den Tod. denn der Herr wird Sisera der Hand einer Frau 22 Da erschien gerade Barak, der Sisera verfolg- ausliefern. Und Debora machte sich auf und ging te. Jael ging ihm entgegen und sagte: Komm, ich zusammen mit Barak nach Kedesch. 10 Barak zeige dir den Mann, den du suchst. Er ging mit ihr rief Sebulon und Naftali in Kedesch zusammen, hinein; da sah er Sisera tot am Boden liegen, mit und zehntausend Mann folgten ihm (auf den Ta- dem Pflock in seiner Schläfe. 23 So demütigte bor) hinauf. Auch Debora ging mit ihm. 11 Der Gott an diesem Tag Jabin, den König von Kanaan, Keniter Heber aber, der sich von Kain, von den vor den Israeliten, 24 und die Faust der Israeli- Söhnen Hobabs, des Schwiegervaters des Mose, ten lag immer schwerer auf Jabin, dem König von getrennt hatte, hatte sein Zelt an der Eiche von Kanaan, bis sie Jabin, den König von Kanaan, Zaanannim bei Kedesch aufgeschlagen. 12 Als ganz vernichtet hatten. man nun Sisera meldete, dass Barak, der Sohn Abinoams, auf den Berg Tabor gezogen sei, 13 beorderte Sisera alle seine Wagen — neunhun- Das Debora-Lied dert eiserne Kampfwagen - und das ganze Kriegs- 5 Debora und Barak, der Sohn Abinoams, sangen volk, das er bei sich hatte, von Haroschet-Gojim an jenem Tag dieses Lied: 2 Dass Führer Israel an den Bach Kischon. 14 Da sagte Debora zu Ba- führten/ und das Volk sich bereit zeigte, / dafür rak: Auf! Denn das ist der Tag, an dem der Herr preist den Herrn! 3 Hört, ihr Könige, horcht auf, den Sisera in deine Gewalt gegeben hat. Ja, der ihr Fürsten! / Ich will dem Herrn zu Ehren sin- Herr zieht selbst vor dir her. Barak zog also vom gen, / ich will zu Ehren des Herrn, / des Gottes Is- Berg Tabor herab, und die zehntausend Mann raels, spielen. 4 Herr, als du auszogst aus Seir, / folgten ihm. 15 Und der Herr brachte Sisera, alle als du vom Grünland Edoms heranschrittest, / da seine Wagen und seine ganze Streitmacht [mit bebte die Erde, die Himmel ergossen sich, / ja,

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aus den Wolken ergoss sich das Wasser. 5 Die hen des Feldes. 19 Könige kamen und kämpf- Berge wankten vor dem Blick des Herrn [das ist ten,/ damals kämpften Kanaans Könige / in Taa- der Sinai,] / vor dem Blick des Herrn, des Gottes nach, an den Wassern Megiddos, / doch Beute an Israels. 6 In den Tagen Schamgars, des Sohnes Silber machten sie nicht. 20 Vom Himmel her des Anat, / in den Tagen Jaels lagen die Wege ver- kämpften die Sterne, / von ihren Bahnen aus lassen da; / wer unterwegs war, musste Umwege kämpften sie gegen Sisera. Der Bach Kischon machen. 7 Bewohner des offenen Landes gab es schwemmte sie fort, / der altberühmte Bach, der nicht mehr, / es gab sie nicht mehr in Israel, / bis Bach Kischon. / Meine Seele soll auftreten mit du dich erhobst, Debora, / bis du dich erhobst, Macht. 22 Damals stampften die Hufe der Pfer- Mutter in Israel. 8 Man hatte sich neue Götter er- de / im Jagen, im Dahinjagen der Hengste. 23 wählt. / Es gab kein Brot an den Toren. / Schild Ihr sollt Meros verfluchen / spricht der Engel des und Speer waren nicht mehr zu sehen / bei den Herrn. / Mit Flüchen flucht seinen Bewohnern; / Vierzigtausend in Israel. 9 Mein Herz gehört Is- denn sie kamen dem Herrn nicht zu Hilfe, / zu raels Führern. / Ihr, die ihr bereit seid im Volk, / Hilfe dem Herrn unter den Helden. 24 Geprie- preist den Herrn! 