bulletin afrika- Nummer 151

Aug./Sept. 2013 Fr. 5.–/Euro 4.– Landkonflikte im südlichen Afrika im südlichen Landkonflikte Editorial

Am 19. Juni 1913 verabschiedete das Kapstädter Par- lament den berüchtigten Natives Land Act, der 93 Pro- zent des südafrikanischen Bodens der weissen Bevöl- kerung zuwies und damit die Vertreibung der schwar- zen BäuerInnen legalisierte. Aus Anlass des 100. Jahres- tages dieses Ereignisses organisieren das Zentrum für Afrikastudien und die KEESA in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren am 15. und 16. November in Basel ei- ne Tagung zum Thema Landkonflikte im Südlichen Afri- ka (siehe Flyer in der Beilage), welche akademische Ana- lysen mit der Sicht von AktivistInnen zu verknüpfen sucht. 2 Die Ethnologin Barbara Müller ist Im Zentrum stehen zwei konkrete Fallbeispiele: Zum langjähriges Mitglied des Einen ist dies ein Landkonflikt im Südosten Zimbab- Afrika-Komitees. Sie ist Koordinatorin der KEESA und wes, wo eine Agrotreibstoff-Fabrik rund 50 000 Hektar Geschäftsführerin von fepa. kleinbäuerlichen Bodens an sich reissen will. Wie sich Kontakt: coordination@ die BäuerInnen von Chisumbanje gegen diesen Land- apartheid-reparations.ch. grab wehren, erfahren wir von beteiligten AktivistInnen. Aus dem südafrikanischen Westkap erreichten uns Ende letzten Jahres Berichte über Streiks für höhere Löhne und menschenwürdige Lebensbedingungen auf den dortigen Wein- und Früchtefarmen. An der Tagung er- zählen direkt Beteiligte von ihren Erfahrungen in die- sem Kampf. Die beiden ehemaligen Siedlerkolonien und Südafrika haben entgegengesetzte Mo- delle der Landreform entwickelt, deren Vor- und Nach- teile diskutiert werden sollen. Das stark emotional be- setzte Thema verspricht eine lebhafte Auseinander- setzung. Das Thema Landkonflikte bildet auch den Schwer- Impressum punkt des vorliegenden Afrika-Bulletins. Die Beiträge zur umstrittenen Landreform in Zimbabwe (Joseph Han- lon), zum mühsamen Prozess der Geltendmachung Ausgabe 151 | August/September 2013 von Landforderungen in Südafrika (Olaf Zenker) und ISSN 1661-5603 der mit der Reform einhergehenden Transformations-

Das «Afrika-Bulletin» erscheint vierteljährlich im 38. Jahrgang. prozesse in Nordnamibia (Laura Weidmann und Romie Herausgeber: Afrika-Komitee, Basel, und Zentrum für Afrikastudien Basel Nghitevelekwa) sind zusammen mit dem einführen- Redaktionskommission: Veit Arlt, Susy Greuter, Elísio Macamo, den Artikel von Gregor Dobler als Vorbereitungslektü- Barbara Müller und Hans-Ulrich Stauffer re zur Tagung gedacht. Das Afrika-Komitee im Internet: www.afrikakomitee.ch Zum Schluss noch eine Mitteilung in eigener Sache: Das Zentrum für Afrikastudien im Internet: www.zasb.unibas.ch Die Jubiläumsausgabe «150 Hefte kritische Solidarität» Redaktionssekretariat: Beatrice Felber Rochat hat anerkennende Beachtung gefunden. Leser und Le- Afrika-Komitee: Postfach 1072, 4001 Basel, Schweiz Telefon (+41) 61·692 51 88 | Fax (+41) 61·269 80 50 serinnen haben gratuliert und reagiert. Das hat uns E-Mail Redaktionelles: [email protected] sehr gefreut und zur Weiterarbeit motiviert. Am 13. Juni E-Mail Abonnemente und Bestellungen: [email protected] wurde dieses Ereignis im Ausstellungsraum der Dru- Postcheck-Konto Basel: 40 -17754-3 ckerei Rumzeis an der Breisacherstrasse zusammen mit Für Überweisungen aus dem Ausland: in CHF: MigrosBank, IBAN CH95 0840 1016 1437 3770 7 dem Jubiläum 40 Jahre Afrika-Komitee gefeiert (Bericht in Euro: Postkonto, IBAN CH40 0900 0000 9139 8667 9 auf Seite 16). Gleichermassen als Jubiläumsgeschenk (Bic SwiftCode: POFICHBEXXX; Swiss Post, PostFinance, CH-3000 Bern) durften wir namhafte Beiträge von der Carl Schlettwein MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Veit Arlt (Red.), Julia Büchele, Pius Frey, und der Vitra Design Stiftung entgegennehmen, die Susy Greuter (Red.), Joseph Hanlon, Barbara Müller (Red.), Romie Nghitevelekwa, Hans-Ulrich Stauffer, Paul Sutermeister, Laura Weidmann, Olaf Zenker. uns zusammen mit Beiträgen von der Basis auch in Gestaltungskonzept: Zukunft die Herausgabe des Afrika-Bulletins ermögli- Druck: Rumzeis-Druck, Basel chen. Herzlichen Dank! • Inserate: Gemäss Tarif 5/99, Beilagen auf Anfrage Jahresabonnement: Fr. 30.–/Euro 25.– Barbara Müller Unterstützungsabonnement: Fr. 60.–/Euro 50.– Im Mitgliederbeitrag von Fr. 60.–/Euro 40.– ist das Abonnement enthalten. Redaktionsschluss Nummer 152: 30. September 2013 Schwerpunktthema: Guinea-Conakry. Schwerpunktthemen nächster Ausgaben: Soziale Bewegungen, Politische Partizipation und Demokratie, Religion und Politik, Verkehr, Wahrnehmung Afrikas. Interessenten an einer Mitarbeit sind eingeladen, mit der Redaktion Kontakt aufzunehmen. Unser Titelbild: Zufahrt zu einer südafrikanischen Farm. Land und Landkonflikte in Afrika Komplexe gesellschaftliche Fragestellungen

Nach klassischen Ansätzen der Geschichte und Ethnologie sollte Land in Afrika eigentlich kein Problem sein. Auf dem vorkolonial dünn besiedelten Kontinent, so heisst es, sei Land reichlicher vorhanden ge- wesen als Arbeitskraft. Dieses Bild hat sich heute gewandelt. Landkonflikte sind in den meisten Ländern Afrikas sehr präsent, und statt Arbeitskraft sind Arbeitsstellen zum knappen Gut geworden. Gregor Do- bler führt ins Thema ein.

Schon im vorkolonialen Afrika war der Eindruck, Vor diesem Hintergrund, ziehen sich drei grosse Kon- Schwerpunktthema dass Land reichlich vorhanden sei, oft falsch. Grosse fliktlinien durch die politischen Diskussionen: Teile des Kontinents waren dünn besiedelt, aber frucht- bares Land war gerade in trockeneren Gebieten häufig • Konflikte zwischen den heutigen InhaberInnen des 3 knapp. Um es nutzen zu können, musste oftmals die Landes und jenen, die konkurrierende Rechte auf Arbeit vieler Generationen investiert werden – in Ro- das Land geltend machen – sei es, weil sie oder ihre dung, Wasserinfrastruktur, Düngung und Bodenbil- Vorfahren enteignet oder vertrieben wurden, sei es, dung. Vor allem aber waren es Veränderungen in und weil die jetzigen LandnutzerInnen nicht ausreichend nach der Kolonialzeit, die Land zu einer knappen und am Verkauf oder an der Neuvergabe ihres Landes umkämpften Ressource gemacht haben. beteiligt werden. Am deutlichsten wird das in den ehemaligen Sied- • Konflikte zwischen zwei Zielen der Landverteilung: lerkolonien. Etwa in Südafrika, Zimbabwe oder Kenya ökonomische Produktivität oder gerechte Vertei- wurde die einheimische Bevölkerung mit Hilfe von oft lung. Dies soll freilich nicht unterstellen, dass un- fragwürdigen Verträgen, Enteignungen, siedlerfreund- gerecht verteiltes Land ökonomisch ertragreicher lichen Gesetzen und nackter Gewalt auf kleine und häu- sei. fig weniger fruchtbare Gebiete zusammengedrängt, • Konflikte zwischen ökonomischen und nicht primär während ein grosser Teil des Landes in die Hände eu- ökonomischen Nutzungsformen – etwa zwischen ropäischer und meist für den Markt produzierender Industrie und Wohnflächen in den Städten, oder FarmerInnen gelangte. Weniger radikal erfolgte die zwischen grossen Betrieben, KleinbäuerInnen und Landenteignung in den Plantagenwirtschaften West- abwesenden StadtbewohnerInnen auf dem Land. und Ostafrikas, doch auch dort führte die Kolonisie- rung zu einer Umverteilung des Landes und zu einem Ausdruck finden diese drei Konfliktlinien nicht nur radikalen Umbau der landwirtschaftlichen Strukturen. in einer wachsenden Zahl von Landkonflikten, die mit Die subsistenzorientierte kleinbäuerliche Wirt- politischen oder juristischen Mitteln ausgefochten wer- schaft, die Afrika lange geprägt hatte, kam auch durch den, sondern auch in zunehmenden Diskussionen um das starke Bevölkerungswachstum der letzten hun- die Rechtsform, die am besten Zugang zu Land gewähr- dert Jahre unter Druck. Zunehmend sind Importe oder leisten kann. Soll Land zu einem privaten, frei veräus- kapitalintensive Anbaumethoden notwendig geworden, serbaren Gut werden? Soll es im Gegenteil in Gemein- um die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versor- oder Staatsbesitz überführt werden? Was soll mit den gen. Da dies ein weltweites Problem ist, ist auch Afrika gemeinsamen Rechten an Land geschehen – der frei- ins Visier internationaler Unternehmen geraten, die für en Weide, der Allmendnutzung, der temporären Über- den Anbau von Lebens- und Futtermitteln oder Agro- lassung von Nutzungsrechten an einzelne Haushalte –, treibstoffen grosse Flächen aufkaufen. Den in diesem die gerade im ländlichen Bereich oft noch die Regel Bereich genannten Zahlen sollte man mit grösster sind? Skepsis begegnen, doch in einigen Ländern verstärken Solche Fragen sind kompliziert, und weder die voll- ausländische Investitionen in Grossfarmen die Land- ständige Ökonomisierung der Landnutzung noch eine knappheit bereits heute beträchtlich. Vernachlässigung ökonomischer Fragen können Lösun- Hinzu kommt, dass KleinbäuerInnen in vielen afri- gen bringen. Das zeigen auch die übrigen Beträge in kanischen Ländern längst nicht mehr die Bevölkerungs- diesem Heft. Der Streit um Land bleibt stets ein Streit mehrheit stellen. An die 40 Prozent der Menschen in um die Gesellschaft und um die Rolle, die Effizienz und Afrika leben in Städten; deren Wachstumsrate ist so Gerechtigkeit in ihr spielen sollen. • hoch wie auf keinem anderen Kontinent. Hier entste- hen neue Konflikte um Wohnraum und Landnutzung. Gleichzeitig verbrauchen die Städte mehr und mehr Boden, der nicht mehr für andere Nutzungsformen zur Verfügung steht. Die StädterInnen sind zwar oft auf die Lebensmittel angewiesen, die ihre Familien auf

