Gustav Pauli Und Die Entstehung Des Modernen Galeriekataloges1
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Gustav Pauli und die Entstehung des modernen Galeriekataloges1 Christian Ring – (Hamburger Kunsthalle) Die wissenschaftliche Arbeit sowohl in den Mu- vom 01. bis 04. 09.1873 in Wien tagte, beschlos- seen als auch in den kunsthistorischen Instituten sen.6 Zu den Tagungsordnungspunkten gehörte der Universitäten ist ohne die Bestandskataloge eine Debatte über die Katalogisierung der Kunst- der Museen kaum möglich. Erst durch die umfas- sammlungen der Museen, die ebenfalls die Ge- sende Dokumentation des Bestandes der Samm- staltung der Ausstellungskataloge mit einbezog. lung wird diese für den Kunstverständigen oder Die teilnehmenden Kunsthistoriker aus Öster- Interessierten überschaubar, da meist ein Teil der reich, der Schweiz und Deutschland betonten die Sammlung in den Depots, sei es aus Platzgründen Notwendigkeit, die Kataloge der Kunstsamm- oder geringerem künstlerischem Wert, für den Be- lungen nach gleichbleibenden wissenschaftlichen sucher verborgen bleibt. Neben den Bestandskata- Grundsätzen zu systematisieren, da dieses An- logen gehören heute die Ausstellungskataloge zu liegen „gleichmässig im Interesse der Belehrung den wichtigsten Dokumenten des „Kunstbetrie- des Publicums, der Förderung der Kunst und der bes“. Beide bieten Informationen, die Forschung Kunstwissenschaft liegt und zugleich im wohl- und Bildung ermöglichen. Neben diesen beiden verstandenen Interesse Derjenigen ist, welche im Katalogarten gibt es für den interessierten Muse- Besitze von Sammlungen oder einzelnen Kunstge- umsbesucher kompakte Führer durch die Samm- genständen sind.“7 Als vorbildhaft waren die fran- lungen mit einer kurzen Erklärung der Geschichte zösischen Sammlungs- und Ausstellungskataloge des Museums, verbunden mit der Darstellung der bewertet worden. Der kunstwissenschaftliche Highlights und ihrer Einordnung in die Kunstge- Kongress empfahl die nach den folgenden Grund- schichte. Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, die sätzen durchgeführte Anordnung der Kataloge Standardisierung der Museumskataloge zu Be- der Gemäldegalerien: ginn des 20.Jahrhunderts, insbesondere unter dem Einfluss Gustav Paulis2, dem Direktor der 1. Der Name des Künstlers; Hamburger Kunsthalle von 1914 bis 1933, darzu- 2. Kurze Angabe der Lebensdaten und Lehrer; legen und einen Beitrag zur historischen Entste- 3. Charakteristische aber kurze Beschreibung hung der modernen Galeriekataloge heutigen Zu- des Werkes; schnitts am Beispiel der Hamburger Kunsthalle zu 4. Bezeichnung des Gemäldes, Angabe des liefern. Monogramms sowie Datierung; Die „Geschichte des Sammlungs- und Galerie- 5. Angabe der Provenienz sowie Restaurierun- kataloges im 18.Jahrhundert“ wurde bereits von gen; Thomas Ketelsen überzeugend dargelegt.3 Seiner 6. Literatur; Argumentation zustimmend folgend, hatten sich 7. Material; die ersten Sammlungskataloge strukturell aus den 8. Maße des Gemäldes in Metern.8 Inventaren der fürstlichen Sammlungen heraus entwickelt. Die Kataloge spiegelten die jeweilige Zusätzlich wurden für die Ausstattung der Kata- Ordnung der Gemälde in den einzelnen Räumen loge Empfehlungen gegeben: So sollte der Kata- der Galerie und bestimmten die Sehweise des Be- log erstens ein handliches Format haben, zweitens trachters und gaben „zugleich eine bestimmte eine durchlaufende Nummerierung vorhanden Lektüre vor, die für den Umgang mit den ausge- sein und drittens der Katalog entweder a) nach stellten Gemälden in den fürstlichen Galerien for- alphabetischer Ordnung der Künstlernamen, b) tan wesentlich sein sollte.“4 Der Katalog diente so- in kunstgeschichtlicher Folge oder c) nach den mit der Orientierungshilfe des Betrachters, sich Räumlichkeiten der Sammlung angeordnet wer- innerhalb der einzelnen Galerieräume zu infor- den.9 mieren und zugleich diese Ordnung mit seinem Die Ausstellungskataloge sollten neben dem eigenen Urteil kritisch zu überprüfen.5 Namen des Künstlers auch dessen Geburtsjahr Der Auftakt für eine Vereinheitlichung der Ga- und Ort, den derzeitigen Wohnort, seine Lehrer leriekataloge wurde bereits auf dem ersten inter- und Kunstschulen sowie die Preise, die er bekom- nationalen kunstwissenschaftlichen Kongress, der men hat, nachweisen. Zusätzlich sollten bei den 32 AKMB-news 2/2008, Jahrgang 14 Gustav Pauli und der moderne Galeriekatalog ausgestellten Werken eine Beschreibung des In- Amt als Direktor der Hamburger Kunsthalle, Gus- halts und das Jahr der Entstehung angegeben wer- tav Pauli, ein Kunsthistoriker, der von 1885 bis den.10 1889 Kunstgeschichte und Archäologie bei Hubert Vom Ende des 19.Jahrhunderts bis zu Be- Janitschek an der Universität Straßburg, bei Ja- ginn des 20.Jahrhunderts etablierten sich aus den cob Burckhardt in Basel und Anton Springer in fürstlichen Sammlungen die