11 Horch, sie jubeln zwischen sen sei Jael unter den Frauen, / die Frau des Keni- den Tränken; / dort besingt man die rettenden ters Heber, / gepriesen unter den Frauen im Zelt. Taten des Herrn, / seine hilfreiche Tat an den 25 Er hatte Wasser verlangt, sie gab ihm Milch, / Bauern in Israel. / Damals zog das Volk des Herrn in einer prächtigen Schale reicht sie Sahne. 26 hinab zu den Toren. 12 Auf, auf, Debora! Auf, Ihre Hand streckte sie aus nach dem Pflock, / ihre auf, sing ein Lied! / Erheb dich, Barak, / führ dei- Rechte nach dem Hammer des Schmieds. / Sie er- ne Gefangenen heim, / Sohn Abinoams! 13 schlug Sisera, zermalmte sein Haupt, / zerschlug, Dann steige herab, / was übrig ist unter den Herr- durchbohrte seine Schläfe. 27 Zu ihren Füßen lichen des Volkes. / Der Herr steige herab / mit brach er zusammen, fiel nieder, lag da, / zu ihren mir unter den Helden. 14 Auf Efraim zogen sie Füßen brach er zusammen, fiel nieder. / Wo er hinunter ins Tal, / hinter ihnen Benjamin mit sei- zusammenbrach, da lag er vernichtet. 28 Aus ih- nen Scharen; / von Machir stiegen die Führer hin- rem Fenster blickt Siseras Mutter / und klagt ab, / von Sebulon die, die das Zepter tragen. 15 durch das Gitter: / Warum säumt sein Wagen zu Die Fürsten Issachars zusammen mit Debora / kommen, / warum zögert der Hufschlag seiner und wie Issachar so auch Barak, / ins Tal getragen Gespanne? 29 Eine Kluge aus ihren Fürstinnen von seinen Füßen. / In Rubens Bezirken / über- antwortet ihr, / und sie selbst wiederholt deren legte man lange. 16 Warum sitzt du zwischen Worte: 30 Sicher machen und teilen sie Beute, / den Hürden / und hörst bei den Herden dem Flö- ein, zwei Frauen für jeden Mann, / Beute an Klei- tenspiel zu? / In Rubens Bezirken / überlegte man dern für Sisera, / Beute an Kleidern, / für meinen lange. 17 Gilead bleibt jenseits des Jordan. / Wa- Hals als Beute ein, zwei bunte Tücher. 31 So ge- rum verweilt Dan bei den Schiffen? / Ascher sitzt hen all deine Feinde zugrunde, Herr. / Doch die, am Ufer des Meeres, / bleibt ruhig an seinen die ihn lieben, sind wie die Sonne, / wenn sie auf- Buchten. 18 Sebulon ist ein Volk, / das sein Le- geht in ihrer Kraft. Dann hatte das Land vierzig ben aufs Spiel setzt, / auch Naftali auf den Hö- Jahre lang Ruhe.

www.simon-mayr-gesellschaft.de 27 INTERPRETEN Interpreten

Vanessa Barkowski gefächertes Liedrepertoire. Wichtig ist der Künstle- Die Sängerin wurde in Detmold geboren. Schon früh rin auch ihre Arbeit mit und für Kinder, unter ande- erhielt sie Unterricht in Stimmbildung und Geigen- rem an der Bayerischen Staatsoper im Rahmen der spiel und absolvierte die Gymnasialzeit in der Musik- Kinder-Spiel-Oper und der Opernwerkstatt. klasse des Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasiums. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Gesang in Petra van der Mieden Hamburg bei Judith Beckmann und danach an der Petra van der Mieden wurde in Nürnberg geboren. Hochschule der Künste in Berlin bei Ute Trekel-Burk- Schon früh stand sie auf der Bühne der Bayerischen hardt. Meisterkurse belegte sie bei Ingeborg Danz, Staatsoper, wo sie als Kindersolistin ihre Liebe zur Kurt Moll und Dietrich Fischer-Dieskau. 