dem Land produzieren, aber gleichzeitig beziehen sie Gregor Dobler ist Professor für Ethnologie in Freiburg/Breisgau und einen Grossteil ihrer Nahrungsmittel über den Markt. beschäftigt sich vor allem mit Themen der Wirtschaft und Politik Als KonsumentInnen ist ihnen billiges Getreide oft wich- Afrikas. Er kam über seine Forschungen im Norden Namibias zum Thema Land, das viele seiner dortigen Gastgeber umtreibt. Kontakt: tiger als die Verteilung des Grundbesitzes auf dem Land [email protected]. oder die Erwerbschancen von KleinbäuerInnen. Fast Track Landreform in Zimbabwe Überraschende Forschungsergebnisse weisen auf Erfolg hin

Zwölf Jahre nach dem Beginn der gewaltsamen Landbesetzungen in Zimbabwe befassen sich erste wis- senschaftliche Untersuchungen mit den Auswirkungen dieser umstrittenen Landreform. Die Befunde sind erstaunlich – zeigen sie doch, dass die neuen BäuerInnen ihre Chance wahrzunehmen wussten und heute trotz widriger Umstände gute Resultate erzielen. Die Schlussfolgerungen von Joseph Hanlon und seinem Team mögen provozierend erscheinen. Jedenfalls sind sie sehr anregend und wenn sie zutreffen, geht ihre Bedeutung über Zimbabwe hinaus.

Die Reaktionen auf die von uns veröffentlichten For- Während der ganzen 1960er und 1970er Jahre mo- schungsergebnisse zur Landreform in Zimbabwe fie- nierte die Regierung wiederholt, dass zu wenig Land 4 len sehr empört aus, denn sie lassen den Schluss zu, bebaut werde. Ende der 1970er Jahre wurden nur zwi- dass kleinbäuerliche Betriebe effizienter für den Markt schen 15 und 35 Prozent des bebaubaren «weissen» produzieren als mechanisierte Grossfarmen und des- Landes genutzt. Diese Zahlen stellen die Vergleichs- halb mehr zur Armutsreduktion beitragen. Dies hat in grösse dar: Nach zwei Jahrzehnten blieb der Grossteil Südafrika und Zimbabwe nicht allen gefallen. des Landes ungenutzt und die meisten weissen Farmen Sechstausend weisse Farmfamilien sind durch lebten von Subventionen. 245 000 Neusiedlerfamilien ersetzt worden. Dabei han- delt es sich in erster Linie um kleinbäuerliche Produ- Kaum Unterstützung zentInnen, aber nicht um reine Subsistenzbetriebe. Es für die neuen LandwirtInnen werden auch Arbeitskräfte eingestellt, und die Anzahl Die BesetzerInnen von 2000, die dem Modell der der Vollzeitbeschäftigten auf diesem Land ist von 1940er Jahre folgten und das Land einfach an sich nah- 250 000 auf eine Million gestiegen.1 Das Produktions- men, erhielten nicht dieselbe Unterstützung wie ihre volumen ist dabei, das Niveau der 1990er zu erreichen, weissen VorgängerInnen – keine Subventionen, kaum also der Zeit vor der Landreform. Kredite und nur gerade für Mais einen gesicherten Finanzminister Biti berichtet, dass 40 Prozent der Markt. Sie wurden jedoch durch den landwirtschaftli- Tabakproduktion und 49 Prozent der verkauften Mais- chen Beratungsdienst Agritex unterstützt, immer noch ernte von LandreformbäuerInnen stammt. Die Landre- einer der besten in der Region. form stellt also zumindest nicht die Katastrophe dar, Ohne Subventionen mussten sich die neuen Betrei- als die sie oft bezeichnet wird. Die neuen LandwirtIn- berInnen am eigenen Schopf hochziehen, mit sehr be- nen schlagen sich bereits fast so gut wie ihre weissen grenztem Investitionskapital aus der eigenen Familie VorgängerInnen, und sie erweitern und erhöhen ihre oder aus dem Verkauf von Vieh aus den Communal Produktion laufend. Areas. Dann kam die Hyperinflation – im Wesentlichen verursacht durch die zimbabwische Nationalbank, die Vergleich mit den weissen LandwirtInnen einfach Geld druckte. Die Einführung des Dollars im Um die LandreformbäuerInnen in einen Kontext zu Jahr 2009 brachte dramatische und schnelle Verbesse- stellen, ist es nützlich einen Blick auf die weissen Land- rungen für Zimbabwes Wirtschaft im Allgemeinen wie wirtInnen zu werfen, die sie ersetzten. Die meisten von auch für die neuen LandwirtInnen. Jetzt konnten sie ihre ihnen kamen nach dem zweiten Weltkrieg in den 1940er Ernte absetzen und die nötigen Zusätze kaufen. Es gab und 1950er Jahren ins Land. Um in den Besitz des Bo- wieder Abnahmeverträge, und neue Märkte eröffneten dens zu gelangen, vertrieben sie 100 000 Familien, die sich für den Export. dieses Land während Generationen bebaut hatten ge- Wie geht es den neuen LandwirtInnen heute, zwölf waltsam und ohne Entschädigung. Die neuen Landwir- Jahre nach den Besetzungen und vier Jahre nach der tInnen erhielten damals während zweier Jahre Ausbil- Einführung des Dollars? Unser kürzlich erschienenes dung und massive Unterstützung durch Forschung, Buch «Zimbabwe Takes Back its Land» fusst nicht nur Beratung, Marketing und, auf der Basis eines Gesetzes auf eigenen Feldforschungen, sondern auf einem über- aus dem Jahr 1926, für die gleichen Produkte höhere raschend breiten Fundus von neueren Forschungsar- Preise als schwarze BäuerInnen. Mitte der 1970er Jahre beiten, Berichten und Dissertationen. Unsere Schluss- entsprachen die Subventionen für weisse Farmen in folgerungen gleichen denjenigen anderer neuerer Stu- heutige Beträge umgerechnet 40 000 Franken pro Farm dien von Prosper Matondi und Ian Scoones und dessen und Jahr. Team. 2 Die Übernahme einer Farm ist ein langwieriger Pro- Die neuen BäuerInnen weisen ein ähnliches Spekt- zess. Mehr als zwei Jahrzehnte nachdem sie die Far- rum auf wie ihre weissen VorgängerInnen. Ein Drittel men übernommen hatten, waren Ende der 1970er Jah- von ihnen sind ernstzunehmende kommerzielle Land- re 30 Prozent der weissen LandwirtInnen zahlungsun- wirtInnen geworden. Sie bebauen im Schnitt sechs Hek- fähig. Nur gerade 40 Prozent der Farmen erzielten ge- taren und verdienen oft mehr als LehrerInnen und an- nügend Gewinn, um Steuern zahlen zu können. Zwar dere Staatsangestellte. Ein weiteres Drittel besteht aus waren einige Farmen ausserordentlich erfolgreich – vie- kleinen kommerziellen LandwirtInnen, denen es an le waren es jedoch nicht. So wurde die Hälfte aller Kapital mangelt. Dem letzten Drittel geht es gar nicht Steuern für die Saison 1975/76 von nur 271 Farmen gut. bezahlt. Fazit nach zwölf Jahren Landreform Wir schätzen, dass die neuen BetreiberInnen bedeu- tend mehr Land nutzen als ihre weissen VorgängerIn- nen; viele mussten zuvor nicht benutztes Land zuerst roden. Ein Blick auf Google Earth verdeutlicht, wie viel neues Farmland bebaut wird. Einige von ihnen produzieren bereits sechs bis acht Tonnen Mais pro Hektare – mehr als ihre VorgängerIn- nen – aber die meisten produzieren weniger. Schliess- lich setzen sie Familienangehörige als Arbeitskräfte ein und stellen sowohl Festangestellte wie Saisonarbeiter- Innen ein. Gemäss unseren Schätzungen sind heute eine Million Menschen ganzzeitlich auf diesem Land beschäftigt, verglichen mit 250 000 in der Zeit der weis- sen Farmer. Wie es die Geschichte der weissen LandwirtInnen gezeigt hat, braucht es eine Generation – also etwa 20 Jahre – um eine Farm aufzubauen und produktiv zu machen. Ihre NachfolgerInnen haben erst die Hälfte dieser Entwicklungsperiode hinter sich. Um die Land- Schulkinder passieren eine von Kriegs- reform von 2000 zu beurteilen, müssten wir deshalb veteranInnen besetzte Farm eine Voraussage machen, wie es diesen BäuerInnen im Zweitens: es trifft zu, dass die ZANU-Elite und ihre in Mashonaland East, kommenden Jahrzehnt gehen wird. Sie stellen bereits KumpanInnen Land an sich nahmen. Vorsichtige Schät- Zimbabwe (Bild: Odd Andersen/AFP, 20. 6. 2000). jetzt den dynamischsten Wirtschaftssektor des Lan- zungen suggerieren, dass dies etwa zehn Prozent der des dar. Das Produktionsvolumen hat das Niveau der Farmen ausmacht. Wir denken, dass die anderen 90 1990er zwar noch nicht erreicht, aber ein im Novem- Prozent relevant sind für die Beurteilung der Frage, ob ber 2012 veröffentlichter Bericht der Weltbank deutet die Landreform ein Erfolg oder ein Misserfolg war. darauf hin, dass nicht mehr viel dazu fehlt. Auch die Drittens: die BesetzerInnen waren Leute, die Land- Produktivität von Land und Arbeitskraft auf den neuen wirtschaft betreiben wollten. Die meisten von ihnen Farmen ist tiefer: Eine grössere Zahl Arbeitskräfte be- suchten keine Villen mit Umschwung oder Wochenend- baut eine grössere Fläche mit weniger Maschinen. Wer häuser, sondern Farmen. Sie waren eine selbstermäch- dies moniert, sollte bedenken, dass auf einem Konti- tigte Gruppe von Leuten, die dynamisch genug waren, nent, dem es so verzweifelt an Arbeitsplätzen fehlt, dies um das Land physisch zu besetzen, und es während die beste Art ist, der Armut entgegen zu treten. über einem Jahr unter unsicheren Verhältnissen zu hal- Unsere Einschätzung lautet also wie folgt: innerhalb ten. Im Endeffekt haben sie sich besser geschlagen, als des ersten Jahrzehnts produzieren die neuen Betreiber- wenn die Landzuteilung nach «fairen» Kriterien oder Innen auf mehr Land, mit mehr Arbeitskräften, weni- nach dem Zufallsprinzip erfolgt wäre. ger Maschinen und Zusätzen vergleichbar viel wie ihre Dies unterstreicht die Bedeutung dieses Vorgangs VorgängerInnen – in einem Jahrzehnt wird es noch als agrarische Reform, also als etwas, das über eine mehr sein. Dieses Resultat betrachten wir als Erfolg. Landreform hinausgeht. Es handelt sich nicht um eine Tony Hawkins und Sholto Cross teilen in ihrem Artikel Landübergabe, sondern um einen radikalen Wechsel «Zimbabwe’s inconvenient truth» (Cape Times, 24. Mai bei den landwirtschaftlichen Methoden. Die meisten 2013) diese Meinung nicht. Der Erfolg der Umsiedlung der BesetzerInnen sind keine SubsistenzbäuerInnen, in Zimbabwe könne nicht daran gemessen werden, wie sondern kleine kommerzielle LandwirtInnen, die Trak- viele Leute heute auf dem Land lebten. Da es bei einer toren und Viehzugkraft einsetzen, Hybridsaatgut und Landreform aber gerade darum geht, mehr Leuten Zu- Düngemittel verwenden und in erster Linie für den Joseph Hanlon ist gang zu Land zu verschaffen, scheinen Hawkins und Markt produzieren. Und sie reagieren schnell, wenn es (zusammen mit Jeannette Manjengwa und Teresa Cross im Vorneherein gegen Landreform eingestellt. darum geht, neue Pflanzen wie Soja anzupflanzen, Smart) der Verfasser von Abschliessend ist zu sagen: Wer sich vertieft mit der wenn ein Markt dafür auftaucht. «Zimbabwe Takes Back its Landreform befassen will, muss sich mit drei hoch- Ihr grösstes Hindernis ist das Fehlen von Kapital. Land» (Johannesburg 2013: Jacana). Hanlon ist zur Zeit emotionalen Umständen auseinandersetzen. Erstens: Ihr Wachstum beruht auf eigenen Anstrengungen, sie Gastwissenschaftler am die Landreform wurde gegen die ZANU-Elite und Ro- reinvestieren ihre Profite und warten nicht auf Beihil- Department of International bert Mugabe durchgeführt, nicht durch ihn. Frustrierte fen oder Subventionen. Würden sie im selben Umfang Development der London School of Economics. KriegsveteranInnen organisierten die Besetzungen – Unterstützung erhalten wie ihre weissen VorgängerIn- Kontakt: j.hanlon@open. zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Befreiungskrieges, nen vor fünf Jahrzehnten, gäbe es wohl einen Produk- ac.uk. Dieser Artikel wurde zuerst in der Cape Times in dem sie für die Rückgabe des Landes gekämpft hat- tionssprung, der zeigen würde, dass kleine kommerzi- publiziert. Übersetzung: ten – gegen den Willen der ZANU-Elite. Die Führung der elle Betriebe produktiver sein können als riesige me- Barbara Müller. ZANU realisierte erst später, dass die BesetzerInnen chanisierte Farmen. • nicht aufgeben würden, und dass sie einen grossen Wählerblock repräsentierten. Deshalb legalisierte sie 1 Schon vor dem Jahr 2000 lebten rund eine Million Menschen auf die Besetzungen im Nachhinein als Fast Track Landre- den weissen Farmen: die Familien der FarmarbeiterInnen. Meist war nur der Vater angestellt, und die Familienmitglieder (etwa drei form (Landreform auf der Überholspur). Viertel der Gesamtzahl) waren inaktiv. 2 Siehe auch den entsprechenden Artikel im Afrika Bulletin Nr. 142. Landreform in Südafrika Neuauflage der Landrückerstattung setzt falsche Akzente

