MAGISTERARBEIT

Titel der Magisterarbeit „Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips“

Verfasser Bakk. Phil. Daniel Klug

angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.)

Wien, 2008

Studienkennzahl: 066 813 Studienrichtung: Soziologie Betreuer: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Musikfernsehen 4 2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm 4 2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz 6 2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens 7

3. Musikvideoclips 8 3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips 8 3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip) 9 3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips 10 3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip, Film und Fernsehen 11 3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik 13 3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips 14 3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile 15 3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips 16 3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen 18

4. Horror 19 4.1. Die Formen des Horrors 19 4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors 19 4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror 20 4.2. Der Horror im Film 22 4.2.1. Der klassische Horrorfilm 23 4.2.2. Der moderne Horrorfilm 24 4.3. Die Symbolik des Horrors 26 4.3.1. Themen und Motive 26 4.3.2. Gegenstände und Orte 27 4.4. Der Körper im Horror 29

4.5. Die Funktionen des Horrors 31 4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors 31 4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm 32 4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm 32 4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm 33 4.6. Mediale Gewalt(darstellungen) 35

5. Stand der Forschung 37 5.1. Gewalt in Musikvideoclips 37 5.2. Horror in Musikvideoclips 39

6. Musikvideoclipkorpus 41 6.1. Erstellung der Typologie 41 6.2. Beschreibung der erstellten Typologie 42 6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors 49

7. Analysemethode 52 7.1. Filmanalyse 52 7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips 52 7.1.2. Handlungsanalyse 53 7.1.3. Figurenanalyse 54 7.1.4. Analyse der Bauformen 55 7.1.5. Analyse der Normen und Werte 56 7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse 57 7.2.1. Grundlagen des Ansatzes 57 7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse 58 7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse 61 7.3. Deutungsmusteranalyse 62 7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage 62 7.3.2. Der Deutungsmusteransatz 63 7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer Deutungsmuster 65

8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips 68 8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 68 8.1.1. Filmanalyse 69 8.1.2. Symbolanalyse 75 8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 83 8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 84 8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ 89 8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 89 8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror 89 8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’: Der entdramatisierte Horror 91 8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus 97 8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ 100 8.2.1. Filmanalyse 100 8.2.2. Symbolanalyse 105 8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’ 116 8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip 118 8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’ 121 8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse 121 8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror 121 8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’: der sexualisierte Horror 123 8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus 127

9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips 130

10. Literaturverzeichnis 11. Abstract 12. Lebenslauf 13. Anhang

1. Einleitung

Auf Zusammenhänge von Horror als literarischem und filmischem Genre und Rock- bzw. Popmusik trifft man nicht erst auf der Ebene der Visualisierung von Musik, symbolische und begriffliche Verwendungen von Horror und ihm verwandten Begriffen und Mythen finden sich bereits in Namen von Bands und deren Alben. Gruppen wie oder Monstermagnet, die Alben ‚Monster’ von R.E.M. und ‚The Number of the Beast’ von sind nur allgemeine Verwendungen des Horrors. Das Album ‚Demon Days’ der Gorillaz und Bandnamen wie The Ghost Frequency und Phantom Planet spielen mit Metaphern und Symbolen von Geistern und Dämonen, auch Hexen, Vampire und Zombies lassen sich finden. So z.B. in den Bandnamen Lake of Dracula und White Zombie oder den Albumtiteln ‚The Witching Hour’ von Ladytron, ‚Stoner Witch’ der Melvins und ‚Zombi’ der Band Kante1. Dergleichen existieren Verwendungen moderner Horrorsymbole in Bandnamen wie The Killers, The Kills und dem Rapper Anybody Killa. Visualisierung von Horror als eine Form des Beiwerks zur Musik, wird oftmals stereotyp mit bestimmten Musikstilen in Verbindung gebracht. Fakt ist, dass ganze subkulturelle Musikstile existieren, die sich dem Horror in Form eines Images verschrieben haben, allgemein ist die Verwendung von Horrormythen und –symbolen auf der Bildebene von Musikvideoclips jedoch so vielfältig, dass sie keinem bestimmten Musikstil zugeordnet werden kann. Des Weiteren müssen KünstlerInnen und Bands auf Grund einer begrifflichen Verwendung von Horror nicht zwangsweise auch in ihrem Image oder in den Themen und Aussagen ihrer Songs dem Horror nahe stehen. Bei Albumtiteln, die Horrorbegriffe beinhalten, muss es sich auch nicht um Konzeptalben zum Thema Horror handeln, wie es beispielsweise bei dem Album ‚Ein kleines bisschen Horrorshow’ von Die Toten Hosen der Fall ist. Ebenso lassen sich auch Songs wie z.B. ‚Hammer Horror’ von Kate Bush, ‚Zombie’ von The Cranberries, ‚Monsters’ der Gruppe Something For Kate oder ‚The Horror’ von RJD2 finden, die Horrorbegriffe nur im Titel oder als horrorfremdes Schlagwort im Text nutzen. Für die Verwendung von Horrormythen und Horrorsymbolen auf der Bildebene von Musikvideoclips gelten ähnliche Voraussetzungen. Beinhaltet der Songtext oder auch nur der Titel eines Songs manifeste oder latente Horrorsymbole, so bedingt dies

1 vgl. http://www.indiepedia.de/index.php/Horror 1 noch nicht deren Visualisierung im Videoclip. Viel wesentlicher und interessanter ist aber, dass Musikvideos in umgekehrter Weise Horror visualisieren ohne dass der Song oder die InterpretInnen direkten Anlass dazu geben würden. Da somit für die Visualisierung von Horror auf der Bildebene des Musikvideos keine grundlegende Orientierung an Musik, Text oder Image gegeben ist, ist die Frage der vorliegenden Arbeit, welche Funktion die Inszenierung von Horror in Musikvideoclips verfolgt und welche Form der Horror dabei annimmt. Aus einer wissenssoziologischen Perspektive heraus stellt sich zu dem die Frage, auf welche kulturellen Wissensgrundlagen und Objektivationen die Visualisierung von Horrormythen in dem populärkulturellen Medium Musikvideo zurückgreift. Wie in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit aufgezeigt wird, besitzt das Musikvideo eine inhaltliche und strukturelle Spezifik, die wesentlichen Einfluss auf die thematischen Verwendungen auf der Bildebene nimmt. Die Erzählung und die Symbolik des Horrors müssen den vorgegebenen Strukturen des Videoclips untergeordnet werden, gleichzeitig aber noch in irgendeiner Form ihre Wirkung erzielen. Das Verständnis der Verwendung von Horror in einem populärkulturellen Medium wie Musikvideos gründet sich dabei nicht nur auf das Verständnis visueller Symbole, sondern auch auf die begriffliche Verwendung im Alltag, in der verschiedene Dinge und Ereignisse in sozialen und kulturellen Bereichen als Horror empfunden werden können. So hebt sich der Horror innerhalb jener alltäglichen Begebenheiten ab, da er Dinge bezeichnet, die außerhalb des für möglich gehaltenen liegen, aber trotzdem eintreten. Dabei deutet der Horror jedoch nur innerhalb des Vorstellbaren an, was er eigentlich ist, nämlich das Unvorstellbare. In der Populärkultur kann der Horror nicht ohne Weiteres seine schreckliche, gruselige und ekelerregende Funktion ausüben, da sein formales Erscheinungsbild als Unterhaltungsaspekt überwiegt. Er muss einem relativ einheitlichen ästhetischen Schema folgen, über das er in die Populärkultur Eingang finden kann. Durch eine abgeschwächte Form, die nicht auf den unvorstellbaren Schrecken des Horrors verweist, kann dieser im Zusammenhang mit populärkulturellen Produkten verwendet werden. Für das mediale Format des Musikvideoclips kann ein ähnliches Zusammenspiel der vorgegebenen Strukturen mit dem inhaltlichen Fokus Horror angenommen werden. Welche Formen und Funktionen der Horror in der

2 Inszenierung im Musikvideoclip annehmen, beibehalten oder auch erzeugen kann, soll in der vorliegenden Arbeit beispielhaft erläutert werden. Zunächst wird im Theoriekapitel die Entstehung des Musikvideoclips im Rahmen des Musikfernsehens dargestellt und die Bedingungen dieses medialen Zusammenwirkens erläutert. Auf dieser Grundlage werden die strukturellen Eigenschaften des Musikvideos und die Möglichkeiten der Kategorisierungen in bezug auf ihre Inszenierung im Musikfernsehen aufgezeigt. Im Anschluss daran stellt das Kategorisierungsmodell von Altrogge die theoretische Grundlage dieser Arbeit dar. Als nächstes wird auf den Horror als Bestandteil der Phantastik eingegangen und ein Überblick über seine filmischen Ausprägungen gegeben, bevor mit der Beschreibung der wichtigsten Horrorsymbole und –mythen die theoretische Grundlage für die spätere Analyse gelegt wird. Diese Grundlage wird durch die Funktionen des Horrors im Film spezifiziert und die Verbindung zum Gewaltbegriff geschaffen, der das theoretische Fundament der Arbeit komplettiert. Die Darstellung des Forschungsstands zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips bildet den Übergang zur methodischen Vorgehensweise der Arbeit. Zuvor wird der Musikvideoclipkorpus als empirische Basis für die anschließende Analyse beschrieben und aufgearbeitet. Die gewählte Methodenkombination besteht zunächst aus der Filmanalyse nach Faulstich in Anpassung an Musikvideoclips. Zusammen mit der Bildinterpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm, ebenfalls an den Analysegegenstand des Musikvideos angepasst wird die Grundlage für eine anschließende Deutungsmusteranalyse aus wissenssoziologischer Sicht geschaffen. Auf Basis dieser Methodenkombination werden aus dem beschriebenen Korpus an Musikvideoclip die Clips zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas beispielhaft analysiert und anschließend wieder im Gesamtkorpus verortet.

3 2. Musikfernsehen

Bei der Beschäftigung mit Musikfernsehen und seinen Inhalten fällt recht bald auf, dass mehrere Begriffe verwendet werden, die eigentlich das selbe meinen: Musikvideoclip, Musikvideo, Videoclip, Musikclip oder auch nur Clip oder Video. In der vorliegenden Arbeit sollen diese Begriffe gleichbedeutend verwendet werden, mit dem Hinweis auf den Terminus Musikvideoclip als die semantisch korrekteste Bezeichnung. Aus wissenschaftlicher Sicht die Frage, ob es sich bei Musikfernsehen um Avantgarde oder Massenkultur handelt, um dieser Frage nachgehen zu können sind Videoclip und Musikfernsehen getrennt voneinander zu betrachten2.

2.1. MTV: Geschichte, Struktur, Programm

Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Musikvideos kann nicht ohne die des Musikfernsehens betrachtet werden, gleiches gilt für die umgekehrte Blickrichtung. Musikfernsehen und Musikvideos sind unweigerlich miteinander verbunden. Als Geburtsstunde des Musikfernsehens wird gemeinhin der offizielle Sendestart von MTV am 1.August 1981 bezeichnet3, durch den sich in der Folge bis heute zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Musik, Fernsehen, Musikfernsehen und Werbung ergaben. Die erfolgreichen Grundlagen einer umfassenden Visualisierung von Popmusik wurden aber schon in den TV-Shows der 1970er Jahre gelegt, in denen Musik verstärkt in Verbindung mit Werbung oder Show-Jingles auftrat4 und in denen bereits so genannte ‚Promotional Clips’ zur unterstützenden Vermarktung der ‚radio stars’ liefen. Die für das Fernsehen produzierten Videoclipsendungen fanden zunächst keinen großen Zuspruch, trotzdem stieg die Anzahl der produzierten Videoclips zu Beginn der 1980er Jahre enorm an5. Ein Grund dafür waren die veränderten (Re- )Produktionsmöglichkeiten von Musik durch künstlich erzeugte Computer- und Synthie-Sounds, welche durch den Wegfall der klassischen Bedienung die Inszenierung der MusikerInnen als Stars und PerformerInnen hervorgehoben6. Diese oftmals sehr technisch konzipierte Musik hatte starken Einfluss auf die Entstehung

2 vgl. Neumann-Braun;Schmidt 1999, S.9f 3 vgl. Schmidt 1999, S.101 4 vgl. ebd., S.94 5 vgl. Rötter 2000, S.265 6 vgl. Schmidt 1999, S.95f 4 von Musikvideos, da sie in Live-Performances teils nur schwer oder aufwendig wiederzugeben war. Die Folge war das Musikvideo, das die musikalische Verfügbarkeit in visualisierter Form als Erweiterung des Live-Konzertraums vorantrieb7. Das in den 1980er Jahren aufkommende Kabel- und Satellitenfernsehen mit einer Vielzahl an Sendefrequenzen, die fallenden Umsätze der Plattenindustrie, die fehlende Präsentationsform für Popmusikclips und deren Funktion eines Werbemediums sprachen für die Gründung von MTV8. Zu Beginn war der Sender einerseits von den gewinnorientierten, ökonomischen Erwartungen an ihn geprägt, andererseits von der noch geringen Anzahl und Verfügbarkeit von Musikclips9. Das Ziel von MTV war von Anfang an, die beiden jugendkulturellen Aktivitäten fernsehen und Musik hören zu kombinieren und den Sender dadurch zu einem tonangebenden jugendkulturellen Medium werden zu lassen. „In this sense, MTV may be viewed as crossing over from traditional middle- class values transmitted by TV to youth culture values traditionally associated with rock music themes.“10 Der entscheidende Erfolg war dabei vor allem das auf die jeweilige Sendung abgestimmte Styling, das vom Senderlogo, über das Studiobild bis zur Kleidung der VJs reichte und das als Träger jugendlicher Lebensgefühle eingesetzt wurde11. In den Anfangsjahren entwickelte MTV das sogenannte ‚flow-Prinzip’ als eine auf der Wiederholung von Videoclips basierende Programmgestaltung, die jedoch um 1985 begann uninteressant zu werden. Die Folge war die Konzeption von ‚spezial interest’- Sendungen, d.h. zum einen von Formaten, die sich auf bestimmte Musikstile und folglich Lebensstile konzentrierten, zum anderen wurden auf das jugendkulturelle Image abzielende, videoclipfremde Sendungen entwickelt. Eine der ersten Spartensendungen war die Fashion-Sendung ‚House of Style’, die bereits das neue Konzept von MTV andeutete: die spezifische televisuelle Umsetzung spezifischer Sendungsinhalte in Abstimmung mit darauffolgenden Werbespots12, bis heute folgte eine Vielzahl neuer, zum Teil richtungsweisender Formate wie ‚The Real World’ oder ‚Beavis and Butt-Head’. Die in den 1980er Jahren aufgebaute Monopolstellung konnte MTV durch Werbeverträge, Medienkooperationen und Entwicklung

7 vgl. Rötter 2000, S.265 8 vgl. Schmidt 1999, S.96ff 9 vgl. ebd., S.104f 10 Greeson; Williams 1986, S.179 11 vgl. Linden 2004, S.207f 12 vgl. Caldwell 2002, S.179f 5 kontinentaler und nationaler Ableger bis heute gegenüber anderen aufkommenden Musiksendern weitestgehend erfolgreich verteidigen13, dennoch gab es immer wieder Versuche konkurrenzfähige Musiksender aufzubauen14.

2.2. VIVA: Der Versuch einer Konkurrenz

Im deutschsprachigen Raum startete am 01.12.1993 der Musiksender VIVA, dessen Gründung zum einen die neue freie Sendefrequenz ermöglicht wurde, zum anderen hatte die Tonträgerindustrie in Deutschland verstärktes Interesse der befürchteten Allmachtsstellung von MTV entgegenzuwirken15. Das Problem von VIVA war von Beginn an der ästhetisch etablierten Marke MTV oppositionell entgegentreten zu können. Ein Vorteil lag zu Beginn in der selbstauferlegten ‚germanischen Quote’ der Programmgestaltung, die vorgab, dass die Clips zu 40% aus deutschen Titeln bestehen sollten. Diese anfängliche Konzentration auf deutsche KünstlerInnen, deutsche Musikszenen und Musik-Events war zunächst erfolgreich16, kollidierte jedoch schon bald mit den Interessen der angestrebten Zielgruppe der 14- 29jährigen17. Ein weiterer Kontrastpunkt zu MTV stellte der bewusste Einsatz nicht- professioneller ModeratorInnen dar, die für Publikumsnähe und Authentizität sorgen sollten18. VIVA war von Beginn an bemüht sich als Marke zu etablieren und setzte dabei auf ein On-Air-Design, das mit seiner Plakativität der Verspieltheit des MTV- Designs entgegen wirkte19, zu dem wurde mit dem Sendebeginn von VIVA2 am 21.03.1995 eine interne Alternative zu dem mittlerweile entstandenen Mainstream- Programm von VIVA angestrebt, die sowohl die Zielgruppe der bis 49jährigen ansprechen als auch Musikacts abseits des Mainstream fördern sollte20. Der ökonomische Druck wurde jedoch spätestens ab 2004 zu groß, MTV machte mit musikfernen ‚Trash-Fernsehen’ gute Quoten und VIVA musste mitziehen. Das Ergebnis war die Aufgabe von Formaten wie ‚Fast Forward’, die ehemals Aushängeschilder des Senders waren, und der Ankauf von qualitativ minderwertigen

13 vgl. Schmidt 1999, S.111ff 14 vgl. Linden 2004, S.210f 15 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999, S.137ff 16 vgl. Langhoff 1999, S.233f 17 vgl. Hachmeister; Lingemann 1999S.142ff 18 vgl. ebd., S.150 19 vgl. ebd., S.161f 20 vgl. ebd., S.153f 6 Reality-TV-Formaten21. Bereits 2002 wurde VIVA 2 in den Popsender VIVA Plus umgewandelt, der 2007 eingestellt wurde, 2004 wurden die Mehrheitsanteile der VIVA-Gruppe von dem Konzern Viacom erworben, dem auch die internationale MTVGroup gehört22. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Musikfernsehen durch diese Entwicklungen einschneidende Veränderungen durchlaufen hat.

2.3. Die Präsentation von Videoclips im Rahmen des Musikfernsehens

Das Besondere und Neue an MTV war die Loslösung des Musikvideos aus der Präsentation in einer geeigneten Show eines Fernsehsenders und die Einbettung und Etablierung als Hauptprogrammelement in einen eigens dafür vorgesehenen Fernsehsender. Dadurch fiel aber auch die spezielle Hervorhebung und Präsentation der Musikvideos in einer Sendung weg und neuartige Konkurrenzsituationen wurden geschaffen23. Zu beachten ist, dass MTV von Anfang an die strategische Speerspitze im internationalen Konkurrenzkampf verschiedener Medienkonzerne war. Daher könnte man meinen, „MTV existiert nur, weil es der Industrie umsonst Werbezeiten einräumt, (...) VIVA existiert nur, weil die Industrie sich einen Werbesender für der Welt drittgrößten Popmarkt wünschte“24 und der Erfolg bestimmter Bands ist weniger eine Frage des eigentlichen Produkts, sondern das Resultat der Strukturen und Dynamiken der Musikindustrie25. Die Frage ist dann, ob MTV und VIVA eine Möglichkeit darstellen, sich umfassender mit Popkultur zu befassen oder führen die von MTV geschaffenen ökonomischen Strukturen eher zu einem generellen Qualitätsverlust des Begriffs der Populärkultur26. Im Produktionskontext von Musikvideos stellt sich zu dem die Frage, ob Popmusikclips und Musikfernsehen getrennt voneinander betrachtet werden können, wo doch das Musikfernsehen das Forum ist, in dem Musikvideoclips gespielt oder nicht gespielt werden27.

21 vgl. Niggemeier 2004 22 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/VIVA#Geschichte 23 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.66ff 24 Langhoff 1999, S.232 25 vgl. Schmidt 1999, S.93 26 vgl. Langhoff 1999, S.239f 27 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.68 7 3. Musikvideoclips

3.1. Die Geschichte des Musikvideoclips

Die Visualisierung von Musik und musikalischen Auftritten der InterpretInnen ist im Prinzip genau so alt wie die technischen Möglichkeiten dieses Unterfangens, so können die ‚Soundies’ der 1940er Jahre ebenso als Vorläufer von Musikvideoclips gesehen werden wie auch das französische ‚Scopitone’ aus den 1960ern28. Mit Live- Auftritten von Bands in den Late-Night-Shows der 60er Jahre und mit Musikfilmen der Beatles, der Rolling Stones und der Monkees wurden weitere Schritte in Richtung des heutigen Musikvideos gemacht. In den 1970er Jahren gingen die Psychadelic- Bands dazu über ihre Musik bei Auftritten durch große, pompöse Bühnenbilder zu visualisieren und dies in entsprechenden Musikfilmen umzusetzen, die allesamt als Wegbereiter des heutigen Musikvideos gesehen werden können29. Von vielen wird Queens ‚Bohemian Rhapsody’ (1975) als das erste richtige Musikvideo gesehen, enthält es doch z.B. Techniken der Heroisierung der Künstler und technische Mittel zur visuellen Variation30. Die Entstehung dieses Videoclips war eher technischer Natur, denn auf Grund der Komplexität der Komposition war es damals kaum möglich das Stück live wiederzugeben, um es der großen Fangemeinde trotzdem ‚aufzuführen’ wurde es in die Form eines Performance- Videoclips gebracht31. Dem heutigen Verständnis der Inszenierung und Struktur von Musikvideos kommen die Clips von Lasse Hallström zu den ABBA-Songs ‚Mamma Mia’, ‚Bang-a-boomerang’ und ‚SOS’, alle aus dem Jahr 1975 bereits relativ nahe, der Clip zu ‚Knowing Me, Knowing You’ von 1977 arbeitet bereits mit einer ausgeklügelten Choreografie und dem stilprägenden Outfit von ABBA32. Die Produktion und die Distribution von Videoclips unterliegen den Plattenfirmen und sind als Promotion an der Popularität der beworbenen KünstlerInnen orientiert. Das Programm des Musikfernsehens lebt von den gratis gestellten Videos, die Plattenindustrie nutzt im Gegenzug das Musikfernsehen als Werbefläche. Konfliktpunkte entstehen in Unvereinbarkeit der jeweiligen ökonomischen Interessen: die Musikindustrie will neue Acts aufbauen und etablieren, MTV will hohe

28 vgl. Rötter 2000, S.261ff 29 vgl. ebd., S.263f 30 vgl. ebd., S.264 31 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.61 32 vgl. ebd., S.62ff 8 Einschaltquoten erzielen33. Der Videoclip hat also populärkulturellen Gebrauchswert und Werbefunktion zugleich, die er jedoch verschleiert. Die Werbung wird so kulturell aufgewertet, allerdings verleugnen Musikvideos als postmoderne Kunstwerke auch nicht die Verknüpfung von Kunst und Kommerz34. Die Entstehung eines Videoclips unterliegt oftmals konkreten Vorgaben und strenger marktwirtschaftlicher Kontrolle durch die Plattenfirmen, die sich an bereits produzierten und in heavy rotation laufenden Clips orientieren um möglichst oft auf MTV gezeigt zu werden35. In den 1980er Jahre war ein Höhepunkt erreicht: „Werbung und Programm erfuhren eine ästhetische Annäherung und fielen im Fall MTVs gar gänzlich zusammen: Clips bewerben Songs, Spot bewerben Waren und Jingles den Sender selbst.“36 Es gibt daher nur wenige KünstlerInnen die bezüglich ihren Musikvideos stilistische Freiheiten genießen und trotzdem Erfolge verzeichnen können37. Erst Ende der 1990er Jahre werden VideoclipregisseurInnen wie Chris Cunningham, , Spike Jones, Floria Sigismondi oder Jonathan Glazer mit ihren kunstvollen Clips an Stelle der MusikerInnen selbst zu den ‚heimlichen’ Stars des Musikfernsehens. Musikvideos finden ihren Weg zu den Kurzfilmtagen in Oberhausen und auf DVDs, die RegisseurInnen und nicht MusikerInnen gewidmet sind38. Speziell Chris Cunningham oder Michel Gondry schufen Videoclips zu Liedern, die ohne die Clips vielleicht nie einer breiteren Masse bekannt geworden wären, so verbindet man mit Björks ‚All Is Full Of Love’ oder Aphex Twins ‚Come To Daddy’ automatisch den Videoclip und weniger das Lied als singuläres Kunstwerk39.

