2020 Radio-Köpfe
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Radio-Köpfe melden!“ verhallte ergebnislos. Es meldete sich natürlich niemand. Damals sprach man „über so etwas“ noch nicht öffentlich-schon gar nicht im Radio. Daraufhin bestimmte der Direktor zwei Schüler der Klasse, die bereits durch ihre Mitarbeit bei der Schüler- zeitung erste journalistische Erfahrungen gesammelt hatten. Für die Schule sei es eine „Ehre“. Einer, der sie verteidigen sollte, war Axel Buchholz. Ziemlich aufgeregt mach- ten sie sich auf den Weg zum SFB, der sich damals noch am Heidelberger Platz befand. Erst nach dem Abzug der Russen zog der Sender 1957 in das „Haus des Rundfunks“ in die Masurenallee um. Zu ihrer großen Überraschung erfuhren sie dann in der Ju- gendfunkredaktion, dass das Thema des Beitrags ein ganz anderes sei, nämlich das Verhältnis von Schulsport und Leistungs- sport. Das war aus Sicht der beiden „Dienst- verpflichteten“ auch nicht viel besser, da sie beide alles andere als Sportskanonen und in Axel Buchholz – ehemaliger SR-Chef und beiden Themenfeldern wenig beschlagen waren. Die Einstiegssendung verlief dann Wellenchef (SR 1 / Europawelle Saar) dennoch nicht einmal schlecht, so dass jeder Das kleine Saarland, mit 2570 Quadrat- Land nicht immer erst durch die „Zone“ fah- eine Gage von 20 DM bekam. Jedenfalls kilometern nach den Stadtstaaten der Flä- ren musste. durften beide fortan in verschiedenen SFB- che nach das kleinste Bundesland der Bun- Jugendfunksendungen mitwirken – aber nur desrepublik, war im Äther in der zweiten Das Saarland war erst kurz zuvor, im Buchholz wurde mit dem Radiobazillus an- gesteckt. Zuerst befragte er in Gesprächs- Hälfte der 1960er bis in die 1970er und Jahr 1957, zur Bundesrepublik hinzuge- runden mit anderen Jugendlichen interes- 1980er ganz groß. SR 1 wurde als „Europa- kommen – und für ihn nur eine von drei Op- sante Gäste – sozusagen stellvertretend für welle Saar“ konzipiert, ausgestattet mit ei- tionen. Den Ausschlag gab, dass er schon die Zielgruppe. Dann kamen kleine eigene ner später bis zu 1200kW leistungsstarken eine Zusage hatte, beim Saarländischen Rundfunk mitarbeiten zu können. Buchholz Beiträge zu Themen aus dem Jugendleben Mittelwelle vom Standort Heusweiler. Vor hinzu. allem nach Osten breitete sich das Signal machte alle Scheine (Leistungsnachweise), hörte aber mit dem Studium auf, als die Ex- aus, so dass der Sender weit über das Saar- Später durfte er die monatliche Jugend- amensvorbereitung und das Erste Staatsexa- land hinaus vielen ein Begriff war und das sendung „Hobbies, Hot und heiße Sachen“ men anstanden – und er dem Journalismus jeweilige Programm in den Programmzeit- als erster überhaupt moderieren und inter- schon mit Haut und Haaren verfallen war. schriften überregional ausgedruckt wurde. viewen. Einmal im Monat wurden zu einer Axel Buchholz (80) prägte das Programm in „Studioparty“ junge Leute in den kleinen Axel Buchholz hat keine klassische jour- jener Zeit mit, brachte es vom sogenannten SFB-Sendesaal eingeladen. Zwischen Inter- nalistische Ausbildung absolviert: „Das war Festen Freien bis hin zum Chefredakteur, views mit verschiedenen Gästen gab es an- damals noch nicht die Regel“, merkt Buch- Wellenchef der Europawelle Saar und stell- gesagte Live-Musik zum Mittanzen. „Die holz hierzu an. „Journalismus lernte ich, wie vertretenden Programmdirektor Hörfunk Mitarbeit beim SFB bedeutete damals ein viele andere auch, learning by doing.