Radrennen Und Dauerfahrten in Der Oberlausitz
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Jens Bemme Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz Teil 3 einer ofenen Spurensuche Die Geschichte des Radfahrens in der Lausitz um 1900 ist noch nicht auserzählt. Re- gionale Radfahrer-Bünde sind nur ein Aspekt der Mobilitäts- und Sportgeschichte: LRB, OLRB, SRB, DRB, ARU und „Solidarität“ hießen damals die Radfahrer-Bünde, um nur einige zu nennen.1 Örtliche Radfahrervereine, die Fahrradproduktion, Handel und Reparaturwerkstätten und darüber hinaus die frühe Verbreitung des Fahrrads in der Ober- und Niederlausitz sind Aspekte, die weiter erforscht werden können. Radrennen und Dauerfahrten in der Oberlausitz sind Inhalt des vorliegenden Artikels, der einerseits einen Einstieg in neue Recherchen bietet und andererseits Quellen und Methoden für diese Art der Spurensuche diskutiert. Als Citizen Science (Bürgerwissenschaft) wird in jüngerer Zeit Forschung bezeichnet, die von Bürgerinnen und Bürgern geleistet wird – also nicht-professionelle Forschung von Laien. Es liegt nahe, die ersten beiden Etappen meiner Suche nach Oberlausitzer Spuren des Radfahrens aus der Perspektive Citizen Science zu betrachten, um Anstöße zu geben für die Forschung, neue Antworten zu fnden und die digitalen Werkzeuge in der Heimatforschung bekannt zu machen. Im Folgenden sollen die historischen Quellen der Geschichte und Geschichten in der Oberlausitz neu entdeckt und vielleicht auch vergessene Tourenverläufe mit dem Rad wieder selbst erlebt werden. Nicht unbedingt als Reenactment, also als Inszenierung regionalen Geschehens und vergangener Zeiten,2 sondern als Impuls für die Aneignung und Verknüpfung historischer Zusammenhänge. Man könnte gemeinsam mobil mit dem Fahrrad forschen. Radrennen sind vor diesem Hintergrund ein möglicher Ansatz, um regi- onale Mobilitätsgeschichte zu begreifen. Historische Radfahrerkarten und Tourenbücher können dabei helfen. Ich nenne diese Ansätze „Heimatforschung velo“. Quellen und Spurensuche Ausgangspunkt für erste, hier grundlegende Recherchen sächsischer Radrennen war die Akte „Fahrräder – Wett- und Preisfahrten ...“ im Stadtarchiv Freiberg3, in der Gesuche des Sächsischen Radfahrer-Bundes an Ministerien in Dresden archiviert sind. Am 1. Fe- bruar 1912 sandte der SRB aus Leipzig eine Bitte um Genehmigung an das Sächsische 1 Lausitzer Radfahrer-Bund, Oberlausitzer-Radfahrer-Bund, Sächsischer Radfahrer-Bund, Deutscher Radfahrer-Bund, Allgemeine Radfahrer-Union, Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“; vgl. Jens Bemme: Radfahrer-Bünde in der Oberlausitz. Fortsetzung einer Spurensuche im Jubiläumsjahr „200 Jahre Fahrrad“. In: Görlitzer Magazin 30 (2017), S. 82 f., https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-325797. 2 Vgl. Kat Jungnickel: Bike Bloomers, 2019, aber auch: 2012 Tribute to Wien-Berlin 1893, https://wienberlin.wordpress. com/about/. 3 Stadtarchiv Freiberg, Akte X. IX. 25, Fahrräder – Wett- und Preisfahrten (1909), URL: http://jensbemme.de/2017/11/ stadtarchiv-freiberg-akte-x-ix-25-wett-und-preisfahrten-1909/. 