3.2. Definition(en) von Musikvideo(-clip)

Bevor in den folgenden Kapiteln die inhaltlichen und formalen Strukturen von Musikvideoclips und die Möglichkeiten ihrer Klassifikationen dargestellt werden, stellt sich ganz allgemein die Frage ihrer Definition. Zu Beginn der Musikvideoclipforschung in den 1980er Jahren entstanden erste strukturelle Definitionen wie die von Bennett/Ferrell: „For the moment, music videos can be

33 vgl. Schmidt 1999, S.116f 34 vgl. Busse 1996, S.4f 35 vgl. Schmidt 1999, S.121 36 ebd., S.129 37 vgl. ebd., S.118ff 38 vgl. Karnik 2005, S.78f 39 vgl. ebd., S.82 9 understood as popular artistic works that depend upon electronic technology to synchronize the recording of sounds and sights, and that are distinguished from other video works by the criterion that their sound track is a complete musical performance.”40 Greeson/Williams definieren Musikvideos hingegen aus dem Blickwinkel der jugendkultureller Rezeption: „Music videos are designed to appeal to adolescent audiences, combining the impact of television with the sounds and messages of youth transmitted through popular music.”41 Gerade in bezug auf den transportierten Inhalt entwickelten sich auch schnell kritischere Sichtweisen, so meint beispielsweise Weibel, dass Musikvideos weder Musik noch Video bzw. Bild sind, sondern nur Simulationen dessen, die von der Medienindustrie hergestellt werden, um der Rock- oder auch der Popmusik ein Erscheinungsbild zu verleihen. Musikvideos stellen diese Tatsache als Inszenierung offen zur Schau, in dem sie lustvoll auf bekannte Bilder aus dem Fundus der Mediengeschichte verweisen und diese zitieren42. Eine genauere strukturelle und inhaltlich neutrale Definition findet sich bei Neumann-Braun/Schmidt: „Videoclips sind in der Regel drei- bis fünfminütige Videofilme, in denen ein Musikstück (Pop- und Rockmusik in allen Spielarten) von einem Solointerpreten oder einer Gruppe in Verbindung mit unterschiedlichen visuellen Elementen präsentiert wird.“43

3.3. Funktionen und Struktur von Musikvideoclips

Musikvideos verbinden die beiden populären Medien Fernsehen und Musik (im Sinne von Tonträgern), ihre sprachlichen und visuell gestalterischen Aspekte haben in relativ kurzer Zeit zu einer eigenen Ästhetik des Musikvideoclips geführt. Auf die Bildästhetik hatten die angesprochenen Musikfilme ebenso wie der Werbefilm bedeutenden Einfluss44, auf musikalischer Ebene ermöglicht die Künstlichkeit der Popmusik eine vollkommen neue ästhetische Nutzung des Mediums Musik in visualisierter Form. Popmusik wird nun als visuelles Gesamtkonzept im Videoclip dargestellt und dieser dadurch zu der maßgebenden popkulturellen Ausdrucksform von Popmusik45. Musikvideoclips sind populär, auch wenn sie die Konventionen der

40 Bennett;Ferrell 1987, S.345 41 Greeson;Williams 1986, S.179 42 vgl. Weibel 1987, S.274 43 Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.10 44 vgl. Kurp et. al. 2002, S.43ff 45 vgl. ebd., S.49 10 realistischen Ästhetik verletzen und ihre eigne Künstlichkeit offenbaren. Ihre ästhetische Komplexität gründet sich auf folgenden Merkmalen: 1. der Beschleunigung im Sinne der gesteigerten Anzahl von Schnitten; 2. den assoziativen Bildern, d.h. dem Fehlen der für Fernsehen und Kino typischen Erzählcodes wie Linearität und Illusionismus, Videoclips enthalten hingegen „(...) mehrere assoziativ verbundene Schichten von Bildebenen und Bedeutungen (...)“46; 3. der Selbstreferenz, d.h. es wird z.B. auf den Gegenstand des Videos selbst Bezug genommen, die Videoproduktion oder Gegenstände einer Filmproduktion gezeigt, der Sender MTV thematisiert oder die ZuschauerInnen bewusst auf ihre Rolle als RezipientInnen aufmerksam gemacht; 4. den Clips als postmoderne Kunstform, denn in Videoclips werden Hoch- und Populärkultur entdifferenziert, die zeitlichen Grenzen werden in der Rezeption durch das dauerhafte und wechselweise Senden von Clips aufgehoben, außerdem nehmen die Videoclips selbst starke Anleihen in der (Bild-)Geschichte des Films47. Der Musikvideoclip lässt sich strukturell in die drei Ebenen Bild, Text und Ton untergliedern. Text und Ton haben im Musikvideo eine basale ordnungsstiftende Funktion, die durch die Stilistik des Bildes ergänzt wird. Bilder können zu Musik und Text zunächst frei in Verbindung gesetzt werden, jede der Ebenen Bild, Text und Ton kann aber auch eine eigene Geschichte erzählen, die sich gegenseitig ergänzen, verstärken, hemmen oder widersprechen können48. Die Bezüge von Bild, Text und Ton zueinander sind dabei nicht hierarchisch angelegt, sie müssen auch nicht nur von einem einzigen Motiv ausgehen, vielmehr greifen die Ebenen ineinander und können jede für sich von einem oder mehreren Elementen beeinflusst werden49. Im Musikvideoclip stehen sich Bild, Text und Ton gleichberechtigt gegenüber, dadurch unterscheiden sie sich vom (Spiel-)Film und restlichen Fernsehformaten.

3.3.1. Die Bildebene als Wechselwirkung zwischen Musikvideoclip, Film und Fernsehen

„Die Bedeutung einzelner Bilder wird im Film in der Regel in der übergeordneten Bildfolge und diese wiederum im Zusammenspiel mehrerer Bildfolgen aufgehoben.

46 Winter; Kagelmann 2002, S.211 47 vgl. ebd., S.210ff 48 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.20ff 49 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.97 11 Aber gilt dies auch für Musikvideos?“50 Im Musikvideo folgen die Bilder auf die Musik, was, die Musik zur Grundlage der Bilder macht und die weitere Frage aufwirft, ob die filmische Kontexterwartung bezüglich der Darstellung im Videoclip ebenso zutrifft wie im Film oder ob die Bilder zwar als Fragmente aneinandergereiht aber nicht zu einer Bedeutung verbunden werden51. Für ein Verständnis allgemein gültiger Themen müssen sich im Musikvideo Bildzeichen und Bildaussage stark decken, es sei denn die Bilder erklären sich z.B. aus dem Songtext heraus, der durch sie illustriert wird. Andererseits können im Musikvideo die Bilder entgegen dem Film auch Situationen darstellen ohne einen Kontext mit dem restlichen Bildgeschehen erzeugen zu müssen52. Musikvideos greifen dabei auf das komplette historische Bildgedächtnis einer Gesellschaft zurück, alles bildförmige kann unabhängig vom Inhalt verwendet werden53. Zusammen mit Schlüsselwörtern im Songtext können die Bildtexte Schlüsselszenen erzeugen, die jedoch keine Makrobedeutung aufweisen müssen, sondern lediglich als Kombination von Text und entsprechendem Bild verstehbar sein müssen. Eine Verbindung von Musikvideoclip und Film und Fernsehen besteht dennoch in zwei Aspekten: zum einen geht der Videoclip historisch aus dem Fernsehen hervor, wodurch er Motive, Typiken und Erzähltechniken des Fernsehens aufgreift, erweitern und modifizieren kann, zum anderen können im wesentlich kürzeren und ‚schnelleren Format’ des Videoclips Techniken erprobt werden, die dann wiederum Eingang in Formate von Film und Fernsehen finden können54. Ein Beispiel ist das technische Verfahren des ‚Morphing’, mit dem im Videoclip experimentiert wurde, den umgekehrten Weg hat die Technik des Split-Screen-Verfahrens durchlaufen, die aus dem Fernsehen kommend auch im Videoclip verwendet wird. Mittlerweile lassen sich auf der Bildebene auch dramaturgische Wechselwirkungen zwischen Film und Videoclips erkennen. Musikvideos arbeiten vermehrt mit kurzen Anspielungen auf bekannte Filme und Filmszenen, auch wenn die filmischen Zitate im Videoclip zur Erzeugung visueller Wiedererkennungswerte oftmals komplett aus dem ursprünglichen Sinnzusammenhang der Vorlage gerissen werden55. So dient den Spice Girls in ‚Spice Up Your Life’ (1997) das Setting von ‚Blade Runner’ (1982) als

50 Altrogge 2001 (I), S.119 51 vgl. ebd., S.119f 52 vgl. ebd., S.122ff 53 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204 54 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.167 55 vgl. ebd., S.168f 12 Vorlage, Farin Urlaub stellt in ‚Sumisu’ (2001) Szenen aus ‚Nosferatu’ (1922) nach und die Videos von Jennifer Lopez zu ‚I’m glad’ (2003) und Geri Halliwells ‚It’s Raining Man!’ (2001) adaptieren beide die Vortanzszene aus ‚Flashdance’ (1983)56.

3.3.2. Die Tonebene in Unterscheidung zur Filmmusik

Wie bereits erwähnt, stellt der Song die produktionstechnische Basis für das Musikvideo dar, daher ist die Unterscheidung der Tonebene von Musikvideos und Filmmusik eine wesentliche Grundlage für Analyse und Interpretation. „In Videoclips (...) ist die Musik bereits eine vorausgesetzte Größe, auf die die Visualisierung folgt, im Unterschied zum Film, der sich nachträglich der Musik als einem Element der Vertonung bedient.“57 Des Weiteren steht die Musik im Film eher begleitend im Hintergrund, während sie im Videoclip eine tragendere, strukturierendere und vordergründigere Rolle einnimmt58. Dadurch entsteht ein Zusammenspiel von Bild und Ton, das sich auch in der Rezeption wesentlich vom Film unterscheidet: „Beim Spielfilm fungiert in der Regel die Musik als Ergänzung zur Bild- und Handlungsfolge, beim Videoclip dagegen eröffnet die optische Ebene zur Musik den Einstieg in illustrative, situative, narrative und/oder assoziative Bildwelten.“59 Hinzu kommt, dass die Musik bereits bildhafte Vorstellungen auslösen kann, die in Form eines Musikvideoclips fortgeführt, erweitert oder ergänzt werden können. Eine Synthese von auditiver und visueller Ebene wird im Videoclip am einfachsten über eine Orientierung an der Rhythmik erreicht, das Zusammenspiel von Bild und Ton im Musikvideo ist jedoch vom Blickwinkel abhängig. Je nachdem erscheinen entweder die Bilder oder die Musik gegenüber dem anderen als passend oder unpassend. Setzt man dies aber in den Produktionskontext von Musikvideos, in welchem die zuerst entstandene Musik die Strukturen vorgibt, so trifft diese Unterscheidung eher auf die Bildebene zu60.

56 vgl. Keazor; Wübbena 2005, S.175 57 Altrogge 2001 (I), S.15 58 vgl. Behne 59 Rösing 2003, S.17 60 vgl. Altrogge 2001 (I) S.237ff 13 3.4. Kategorisierung von Musikvideoclips

Mit der Entstehung und Etablierung von MTV stieg auch das wissenschaftliche Interesse an Musikvideoclips. Schon zu Beginn zeigte sich die Notwendigkeit die steigende Zahl an Musikvideoclips ästhetisch, inhaltlich und strukturell in Kategorien und Typologien fassbar zu machen. Erste Versuche der Kategorisierung finden sich im Artikel ‚ and the Spectator – Television Ideology and Dream’ (1984) von Marsha Kinder. Ausgehend von der strukturgebenden Funktion der Musik unterscheidet sie drei Formen von Musikvideos: ‚Performance’ im Sinne abgefilmter oder nachgestellter Musikaufführung, ‚Narrative Visuals’, die ähnlich eines Minifilms bildliche Parallelen zu Filmgattungen herstellen und ‚Dreamlike Visuals’, in denen die Bilder ähnlich Traumbildern die Wahrnehmung des Tons hervorheben sollen61. In ‚Rock Video: Synchronizing Rock Music and Television’ (1985) unterteilt Margaret Morse mit Bezug auf die Möglichkeit der persönlichen Aneignung ungeordneter Bilderfolgen Musikvideos in ‚Performance’, ‚Narrating’ und ‚Story Space’. ‚Narrating’ bedeutet die Adressierung an ein nicht sichtbares Publikum, ‚Story Space’, als ‚Erzähl-Raum’ auf das Erzählen einer Geschichte, losgelöst von der musikalischen Aufführung62. In ‚Rocking Around The Clock’ (1987) unterteilt Kaplan mit Blick auf die Bildsprache die auf MTV gesendeten Musikvideo in die Typen romantisch, sozialkritisch, nihilistisch, klassisch und postmodern. Romantische Videos handeln auf Bild- und Tonebene von Liebe, Verlust und Wiedervereinigung. Nihilistische Videoclips konstruieren filmtechnisch einen aggressiven Blick und eine fremde, bedrohliche Welt. Das klassische Video ähnelt dem Hollywoodkino und vermittelt ebenso klassische Geschlechterrollen, der postmoderne Videoclip erlaubt hingegen eine Vielzahl an Lesarten und spielt unkritischer mit seinen Bildvorlagen. Das sozialkritische Musikvideo thematisiert soziale und politische Normen und Werte63. Diese Klassifikationsversuche sind laut Altrogge jedoch entweder nicht durchgehend schlüssig oder sie Unterscheidungen treffen, die eine zu geringe Trennschärfe bzw. Nachvollziehbarkeit aufweisen64. Auf der Basis seines Artikels ‚Videopop. Musik als strukturbildendes Element einer Gattung’ (1988) entwickelt Jan Schenkewitz 1989 ein Modell, das sich auf die

61 vgl. Altrogge 2001 (II) S.8ff 62 vgl. ebd., S.10f 63 vgl. Winter; Kagelmann 2002, S.212ff 64 vgl. Altrogge 2001 (II), S.14f 14 Aspekte Kontinuität, Segmentierung und Synchronität zur Regelung des Verhältnisses von Bild und Ton stützt und in der Folge fünf Darstellungsebenen hervorbringt: die Abbildung des musikalischen Vortrags, die Abbildung nicht- musikalischer Aufführungen, synästhetische Bild-Ton-Kombinationen, deiktische Abbildungsweisen und narrative Abbildungsweisen. Doch auch dieses Modell zeigt laut Altrogge Schwächen in der Trennschärfe der entwickelten Kategorien65. Zusammenfassend kann man festhalten, dass das Musikvideo in drei grundlegende ästhetische Typen eingeteilt werden kann: 1. das Präsentations- bzw. Performance- Video, in dem die ProtagonistInnen in einer oder mehreren Situationen der Liedaufführung gezeigt werden, 2. das narrative Video, in welchem eine (eigenständige, vom Liedtext unabhängige) Geschichte zumeist mit der/dem KünstlerIn in der Hauptrolle erzählt wird, und 3. das Konzept-Video, in dem Bilder in illustrierender und assoziativer Weise verknüpft werden. Musikvideoclips sind jedoch nur äußerst selten in einer der beschriebenen Reinformen zu finden, meist handelt es sich um Mischformen zur Präsentation des Produkts mit verschieden starken Akzenten auf einen der drei Grundtypen66. Als Grundlage für die spätere Erstellung der Typologie dient nun das von Altrogge entwickelte Modell zur Kategorisierung von Musikvideoclips. Für Altrogge lassen sich im Musikvideoclip „(...) drei wesentliche Formen des Zusammenspiels von Ton und Bild festhalten: 1. die Koinzidenz einzelner musikalischer und visueller Ereignisse, 2. strukturelle Parallelen, die sich über längere Zeit hinweg oder durchgängig aufgrund eines gemeinsamen Rhythmus von Bild- und Musikbewegung ergeben, und 3. Parallelen hinsichtlich der formalen Organisation des Materials – wie beispielsweise im Fall der Übereinstimmung der Verse mit bestimmten wiederkehrenden Bildfolgen.“67

3.4.1. Die drei grundlegenden Musikstile

Die Tonebene stellt wie bereits erläutert eine der beiden Grundlagen für die Bildebene dar, die Musik als separates Zeichensystem kann dabei auch schon vor der Zusammenführung mit dem Bild mit visuellen Vorstellungen und lebensweltlichen

65 vgl. Altrogge 2001 (II), S.16ff 66 vgl. Neumann-Braun; Schmidt 1999, S.13 67 Altrogge 2001 (II), S.18 15 Einstellung verbunden sein, daher ist zunächst eine Betrachtung der Musikstile notwendig. Die Zweiteilung in Rock und Pop ist nicht nur für die Musikstile, sondern auch für den Begriff der Jugendmusikkultur bedeutsam. „Als lineares Modell ist diese Unterscheidung in Pop und Rock aufgrund der beiden Ausprägungen von Popmusik in ‚Soft’ und ‚Dance’ zu einer dreistufigen Skala erweiterbar, die von weich: Softpop über mittel: Dancepop (einschließlich Rap/HipHop) bis hart: Rock (einschließlich des Heavy Metal-Bereichs) reicht.“68 Softpop steht in der -Tradition des Schlagers und der Ballade, die Musik hat eine klar Harmonik, der musikalische Ablauf ist erwartbar und wenig pointiert. Ein eher zurückgenommener Gesangsstil wird mit meist melancholischen Texten in moderaten Tempi kombiniert. Im Dancepop wird der Fokus mehr auf die Rhythmik gelegt, Bassmelodien und Drumbeats erzeugen Tanzbarkeit, der Gesang ist freier gestaltet, der Rhythmus dichter und die musikalischen Akzente stärker. Die Texte kreisen um das Thema Liebe, sind aber auch häufig in ziemlich eindeutigen sexuellen Kontexten angesiedelt. Rap und HipHop kommt hier eine Sonderstellung zu, denn der Fokus liegt der Rhythmik, die von Instrumenten wie von (Sprech-)Gesang erzeugt wird. Die Texte drehen sich häufiger auch um politische Themen69. Hauptunterschied im Rockbereich ist die Bindung der Musik an lebensweltliche Bereiche, die Musik und ihre Aufführung ist stärker an den eigenen Ausdruck der Musik gekoppelt, als an ihre Harmonik. Gerade im Heavy Metal-Bereich haben sich stereotypische Regeln der Komposition und auch der Visualisierung von Musik etabliert. Zwar stellen z.B. Heavy Metal und Softpop konträre musikalische Bereich dar, die idealisierende und idyllisierende Funktion ihres musikalischen, textlichen und somit auch visualisierten Ausdrucks in Form des Musikvideoclips haben sie aber gemeinsam70.

3.4.2. Die vier Grundtypen des Musikvideoclips

Auf Basis der genannten Musikstile entwickelt Altrogge hinsichtlich der Kombination von Bild und Ton im Musikvideo vier Grundtypen: Performance, Konzeptperformance, Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen und Konzeptclip.

68 Altrogge 2001 (II), S.20 69 vgl. ebd., S.21ff 70 vgl. ebd., S.24ff 16 Die Performance erscheint im Videoclip als die natürlichste Kombination von Bild und Ton im Sinne einer synchronen Darstellung des Gehörten und des Gesehenen, Ort, Zeit und Handlung stimmen in diesem Fall überein. Die Performance stellt die musikalische Aufführung durch den/die InterpretIn ins Zentrum, zum Teil ergänzt durch die Reaktion des Publikums auf die Performance. Die Performance folgt dem Musikstil und erzeugt ausgehend von Sänger/Sängerin eine visuelle Hierarchie in der Präsentation der Bandmitglieder. Die Darstellung der Performance entspricht oftmals der Struktur des Songs, d.h. während dem Gitarrensolo ist z.B. ausschließlich der/die GitarristIn zu sehen71. In der Konzeptperformance wird der eigentliche Aufführungsraum (Bühne, Studio usw.) zwar verlassen, die MusikerInnen werden aber trotzdem noch beim Musizieren gezeigt, d.h. die Performance bleibt als Konstante von Zeit und Aufführung im Vordergrund, der Ort ist jedoch von der Aufführung losgelöst72. Der Konzeptclip mit und ohne InterpretInnen hat eine andere Handlungsstruktur, da die MusikerInnen hier nicht beim Musizieren gezeigt werden, sondern z.B. in gestellten oder fiktiven Situationen, die zumeist in Verbindung mit dem Song, dem Songtext und/oder dem Musikstil stehen. Die größte Entfernung von der musikalischen Aufführungssituation findet dann statt, wenn die MusikerInnen selbst gar nicht mehr im Videoclip auftreten, wodurch auch die Bilder von der Musik komplett losgelöst sind. Der Konzeptclip distanziert sich zusätzlich auch von der musikalischen Aufführung und ist zumeist rein illustrativ zum Thema des Songs gestaltet. Somit kann der Konzeptclip alle Formen der filmischen Sprache, d.h. das gesamte zur Verfügung stehende Material verwenden und an Hand der musikalischen Strukturen für sich nutzen73. Der Typ Performance lässt sich intern nochmals untergliedern in Live-Performance, Bühnen-Performance und Performance ohne Realbezug, der Typ Konzeptperformance in Performance mit Realbezug, Performance in Kulisse und computeranimierte Performance74. Unabhängig von der musikalischen Struktur ist die visuelle Binnenstruktur, d.h. die Stärke der Strukturierung im Videoclip durch die Bilder für die Klassifikation von

71 vgl. Altrogge 2001 (II), S.26f 72 vgl. ebd., S.28f 73 vgl. ebd., S.29ff 74 vgl. ebd., S.32ff 17 Bedeutung. Die visuelle Binnenstruktur ist um so schwächer, je weniger Sinn die Bilder ohne der Kombination mit dem Ton ergeben, was am ehesten bei reinen Performance-Clips der Fall ist75. Für die Ebenen der Darstellung folgert Altrogge: „Narrative, situative und illustrative Musikvideos sind grundsätzlich voneinander zu unterscheiden und prädestinieren für eine bestimmte Form der Bildwahrnehmung.“76

3.4.3. Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen

Es lassen sich bei Altrogge erste Zusammenhänge von Bild und Ton in Bezug auf die drei Musikstile feststellen, so ist demnach im Bereich des Softpops nicht nur die Musik gemäßigt, geheimnisvoll und von einer gewissen Intimität gegenüber den ZuseherInnen, diese Clips verwenden auch Zeichensysteme traditioneller sozialer Werte und wirken im Gesamten eher unspektakulär. Die Videoclips des Dancepop sind mehr auf die Darstellung der InterpretInnen fokussiert, lehnen sich bildlich stärker an die Musikrhythmik an und beinhalten Tanzchoreografien und höhere Tempi. Der Bildinhalt ist in bezug auf Gefühlswelten und soziale Beziehungen durchwegs positiv. In Rap und HipHop Clips fällt vor allem die Verwendung der Stadt als Symbol- und Lebensraum auf, ebenso die körperbetonte und extrovertierte Adressierung der textlichen Aussagen in visueller Form. Heavy Metal und Rock- Videoclips nutzen öfter als andere den Typus der Performance, es dominiert ein männlich zentrierter Blick und eine Ausdrucksweise auf Text- und Bildebene, die stark mit der lebensweltlichen Bedeutung des visuellen Gehalts der Musik spielt. Dies ist im Rap/HipHop-Bereich ebenso zu finden. Altrogge kommt daher zu dem Schluss, dass sich sehr wohl Zusammenhänge zwischen Musikstil, Darstellungsebenen und Darstellungsmitteln erkennen lassen77. Für die vorliegende Arbeit stellt sich im Anschluss daran die Frage, ob sich in den Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips ebenfalls Verbindungen oder Auffälligkeiten bezüglich Musik- oder Clipstil erkennen lassen. Im folgenden Kapitel wird nun die Thematik des Horrors formal und funktional dargestellt.

75 vgl. Altrogge 2001 (II)., S.36f 76 ebd., S.37f 77 vgl. ebd., S.44ff 18 4. Horror

Der Begriff ‚Horror’ umschreibt im Deutschen etwas Unangenehmes in verschieden großem Ausmaß, jedoch noch nichts unfassbar Schreckliches. Sprachlich leitet sich ‚Horror’ von der griechischen Bedeutung für Angst und Furcht her, im Lateinischen bedeutet ‚Horror’ schon die ganze Fülle von Entsetzen bis hin zu (wohligem) Grausen. Ebenso meint das französische ‚horreur’ Schrecken, Grausen und Abscheu, im englischen steht ‚horror’ für Grauen, Gruseln, Schaudern und Entsetzen78. Horror beschreibt daher kein Ereignis, sondern den menschlichen Bewusstseinszustand als Folge eines entsprechenden, meist fiktionalen Ereignisses. Der Horror ist somit begrifflich vom ‚Grauen’ abgrenzt, das sich auf das wirklich Entsetzliche bezieht79.

4.1. Die Formen des Horrors

4.1.1. Die Phantastik als Grundlage des Horrors

Für das Funktionieren des Horrors müssen erstens die Grenzen und Regeln der fiktionalen Welt denen der realen Welt der RezipientInnen entsprechen und zweitens muss diese fiktionale Ebene durch das Unheimliche und Unerklärliche des Horrors durchbrochen werden. Dies ist zugleich die Grundthematik der Phantastik, in der das real Unmögliche zum Möglichen wird80. „In der Phantastik des Horror-Genres gibt es, im Gegensatz zum Märchen, das Wunderbare nicht als Errettung oder Erlösung; das Wunderbare (das Unerklärliche) ist das Problem des Genres.“81 Der Begriff der Schauerphantastik beschreibt dabei sowohl die Darstellung als auch den Einbruch dieses Schauerhaften in die Welt. In der Folge sind in der Phantastik die Genres Schauerphantastik (Horror), Science Fiction und Fantasy zu unterscheiden, denen die Lust an der Grenzverletzung ebenso gemein ist, wie auch der Widerspruch zu der Gewissheit, es gäbe eine klare Grenze zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen82. „Die Kategorie des Möglichen kann also zu einem Unterscheidungsmerkmal – unter anderem – innerhalb des Phantastischen

78 vgl. Baumann 1989, S.29 79 vgl. ebd., S.30f 80 vgl. Vossoughi 20002, S.33 81 Seeßlen; Weil 1979, S.37 82 vgl. Hienger 1987, S.11ff 19 werden: In der Regel ist fiktional alles möglich, was auch real möglich ist. Dass etwas fiktional möglich, aber real unmöglich ist, ist ein allgemeines Kennzeichen des Phantastischen – im Unterschied zu Fiktionen anderer Art. (...) ist es nur möglich, weil sich in der – mit unserer Welt identisch gesetzten – Welt Brüche auftun, geht es um Horror.“83 Dem Phantastischen liegt zu dem ein Moment des gewaltsamen Zerreißens der Realität inne, die inneren Gesetze der fiktiven Welt werden zerbrochen, die (Film-) Welt verändert sich auf unnatürliche Weise84, somit lässt sich das literarische und filmische Grundthema der Phantastik auch folgendermaßen beschreiben: „Innerhalb der dargestellten Wirklichkeit tritt etwas ein, das den ihr zugrundeliegenden Wirklichkeitsbegriff desavouriert.“85 Horror ist also ein Teilbereich der Phantastik, der sich nicht nur auf das Nicht-Gelten von Naturgesetzen beschränkt, sondern auch Verletzungen gesellschaftlicher Regeln, Normen und Werte thematisiert86. Das Spezielle des Horrors im Unterschied zur restlichen Phantastik ist, dass die fiktionalen Personen auf das für sie unmögliche Ereignis nicht nur mit Verwirrung, sondern auch mit Angst, Panik und Grauen reagieren87. Wenn „(...) sich in unserer Alltagswirklichkeit unversehens ein Riss auftut, durch den das Grauen hineinkriecht, setzt das die prinzipielle Brüchigkeit dieser Welt voraus.“88

4.1.2. Das Halbwesen als Grundlage des Horror

Die zweite wichtige Grundlage für den Horror in Literatur und Film die Figur des Halbwesens. Als existierendes (Lebe-)Wesen liegt das Halbwesen außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft, und dennoch besteht sein Mythos zu nahezu allen Zeiten und in allen Kulturen. Obwohl das Halbwesen Angst und Schrecken verbreitet, wird ihm auch die Faszination, die Bewunderung und auch die Sehnsucht der Menschen zuteil, die sie ihm gegenüber auf Grund seiner scheinbaren Freiheit insgeheim empfinden. Die menschliche Erfahrung der Angst ist für die vermeintliche Existenz der Halbwesen ebenso grundlegend wie für die Vorstellungswelt, in der Gut

83 Baumann 1989, S.107 84 vgl. Kaufmann S.1987, 119 85 Hienger 1987, S.14 86 vgl. Baumann 1989, S.97f 87 vgl. ebd., S.108 88 ebd., S.77 20 und Böse im Kampf miteinander existieren89. Das Halbwesen trägt somit in sich eine Ambivalenz, die sich einerseits in den Gefühlen äußert, die wir ihm gegenüber empfinden, andererseits in der Gespaltenheit des Wesens selbst, das hin und her gerissen ist zwischen seinen animalischen Trieben und seiner menschlichen Vernunft90. Die phantastische Literatur hat folgende klassische Horrormythen hervorgebracht, die in den phantastischen Film und die Populärkultur übergegangen sind. Die stereotypischen Figuren des Horrors unterliegen einem historischen und gesellschaftlichen Wandel, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Funktion, somit gilt die hier nach Seeßlen/Weil gegebene Auflistung ebenso für den modernen Horrorfilm: 1. der künstliche Mensch, wie z.B. der Golem oder Frankensteins Ungeheuer, in der neueren Zeit wird dieses Motiv um den Robotermenschen bzw. das künstliche Wesen erweitert; 2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (Untote), die auf Grund eines Fluchs am Tod gehindert werden, so z.B. Ghule und Gespenster, aber auch Wesen aus dem Reich der Toten, Zombies, lebendige Skelette, der Vampir; 3. Tiermenschen, z.B. der Schlangenmensch, Fisch-Mensch-Wesen, die Katzenmenschen und der Werwolf, bzw. auch Menschen, die durch ihr entstelltes Äußeres Tieren ähneln oder das Wesen eines Tieres annehmen wollen; 4. Tiere, die menschliche Züge annehmen, Beispiele sind der Riesenaffe King Kong oder Godzilla, unter dieses Motiv fallen auch Tiere, die unschuldig zum Werkzeug des Menschen werden, wie z.B. die Hunde von Baskerville, und Tiere, die dem Menschen ohne ihre eigene Intention Angst einflößen; 5. Doppelgänger, z.B. Menschen, die auf Grund von Triebsteuerung in sich selbst gespalten sind, oder im Beispiel von ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’ (1920) als Person und Krankheit. Im modernen Horrorfilm wird dieses Motiv um den geklonten Menschen, den genetischen Doppelgänger erweitert; 6. Hexen, dämonische Frauen und ‚Cannibal Girls’91.