“ des SR. Unser Mitarbeiter Hendrik Leuker Stück weite Welt in meinem Schüler- und Schon ab 1955, als Teenager, schrieb er für traf Buchholz im Funkhaus des SR auf dem später Studentendasein“, fügt Buchholz hin- den „Herderboten“ des Herdergymnasiums Halberg oberhalb von Saarbrücken gelegen zu. Nach seinem Wechsel ins Saarland ar- in Berlin-Westend, den er mitgegründet hat- und bat ihn zum Interview. beitete er dann eine Weile parallel noch in te. Deutsch und Geschichte waren damals Berlin und in Saarbrücken beim Jugendfunk seine Lieblingsfächer. Bald darauf arbeitete weiter. Auch für das „Spandauer Volks- Vom Berliner Kind er außerdem an den Jugendseiten der Berli- blatt“ schrieb er von Saarbrücken aus wei- zum Wellenchef der ner Zeitungen „Telegraf“ und „Spandauer ter. Dass Buchholz keine journalistische Volksblatt“ (dort anschließend auch im Lo- Europawelle Saar Ausbildung verfolgte, sondern damals ein kalen) mit. Zu seinen ersten Worten in ein angehender Jurist war, störte beim SR nie- Radiomikrofon wurde er schließlich von manden. Bald bekam er im Jugendfunk ei- Nach dem Abitur in seiner Heimat Berlin seinem Schuldirektor Dr. Georg Krause zu- gene Sendungen und wurde zusätzlich re- im Jahr 1958 studierte er zehn Semester Jura sammen mit einem Mitschüler „verdon- gelmäßiger Zeitfunkreporter. „Juristen wie an der Freien Universität Berlin und an der nert“. Er verpflichtete ihn, an einer Sendung Journalisten sollten sich beide durch klares Universität des Saarlandes in Saarbrücken des damals neuen, erst im Jahr 1954 gegrün- Denken und strukturiertes Fragen auszeich- und wechselte anschließend in den Journa- deten Sender Freies Berlin (SFB) teilzuneh- nen“, merkt Buchholz an. „Das eine oder lismus. Buchholz hatte ursprünglich nur men. Eines Tages kam der Schuldirektor in andere Mal haben mir später als Journalist vor, im Jahr 1960 für ein Jahr seine Heimat, die 10. Klasse und teilte mit, dass der SFB im Bereich Politik und Zeitgeschehen auch die auch „Frontstadt des Kalten Krieges“ zwei Schüler für einen Beitrag zum Thema meine erworbenen Kenntnisse im Staats- genannt wurde, zu verlassen und auch mal „Sexuelle Probleme in der Jugend“ suchen und Verwaltungsrecht sowie im Strafrecht dort zu leben, wo man für einen Trip aufs würde. Sein anschließendes „Bitte bei mir geholfen.“ 18 Radio-Kurier – weltweit hören® 9/2020 Radio-Köpfe Seine Sendungen Zehn Jahre lang (von 1960 bis 1970) ar- beitete Buchholz insgesamt als ständiger freier Mitarbeiter, im SR-Hörfunk und Fern- sehen. Im Jugendfunk waren Heinrich Kalb- fuß und danach Dr. Heinz Garber seine Ab- teilungsleiter. Im Zeitfunk war es Dr. Heinz Dützmann, dessen besonderes Hobby es war, sich im Wald und Feld zusammen mit einem Techniker auf die Lauer zu legen, um zur Begeisterung seiner Hörerinnen und Hörer Gesang und Gezwitscher selbst ganz seltener Vögel aufzunehmen. Buchholz wurde zuerst als Reporter eingesetzt, dann auch zunehmend als Moderator, schließlich auch als redaktioneller