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Vallemaggia. Bezirk des Kantons Tessin. Umfasst das gesamte Einzugsgebiet der Maggia mit Ausnahme der beiden untersten ins Maggiathal mündenden Thäler: Val Onsernone und Centovalli. Er grenzt: im N. an den Bezirk Leventina, im O. an die Bezirke Leventina und , im S. an den Bezirk Locarno und im W. an den Bezirk Locarno und das italienische Formazzathal. Ausser dem eigentlichen Maggiathal, das im obersten Abschnitt bis herunter den Namen Lavizzarathal trägt, gehören zum Bezirk dessen Seitenzweige: rechts die Thäler von , Bavona (im Winter nicht bewohnt), Campo und Bosco, letztere zwei mit den vier. Gemeinden Linescio, , Campo (mit Cimalmotto) und Bosco; links die Thäler von Prato, Serenello und Cocco. Die Gesamtlänge beträgt vom Poncione di Vespero bis zur Schlucht hinter dem Ponte Brolla (4 km n. Locarno) 47 km und die maximale breite vom Sonnenhorn bis zum Campo Tencia 24 km. Die mittlere Höhe der Talsohle ist auf der Strecke Ponte Brolla-Bignasco 340 m, auf der Strecke Bignasco-Fusio (Lavizzarathal) dagegen 910 m. Die Fläche des Bezirkes umfasst 56790 ha, wovon 36330 ha produktiven und 20460 ha unproduktiven Bodens; 10210 ha sind mit Wald bestanden. 1522 Haushaltungen in 1457 Häusern; 5195 kathol. Ew. (1860: 6812 Ew.) italienischer Zunge (exkl. die teilweise deutsch-sprechende Gemeinde Bosco oder Gurin). Der Bezirk bildet mit nur 9 Ew. auf 1 km2 Fläche die am geringsten besiedelte Landschaft des Kantons. Er umfasst 3 Kreise mit zusammen 22 Gemeinden: 1) Kreis Maggia mit Maggia, Avegno, Gordevio, Coglio, Giumaglio, Someo, Lodano, Moghegno und Aurigeno; 2) Kreis Rovana mit , Linescio, Bignasco, Cavergno, Cerentino, Campo und Bosco; 3) Kreis mit Prato-Sornico, Fusio, Peccia, Broglio, und . Bezirkshauptort und als solcher Sitz des Statthalters, des Bezirksgerichtes und der übrigen Bezirksbehörden ist Cevio. Der Bezirk ist arm. Da die Landwirtschaft wenig abträgt und industrielle Tätigkeit sozusagen ganz fehlt, wandern viele Bewohner nach Amerika aus und nimmt so die Einwohnerzahl stetig ab. In Kalifornien leben über 3000 Bürger des Maggiathales, und von einigen Gemeinden (besonders im Kreis Maggia) sind mehr als die Hälfte ihrer Bürger in überseeischen Gebieten ansässig. Das Thal wird bis Fusio hinauf von einer schönen, 45 km langen Fahrstrasse durchzogen. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Viehzucht mit Herstellung von Käse, der zum grössten Teil als sog. «formaggio dolce» frisch genossen wird. Im Val Lavizzara und Val Peccia stellt mehr[Karten in der Umgebung].Bezirk Vallemaggia. man einen dem Gorgonzola ähnlichen Weichkäse her, der in Stroh gehüllt und daher «formaggio della paglia» genannt wird. Bis Cevio hinauf beschäftigt die Ausbeute der Steinbrüche auf Granitgneis einige hundert Arbeiter. Von einiger Bedeutung war bis Ende des letzten Jahrhunderts im Val Lavizzara auch die Verarbeitung des auf der Alp Soveneda im Pecciathal in beträchtlichen Mengen vorhandenen Ofen- oder Giltsteins (auch Lavezstein genannt) zu Oefen, sowie Töpfen und Schüsseln aller Grössen. Das Wappen der Thalschaft, wie man es heute noch in der Kirche von Sornico sieht, trägt einen solchen Topf (laveggio). Auch der Name Lavizzara (früher Laviggiara) lässt sich ohne Zweifel auf diese einstige Lokalindustrie zurückführen, die heute fast vollständig verschwunden ist und an welche die in San Carlo (1003 m) im Pecciathal noch zu sehenden Mühlen und Töpferdrehscheiben zur Herstellung der «laveggi» als stumme Zeugen erinnern. Die eidg. Viehzählungen ergeben folgende Resultate: 1896 1901 1906 Rindvieh 3488 3693 3763 Pferde 54 72 86 Schweine 546 682 759 Schafe 977 1489 1267 Zie•gen 9127 10416 10976 Bie•nenstöcke 430 556 -

Der Bezirk zählt 105 Alpweiden, die mit 3800 Stück Rindvieh, 9100 Ziegen, 2150 Schafen und 600 Schweinen bezogen werden. Er stellt jährlich für 133000 Fr. Käse und 47000 Fr. Butter her. Im Kreis Maggia werden noch überall Mais und der Weinstock gebaut; doch sind die schönen Wiesen, die hier den auf eine Länge von 10 km durchschnittlich 500 m breiten Thalboden einst bedeckten, um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach verschwunden. Infolge der unsinnigen Verwüstung der prachtvollen Tannen- und Lärchenwälder an den Thalgehängen verödete das ganze Gebiet und konnten die Wildbäche ihre zerstörenden Kräfte ungestört zur Geltung bringen, sodass sich die Sohle des