89 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.13ff 90 vgl. ebd., S.15 91 vgl. ebd., S.23ff 21 4.2. Der Horror im Film

Im Allgemeinen wird der Horrorfilm als ein Genre aus dem Bereich des phantastischen Films beschrieben, „(...) das durch die Stimulation von Urängsten im Zuschauer Angstgefühle erzeugen will.“92 Die Hauptkriterien sind dabei zunächst das authentische Erscheinungsbild der Figuren, eine intensive Darstellung der Figuren, die Vermittlung der richtigen Atmosphäre durch Licht, Schatten, Kamera usw., eine Handlung, die gruselig oder schaurig genug ist und ebenso, dass am Ende die Furcht der ZuseherInnen wieder aufgelöst werden kann93. Der Horrorfilm zeigt das auf, was bisher in der Darstellung verboten und dem Zwang einer geschönten Darstellung unterworfen war und so gründet sich die bedenkenlose ästhetische Umsetzung des Horrors in seiner ebenso bedenkenlosen Gesinnung94. Der Horrorfilm kann generell in den klassischen oder gotischen und in den modernen Horrorfilm unterteilt werden. Die Darstellung phantastischer Elemente im Film folgt im Wesentlichen vier Aspekten: 1. innerhalb des phantastischen Films als solchem werden die übernatürlichen und unwahrscheinlichen Erscheinungen und Gegenstände nicht in Frage gestellt, da sie als realer Bestandteil des Films und der Filmhandlung ausgewiesen sind; 2. eine Sequenz ist als Traum ausgewiesen; 3. die betreffende Filmfigur ist als geistig gestört oder wahnsinnig klassifiziert, die übernatürlichen Geschehnisse werden als ‚Hirngespinste’ der Person abgetan; und 4. die Realitätsebenen sind vermischt, im Gegensatz zum phantastischen Film wird in der Sequenz jedoch das Traumhafte betont. Eine träumende Person muss zuvor eine sichtbare Veränderung im Bewusstseinszustand vollzogen haben, so dass sich die Realitätsebenen im Film klar trennen lassen. Die Person muss also entweder schlafen oder es muss eine Traumerzählung aus dem Off vorhanden sein95. „Wenn man einen dargestellten Mythos ‚Erzählung’ nennt, steht die Form des Erzählens im Vordergrund. Nur so lange die Technik der Erzählung (auch der bildhaften Erzählung etwa im Film) über das Erzählte selbst triumphiert, lässt sich von Phantastik sprechen.“96

92 Koebner 2007, S.311 93 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.45f 94 vgl. Brittnacher 1989, S.275 95 vgl. Kaufmann 1987, S.121ff 96 Seeßlen; Weil 1979, S.36 22 4.2.1. Der klassische Horrorfilm

Der frühe phantastische Film in Deutschland ist gekennzeichnet von den monströsen Figuren dunkler, zerstörerischer Kräfte, die in den vertrauten Lebensraum eindringen. Diese Darstellungen können latent als Sinnbild des Verfalls bestehender gesellschaftlicher Strukturen und Normen verstanden werden97. Der klassische Horrorfilm nimmt Bezug auf die phantastische Struktur von Märchen und Mythen, wahlloses Töten und dessen möglichst genaue Inszenierung findet sich bereits in frühen Darstellungen des Puppentheaters ‚Theatre du Grand Guignol’98. „Der phantastische Film setzt das Verbotene und Verdrängte, das, was man nicht wahrhaben wollte, ins Bild, die verborgene Seite des Menschen, seine zwielichtige, in grauenvollen Vexierbildern zum Leben erweckte Natur und die Albträume existentieller Vernichtung.“99 Allerdings inszeniert der klassische Horrorfilm das Verdrängte, das Grauen und den Schrecken an weit entfernten Orten und rückt das Geschehen so in eine Distanz zum Publikum. Handlungsorte wie das alte Schloss mit großen, leeren Räumen und kerzenbeleuchteten Gängen stehen in keiner Verbindung zur Lebenswelt des Publikums100. Der erste bedeutende phantastische Film im deutschsprachigen Raum war ‚Der Student von Prag’ (1913), in dem ein Student aus Liebe zu einer adeligen Frau sein Spiegelbild verkauft, das zu seinem bösen Doppelgänger wird. Die berühmtesten Werke des deutschen expressionistischen Films sind bis heute ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’ (1919) und ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’ (1922)101. Der phantastische Film Amerikas brachte, vom Theater kommend Werke wie ‚The Phantom of the Opera’ (1925), ‚ After Midnight’ (1927), ‚Dr. Jerkyll and Mr. Hyde’ (1931), und Tod Brownings ‚realistisches’ Meisterwerk ‚Freaks’ (1932) hervor102. Die Horrorfilme dieser Zeit sind von der Furcht vor dem Zusammenbruch der vorherrschen gesellschaftlichen Ordnung geprägt und entwickeln ihren Schrecken aus der Alltagswirklichkeit heraus103. Viele dieser Horrorfilme thematisieren die Reise zu dem Ort, an dem sich das Phantastische zuträgt als die eigentliche Gefahr. Oftmals sterben vertraute Personen auf dem Weg dorthin und

97 vgl. Freund 1999, S.241 98 vgl. Nikele 1996, S.6ff 99 Freund 1999, S.242 100 vgl. Vossoughi 2002, S.34ff 101 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.50ff 102 vgl. ebd., S.56ff 103 vgl. ebd., S.61f 23 auch das Halbwesen, als Ziel der Reise kommt am Ende meist zu Tode. Der Horrorfilm ist in diesen Fällen als Warnung und vor einer solchen ‚Entdeckungsreise’ zu verstehen104.

4.2.2. Der moderne Horrorfilm

Dem modernen Horrorfilm wird oft zu Unrecht ein Wechsel von Angst und Schrecken hin zu Ekel und Abscheu unterstellt105, was an seiner drastischeren Auslegung der psychischen und der formalen Grenzüberschreitung liegt. Die klassischen Figuren und Szenarien verlieren im modernen Horrorfilm ihre phantastische Wirksamkeit, denn hier ist es der Einbruch des Grauens in die eigene Realität, der schockiert und irritiert106. So können im modernen Horror durchaus klassische Figuren wie der Vampir oder der Werwolf auftreten, jedoch ist die Welt, die sie durchbrechen unsere Alltagswelt107, ProtagonistInnen und RezipientInnen unterliegen den selben Gesetzen. Das wesentlichste Merkmal des postmodernen Horrorfilms ist die exzessive Beschäftigung mit dem menschlichen Körper und dessen Zerstörung, die insbesondere in Splatterfilmen in unnatürlicher Größe als Metapher des Verlusts der Kontrolle über den Körper zelebriert wird108. Im modernen Horrorfilm überwiegt die Visualisierung und rückt die eigentliche Erzählung in den Hintergrund, es fehlt den Filmen zumeist bewusst an inhaltlicher Kohärenz und Abgeschlossenheit, oftmals enden sie mit einem trügerischen Happy-End109. Traditionelle Horrorfiguren wurden zunehmend durch den unauffälligen Serienmörder abgelöst. Jeder konnte ab jetzt ebenso der Mörder oder das Opfer sein, das Morden erfolgt in späteren Slasherfilmen zum Teil nur noch aus Spaß oder aus Sucht nach Anerkennung110. Auch die Zerrissenheit der Halbwesen verlagert sich in die Figur der Serienkiller, Besessenen und Irren, die zu den Hauptfiguren der neuen Subgenres Splatter-, Slasher- und Teenie-Horror-Film werden. Splatterfilme haben, abgeleitet vom englischen ‚to splat’ (spritzen, platschen) die explizite Darstellung zerberstender Körper zum Mittelpunkt, während der Slasherfilm (engl.: to slash = schlitzen) auf der ebenso einfachen Formel beruht, dass ein bewaffneter Killer des Nachts Teenager

104 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.80f 105 vgl. Baumann 1989, S.27 106 vgl. Nikele 1996, S.14 107 vgl. Baumann 1989, S.72 108 vgl. Winter 1995, S.135 109 vgl. ebd., S.136 110 vgl. Hroß 2002, S.84 24 aufschlitzt, die zumeist durch sexuelle Aktivitäten abgelenkt sind. Nach dieser Formel entstehen Horrorfilmreihen wie ‚Friday, the 13th’ (ab 1981) oder ‚Nightmare on Elm Street’ (ab 1984), die zugleich Pate standen für den Teenie-Horror, der die bekannten Serien ‚Scream’ (ab 1996) oder ‚I Know What You Did Last Summer’ (ab 1997) hervorgebracht hat. Für den modernen Horrorfilm ist der gewalttätige Einbruch in die vermeintliche Idylle ein wesentliches Mittel, ebenso wie das gewaltsame Durchbrechen und Übertreten aller Grenzen, das Anzweifeln der Gültigkeit von Rationalität, das Missachten narrativer Geschlossenheit und die Konstruktion eines vergnüglichen Horrors, der ein kontrolliertes Erleben von Angst und Schrecken ermöglicht111. Die explizite Gewaltdarstellung in Horrorfilmen rückt durch Nahaufnahmen oder in Halbtotalen näher an die ZuschauerInnen, der Einsatz der subjektiven Kamera aus Sicht des Bösen bei der Jagd auf sein Opfer ist ein beliebtes Stilmittel. Hinzu kommt die Wichtigkeit der auditiven Ebene, welche die Bilder untermalt und sie teilweise im Vorfeld der Gewaltdarstellung bereits grausam und angsteinflößend wirken lässt112. Der moderne Horrorfilm hat die Figur der jungen, unschuldigen Frau als Opfer, die sich als ‚final girl’, als einzige Überlebende dem Killer stellen muss geprägt, die Figur des Mörders weist hingegen kaum Tiefgründigkeit auf, dafür werden die ‚spezial effects’ variiert113. In der Phantastik haben Monster und bedrohliche Kreaturen die Funktion die Menschen in eine beispiellose Extremsituation zu versetzen114. Die Visualisierung des Nichtexistenten im Horrorfilm ist daher auch gleichbedeutend mit den technischen Mitteln die hierfür in Abhängigkeit des Budgets zur Verfügung stehen.

111 vgl. Mikos 2002, S.14ff 112 vgl. ebd., S.15 113 vgl. Hroß 2002, S.85 114 vgl. Hienger 1987, S.21ff 25 4.3. Die Symbolik des Horrors

4.3.1. Themen und Motive

Sowohl der klassische als auch der moderne Horror haben im Laufe ihrer Entstehung ein Repertoire an Symboliken, Archetypen, Themengebieten und Erzählmustern entwickelt, die verschieden stark als Stereotypen in das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft eingegangen sind. Wahn und die Verwirrung des Wahnsinnigen sind ein Teil des Horrors, können die Betroffenen doch nicht mehr zwischen den Reizen der Außenwelt und denen ihres Hirns unterscheiden. Ein bekanntes Beispiel ist die Persönlichkeitsspaltung der Figur des ‚Dr. Jekyll/Mr. Hide’ oder der verrückte Wissenschaftler115. Krankheit und Schmerz zeigen als Beschädigungen im Horror die Gestörtheit körperlicher Integrität, Krankheit wird oftmals als Symbol für die Anwesenheit des Bösen verwendet, das von einem Körper Besitz ergreift und sich durch zum Teil überdeutliche Symptome der Krankheit äußert116. Des weiteren finden sich im Horror Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten wie Telekinese oder Telepathie, jedoch werden damit selten glücklich. Wie in ‚Carrie’ (1976) sehen sie meist schreckliche Ereignisse voraus, wirken als unverstandenes Medium oder werden vom Bösen ausgenutzt117. Oftmals tritt das Böse im Horror in Verbindung mit Sexualität auf und rekurriert so auf die psychoanalytischen Begriffe Ich, Es und Über-Ich. Das Ausleben und die Unterdrückung von Sexualität bieten so ein großes Repertoire an Anknüpfungspunkten für den Horror118. Auf narrativer Ebene verfügt der Horror über ein relativ kleines und überschaubares Repertoire an Archetypen und kulturellen Codes, denen er sich in allen seinen medialen Ausprägungen bedient. Das ist für seine Wirkung jedoch keineswegs von Nachteil, denn erst mit dem intuitiven Wissen um diesen Bestand an kulturellen Codes können die ästhetischen Signale des Horrors entsprechend verstanden werden. Sie verweisen auf ein kollektives Wissen, dass im Horrorfilm bestimmte Objekte mit bestimmten Aggressionen, Gewalt, Schrecken und Angst verbunden sind119.

115 vgl. Baumann 1989, S.246ff 116 vgl. ebd., S.253ff 117 vgl. ebd., S.266f 118 vgl. ebd., S.270ff 119 vgl. Brittnacher 2003, S.275ff 26 Das Böse, das Alte, das Fremde und die Dunkelheit bzw. die Leere sind seit je her als Archetypen des Grauens in der menschlichen Psyche verankert, sie alle können in abgewandelter Form in Horrorfilmen wiedergefunden werden. Das Böse in seiner meist ästhetischen Hässlichkeit ist hierbei der fundamentale Grundtypus des Horrors, der von den ProtagonistInnen bekämpft wird120. Der Typus des Alten ist ebenso häufig und bedroht als dämonisierte, unterdrückte Macht bereits im gotischen Horror in Form von Mumien oder Geistern die bürgerliche Welt. Selbiges gilt das Fremde, es ist bedrohlich und grauenerregend, da es nicht mit uns bekannten Begriffen beschreibbar ist. Die Dunkelheit symbolisiert jene unbestimmbaren, konturlosen Ängste, sie stellt kein Bezugssystem zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich mit der Finsternis, der Nacht, dem Nebel und der Leere121. Ein Archetyp im modernen Horror ist der Zerfall der Familienidylle und die Wandlung der Mutter von der Geborgenheit als Lebensspenderin zur Bedrohung, hervorgerufen durch Wahnsinn oder den Zerfall der Familie als sichernde Instanz122.

4.3.2. Gegenstände und Orte

Der Horror steht auch in Verbindung zu bestimmten Orten und Gegenständen mit deren Hilfe eine entsprechende Gruselstimmung erzeugt wird oder die selbst zu Trägern des Horrors werden. Im modernen Horrorfilm gibt es keinen potentiell unschuldigen Gegenstand mehr, alles kann zu einer Bedrohung werden, Autos (‚Christine’, 1983), Häuser (‚House on Haunted Hill’, 1959, 1999, 2007) oder ganze Orte (‚The Village’, 2004) und oftmals sind am Ende die engsten Vertrauten die Killer123. Der Spiegel ist im Horror oftmals der Sitz des Bösen oder der Eingang in eine andere, fremde Welt oder Dimension124. Auch gibt es im Horror kaum Bilder, Gemälde oder Skulpturen, die nicht mit einem Fluch beladen wären bzw. zeigen sie geheimnisvolle Landschaften oder verfluchte, schicksalhafte Gestalten, die aus dem Bild heraus jeder Zeit ins Reich der Lebendigen zurückkehren können125. Im modernen Horror sind zu dem Maschinen aller Art unheimliche und furchterregende

120 vgl. Baumann 1989, S.288ff 121 vgl. ebd., S.293ff 122 vgl. ebd., S.299f 123 vgl. Brittnacher 2002, S.278 124 vgl. Baumann 1989, S.322ff 125 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38 27 Gegenstände, da sie ein Eigenleben unabhängig von ihrer Bedienung durch den Menschen entwickeln und sich so seiner Kontrolle entziehen können126. Orte an denen sich grauenvolle Ereignisse abspielen oder abgespielt haben sind besonders im klassischen Horror kein Zufall, denn das Böse hinterlässt Spuren und bindet sich an bestimmte Orte, so z.B. in ‚Poltergeist’, (1982) oder ‚The Shining, (1981). Das äußere Erscheinungsbild der Orte ist dann gleichbedeutend mit dem Verfall der Macht seiner ehemaligen BewohnerInnen. Das Böse, das sich an Orte bindet hat also zumeist auch eine Geschichte, die in irgendeiner Form mit dem Ort in Verbindung steht127. So sind z.B. Keller Orte des Bündnisses mit dem Bösen, Gruften und Gewölbe beherbergen dunkle Magien, unheimliche Gestalten und verdrängte Ängste, symbolisiert durch den entmachteten Adel, der z.B. in Form des Vampirs wiederkehrt. Auch alte, verlassene Häuser, Schlösser, Burgen oder deren Ruinen symbolisieren den Verfall und die Todesnähe, welche die Halbwesen umgeben. Außerdem entziehen sich diese Bauten ebenso wie wilde und verlassene Gärten und Wälder durch ihr Eigenleben der Kontrolle und Erklärbarkeit des Menschen128, ihre verfallene Optik und Architektur sind Symbol für die Abgeschiedenheit ihrer BewohnerInnen gegenüber der restlichen Gesellschaft129. Auch das eigene Haus kann zu einem intimen Ort des Schreckens werden, Dachböden sind Orte vergessener Gegenstände, Treppen und Fahrstühle symbolisieren den Übergang von Bewusstem zu Verdrängtem. Verschiedene Zimmer des Hauses stehen im Horror für die Zerrissenheit der Welt und ihrer Wesen: Das Kinderzimmer als Ort zwischen vermeintlicher Unschuld des Kinds und seiner Unvollständigkeit als soziales Wesen, das Schlafzimmer als Ruheort zwischen Traum und Realität und das Badezimmer als Ort zwischen Intimität und Abgeschiedenheit130. Kirchen sind auf Grund ihrer verwirrenden Architektur und ihrem speziellen Spiel von Licht und Schatten oftmals Ort der unheimlichen Handlung und paradoxerweise sowohl Zufluchtsort von Halbwesen als auch Ort von Gegenständen zu ihrer Bekämpfung131. Auch der Wald befindet sich abseits der Zivilisation und bietet durch die Dunkelheit und seine Unübersichtlichkeit einen Aufenthaltsort für das Böse in Form wilder Tiere, Hexen oder verrückter Mörder. Der Friedhof hat durch Legenden über Gräber von

126 vgl. Baumann 1989, S.327 127 vgl. ebd., S.328f 128 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.38f 129 vgl. ebd., S.119f 130 vgl. Vossoughi 2002, S.88f 131 vgl. ebd., S.84f 28 Ungetauften, Verbrechern und Mördern deren Rückkehr ins Leben man fürchtete seit je her eine unheimliche Aura deren Symbolik tief in dem kulturellen Bewusstsein der Menschen verankert132. In der Natur selbst lassen sich noch weitere Anzeichen für die Existenz des Bösen oder die Anwesenheit des Übernatürlichen finden, so z.B. der Wind, der Nebel und das Gewitter. Die Nacht als Sinnbild des Todes und als Zeit der Hexen und Geister stellt ein Schlüsselelement des Horrorfilms dar. Der Mond und das Mondlicht stehen ebenso in enger Verbindung mit dem Bösen, kann doch das Mondlicht eine vertraute Umgebung anders aussehen lassen. Dem Vollmond wird die Kraft zugeschrieben Tote wieder zum Leben zu erwecken und Geister aus der Erde zu locken, zu dem initiiert er den Werwolfmythos133.

4.4. Der Körper im Horror

Mit der Entwicklung des Films im 20. Jahrhundert wird der Körper als Projektionsfläche von Sehnsüchten einerseits und existentiellen Ängsten andererseits forciert. Im Horrorfilm kommt gerade dem monströsen Körper eine besondere Rolle zu, stellt er doch die Überschreitung der körperlichen Grenzen und die Unsterblichkeit der Kreaturen dar. Der von den Monstern zur Schau getragene verstümmelte Körper ist das Zeichen für ihre Erhabenheit über den Tod. Die deformierten monströsen Körper wirken erschreckend, ekelerregend und abstoßend, und symbolisieren die noch immer gegenwärtige Angst vor Krankheit, Ansteckung, Siechtum und dem Verlust der Menschlichkeit134. Für den Horror und ist die Zusammenführung des körperlich hässlichen und des moralisch hässlichen von entscheidender Bedeutung. So tritt das Böse immer auch in abstoßender Gestalt auf und das ästhetisch Hässliche lässt immer den Rückschluss auf das moralisch Abzulehnende zu. Allerdings gibt es im Horror auch die Umkehrung, das Böse und moralisch Hässliche kann ebenso im ästhetisch schönen Köper lauern, sei es in Form des erotischen Vampirs oder als Wirt im Körper einer attraktiven jungen Frau. Gerade im modernen Horror versteckt sich das Böse oftmals hinter der Maske bzw. dem Körper des Schönen135.

132 vgl. Vossoughi 2002, S.82ff 133 vgl. ebd., S.76ff 134 vgl. von Brincken 2006, S.147f 135 vgl. Baumann 1989, S.127ff 29 Der Mensch wird im Horrorfilm als Gegenstand von Zerstückelung und Zerstörung dargestellt, es wird nicht nur die Einheit von Seele und Körper, sondern auch die biologische Einheit des Körpers in Frage gestellt. Der Horrorfilm verkehrt die medizinischen Ideale, in dem der Mensch stirbt, damit Teile von ihm weiter existieren können136. Für den Horror ist aber auch die Verkörperung des Bösen, Grauenhaften und Ekelerregenden in einer Gestalt bzw. als etwas Greifbares wesentlich, sprich das Monster. Abgeleitet vom lateinischen ‚monstrum’ steht das Monster nicht nur für das Ungeheuer, sondern auch für das Ungeheuerliche, wodurch ‚Monster’ und das ‚Monströse’ als Oberbegriffe des Horrors angesehen werden können. Monster vereinen in der Tradition des Halbwesens in sich das Menschliche mit dem Nicht- Menschlichen, hierbei können sie ebenso als Mutation der Natur wie als von Menschenhand geschaffenes Wesen auftreten, der Prozess in dem das Menschliche die Form des Nicht-Menschlichen annimmt ist dabei fundamental137. Als eine Form des Monströsen stellt die widernatürliche Erscheinung der Untoten im Horror eine Art Parodie auf das wirkliche Leben dar. Der Vampir ist im Mythos des Gespenstischen verankert und erschreckt durch sein plötzliches Auftreten, durch seine filmische Umsetzung wird er immer mehr zu einem Wesen, das zusätzlich durch die Möglichkeit seiner Existenz und dem Vampirismus als Lebensform schockiert138. Im klassischen Horrorfilm werden die untoten Vampire, oftmals als ehemalige, noch gut aussehende Adelige präsentiert, der moderne Horrorfilm ersetzt den Vampir weitestgehend durch den Zombie, eine verwesende, hässliche und plumpe Gestalt zwischen Leben und Tod139. „Das schrecklichste aller Monster ist der Mensch, und um das vor anderen und vor sich selbst zu verbergen, trägt er Masken der unterschiedlichsten Art.“140 Die Maskierung verdeutlicht im Horror aber noch viel mehr die Übernahme oftmals konträrer sozialer Rollen und Identitäten. So verweist auch das Motiv des Doppelgängers, der in einer Maskierung zum Ausdruck kommt auf das Monster im Menschen und ist daher ein beliebtes Horror-Motiv, um das verborgene Monströse in der Person nicht dauerhaft zu äußern, sondern eine Art Katalysator für das

136 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.126 137 vgl. Baumann 1989, S.308ff 138 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.117 139 vgl. Nikele 1996, S.19ff 140 Baumann 1989, S.318 30 intrapersonale Böse zu schaffen141. Die Masken entsprechen dabei oft einer übertriebenen, fast karikierenden Version von bestimmten ausdrucksstarken körperlichen Merkmalen oder Eigenschaften des Wesens, als Täuschung leugnen sie den Menschen hinter ihr und sind zugleich Legitimation und Projektion des Wesens und seiner Handlungen142.

4.5. Die Funktionen des Horrors

4.5.1. Angsterzeugung als Grundlage des Horrors

Der Horror und sein Auftreten in einem Werk haben die Funktion bei den RezipientInnen in diesem Moment, an dieser Stelle des Werkes ein Gefühl von Angst, Grauen, Ekel oder Abscheu hervorzurufen und gleichzeitig einen lustvollen Umgang mit dem Horror zu ermöglichen. Dieser entspringt aus dem, „(...) was uns diese fiktionalen Beschreibungen über die wirkliche Welt und unsere Stellung darin lehren.“143 Die Erzeugung von Angst ist das zentrale Moment des Horrors, die menschliche Angst ist ein zeitlos abrufbarer Zustand, lediglich die Themen der Angst sind als Auslöser einem Wandel unterworfen144. Angst kann als Oberbegriff für ein banges, beklemmendes Gefühl des Ausgeliefertseins mit einer entsprechenden körperlichen Reaktion verstanden werden145. Innerhalb des modernen Horrorfilms sind im Slasher- und Splatter-Film zusätzlich die Begriffe Ekel und Abscheu als körperbezogene Reaktionen auf Unangenehmes zu unterscheiden. Im Sinne von Zerfall, Verwesung oder Fäulnis eignen sie sich in Kombination mit dem Entsetzlichen bestens um „(...) das objektlose Grauen des Horrors heraufzubeschwören und gleichzeitig faszinierende Hinwendung zu gewährleisten.“146

141 vgl. Baumann 1989, S.320f 142 vgl. Seeßlen/ Weil S.128f 143 vgl. Baumann 1989, S.83 144 vgl. Nikele 1996, S.15 145 vgl. Baumann 1989, S.235 146 ebd., S.245 31 4.5.2. Spannungserzeugung im Horrorfilm

Horrorfilme beziehen sich folglich auf die kognitiven und emotionalen Aktivitäten, die sie bei den ZuseherInnen auslösen, Angst und Erschrecken entstehen im Horror auch weil ihm im Vergleich zu anderen Genres die Hoffung auf einen guten Ausgang der Geschichte fehlt. Das Böse kann nur temporär besiegt werden, wodurch man es im Horrorfilm mit einer gesteigerten Form der Bedrohung zu tun hat147. Im modernen Horrorfilm verlagert sich zu dem die Perspektive von außen nach innen, die klassische Formel zur Erzeugung von Horror, d.h. die Suggestion des Grauens aus dem Off oder an Hand der Reaktionen der bedrohten Personen, wird im modernen Horrorfilm durch die ausdrückliche Darstellung der Gewalt ersetzt148. Das Erlebnis von Unstimmigkeit bezieht sich im Horrorfilm meist auf eine Figur oder einen Gegenstand, welche/r die Auffassungen und Erwartungen an die Realität beunruhigend durchbrechen, jedoch auch die Motivation auslösen, diese Störung zu beseitigen. Im klassischen Horror wird die Abnormalität und Verängstigung durch Figuren und Gegenstände erzeugt, die bedrohlich und unheimlich wirken. Im modernen Horrorfilm hingegen wird eine ambivalente affektive Ebene erzeugt, die sich zum einen auf die Figuren bezieht, da jede/r potentiell Opfer und/oder Täter sein kann (z.B. ‚Scream’, 1996) und zum anderen auf das zwiespältige Erfahren der Geschichte, die gleichermaßen erschreckend und auch lustig sein kann (z.B. ‚Shaun of the Dead’, 2004). Moderne Horrorfilme erzeugen so über Irritationen in dem, für die RezipientInnen unsicheren Handlungsverlauf ein Spannungsverhältnis, das unabhängig von jeder Identifikation mit den ProtagonistInnen funktioniert149.