1995 wurde Oper entdeckte. Neben dem privaten Gesangsstu- sie mit dem Ersten Preis im Wettbewerb Jugend mu- dium bei Rita Loving (Bayerische Staatsoper) absol- siziert ausgezeichnet. Zudem war sie mehrfache vierte sie nach dem Abitur am musischen Gymna- Preisträgerin des Landeswettbewerbs Nordrhein- sium in München zunächst eine Ausbildung zur Westfalen, des Wettbewerbs Kammeroper Schloss Übersetzerin und Dolmetscherin. Daraufhin nahm Rheinsberg sowie Finalistin beim Bundeswettbe- sie ihr Gesangsstudium am Mozarteum Salzburg auf, werb Gesang. Sie ist Stipendiatin der Oscar-und-Vera- das sie später an der Hochschule für Musik und The- Ritter-Stiftung Hamburg, der DOMS-Stiftung Zürich ater bei Kammersänger Wolfgang Brendel mit Di- sowie der Kaminsky-Stiftung. Sie arbeitete mit Diri- plom für Opern- und Konzertgesang abschloss. Wäh- genten wie Helmuth Rilling, Sylvain Cambreling und rend der Studienzeit wirkte sie im Rahmen der Bay- Vladimir Jurowski zusammen. Ihre rege Konzerttä- erischen Theaterakademie August Everding als Fior- tigkeit im In- und Ausland führte sie unter anderem diligi in Così fan tutte von Mozart und Alcina in der nach Mailand, Venedig, Rom, Paris, Krakau und Lon- gleichnamigen Oper von Händel im Prinzregenten- don. Sie wirkte 2001 an der Oper Frankfurt bei der und Cuvilliés-Theater sowie im Markgräflichen The- Uraufführung von five movements mit, einer Pro- ater Bayreuth mit. In der Folgezeit gastierte sie am duktion zeitgenössischen Musiktheaters. 2003 sang Theater Kiel als Europa in Die Liebe der Danae von sie an der Komischen Oper Berlin die Zofe in Zem- Richard Strauss und sang Pamina in Mozarts Zauber- linskys Der Zwerg. Bei dem diesjähigen Lincoln-Cen- flöte beim Tollwood-Festival 2001/2002 in Mün- ter Festival in New York wirkt die junge Künstlerin chen. Seit Juni 2002 ist Petra van der Mieden Ensem- in der Uraufführung der Oper Macbeth von Salvato- ble-Mitglied am Theater Augsburg, wo sie unter an- re Sciarrino in der Inszenierung von Achim Freier als derem in den Rollen der Nannetta im Falstaff Ver- Hexe und Höfling mit. Im Herbst gibt sie ihr Debut di, Atalanta im Xerxes von Händel, Zerlina im Don als Ensemble-Mitglied an der Bayerischen Staatsoper Giovanni von Mozart und Gilda im Rigoletto von München. Verdi auftrat. Stefanie Braun Talia Or Stefanie Braun, geboren in München, studierte zu- 1977 in Israel geboren, lebt Talia Or seit 1981 in nächst an der Münchener Ludwigs-Maximilians-Uni- Deutschland. Von 1987 bis 1995 nahm sie an ver- versität das Fach Musikwissenschaft, das sie mit der schiedenen Produktionen am Stadttheater Aachen Promotion abschloss. Im Anschluss absolvierte sie teil und erhielt dabei ihre erste Stimmbildung bei ih- am Conservatorio Benedetto Marcello in Venedig ein rer Mutter, Rebecca Or. 1994 wurde sie an der Musik- vierjähriges Gesangsstudium. In Venedig hatte sie ih- hochschule Köln als Jungstudentin aufgenommen. re ersten Opernauftritte als Cherubino in Mozarts Le Ihre Studien setzte sie von 1996 bis 2002 an der nozze di Figaro, als Dorabella in Mozarts Così fan Hochschule für Musik und darstellende Kunst Ham- tutte und Costanza in Haydns L’isola disabitata am burg, zunächst bei Prof. Ingrid Kremling, dann bei Teatro Goldoni. 1999 wurde sie Mitglied des Opern- Prof. Sabine Kirchner fort. In dieser Zeit war sie auch studios der Region Nürnberg. Seit 2000 führen sie an verschiedenen Produktionen der Musikhoch- zahlreiche Gastverpflichtungen ins In- und Ausland. schule (unter anderem in Zusammenarbeit mit der Modernes Opernrepertoire gehört ebenso zu ihren Münchener Biennale) im Rahmen des Jungen Fo- Theaterauftritten wie bei ihren Konzerten ein breit rums der Hochschule für Musik und darstellende