Hundert Jahre nach dem Natives Land Act (1913) fassungswidrig erklärt, das in den ehemaligen «home- bleibt die Landreform im neuen Südafrika weit lands» Landrechte massiv in den Händen traditioneller Autoritäten konzentriert hätte. Im Hinblick auf die bei- hinter ihren Zielen zurück. Um dieses Defizit zu den anderen Reform-Säulen hat sich insbesondere das beseitigen, plant die ANC-Regierung die Neuer- Ziel einer Landumverteilung von 30 Prozent bis zum öffnung für Forderungen nach Landrückerstat- Jahr 2014 zu einem Indikator des Scheiterns entwickelt. Bis 2010 wurde durch Umverteilung 3,1 Millionen und tung, setzt damit aber die falschen Schwerpunk- durch Rückerstattung 2,6 Millionen Hektaren übertra- te, schreibt Olaf Zenker. gen (insgesamt 5,7 Millionen). Im Mai 2012 war es mit immerhin 7,95 Millionen Hektaren gleichwohl erst knapp ein Drittel der Zielvorgabe. Diese langsame Umverteilung wird allgemein auf 6 Südafrikas Landreform basiert auf drei Säulen: die die hohen Kosten zurückgeführt, die sich aus dem staat- Landumverteilung, die Landrückerstattung und die Re- lichen Landkauf bei explodierenden Marktpreisen er- form des Landrechts (tenure reform). Ziel der Umver- geben haben. Hier wird seit längerem eine Enteignung teilung ist es, vom landwirtschaftlich nutzbaren Land bei geringerer – oder gemäss den Forderungen des weisser LandeigentümerInnen 30 Prozent (24,6 Millio- Populisten Julius Malema: gänzlich ohne – Entschädi- nen Hektaren) an Schwarze zu übertragen, um die ex- gung gefordert. Darüber hinaus gelten zahlreiche um- trem asymmetrische Landverteilung auszugleichen. Da- verteilte oder rückerstattete Farmen als gescheiterte bei wurde bislang nach dem Prinzip «willing buyer, Projekte, bei denen aufgrund fehlenden Kapitals, Fach- willing seller» verfahren, bei dem der Staat weissen wissens und Marktzugangs sowie ungenügender staat- FarmerInnen Land zu Marktpreisen abkauft. Die Rück- licher Unterstützung Farmen degenerieren, die Begüns- erstattung entschädigt Opfer von rassistischen Land- tigten kaum einen Nutzen haben und zugleich die Nah- enteignungen seit dem Natives Land Act (1913), die rungsmittelsicherheit Südafrikas gefährdet wird. zwischen Land oder finanzieller Entschädigung wählen Um diesen Problemen zu begegnen, will die ANC- können. Die Rechtsreform versucht schliesslich, die Regierung eine Landschätzungs-Behörde sowie ein neu- Das Landrückerstattungs- Landnutzungsrechte von Nicht-EigentümerInnen zu es Enteignungsgesetz einführen. Dies soll Kosten sen- gericht in Johannesburg, in dem neben Landklagen verbessern. Dies betrifft einerseits den Schutz vor ken und die Verfahren beschleunigen. Zudem kündigte Landrechts-Streitigkeiten Zwangsräumungen; andererseits geht es um Land- Präsident Jacob Zuma in seiner diesjährigen Rede zur jeglicher Art verhandelt rechte in den ehemaligen «homelands». Lage der Nation an, dass das Verfahren zur Landrück- werden (Bild: Olaf Zenker 2010). erstattung neu eröffnet wird, so dass bis Ende 2018 er- neut Landklagen eingereicht werden können und zu- dem für Khoisan-Gruppen auch Enteignungen vor 1913 berücksichtigt werden. Allerdings setzt diese Neuauf- lage angesichts der Besonderheiten der Landrücker- stattung und gemessen an den Zielen der Landreform die falschen Akzente.

Rückerstattung als Mischform von Reform und Wiedergutmachung Im Unterschied zu den beiden anderen Säulen der Landreform stellt die Rückerstattung eine Mischform aus direkter Land- und allgemeiner Entschädigungs- politik dar. Im derzeitigen Rückerstattungsverfahren konnten bis Ende 1998 Einzel- oder Sammelklagen für Landenteignungen eingereicht werden, die sich nach 1913 zugetragen haben. Nachdem der Entscheidungs- prozess bezüglich der insgesamt 80 000 Klagen nur langsam in Gang kam, beschleunigte er sich unter Druck von Präsident Thabo Mbeki, so dass im März 2011 95 Prozent der eingereichten Klagen als abgeschlossen ge- meldet wurden. Allerdings bezogen sich mehr als 80 Prozent aller Klagen auf städtisches Gebiet, wo Land sehr oft nicht rückerstattet werden kann. Diese Tatsache und die ver- breitete Präferenz der KlägerInnen für finanzielle Kom- Gemessen an diesen Zielvorgaben fällt die derzei- pensation (die von der Behörde als schnelles Standard- tige Beurteilung der Landreform recht negativ aus. Be- Verfahren empfohlen wird) erklärt, warum bis Mai 2013 züglich der Landrechtsreform wurden zum Schutz vor 92 Prozent aller Klagen finanziell entschädigt wurden, Zwangsräumungen zwar diverse Gesetze erlassen, de- und der tatsächliche Beitrag für die Landumverteilung ren Umsetzung jedoch stark zu wünschen übrig lässt. via Rückerstattung mit bis dato knapp drei Millionen Daneben wurde 2010 das Gesetz über kommunale Hektaren sehr gering ausfällt. Landrechte (Communal Land Rights Act, 2004) für ver- Landreform in Südafrika Neuauflage der Landrückerstattung setzt falsche Akzente