4.5.3. Die Darstellung von Gewalt im Horrorfilm

Es scheint so, „(...) dass beim Horror die Lust am Grauen deshalb möglich ist, weil es die Lust an seiner Darstellung ist.“150. Für das Verständnis und die Beurteilung von Horror muss daher eine Unterscheidung zwischen realen Gewalttaten und fiktional dargestellten Gewalttaten gemacht werden, es muss das Unheimliche, das man selbst erlebt von dem Unheimlichen, das man sich bloß vorstellt getrennt werden. Die

147 vgl. Mikos 2002, S.13 148 vgl. Vonderau 2002, S.129f 149 vgl. ebd., S.133ff 150 Baumann 1989, S.85 32 Handlung existiert und verläuft in der Fiktion unabhängig von den BetrachterInnen, sie ist festgelegt und kann nicht in die reale Welt der RezipientInnen hineinwirken. Somit funktioniert der Horror nicht wegen dem Glauben an seine Gestalten, sondern wegen der Möglichkeit sich auszumalen, was wäre, wenn es sie wirklich geben würde. Das Bedrohliche existiert also nicht real, sondern in Form von Sprache und Bildern, als Übereinkunft zwischen RezipientInnen und ProduzentInnen151. Durch die ästhetische Darstellung des Grauenhaften stellt der Horror das gegebene Realitätsprinzip in Frage, denn die Möglichkeit das Böse ästhetisch zu genießen bedeutet eine Umkehr der eigentlichen Wertigkeiten152. Die gewaltsame Vernichtung des Bösen ist im Horror durch die Notwehr gerechtfertigt, da das Monster ebenso gewaltsam in Alltagswelt der Opfer eindringt und tötet. „Die moralische Basis des Horrors (...) ist nicht die des Strafgesetzbuches, sondern das subjektive Empfinden der Protagonisten bezüglich des Guten, Gerechten und Wünschenswerten.“153 Im Horror existiert kein schöner und romantischer Tod und auch kein idealisiertes Übertreten in eine andere Welt, die Protagonisten sterben qualvoll und detailreich. Das Schicksal duldet im Horror keinen Widerstand, jeder Versuch sich ihm zu widersetzen oder seine Endgültigkeit anzuzweifeln wird eindrucksvoll bestraft, und auch gegen die monströse Bedrohung existiert keine endgültige Lösung, jedoch zeigt der Horror, dass zumindest brachiale Gewalt eine temporäre und auch spektakuläre Lösung sein kann154.

4.5.4. Normen, Werte und Moral im Horrorfilm

Der Horror vermag es trotz seiner schrecklichen und ekelerregenden Bilder auch gesellschaftliche Missstände z.B. zum Zeitpunkt seiner filmischen Produktion anzusprechen. Nicht selten sind es profitgierige Unternehmer, realitätsfremde Wissenschaftler oder korrupte Politiker, die das Böse heraufbeschwören155. Die Grundstimmung im Horror ist eine alle gesellschaftlichen Bereiche betreffende, pessimistische Weltanschauung. So hat der Horror mit der Figur des ‚mad scientist’ z.B. eine Personifizierung der Wissenschaftsverachtung geschaffen, die verdeutlicht, dass im Horror nur eine Rationalität reduzierende Wissenschaft vertretbar ist. Eine

151 vgl. Baumann 1989, S.85ff 152 vgl. von Brincken 2006, S.169 153 Baumann 1989, S.277 154 vgl. Brittnacher 2003, S.277ff 155 vgl. Baumann 1989, S.210ff 33 solche Illusionslosigkeit ist eine Grundvoraussetzung für den Horror, sie zeigt auf, dass das Böse sich nicht intellektuell, sondern nur existentiell bekämpfen lässt 156. Im frühen, klassischen Horror steht die moralisch-normative Komponente in Ergänzung zu Mythen noch deutlich im Vordergrund. Beispielsweise handelt das Schauermärchen zumeist von Missachtungen der Normen und Wertvorstellungen einer Gesellschaft. Es ist moralisch in Herrschaftssystem eingegliedert, das Gute besiegt das Böse, das Böse, in dem Fall das unartige Kind, wird bestraft, seine Angst vor dem Bösen gestärkt und die Erlösung durch Gehorsam propagiert. Die Wesen im klassischen Horror empfinden ihre Existenz oftmals als Strafe für ein vorangegangenes Verbrechen der Menschheit an Moral und Ethik.157. Die Horrorfilme der 1940er und 1950er Jahre waren von neuen Ängsten wie dem Atomzeitalter geprägt und vermischen sich daher stark mit dem Science-Fiction- Genre, auch die gesellschaftliche und ideologische Verunsicherung durch die McCarthy-Ära beeinflusste das nihilistische Bild der Welt im Horrorfilm158. Mit Werken wie ‚Peeping Tom’ (1960) und ‚Psycho’ (1960) und dem Aufkommen des Slasher- Films ändert sich auch der gesellschaftliche Fokus des Horrors. Das Verhältnis von Gut und Böse und der Aspekt der Gerechtigkeit werden verkehrt. In Hitchcocks ‚Psycho’ ist z.B. klar, dass Norman Bates zwar gefasst, aber nicht geheilt wird, in späteren Slasher-Filmen wird dieses Motiv erweitert, in dem das Böse weder weggesperrt noch endgültig besiegt werden kann. Die rationalen Vorstellungen von Moral und Ordnung gehen in den Slasher-Filmen verloren, die Taten der Mörder sind eine Strafe für Verstöße gegen gesellschaftliche Normen, jedoch existiert ein Missverhältnis zwischen der Tat des Opfers und dem Tod als zu erwartende Strafe. In Slasher-Filmen ist zumeist das Streben der Opfer nach sexueller Freiheit ein zentrales Moment, wodurch die größtenteils weiblichen Opfer nicht nur auf Grund ihrer Konnotation als Sexualobjekt, sondern auch als freiheitssuchende Personen getötet werden159. Die detaillierte Inszenierung des Mordens in den amerikanischen Splatter-Filmen der 1960er und 1970er ist durchaus als kritischer Verweis auf den Vietnamkrieg zu verstehen. Es mussten Bilder geschaffen werden, die den realen Schrecken der bekannten Kriegsbilder ästhetisch noch übertrafen. Der Horror muss

156 vgl. Brittnacher 2003, S.276f 157 vgl. Seeßlen; Weil 1979, S.17ff 158 vgl. Koebner 2007, S.312 159 vgl. Hroß 2002, S.83 34 also auch in Zeiten der realen Katastrophen eine Überbietung dieser erzeugen können, da ansonsten seine Grundfunktion des Schockierens nicht gegeben ist160.

4.6. Mediale Gewalt(darstellungen)

Es ist deutlich geworden, dass der Horror in seiner Geschichte gezwungenermaßen ästhetisch wie auch inhaltlich mit Gewalt und ihren Darstellungen arbeitet. Aus dem Germanischen kommend bedeutet Gewalt im übertragenen Sinn ‚Verfügungsfähigkeit haben’ und steht so in Verbindung mit ‚walten’ und ‚verwalten’. Ebenso kann der Begriff eine große ‚Kraft’ oder ‚Energie’ bezeichnen, die wie z.B. die Naturgewalt aus einem Ereignis hervorgeht161. Auf dieser Grundlage ist ein Gewaltbegriff entstanden, „(...) der im Sinne einer ‚verletzenden’ oder ‚gewalttätigen’ Handlung zwischen Personen oder im Verhältnis zu Sachen verstanden wird.“162 Dieser Gewaltbegriff steht somit auch in Verbindung zu physisch verletzendem und einschränkendem Verhalten, das gegen das geltende Recht verstößt. Vom semantischen Gehalt ausgehend kann unter ‚Gewalt’ folgendes verstanden werden: - „Gewalt im Sinne eines auf einem Recht beruhenden ‚Macht-‚ oder ‚Herrschaftsverhältnisses’; - Gewalt als Energie, Kraft, Stärke; - Gewalt als unrechtmäßiges und gewalttätiges Vorgehen gegenüber Personen oder Sachen.“163 In den Sozialwissenschaften wird der Begriff der Gewalt zunächst grundlegend unterschieden in physische und psychische Gewalt, legalisierte und nicht-legalisierte bzw. institutionalisierte und nicht-institutionalisierte Gewalt. Weitere, auf soziale Faktoren bezogene Differenzierungen existieren zwischen personeller, direkter und struktureller, indirekter Gewalt und zwischen expressiver (lustbetonter, affektiver) und instrumenteller (lustarmer, affektarmer) Gewalt164. Der Begriff der ‚medialen Gewalt’ ist schwer zu erfassen, da er die, durch die Medien produzierte, vermittelte, und transportierte Gewalt meint. Diese ist aber nur durch die Rezeption als symbolisch repräsentierte, in Bild, Text und Ton bestehende mediale

160 vgl. von Brincken 2006, S.151f 161 vgl. Kleber 2003, S.23 162 ebd., S.23 163 ebd., S.24 164 vgl. ebd., S.25ff 35 Gewalt erfahrbar und fassbar und nicht in realer Form165. Mediale Gewalt kann als solche alle gesellschaftlich real vorhandenen Gewalt- und Konfliktformen abbilden, für den analytischen Zugang wird eine opferzentrierte Perspektive empfohlen. Innerhalb medialer Gewaltdarstellungen lassen sich zwei Darstellungsweisen unterscheiden. Einerseits solche die als ‚sauber’ erscheinen, da sie medial ästhetisiert sind, d.h. sie zeigen keine Reaktionen und Folgen bzw. Schäden der Gewaltanwendung, andererseits ‚schmutzige’ Gewaltdarstellungen, die auf Grund ihrer Machart realistisch erscheinen, es aber nicht sind. Auch in non-fiktionale Fernsehformaten wie den Nachrichten, wird reale Gewalt durch televisionäre Selektions- und Gestaltungsprozesse der Szenenauswahl, der Kameraperspektive oder des Schnitts in medial bearbeitete, wirklichkeitsreduzierte Gewalt transformiert166.

165 vgl. Kleber 2003, S.33 166 vgl. ebd., S.34f 36 5. Stand der Forschung

Die Forschung im Bereich der Musikvideoclips erstreckt über Themenbereiche wie die Entwicklung von Fernsehen und Musikfernsehen aus ökonomischer Sicht oder inhaltsanalytische Arbeiten bezüglich kommunikativer Dimensionen, am häufigsten sind dabei Fragen zu Geschlechterbildern und zu Gewaltdarstellungen in Musikvideos167. In Musikvideoclips wird oftmals ein Kontingenz-Overload, d.h. eine Bilderflut beklagt, die kognitiv gar nicht stattfinden kann, viele Studien sind daher Rezeptionsanalysen. Erst mit dem wachsenden Zusammenhang von Kunst und Musikkultur entstanden vermehrt Produktanalysen zu Videoclips168, die jedoch mit einigen grundlegenden Probleme konfrontiert sind. „Erstens gehört das Material unterschiedlichen Darstellungs- und Ausdrucksmedien an. Zweitens gibt es für die visuellen Strukturen keine genuine Zeichenabstraktion, wie die Schrift resp. Notenschrift. Drittens ist dennoch ein von Ton und Bild gleichermaßen abstrahiertes Verfahren erforderlich, um die Relation zwischen Ton und Bild überhaupt adäquat beschreiben zu können.“169 Zu dem befindet sich der Videoclip als populärkulturelles Medium in einem ständigen historischen und ästhetischen Wandel, Analysen müssen immer in Bezug zum Zeitpunkt der Entstehung von Clips betrachtet werden170.

5.1. Gewalt in Musikvideoclips

Gewalt in Musikvideoclips betrifft verbale Gewaltäußerungen und Beschreibungen von Gewalttaten ebenso wie explizite visuelle Darstellung von Gewalt in Ergänzung zum Songtext oder als dessen bildliche Umsetzung. Einigen Musikgenres wie Heavy Metal oder Gangsta-Rap wird eine höhere Affinität zu Darstellungen von Gewalt, Tod, Satanismus usw. in Texten und Clips nachgesagt und auch nachgewiesen. In diesem Zusammenhang wird oftmals die These geäußert, dass Musikvideos durch eine entsprechende Umsetzung auf der Bildebene gewalthaltige Texte unterstützen oder verstärken und somit gewaltfördernd oder seien171. Durch die häufig performative Inszenierung der Persönlichkeit der InterpretInnen in Form eines Image, stehen Gewaltdarstellungen in Videoclips jedoch immer in einem szenespezifischen

167 vgl. Altrogge 2001 (I), S.5ff 168 vgl. Jacke 2003, S.29ff 169 Altrogge 2001 (I), S.115 170 vgl. Pape; Thomsen 1997, S.202 171 vgl. Kunczik;Zipfel 2006, S.331ff 37 Bezugsrahmen, der kulturelle Unterschiede in der Darstellung, der Funktion und der Bedeutung von Gewalt hervorbringt, die in Bezug auf musikalische Jugendkultur, Jugendszene und Musikstil betrachtet werden müssen172. Bei der Analyse von Gewalt in Musikvideos ist die Darstellungspraxis wesentlich, d.h. wird z.B. nur die Ausübung von Gewalt gezeigt oder auch die Folgen. Ebenso ist der Kontext, in den Gewalt gesetzt wird von Bedeutung, ist sie z.B. als Spiegel veralltäglichter Gewalt zu verstehen oder will sie soziale Konfliktpunkte aufzeigen. So stellt sich in Clipanalysen immer die Frage nach der kritischen Reflexion von Gewalt, gerade weil sie oft als Ausdruck jugendlicher Rebellion, als Generationenkonflikt oder als Sexualisierung und schwindende gesellschaftliche Moral verstanden wird und z.B. weniger als bewusster Tabubruch oder eine Form von Protest173. Michael Richs (1998) Untersuchung von 518 Musikvideos ergab, dass in 15% der Fälle direkte, interpersonelle Gewalt gezeigt wurde, in denen der Protagonist in 80% der Fälle als Aggressor auftrat. Durch die Art der Präsentation von Gewalt und den zumeist attraktiven HauptdarstellerInnen meint Rich, würde Gewalt durch Musikvideos idealisiert. Auch Lichter, Lichter und Amundson (1999) haben in einer Analyse von 189 Musikvideos im Schnitt 3,6 Gewaltszenen pro Videoclip gezählt. Die in 90% der Fälle direkt gezeigte Gewalt wurde fast nie moralisch beurteilt und führte in dreiviertel der Fälle zu keinen sichtbaren physischen oder psychischen Konsequenzen. In der ‚National Television Violence Study’ (1994-1997) wurden 1.962 Musikvideos untersucht, von denen 15% Gewaltdarstellungen enthielten. In nur 11% der gefundenen Musikvideos mit Gewaltdarstellungen wurden auch die Konsequenzen der Gewalt thematisiert. Bestrafungen oder Rechtfertigungen für die meist realistisch dargestellte Gewalt fehlen in dreiviertel der Fälle. Der Gewaltgehalt in Musikvideos hängt, so das Ergebnis nicht zuletzt vom Kontext des Musikgenres ab. Rap Videos enthielten in der Studie deutlich mehr Gewalt (29%) als andere Genres (7% - 12%)174. Beispiele für Gewaltsymbolik finden sich aber nicht nur im Rap/HipHop-Bereich in Form von Verweisen auf ‚Gansterism’ und ‚Street Credibility’. Im Death- und Trash-Metal stellen sie Hintergrundornamente dar, im Dance-Clip zu ‚Smack My Bitch Up’ von ist Gewalt als exzessives Ausleben innerhalb der Party-Techno-Szene vorhanden und im Brit-Rock-Clip zu ‚Bittersweet Symphony’

172 vgl. Neumann-Braun; Mikos 2006, S32f 173 vgl. ebd., S.35f 174 vgl. Kunczik; Zipfel 2006, S.334ff 38 von als Aggression des Außenseiters gegenüber der ignoranten Umwelt175.

5.2. Horror in Musikvideoclips

Der Zusammenhang von Horrormythen und Gewaltdarstellungen ist offensichtlich und betrifft gleichermaßen die Literatur, den Film und Musikvideoclips. Das berühmteste ‚Horror-Musikvideo’ ist wahrscheinlich John Landis Clip zu Michael Jacksons ‚Thriller’ aus dem Jahr 1983, in dem dieser als Werwolf und Zombie stereotype Horrorfiguren verkörpert. Interessant an ‚Thriller’ ist, dass die dargestellte Zerrissenheit der Halbwesen, auch symbolisch für die damalige Verwandlung der medialen Figur Michael Jackson vom Soul-Kinderstar zum androgynen ‚King of Pop’ gesehen werden kann176. Der ‚thrill’ ist im Songtext weniger als Horror, denn in seiner Doppeldeutigkeit als Gruseln und als Erregung vorhanden. Der Clip bemüht sich um große Ähnlichkeit zu bekannten Horrorfilmen, kann seinen leicht parodistischen Charakter aber nicht verbergen, welchen er durch die Soundeffekte, den Sprech-Part von Vincent Price und die Tanzszene der Zombies erhält177. Eines der bekanntesten Musikvideos, in dem der Horror alle Clip-Ebenen umfasst ist Chris Cunninghams Video zu Aphex Twins ‚Come To Daddy’ (1997). Das Musikvideo erzählt in einem tristen, urbanen Setting die Geburt eines Monsters aus dem (Musik- )Fernsehen. Es verleiht in der Tradition des modernen Horrors dem latenten Grauen einen Körper und manifestiert zugleich den bedrohlichen, unbekannten Raum hinter dem Fernsehbildschirm. Des Weiteren ist das Doppelgängermotiv zentral, dargestellt durch eine Horde Kinder mit identischen, verzerrten Gesichtern, die das Bild einer unaufhaltsamen, in der vermeintlichen Unschuld des Kindlichen verborgenen Bedrohung erzeugt178. In einer mehrfachen körperlichen Transformation nimmt das Monster schließlich ebenfalls jenes verzerrte Gesicht von Aphex Twin an, wodurch es sich mit der gleichgesichtigen Kindergruppe äußerlich vereint. Von Beginn an finden sich im Videoclip in der räumlichen und figürlichen Gestaltung filmische Rückgriffe auf die Ikonografie des Horror- und Teufelsfilms179. Ein wichtiges Motiv ist die scheinbar idyllische Mittel-Sequenz in Form eines Kinderliedes: sie durchbricht

175 vgl. Neumann-Braun;Mikos 2006, S.34f 176 vgl. Mercer 1999, S.208ff 177 vgl. ebd., S.211ff 178 vgl. Meteling 2006, S.311ff 179 vgl. Frahm 2007, S.76ff 39 als Kontrapunkt den Horror und stellt ihn dadurch als noch viel grausamer dar, weil nun diese eingeschobene, harmonische Sequenz durch ihre Abweichung vom restlichen Clip das eigentlich befremdende ist180. Ein neueres, vielfach interpretiertes wie zensiertes Beispiel für die Verwendung moderner Horrorästhetik im Videoclips findet man in Vaughn Arnells Musikvideo zu ‚Rock DJ’ von Robbie Williams aus dem Jahr 2000. Hier wird zunächst der performende Star Robbie Williams gezeigt, wie er für eine Gruppe Frauen tanzt. Auf Grund ihres mangelnden Interesses an ihm als Star, beginnt er sich auszuziehen, als die jubelnde Frauenmenge nach mehr verlangt, reißt sich der nackte Robbie auch seine Haut und sein Fleisch vom Körper und wirft es in die Menge. Am Ende bleibt von ihm nur noch ein tanzendes Skelett übrig. Robbie Williams inszeniert sich hier mit Mitteln des Splatter-Films in seiner Doppelfunktion als Held und Antiheld, als Star, der seine gespielte Rolle bis zur totalen Gleichheit mit den Fans ablegen kann, symbolisiert durch das Skelett als grundlegendste Gemeinsamkeit aller Menschen. Das eigene Zerfleischen ist dabei die totale ‚Fleischbeschau’, die Dekonstruktion des Star-Körpers zu einem gewöhnlichen anatomischen Körper. Erst dadurch wird das Interesse des weiblichen Publikums geweckt und die Ordnung der Popstarwelt wieder hergestellt181. Dieser Videoclip kann sein populärkulturelles Wesen allerdings nicht verheimlichen und wirkt nicht in der Härte, die seine Aussage haben könnte: die Abrechnung mit dem zerfleischenden Popbusiness182.

180 vgl. Mertin 2002 181 vgl. Meyer-Seipp 2005, S.73ff 182 vgl. Mertin 2000 40 6. Musikvideoclipkorpus

6.1. Erstellung der Typologie

Die drei angesprochenen Musikvideos finden sich auch in dem erstellten Videoclipkorpus wieder, der die empirische Grundlage für die Analyse zweier ausgewählter Videoclipbeispiele darstellt. Auf die Erstellung des Korpus hatten weder Sendezeiten oder Häufigkeiten der Ausstrahlung noch Formate bekannter Musiksender, Musikrichtungen oder Produktionsdaten einen Einfluss. Die Vorgabe war lediglich die inhaltliche Berücksichtigung der theoretisch fundierten Definition von Horrorsymbolen und Horrormythen und deren Identifikation auf der Bild- und/oder Textebene des Musikvideos. Die Formen und Funktionen von Horror auf der Tonebene des Musikvideoclips bedürfen einer gründlicheren und theoretisch fundierteren Bearbeitung, als es in der vorliegenden Arbeit möglich ist, sie sollen daher als Desiderat behandelt werden. Die Videoclips wurden auf zwei verschiedene Weisen erhoben, zum einen über das Programm der Musiksender MTV, VIVA und deren Ableger MTV2 Pop und VIVA Plus, zum anderen über entsprechend spezialisierte Internetseiten. Dazu wurde in verschiedenen Videoclip-Datenbanken und Videoportalen über relevante Stichwörter nach Clips gesucht (siehe Liste im Anhang). Des weiteren wurden persönliche Homepages von RegisseurInnen und InterpretInnen, Homepages von verschiedenen Labels und Produktionsfirmen und Fan-Sites für die Recherche herangezogen. Als Kriterium für die Aufnahme in den Korpus galt dabei das Vorkommen eines Horrortyps auf mindestens einer der beiden Clipebenen Bild und/oder Text. Um zu einer brauchbaren Typologie zu gelangen, wurden die theoretisch fundierten Horrormythen in Bildersteindrucksanalysen an dem gesammelten Videoclipmaterial hinsichtlich der dort dargestellten Objekte und Figuren und den verwendeten Ästhetiken überprüft. Das Ergebnis dieser Vergleiche zeigt, dass alle sechs klassischen Horrormythen in den gesammelten Videoclips empirisch bestätigt werden können, jeder Mythos kann in mindestens drei verschiedenen Videoclips aufgefunden werden. Hinzu kommt, dass sich durch weitere Differenzierung drei zusätzliche Typen bilden lassen, so dass insgesamt neun Typen gebildet werden können, denen sich das Gesamtmaterial zuordnen lässt. Den Kernkorpus bilden 136 Musikvideoclips (siehe Liste im Anhang), die durchaus mehr als nur einen der neun

41 Typen beinhalten können, weswegen für die Zuordnung der in Bild oder Text am häufigsten oder am markantesten auftretende Horrortyp gewählt wurde. Bei einem gleichberechtigten Auftreten mehrerer Horrortypen, wurde der entsprechende Clip mehrfach kategorisiert, jedoch nur einmal gezählt. Die neun Typen lauten wie folgt: 1. der künstliche Mensch bzw. das künstliche Wesen 2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind 3. Tiermenschen 4. Tiere, die menschliche Züge annehmen 5. Doppelgänger 6. Hexen und Hexerei 7. Mörders, Killers und Irre 8. Masken und Maskierungen 9. Albtraum Hierbei entsprechen die Typen eins bis sechs den klassischen, aus der Literatur stammenden Horrormythen, Typ sieben entstammt dem modernen Horrorfilm und die Typen acht und neun stellen allgemeinere Mythen oder Motive dar, die sowohl im klassischen als auch im modernen Horror vorkommen.

6.2. Beschreibung der erstellten Typologie

1. Der künstliche Mensch/ Das künstliche Wesen Dieser Horrortypus kommt eher selten in den Musikvideos des Korpus vor, da es sich um eher unbekanntere klassische Figuren handelt, die eine aufwändigere inhaltliche Einbettung benötigen um als Horror und nicht als Science-Fiction verstanden werden zu können. ‚Born in 69’ der Band Rocket From The Crypt zeigt beispielsweise eine an Frankenstein-Filme angelehnte Transplantation eines Hirns zur Schaffung des künstlichen Menschen, in ‚Obscure’ von Dir En Grey werden im Setting einer Obduktion mehrere künstliche Wesen dargestellt und in ‚The Day The Dead Walked’ der Band Six Feet Under wird eine Leiche ausgegraben und anschließend in einem Labor wiederbelebt. Das künstliche Wesen tritt aber auch in laborfremden Situationen auf, was eine metaphorischere Darstellung ermöglicht. So bringt in ‚Come To Daddy’ von Aphex Twin ein Fernseher das Monster in die Welt und im Clip zu ‚Believe’ der Chemical Brothers sind tierartige Monstermaschinen als Wesen zwischen Realität und Wahn der Ausdruck psychischer Instabilität des Menschen.