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Kunst Hamburg engagiert. Sie nahm an Meisterkur- drich Beringer und Helmut Rilling. Im Jahr 2002 wur- sen des Israel Vocal Arts Institute in Tel Aviv und de sie, zusammen mit dem Pianisten Lukas Maria New York (Leitung: Joan Dorneman) sowie 1999 Kuen, im Fach Lied-Duo mit dem ersten Preis des und 2000 bei Prof. James Wagner im Rahmen des Wettbewerbs „Förderpreis der Weidener Max-Reger- Obersdorfer Musiksommers und des Rheingau Mu- Tage 2002“ ausgezeichnet. sikfestivals 2002 bei Susanne Eken und Helmut Deutsch teil. Franz Hauk 2000 und 2001 war Talia Or Preisträgerin des St. Mi- Franz Hauk wurde 1955 in Neuburg an der Donau ge- chaelis-Wettbewerbs für Oratorium und geistliches boren. Er studierte nach dem Abitur die Fächer Kir- Lied, Hamburg bzw. des Mozartwettbewerbs für Ge- chen- und Schulmusik sowie Klavier und Orgel an sang der Freimaurerloge „Absalom zu den drei Nes- den Musikhochschulen in München und Salzburg. seln“ und des internationalen Maritim-Wettbewerbs Zu seinen Lehrern zählen Aldo Schoen, Gerhard Timmendorfer Strand. Ihr Debut gab sie 2002 in der Weinberger, Franz Lehrndorfer und Edgar Krapp. Partie des Cherubino in Mozarts Le nozze di Figaro 1981 erhielt er das Meisterklassendiplom der Musik- bei einer Produktion des Opernstudios der Oper hochschule München. Mehrere Auszeichnungen „Theatre de la Monnaie“, Brüssel. Talia Or zeichnet folgten. 1988 promovierte er im Fach Musikwissen- sich durch eine rege Konzerttätigkeit aus. So trat sie schaft mit einer Arbeit über die Münchener Kirchen- mit der Philharmonie Hamburg unter Ingo Metzma- musik zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Als Autor be- cher („Mass“ von L. Bernstein) und mit dem Hambur- fasst er sich vor allem mit Fragen der Quellenfor- ger Jugendorchester (4. Symphonie von Gustav schung und der Aufführungspraxis. Seit 1982 ist er Mahler) auf. Im Dezember 2002 wirkte sie in ver- als Organist, seit 1995 auch als Chorleiter am Ingol- schiedenen Produktionen der Staatsoper Hamburg städter Münster tätig. Mit Vorliebe setzt sich Franz mit. Im Frühjahr 2002 legte sie ihr Operndiplom Hauk auch für die zeitgenössische Musik ein und beim „Forum Neues Musiktheater Hamburg“ in Ros- regt immer wieder Kompositionsaufträge an. Mit sinis Il barbiere di Siviglia als Rosina ab. Zurzeit ist den Konzertreihen, die er als Mitarbeiter des Kultur- Talia Or Mitglied des „Jungen Ensembles“ der Baye- amtes ins Leben rief - die Ingolstädter Orgeltage, die rischen Staatsoper München, singt in der Urauffüh- Orgelmatinee um Zwölf, die Musiknächte im Thea- rung „Im Westen nichts Neues“ nach E.M. Remarque ter beispielsweise - , bereichert er das Kulturleben In- in Osnabrück und ist Ensemble-Mitglied im Staats- golstadts und der Region. Franz Hauk wirkt als Juror theater am Gärtnerplatz in München. bei Musikwettbewerben und leitet Meisterklassen bei internationalen Musikfestivals, so beim Interna- Claudia Schneider tionalen Orgelfestival „Megaron“ in Athen zusam- Claudia Schneider studierte 1993 bis 2000 an der men mit Jane Parker-Smith, Daniel Roth und Johan- Münchner Hochschule für Musik und Theater Ge- nes Geffert. Franz Hauk spielt viele Rundfunk- und sang bei Daphne Evangelatos sowie Liedinterpreta- CD-Aufnahmen und konzertiert in ganz Europa wie tion bei Donald Sulzen und Helmut Deutsch. Darü- in den USA. Seine Tätigkeit als Dirigent findet inter- ber hinaus nahm sie an Meisterkursen von Irwin Ga- nationale Anerkennung. 