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SWR2 Musikstunde Jazz across the border (8)

Von Günther Huesmann

Sendung: Samstag, 1. August 2015 9.05 – 10.00 Uhr

Redaktion: Martin Roth

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Mit Günther Huesmann, guten Morgen!

Süd trifft Nord heißt es heute in der aktuellen Ausgabe von Jazz across the border. Begegnungen von afrikanischen Musikern, vorwiegend aus Mali, mit westlichen Improvisatoren. Wir hören Musik von Roswell Rudd und Toumani Diabaté, und Cheik Tidiane Seck, Aufnahmen von dem französischen Bouzoki-Spieler , genauso wie von der afro-litauischen Band „Malithanie“ und dem afrikanisch-skandinavischen Quintett „Monoswezi“. Wir erleben, wie afrikanische Musiker ein Werk des Minimal-Music-Komponisten Terry Riley interpretieren. Und wir zeigen, wie sich der Jazztrompeter Lester Bowie mit dem Schöpfer des Afro-Beat austauschte. Und wir fragen: wie klingt es, wenn ein Trio amerikanischen Jazz mit der westafrikanischen Mandingo-Musik zusammenbringt?

1) Xam-Xam

Komponist: Abdoulaye Diabatè

Interpret: Kora Jazz Trio

Label: Celluoid 006612

CD: Kora Jazz Trio Part 3

Track 1, 4:15

Kennengelernt haben sie sich in Frankreich, die drei afrikanischen Musiker fanden in einem Jazzclub zusammen: der Pianist Abdoulaye Diabaté, der Kora-Spieler Djeli Moussa Diawara und der Schlagzeuger Moussa Cissoko.

Anstatt aber nun die Sounds von Bill Evans und Keith Jarrett nachzuspielen, bringen sie eine persönliche Note in ihr Triospiel: das Klangkolorit und den Reichtum der westafrikanischen Mandingo-Musik. Globaler Jazz mit viel Freude an der modalen Improvisation: das „Kora Jazz Trio“ mit „Xam-Xam“.

Süd meets Nord, Savanne trifft auf Fjord gleichsam, das Quintett „Monozwesi“ ist ein südafrikanisch-skandinavisches Projekt. Der Bandname „Monoszwezi“ setzt sich zusammen aus den internationalen Auto-Kennzeichen all jener Länder, aus denen die Mitglieder dieser Gruppe kommen: aus Mosambik, Norwegen, Schweden und Simbabwe.

Klar, dass bei so viel Reisenden die gemeinsame Zeit im Studio etwas Besonderes ist. Eine Hauptrolle in dieser Musik spielt die Mbira – das afrikanische Daumenklavier - von Hope Masike.

Zu den Aufnahmen des Quintetts trifft sich die südafrikanische Musikerin mit dem norwegischen Saxofonisten Hallvard Godal auf den Koster- Inseln in Schweden. Oft werden die Stücke in einem Take aufgenommen und von den skandinavischen Jazzmusikern nachbearbeitet. Danach werden sie an Hope Masike geschickt, die aus ihrer Heimat Simbabwe ein Feedback zu den Mixen gibt. Eine Musik mit offener Ästhetik, die frei fließend entwickelt wird und die aus dem Reichtum der traditionellen Musik Simbabwes genauso schöpft wie aus der melancholischen Tiefe des nordischen Jazz.

2) Matatya

Komponist: Hope Masike/arr. Monoswezi

Interpret: Monoswezi

Label: Riverboat Records TUGCD1090, LC 11068

CD: Monoswezi Yanga

Track 4, 6:15

Das afrikanisch-skandinavische Quintett “Moniswezi’ mit „Matatya“, ein Kostprobe aus dem aktuellen Album „Monoswezi Yanga“.

1975 durchlebte der amerikanische Jazztrompeter Lester Bowie eine persönliche Krise. Er kaufte sich ein one-way-ticket nach Lagos. Dort gestrandet, fragte er nach Musikern mit denen er spielen könne. „Du musst Fela Kuti treffen“, meinte der Hotel-Portier. Aber wo findet man den? „Frag einen Taxifahrer, Alle kennen hier Fela.“ antwortete der Portier. Und Bowie traf Kuti.