42 Das künstliche Wesen lässt sich auch als Metapher zu der Künstlichkeit des Musik- Stars interpretieren, so z.B. im Clip zu Marilyn Mansons ‚The Beautiful People’, in dem dieser als Wesen mit überdimensionalen künstlichen Gliedmaßen präsentiert wird. Gerade im Fall von zeigt sich, dass eine derart dargestellte Künstlichkeit auch als bildästhetisches Image einer Band oder eines/r KünstlerIn genutzt werden kann. Jene Musikvideos des Korpus, die dem Typ des künstlichen Wesens oder Menschen zugeordnet werden können, entstammen überwiegend dem Rockmusikgenre und nutzen die visuelle Funktion des Horrors hauptsächlich als narrative oder visuelle ästhetische Ergänzung.

2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind (‚Untote’) Fast die Hälfte der Videoclips des Korpus lässt sich dem Typ der ‚Untoten’ zuordnen, was zunächst damit erklärt werden kann, dass diese Kategorie die meisten und bekanntesten Figuren enthält, zu denen auch der Zombie zählt. Die Besonderheit der Figur des Zombies ist es, dass sie auf Grund ihrer äußeren Erscheinung durch wenige Merkmale angedeutet und ohne weitere Einbettung in ein spezielles Setting verwendet werden kann. Des Weiteren ist anzunehmen, dass die untoten Wesen durch eben jenen körperlichen Zustand im Prinzip die größte phantastische Anziehungskraft sowohl auf RezipientInnen als auch auf die InterpretInnen als potentielle DarstellerInnen ausüben, die z.B. beim Vampir ebenso erotischer und sexueller Natur sein kann. Besonders in Pop- und Boygroup-Videos wie ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because Of You’ von Us5, ‚Wall To Wall’ von Chris Brown oder dem an ‚Nosferatu’ angelehnten Clip zu ‘Sumisu’ von Farin Urlaub wird der Vampir als Figur zwischen Erotik und Gefahr inszeniert. Die Darstellung einer erotischen Horrorfigur lässt somit immer noch die positive Konnotation des Stars zu, wohingegen im Fall des Zombies bereits ein höherer Abstraktionsgrad zwischen Star und Figur von Nöten ist. Der Reiz der Zombiefigur liegt im Musikvideoclip eher in seinem optischen Auftreten und in der Möglichkeit der parodistischen Entfremdung durch Tanzchoreografien, wie in Michael Jacksons ‚Thriller’ und der wiederum daran angelehnten Parodie in ‚Somebody’s Watching Me’ der Beatfreakz zu sehen ist. Das Video zu Phantom Planets ‚Big Brat’ hingegen zeigt die Band bei der Heimproduktion eines anschließend aufgeführten Zombiefilms, was gleichzeitig als Parodie und als Hommage verstanden werden kann. Die Wirkung ist

43 durch die Offenlegung der filmtechnischen Vorgänge in diesem Clip jedoch abgeschwächt. Die Figur des Skeletts oder das Symbol des Totenkopfs findet man in den Musikvideos des Korpus am häufigsten. Das liegt daran, dass diese Horrorfiguren ohne einen weiteren Zusammenhang mit Horror bzw. auch losgelöst von diesem verwendet werden können. Die tanzenden Skelette im Video zu ‚Hey Boy Hey Girl’ der Chemical Brothers treten, hervorgerufen durch den Röntgenblick einer jungen Frau eher als Symbol der Gleichheit aller Menschen auf, in ‚Around The World’ von Daft Punk sind sie lediglich optischer Ausdruck einer akustischen Vorlage und in ‚Go With The Flow’ der steht der Totenkopf als Symbol für Rock’n’roll. Gegenteilige Beispiele sind z.B. die düstere, marschierende Skelett- Armee in ‚Seven Nation Army’ von The White Stripes oder die bedrohlichen Skelett- Ritter im Clip zu ‚Burn It Off’ von Jon Spencer Blues Explosion. Totenköpfe und Skelette eigenen sich durch die Vielzahl ihrer symbolischen Bedeutungen jedoch besonders zur beiläufigen, nicht mit Horror verbundenen Einstreuung auf der Bildebene eines Musikvideos. Als Horrorsymbol ausgewiesen, stellen sie jedoch eine Möglichkeit dar, für eine kurze Zeit im Clip ein düstereres oder ‚härteres’ Image der InterpretInnen zu erzeugen, ohne dass ein vollständiger Imagewandel nötig wäre. Im Videoclipkorpus gilt dies sowohl für narrative als auch für Performance-Clips. Beispiele hierfür sind die Videos zu ‚New Noise’ von Refused, in dem die Band kurz in Zombiemasken auftritt, ‚Kick It’ von Peaches & Iggy Pop und ‚What Doesn’t Die’ von Anthrax, in denen die Performance der KünstlerInnen in von Zombies bedrohten Settings stattfindet, oder auch die kurzen Einblendungen von Horrorsymbolen in den Clips zu ‚Alala’ von CSS, ‚Vampire Racecourse’ von The Sleepy Jackson und ‚Solo Impala’ von The Fashion. Die mediale Konzeption eines ‚härteren’ Images der InterpretInnen durch ihre Inszenierung als untote Wesen, findet sich ebenfalls im Clip-Korpus wieder. So tritt die Dance-Pop-Formation Beatfreakz in ihren Clips als eine Gruppe Untoter auf, die finnische Band visualisiert ihr Image als Schock-Rock-Band durch die Verkleidung als Halbwesen zwischen Mythologie und Zombie und die Gruppe Young Punx lässt sich in ihren computeranimierten Musikvideos durch singende Totenköpfe und tanzende Skelette vertreten. In der Kategorie ‚Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind’ sind alle Musikgenres und visuellen Funktionen des Horrors vertreten, zwei Aspekte fallen dabei jedoch auf:

44 bildliche Umsetzungen von Horrortexten fallen zumeist in das Genre der Rockmusik und der Großteil der Videos beinhaltet Performance-Elemente.

3. Tiermenschen Die Inszenierung von Tiermenschen auf der Bild- und Textebene in den Musikvideos des Korpus ist mit wenigen Ausnahmen auf die Figur des Werwolfs beschränkt. In Titeln wie ‚Wolf like me’ von TV on the Radio, ‚We’re Wolf’ von Everytime I Die oder ‚Someone’s in the Wolf’ von Queens of the Stone Age finden sich zahlreiche Anspielungen und metaphorische Verwendungen, die meist auch visuell entsprechend umgesetzt werden. Ein Grund dafür ist der hohe kulturelle Bekanntheitsgrad des Werwolfmythos und sein gleichsam hoher optischer Wiedererkennungswert und so reichen kurze Einblendungen typischer Symbole wie spitze Ohren und Zähne oder ein haariges Gesicht in den meisten der Videos bereits aus. Es lassen sich aber auch weitere Tiermenschen in den Videos des Korpus identifizieren: in ‚Who Cares’ von Gnarls Barkley verwandelt sich der Protagonist als Vampir auf der Suche nach nächtlicher, weiblicher Bekanntschaft in eine Fledermaus, in ‚Good Stuff’ von Clor findet durch den Blick eines Nachtsichtgerätes ein Kampf zwischen Mensch und einem Bigfoot-ähnlichen Monster statt und in ‚Sheena is a parasite’ von The Horrors ist die Hauptdarstellerin nur scheinbar eine gewöhnliche Frau, denn jedes Mal, wenn sie im blitzenden Licht ihr Kleid hochreißt schießen der Kamera krakenähnliche Fangarme entgegen. Der Mythos des Tiermenschen ist als Ausdruck des unterdrückten Animalischen im Menschen stets negativ konnotiert. Seine Inszenierung in Musikvideos muss daher unter Heranziehen von Text und Musik vorsichtig gestaltet werden. Die gängigste Darstellung ist die Verwandlung des/der ProtagonistIn in einen Tiermenschen als Element Teil einer Performance wie z.B. in Michael Jacksons ‚Thriller’ oder Ozzy Osbournes ‚Bark at the moon’. Je drastischer die Darstellung des Tiermenschen ist, desto stärker entfernt sich diese von dem romantischen Bild eines, wegen seiner Kraft verehrten Halbwesens hin zur Verkörperung der Angst vor der animalischen Bedrohung. Ihre Inszenierung erzeugt ein härteres Image, wobei entscheidend ist, ob der/die KünstlerIn z.B. selbst in die Rolle des Tiermenschen schlüpft oder ob es sich um eine ergänzende Narration auf der Bildebene handelt. Fast alle Clips dieses Typus sind Kombinationen aus Narration und Performance und zum größten Teil dem Rockmusikgenre zuzuordnen.

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4. Tiere, die menschliche Züge annehmen Tiere, die menschliche Züge annehmen sind eher ein literarischer und veralteter phantastischer Typus, der zu dem den Tiermenschen recht ähnlich ist. Trotzdem lassen sich einige Videoclips des Korpus diesem Typ zuordnen, das beste Beispiel ist der Clip zu ‚’ von Queens of the Stone Age, in welchem die Band ein Wild anfährt, das sich in der Folge rächt, in dem es die Bandmitglieder überwältigt und ihre ausgestopften Köpfe wie ein Jäger in seinem menschlichen Zuhause über seinem Bett aufhängt. Für die Darstellung dieses Typus bedarf es einer komplexen Rahmenhandlung, da solche Geschichten meist moralisierende Themen wie z.B. die von Tieren vollzogene Rache der Natur am Menschen beinhalten. Für die Kürze eines Musikvideos, sind solche Geschichten eventuell zu komplex und ihre Symboliken zu wenig bekannt. In den weiteren Videoclips dieses Typs findet sich in ‚Intergalactic’ der Beastie Boys die Bekämpfung eines Godzilla-artiges Wesens und in ‚Where’s your head at?’ von Basement Jaxx performen Affen, welche die Gesichter der Band tragen den Song. Die Musikvideos dieses Typus sind allesamt narrative Clips, die durch performative Elemente ergänzt werden und den Horror als narrative Ergänzung auf der Bildebene nutzen.

5. Doppelgänger Das Motiv des Doppelgängers kommt in den Videoclips des Korpus am seltensten vor, es ist zugleich auch jenes, das die geringste Anzahl an Figuren besitzt. Im Prinzip beschränken sie sich auf Dr. Jekyll/Mr. Hyde, der im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ von einem der Backstreet Boys verkörpert wird und auf die gleichnamige Figur aus dem Film ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’, die in Rob Zombies Videoclip ‚Living Dead Girl’ von ihm adaptiert wird. Zwei weitere Videoclips des Korpus arbeiten noch mit diesem Horrortypus: in ‚Breathe’ von The Prodigy steht eines der Bandmitglieder kurz seinem Ebenbild gegenüber und in ‚Gimme some more’ von tyrannisiert dessen böser comic-hafter Monster- Doppelgänger sein Kindermädchen. Das Doppelgängermotiv stellt für die InterpretInnen in Musikvideos eine Möglichkeit dar zwei verschiedene Rollen einnehmen zu können, jedoch wurde es in der neueren Zeit im Film vermehrt zum Thema von Komödien und muss mittlerweile nicht mehr zwangsweise als Horrormythos verstanden werden. Die beiden angesprochenen bekannten Figuren

46 dieses Typs entstammen zu dem der älteren Phantastik und sind als Vertreter des psychischen Horrors schwerer darzustellen. Die Videos mit Doppelgängermotiv sind größtenteils narrativ mit ergänzenden Performances, sie nutzen die Bildebene für die Inszenierung einer vom Songtext unabhängigen Geschichte.

6. Hexen Hexen und Hexerei „(...) ist bereits eine Gruppe, die am Rande des Genres liegt; (...)“183, daher sind sie auch im Clip-Korpus nur selten zu finden. Textlich wird dieses Motiv in ‚American Witch’ von Rob Zombie verwendet, als Metapher auf der Bildebene z.B. in ‚Grand Fraud’ der Band Weird War. Es finden sich jedoch auch zwei umfassendere Darstellungen dieses Typs. In ‚Burn The Witch’ von Queens of the Stone Age werden Hexerei, Hexenverfolgung und Hexenverbrennung im Text thematisiert und im Videoclip entsprechend bildlich umgesetzt, in dem eine junge Frau als Hexe deklariert, verfolgt und verbrannt wird. Jedoch kehrt sie als eine Art Zombie samt einer Skelettarmee zurück, wodurch der Clip auch weiteren Kategorien zugehörig ist. Ebenso schildert der Clip zu ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’ von Get Well Soon auf Text- und Bildebene wie einer jungen Frau zunächst der Prozess als Hexe gemacht wird und sie dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Hexen sind der einzige ausschließlich weibliche Horrortyp, es sei angemerkt, dass in den Videoclips des Korpus kaum weibliche Horrorfiguren und auch nur wenige Interpretinnen vertreten sind, wodurch das geringe Vorkommen dieses Typs erklärt werden könnte.

7. Mörder, Killer und Irre Der (Massen-)Mörder, Killer oder Irre ist das bekannteste und anschaulichste Motiv des modernen Horrors und verweist oftmals auf politische und gesellschaftliche Missstände. Die Darstellung ist meist mit detaillierten Tötungsszenen kombiniert, was gerade im Musikvideo eine Verwendung erschwert. Eine Identifikation oder Nachahmung eines unterbewusst verehrten Halbwesens ist nicht mehr möglich, die Darstellung eines irren Mörders, egal ob durch den Star oder durch eine andere Person ist wegen moralischer Tabus und gesetzlicher Vorgaben schwer zu verkaufen. Für die Inszenierung einer solchen Figur muss ein hohes Abstraktionslevel zwischen InterpretIn und Figur geschaffen werden, um die

183 Seeßlen/Weil S.28 47 Trennung von Realität und Fiktion beizubehalten. Die Figur des Mörders kommt jedoch nicht ohne den Mord aus und der Mord im Horror nicht ohne eine detaillierte Zurschaustellung. Andererseits verfügen der Mörder als Figur und Mord als Tat über eine umfangreiche Symbolsprache, weswegen für ein Verständnis dieses Typs oftmals Andeutungen ausreichen. So wird z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas in einer Point-of-view-Perspektive die Existenz einer Bedrohung suggeriert, in dem auf der Bildebene eine Frau vor einem Killer flieht, der nur im Songtext vorhanden zu sein scheint. Der Clip zu Nick Cave & Kylie Minogues ‚Where The Wild Roses Grow’ dreht dieses Prinzip um, in dem der Killer im Duett mit seinem weiblichen Opfer den begangenen Mord besingt, während er im Clip sein im Wasser schwimmendes Opfer zu Grabe trägt. Ganz anders verhält es sich im Spoken-Word-Video zu ‚Serial Killer’ von Motorhead. Der relativ kurze Clip zeigt in grünem, blitzendem Licht Sänger Lemmy Kilmister, der als Serial Killer auf dem elektrischen Stuhl sitzend poetisch aber reuelos seine Taten schildert, während die Tonebene nach und nach durch das Rauschen und Zischen von Elektrizität bestimmt wird. Dass auch in dieser Kategorie Adaptionen filmischer Vorlagen möglich sind, zeigt das Video zur ‚Billie Jean’ von The Bates, in dem die Band die bekanntesten Szenen aus Hitchcocks ‚Psycho’ nachstellt. Die Clips dieses Typs im Korpus zeigen, dass das Killer-Motiv vornehmlich als narrative oder visuelle ästhetische Ergänzung genutzt wird.

8. Masken, Verkleidung Masken und Maskierungen werden in den Musikvideos des Korpus von Bands und KünstlerInnen fast ausschließlich zur Erzeugung und Etablierung eines ‚bösen’ und ‚harten’ Images genutzt, etwaige Ähnlichkeiten mit bekannten Horrorfiguren sind dabei durchaus beabsichtigt um die Eigenschaften der Figur auf den Star zu projizieren. Beispielsweise treten Acts wie Slipknot, Insane Clown Posse oder Boondox in Maskierungen auf, die zwar nicht an bestimmte Horrorfiguren angelehnt sind, durch ihre Ästhetik und im Gesamtkontext des Videoclips aber ein entsprechendes Image erzeugen. Ein anderes Beispiel des Korpus ist die Band The Ghastly Ones, die Rockabilly-Musik mit dem Kleidungsstil aus Horrorfilmen der 1950er Jahre verbinden um so ihr musikalisches Image optisch zu verstärken. Alle Videoclips dieses Typs enthalten dem entsprechend Performance-Elemente, da die KünsterInnen als Träger der Masken das Image präsentieren müssen. Die

48 Imagefunktion steht dabei im Vordergrund, schließt aber weitere Funktionen nicht aus.

9. Albtraum Dieser Typus beinhaltet jene Clips des Korpus, in denen der Horror nicht als Figur, sondern als das gängige Albtraummotiv vorkommt. Dem entsprechend verwenden diese Clips Ästhetiken und Artefakte, die mit bekannten Horrorgestalten verbunden werden und suggerieren deren mögliche Anwesenheit. Der Traumzustand wird wie in ‚Enter Sandman’ von Metallica oder ‚Lullaby’ von The Cure zumeist durch das Schlafen im Bett visualisiert, bildtechnische Effekte wie das Verschwimmen des Bildes oder das Zoomen auf das Gesicht des Schlafenden werden zur Verdeutlichung des Träumens eingesetzt. Alle Clips dieser Kategorie behandeln das Thema auch auf textlicher Ebene, die größte Übereinstimmung von Bild und Text findet sich in King Gordy’s Clip zu ‚Nightmares’. Der Text handelt von dem Auftreten der Figur King Gordy in Träumen, während der Künstler in Teufelsverkleidung durch nächtliche Straßen zu einem verlassenen Jahrmarkt fährt, in dem skurrile Wesen zur Schau gestellt werden. Das Albtraum-Motiv wird zu dem in einigen Clips wie beispielsweise ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys, ‚Just Because Of You’ von Us5, ‚Wall To Wall’ von Chris Brown, ‚Everlong’ der Gruppe Foo Fighters oder ‚Monster Hospital’ von Metric als Rahmenhandlung für weitere Horrorerzählungen verwendet. Die Videos, die das Albtraummotiv beinhalten sind alle narrativ und nutzen diese Form des Horrors als visuelle ästhetische oder narrative Ergänzung auf der Bildebene.

6.3. Typologie der visuellen Funktionen des Horrors

Die generelle Betrachtung der 136 Musikvideoclips des Korpus führt zu folgenden grundlegenden Ergebnissen: Erstens kann nachgewiesen werden, dass sich in Musikvideos auf der Bild- und/oder Textebene alle Horrormythen sowohl des klassischen als auch des modernen Horrors wiederfinden lassen. Zweitens lässt sich aufzeigen, dass die identifizierten Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene in Musikvideoclips aller Hauptmusikrichtungen (Softpop, Dance-Pop, Rap/HipHop, Rock und Heavy Metal) verwendet werden. Drittens verdeutlicht der Korpus, dass sich die Verwendung von Horrormythen auf der Bild- und/oder Textebene von

49 Musikvideos über die Zeitspanne von der Gründung MTVs bis zum heutigen Zeitpunkt zieht und somit Horror in Musikvideoclips kein zeitliches Phänomen ist. Die Verwendung von Horrormythen lässt sich für die Bildebene auch rein funktional bestimmen. Aus dem Zusammenspiel von Text und Bild in den Musikvideos des Korpus ergeben sich fünf Typen, die anzeigen aus welchem bildfunktionalen Grund Horrormythen überhaupt in den Musikvideos verwendet werden, d.h. in welcher funktionalen Verbindung stehen die auf der Bild- und/oder Textebene identifizierten Horrorsymboliken zueinander. Die Tonebene kann aus bereits erläuterten Gründen auch hier nur als Desiderat behandelt werden. Die fünf Typen, denen die Musikvideoclips des Korpus dem entsprechend zugeordnet werden können sind: 1. Image: das Image der Band bzw. InterpretInnen oder das Image des von ihnen vertretenen Musikstils oder das Image des/der RegisseurIn ist mit dem Genre des Horrors verbunden. Einen Sonderfall nehmen Videoclips ein, die Teil eines Soundtracks zu einem Horrorfilm sind und Bildmaterial aus diesem verwenden. Die Funktion des Image kann sich mit allen anderen Funktionen decken oder überschneiden. Beispiele aus dem Korpus sind die Videoclips der Gruppen , Beatfreakz, Insane Clown Posse, Lordi, Slipknot 2. Verbildlichung des Songtexts: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, diese Geschichte wird auf der Bildebene des Videoclips nahezu identisch umgesetzt. Sie muss dabei nicht unbedingt die gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind: Death In Vegas ‚Aisha’, Michael Jackson ‚Thriller’, ‘Bark At The Moon’, Queens of the Stone Age ‚Burn The Witch’, Ramones ‘Pet Semetary’ 3. Narrative Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine Horrorthemen, auf der Bildebene des Videoclips wird eine, vom Songtext verschiedene Horrorgeschichte erzählt. Diese muss dabei nicht unbedingt die gesamte Dauer des Clips umfassen. Beispiele aus dem Korpus sind: Backstreet Boys ,Everybody (Backstreet’s back)’, Chemical Brothers ,Believe’, Farin Urlaub ,Sumisu’, Gnarls Barkley ,Who Cares?’, Us5 .Just Because Of You’ 4. Symbolische Ergänzung: Der zugrundeliegende Songtext behandelt keine Horrorthemen, auf der Bildebene werden Horrorsymbole verwendet, die in keiner Beziehung zueinander stehen und nicht mit der Geschichte auf der Bildebene zusammenhängen. Beispiele aus dem Korpus sind: Chemical Brothers ,Hey Boy Hey

50 Girl’, Daft Punk ,Around The World’, Refused ,New Noise’, The White Stripes ;Seven Nation Army’ 5. keine Verwendung auf der Bildebene: Der zugrundeliegende Songtext erzählt eine zusammenhängende oder Teile einer Horrorgeschichte, auf der Bildebene werden keine Horrorfiguren oder Horrorsymbole verwendet und keine Horrorgeschichte erzählt. Beispiele aus dem Korpus sind: Danzig ,Killer Wolf’, The Hooters ‚All You Zombies’, Nick Cave ,Henry Lee’

51 7. Analysemethoden

Wie bereits dargelegt sind Musikvideoclips in verschiedener Hinsicht von Spielfilmen zu unterscheiden, jedoch existiert noch keine vollständig ausgearbeitete eigenständige Methode zur Analyse von Videoclips. Unter dieser Voraussetzung empfiehlt sich für die vorliegende Arbeit eine Methodenkombination aus Filmanalyse, struktural-hermeneutischer Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse. Die jeweiligen Grundlagen und Analyseschritte dieser methodischen Vorgehensweisen und ihre Kombination werden im Folgenden dargestellt.

7.1. Filmanalyse

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Vorgehensweisen der Filmanalyse etabliert, so z.B. Lothar Mikos ‚Film- und Fernsehanalyse’ (2003) oder Thomas Kuchenbuch ‚Filmanalyse’ (2005), die je nach Zugang zum Material, dessen Umfang und den zu untersuchenden Fragestellungen individuelle Möglichkeiten der Analyse bieten. Unabhängig von der variierenden Anzahl an vorgeschlagenen Analysekategorien und Arbeitsschritten herrscht Einvernehmen darüber, dass eine Filmanalyse die vier grundsätzlichen Arbeitsschritte (1) Beschreiben, (2) Analysieren, (3) Interpretieren und (4) Bewerten umfassen sollte184. Die Grundlage für die vorliegende Arbeit ist die von Werner Faulstich in ‚Grundkurs Filmanalyse’ (2002) beschriebene Methode der Filmanalyse als Produktanalyse in Abgrenzung zur Medienanalyse. „Die Filmanalyse als Produktanalyse widmet sich der systematischen Analyse der Gestaltungs- und Vermittlungsformen, innerhalb deren bzw. mit denen Bedeutung konstituiert und ausgedrückt wird.“185

7.1.1. Die Adaption des Grundmodell zur Analyse von Musikvideoclips

Faulstich unterscheidet folgende vier Zugriffe auf den Film im Sinne von vier unterschiedlichen Blickweisen auf das selbe Analyseobjekt: Handlungsanalyse, Figurenanalyse, Analyse der Bauformen und Analyse der Normen und Werte. Für die Beantwortung der Forschungsfrage können Szenen oder Sequenzen beispielhaft herausgenommen und mit einem Szenen- oder Schnittprotokoll detaillierter analysiert

184 vgl. Mikos 2003, S.74 185 Faulstich 2002, S.18 52 werden, die Analyse bezieht sich jedoch immer auf den gesamten Film als Produkt186. In der Untersuchung von Musikvideoclips muss sich die Filmanalyse folglich auf den gesamten Videoclip beziehen und dabei stets das gleichberechtigte Zusammenspiel der Bilder, des Liedtexts und des Liedes beachten. Auf Grund der relativen Kürze von Videoclips erscheint die Erstellung eines Sequenzprotokolls für den gesamten Clip sinnvoll, gerade wenn sich die zu untersuchenden Aspekte über die Dauer des Clips verteilen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, lässt sich die inhaltliche und formale Struktur des Videoclips so besser überblicken, Schnittprotokolle sind wegen der inzwischen hohen Schnittfrequenz von Popvideos weniger aussagekräftig. Zu dem kann das Herauspicken einer bestimmten Szene das Zusammenspiel von Bild, Text und Ton in der Gesamtheit des Musikvideos nicht adäquat wiedergeben, was für eine komplette Transkription des gewählten Clips spricht.

7.1.2. Handlungsanalyse

Für die Handlungsanalyse können verschiedene Texte wie das Drehbuch, das Storyboard, die literarische Vorlage usw. herangezogen werden oder, wie in der vorliegenden Arbeit, das erstellte Sequenz- bzw. Filmprotokoll187. Das Filmprotokoll dient dabei der möglichst genauen Transkription des visuellen Filmmaterials, es kann den Film aber nicht ersetzen und darf auch nicht mit ihm verwechselt oder gleichgesetzt werden. Die obersten Prämisse bei der Erstellung eines Filmprotokolls sind sowohl Objektivität als auch Detailgenauigkeit des transkripierten Materials188. Die Anzahl der Kategorien eines Filmprotokolls und ihre Benennung schwankt je nach Autor, Faulstich schlägt folgende Einteilung vor: Nummer der Einstellung, Beschreibung der Handlung und der Dialoge, Musik und Geräusche, Kameraverhalten und Zeitdauer189. Diese fünf Kategorien bedürfen für die Transkription eines Musikvideoclips einer Anpassung an dessen Struktur. So ergeben sich durch geringfügige Umbenennungen und Ergänzungen wie folgt acht Kategorien: Nummer der Einstellung, Dauer der Einstellung, dann die Bildebene unterteilt in Screenshot,

186 vgl. Faulstich 2002, S.25ff 187 vgl. ebd., S.57ff 188 vgl. ebd., S.63f 189 vgl. ebd., S.66f 53 Kamera und Handlung, die Textebene in Form von Songtext oder Dialog, die Tonebene in Form des Songs, songfremder Musik oder Geräusche und schließlich die Kategorie Memo, Notizen o.ä. Ein wichtiger Teil des Filmprotokolls ist das Sequenzprotokoll, d.h. die Einteilung des gesamten Films in Analysesequenzen nach den Kriterien von Einheit oder Wechsel von Ort oder von Zeit, Einheit oder Wechsel bezüglich Stil und Ton und Einheit oder Wechsel eines inhaltlichen Handlungsstrangs190. Für die Analyse von Musikvideos lässt sich diese, vom Bild ausgehende Einteilung in Analysesequenzen durchaus übernehmen, auf Grund der Strukturierung der Bilder durch die musikalische Vorgabe ist es aber ebenso möglich Sequenzen nach musikalischen Mustern zu bilden. Denkbar wäre die grobe Einteilung in Strophen, Refrains, Intros, Mittelteile, Interludes usw. oder in Gesangsparts und Instrumentalparts. Bei der Bildung von Analysesequenzen im Musikvideo erscheint es sinnvoll die Form des Videos zu beachten, d.h. handelt es sich um einen Performance oder Konzept-Clip, ist die Einteilung nach Wechsel von Handlungsort oder inhaltlichem Handlungsstrang vielleicht weniger brauchbar als eine Orientierung an den musikalischen Parts. Bei hauptsächlich narrativen Videoclips erscheint eine Unterteilung in Sequenzen nach den angeführten Kriterien von Einheit und Wechsel sinnvoller.

