Myp Magazine Jannik Schümann Ist 20 Jahre Alt, Schauspieler Und Lebt in Berlin
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MYP MAGAZINE JANNIK SCHÜMANN IST 20 JAHRE ALT, SCHAUSPIELER UND LEBT IN BERLIN. WWW.JANNIKSCHUEMANN.COM Jannik Schümann Lichter der Stadt INTERVIEW & TEXT: JONAS MEYER FOTOS: STEPHEN GWALTNEY Damals regnete es, das weiß man noch. Zwar Zwei Jahre ist es also her, dass wir uns zum erst etwas mehr, dann wieder weniger. Aber es ersten Mal gegenübersaßen. Und wie damals regnete. treffen wir Jannik auch heute an irgendeinem Tag im Mai zum Interview. Nur dass es diesmal Und draußen war es grau, nichtssagend grau: nicht Berlin ist. Sondern New York. Man musste Schutz suchen in einem Café im Prenzlauer Berg und sich mit dem leuchtenden Der 21-jährige ist für einige Wochen in der großen Orange vieler kleiner Lampen verbünden, um Stadt, weil er sich eine kleine Auszeit nimmt und gegen dieses elende Grau anzukämpfen - und für einen Moment verschnaufen will. Er hat viel um eine interviewwürdige Atmosphäre für einen gearbeitet in den letzten Monaten, in den letzten jungen Schauspieler zu erschaffen. Jahren. Damals, das war im Mai 2011. Und der junge Unser heutiger Treffpunkt heißt Ecke 8th Avenue Schauspieler, das war Jannik Schümann. Erst / West 40th Street, Jannik wartet bereits. Es ist wenige Monate vorher war der gebürtige Ham- gerade einmal 9:30 Uhr, doch während das hei- burger nach Berlin gezogen, um sich ganz und matliche Berlin um diese Uhrzeit erst zöger- gar seinem Beruf zu widmen. Um sich freizu- lich erwacht, ist New York schon längst auf den schwimmen und zu wachsen. An der Stadt, am Beinen - oder vielleicht immer noch? Wer weiß Leben und an sich selbst. das schon. Als Kind wurde Jannik von seiner heutigen Agen- Wir beginnen den Tag eher unamerikanisch mit tin entdeckt – in einer Tankstelle beim Süßigkei- Kaffee und Croissant und lassen uns von dem ten kaufen. Aus purem Zufall. Und so kam es, geschäftigen Menschenstrom aufsaugen, der dass er Schauspieler wurde und wir an jenem entlang der 8th Avenue fließt.. Der Strom treibt Nachmittag im Mai 2011 zum Interview verabre- uns nach Norden Richtung Times Square – jenem det waren. Damals flüchteten wir vor dem Grau Ort, der wohl wie kein zweiter als Sinnbild für in das Café mit dem orangenen Licht. Wir rede- das niemals schlafende, aufgeregte und exzes- ten über sein Leben, seine Wünsche, Träume und sive New York steht. Sehnsüchte. Und über seine große Leidenschaft für die Schauspielerei. Wer einmal erlebt hat, wie die Stars hier in den Musicals gefeiert werden, der versteht, warum der Broadway das Nonplusultra ist. Jonas: Du bist bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Trotzdem war auch bei diesem zweiten New York- Alles ist auf den Punkt genau: Jede Bewegung Vor dem Port Authority Bus Terminal machen Jahres zu Besuch in New York. Wird die Stadt ir- Aufenthalt wieder der Theaterdistrikt die erste sitzt, jede Stimme ist perfekt, jeder Ton wird ge- wir Halt und drehen unsere Köpfe nach rechts: gendwann zur Routine? Anlaufstelle. troffen und sogar die Tonmischung ist genial. Blitzartig springt uns die Stein, Glas und Farbe Daher war für mich bisher jeder Abend in New gewordene Reizüberflutung des Times Square Jannik: Jonas: York ein Highlight. ins Gesicht - ein permanentes Zuviel, das sich Ganz und gar nicht! Als ich vor drei Wochen Bereits vor zwei Jahren