Die beeindruckenden Statistiken der bereits ent- te den parallel erfolgenden Umverteilungsprozess, da schiedenen Landklagen verbergen zudem ein zentra- Land unter Klage nicht für die Umverteilung erworben les Problem: Angesichts leerer Ministeriumskassen la- werden kann. Gemäss Schätzungen sind immer noch gen zwar im März 2011 für 76 023 Klagen Entscheide mehr als 50 Prozent der Flächen in den landwirtschaft- vor, für den Abschluss von 18 297 davon fehlt jedoch auf lich zentralen Provinzen Mpumalanga und Limpopo Jahre hinaus das Geld. Angesichts der massiven Diskre- durch Rückerstattungsverfahren blockiert. Eine Neu- panz zwischen den budgetierten Mitteln und den enor- auflage der Rückerstattung wird dieses Problem lan- men Kosten sind verstärkt Forderungen nach Entschä- desweit massiv verschärfen. digung unter Marktwert laut geworden. Zu Recht wird Daneben besteht bei der Rückerstattung – anders

argumentiert, dass die in der Verfassung verankerte als bei der Umverteilung – ein individuelles Verfas- Schwerpunktthema Eigentumsklausel eine Reihe wichtiger Faktoren be- sungsrecht auf Entschädigung. Mit anderen Worten, der nennt, die verminderte Entschädigungen zulassen. Zu- Staat kann sich nicht aussuchen, wen er durch Rücker- dem mag die neue Landschätzungs-Behörde die Kos- stattung fördern will, und der Umfang der möglichen 7 ten ebenfalls etwas senken. Angesichts des gerichtlich Auflagen ist deutlich begrenzter. Wenn NutzniesserIn- einklagbaren Verfassungsrechtes auf faire Entschädi- nen der Umverteilung ihr Land nicht gemäss Auflage gung ist jedoch absehbar, dass die möglichen Einspa- nutzen, kann es ihnen entzogen werden. Im Fall der rungen nicht ausreichen werden. Meines Erachtens Rückerstattung ist dies bedeutend schwieriger. Wäh- liegt ein Hauptproblem darin, dass die ANC-Regierung rend die Rückerstattung tendenziell historisch Besser- regelmässig nicht mehr als ein Prozent des Jahresbud- gestellte unterstützt (d.h. Schwarze mit ehemaligen gets für den Landkauf bereitgestellt hat. Damit liegen Landrechten), kann die Umverteilung gezielt auch Land- die Gesamtausgaben für die Landreform seit 1994 nicht lose und Arme fördern. Insofern kann der Staat durch höher als z.B. das Jahresbudget für den öffentlichen Umverteilung viel fokussierter steuernd in die Land- Wohnungsbau. nutzung eingreifen und dadurch verschiedene Bedürf- Die populäre Idee, das finanzielle Ungleichgewicht nisse in der Agrarproduktion bedienen – und nicht durch Senkung der Landkosten zu beseitigen, verfehlt zuletzt auch besser zwischen KleinbäuerInnen und das gewünschte Ziel nicht nur rechnerisch, sondern pro- kommerzieller Produktion differenzieren. duziert zudem eine Reihe von Nebenwirkungen: Ers- Vor diesem Hintergrund, so scheint mir, wäre es tens können Farmer, die deutlich weniger als den Markt- besser (gewesen), beim früheren Ziel eines schnellen preis erhalten, anschliessend keine vergleichbare Farm Abschlusses der Rückerstattung zugunsten der Um- kaufen und weiter Landwirtschaft betreiben, was die verteilung zu bleiben. Nun steht zu befürchten, dass Nahrungsmittelproduktion weiter reduziert. Zweitens sich weitere enorme Kosten, rechtliche Komplikatio- wird dadurch das Recht auf faire Entschädigung prin- nen und massive Verzögerungen bei der Lösung der zipiell in Frage gestellt. Dies öffnet Tür und Tor für um- alten und neuen Klagen ergeben. Dabei ist erneut eher fassende staatliche Enteignungen, die nicht mehr nur mit finanziellen Entschädigungen als mit vermehrter weisse Landeigentümer sondern zukünftig auch die Umverteilung von Land zu rechnen, so dass diese Neu- schwarzen NutzniesserInnen der Landreform betreffen auflage der Rückerstattung wiederum nur unwesent- könnten. Zum Beispiel ist nicht klar, welche Entschädi- lich zum Ziel einer 30-prozentigen Umverteilung bei- gungen Rückerstattungs-Begünstigte erwarten dürfen, tragen wird. Zudem wird die eigentliche Umverteilung wenn ihr Land Gegenstand neuer Landklagen werden durch neue Landklagen weiterhin auf Jahrzehnte hin- sollte. Drittens erscheint es moralisch fragwürdig, in- aus blockiert werden, was ironischerweise die Umver- dividuelle weisse LandbesitzerInnen die Hauptkosten teilung insgesamt verlangsamen wird. für die Rückerstattung tragen zu lassen. Schliesslich Die ANC-Regierung täte besser daran, am hart er- nützte die koloniale Landpolitik nicht allein der weis- kämpften Schutz des Eigentums aller BürgerInnen Süd- sen Landwirtschaft, sondern der kapitalistischen Aus- afrikas festzuhalten und stattdessen die Gesamtgesell- beutung billiger Arbeitskräfte insgesamt. Insofern er- schaft durch progressive Besteuerung noch stärker an scheint es gerechter und effizienter, einerseits ein deut- den Kosten der Landreform zu beteiligen, eine diversi- lich höheres Budget für die Landreform bereitzustellen fizierte Landumverteilung und eine wieder stärker pro- und andererseits die Gesamtgesellschaft durch eine tektionistische Agrarpolitik zu betreiben und viel of- zweckgebundene progressive Landreformsteuer zu- fensiver die neben Schwächen auch vorhandenen be- sätzlich an den Kosten zu beteiligen. achtlichen Erfolge der Landreform hervorzuheben. Die Marke einer 30-prozentigen Umverteilung bildet eine Falsche Akzente durch sinnvolle Orientierung, aber sie eignet sich letztlich neuaufgelegte Landrückerstattung nicht als primäres Evaluationskriterium für eine erfolg- Lange Zeit begegnete die ANC-Regierung den For- reiche Landreform, die den Realitäten einer urbanisier- derungen nach einer Neueröffnung für Rückerstat- ten, in ihren Einkommensformen stark diversifizierten tungsbegehren auch für die Zeit vor 1913 mit offener und sozial wie ökonomisch weiterhin sehr ungleichen Ablehnung, indem sie auf deren enorme Kosten und Gesellschaft gerecht werden muss. • die Gefahr ethnisierter Landkonflikte hinwies. Stattdes- sen wurde eine schnelle Beendigung des Rückerstat- tungsprozesses angestrebt, um sich ganz der Umver- teilung widmen zu können. Diese nun aufgegebene Olaf Zenker ist Ambizione Research Fellow (SNF) am Institut für Sozialanthropologie an der Universität Bern. Der vorliegende Artikel Position hatte ihre Vorteile. Denn ungelöste Rücker- beruht auf den Forschungen für seine Habilitationsschrift. Kontakt: stattungsklagen blockier(t)en für Jahre und Jahrzehn- [email protected]. Namibia – eine weitreichende Landfrage Traditionelle Autoritäten verlieren an Macht

Trotz eines aufwändigen Prozesses politischer Wiedergutmachung und Schutzmassnahmen bezüglich des Kommunallandes hinterlässt die steigende staatliche Intervention in Zentral-Nordnamibia unwider- rufliche Spuren: Sie bringt neue Hierarchien und Gerechtigkeitsprinzipien, eine verstärkte Individuali- sierung und zunehmenden Wettbewerb. Die Kommunikation zwischen dem Norden und Windhoek ist schwierig, berichten Laura Weidmann und Romie Nghitevelekwa aus ihrer Forschung.