7.1.3. Figurenanalyse

Bei der Figurenanalyse ist zunächst zwischen Haupt- und Nebenfiguren zu unterscheiden, was nicht mit dem Gegensatz von Protagonist und Antagonist zu verwechseln ist. Des Weiteren sind Einzelkonstellationen und Figurenpaarungen von einander zu differenzieren, ebenso wie die Rollen und Typen der Figuren. Ferner ist der Unterschied zwischen der Selbst-, der Fremd- und der Erzählcharakterisierung der Figuren durch die Filmhandlung zu analysieren, außerdem ist die Dimensionalität der Figuren zu prüfen, d.h. handelt es sich um eher flache, eindimensionale oder mehrdimensionale Figuren. Ein weiteres Analysekriterium ist die Frage, ob die Figuren im Film eine Persönlichkeitsveränderung durchlaufen, und wenn ja welche.

190 vgl. Faulstich 2002, S.73f 54 Schließlich müssen die Figuren noch in Relation zu den sozialen Determinanten des Settings betrachtet werden191. Die Figurenanalyse im Musikvideoclip muss um folgende Differenzierungen erweitert werden. Erstens stellt sich die Frage, ob die Personen im Musikvideo auch die InterpretInnen des Songs sind oder nicht. Sind die Personen auch die InterpretInnen muss als zweites unterschieden werden, ob der/die InterpretIn(nen) im Videoclip in seiner/ihrer Funktion als Star(s) oder in der Rolle als SchauspielerIn(nen) auftreten. Besonders in narrativen Videoclips sind die InterpretInnen oftmals Stars und SchauspielerInnen zugleich, Performance-Clips thematisieren den/die Star(s) eher in der Funktion als MusikerIn(nen). Es ist daher wichtig zu analysieren zu welchem Zeitpunkt im Clip die Personen welche Funktion übernehmen und in welcher Verbindung diese zu den Ebenen Text und Ton steht. Die Dimensionalität der Figuren, etwaige Persönlichkeitsveränderungen und ihr Bezug zu sozialen Determinanten des Settings sind gleichermaßen in Beziehung zum musikalischen Image des/der InterpretIn(nen) zu überprüfen, denn es darf nicht die hintergründige Werbe- und Präsentationsfunktion von Musikvideos vergessen werden.

7.1.4. Analyse der Bauformen

Die Analyse der Bauformen beinhaltet z.B. die Betrachtung der Einstellungsgrößen, der Einstellungsperspektiven und der Kamerabewegungen (z.B. Achsenverhältnisse, Mis-en-scene, Montage usw.)192. So werden Dialoge und Geräusche beispielsweise nach handlungsfunktionalen Geräuschen und Rezeptionssteuerung durch Geräusche unterschieden, die Musik nach ihrer Verteilung im On und Off, nach ihren Leitmotiven und den von ihr erzeugten Stimmungen193. Des Weiteren sind Formen und Funktionen von Raum, Licht und Farben sowohl in Bezug auf die Inszenierung der Figuren als auch auf die der restlichen Filminhalte zu analysieren 194. Im Musikvideo gibt auf Grund der zeitlichen Rahmenbedingungen keine Möglichkeit einen Gegenstand langwierig einzuführen, was nicht bedeutet, dass es keine zentralen Gegenstände gibt195. In der Analyse der Bauformen von Musikvideos ist jedoch zunächst zu klären, welche der Formen Performance, Narration und Konzept

191 vgl. Faulstich 2002, S.93ff 192 vgl. ebd., S.113ff 193 vgl. ebd., S.136ff 194 vgl. ebd., S.143ff 195 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.214 55 überwiegt und wie diese mit der Songstruktur kombiniert werden (z.B. Performance im Chorus, Narration in der Strophe o.ä.). Bei der Analyse von Kamera, Einstellungsgröße und –perspektiven sowie von Raum, Licht und Farben usw. muss stets die bildstrukturierende Funktion der Musik bedacht werden. Dialoge und Geräusche sind in Videoclips eher selten, jedoch ist zu beachten, dass der Songtext sehr wohl Dialogform haben kann, die dann im Video umgesetzt werden kann. Ebenso ist es möglich, dass die Musik Geräusche enthält oder nachahmt. Es können sich im Videoclip auf allen drei Ebenen Leitmotive zur Stimmungserzeugung finden lassen, sowohl im Zusammenspiel von Bild, Text und Ton oder auch nur auf einer der Ebenen.

7.1.5. Analyse der Normen und Werte

Faulstich listet folgende Möglichkeiten der Analyse von Normen und Werten im Rahmen einer Produktanalyse auf: die film- oder literarhistorische, die biografische, die soziologische und die genrespezifische Filminterpretation196. Für die Musikvideoanalyse scheinen diese Kategorien prinzipiell ebenso brauchbar zu sein, so ist es denkbar die mediale Wechselwirkung von Musikvideo und Film bzw. (Musik-)Fernsehen videocliphistorisch zu interpretieren, eine biografische Analyse kann z.B. bezüglich einer Künstlerbiografie, dem Werdegang von InterpretInnen oder in Form einer Werkschau einzelner RegisseurInnen erfolgen. Eine genrespezifische Videoclipinterpretation gestaltet sich eher schwierig, da zunächst die Anwendung und Perspektive des Genrebegriff auf Musikvideoclips geklärt werden müsste. Die von Faulstich vorgeschlagene soziologische Interpretation mit Rekurs auf gesellschaftliche Themen und dem Fokus auf die thematisierten gesellschaftlichen Strukturen zum Zeitpunkt der Entstehung197, ist für die Musikvideoclipanalyse jedoch nicht mehr aktuell. Der Analyseschritt der soziologischen Filminterpretation soll in der vorliegenden Arbeit aus wissens- und kultursoziologischer Perspektive in Form des Deutungsmusteransatz auf die Bild- und die Textebene von Musikvideoclips erfolgen. Die Tonebene muss in der Analyse aus arbeitsökonomischen Gründen unterrepräsentiert bleiben und soll daher als Desiderat behandelt werden.

196 vgl. Faulstich 2002, S.159f 197 vgl. ebd., S.193ff 56 7.2. Bild(er)- und Film/ Videointerpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse

Als Verbindungsschritt zwischen Filmanalyse und Deutungsmusteranalyse dient die von Müller-Doohm entwickelte Bildanalyse als struktural-hermeneutische Symbolanalyse, da dieses Interpretationsschema es ermöglicht die Ebenen Bild und Text zunächst getrennt von einander zu analysieren. Die Wahl der Bildanalyse statt einer eventuell angemessener erscheinenden Methode zur Analyse laufender Film- und Videobilder hat arbeitsökonomische Gründe. Vom Videoclip ausgehend werden Textprotokolle erstellt, die mit Stills des Videos vervollständigt werden. Diese Stills werden jeweils einzeln untersucht und am Ende wieder in eine Bildersequenz im Sinne eines Films zusammengedacht.

7.2.1. Grundlagen des Ansatzes

Die Methode der Bildinterpretation als struktural-hermeneutische Symbolanalyse geht davon aus, dass Bild und Text zwar zwei verschiedene Formen der Repräsentation sind, ihnen aber die Funktion als Träger semantischer Gehalte gemeinsam ist198. „Dieser kulturgeschichtliche und empirische Sachverhalt hat methodisch die Konsequenz, dass die kultursoziologische Analyse solcher Kommunikate, die visuelle und textuelle Darstellungsmittel kombinieren, ihrerseits eine Kombination von Text- und Bildanalyse sein muss.“199 Bezüglich der Analyse von Musikvideos ist die Einheit von Text und Bild (und Ton) von Beginn an zu beachten, als Text zum Bild fungiert der Songtext, der quasi die Grundlage bzw. Erklärung für das nachträglich entstandene Bild liefert. Die Gleichberechtigung der Ebenen führt dazu, dass umgekehrt auch das Bild als Erklärung des Songtext auftreten kann. In der struktural-hermeneutischen Symbolanalyse sollen nun zum einen die symbolisch vorhandenen Bedeutungs- und Sinngehalte interpretativ entschlüsselt, zum anderen die Verfahrensweisen der visuellen Inszenierungen verdeutlicht werden, die als Konnotationen in den Symbolisierungen vermutet werden.200 Dabei wird von zwei Bedingungen ausgegangen: „Zum einen wird unterstellt, dass

198 vgl. Müller-Doohm 1997, S.84 199 ebd. S.84 200 vgl. ebd., S.91f 57 hermeneutische und strukturelle Interpretationsweisen im Sinne einer Bedeutungs- und Sinnanalyse miteinander verknüpft werden können. Zum anderen wird in diesem Fragehorizont weder eine Eigensinnigkeit des Bildes, noch eine Privilegierung des Textes hypostasiert. Das hat die methodische Konsequenz, dass die Symbolanalyse sich auf die textuellen sowie auf die visuellen Elemente der Darstellung bezieht.“201 Die von Müller-Doohm entwickelte Text-Bild-Analyse ist in die drei Phasen Deskription, Rekonstruktionsarbeit und Deutungsprozess unterteilt. So soll von der Paraphrasierung der Bild-Text-Botschaften über die vertiefende Bedeutungsanalyse des symbolischen Gehalts der Materialien zu einer theoriegeleiteten Deutung und einer kultursoziologischen Interpretation gelangt werden. Die zunächst getrennt betrachteten Elemente werden im Anschluss wieder relational zueinander zusammengeführt. Auf strukturaler Ebene werden die syntaktischen Beziehungen von Bild und Text dargestellt und in der darauf folgenden hermeneutischen Interpretation die latenten symbolischen Sinngehalte verdeutlicht.202 Die Bildbotschaft ist nach Barthes zum einen als ‚nicht-kodiert’ zum anderen als ‚kodierte bildlich’ folglich als ‚symbolische Botschaft des Bildes’ zu verstehen. In der Textbotschaft entspricht die denotative Bedeutung der ‚nicht-kodierten’, in der konnotativen Bedeutung werden der latenten Textbotschaft Nebenbedeutungen zugeschrieben, die sie für symbolische Botschaften zugänglich machen203.

7.2.2. Vorgehensweise in der Symbolanalyse

Das vorliegende Interpretationsverfahren basiert auf der Analyse von Einzelfällen, die im Anschluss an die Symbolanalyse die Grundlage für die Deutungsmusteranalyse bilden. Die Analyseschritte der Deutungsmusteranalyse werden später in einem eigenständigen Kapitel erläutert. Für die Selektion der Einzelfälle nennt Müller- Doohm folgende Analyseschritte:

201 Müller-Doohm 1997, S.95 202 vgl. ebd., S.99f 203 vgl. ebd., S.101 58 1. Bildersteindrucksanalysen a. Die Primärbotschaft (im Sinne einer ersten Botschaftsklassifikation) b. Dargestellte Objekte und Personen c. Verwendete markante Stilmomente d. Primäre Inszenierungsmachart 2. Hypothetische Typenbildung a. Auswertung der Ersteindrucksanalysen b. Materialsichtung in der Forschungsgruppe c. Familienähnlichkeiten 3. Typenbildung a. Zuordnung des Gesamtmaterials zu den Typen b. Auswahl eines Prototyps (diese enthält die meisten Merkmale der jeweiligen Klasse) 4. Einzelfallanalyse a. Bild- und Textanalyse auf der Basis eines dreistufigen Interpretationsmodells204

Die Bildersteindrucksanalyse dient dem Finden sogenannter Familienähnlichkeiten, die an Hand markanter Elemente oder Botschaften Klassentypen bilden, aus denen wiederum die prototypischen Beispiele für die Einzelfallanalyse gewonnen werden. Die Einzelfallanalyse ist der Kern der Bild-Text-Interpretation, sie untergliedert sich in die drei Phasen Deskription, Rekonstruktion und kultursoziologische Interpretation205. In der Deskription sollen jene Bild- und Textdaten erarbeitet werden, die für die symbolischen Bild- und Textbotschaften bedeutsam sein können. Dies beinhaltet die detaillierte Beschreibung der einzelnen Bildelemente, die präzise Darlegung von Farben und Perspektiven, den Umfang und Stellenwert von Bild und Text zueinander und deren räumliches und grafisches Verhältnis sowie die Verbalisierung der ästhetischen Elemente.206 In der Rekonstruktionsanalyse geht es um „(...) ein interpretatives Durchspielen von Bild-Textbotschaften im Sinne einer hermeneutischen Einheitlichkeit dessen, was symbolischer Bild-Textgehalt genannt wurde, und der als eine zweite Ebene der semantischen Referentialität von Bild und Text deren symbolische Latenzstruktur ausmacht.“207 Dazu wird am Anfang eine Bedeutungshypothese gebildet zu deren Überprüfung die Bedeutungen der einzelnen Bild- und Textteile erst getrennt analysiert und danach im wechselseitigen Verhältnis zu ihr betrachtet werden. Dabei müssen Unterschiede und alternative Lesarten bezüglich der Gesamtbedeutung berücksichtigt bzw. aussortiert werden.

204 Müller-Doohm 1997, S.103 205 vgl. ebd., S.102f 206 vgl. ebd., S.103f 207 ebd., S.104 59 Für die kultursoziologische Analyse werden die Bild-Text-Botschaften nach der Rekonstruktionsanalyse wieder zusammengeführt. Hierbei wird jede einzelne Bedeutungshypothese so lange interpretiert, bis erstens alle Bild-Text-Botschaften bezüglich ihrer Bedeutungszusammenhänge erforscht sind, zweitens alle unzutreffenden Bedeutungshypothesen ausgeschlossen sind und drittens ein einheitlicher Bedeutungsgehalt aller Bild-Text-Botschaften entstanden ist.208 Auf dieser Grundlage werden die symbolischen Bedeutungsgehalte in der kultursoziologischen Interpretation „(...) so synthetisiert, dass sie als Ausdrucksform von kulturellen Sinnmustern erscheinen.“209 Der folgende Leitfaden dient als Grundlage für Deskription und Rekonstruktion:

1. Bildelemente • Objekt- und Personenbeschreibungen (das jeweils Dargestellte) • Zusammenstellung der dargestellten Objekte (Personen wie Dinge) • szenische Relationen und Zusammenspiel der Personen/Objekte • Interaktionen und Relationen • zusätzliche Bildelemente im Gesamtbild (z. B. Logos oder Detailaufnahmen) 2. Bildräumliche Komponenten • Bildformat (auch von Bildern im Bild) • allgemeinperspektivische Bedingungen: Vordergrund/Hintergrund, Fluchtlinien, Perspektiven, planimetrische Bedingungen (Linien, Zentralität, geometrische Figuren, Flächen, etc.) • einzelperspektivische Anordnungen der Objekte 3. Bildästhetische Elemente • Licht-Schattenverhältnisse • Stilmomente/-arten (z. B. naturalistisch, künstlich, harmonisch, disharmonisch, statisch, bewegt, ...) • Stilgegensätze/ Stilbrüche • grafische/ fotografische Praktiken (z. B. Filter, Perspektive, Bewegung, ...) • Druckart, Druckträger • Farbgebungen/ Farbnuancen

208 vgl. Müller-Doohm 1997, S.106 209 ebd., S.104 60

4. Textelemente • signifikantes Vokabular • morphologische Besonderheiten (Akronyma, Rechtschreibänderungen, Assonanzen, Reimschemata) • Phraseologismen (stilistische Mittel, Anspielungen, immer wiederkehrende Wortverbindungen wie z.B. ‚Nicht immer, aber immer öfter’) • syntaktische Besonderheiten (Satztyp, Satzgefüge, grammatikalische Funktionen wie Modus, Tempus, Interpunktion etc.) • maßgeblicher Textstil (narrativ, informativ, rhetorisch) • funktionale Satztypen • Schriftarten, Ästhetik des Schriftbildes • Sekundärinformation (Preise, Katalognummern u.a.) 5. Bild-Textverhältnis • emblematische Verhältnisse (Überschrift, Bild, Text) • Größenverhältnis von Text und Bild • quantitatives Verhältnis von Text in der Anzeige • Lokalisierung der Schrift 6. Bildtotalitätseindruck • Gesamteindruck im Sinne eines ‚Stimmungseindrucks’210

7.2.3. Videoclipanalyse als Symbolanalyse

Für die Videoclipanalyse im Sinne einer Filmanalyse müssen die Ebenen Bild und Text ebenfalls getrennt voneinander betrachtet werden. Film und Video ist dabei gemeinsam, dass ein ikonischer Überschuss entsteht, der mit einer den Bildern gerechten Methode herausgefunden werden muss. Bei einer getrennten Untersuchung von Filmtext und Filmbild erkennt man den optischen Überschuss des Bildes, da der erzählten Geschichte Bilder hinzugefügt werden. Eine Bildwissenschaft des Films, die sich in dieser Hinsicht für die Analyse von Musikvideos eignet, da sie sowohl Filmtext als auch Filmbild würdigt existiert jedoch noch nicht211. Für die Analyse von Musikvideoclips lässt sich der oben erläuterte Leitfaden nach Neumann-Braun folgendermaßen anpassen:

210 vgl. Müller-Doohm 1997, S.105f 211 vgl. Kerscher; Richard 2003, S.204f 61

a. Elemente des (stehenden) Bildes (Printbild oder Stills aus Clips): Bildbeschreibung, visuelle Merkmale wie: Personen, Szenen, Kleidung, Körper, Objekte, Farben usw.

b. Bildräumliche Komponenten: z.B. Bildformat, Perspektiven usw.

c. Bildästhetische Komponenten: z.B. Licht-Schatten-Verhältnis, Farbgebung, Stilelemente usw., aber auch: technisch-mediale Konstruktionselemente: Close-up, Totale, Einstellungsgröße, Beleuchtung, Blenden, Effekte

d. Laufende Bilder (Clip(-sequenzen), Spot): Konstruktionsprinzipien der Narration resp.. Assoziation; Elemente: Personenkonstellationen, Handlungsstränge, Story, Motive usw.

e. Intermedialität resp. –textualität: Referenzen auf andere Medien und Mediensymboliken resp. Sozialstilistiken usw.

f. Textelemente (= Schrift in Anzeigensujet oder im Clip/Spot): Beschreibung und erste Interpretation

g. Musik/ Song (= Ton und Text eines Musikstücks): Beschreibung und erste Interpretation

h. Bild-Text-Ton-Verhältnis

i. Gesamtinterpretation: Bild-/ Clip-/ Spot-Totalitätseindruck: Gesamteindruck im Sinne eines „Stimmungseindrucks“ auf der Grundlage einer Synopse der bisherigen Teilergebnisse aus (a) bis (h) – unter besonderer Berücksichtigung von Bedeutungslatenzen.

7.3. Deutungsmusteranalyse

Mit den Ergebnissen der Analyse der Handlung, der Figuren und der Bauformen in der Filmanalyse und den Ergebnissen aus der Symbolanalyse ist die Grundlage für die Deutungsmusteranalyse gegeben. Im folgenden Kapitel soll zunächst geklärt werden, was unter einem soziologischen Deutungsmuster verstanden werden kann, im Anschluss wird die Deutungsmusteranalyse als Variante der Analyse von Normen und Werten im Sinne der soziologischen Filminterpretation erläutert.

7.3.1. Wissenssoziologische Grundlage

In der Hermeneutik wird die Sozialwelt ähnlich einem Text behandelt, sie ist ‚lesbar’ und traditionell als eine Auslegung von Zeichen zu verstehen, die auch den Verstehensprozess selbst reflektiert. In der wissenssoziologischen Hermeneutik wird das ‚Sinnkleid’ der Welt in sozialen Handlungen erzeugt und durch soziale

62 Verstehensprozesse zugänglich gemacht. Die neuere wissenssoziologische Hermeneutik geht auf die ‚objektive Hermeneutik’ Ulrich Oevermanns zurück, die im Unterschied zur traditionellen Hermeneutik nicht den subjektiven Sinn der Handelnden untersucht, sondern die latenten Sinnstrukturen durch objektives Verstehen aufzuzeigen versucht212. „Die Hermeneutik zielt also nicht nur auf Verstehen allgemein, sondern auch darauf, wie Handlende im Alltag sich verstehen. Dazu betrachtet sie Handelnde als Produzenten von Texten oder Ausdrucksformen.“213 Das gesellschaftlich vorstrukturiert vorhandene Wissen wird an Hand der jeweiligen, persönlichen Situation ausgelegt, angewandt und mit Handlungen verbunden, wodurch es eine Form der Verwirklichung erfährt und existent wird und bleibt. Der soziale Kontext dem der Text entstammt steht in der wissenssoziologischen Hermeneutik im Vordergrund214. Der Deutungsmusteransatz gründet somit auch auf dem Aspekt der Konstruktion und der Veränderung von gesellschaftlichem Wissen und der Frage: „Wie ist es möglich, dass subjektiv gemeinter Sinn zu objektiver Faktizität wird?“215

7.3.2. Der Deutungsmusteransatz

Die Konzeption von Deutungsmustern geht auf die Annahme Ulrich Oevermanns zurück, dass Handlungsprobleme in verallgemeinerter Form vorliegen und ihre Lösung bzw. Überwindung einer Deutung bedarf, die nicht in jeder neuen sozialen Situation ebenso neu erzeugt werden kann. Vielmehr wird in der Theorie der Deutungsmuster von der Existenz und Etablierung fixer und voreingerichteter Interpretationsmuster ausgegangen auf deren Basis Problemlösungen erfolgen können bzw. Problemen oder Krisen vorgebeugt werden kann. Auf Grund des Erprobens und Standhaltens in entsprechenden Situationen über längere Zeitspannen hinweg, müssen sie dann nicht mehr wiederholt oder neu bedacht werden216. Deutungsmuster stützen sich so auf eine Tradition der Sozialisationspraxis, in der den objektivierten Handlungsproblemen gemeinschaftlich gesicherte, in lebensweltlichen Kontexten verankerte und daher routinisierte

212 vgl. Knoblauch 2005, S.176ff 213 ebd., S.180 214 vgl. ebd., S.180f 215 Berger; Luckmann 1996, S.20 216 vgl. Oevermann 2001, S.38 63 Deutungsmuster zur Lösung gegenüber stehen217. Sie können somit als stereotype Sichtweisen und Interpretationen verstanden werden, die auf Grund der alltäglichen Interaktionen und Handlungen in einer sozialen Gruppe vor einem lebensgeschichtlichen Hintergrund entwickelt werden. Auf diese Weise stellen Deutungsmuster einen Vorrat an Orientierungen und Rechtfertigungen von Alltagswissensbeständen dar, mit deren Hilfe Maßstäbe in Form von Interessen und Werten für individuelles Handeln generiert und kommuniziert werden können. „Als solche Muster müssen sie (i) vor allem einen hohen Grad der situationsübergreifenden Verallgemeinerungsfähigkeit besitzen, (ii) sich in der Unterdrückung bzw. Auflösung potentieller Krisen bewährt haben und (iii) angesichts der von daher erforderlichen Anwendbarkeit auf eine große Bandbreite konkret verschiedener Handlungssituationen einen hohen Grad von Kohäsion und innerer Konsistenz aufweisen.“218 Die Wirkungsweise von Deutungsmustern entspricht dabei nicht den unbewussten Motiven der Psychoanalyse, sie haben zwar eine relative Latenz, sind den Handelnden aber zumindest teilweise bewusst219. Deutungsmuster sind zu dem von anderen Begriffen der Bewusstseinsformationen wie Meinungen, Einstellungen, Ideologien, Interessen, Motiven, Habitusformationen, Lebensstil usw. zu unterscheiden220. Im soziologischen Verständnis sind sie dem Wissensbegriff zuzuordnen, „[A]ber sie sind nicht ein abfragbares, bewusst verfügbares Wissen, sondern ein implizites oder eben ‚schweigendes’ bzw. ‚stummes’ Wissen (‚tacit knowledge’).“221 Eine Deutung bezieht sich immer auf Repräsentationen von Welt, die objektiv gegebene Realität ist empirisch aber nur über ein sie repräsentierendes Wissen vermittelbar. Für die Analyse eignen sich daher insbesondere von der „(...) zu untersuchenden Lebenspraxis selbst erzeugte, recherchierbare und nicht vom Sozialforscher selbst erst zu erhebende Ausdrucksgestalten (...).“222 Was letztendlich unter einem Deutungsmuster verstanden werden kann, hängt jedoch auch von der Fragestellung, dem Analysegegenstand und dem verfügbaren Material ab223.