Letzterer hatte kurz zuvor in den USA James Brown gehört, und zurück in Nigeria den Afro Beat kreiert: eine damals völlig neue Musik, eine Mischung aus Funk, Highlife und Jazz.

Der Sänger und Saxofonist Kuti empfing Bowie mit offenen Armen. Er kannte Bowies Trompetenspiel von den Platten des „Art Ensemble of Chicago“.

Fürstlich wurde Bowie auf dem „compound“ von Kuti umsorgt: Essen, Frauen, Wohnen – Kuti räumte seinem Gast Priviligien ein, die sonst nur ihm selbst, dem Regenten der selbsternannten „Kalakuta Republic“ vorbehalten waren. Der Trompeter Bowie blieb sieben Monate und ging mit Kuti ins Studio. Das Stück „No Agreement (Part 2)“ ist meines Wissens die erste dokumentierte Begegnung eines Jazzmusikers mit einer Größe des Afro Beat. Die Aufnahme stammt von 1976, und darin spielt nicht nur der Saxofonist Fela Kuti einen Solo, sondern zum Schluss auch Bowie – in seiner unnachahmlichen Art den Trompetenton mit Emotion und mit vokalen Elementen aufzuladen.

3) No Agreement Part 2

Komponist: Fela Kuti

Interpret: Fela Kuti

Label: Celluloid 6122

CD: No Agreement

Track 2, 4:00

Der Sänger und Saxofonist Fela Kuti und der Trompeter Lester Bowie mit „No Agreement Part 2“ von 1976.

Auch wenn man das nächste Quintett nicht im strengen Sinne als eine Jazzband bezeichnen kann, es teilt mit dieser Musik den Geist der Improvisation, und auch die Idee von musikalischem Austausch und Dialog.

“Malituanie” ist eine Band, die schon in ihrem Gruppennamen andeutet, dass sie Brücken bauen will zwischen den Musiken aus Mali und Litauen - westafrikanische und osteuropäische Musiker spielen in diesem Quintett zusammen. Baba Sissoko zupft die , eine viersaitige westafrikanische Langhals-Spießlaute, und die litauische Sängerin Indrė Jurgelevičiūtė spielt die Kankles, eine baltische Spielart der Zither. Westafrikanische Grooves und Melodien treffen auf baltisches Melos – was zunächst etwas abwegig zu sein scheint, klingt in Wirklichkeit wie aus einem Guss.

4) Yele - Light

Komponist: B.Sissoko, I.Jurgelevičiūtė, L.Peleniūtė, S.Petreikis

Interpret: Malituanie

Label: Gera Muzika Gyvai (ohne Nummer)

CD: MaLithunia

Track 6, 7:22

Mali meets Litauen – die Band „Malituanie“ mit dem Track „Yele – Light“.

Titi Robin ist der große Kosmopolit und Musik-Nomade unter den französischen Gitarristen zwischen Jazz und globaler Musik. Starke Wurzeln hat sein Spiel in der Flamenco-Musik. In seinem neuesten Projekt erinnert Robin daran, woher die Begründer der Flamenco- Melodien einst kamen: fahrendes Volk und Nomaden brachten von Nordafrika die maurischen, orientalischen und afrikanischen Musik- Gewürze nach Südspanien.

„Flamenhijaz“ nennt Robin seine aktuelle CD. Ein Wortspiel: gemeint ist damit nicht nur die Begegnung von Flamenco und Jazz. „Hijaz“ heißt auch eine besondere Skala in der orientalischen Musik. Und über genau die improvisiert Titi Robin im nächsten Track auf der Bouzoki. Wobei er den Kompass seines Flamenco-Jazz ganz natürlich in Richtung von dessen Ursprungsländer einstellt: nach Afrika und in den Orient. 5) Flamenhijaz (Rosée pour Nargis)

Komponist: Thierry Robin

Interpret: Titi Robin

Label: World Village 479108

CD: Taziri

Track 3, 4:15

Der französische Gitarrist und Bouzoki-Spieler Titi Robin mit „Flamenhijaz“, eine Ausschnitt aus seinem aktuellen Album „Taziri“.

Roswell Rudd, Jahrgang 1935, war als Posaunist lange Zeit beteiligt an den Experimenten der ersten New Yorker Free-Jazz-Generation. Ein wuchtiger, robuster, rustikaler Spieler: auch nicht verlegen, wenn es darum geht, mit musikalischem Lehm um sich zu werfen.