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Maggiathales heute als eine mit Gestrüpp bewachsene Sand- und Kiesfläche vorstellt. Obstbäume, Korn und Hanf werden mit Erfolg bis Prato und Sornico (760 m) gebaut, wo sich auch die obere Verbreitungsgrenze des Maulbeerbaums befand, der der bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts blühenden Zucht der Seidenraupe diente, dann aber infolge der Einfuhr von Seide aus dem Orient und wegen Mangels an Arbeitskräften (Auswanderung der jungen Männer) vollständig aus der Gegend verschwand. In den höchstgelegenen Gemeinden Fusio (1280 m), Campo mit Cimalmotto (1100 m) und Bosco oder Gurin (1506 m) baut man einzig noch Roggen und Kartoffeln. Die Kastanie gedeiht kräftig bis in 960 m Höhe; ob Peccia (849 m) kann man einige Stämme von bis zu 10 m und mehr Umfang sehen. Die Jagd (auf Gemsen und Murmeltiere) wird nur noch von einigen alten Jägern betrieben, während dagegen der Forellenfang ziemlich ergibig ist und die beiden Fischzuchtanstalten von Bignasco und Prato sich die Wiederbevölkerung der Wasserläufe dieser mehr Thalschaften angelegen sein lassen. Die Gemeinden erfreuen sich im allgemeinen eines gewissen Wohlstandes und besitzen unter der Verwaltung der «patriziati» stehende grosse Korporationsgüter. Ferner bestehen in den Gemeinden besondere Schul- und Armenfonds, aus welch letztern den Bedürftigen Brot und Salz verabreicht wird. Die zunehmende Entvölkerung bedingt das Verschwinden manch eines charakteristischen alten Brauches, den Abgang der einstigen Volkstrachten und das Erlöschen der sehr interessanten Mundarten, deren einige sogar eine gewisse poetische Literatur aufzuweisen haben. Die 1907 dem Betrieb übergebene elektrische Bahn Locarno-Bignasco (27,1 km lang) wird ohne Zweifel vieles zur bessern Erschliessung der Thalschaften des Bezirkes beitragen, die Steinbruchindustrie und das Sägereigewerbe fördern und auch den Absatz der Produkte der Milchwirtschaft, sowie die Viehzucht lebhafter gestalten. Hoffentlich gelingt es den durch die Linie geschaffenen günstigeren Erwerbsverhältnissen, die nachgerade bedenkliche überseeische Auswanderung etwas einzudämmen. Mit den Bezirken Leventina und Locarno, sowie mit Italien steht der Bezirk Valle Maggia ausser durch die auf Locarno ausmündende Strasse des Maggiathales noch über eine Reihe von Bergpässen in Verbindung. Als die bekanntesten seien folgende genannt: der Passo di Naret (2443 m) von Fusio nach Ossasco im Bedrettothal (7 Stunden); der Passo Sassello (2346 m) von Fusio nach Airolo (5 Stunden); der Passo Campolungo (2324 m) von Fusio nach Faido (5 Stunden); der Passo di Redorta (2176 m) von Prato im Lavizzarathal durch Val Pertusio nach Sonogno im Verzascathal (6 Stunden); die Forcarella di Cocco (2137 m) von Menzonio nach Brione Verzasca (6 Stunden); der Halbihorenpass (2670 m) und der Passo d'Antabbia (2920 m) von San Carlo im Ravonathal nach dem Formazzathal und den Tosafällen (7 Stunden); die Furka (2322 m) von Bosco nach Foppiano im Antigoriothal (4 Stunden); der Passo di Groppo (2533 m) von Cimalmotto nach San Rocco di Premia im Val d'Ossola (6 Stunden); der Passo di Porcareccio (1958 m) von Cimalmotto nach Vergeletto (6 Stunden); der Passo Nimi (2073 m) oder der Passo d'Eva (2022 m) von Maggia nach Brione Verzasca (5 Stunden). Aus dem Bezirk Vallemaggia stammen zahlreiche hervorragende Männer, die zum Teil auch grossen Einfluss auf die Geschicke und die Entwicklung des Kantons Tessin nahmen. Als Wohltäter seiner Heimat sei hier Friedrich Balli genannt, der in Bignasco ein modernes Hotel gründete und durch letztwillige Vergabung für die armen Kranken seines Bezirks gesorgt hat. Aeltere historische Nachrichten über das Maggiathal fehlen. Wir wissen bloss, dass es wahrscheinlich um 1000-1200 zur Zeit der Bürgerkriege zwischen Welfen und Ghibellinen von italienischen Flüchtlingen besiedelt worden ist. Mehrere Orts- und Familiennamen erinnern an die Toskana. Bis 1512 stand das Land unter der Herrschaft der Visconti aus Mailand und sodann bis 1798 als Vogtei unter derjenigen der 12 Orte, um endlich 1803 dem neu gegründeten Kanton Tessin angegliedert zu werden. Vergl. auch den Art. Maggia. Ende VALLEMAGGIA Quelle: Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902; Autorenkollektiv, Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg, 1902-1910;6. Band, Seite 314 [Suche = 46.324] im Internet seit 2005; Text geprüft am 29.3.2017; publiziert von Peter Hug; Abruf am 1.10.2021 mit URL: Weiter: https://peter-hug.ch/46_0325?Typ=PDF Ende eLexikon.

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