Während einer über 100 Jahre dauernden Fremdherr- Obwohl die kommunalen Gebiete einen markant schaft verdrängten die südafrikanischen und deutschen grösseren Teil der Bevölkerung beherbergen, drohen BesatzerInnen die einheimische Bevölkerung mit allen sie in der Berichterstattung neben den kommerziellen 8 Mitteln in marginale Gebiete des Landes. Es wurde ein Gebieten unterzugehen. Die Landreform für kommu- duales Landrechtssystem eingeführt, in dem kommu- nale Gebiete regelt ein spezieller Gesetzesartikel, der nale und kommerzielle Gebiete in vielerlei Hinsicht Communal Land Reform Act (CLRA). Dieser soll tradi- auch gesetzlich voneinander getrennt wurden. tionelle Landnutzungsrechte gesetzlich schützen und Dementsprechend stand die Landfrage im Zentrum allen BürgerInnen Zugang zu Land gewähren. der Befreiungsbewegung. Unmittelbar nach der Unab- hängigkeitserklärung, lancierte die neue Regierung Der Staat greift in die lokale Politik ein breit abgestützte Konsultationsprozesse zu den Modali- Seit dem Inkrafttreten des Communal Land Reform täten einer Landreform. Um einerseits die Entwicklung Act rollt eine langsame aber stetige Welle der Verände- der kommerziellen Landwirtschaft nicht zu bremsen, rung über Zentral-Nordnamibia – das Gebiet mit dem und andererseits die früheren Homelands nicht in di- meisten Kommunalland in Namibia. rekte Konkurrenz mit profitablen Grossfarmen zu stel- Vor der Landreform war die Lokalpolitik des zentra- len, wurde bald klar, dass auch weiterhin eine duale len Nordens von traditionellen Autoritäten bestimmt, Lösung angestrebt werden musste. Schliesslich wur- die noch heute in hierarchisch abgestufter Form exis- den zwei Hauptziele der Reform formuliert: Landrech- tieren: Vom jeweiligen Oberhaupt (Paramount Chief, te im kommerziellen Agrarland werden nach dem Prin- KönigIn) traditioneller Gebiete über die Senior Head- zip «willing seller – willing buyer» umverteilt, während men (die jeweils ungefähr 40 Dörfern vorstehen) bis das Kommunalland in Staatsbesitz bleibt und über ein zu den Dorf-Oberhäuptern (Headmen) und ihren Bera- Geflecht aus traditionellen und staatlichen Kanälen in terInnen. Die Ernennung zu solchen Ämtern findet von Form von Nutzungsrechten (zu Subsistenzzwecken) an oben nach unten statt – also nicht nach dem zuneh- die Bevölkerung überschrieben wird. mend propagierten demokratischen Prinzip. Innerhalb unseres Forschungsgebietes liegen die Dörfer gegen- wärtig jeweils in der Hand der Nachfahren ihres Grün- ders, also des ersten Headmans des Dorfes. Nachdem ein neuer Headman sein Amt angetreten hat, ist er ver- pflichtet, eine symbolische Abgabe an die nächsthö- here Instanz zu entrichten. Je nach Grösse des Dorfes und der Anzahl Haushalte kostet dies einen Headman zwischen sechs und zehn Kühe, einen Senior Headman leicht das Doppelte. Landrechte wurden bislang vom jeweiligen Head- Die geographische Ver- man eines Dorfes der antragsstellenden Person zuge- teilung von Kommunal- und sprochen und die Grenzen der Parzelle mündlich mit- kommerziellem Land sagt viel über Namibias geteilt. Die Gültigkeit des Nutzungsrechts sowie die Kolonialgeschichte aus. Ein exakte Lage und Grösse der Parzelle waren fortan vom Zaun trennte ab Ende des Willen und der Erinnerung der unmittelbar Beteiligten 19. Jahrhunderts die Siedlergebiete im Süden ab abhängig. (Karte: Laura Weidmann Die Landreform zielt nun darauf ab, diese Nutzungs- 2013). rechte zu formalisieren und in eine «offizielle» Nut- zungsurkunde zu übersetzen. Die Regierung, so ist anzunehmen, hat unterschiedliche Motivationen, die Beziehung zwischen Land und LandnutzerInnen zu Ein signifikanter Anteil der Reformbemühungen dokumentieren. Explizit nimmt sie so ihre Verantwor- zielte auf die kommerziellen Gebiete ab, wo das Bild tungen gegenüber der im zentralen Norden lebenden der Ungleichheit jedoch bis heute gut sichtbar ist. Die- Bevölkerung wahr, um sie ins staatliche Regelwerk zu ses zeigt allerdings auch den flächenmässigen Erfolg integrieren und ihr rechtliche und soziale Garantien der Umverteilung in einiger Deutlichkeit. Nicht-staatli- zukommen zu lassen. Eine dieser Garantien umfasst che Medien kritisieren dieses Erfolgsbild allerdings ve- Zugang zu Land ohne Diskriminierung aufgrund von hement, denn «die kommerzielle Landreform sei durch- Geschlecht oder sozialer Beziehungen innerhalb eines setzt von Vetternwirtschaft, Korruption und der Um- Dorfes. Dahinter steht das mit der Verfassung und in- siedlung der neureichen, gut vernetzten Beamten» (The ternationalen Menschenrechten abgestimmte Verständ- Namibian, 25. 6. 2013). Namibia – eine weitreichende Landfrage Traditionelle Autoritäten verlieren an Macht

nis von Chancengleichheit. Dieses steht teilweise in grundlegendem Gegensatz zu traditionellen Prinzipien. Voraussetzung für die formelle Registrierung eines kommunalen Landrechts ist, dass das Land für den nicht-kommerziellen Anbau von Getreide oder als Wohn- fläche genutzt wird und die Landzuteilung durch eine traditionelle Autorität belegt sein muss. Das persönli- che Abkommen zwischen Headman und Familienober- haupt wird also neu durch einen formellen schriftlichen Vertrag ergänzt, der eine hauptberechtigte Person, so- wie die von ihr genannten nächsten ErbInnen mit den Koordinaten der Parzelle verbindet. Dieser juristische Vertrag führt – wahrscheinlich unbeabsichtigt – zu ei- ner zunehmenden Individualisierung der Landnut- zungsrechte. Dadurch wird die Wahrnehmung von Iden- tität und Gemeinschaft, welche über die Beziehung zum Land hinausgeht, tiefgreifend verändert.

Formalisierung bewirkt Kämpfe um Macht, Geld und Identität Obwohl viel investiert wurde um eine klare Macht- aufteilung zwischen den staatlichen und den traditio- nellen Institutionen zu definieren (unter anderem mit Andreas Juuso mit der dem Traditional Authorities Act), bleiben einige Lücken Urkunde, die sein Recht auf 5,8 Hektaren kommunalen und Widersprüche in der Umsetzung bestehen. Dies doch um ihr Einkommen, da der symbolische Preis, der Landes in Omunyekadi im hat zur Folge, dass Machtverhältnisse auf regionaler, mit einer Landvergabe verknüpft war, nun gesetzlich Distrikt Eudaneko belegt lokaler und individueller Ebene ständig neu ausgehan- begrenzt ist. Durch das staatliche Erbschaftsrecht fällt (Bild: Laura Weidmann, 2013). delt werden müssen. zusätzlich auch jene Zahlung weg, die die Hinterblie- Die Communal Land Boards (CLBs) sind ein sicht- benen entrichten mussten, wenn sie das Land von Ver- bares Beispiel für staatliches Eingreifen in die lokale storbenen weiternutzen wollten. Eine der Folge-Strate- Machtstruktur. Die Etablierung der CLBs ist gesetzlich gien ist nun, dass Headmen Land an die Höchstbieten- verankert und wird vom Ministerium finanziert. Die re- den «verkaufen», und so der soziale Wert des Landes gionalen ExpertInnen treffen sich monatlich um über dem finanziellen untergeordnet wird. die Registrierungsanträge zu entscheiden. Während also die Formalisierung unter anderem Diese neue Institution verändert die lokale politi- verbesserten Rechtsschutz für Landnutzungsrechte sche Landschaft: Sie ergibt eine Machtverschiebung verspricht, bringt sie viele neue Unsicherheitsfaktoren von den Headmen, die bisher das letzte Wort bei der mit sich: erhöhte Nachfrage nach Land, neue Dynami- Landrechtsvergabe hatten, hin zu den von der Regie- ken in lokalen Machtstrukturen und eine staatlich be- rung ermächtigten CLBs. Ausserdem lässt die unglei- günstigte Individualisierung, welche lokale traditionelle che Verteilung von Wissen um die Landreform und ihre Rechte und Pflichten und gemeinschaftliche Werte ins Schlupflöcher, parallel zu den traditionellen Eliten neue Abseits drängt. Diese Faktoren zeigen auf, dass die lokale Eliten entstehen. Auch bietet das CLB eine neue quantitative Erfolgsmessung der Landreform Namibi- gerichtliche Instanz, die die Loyalität der Gemeinden as mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen ist. • zu ihren traditionellen Autoritäten gefährden kann. Die- se Faktoren bewirken, dass die Macht und das Ansehen der regierungsnahen Institution auf Kosten der traditio- nellen EntscheidungsträgerInnen steigen.

Wettbewerb und Individualisierung Interviews mit Headmen innerhalb unseres For- schungsgebiets haben gezeigt, dass die Formalisierung in einen verstärkten Wettbewerb um Land mündet. Denn obwohl die staatlichen Zertifikate offiziell keinen endgültigen Charakter haben, ergibt sich aus der Lang- wierigkeit des Prozesses eine gewisse Endgültigkeit der

formalisierten Landnutzungsrechte, was den Druck Romie Nghitevelekwa (Universität Freiburg i.Br.) und Laura auf die Landvergabe massgeblich erhöht. Weidmann (Université de Fribourg) sind Doktorierende im Die lokalen AkteurInnen reagieren unterschiedlich Forschungsprojekt «Communal Land Reform - Implications of Land Registration in North-Central Namibia». Das vom Schweizerischen auf den verstärkten Wettbewerb um Land: In einem Nationalfonds geförderte Projekt läuft von November 2012 bis Dorf empfahl der Headman den BewohnerInnen, ihre Oktober 2015 und verfolgt die Landregistrierung in Namibia und ihre Auswirkungen mit einem interdisziplinären Ansatz. Landparzellen zu unterteilen und an die Kinder zu «über- Kontakt: [email protected], schreiben» bevor der Formalisierungsprozess das Dorf [email protected]. erreiche. In anderen Fällen fürchten die Headmen je- Afrika in Kürze