217 vgl. Oevermann 2001, S.36f 218 ebd., S.38 219 vgl. Ullrich 1999, S.430 220 vgl. Oevermann 2001, S.41ff 221 ebd., S.51 222 ebd., S.53 223 vgl. Lüders 1991, S.379 64 7.3.3. Das sequentielle Vorgehen bei der Analyse soziologischer Deutungsmuster

Die Deutungsmusteranalyse bringt zwei Vorteile mit sich: erstens verzichtet sie in ihrem Konzept auf eine Zuordnung zur Handlungs- und Systemebene, zweitens werden Handlungsorientierungen nicht a priori festgelegt, sondern als vielschichtig verstanden224. Daher wird sie vor allem in der hermeneutisch orientierten Forschung als rekonstruktive Methodologie angewandt. Für die basalen Verfahrensregeln der Deutungsmusteranalyse existieren zahlreiche Varianten225. In der Datenerhebung und –auswertung empfehlen sich im Sinne des Totalitätsprinzips der objektiven Hermeneutik jedoch nicht-standardisierte Verfahren, da diese es ermöglichen die Oberfläche der expliziten Daten zu durchbrechen und die impliziten Vorannahmen auch ‚tiefenstrukturell’ zugänglich zu machen226. Im Sinne einer dialektischen Methode sind rekonstruktionslogische Verfahren subsumtionslogischen vorzuziehen, da sie nicht das Ziel haben durch Operationalisierung den Umfang der Daten zu reduzieren und nur einen Teil der Realität zugänglich zu machen. Vielmehr sollen die vorangehenden Vermutungen an das Datenmaterial durch die Auswertung aller Details und den Verzicht auf vorgewählte Klassifikationen wiederlegt werden können227. Die empirische Grundlage für die Deutungsmusteranalyse bildet das in der Handlungsanalyse erstellte Filmprotokoll. Das zu untersuchende Musikvideo wird in Bildersequenzen unterteilt, aus der jeweils exemplarische, möglichst repräsentative Stills ausgewählt werden. Die Analyse der Stills erfolgt an Hand des zuvor dargestellten Leitfadens zur Videoclipanalyse. Die Analyse von Deutungsmustern erfolgt in der Tradition der objektiven Hermeneutik in einzelnen Sequenzen, der Maßstab für den Abgleich von Konsistenzen und Inkonsistenzen wird dabei aus dem Datenmaterial selbst bezogen. Die Rekonstruktion von Deutungsmustern ist somit von der Fragestellung und dem Material abhängig, an Hand des vorliegenden Falles muss durch empirische Analyse und Fallvergleiche auf die Deutungsmuster geschlossen werden228. Es ist daher wesentlich, innerhalb der Kontexte der zu rekonstruierenden Handlungen und Strukturen und in Bezug auf das vorhandene Material von der Forschungsfrage

224 vgl. Ullrich 1999, S.430 225 vgl. Lüders 1991, S.378 226 vgl. Oevermann 2001, S.60ff 227 vgl. ebd., S.64ff 228 vgl. Lüders 1991, S.384f 65 ausgehend sinnvolle Lesarten zu bilden. In der Sequenzanalyse werden die Texte schrittweise, ohne Einbezug von Wissen über den vorliegenden Fall und in der Reihenfolge ihres Auftretens gedeutet. Eine unvoreingenommene Haltung und die Ausblendung etwaiger Kenntnis des Inhalts der folgenden Sequenzen ist dabei äußerst wichtig229. Im ersten Schritt der Analyse werden an Hand des Interaktionsprotokolls für die erste Einheit möglichst viele Lesarten entwickelt und in einem zweiten Schritt ausformuliert. Je mehr Lesarten hierbei gefunden werden, desto ausführlicher lässt sich der mögliche Handlungsraum darstellen und das Interaktionsmuster in der Folge explizieren. Zum Abgleich der Lesarten mit allgemein gültigen Handlungstypen muss dabei stets eine Normalitätsfolie konstruiert werden, d.h. eine Formulierung jener universeller Regeln, welche die Normalität für das jeweilige Interaktionssystem darstellen und sichern. Im dritten Schritt wird unter Bezugnahme zum tatsächlichen Kontext überprüft, welche der Möglichkeiten empirisch gewählt wurde230. Dieses Vorgehen wird nun an der nächsten Sequenz ebenso angewandt, wobei hierfür gilt, dass die gültigen Lesarten der ersten Einheit die der folgenden zweiten einschränken, gültig sind nur die kompatiblen Lesarten. Auf diese Weise werden in jeder neuen Runde Lesarten selektiv ausgeschlossen und die Fallstruktur geschärft, die Sequenzanalyse endet mit dem Generieren einer für den Gesamtkontext zutreffenden Lesart.231 Für das sequentielle Vorgehen in der Deutungsmusteranalyse schlagen Lüders/Meuser folgende drei Schritte vor: 1. Bestimmung der Analyseebene und die Festlegung der Fälle, d.h. welches Deutungsmuster soll an Hand welcher Fälle rekonstruiert werden. Danach wird die Grobstruktur des Falls betrachtet, d.h. der Handlungskontext der Entstehung des Materials/Dokuments wird geklärt; 2. Sichtung und Ordnung des vorliegenden Materials mit dem die Interpretation begonnen werden soll, d.h. der äußere Kontext, bzw. die konkreten Interaktionsbeziehungen werden analysiert; 3. sequentielle Feinanalyse der einzelnen Interakte vor dem Hintergrund der Forschungsfrage, d.h. es sollen mögliche, aus den vertexteten Äußerungen lesbare Deutungsmuster entworfen werden und an Hand der Folgesequenz(en) überprüft,

229 vgl. Reichertz 1997, S.42f 230 vgl. ebd., S.44f 231 vgl. ebd., S.45f 66 verworfen oder beibehalten werden. So sollen willkürliche, nicht überprüfbare Interpretationen verhindert werden232. Großen Datenmengen müssen für eine Deutungsmusteranalyse zunächst auf forschungsrelevantes Material und anschließend bezüglich des zeitlichen Rahmens der Durchführbarkeit reduziert werden. Dabei ist wichtig, dass es sich um eine exemplarische Auswahl und nicht um einen repräsentativen Querschnitt handelt233. Im Falle der Konkurrenz mehrerer Deutungsmuster liegt die Anfertigung einer Typologie nahe. Hierbei stellt man einen kontrastiven Vergleich auf Ebene der Sequenzanalyse und bezogen auf den Materialkorpus her. Die interne Konsistenz eines Deutungsmusters wird dann durch das gleichartige Auftreten von Themen in einem Typus gestärkt und die Gültigkeit der gesamten Typologie bestätigt234.

232 vgl. Lüders; Meuser 1997, S.69ff 233 vgl. ebd., S.71ff 234 vgl. ebd., 1997, S.74 67 8. Analyse ausgewählter Musikvideoclips

Im nun folgenden empirischen Kapitel der Arbeit werden zwei, aus dem Korpus ausgewählte Musikvideoclips an Hand des erläuterten methodischen Vorgehens beispielhaft analysiert. Das erste Analysebeispiel ist der Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys, als zweites Beispiel wird der Clip zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas bearbeitet.

8.1. Backstreet Boys – ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ Regie: Joseph Kahn, Jahr: 1997, Dauer: 4:45min

Die Backstreet Boys sind eine der kommerziell erfolgreichsten Boygroups aller Zeiten, wie bei allen Boybands bilden drei wesentliche Elemente dafür die Grundlage: 1. das mit Musik verbundene, junge und sexy Auftreten der Boys; 2. ein kompetenter Manager, der das Image nach ökonomischen Kriterien gestaltet und verkauft; 3. eine Unmenge an Merchandising-Artikeln jeder Art. Diese Konstellation zeugt von einer hohen internen Abhängigkeit, keines der Elemente kann ohne das andere bestehen.235 Die Kriterien für die Mitgliedschaft in einer Boyband sind zunächst das Aussehen, dann die tänzerischen Fähigkeiten und erst dann die gesanglichen Qualitäten, das Talent ein Instrument zu spielen ist nebensächlich. Das grundlegende Kriterium ist dabei letztendlich nicht die Qualität der Band oder der für sie geschriebenen Musik, sondern ihr Marktwert.236 Dem Musikvideoclip kommt dabei eine ganz entscheidende Rolle zu, denn er eignet sich wie kein anderes Medium zur visuellen Vermittlung der Eigenschaften und des Images einer Boybands in Verbindung mit dem beworbenen Produkt des Songs bzw. dem Produkt der Boygroup selbst. Daher werden in Boygroup-Videos die Mitglieder oftmals abwechselnd in vermeintlich privaten und öffentlichen Szenen gezeigt, welche die ihnen zugeschriebenen Attribute optisch unterstützen. Der Fokus wird dabei oftmals auf den Star als Performer gelenkt, künstlerische Potentiale von Song und Videoclip sind häufig reines Beiwerk zur Präsentation des Stars.237

235 vgl. Hauk 1999, S.20 236 vgl. ebd., S.14f 237 vgl. ebd., S.232f 68 Der Song ‚Everybody (Backstreet’s back)’ war die erste Single aus dem zweiten Album ‚Backstreet’s back’ der Backstreet Boys und wurde in Europa am 05.August 1997 und in den USA am 31.März 1998 veröffentlicht. Die Single ist eines der bekanntesten und erfolgreichsten Lieder der Backstreet Boys, sie war in fast allen europäischen Ländern in den Top 5-Single-Charts vertreten. Der Song wurde ebenso wie das dazugehörige Video in zwei unterschiedlich langen Versionen, eine für den US-Markt und eine für den europäischen Markt produziert.238 Bei dem Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ führte der Amerikaner Joseph Kahn (*1972)239 Regie. Kahn begann zunächst als Ein-Mann-Unternehmen mit wenig Budget Musikvideos für eher unbekanntere KünstlerInnen aus dem Hip-Hop-Genre zu drehen, bevor er 1995 durch den Wechsel nach Los Angeles die Möglichkeit erhielt auch für größere Musik-Acts tätig zu werden.240 Das Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ war eine der ersten international erfolgreichen Arbeiten von Kahn, es zeigt zugleich den poppigen, teilweise comic-haften und von hoher Schnittfrequenz geprägten Stil Kahns, der auch in seinen neueren Werken erkennbar ist.

8.1.1. Filmanalyse

Handlungsanalyse Im Video zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ stranden die Backstreet Boys nach einer Autopanne auf einer verlassenen Burg, in der sie die Nacht verbringen während sie auf Hilfe warten. Die unheimliche Atmosphäre dieser Burg beschert jedem der Backstreet Boys einen ähnlichen Albtraum, in dem sie sich in verschiedene Horrorgestalten verwandeln. Am nächsten Morgen erzählen sie sich von ihren Träumen, in dem Moment, als sie den gruseligen Ort verlassen wollen, taucht der abends aufgebrochene Busfahrer als Zombie wieder auf. Der Videoclip verfügt mit der Ankunft auf der Burg und dem Zusammentreffen am nächsten Morgen über eine Rahmenhandlung, in die das eigentliche Musikvideo im Sinne der Übereinstimmung von Song und Bild als Traumsequenz eingebettet ist. Es existiert also eine Geschichte in der Geschichte. Die erzählte Zeit erstreckt sich über den Zeitraum vom Abend der Ankunft bis zum Morgen danach und hat somit eine

238 http://en.wikipedia.org/wiki/Everybody_%28Backstreet%27s_Back%29 239 http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kahn 240 http://www.josephkahn.com/biography/1103.xml?page=2 69 längere Dauer als die Erzählzeit des Clips. Zu dem überlagern sich durch die eingeschobene Traumsequenz die beiden Handlungsstränge des Albtraum mit dem des Aufenthalts auf der Burg. Dass es sich um eine Traumsequenz handelt wird durch das Zubettgehen und Einschlafen von Brian verdeutlicht, der danach mit dem Beginn des Songs als Werwolf ‚erwacht’. Danach werden alle weiteren Backstreet Boys einzeln und inhaltlich unzusammenhängend an Hand ihrer Gesangsparts in ihren Settings vorgestellt. Da sie sich ebenfalls in Horrorgestalten verwandelt haben, wird das Motiv des Albtraums von Brian auf die restlichen Backstreet Boys übertragen. In den gemeinsam gesungenen Refrains sind dann auch jeweils alle Mitglieder zu sehen, jedoch in kürzeren Abständen als in den Strophen. Die Handlung verläuft in diesem Muster entlang der Gesangsparts bis zu dem ruhigen Zwischenpart, der eine inhaltliche Wende darstellt. Nachdem sich die verschiedenen Horrorfiguren immer mehr innerhalb und auch außerhalb ihres ursprünglichen Settings bewegt haben, kündigt ein Schild am Burgtor einen Tanzabend an. In der Folge sind die Backstreet Boys nicht mehr als Horrorfiguren sondern in mittelalterlich anmutender Kleidung in zivil zu sehen, zu ihnen gesellen sich einige, stilistisch ähnlich gekleidete Damen und der Ball beginnt. Kurz darauf wandelt sich der klassische Balltanz in eine Tanzperformance, welche die eingebettete Videoclipgeschichte und somit auch die Albtraumerzählung beendet. Danach setzt wieder die Rahmenhandlung ein in dem sich die Backstreet Boys in der Eingangshalle treffen und sich gegenseitig ihre Albträume schildern. Als sie die Burg verlassen wollen, steht plötzlich der zum Zombie mutierte Busfahrer im Eingangstor, die Rahmenhandlung und somit der gesamte Clip enden mit den schreienden Backstreet Boys. Der Horror wird also in beide Handlungsstränge eingebaut bzw. aus dem Traum heraus in die als wirklich(er) erscheinende Rahmenhandlung transferiert. Dadurch wird die vorangegangene Dekonstruktion des Horrors als Albtraum wieder aufgehoben und das kurzzeitige Happy End wandelt sich in ein offenes Ende, der Horror wird folglich nicht endgültig aufgelöst. Die Rahmenhandlung ist nicht vollends Teil des Musikvideos, da sie noch nicht den Song enthält. Die dadurch frei werdende Tonebene wird in der Rahmenhandlung für Dialoge und zur akustischen Erzeugung von Horrorstimmung genutzt. Zunächst erfährt man in dem panischen Durcheinander des Eingangsdialogs, dass die Backstreet Boys zum wiederholten Male eine Autopanne haben, dass sie nicht an

70 diesem Ort bleiben wollen, da er unheimlich ist und dass der Busfahrer sich auf den Weg macht um Hilfe zu holen. Während des Dialogs steigert sich die Streichermusik im Hintergrund und endet mit einem Tusch im Szenenwechsel. Schon zu Beginn wird das Aufstoßen des Burgtors mit einem Tusch musikalisch verstärkt. Das Ausgangsszenario ist damit typisch für einen Tennie-Horrorfilm oder auch einen traditionellen Slasherfilm. Mehrere Jugendliche verirren sich an einen verlassen, unheimlichen Ort oder müssen dort auf Grund von Komplikationen ausharren. Im Verlauf ihres Aufenthalts werden sie mit der dort hausenden Bedrohung konfrontiert, die sie unter Einsatz und Verlust ihres Lebens bekämpfen. Die Handlung des Musikvideos selbst entspricht mit ihren Figuren jedoch dem klassischen Horror und liefert mit dem Motiv des Albtraums eine ebenso klassische Erklärung. Mit Einsetzen der Rahmenhandlung kehrt das Video wieder zu dem modernen Horror zurück. Statt der erhofften Rettung erwartet sie der Zombie-Busfahrer, der zum einen eine moderne Horrorfigur verkörpert und zum anderen orientiert sich seine Darstellung an dem modernen Horrormotiv der Verwandlung eines vertrauten, möglichen Retters in eine weitere Bedrohung.

Figurenanalyse Die Backstreet Boys sind im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ in doppelter Weise die Hauptfiguren: einerseits in der Rahmenhandlung als die Stars, die sie sind und andererseits als die Horrorfiguren in der Albtraumerzählung. In dieser Albtraumgeschichte werden die fünf Mitglieder der Reihe nach als Verkörperung einer Kategorie der Typologie der klassischen Horrormythen in einem dazugehörenden Setting vorgestellt: der Werwolf als Tiermensch, der Vampir und die Mumie als Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, das in sich gespaltene Wesen Dr. Jekyll/Mr. Hyde als Doppelgänger und Erik, das Phantom der Oper, das in seiner Maskierung als „(...) Geist der Musik (...)“241 auftritt. Das jeweilige Setting verleiht den Horrorfiguren über ihre äußerliche Erscheinung hinaus eine charakterliche Tiefe. Die Vorstellung der Charaktere verläuft folgender Reihenfolge: Brian als Werwolf in einem Schlafzimmer mit ausgestopften Tierköpfen, Howie als Vampir in einem Sarg in einem Zimmer mit Bediensteten, A.J. als Phantom der Oper an einer üppigen Festtafel mit gutgekleideten Frauen, Nick als Mumie in einem Sarkophag in einem

241 Seeßlen 1979, S.57 71 Kellerraum oder einer Gruft und schließlich Kevin als Dr. Jekyll/Mr. Hyde in einem Arbeitszimmer mit verschiedenen messer- und speerartigen Gegenständen an der Wand. Alle fünf Backstreet Boys sind prinzipiell gleichberechtigte Protagonisten des Videos, auch wenn ihnen nicht die gleiche Anzahl an On-Screen-Minuten gewidmet wird, was daran liegt, dass sich die Bildebene an den ungleich verteilten Gesangsparts der einzelnen Boys in den Strophen orientiert. In den Refrains werden alle fünf annähernd gleich oft und lange gezeigt, auch in der gemeinsamen Tanzszene am Ende des Videos wird kein Fokus auf eines der Mitglieder gelegt. Des Weiteren treten im Clip treten einige Nebenfiguren auf, die zumeist die Aufgabe haben die Horrorfiguren oder ihre Umgebung genauer zu bestimmen. In der Rahmenhandlung hat der Busfahrer die wichtigste Nebenrolle, da er einerseits für das Zustandekommen der Ausgangssituation mitverantwortlich ist und andererseits am Ende als finaler Träger des Horrors erneut auftaucht und die Geschichte dadurch offen lässt. In der Albtraumgeschichte kommen in Verbindung mit dem Vampir einige Dienstmädchen vor, die ihn als Adeligen mit Angestellten ausweisen. Eine wichtige Nebenrolle spielt die Frau im roten Kleid, sie stellt das attraktive und wehrlose Opfer der Vampirs dar und konstituiert ihn so einerseits als jagenden Blutsauger, andererseits verkörpert sie die erotische Anziehungskraft des Vampirs. Dass ein Vampir in Verbindung mit einem Opfer gezeigt wird ist außerdem für den logischen Schluss notwendig, denn nur so kann der typische Biss thematisiert werden. Die Frauen, die als Gäste die Tafel des Phantoms komplettieren haben eine ähnliche Funktion, sie stellen eine exklusive Gesellschaft dar, die sich friedlich im Luxus mit dem vermeintlichen Monster umgibt. Die Tänzerinnen in der Schlussszene sind zunächst notwendiger Teil des veranstalteten Ballabends, in der Folge haben sie aber nur noch eine rein choreografische Funktion, in dem sie die abschließen de Tanzszene abrunden. Die Figurenkonstellation der Backstreet Boys unterscheidet sich mit ihrer Persönlichkeit. So sind sie als Horrorfiguren je einzeln zu sehen, als sie selbst in Prolog und Epilog und in ihrem mittelalterlichen Tanzoutfit sind sie gemeinsam zu sehen. Rein äußerlich durchlaufen die Backstreet Boys somit eine Persönlichkeitsveränderung, die aber durch den offensichtlichen Charakter eines Traums unbedeutend erscheint.

72 Als Mitglied einer Boyband befindet sich jeder der Backstreet Boys in einer stereotypischen Boyband-Rolle, die er in der Öffentlichkeit spielt und die zugleich in Differenz zu der privaten, quasi nicht-medialen Person jedes einzelnen steht. Im Videoclip existiert eine weitere Rollendifferenz, in dem jeder der Boys als Schauspieler im Videoclip eine Horrorfigur verkörpert. Als die Stars, die sie sind stellen sie sich in der Rahmenhandlung als sich selbst dar und in der Erzählung in dieser Rahmenhandlung stellen sie wiederum als Schauspieler Horrorfiguren dar. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die stereotypischen Boyband-Rollen in den Eigenschaften der jeweils verkörperten Horrorfigur wiederfinden lassen. Durch die Verknüpfung narrativer und performativer Elemente im Videoclip nehmen die Backstreet Boys nicht ausschließlich Schauspielerrollen ein, da sie ihren Song als sowohl als Horrorfiguren als auch in zivil performen, es kann daher eher von einer Verkleidung gesprochen werden. Die Rollengrundlage der Backstreet Boys als Popstars bleibt also auch in ihrer Verkörperung von Horrorfiguren erhalten, sie dürfen sozusagen nicht aus eben jener Popstarrolle fallen. Als Boyband müssen sie ebenso wie ihr Song im Popbusiness als Produkt vermarktbar und für ihre Fans als Popstars verstehbar bleiben.

Analyse der Bauformen Bei dem Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s Back)’ der Backstreet Boys handelt es sich um eine Kombination aus narrativem Clip und Performance-Clip, die Gewichtung der beiden Clip-Arten ist relativ ausgeglichen. Das Musikvideo lässt sich strukturell in Prolog, Vorstellung der einzelnen Charaktere mit entsprechenden Settings, Tanzperformance und Epilog einteilen. Wie bereits erläutert wird im Prolog zunächst eine unheimliche Vorgeschichte erzählt und die freie Tonebene genutzt, um durch musikalische Effekte diese unheimliche Stimmung zu verstärken. Die Bildebene baut zu Beginn den Horror durch stereotypische Artefakte wie ausgestopfte Tiere, Spinnweben oder Vollmond auf, ehe mit dem Einsetzen des Lieds durch die Verkörperung klassischer Horrorfiguren das eigentliche Horrorszenario beginnt. Die Horrorfiguren werden in ihrer Inszenierung meistens erst in einer halbtotalen oder halbnahen Einstellung gezeigt, so dass auch gleichzeitig das sie umgebende Setting angedeutet wird. Es folgen einige kurze Großaufnahmen stereotypischer Horrorartefakte, dann werden die Horrorfiguren aus dem Detail heraus, d.h.

73 ausgehend von Großaufnahmen über Nahaufnahmen bis hin zu halbnahen Einstellungen schrittweise in ihren Settings verortet. In späteren Einstellungen wie beispielsweise in den Refrains werden wiederum die körperlichen Merkmale der Figuren durch Groß- und Nahaufnahmen unterstrichen. Die Farbgebung des Clips ist während der Performance des Songs durch die Horrorfiguren recht dunkel gehalten, jedoch hat jede der Figuren dabei eine ihr zugewiesene Grundfarbe: blau bei Werwolf und Vampir, gelb bei Phantom und Mumie und grün bei Dr.Jekyll/Mr. Hyde. Die Licht-Schatten-Verhältnisse sind dabei meist so konzipiert, dass durch sie die individuellen, dem Horror entsprechenden Körpermerkmale der Figuren betont werden. Die Schnitte sind bis auf wenige Ausnahmen hart und im Chorus besonders schnell, generell wird dadurch in Kombination mit verschiedenen Einstellungen eine Bilddynamik erzeugt, die auf den Rhythmus der Musik ausgerichtet ist. Das gilt sowohl für die Präsentation der Horrorfiguren, als auch für die Tanzszenen. Lediglich in Prolog und Epilog werden längere Einstellungen und weniger Schnitte verwendet, da der Videoclip hier eine filmischere Form annimmt und sich die Wichtigkeit der Aufmerksamkeit in der Rahmenhandlung auf die Tonebene verschiebt. Die eigentliche Clipgeschichte wandelt sich in ihrem Verlauf von einem narrativen hin zu einem rein performativen Clip, in den so die Gruppentanzchoreografie als das basale Element des Boygroup-Videos integriert wird. Die Verbindung zu dem vorherigen Geschehen wird durch mehrere Elemente gesichert: zum ersten durch die Ankündigung des Tanzabends am Schlosszaun, zum zweiten durch das Ballsaal- Setting, das ästhetisch in einer Reihe mit den vorangestellten Settings steht und drittens durch die Backstreet Boys selbst, die durch ihr ziviles Auftreten eine Verbindung zwischen Albtraumgeschichte und Prolog herstellen. Es folgen zwar noch Einblendungen der Horror-Alter Egos, die Horrorgeschichte klingt aber schnell und ohne narratives Ende mit den typischen Tanzchoreografien aus. Mit dem Ende der Musik erfolgt der schlagartige Wechsel in die Rahmenhandlung, der Horror wird zunächst aufgelöst, durch das Auftauchen des Zombie-Busfahrers aber auch relativ schnell wieder aufgegriffen und in ein offenes Ende übergeleitet.

74 8.1.2. Symbolanalyse

Bildebene Für die Symbolanalyse des Video ‚Everybody (Backstreet’s back)’ wurde die Sequenz 13 ausgewählt. Im Song/Videoclip ist diese Sequenz gleichbedeutend mit dem ersten Refrain, in dem alle Mitglieder der Band einen Gesangspart und somit ebenfalls einen Auftritt im Videoclip haben.

Sequenz 13, Still 1

Bildbeschreibung: Es ist ein Mann in dunkler Kleidung und einem Hut zu sehen, man kann nur seine linke, bleiche Gesichtshälfte erkennen, der Mund ist geöffnet. Die Arme hält er nach vorne, leicht nach oben vom Körper weg, seine Zeigefinger sind ausgestreckt. Hinter ihm befindet sich ein brauner, geschlossener aufrecht stehender Sarg. Rechts und links neben dem Sarg steht jeweils eine Frau. Die Frauen haben beide zurückgebundene Haare und tragen schwarze Kleider mit einer weißen Schürze. Alle drei Personen blicken direkt in Richtung der Kamera. Am linken Bildrand ist ein Tablett mit einer Karaffe oder einem Krug zu erkennen. Der Hintergrund ist dunkel, links hinter der Frau ist ein heller Vorhang zu erkennen. Bildräumliche Komponenten: Der Mann befindet sich in der Bildmitte und im Vordergrund, die Frauen und der Sarg im Hintergrund. Die Perspektive ist eine gerade Aufsicht, die Personen erzeugen jeweils eine senkrechte Bildachse, die Gesichter befinden sich alle circa auf einer waagrechten Achse. Bildästhetische Komponenten: Bei dem Bild handelt es sich um eine Nahaufnahme, es ist insgesamt sehr dunkel gehalten. Der Mann im Vordergrund ist nur durch sein hell betontes Gesicht zu erahnen, er bildet zusammen mit dem Sarg hinter ihm eine

75 große, dunkle und einheitliche Fläche, zu der die Frauen mit den weißen Schürze in einem farblichen Kontrast stehen. Die Bewegung seiner Arme erzeugt eine Dynamik im Vordergrund, die Arme bilden einen Rahmen um den Sarg. Die Frauen stehen auch dazu wieder im Kontrast, sie sind eher statisch und unscharf im Hintergrund und am Bildrand. Das Licht erhellt nur punktuell den Hintergrund, das Bild wird durch die Schattenverhältnissen konstituiert, die z.B. nur das Gesicht des Manns hervorheben. Rekonstruktion: Innerhalb des dunklen Bilds ist der Mann das Hauptmotiv, mit ihm steht der Sarg als Gegenstand in Verbindung. Die dunkle Kleidung, der aufgerissene Mund, die bleiche, blutleere Haut und der Sarg weisen den Mann als einen Vampir aus. Sein Zylinder ist ein vornehmes, veraltetes Kleidungsstück, die beiden Attribute adelig und alt lassen sich im Verständnis des Horrors mit dem Vampir als Teil des gefallenen Adels in Verbindung bringen. Die Frauen im Hintergrund sehen Dienstmädchen ähnlich, was im Sinne von Bediensteten und Herr ebenfalls auf Adel hindeutet. Der Mann ist also ein aus dem Adel stammender Vampir, der jedoch für seine Bediensteten keine Gefahr darzustellen scheint. Er macht Bewegungen in Richtung Kamera, die Armhaltung ist aber nicht bedrohend, sondern eher auffordernd oder herausfordernd.