Zugleich gehörte Rudd zu den ersten Jazzmusikern, die vehement eine Öffnung des Jazz gegenüber den großen Musikkulturen der Welt forderten. Im Jahr 2000 besuchte er Mali, und traf dort den legendären Kora-Spieler Toumani Diabatè. Letzterer ist ja nicht nur als Kora-Virtuose berühmt, sondern auch als ein Spieler, der schon viele Dialoge geführt hat mit Musikern aus Jazz, Rock und vielen anderen nicht-afrikanischen Kulturen. Gemeinsam spielen sich Rudd und Diabaté nicht an die Wand, sondern finden zu einer besonderen Einheit – und: kreieren eine bewegende Hymne an die Hauptstadt Malis: „“.

6) Bamako

Komponist: Roswell Rudd

Interpret: Roswell Rudd

Label: Soundscape 014 801-2

CD: Malicool

Track 1, 6:31

Der amerikanische Posaunist Roswell Rudd und der malische Kora- Spieler Toumani Diabaté mit “Bamako”.

Bleiben wir in Mali: Minimal Music, einmal anders: auf dem Album „Mali in C“ interpretieren zahlreiche Musiker aus dem westafrikanischen Land ein Schlüsselwerk der Minimal Music, Terry Rileys Komposition „In C“ – durchweg auf ihren eigenen afrikanischen Instrumenten, vom über die Kora bis hin zu den in Mali verbreiteten Trommeln und Flöten.

Unterstützt werden sie dabei von Gästen aus Europa: von dem Rockmusiker Daman Albarn, bekannt als Sänger der Gruppe „Blur“ – er hat dieses Projekt mit der Gruppe „Africa Express“ auch angeschoben -, und mit dabei ist ebenfalls der Geiger und Dirigent André de Ridder.

So ernst die westafrikanischen Musiker Terry Rileys „In C“ nehmen – sie bringen von Anfang an ihre eigene Ideen mit ein, beginnen kreativ über Rileys Komposition zu improvisieren. Mit viel Freude am Austausch und an den Grooves einer Bewegung generierenden Musik.

Und was sagt der Komponist des Werkes, Terry Riley, dazu? Er ist begeistert. Er lobt das Projekt, alle musikalischen Freiheiten mit eingeschlossenen. „Regeln sind nicht so wichtig wie Resultate.“ Riley meint, die langweiligsten Versionen von „In C“ seien ohnehin jene, die sich streng an die Ersteinspielung von 1964 halten.

7) In C

Komponist: Terry Riley

Interpret: Africa Express

Label: Transgressive Records TRANS186CD

CD: Mali in C

Track 1, 4:10

„Africa Express“, Musiker aus Mali mit einem Ausschnitt aus ihrer 40minütigen Interpretation von Terry Rileys „In C“. Und irgendwie schließt sich da der Kreis: denn sind die Schöpfer der Minimal Music – Steve Reich und Terry Riley – nicht gerade auch durch afrikanische Musiken zu ihrer speziellen Art der Minimal Music inspiriert worden?

1993 verkündete Hank Jones, er wolle ein Album mit traditioneller westafrikanischer Musik aufnehmen. Der damals 75jährige Pianist, der zuvor mit fast allen Größen des klassischen Jazz gespielt hatte, erklärte dieses Projekt zur obersten Priorität.

Auslöser für diese Idee war seine Begegnung mit dem malischen Organisten , dem einstigen Keyboarder der „Super of Bamako“. Resultat: ihr gemeinsames Album „Sarala“.

Und mit welch großem Einfühlungsvermögen sich Hank Jones – der Meister des ultra-ökonomischen Jazzpianospiels – in die malische Mandingo-Musik hineinspielt, das dokumentiert er im Titelstück von „Sarala“. Damit geht die heutige Ausgabe von „Jazz across the border“ in der SWR2 Musikstunde zu Ende. Nach den Nachrichten folgt SWR2 Campus. Ihnen noch ein schönes Wochenende sagt Günther Huesmann.

8) Sarala

Komponist: Cheick Tidiane-Seck

Interpret: Hank Jones meets Cheick Tidiane-Seck

Label: Verve 528 783-2

CD: Sarala

Track 2, 5:17