Wirtschaft

Schuldenquote gesunken Brasilien propagiert Gipfeltreffen der BRICS Während in den letzten Jahren Schuldenerlass Erstmals trafen sich in Durban die krisenhafte Entwicklungen und Kaum zwei Monate nach dem BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indi- verschuldete Staaten die Medien BRICS-Gipfeltreffen in Durban kündigt en, China und Südafrika) unter sich – dominierten, zeichnet sich im Schatten die brasilianische Präsidentin anläss- die (noch) mächtigere Allianz der dieser Berichterstattung eine erstaun- lich ihrer Teilnahme an der Jubiläums- stärksten Wirtschaftsnationen (G8, liche und hoffnungsvolle Entwicklung feier der Afrikanischen Union an, dass G20) blieb aussen vor. AfrikanerInnen für afrikanische Staaten ab: Wie sich Brasilien eine weitgehende Schulden- sahen diese Manifestation gemein- 10 zeigt, sind diese heute gemessen am streichung zugunsten afrikanischer samer Interessen allerdings auch aus Bruttoinlandprodukt weit weniger Staaten von 900 Millionen USD einer anderen Perspektive als die der verschuldet als Industrienationen. Die insgesamt vornehmen wird. Nutz- blossen Konkurrenz: Sie verglichen die Verschuldung der grossen Industrie- niesser werden vor allem die gegen- Konferenz mit jener von Berlin 1885 nationen in der G7 betrug im Jahr 2000 über Brasilien am meisten verschulde- und fragten sich offensichtlich, ob hier 77 Prozent des Bruttoinlandprodukts. ten Staaten Congo-Brazzaville, nicht erneut Afrika als Einflusssphäre Heute liegt die Verschuldung der Tanzania und sein. Kommen- verhandelt wurde. Die Berliner G7-Staaten bei 124 Prozent (in der tatorInnen sehen darin nicht nur Konferenz verhandelte die Aufteilung Euro-Zone 95 Prozent), also bei über Süd-Süd-Solidarität, sondern auch des Kontinents gemäss den Kolonial- einer Jahresproduktion der Staaten. einen Werbefeldzug des rohstoff- interessen der hauptsächlichen In den Ländern südlich der Sahara hungrigen Brasiliens, der dessen europäischen Mächte. Da zumindest lag die Schuldenquote 2008 bei tiefen Chancen für lukrative Investitions- vier der BRICS (mit Ausnahme Russ- 29 Prozent und liegt heute bei 34 geschäfte im Extraktionssektor lands) bereits heftig in vielen afrikani- Prozent – idyllische Zahlen im Vergleich verbessern soll. • schen Wirtschaftsprojekten involviert zu den Industriestaaten! Sie basieren sind – vom «Landgrabbing» über auf den vor Jahren durchgeführten Heiss umstrittene Wasserrechte Minenkonzessionen bis zur Erdöl- Entschuldungsprogrammen und Bislang vier der Anrainerstaaten extraktion – wurde mit dem Slogan Schuldenschnitten. Diese Schulden- des oberen Nillaufes haben ein «Don’t carve up Africa!» (Keine erlasse führten dazu, dass die hohen Abkommen zur Neuverteilung von Aufteilung Afrikas!) vor der Konferenz- Schuldendienste (Rückzahlungen und dessen Wassermassen beschlossen. halle demonstriert. Entgegen den Zinsendienste) weitgehend weggefallen Drei weitere Staaten könnten sich Regierungen schätzen die Protestieren- sind. Offensichtlich können afrikani- diesem noch anschliessen. Ägypten den die wachsende Einflussnahme sche Staaten heute mit ihren Ein- und Sudan, die zusammen von einer und Aquisitionspolitik der BRICS nahmen weitgehend ein ausgegliche- kolonialen Zuteilung von 90 Prozent bezüglich afrikanischer Ressourcen als nes Budget bestreiten. Die leichte des Wassers profitieren, erkennen nicht weniger neo-kolonial intendiert Zunahme in den letzten Jahren wird diese Ansprüche nicht an und ver- ein, als jene der notorischen «Schutz- auf die Auswirkungen der Weltwirt- schleppen entsprechende Verhand- mächte». schaftskrise zurückgeführt. lungen seit über zehn Jahren. Ägypten Die Konkurrenzposition der BRICS Eine hohe Verschuldungsquote hatte Äthiopien, das mit der Errichtung gegenüber G8 und G20 wurde an der weisen die Kapverdischen Inseln und eines 6000 Megawatt-Stauwerkes Konferenz durch die Absichtserklärung die Seychellen (je rund 80 Prozent) und bereits Tatsachen schafft, schon häufig zur Gründung einer BRICS-Entwick- Gambia (65 Prozent) auf, wobei in Krieg um die Wasserrechte angedroht. lungsbank unterstrichen – in Parallele diesen drei Fällen die Aussenverschul- «Ohne eine gegenseitig akzeptierte zu Weltbank und Internationalem dung je rund zwei Drittel ausmacht, Zusammenarbeit kann es keinen Währungsfonds, die ihre Kredite meist der Rest sind Inlandschulden. In São Frieden geben», äusserte sich der entlang der Interessen des westlichen Tomé und Principe beträgt die Aussen- zuständige kenyanische Minister. • Blocks orientieren. Mit einer Basis von schuld 55 Prozent; eine Inlandschuld insgesammt über vier Trillionen besteht nicht (was bedeutet, dass kein Dollar-Währungsreserven (davon über inländisches Kapital investiert ist). 50 Prozent chinesische), hat das Am unteren Ende der Verschuldung Projekt durchaus Potential. Auch wenn liegen Äquatorialguinea und Liberia dies erst eine Absichtserklärung war, (je etwa 12 Prozent). Die tiefsten könnte die Konferenz damit tatsächlich Aussenverschuldungen weisen Nigeria, ein Drehpunkt in der Weltgeschichte Botswana und Südafrika auf (je werden in Analogie zur Berliner weniger als fünf Prozent). Von der Konferenz. • Kreditwürdigkeit her sind somit zahlreiche afrikanische Staaten interessante Investitionsfelder. Dem stehen leider ungenügende Rechts- sicherheit, Ineffizienz und mangelnde Infrastruktur entgegen. • Guinea-Bissau West-Sahara Südafrika

Rauschgift-Drehscheibe Erweiterung der Parteigründung einer bewährten Teile der kolumbianischen Kokain- UN-Mission abgelehnt Anti-Apartheid-Kämpferin Produktion werden über Venezuela Aufgrund von Marokkos Protest Schon im Februar als politische nach Guinea-Bissau gebracht und von und den Gegenstimmen Frankreichs Plattform angekündigt, deklarierte die dort Richtung Europa weiter ge- und Russlands hat sich der Weltsicher- eminente Anti-Apartheid-Kämpferin

schleust. Seit langem ist bekannt, dass heitsrat am 25. April gegen eine der Black Consciousness Bewegung, Afrika in Kürze die oberste Militärführung des maus- Erweiterung des Mandats der UN- Ärztin und spätere Weltbank Direktorin armen westafrikanischen Kleinstaates Mission in der West-Sahara entschieden. Mamphela Ramphele am 22. Juni die Guinea-Bissau in den Kokainhandel Die USA hatten vorgeschlagen, auch Gründung einer neuen Partei. AGANG, 11 involviert ist und beispielsweise den den Schutz der Menschenrechte der der Name der neuen Partei, heisst Flughafen von Bissau für Lieferungen Sahraouis gegen willkürliche Verhaf- «Bauen». Ramphele will den südafrika- aus Venezuela zur Verfügung stellt. tungen, Folter und Vertreibung ins nischen BürgerInnen wieder Hoffnung Ein Deal ist nun geplatzt: Als Gegen- Pflichtenheft der MINURSO einzuschrei- geben und kritisiert, dass dem ANC leistung für eine Kokainlieferung ben. Die Drohung Marokkos, die die Führung der Wirtschaft nicht mehr vermittelte der Chef des Generalstabes geplanten gemeinsamen Militär- anvertraut werden könne. Korruptions- von Guinea-Bissau, Antonio Indjai, manöver abzublasen und Frankreichs bekämpfung und bessere Bildungs- Waffenlieferungen aus der Ukraine an Support für seinen Klienten, der möglichkeiten sollen die wichtigsten die kolumbianische Narco-Guerilla. Für Überflugsrechte beim Eingriff in den Ziele werden. Dr. Ramphele erklärte die Besprechung der Abwicklung nord-malischen Unruheherd gewährt gleichzeitig, dass sie 2014 für die wurde ein Treffen auf einem Schiff hatte, liessen die USA den Vorschlag Präsidentschaft kandidieren wird: «Ich offshore vereinbart. Dort schlug die zurückziehen. Lediglich die zahnlose bin die Brücke zwischen Altem und amerikanische Drogenabwehrbehörde Überwachung, die MINURSO seit 22 Neuem. Die SüdafrikanerInnen sind 19 DEA zu und verhaftete General Indjai Jahren ohne irgendwelche Fortschritte Jahre lang betrogen worden – sie und seine Entourage. In den USA soll ausführt, wurde verlängert. Die wollen nicht ein Jahr länger warten!» ihm nun der Prozess gemacht werden. Sahraouis demonstrierten vor und Politische BeobachterInnen sind sich Nebst Guinea-Bissau werden im nach der Sitzung des Weltsicherheits- uneins über die Chancen der neuen Übrigen auch Gambia, Guinea-Conakry, rates über Tage und Wochen in El Ajun. Partei. Andere Neugründungen Sierra Leone, Ghana, Togo, Benin und Dank der Anwesenheit einer grossen kollabierten nach hoffnungsvollem Nigeria als Eingangstore für kolumbia- journalistischen Delegation der USA Start innert weniger Jahre. Allianzen nisches Kokain benutzt, von wo es und Grossbritanniens hielt sich die mit anderen Parteien, z.B. der Demo- dann über den See- oder Luftweg und marokkanische Polizei soweit zurück, kratischen Allianz, könnten die junge auch über die Sahararoute nach Europa dass am 4. Mai die grösste Demonstra- Bewegung als zu Weissen- und geschleust wird. Auf letzterer sind tion seit 1975 zustande kam: Tausende Business-freundlich erscheinen lassen. mehrere bewaffnete Gruppierungen zogen friedlich über den zentralen Erzbischof Desmond Tutu aber stellt aktiv, die teilweise auch einen islamis- Boulevard, von den Dächern wehte die Ramphele ein glänzendes Zeugnis tischen Hintergrund haben. • schwarz-rot-grüne Fahne der West- aus und deklariert öffentlich, dass er Quelle: Jeune Afrique, 2729-2730/2013. Sahara. • nicht mehr für den ANC stimmen wird. •

Zusammengestellt von Susy Greuter und Hans-Ulrich Stauffer. Afrikanische Union «Der Vergleich mit der EU hinkt immer»

In der Berichterstattung zum 50-jährigen Jubiläum der Afrikanischen Union im Mai dieses Jahres wurde immer wieder der Vergleich mit der Europäischen Union gezogen. Doch zu verschieden sind die aus der Montan-Union gewachsenen Strukturen und das politische Anliegen des afrikanischen Verbunds. Reto Wäckerli vom Landboten führte ein Interview mit Elisio Macamo, das wir hier mit freundlicher Genehmi- gung abdrucken.