öffentlichen Museen Leipzig studiert hatte. Erst Pauli sorgte mit seinen heutigen Zuschnitts als Volksmuseen. Parallel ein- Bestandskatalogen der Gemälde alter und neuer her ging die Veränderung der Galeriekataloge, in Meister sowie der Katalogisierung der Sammlun- denen meist nach den Vorgaben der Wiener Kon- gen der Zeichnungen und Drucke des Kupfer- ferenz die Verwobenheit zwischen räumlicher und stichkabinetts in Form eines Zettelkastens und systematischer Ordnung aufgehoben wurde. In der Erfassung der Bibliotheksbestände erstmals der Folge entstanden eine Reihe von Katalogen un- für eine nachhaltige wissenschaftliche Basis für terschiedlichen Zuschnitts, die als Ordnungssys- die weitere Forschung. Pauli gelang während sei- teme entweder eine alphabetische Folge der Künst- nes Direktorates die Synthese, die Hamburger lernamen oder eine kunsthistorische Einteilung Kunsthalle als Volksbildungsstätte und wissen- nach Schulen verwendeten. Damit verlor der Ka- schaftliche Institution zu etablieren. Bei seinem talog seine Funktion als Orientierungshilfe zum Amtsantritt hingegen stand weder für die interes- Finden der Kunstwerke in den einzelnen Schau- sierten Besucher noch für das sachverständige Pu- sälen.11 blikum „Material“ zur Übersicht über die Samm- Mögliche Gründe für diese neue Systematisie- lung oder zum vertiefenden Einarbeiten zur rung der Galeriekataloge können in dem verän- Verfügung. So stellte Pauli umgehend eine Liste derten Verständnis vom Wesen und der Aufgabe mit den Vorhaben auf, die er in den kommenden des Museums als Volksbildungsstätte begründet Jahren zu realisieren plante. Dazu gehörte die Neu- sein. Der scheinbare Widerspruch, dass ja gerade auflage des Kataloges der neueren Meister, der in der neuen Form der Kataloge die Orientierung letzte, noch von Lichtwark verfasste Katalog aus für den Besucher schwieriger wurde, liegt in den dem Jahr 191014 war längst vergriffen, erstmals ein neuen verschiedenen Zielgruppen der Kataloge. Katalog der alten Meister sowie Kataloge der Auf der einen Seite verlangte das nun etablierte Sammlungen der Skulpturen, Medaillen und Pla- Fach Kunstgeschichte für den qualifizierten Ken- ketten.15 Die Realisierung dieser Pläne wurde ner Material für die weitere Forschung und auf der durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges stark anderen Seite bedurfte es neuer Medien für die behindert und verzögert. kunstinteressierte Bevölkerung, die nun aktiv an Die Hamburger Kunsthalle stand nicht allein bzw. vielmehr in das Museum durch pädagogische vor diesen Problemen, wie Curt Glaser16 1920 Vermittlung gebunden werden sollte. Die neu ver- berichtete: „Es war früher selbstverständlich, daß fassten Sammlungskataloge und Museumsführer der Museumsbesucher am Eingang einen um bil- zu Beginn des 20.Jahrhunderts spiegelten das Bild liges Geld erhältlichen Führer vorfand, der die dem des Aufbruchs und Werdens des Museums in sei- Laien unerläßliche Anleitung zum ersten Ver- nen unterschiedlichen Funktionen wider, ohne ständnis der Sammlungen bot. Wer weitere Beleh- aber bereits eine allgemeingültige und einheitliche rung suchte, konnte Spezialkataloge der einzelnen Fassung für die neuen Aufgabengebiete gefunden Sammlungen kaufen, und die Berliner Museen zu haben, denn die Forderungen der Wiener Kon- gaben überdies kleine Handbücher heraus, die ferenz von 1873 lieferten zwar Anhaltspunkte, wa- wichtige Gebiete der Kunstgeschichte unter be- ren aber gerade in Bezug auf die Systematisierung sonderem Hinweis auf die Stücke der Sammlung zu allgemein gehalten und für die definierten Ziel- selbst im Zusammenhang darstellten. – Von all gruppen nicht genügend differenziert. diesen ausgezeichneten Mitteln der Volksbildung Im Rahmen der Entwicklung zum Volksmu- ist heut [sic!] kaum noch etwas zu finden. Die al- seum, war Alfred Lichtwark12, Direktor der Ham- ten Auflagen sind vergriffen und Neubearbeitun- burger Kunsthalle von 1886 bis 1914, unbestrit- gen harren vergebens der Drucklegung, da es nicht ten der Protagonist, der theoretisch und praktisch möglich ist, die Bücher zu einem halbwegs erträg- das Programm des neuen Museums entwarf. In lichen Preise herzustellen.“17 Glaser sah weiter die seiner bereits viel zitierten Antrittsrede als Direk- Gefahr, dass die vor dem Ersten Weltkrieg begon- tor der Hamburger Kunsthalle schrieb Lichtwark: nene Arbeit für die Volksbildung nicht fortge- „Wir wollen nicht ein Museum, das dasteht und führt werden könne, trotz der weiter ausgebauten wartet, sondern ein Institut, das thätig in die pädagogischen Maßnahmen, wie die regelmäßi- künstlerische Erziehung unserer Bevölkerung ein- gen Führungen zu allgemeinen und Spezialthe- greift.“13 Während Lichtwark vor allem Pädagoge men in den Museen, denn das „gesprochene Wort und Lehrer war, er hatte nur wenige Semester übt eine andere Wirkung als das gedruckte Buch.