49 1 Postkarten zur Erinnerung an den 27. Bundestag des Deutschen Radfahrer- Bundes in Görlitz 1910 (Fotos: RAG) Ministerium der Justiz. Geplant war eine Tour „Rund um die Lausitz“ als Dauerfahrt für den 16. Juni 1912. Sie begann in Zittau, führte über Oderwitz, Neusalza, Oppach, Stei- nigtwolmsdorf, Neustadt, Stolpen, Radeberg, Pulsnitz, Kamenz, Königsbrück, Hoyerswerda weiter nach Bautzen, Löbau, Herrnhut zurück nach Zittau. Am 30. Juni 1912 folgte die nächste anspruchsvolle Tour „Rund durch Sachsen“, am 11. August 1912 „Zittau – Leip- zig“ und am 1. September die Fahrt „Rund durchs Vogtland“. Noch im gleichen Jahr, am 12. November, erging an das Ministerium der Justiz für das Jahr 1913 die Bitte um weitere Genehmigungen dieser Art. Am 8. Juni 1913 sollte die Strecke „Rund um die Lausitz“ stattfnden, am 20. Juli „Rund durch Sachsen“ und am 17. August „Zittau – Leipzig“. Für 1914 waren geplant die „Völkerschlachtsfahrt“ am 3. Mai 1914, „Rund durch Sachsen“ am 14. Juni 1914 (oder 12. Juni als Ausweichtermin), „Rund um die Lausitz“ für den 12. Juli 1914 (oder 14. Juli) sowie „Zittau – Leipzig“ am 30. August (oder 23. August). Diese Dokumente und Renntermine weckten Neugier. Es stellte sich auch die Frage, ob es in Sachsen Militärradfahrer gab. Die Organisation von Radrennen, Dauer-, Belastungs- und Zuverlässigkeitsfahrten war mit Gesuchen an die Königlichen Sächsischen Ministerien des Innern und der Finanzen bzw. der Justiz verbunden. Anfragen mit der Bitte um Beteiligung von Militärradfahrern wurden an das Sächsische Kriegsministerium gerichtet.4 Von Radrennen betrofene Hauptamtsmann- schaften erhielten diesen Schriftverkehr in Kopie. Am Beispiel der Akte „Fahrräder – Wett- und Preisfahrten (1909)“ des Stadtarchivs Freiberg können solche Anfragen und die behördlichen Antworten mit den entsprechenden Aufagen heute nachvollzogen werden. Sachsen-Rundfahrten und Radrennen, die aus Schlesien und aus der Oberlausitz in west- 4 Jens Bemme: Gab es in Dresden Militärradfahrer? Poster zum Geschichtsmarkt Dresden, 2018, https://nbn-resolving. org/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-333067. 50 licher Richtung verliefen, sind darin gut dokumentiert.5 Es ist zu vermuten, dass ähnliche Akten in anderen Stadtarchiven erhalten geblieben sind. Es kann vermutet werden, dass es ergänzende Dokumente oder Kopien auch in Akten des Sächsischen Staatsarchivs gibt. Weitere Quellen sind Preismedaillen. Sie sind besondere Zeugnisse der historischen Radrennen. Sie dokumentieren die ausgefahrenen Disziplinen, Platzierungen, die ausrich- tenden Radfahrerbünde, deren Bezirke oder Vereine, die Streckenlängen, gefahrene Zeiten und Renntage. Regionale Landschaftsmotive können die Gestaltung der Medaillen ergän- zen; für Details der jeweiligen Streckenverläufe fehlte dann unter Umständen der Platz.6 Unverzichtbar und recht einfach zu benutzen, sind heutzutage digitalisierte Zei- tungen und Jahrbücher. Lokalzeitungen, aber auch die Zeitungen der regionalen und überregionalen Radfahrerverbände sind hilfreiche Quellen für Termine, Ausschreibungen und Auswertungen von Vereinsveranstaltungen und Radrennen. Einige wurden bereits digitalisiert.7 Hinsichtlich der lokalen Radfahrgeschichte und beteiligten Personen sind zudem die Inserate von Werkstätten, Fahrradhandlungen und -fabriken nützlich. Für die Oberlausitz sind besonders die Deutsche Radler-Post des Lausitzer