Reto Wäckerli: Die Afrikanische Union und ihre Negative Schlagzeilen machte die Union auch Vorgängerorganisationen wollte dem Kontinent damit, dass der ehemalige libysche Machthaber Frieden und Wohlstand bringen. Doch Kriege und Muammar al-Gaddafi einer ihrer Wortführer war. Hunger dominieren die Schlagzeilen über Afrika. Der afrikanische Kontinent ist sehr vielfältig und hat 12 Die Organisation ist offensichtlich gescheitert. sehr verschiedene politische Systeme. Es ist beachtlich, Elísio Macamo: Diese Sichtweise ist zwar nicht völ- dass eine Zusammenarbeit überhaupt möglich ist. Gad- lig falsch, doch der Fokus stimmt nicht: Als die Organi- dafi profitierte davon, dass er über etwas verfügte, was sation vor 50 Jahren gegründet wurde, ging es nicht in den meisten anderen afrikanischen Ländern fehlt: Geld. erster Linie um Frieden und Prosperität. Das Hauptziel Er konnte sich Einfluss kaufen – und nutzte die Afrika- war, dass der Kontinent nach der Kolonialzeit eine eige- nische Union als Plattform für seine Interessen. ne Identität entwickelt und dass jene Länder, die noch kolonial beherrscht waren, unabhängig werden. Das Die Afrikanische Union hat sich ähnliche Struk- ist erreicht worden. turen wie die EU gegeben – mit einem Parlament, einem Gerichtshof, einer Zentralbank usw. Gibt es eine Identität, die sich über Ich halte den Vergleich mit der EU für nicht sinnvoll, die so unterschiedlichen Länder erstreckt? und mir gefällt der Versuch nicht, die EU-Institutionen Ich denke schon. Der beste Beweis dafür ist die Tat- nachzuahmen. Der Vergleich wird immer hinken. Die sache, dass es die Organisation heute noch gibt. Es Voraussetzungen sind verschieden. Die EU entstand waren vor 50 Jahren äusserst schwierige Bedingungen, schrittweise aus einem Vertrag heraus, bei dem es um um einen solchen Verbund zu gründen. Und auch da- Kohle und Stahl ging. Die Vorgängerorganisation der nach folgten keine einfachen Jahrzehnte. Dass wir Af- Afrikanischen Union war hingegen von Anfang an eine rika in unterschiedliche Regionen unterteilen, ist zu- primär politische Institution, welche die Einheit als Ziel dem eine vergleichsweise neue Sichtweise – vor allem, hatte. Auch fehlen in Afrika die Voraussetzungen da- weil der Islam in Nordafrika politischer geworden ist für, dass wichtige Instrumente wie das Subsidiaritäts- und weil sich die Regionen wirtschaftlich unterschied- prinzip tatsächlich funktionieren. Dafür benötigt man lich entwickelt haben. gefestigte demokratische Strukturen, und die fehlen nun mal. Welche konkreten Erfolge konnte die Union seit ihrer Gründung erzielen? Also sind der Gerichtshof, das Parlament usw. Stichwort Frieden: Ein Ziel der Organisation war es, der Afrikanischen Union nur für die Kulisse? dass die Grenzen aus Kolonialzeiten respektiert wür- Sie haben natürlich schon eine gewisse normative den. Das gelang weitgehend. Es gab sehr wenige Krie- Funktion, geben also eine gewünschte Richtung vor. ge zwischen afrikanischen Ländern. Ausnahmen sind Aber sie sind zahnlos. die Konflikte etwa zwischen Mali und Burkina Faso so- wie Tanzania und Uganda. Die meisten bewaffneten Trotzdem sind die aktuellen Ziele der Union Konflikte spielten sich jedoch innerhalb von Staaten ab. ambitiös: So bald wie möglich soll aus ganz Afrika eine Freihandelszone werden, bis 2020 will Und sonst? sie sich eine eigene Währung geben. Es gingen wichtige Impulse von dieser Organisati- Das ist völlig unrealistisch. Wir müssen froh sein, on aus. Zum Beispiel gegen die Apartheid in Südafrika, wenn der heutige Status konsolidiert werden kann und zur Beilegung von innerstaatlichen Konflikten in Angola die vorhandenen Strukturen mit Inhalten gefüllt wer- und Mozambique. Ein anderes Beispiel war die soge- den können. Vieles wird von der wirtschaftlichen Ent- nannte NEPAD-Initiative, die vor gut zehn Jahren die wicklung abhängen. Nur wenn sich die Anzeichen für teilnehmenden Länder auf demokratische Prinzipien eine wirtschaftliche Verbesserung bewahrheiten, wer- und zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtete. den die Staaten offen dafür sein, die Zusammenarbeit Eine hervorragende Idee! zu vertiefen.

Und was gibt es auf der negativen Seite? Bei der Förderung des Wohlstands, die in den letz- ten Jahren ins Zentrum rückte, ist die Organisation bis- lang tatsächlich gescheitert. Diese Ziele wurden in ei- ner euphorischen Atmosphäre formuliert. Man dachte, mit der Proklamation der Ziele allein sei es getan. Wo sehen Sie Afrika und die Afrikanische Union in 50 Jahren? Ich bin optimistisch. Es gibt kein Gesetz, dass Afrika für immer arm bleiben muss. Und auch politisch gibt es positive Anzeichen: Die meisten Staaten haben heu- te von der Verfassung her demokratische Systeme, was vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Wie diese Demokratien funktionieren, ist dann eine andere Fra- ge. Auch nimmt die Zahl der Kriege stetig ab.

Wir dürfen also träumen, dass sich Afrika in den Union Afrikanische nächsten 50 Jahren zu einer prosperierenden Region entwickeln wird. Und es würde mich nicht überraschen, wenn die Afrikanische Union dann einer der wichtigs- 13 ten Ansprechpartner zum Beispiel der EU wäre. •

Der Soziologe Elísio Macamo ist Professor für Afrikastudien an der Universität Basel. Kontakt: [email protected], www.zasb.unibas.ch.

Die Afrikanische Union auf einen Blick

25. Mai 1963 Auf Initiative des ghanaischen Staatspräsidenten Kwame Nkrumah wird in Addis Abeba die Organisation für Afrikanische Einheit gegründet. 30 Staatsoberhäup- ter unterzeichnen die gemeinsame Charta, die die Blockfreiheit und das Recht auf Unabhängigkeit aller AfrikanerInnen hervorhebt. Sie einigen sich auf den Vor- schlag von Julius Nyerere, die kolonialen Grenzen gegenseitig zu anerkennen, ge- ben der Organisation aber keine Befugnis, in innere Angelegenheiten der Mitglied- staaten einzugreifen. 1960er Jahre Dies schwächt die Fähigkeit der jungen Organisation, auf die zahlreichen, meist von aussen angestossenen Staatsstreiche zu reagieren. Viele progressive Köpfe werden hinweggefegt, das Ziel der weiteren Vereinigung gerät ins Abseits. 1970–1990 Die OAU fordert unermüdlich die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien, Namibias und die Sanktionierung der Apartheid-Regimes von Zimbabwe und Süd- afrika. Dank ihr bleibt das Thema auf der Tagesordnung der UNO. Die West-Saha- ra wird als Mitglied aufgenommen, was 1984 den Austritt Marokkos zur Folge hat. Auch denunziert die OAU vor der Weltöffentlichkeit die Aktionen Südafrikas zur Destabilisierung der Frontline-Staaten. 1990er Jahre Die OAU nimmt eine Vermittlerrolle in den Bürgerkriegen von Liberia, Sierra Leone und Burundi ein und mandatiert Truppen aus Nigeria, resp. Südafrika für die Siche- rung von Friedensschlüssen, um diese Aufgabe später UN-Truppen zu überlassen. 1999 Angestossen durch den lybischen Staatspräsidenten Muammar al-Gaddafi sucht die OAU nach einem neuen Statut. 2001 Thabo Mbeki initiert ab 2000 im Dialog mit den G8-Staaten die Initiative «New Partnership for African Development» (NEPAD), die 2001 von einer knappen Mehr- heit der Mitgliedstaaten ratifiziert wird. Sie umfasst eine neue Politik im Verhält- nis zu den Weltwirtschaftsmächten und eine Strategie der Selbstverantwortung. Die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung und gute Regierungsführung rü- cken in den Vordergrund. Dafür wird die absolute Souveränität der einzelnen Mitglieder und das Prinzip der Nicht-Einmischung ausgehebelt. 2002 Auf diesen neuen Grundlagen wird die OAU durch eine erweiterte Organisation, die Afrikanische Union (AU) abgelöst mit einem panafrikanischen Parlament und einem Exekutivrat. Eine Reihe von Institutionen wird gebildet, wie der Peace-and- Security-Council, ein Nukleus für afrikanische Friedenstruppen, der African Court of Justice, und der African Peer Review Mechanism, der illegitime Regierungsmass- nahmen sanktioniert. Noch stecken diese Institutionen in den Anfängen, aber es sind Strukturen, die der gesellschaftlichen Entwicklung Afrikas Orientierung bieten. 2011 Nach der Aufnahme des Süd-Sudans zählt die OAU 54 Mitgliedstaaten. Literatur

Buchbesprechungen Film

Der Blick auf Afrika Kongo-Reader jb. Zwölf Beiträge zeigen aus hus. Kongo, das frühere Zaïre, verschiedenen kulturhistorischen schafft es immer wieder in die Perspektiven und anhand unter- Schlagzeilen der Medien. Bürger- schiedlicher Beispiele, wie Afrika krieg, Raubbau und Korruption in den drei deutschsprachigen scheinen endemisch zu sein. Und Ländern Schweiz, Österreich und dies in einem an Rohstoffen Deutschland von 1870 bis 1970 extrem gesegneten Land. gezeichnet wurde, wie diese Dieses Land und vor allem Bilder bis heute ihren Nieder- seine Menschen, deren Hoffnun- schlag im öffentlichen Diskurs gen und Träume, bringt uns finden und so die gängigen «Moyo! Der Morgen bricht an» Vorstellungen von Afrika prägen. näher. In diesem Band sind Die Eisenbahn Die Idee zu dieser Publikation Kurzgeschichten und Lyrik von als Motor der Entwicklung entstand im Rahmen der 2011 rund 50 Autorinnen und Autoren va. Das marode Eisenbahnnetz erstmals in der Schweiz gezeig- des Landes vereinigt. Die Texte Ghanas, das im 19. Jahrhundert ten und durch einen lokalen Teil streifen das tägliche Leben, zur Ausbeutung der Minen ergänzten Wanderausstellung die Geschichte, die Politik, die angelegt wurde, soll rehabilitiert, «Die Dritte Welt im Zweiten Gesellschaft und Kultur. ausgebaut und zu einem Motor Weltkrieg». Eine vielfach auf Texte von 50 VerfasserInnen für die Entwicklung Ghanas Deutschland bzw. Nationalstaa- fallen naturgemäss unterschied- werden. Dies ist die Vision von ten fokussierte Perspektive lich aus, doch bleibt die Lektüre Ebenezer Mireku, der 1988 an der wurde bewusst auf den gesamten kurzweilig und spannend. Wir Hochschule St. Gallen promovierte deutschen Sprachraum aus- lernen einen unbekannten Kongo und sich seither unermüdlich geweitet. Denn auch in Ländern kennen. • für die Umsetzung seines ohne eigene Kolonien erhielten ambitionierten und schwer zu Muepu Muamba (Hg.): Moyo! Der Morgen koloniale Stereotype Resonanz. bricht an, Stimmen aus dem Kongo. finanzierenden Projekts einsetzt. Eine postkoloniale Perspektive Frankfurt 2013 (Brandes und Apsel). Viel Sympathie schlägt ihm dabei ist der rote Faden, welcher sich aus der Schweiz entgegen, deren durch die einzelnen Beiträge effizientes Eisenbahnnetz das zieht. Trotz der Themenvielfalt, Projekt offensichtlich stimuliert die von Kinderbüchern über hat. Berichte von MissionarInnen, Take Off, der neueste Film des Spiel- und Dokumentarfilme Schweizer Regisseurs Bruno Moll sowie Völkerschauen und folgt der faszinierenden Biografie privaten Fotoalben bis zu von Ebenezer Mireku, die einer politischen Debatten reicht, wird Tellerwäscher-Karriere gleicht, die Publikation zu einem kohä- seinen Erfahrungen mit dem renten und lesenswerten Mosaik Eisenbahnprojekt und dokumen- von Afrikabildern im deutsch- tiert Begegnungen mit GhanaerIn- sprachigen Raum. Das Buch ist nen. Spezifisch interessieren ein gelungener Beitrag, die dabei Fragen zur Entwicklung, Konstruktion Europas durch den des Wachstums und des Fort- Blick auf ein imaginiertes Afrika schritts. Was stellen sich Men- zu entschlüsseln. Leider findet schen in Ghana unter Entwick- die bedeutende Rolle der lung vor? Was verstehen sie unter Wissenschaft im kolonialen Fortschritt? Welche Werte könnte Grossprojekt nur in der Einleitung eine solche Entwicklung bein- Erwähnung. • halten? Haben sie andere Vor- stellungen erfüllten Lebens als Manuel Menrath (Hg.): Afrika im Blick. Afrikabilder im deutschsprachigen Europa. die unseren, westlichen entwick- Zürich 2012 (Chronos). lungsorientierten? So wird der Film zum Porträt einer Gesell- schaft und eines Landes, das als Musterland in Westafrika gilt. •