hattest Du uns mit glän- Und auch das Publikum ist ein ganz anderes als aus jeder Wandpore drückt. nach New York reingefahren bin und die Skyline zenden Augen verraten, wie sehr dein Herz für in Deutschland: Im Theater und in den Shows wieder vor Augen hatte, war die Aufregung genau Musicals schlägt. Diese Leidenschaft scheint also sieht man wesentlich mehr junge Menschen als Fasziniert von dieser übermächtigen Imposanz so groß wie beim ersten Besuch vor einem Jahr ungebrochen... bei uns. Das liegt wahrscheinlich daran, dass hier werfen wir uns in den bunten Ameisenhaufen. - mein Herz ist quasi aus dem Körper herausge- für die meisten Vorstellungen wenige Stunden Gigantische Broadway-Werbeplakate hängen sprungen. Irgendwie ist es jedes Mal wieder ein Jannik: vor Beginn Tickets zum Discountpreis verkauft wie Ikonenbilder an den Fassaden der Häuser- total beeindruckendes Gefühl, weil die Stadt einen Oh ja - in New York verging bisher kein Abend, an werden. Das macht die oft sehr teuren Karten für schluchten und präsentieren die Antlitze der magisch anzieht. dem ich nicht in einer Broadway-Show war! Meine Schüler und Studenten erschwinglich. Musical-Stars. große Leidenschaft ist und bleibt einfach das Mu- Vielleicht sollten die deutschen Theater und Mu- Jonas: sical, daran hat sich nichts geändert. sicals auch mal überlegen, ob sie nicht verstärkt Ziemlich große Bühne für die große Bühne. Gibt es denn eine Ecke in New York, die dich be- solche Last-Minute-Tickets anbieten wollen. Dann sonders reizt? Jonas: wären die Häuser bestimmt nicht so leer. Jannik strahlt über beide Ohren, in seinen Augen Leider wird in Deutschland das Genre des Musi- Es gibt übrigens noch einen weiteren Unterschied spiegeln sich die Lichter der großen Stadt. Links Jannik: cals im Gegensatz zu den USA eher stiefmütter- zu Deutschland: Während bei uns hauptsächlich und rechts von uns reiht sich ein Theater an das Ja, tatsächlich hat der zentrale Theaterdistrikt lich behandelt. mit den Stücken selbst geworben wird, stehen in andere, ständig buhlend um die Gunst des Zu- rund um den Times Square eine absolute Mag- den USA vor allem die Stars im Vordergrund, mit schauers und um die Krone der besten Show. netfunktion für mich. Letztes Jahr habe ich es Jannik: deren Gesichtern und Namen man die Show ver- Hier liegen sie also, die Bretter, die die Welt be- erst nach vier Tagen geschafft, mich von dieser Das stimmt. In den Staaten haben die Menschen kauft. Dementsprechend reagiert auch das Pub- deuten. Gegend zu lösen und mal weiter downtown zu ein ganz anderes Gefühl für diese Kunstform. Und likum ganz anders, wenn bekannte Darsteller die fahren, wo es diese typischen Straßenraster nicht überhaupt hat das Musical hier einfach ein viel hö- Bühne betreten. mehr gibt. heres gesellschaftliches Standing. Als Darsteller Sobald beispielsweise am Broadway im Musical Jonas: Ich fand es im Nachhinein total schade, dass kann man einfach nicht weiter aufsteigen als am „Phantom der Oper“ das Phantom zum ersten Mal Als wir uns im Mai 2011 zum ersten Mal trafen, ich nicht früher auf größere Entdeckungsreise Broadway zu spielen. Das ist das Höchste der Ge- in Erscheinung tritt, wird frenetisch applaudiert hattest Du gerade „Homevideo“ abgedreht. im East und Village gegangen bin, weil ich die fühle, denn der Broadway ist weltweit Nummer und gejubelt. Danach hat sich bei dir ziemlich viel