2003 gründete er den Si- ge und Deon van der Walt teil. Sie war Stipendiatin mon Mayr-Chor, ein Vokalensemble mit professio- des Deutschen Bühnenvereins und des Rotary-Club nellem Anspruch. Seit Oktober 2002 lehrt er im Be- Münchens. Für die Spielzeit 1998/99 wurde die Mez- reich Historische Aufführungspraxis an der Staat- zosopranistin ins „Junge Ensemble“ der Bayerischen lichen Hochschule für Musik und Theater in Staatsoper aufgenommen. Zu ihren bisherigen Büh- München. nenpartien zählen Mozarts Cherubino, Humper- dinkks Hänsel sowie die Nancy in Benjamin Brittens Oper Albert Herring. Claudia Schneider widmet sich intensiv dem Lied- und Konzertgesang. Ihr Reperto- ire reicht vom Barock bis zur Moderne der Zweiten Wiener Schule. Konzertverpflichtungen führten sie nach Wien, Berlin, Leipzig, Köln, zum Kissinger Win- terzauber, nach Italien und nach Israel. Sie war zu Gast in den Kammermusikreihen der Bamberger Symphoniker, des Bayerischen Staatsorchesters und des Symphonieorchesters des Bayerischen Rund- funks. Claudia Schneider arbeitete u.a. mit Dirigen- ten wie Siegfried Köhler, Gustav Kuhn, Karl-Frie-

www.simon-mayr-gesellschaft.de 29 Accademia I Filarmonici di Verona Simon Mayr-Chor Die Accademia I Filarmonici di Verona gilt als ein Der Simon Mayr-Chor e.V. wurde 2003 von Franz Alte Musik-Ensemble von internationalem Rang. Ihr Hauk als Projektchor gegründet. Das Repertoire des gehören führende italienische Musiker an, die als Chores umfasst musikalische Werke vom 16. bis ins Konzertmeister bedeutender Orchester und Dozen- 20. Jahrhundert. Ein besonderer Akzent liegt auf ei- ten an Musikhochschulen wirken. Kritiker rühmen ner am jeweiligen Vorbild orientierten historischen den raffinierten Klang sowie das temperamentvolle Aufführungspraxis und auf der Pflege der vokalen Musizieren und die hohe Virtuosität des Ensembles. Musik von Simon Mayr auf einem künstlerisch sehr Die Accademia I Filarmonici gastierte mit großem hohen Niveau. Mitglieder sind Gesangsstudenten Erfolg an den europäischen und amerikanischen Mu- der Hochschule für Musik und Theater in München sikzentren und auf Festivals wie dem Festival Berlioz und engagierte Sängerinnen und Sänger aus Ingol- in La Côte Saint André (Frankreich) und am Cantière stadt und der Region. Sein Debüt gab der Simon Internazionale di Musica in Montepulciano. Sie eröff- Mayr- Chor im Juni 2003 mit einer umjubelten Auf- nete jüngst die Saison des Musikfestivals in Cremona führung der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach und wird das nächste Mozartfestival in Rovereto be- zusammen mit dem renommierten Wasa baroque or- schließen. Es liegen zahlreiche Radio- und Fernseh- chestra in Norwegen. Ein weiteres Projekt des Cho- aufnahmen vor. Derzeit nimmt das Ensemble für die res war die Mitwirkung bei der Aufführung und CD- Labels Naxos, Arts, Dynamic und Tactus auf, mit de- Produktion der azione sacra von Simon Mayr. nen es alle zwölf im Druck erschienenen Werke An- Die Opernwelt urteilte im Dezember 2003: „Der tonio Vivaldis und die Ouvertüren von Veracini ein- prächtige junge Simon Mayr-Chor...gewährleistete gespielt hat. Weltweit wurden von diesen Aufnah- einen Abend mit mehr als angemessen hoher Qua- men bereits über 300.000 Stück verkauft. Im Jahre lität.“ 2000 begann die Accademia I Filarmonici mit der Einspielung des Gesamtwerks von Francesco Anto- nio Bonporti. Das Ensemble arbeitet regelmäßig mit international bekannten Künstlern der Alte Musik- Szene zusammen, so mit Bruno Giuranna, Corrado Rovaris, Michele Campanella, Massimo de Bernart, Giuliano Carmignola und Mario Ancilotti. Alberto Martini ist Konzertmeister des Ensembles. Er spielt ein Violine von Giuseppe Gagliano aus dem Jahre 1777.

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