Radfahrer-Bundes8 und die Bundeszeitungen des Sächsischen Radfahrer-Bundes9 relevant. Noch ist unbekannt, wo weitere Exemplare der Lausitzer Radler-Post, der Nachfolgerin der Deutschen Radler- Post, existieren. Darüber hinaus bieten Jahrbücher für den Radsport der Jahrzehnte um 1900 biografsche Informationen herausragender Sportler, Rennstatistiken und Rekorde. Die jährlichen Alben der Rad-Welt und insbesondere die Handbücher des Lausitzer Radfahrer-Bundes sind dafür relevante Buchreihen.10 Vielleicht gab es ähnliche Publika- tionen des Oberlausitzer Radfahrer-Bundes. Aber auch die Rennstatistiken, die Ergebnislisten historischer Radrennen dokumen- tieren Siege, Platzierungen und Teilnahmen der Rennfahrer.11 Diese Listen enthalten die Namen und Austragungsorte der damaligen Rennen und bieten somit wertvolle Ansätze für vertiefte Recherchen in den Archiven, in Lokalzeitungen sowie im Internet. Die Dokumentation der Spurensuche Die bisherigen Artikel im Görlitzer Magazin mit historischem Radfahrerwissen der Oberlausitz konnten dank der unkomplizierten Zustimmung des Verlags Gunter Oettel bereits mit Open Access veröfentlicht werden. Qucosa, der Dokumentenserver der Säch- sischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), bietet für solche Publikationen die nötige Infrastruktur samt ihrer Verzeichnung und Erschließung in überregionalen Bibliothekskatalogen. Auf diese Weise können Forschungsergebnisse 5 URL: Stadtarchiv Freiberg (wie Anm. 3) 6 Vgl. Bemme (wie Anm. 1) S. 82–91. 7 SLUB Dresden: digitale Kollektion ‘Zeitungen’, https://digital.slub-dresden.de/kollektionen/143/. 8 Zeitschriften-Katalog (ZDB): https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=024734225. 9 Sächsische Radfahrer-Bundes-Zeitung, 1.1892, derzeit in Digitalisierung, https://katalog.slub-dresden.de/id/0- 1683807715/#detail. 10 Vgl. Handbuch des LRB 1925: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Lausitzer_Radfahrer-Bund sowie https://katalog.slub-dresden.de/id/0-1014916712/ (Handbücher 1932, 1933); Rad-Welt/ Sport-Album, z.B. https:// katalog.slub-dresden.de/id/0-168434237/#detail. 11 URL: Wielrenners en Wielrennen in de Groote Oorlog (1914–1918): https://renners-in-de-grote-oorlog.fandom. com/nl/wiki/Startpagina. 51 der Bürgerwissenschaften leicht elektronisch frei zugänglich gemacht werden.12 Weitere Werkzeuge sind die Portale der Wikimediagemeinschaften Wikipedia, Wikisource, Wi- kidata sowie die Stadtwikis in Görlitz und Dresden, um recherchierte Spuren und Daten zu veröfentlichen, zu verknüpfen und im Idealfall von Dritten zu ergänzen. Ein Nutzen von Wikidata-Datenobjekten für historisches Radfahrerwissen besteht darin, dass diese Forschungsdaten kollaborativ gesammelt, gepfegt, verknüpft und genutzt werden können. Das betrift Namen von Personen und Organisationen, Referenzen und bibliografsche Daten von historischen und zeitgenössischen Publikationen.13 2 Ausschnitt aus: Möller’s Radfahrer- Karten: Wien–Berlin, ca. 1908 (Foto: Deut- Dauer- und Belastungsfahrten sche Fotothek) Die Begrifswelt der frühen Rennfahrten ist vielfältig. Distanzritte, Bundes-Dauerfahrten, Belastungsfahrten, Zuverlässigkeitsfahrten, Bundesfernfahrt, „Rund durch ...“, „Rund um ...“ „Quer durch ...“ oder Straßenfernfahrt