getan... Gegend dort ebenfalls total mag. In den kleinen eins. Das passiert bei uns eher selten. Wer einmal und beschaulichen Straßen kann man sich total Es ist unglaublich, wie hoch die Qualität ist, die erlebt hat, wie die Stars hier in den Musicals ge- Jannik: verlieren, weil New York einen auch gerade dort einem hier auf den Bühnen geboten wird. feiert werden, der versteht, warum der Broadway Ja, dieses Projekt hat mir beruflich einen kräf- in seinen Bann zieht. Da ich die Stadt aber noch das Nonplusultra ist - und warum jeder Darstel- tigen Schub gegeben: Nach „Homevideo“ habe ich besser kennenlernen wollte, habe ich diesmal lers auf das Ziel hinarbeitet, hier irgendwann richtig viel gearbeitet und tolle Rollen gespielt. Ich meine Fühler weiter ausgestreckt und mir auch einmal aufzutreten. bin total glücklich darüber, wie sich alles entwi- andere Ecken genauer angesehen. ckelt hat. Rückblickend kann ich sagen: Es gab für mich noch nie eine so große Herausforderung wie „Spieltrieb“. Jonas: Jannik: Eines der bemerkenswertesten Projekte ist dabei Das Buch ist eigentlich nicht verfilmbar, nicht nur Alev unterscheidet sich dagegen von allem, was seine Zimmergenossen im Internat stärker be- zweifelsohne der Film „Spieltrieb“, in dem du für wegen der besonderen Sprache und der vielen ich bisher kannte – alleine schon durch seine leuchten musste, fielen dafür auf der anderen eine der Hauptrollen besetzt wurdest. schwerwiegenden Nietzsche-Sätze. Das Thema Sprache. Eigentlich redet er nie „normal“, sondern Seite Rollen raus, die im Buch hauptsächlich die ist einfach ziemlich heikel, schließlich geht es um nur in bedeutungsschweren Sätzen und Zitaten. Figur der Ada berühren und somit für die Drei- Jannik: das Ziel des 18jährigen Alev, Macht über andere Das zieht sich konstant durch das gesamte Dreh- ecksbeziehung Alev-Ada-Smutek keine unmittel- Absolut! Zwar gab es die Anfrage für den Film Menschen auszuüben und sie zu kontrollieren. buch und somit auch durch den kompletten Film. bare Bedeutung haben. sowie die erste Castingrunde bereits, bevor wir Er ist fest davon überzeugt, dass alle Menschen Bevor die Dreharbeiten losgingen, hatte ich ab- uns im Mai 2011 zum Interview trafen, allerdings manipulierbar sind, wenn man nur die entspre- solut keine Ahnung, wie ich um Himmels Willen Jonas: wurde das Projekt aufgrund diverser Finanzie- chenden Weichen stellt und an den entschei- diese Texte über die Lippen bekommen soll, Wie hast du dich dem Drehbuch genähert und dich rungsfragen erst einmal wieder auf Eis gelegt. denden Rädchen dreht. Es geht ihm nicht um Gut sodass es für das Publikum glaubhaft ist. auf diese komplexe Rolle vorbereitet? Nachdem ich lange Zeit nichts mehr davon gehört oder Böse, sondern um die Logik der Dinge - das Und selbst während der Dreharbeiten haben wir hatte, gab es Ende 2011 plötzlich grünes Licht ist seine sogenannte Spieltheorie. uns manchmal gedacht: Ob das alles in allem Jannik: und es ging weiter. Alev ist gerade erst auf eine neue Schule ge- so funktioniert? Ich hatte anfangs echt ziemlich Ich habe das Drehbuch schlicht und einfach aus- Ich wurde zur zweiten und dritten Castingrunde wechselt, wo er sich prompt neue Opfer sucht: Muffensausen, aber letztendlich hat es doch ge- wendig gelernt, weil es mir sonst nicht möglich Anfang Januar 2012 eingeladen, weil dort ver- So stiftet er seine Mitschülerin Ada dazu an, den klappt.