Bruno Moll: Take Off. Bern 2013 (Mollfilm, im Vertrieb von Trigon-Film). Ab Oktober im Kino. www.trigon-film.org/de/movies/ Take_Off Musik

Neue CDs Bücher, Film, Musik

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Neue Musik aus Zimbabwe vom Band-Training bis hin zur The Black Spirits haben wir seit Mokoomba ist eine neue, Unterstützung von Tonträger- einiger Zeit nicht mehr viel junge Band um den charismati- Produktionen. So entstand denn gehört. Er ist seit den 1970er schen Sänger Mathias Muzaza auch das erste Mokoomba-Album Jahren im Geschäft und produ- und dem Klasse-Gitarristen Kwesaka. Bei einem Konzert in zierte unzählige Alben. Mtukudzi Trustworth Samende. Dieses Jahr Malawi wurde Manou Gallo auf pflegt einen unverkennbaren ist die Gruppe auf erfolgreicher die Band aufmerksam. Es folgte Shona-Stil, gemischt mit Pop und Tournee und trat auch am Festival ein viel beachteter Auftritt am Funk und einer ganz eigenen Afro Pfingsten auf. Gerade Festival of the Arts im Stimme. Nach dem Tod seines erschien ihr vielgelobtes Album Jahre 2010. Sohnes Sam im Jahre 2010 zog er Rising Tide, produziert von Mokoomba bieten eine tolle sich zurück. Nun ist er wieder der umtriebigen Bassistin Manou Mischung aus Spiritualität und da mit seinem neuen Album Gallo aus Côte d’Ivoire. Gallo aktuellen Themen. So fehlt das Sarawoga (Left alone), produziert ist bekannt durch Zap Mama und Thema HIV/AIDS auf der CD und eingespielt mit einer andere Frauenprojekte. Rising Tide (Yombe) ebensowenig reichhaltigen Band in Cape Town. Mokoomba zählt sechs wie das Totschweigen der vielen Praktisch alle Titel werden in Musiker aus der kleinen ethni- Suizide (Mwile). Weiter geht Sprachen des südlichen Afrikas Die Besprechung verfasste schen Gruppe der Tonga. Wer es um das vermeintliche Glück in vorgetragen. Trotz des allgegen- Pius Frey. aber meint, ihre Musik sei sehr der grossen Stadt und um wärtigen Tuku-Stils ist jedes Stück Bezugsadresse für CDs: stark von der Tonga Kultur Veränderungen von traditionellen mit feinen Instrumentierungen Buchhandlung Comedia, geprägt, irrt sich. Sicher gibt es Familenstrukturen. Aber auch gestaltet. Dies bereichert die Katharinengasse 20, Einflüsse, doch Mokoomba glänzt Liebeslieder haben ihren Platz. Musik auf eine gute Art. Leider ist 9004 St. Gallen. durch eine prächtige Mischung Von dieser Band mit ihrem diese CD bei uns nur über [email protected]. von Afro Salsa, Kongo Rumba, lebendigen und tanzbaren Sound Umwege erhältlich. Das engagier- www.comedia-sg.ch, mit Reggae und oft mehrstimmigen wird man noch einiges hören. te südafrikanische Label Sheer umfassendem Angebot Gesängen, beeinflusst vom Eine tolle Mischung. Music hat es noch nicht geschafft aktueller CDs mit Musik südlichen Afrika, aber auch Die meisten bei uns bekann- in Europa einen Vertrieb zu aus Afrika. Zentral- und Westafrika. Ihr Afro ten MusikerInnen aus Zimbabwe finden. • Fusion-Stil wurde von der kommen aus der Shona Kultur, Non-Profit Organisation Music der grössten ethnischen Gruppe Crossroads entdeckt und Zimbabwes: Thomas Mapfumo, Mokoomba: Rising Tide (2012). 12 Tracks, gefördert, die MusikerInnen im und eben 46.71 Minuten. Zig Zag World-Rec. Oliver «Tuku» Mtukudzi and The Black südlichen Afrika unter die Arme auch Oliver «Tuku» Mtukudzi. Von Spirits: Sarawoga (2013). 12 Tracks. greift und sie schult. Das geht diesem Musiker und seiner Band 60.24 Minuten. Sheer Sound. 150 Ausgaben Afrika-Bulletin; Aktualität: Wahlen in Zimbabwe 40 Jahre Afrika-Komitee bm. und seine ZANU-PF haben die Wahlen vom 31. Juli mit einer Mehrheit von 61 Prozent gewonnen. Das sagt jedenfalls die Zimbabwische Wahl- kommission ZEC. Im Parlament verfügt die Partei über eine Zweidrittels-Mehrheit und kann die neue Verfas- sung im Alleingang verändern. Ein Wahlresultat in die- ser Eindeutigkeit hatte niemand erwartet. Der Schock und die Konsternation im Land sind gross. Wie lässt sich das Resultat erklären? Kontakte im Land verwei- sen auf den Angstfaktor: Vor allem die Bevölkerung auf dem Land wollte diese Wahlen nicht und fürchtete die Gewalt, die die gestohlenen Wahlen von 2008 prägte. Die Erinnerungen an niedergebrannte Häuser, Entfüh- rungen, Schläge, Vergewaltigungen Verstümmelungen und Zwangsvertreibungen sind noch frisch. Dieses Mal genügte bereits die Drohung mit Gewalt. Eine zweite Runde im Präsidentschaftswahlkampf wollten die Leu- te um jeden Preis vermeiden. So erschien die Wahl des 89-jährigen Kandidaten Mugabe als rettender Ausweg. Auch haben umfangreiche Manipulationen an der Wählerliste und zahlreiche weitere Unregelmässigkei- ten das Resultat zugunsten der Siegerpartei massiv ver- Das Afrika-Bulletin in seiner bessert. Wie unabhängige Wahlbeobachtungsgremien 150. Ausgabe, präsentiert bekannt gaben, wurde gegen zwei Millionen Jungwäh- von Susy Greuter, Beatrice Felber, Hans-Ulrich Stauffer red. Ein kleines Doppeljubiläum konnte am 13. Juni lerInnen die Registrierung verwehrt, gegen 600 000 und Gertrud Baud. Vom 2013 gefeiert werden: 40 Jahre sind seit der Gründung weitere konnten sich zwar registrieren lassen, wurden «harten Kern» fehlen Barbara des Afrika-Komitees 1973 verflossen, 150 Ausgaben des in den Wahllokalen jedoch trotzdem weggewiesen. Müller und Ruedi Suter. Afrika-Bulletins sind seit 1976 erschienen. An der Ver- Ebenso wie während des Wahlprozesses ist das anstaltung im Freundeskreis gingen Ursula Walter, Lin- Land auch in der Nachwahlzeit ruhig geblieben. Auch da Stibler und Dag Henrichsen, alle seit Jahren Freund- in der internationalen Arena wird nicht viel Aufhebens Innen des Komitees, auf die Bedeutung der eng mit der um die von der ZANU-PF meisterhaft geführte Übung afrikanischen Politik verknüpften Arbeit, den Inhalten gemacht. Die Beobachtermission der Afrikanischen von Solidarität und die Vernetzung mit anderen Orga- Union hat die Wahlen unmittelbar nach dem Schliessen nisationen ein. Gertrud Baud führte durch die span- der Wahllokale als glaubwürdig abgesegnet. Wird die nende Veranstaltung und Hans-Ulrich Stauffer stellte die Medienaufmerksamkeit zum Massstab genommen, ist wichtigsten Etappen und Schwerpunkte der Arbeit der das derzeitige Interesse der internationalen Gemein- vier Jahrzehnte dar – reich bebildert mit historischen schaft an Zimbabwe gleich null. Anders sieht es im wirt- Dokumenten. Längere Berichte über die Jubiläen er- schaftlichen Bereich aus, wo westliche InvestorInnen schienen in den Online-Medien www.onlinereports.ch und Geschäftsleute nur darauf warten, sich wieder in (40 Jahre rastlose Solidarität, 14. 6. 2013) und www.fair- Zimbabwe engagieren zu können. Noch besteht aller- unterwegs.org (Kritische Solidarität im Glauben an Ge- dings das Hindernis der Sanktionen und man darf ge- rechtigkeit,13. 6. 2013) sowie in der Wochenzeitung WoZ spannt sein, wie damit verfahren wird. • (Ein Mosaik sozialer Bewegungen, 23. 5. 2013, www. woz.ch). •