Gestalter „eigener“ Sendungen. Ab 1970 war Buchholz dann beim SR fest angestellt und kletterte über die Jahre Funkhaus des Saarländischen Rundfunks auf dem Halberg in Saarbrücken. Foto: SR. die Karriereleiter hinauf: Vom leitenden Redakteur des aktuellen Abendmagazins sich um das erste aktuelle Radiomagazin in tag“ (Reise- und Autothemen, Leitung Otto „Zwischen heute und morgen“ zum Abtei- der Bundesrepublik mit Berichten aus Poli- Deppe) magaziniert. lungsleiter, vom stellvertretenden Hauptab- tik, Wirtschaft und Zeitgeschehen. Es galt teilungsleiter zum Leiter der Redaktions- damals von der Machart her als revolutio- Im „Journal am Vormittag“, das von gruppe Zeitgeschehen und schließlich als när, wenn Politiker (meist live) und (in 1980 bis 1991 ausgestrahlt wurde, gab es Leiter der Hauptabteilung Politik und Zeit- Saarbrücken überwiegend) am Telefon zu mit der Rubrik „Wortgefecht“ um 8:45 Uhr geschehen zum Chefredakteur. Für sieben den tagesaktuellen Themen interviewt wur- (Live-Hörermeinungen per Telefon) das Jahre wurde Buchholz zusätzlich erst Koor- den. Bis dahin wurde Politik in Korrespon- erste tagesaktuelle Phone-In im deutschen dinator dann in den 1990er Jahren Wellen- dentenberichten und Kommentaren und nur Radio. Um 9:15 Uhr nahm zu diesem chef der Europawelle Saar. Zum Karrie- gelegentlich in meist aufgezeichneten Inter- „Wortgefecht“ ein Experte Stellung („Ex- reende hin wurde er schließlich noch zum views vermittelt. Die Magazine machten die perte zum Wortgefecht“). Häufig waren stellvertretenden Programmdirektor Hör- Berichterstattung aus Politik- und Zeitge- dies Wissenschaftler zum jeweiligen The- funk befördert. Im Jahr 2002 ging er in den schehen nun wesentlich authentischer und menbereich. Es ging in dieser Art „dialogi- Ruhestand. interessanter. Die Live-Befragung der Poli- schen Rundfunks“, die zur „damals norma- tiker und sonstigen Protagonisten, die The- len Einbahnkommunikation hin zum Hörer noch den Rückkanal vom Hörer ins Pro- Buchholz hat zahlreiche Sendungen auf menvielfalt und die Präsentation durch ei- gramm hinzufügte“ (Buchholz), oft heftig der Europawelle moderiert, manche über nen Moderator oder eine Moderatorin sorg- zur Sache. Deshalb handelte sich Buchholz viele Jahre hinweg: Zu nennen wären seine ten dafür. Anfänge in den 1960er Jahren beim Jugend- mit dieser Rubrik neben dem Erfolg bei den Hörern auch manchen internen (und exter- funk in der Sendung „Junge Leute – heute“. „Zwischen heute und morgen“ wurde nen) Ärger ein. Interaktion mit den Hörern wurde darin seit Herbst 1964 ausgestrahlt und ab 1965 groß geschrieben – obwohl es noch in der von Buchholz moderiert, nachdem der erste internetlosen Zeit war: „Ich erinnere mich Nach diesen „großflächigen“ Magazinen Moderator und Redakteur, Helmut Prinz, an die Rubrik ‘Hörer fragen – Prominente verdichtete die Europawelle 1992 ihre aktu- den SR verließ und zum WDR wechselte antworten’, in der junge Hörer Fragen an ei- elle Berichterstattung aus Politik, Wirt- („WDR 2-Mittagsmagazin“). Im deutschen nen Prominenten stellen konnten, ‘Funkdis- schaft, Kultur und Zeitgeschehen tagsüber Sprachraum wurde dieser Sendungstyp vom kussion per Telefon’ (Call-Ins) und ‘Mr. wieder in drei