Sequenz 13, Still 2

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann, der am Ende eines Tischs steht, an der rechten Seiten des Tischs sitzen zwei Frauen, links sitzt eine Frau. Der Tisch ist festlich mit Kerzen gedeckt, in der Mitte steht eine Art Käseglocke oder ein silbernes, geschlossenes Tablett, es befinden sich noch weitere kleine Gegenstände auf dem Tisch. Alle drei Frauen sitzen seitlich zur Kamera, sie tragen Abendkleider und

76 hochgesteckte Haare. Die Frau vorne rechts im Bild streckt ihren Arm nach etwas auf dem Tisch aus. Der Mann schaut in die Kamera, er steht gerade und trägt vermutlich einen schwarzen Frack und ein weißes Hemd. Seine linke Gesichtshälfte ist mit einer silbernen Maske verdeckt, die Gesichtszüge sind nicht genauer erkennbar. Im Hintergrund ist eine Art Geländer oder Fenster zu erkennen. Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive dieses Bildes ist eine grade Aufsicht. Der Mann steht im Hintergrund, befindet sich aber zusammen mit dem Tisch in der Bildmitte. Die Schale bzw. Käseglocke am unteren Bildrand ist im Vordergrund, so auch die Frauen am Bildrand. Die Köpfe der Frauen liegen auf einer horizontale Bildachse, der Körper des Manns auf einer Längsachse. Diese beiden Achsen treffen sich auf Höhe der Brust des Manns. Hinter dem Mann ist der Hintergrund breite sich der Hintergrund V-förmig und dunkel aus, auf Höhe der Köpfe der Frauen sind im Hintergrund jeweils breite, helle Lichtstreifen. Die so erzeugte Tiefe des Raums lässt ihn wie eine Art Saal oder Halle wirken. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung. Der Mann ist mit der dunklen Fläche im Bildhintergrund durch seine schwarze Kleidung farblich verbunden. Die verschiedenen kleinen Farbflächen der Gegenstände auf dem Tisch und die Frauen bilden im Vordergrund ebenso eine Einheit. Die Licht-Schatten-Verhältnisse schaffen die Tiefe des Raums, gleichzeitig halten sie die eigentliche Detailliertheit des Bilds im Verborgenen, die Gesichter und die Gegenstände auf dem Tisch sind nur undeutlich zu erkennen. Der Kleidungsstil und die Ausstattung des Raums ist der Zeit des 19.Jahrhunderts ähnlich. Rekonstruktion: Die Kleidung der Personen, die reichlich gedeckte Tafel und die restliche Ausstattung des Raum zeugen von Wohlstand und Luxus, in Verbindung mit einer zeitlichen Einordnung in das 19.Jahrhundert ergibt sich das Bild einer adeligen Gesellschaft. Der Mann scheint dabei der Gastgeber zu sein, die Frauen als seine Gäste sind aber eher an der Gesellschaft bzw. dem Essen interessiert als an ihm. Der Mann trägt eine Maske und einen Frack, er steht in die Kamera singend im Hintergrund. In Verbindung mit dem phantastischen Horror weist alleine die Maske den Mann als das Phantom der Oper aus. Sein somit halbverborgenes entstelltes Äußeres, das ihn zu dieser phantastischen Figur macht, scheint für die Frauen kein abschreckender Grund zu sein, sich mit ihm an einem, wenn auch abgeschiedenen Ort zu umgeben. Die Festtafelszene symbolisiert materiellen Reichtum, Dekadenz und das lockere Leben in Form des Vergnügens mit ‚leichten Mädchen’. Das

77 verunstaltete Phantom steht in einem Kontrast dazu, allerdings kann hier das alte Klischee der Steigerung der Attraktivität durch Luxus und Reichtums herangezogen werden, d.h. der gezeigte Luxus kompensiert das scheußliche Äußere des Phantoms, ohne dass man wüsste, woher im Unterschied zu der verarmten Originalfigur diese Form des Luxus kommen könnte. Die Szene wirkt jedoch auch relativ unbedrohlich, die Figur des Phantoms stellt also auch keine unmittelbare Gefahr im Sinne des Horrors dar, sie ist mehr Symbol für den Ausgestoßenen, Geächteten, der auf Grund seines Äußeren zum Mythos in der Tradition des Monsters im Horror wird. Der Figur des Phantoms der Oper, als eine vom Leben an der Oberfläche ausgeschlossene, ehemals adelige Person, wird durch den ihr hier zugeschrieben Luxus andererseits eine gewisse gesellschaftliche Exklusivität verliehen.

Sequenz 13, Still 3

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Mann in einem grauen Anzug und weißem Hemd. Der Mann hat kurze, dunkle Haare und trägt eine Brille und einen schwarzen Hut. Er steht seitlich zur Kamera, sein Kopf ist nach links in Richtung Kamera gedreht, man kann aber nur seine linke Gesichtshälfte erkennen. Sein linker Arm ist am Körper angelegt, es ist nur sein Oberkörper sichtbar. Im Hintergrund hängen mehrere Gegenstände an der Wand. In der Mitte eine Art Käfig, rechts und links möglicherweise Messer, Speere, Dolche oder Macheten. Außerdem hängen an der Wand drei Lampen oder Kerzenhalten, zwei links neben dem Mann und einer rechts neben ihm. Bildräumliche Komponenten: Die Perspektive ist eine gerade Aufsicht, der Mann befindet sich in der Bildmitte und im Bildvordergrund. Der Hintergrund enthält die drei

78 Lichtquellen, ist aber unscharf, die Gegenstände sind nur schemenhaft zu erkennen. Das Licht links unten, der Kopf des Manns und das Licht rechts neben dem Mann bilden eine diagonale Bildachse auf der auch die meisten und größten Gegenstände im Hintergrund liegen. Der Speer links, die Gegenstände rechts und der Körper des Manns bilden Längsachsen, die im Bild eine Symmetrie erzeugen an Hand der die Person und die Gegenständen angeordnet sind. Der Hintergrund begrenzt den Raum durch die abgeschlossen Wand. Bildästhetische Komponenten: In einer halbnahen Einstellung wird das gesamte Bild von der Farbe grün bestimmt, die sowohl den gesamten Hintergrund in verschiedenen Abstufungen ausfüllt, als auch im Vordergrund in den Anzug und in das Gesicht des Manns übergeht. Die dunklen Gegenstände und der Hut des Manns bilden dazu kleinflächige Kontraste. Das Bild ist recht dunkel gehalten, der Hintergrund und die rechte Gesichtshälfte des Manns werden durch die Licht- Schatten-Verhältnisse undeutlich bzw. verdeckt. Die farbliche Gestaltung lässt den Hintergrund trotz der vielen Gegenstände stimmig und einheitlich erscheinen. Rekonstruktion: Der Mann wirkt ernst aber seriös, eventuell konzentriert, jedenfalls gibt er nicht alles von sich Preis, denn er versteckt sich leicht in dem spärlich beleuchteten Raum. Die Gegenstände sind nicht richtig erkennbar und lasse noch keinen Schluss zu, wofür sie verwendet werden könnten, sie sehen aber nach handwerklicher Verwendung oder einer Verwendung z.B. in der Natur, d.h. im Wald, Dschungel usw. aus. Durch die Inszenierung bekommen die Gegenstände etwas befremdliches und geheimnisvolles, der Mann wirkt ebenso leicht unheimlich, da er nicht eingeschätzt werden kann. Allerdings macht er noch einen relativ ruhigen oder beherrschten Eindruck, was aber auch täuschen könnte. Durch die Gegenstände und sein Äußeres kann der Mann der Wissenschaft zugeschrieben werden, auch die Betonung des Kopfs durch den Hut kann so verstanden werden. Der Hut verweist auf den Kopf und in dem Fall auf das Gehirn und die geistige Anstrengung, Leistung, Tätigkeit des Manns mit der die Gegenstände im Hintergrund dann in Verbindung gebracht werden können. Das schummrige Licht, die undeutlichen Gegenstände und die ernsten Gesichtszüge des Mann, die z.B. seine Augen nicht erkennen lassen, machen insgesamt einen unheimlichen Eindruck. Somit wird das Thema Wissenschaft in ein unheimliches Licht gerückt, es wird die möglicherweise vom alltäglichen Leben abgehobene Expertise (natur-)wissenschaftlicher Wissenschaft und ihrer Vertreter symbolisiert. Die Figur ist dann im Sinne des verrückten oder

79 zumindest weltfremden, eigenbrötlerischen Forschers zu sehen, dem seine Forschung im wissenschaftlichen Wahn zu entgleiten droht.

Sequenz 13, Still 4

Bildbeschreibung: Das Bild ist sehr dunkel, es ist lediglich ein hellgekleideter Mann zu sehen. Er hält die Arme vom Körper abgewinkelt nach vorne, den Kopf hat er nach oben gestreckt, seine Beine sind nicht mehr sichtbar. Die Kleidung sieht eher Stofffetzen ähnlich, über der Brust trägt der Mann eine Art Gurt oder Riemen. Er scheint sich gerade zu bewegen. Der Hintergrund ist kaum zu erkennen, rechts neben dem Mann befindet sich ein Lichtfleck in dem eine Ziegelmauer zu erkennen ist, links im Bild befindet sich eine Art Gitter, Tür oder Fenster. Bildräumliche Komponenten: Der Mann wird aus einer geraden Perspektive gezeigt, er ist in der Bildmitte und hebt sich von dem dunklen Hintergrund ab. Der Raum scheint hinter ihm noch weiter in die Tiefe zu gehen, die Räumlichkeit wird hier aber vor allem durch die farbliche Gestaltung erzeugt. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Einstellung, die Person wird in einem hell-dunkel-Kontrast klar vom Hintergrund abgehoben und ihre Körperlichkeit somit betont. Das Licht hebt dabei nur die nötigsten Aspekte hervor, zum einen die körperliche Erscheinung der Person und zum anderen nur in wenigen Lichtspots zu erkennende Beschaffenheit des Raums. Rekonstruktion: In diesem Bild ist die Körperlichkeit der Person ganz klar im Fokus. Die helle, leinenartige oder auch einem Verband gleichende Kleidung der Person lässt in der Symbolik des Horrors den Schluss zu, dass es sich um eine Mumie handelt. Dafür spricht auch die Umgebung des dunklen Keller, Verlies oder der Gruft, der Raum wirkt älter und abgeschieden was zum Mythos der Mumie passt, die

80 Jahrhunderte lang unbedrohlich aber unheimlich wartet, bis sie aus einem mystischen Grund wieder zum Leben erweckt wird. Zu dem ist hinter der Mumie auch schemenhaft ein offener Sarkophag zu erkennen, aus dem sie sich gerade hinaus bewegt. Ihre Bewegung ist dabei von großer symbolischer Bedeutung, denn die Mumie ist schwerfällig. In diesem Bild kann man zumindest die Kopf- und Armbewegungen der Mumie nachvollziehen, die vorgestreckten Arme sind dabei typisch für das langsame Vorwärtskommen der Mumie.

Sequenz 13, Still 5

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine Person zu sehen, die in einen Mantel gekleidet im Raum steht und ihre Arme von sich streckt, den Kopf hat sie in den Nacken gelegt. Das Gesicht der Person ist nicht genau zu erkennen, die kurzen dunklen Haare und der Ansatz eines Barts lassen vermuten, dass es sich um einen Mann handelt. Rechts im Bild ist ein Fenster, draußen ist dunkelblauer, bewölkter Himmel. Unterhalb des Fensters im Rücken des Manns befindet sich eine Art Kiste, Truhe oder Sarg, daneben sind vor dem hellen Hintergrund zwei dünne Säulen oder Pfosten zu sehen. In der linken Bildhälfte sind die vagen Umrisse einiger Gegenstände erkennbar, ganz am linken Rand ist eine Art Anrichte oder Regalbrett auf dem ein Tierkopf mit aufgerissenem Maul liegt. Bildräumliche Komponenten: Das Bild zeigt eine gerade Aufsicht auf die Person, die ebenso wie die beiden Pfosten eine senkrechte Bildachse schafft, zwischen diesen Achsen wird die Kiste oder Truhe hervorgehoben. Der Mann ist zwar im Bildvordergrund, verschmilzt aber durch die dunkle Gestaltung des Bilds mit dem Hintergrund, in welchem der dunkelblaue Himmel im Fenster den geschlossenen Raum nach draußen hin erweitert.

81 Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung, die Person befindet sich in der Bildmitte. In dem farblich sehr dunklen und schemenhaften Bild dominiert der helle Fensterausschnitt rechts im Bild. Er stellt auch die einzige Lichtquelle dar, die den Raum durch Schatten strukturiert und das meiste undeutlich im Dunklen lässt. Einzig die Truhe bzw. Kiste wird durch den Lichteinfall hervorgehoben. Der leicht bläuliche Mantel des Manns verbindet ihn mit dem dunkelblauen Himmel und hebt ihn zugleich farblich vom dunklen Hintergrund ab. Rekonstruktion: In diesem Bild finden sich eine Reihe von Horrorsymbolen, die den dargestellten Mann als einen Werwolf kennzeichnen. Der Raum ist dunkel gehalten und wirkt daher eher nebensächlich, wichtiger und betonter ist die relative helle Nacht außerhalb des Raums. Der helle Nachthimmel lässt auf Vollmond schließen, der ein Initiator für die Verwandlung zu einem Werwolf ist. Die Ausstattung des Raums wird dabei nur angedeutet und bleibt so im geheimnisvollen Verborgenen, die als einzige Gegenstand vollends zu erkennende Kiste könnte auch ein Sarg sein, der ein Horrorsymbol ist, jedoch nichts mit einem Werwolf zu tun hat. Links im Bild befindet sich ein ausgestopfter Bärenkopf, der im Horror sowohl das Tote als auch das Tierische und Wilde symbolisiert. Letzteres steht in enger symbolischer Verbindung zum Werwolfmythos, dessen animalische Wildheit durch den langen Mantel des Manns zusätzlich zu der Umgebung somit auch an der Person verdeutlicht und mit ihr in Verbindung gebracht wird. Die Körperhaltung des Manns verbildlicht das stereotypische Heulen des Werwolf als Identifikation mit der vollendeten Verwandlung, als Signal an Gleichgesinnte und als Warnung an die Menschgebliebenen. Hinzu kommen der angedeutete Bart und die leicht ungepflegt wilden Haare des Manns, die auch seinen Körper als den eines Werwolfs kennzeichnen.

Textebene Bei dieser Sequenz handelt es sich um den ersten Chorus des Lieds, der Text lautet an dieser Stelle folgendermaßen: ‚Everybody (Yeah)/ Rock your body (Yeah)/ Everybody/ Rock your body right/ Backstreet's back alright/ Alright’. Der Songtext wirkt zunächst nicht besonders tiefgründig oder aussagekräftig. Vielmehr kann er als eine an alle (‚Everybody’) gerichtete Aufforderung verstanden

82 werden, den Körper wortwörtlich angemessen zu schwingen oder zu schütteln (‚rock your body right’), da die Backstreet (Boys) zurück sind (‚Backstreet's back alright’). In anderen Worten: Die Backstreet Boys richten sich mit diesen Zeilen an alle, die sie hören, zumindest aber an ihre Fans und fordern sie auf mit ihnen zu tanzen und zu rocken, aus dem einfachen Grund, weil die Backstreet Boys ein neues Lied haben, mit dem sie wieder zurück im Pop-Business sind und mit dem sie ihre Fans nun beglücken. Der Text wird von allen Bandmitgliedern gesungen, das eingeworfene ‚Yeah’ immer nur von einem der Boys. Es ist sozusagen die sich selbst gegebene Antwort oder Bestätigung des Anrufens der Fans, die im Song selbst ja nicht zur Sprache kommen können, höchstwahrscheinlich aber mit einem solchen ‚Yeah’ antworten würden. Somit kann man diesen Text als reine Eigenwerbung, als Adressierung des Publikums und Aufforderung zum Konsum des populärkulturellen Produkts der Backstreet Boys-Single verstehen. Die Art und Weise diese Konsums bzw. die Art wie man den eigenen ‚body’ ‚rocken’ soll ist den Fans dabei bereits bekannt und bewusst und bedarf keiner genaueren Spezifikation.

8.1.2.1. Das Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’

Die Symbolanalyse verdeutlicht, dass auf der Bildebene entsprechend den fünf Mitgliedern der Backstreet Boys fünf klassische Horrorfiguren konstruiert werden, die jeweils in einem, für den Mythos stereotypischen Setting eingebettet inszeniert werden. Der Horror ist folglich auf der Bildebene manifest und zunächst auch nur dort vorhanden. Neben ihrem Auftreten als Horrorfiguren geben sich die Backstreet Boys durch das gleichzeitige Performen ihres Songs trotzdem und immer noch als die Boygroup, die sie sind zu erkennen. Sie sind die Backstreet Boys, die ihren Song in der Rolle diverser Horrorfiguren präsentieren, somit wird der Songtext im Zusammenspiel mit dem Bild zunächst in eine rein performative Verbindung mit den Horrormythen gebracht. Wenn überhaupt, dann entsteht erst in dieser Weise ein Horror, der über die reine Narration auf der Bildebene hinaus geht. Der Songtext ermöglicht auf Grund dieser Verbindung mit dem Bild einige Lesarten im Sinne des Horrors. Der englische Terminus ‚to rock’ kann verschiedenste Bedeutungen wie erschüttern, schaukeln, schwanken, schwingen, taumeln usw.

83 haben, in Verbindung mit Horror kann dann eine Art Erschüttern oder Erschaudern durch ein kurzes Erschrecken oder Aufschrecken auf Grund des Horrors gemeint sein. Mit dem Zusatz ‚right’ ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die ‚richtige’ Art des Tanzens und Mitmachens bei der musikalischen Rückkehr der Backstreet Boys gemeint ist, die wohl kaum eine schauderhafte oder schreckliche sein soll. Vielmehr stellt der Horror auf der Bildebene in der Verbindung mit der Aufforderung des ‚rocken’ des eigenen Körpers eine Art neuen Anreiz dar. Die Backstreet Boys sind zurück als verkleidete Horrorfiguren und fordern zum Mitmachen auf. Das Motiv der Rückkehr der Band wird dabei durch die Verwendung von Horrorfiguren gestärkt. Mit dem Vampir und der Mumie beinhaltet das Video zwei untote Figuren, die von den Toten auferstanden zurückkehren, der Vampir, weil er blutsaugend zwischen den Wesenszuständen wandelt, die Mumie, weil sie durch Magie oder Fluch beschwört wird. Die Unsterblichkeit mancher Horrorfiguren dient dann der Versinnbildlichung der immer wieder mit einem neuen Song zurückkehrenden Pop-Boyband, die so lange unsterblich ist, so lange sie für genügend ihrer Fans attraktiv bleibt und diese durch ihre Performances zum Mitmachen begeistern und sie in ihrem Fan-Dasein bestätigen kann. Die Textzeile ‘Backstreet's back alright’ ist dann die von den wiederauferstandenen Backstreet Boys selbst formulierte Bestätigung dessen. Die Tonebene beinhaltet keine Elemente, die im Sinne des Horrors ausgelegt werden könnten. Vielmehr sichern der eingängige Dance-Beat und die Melodie auf der Bildebene die Existenz der angedeuteten, boygroup-spezifischen Tanzelemente.

8.1.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip

Bildebene Bei diesem Video muss allerdings bedacht werden, dass die Inszenierung der Horrorgeschichte auf der Bildebene durch keinerlei Aspekte des vorgegebenen Songs bedingt wird. Der Songtext kann erst durch die nachträgliche Verbindung mit der Bildebene des Videoclips auch auf Horror bezogen ausgelegt werden. Die ausgewählte Sequenz ist dabei für die gesamte Horrorgeschichte des Videoclips repräsentativ. Innerhalb der erläuterten Rahmenhandlung werden die Mitglieder der Backstreet Boys als Horrorfiguren innerhalb ihrer Settings zunächst vorgestellt. Dabei erfolgt die Vorstellung der Figuren an Hand der Gesangsparts der Backstreet Boys,

84 das Video ist also von Beginn an eine Kombination aus Narration und Performance. Zunächst wirken die Figuren noch recht statisch, der Fokus liegt auf der Identifizierung der Horrorfiguren mit ihrer stereotypischen Umgebung, es wird also vorerst der Horror bildlich inszeniert und das Lied performativ, allerdings nur singend vorgetragen. Auf der Bildebene entsteht ab dem ersten Pre-Chorus und dem darauf folgenden Chorus mehr Dynamik, da die Figuren ihre Gesangsperformance in den mittlerweile etablierten Settings immer durch Bewegung ergänzen. Dafür gibt es zwei ausschlaggebende Gründe: zum einen setzt im Pre-Chorus der Dance-Beat verstärkt ein, das Lied steigert sich musikalisch zum Refrain hin, zum anderen handelt es sich immer noch um einen Dance-Song einer Boyband, der im dazugehörigen Videoclip traditionell nicht ohne entsprechende Tanzelemente auskommen kann. Was im Verlauf des Videoclips auf visueller Ebene passiert ist also die Vermischung der beiden tragenden Elemente dieses Clips: die Horrorerzählung und die Tanzperformance. Der Prozess dieser Vermischung ist schleichend, er deutet sich in den Bewegungen der einzelnen Figuren an, die dadurch teilweise entfremdet werden. So tanzt Nick als Mumie später mit zwei weiteren Mumien, was dem langsamen und schwerfälligen Charakter dieser Figur widerspricht, ebenso verhält es sich mit Howie, der als tanzender Vampir konträr zu dem eigentlich anmutigen und dezent ruhigen Wesen des klassischen Vampirs steht. Die drei restlichen Figuren werden wenn auch in weniger gegensätzlicher Weise ebenso mit Tanzelementen kombiniert. Das Video wandelt sich nach dem zweiten Chorus zu einem reinen Tanzvideo, in dem die Backstreet Boys erstens zwar in mittelalterlicher Kleidung, jedoch nicht in Verkleidung ihrer Horror-Alter Egos auftreten und zweitens jungen Frauen zu einer mehr oder weniger unerklärten Ballnacht eingeladen werden, die in eine gemeinsame Tanzperformance übergeht mit der die Horrorerzählung schließt, die darauf folgende Rahmenhandlung beendet schließlich den gesamten Clip. Die Horrorsymbolik durchzieht dabei sowohl die Rahmenhandlung als auch die Albtraumerzählung. In der Darstellung des Schlosses finden sich beispielsweise Natursymboliken wie Vollmond, Nebel, Gewitter und die dunkle Nacht als wahrnehmungsverzerrende Archetypen des Grauens wieder. Das dunkle, abgelegene Schloss selbst ist ein klassischer Aufenthaltsort von Halbwesen, die Fledermäuse deuten auf die Anwesenheit von Vampiren hin. Die verfallene, aber ehemals luxuriöse Ausstattung der einzelnen Handlungsräume im Schloss verweist

85 auf die gotischen Horrormotiv des Alten und des Halbwesens als Angehöriger des verarmten, gefallenen Adels. So finden sich im Schlafzimmer des Werwolfs Spinnweben und ausgestopfte Tierköpfe als Symbol für Alter, Verwesung und Tod, im Setting des Vampirs symbolisiert dies der Sarg. Als Sinnbild von noch vorhandenem Reichtum und Attraktivität lassen sich die Dienstmädchen, die den Sarg des Vampirs umringen verstehen, im Setting des Phantoms wird diese Thematik durch die festlich gedeckte, von Frauen umringte Tafel verdeutlicht. Im Setting der Mumie symbolisieren die Gruft und der Sarkophag das Verdrängte und das Alte bzw. Tote, der Ort des Kellers ist mit seinem dunklen, modrigen Erscheinungsbild zudem als Sitz des Bösen oder als Symbol für den Abstieg in die Untiefen menschlicher Ängste zu verstehen. Das Arbeitszimmer von Dr.Jekyll/Mr.Hyde ist ein Sinnbild für den im Horror vorhandenen Zwiespalt der Wissenschaft zwischen Segen und Fluch. Besonders symbolträchtig ist hier das Verstecken des Wahnsinns hinter der Wissenschaft, angedeutet durch den vor den Kopf gehaltenen Aktenkoffer. Das Animalische mancher Halbwesen ist ebenfalls symbolisch eingearbeitet. So schlägt der Werwolf als Zeichen seiner unkontrollierten Wildheit Flick-Flacks und der Vampir öffnet exhibitionistisch seinen Umhang aus dem Fledermäuse fliegen. Der Epilog beinhaltet mit Brians Aufschrecken aus dem Albtraum und dem ruckartigen sich Aufrichten im Bett das Albtraummotiv des Horrors schlechthin. Im Verlauf der Albtraumerzählung werden die Horrorsymbole immer mehr durch Boygroup-Stereotype und hierbei besonders durch die Tanzelemente ersetzt bis sie schließlich zum Ende der Traumsequenz hin verschwinden. Der darauf folgende Epilog greift wiederum die aus dem Prolog bekannte Horrorsymbolik erneut auf und schließt so den Bogen zum Beginn des Videos.

Textebene Wie bereits in der vorangegangenen Symbolanalyse lässt sich auch der gesamte Songtext als selbstbezogene Ansprache an die potentiellen Fans verstehen: Der Text sagt aus, dass die Backstreet Boys mit der ersten Single ihres neuen zweiten Albums zurück sind, dass die Fans keine Angst zu haben brauchen, dass die Backstreet Boys irgendwann einmal nicht mehr zurück kommen könnten, zumindest so lange es die Musik noch gibt. So lautete der Text am Ende des Lieds:

86 ‘So everybody, everywhere/ Don't be afraid, don't have no fear/ Gonna tell the world, make it understand/ As long as there'll be music we'll be coming back again’ Dieser Text kann nur dann im Sinne des Horrors ausgelegt werden, wenn das Motiv der Rückkehr (‚we'll be coming back again’) als die Rückkehr von den Toten oder Vergessenen bzw. als Auferstehung oder als Unsterblichkeit verstanden wird. Alle diese Metaphern benötigen den Glauben anderer an eine Existenz des Phänomens Backstreet Boys respektive an die von Horrorwesen und den Willen des Hinaufbeschwören anderer. In dem Fall zeugt die Zeile ‚As long as there'll be music…’ davon, dass die Musik das Element der Beschwörung ist und die Fans logischerweise der Grund des Wiedererwachens. Die Textzeile ‚So everybody, everywhere, don't be afraid, don't have no fear’, die im Song den Fans die Angst davor nehmen soll, die Backstreet Boys könnten irgendwann nicht mehr mit neuen Songs zurückkehren, bekommt im Musikvideo durch die Verbindung mit der Tanzszene im Ballsaal und den in zivil auftretenden Backstreet Boys eine weitere Bedeutung. Den Fans als potentiellen ZuhörerInnen der erzählten Horrorgeschichte wird in der Text-Bild-Kombination versichert, dass sie keine Angst zu haben brauchen, dass es sich bei den Backstreet Boys etwa wirklich um Monster handeln könnte. Außer dem schon analysierten Text des Refrains, lassen sich im Songtext keine weiteren Symbole des Horrors wieder finden. Die zweite Strophe steht ganz im Sinne von Party, Spaß und Tanz: ‘Now throw your hands up in the air/ And wave 'em around like you just don't care/ If you wanna party let me hear you yell/ 'Cause we've got it goin' on again’ Genau so verhält es sich auch zu Beginn mit der ersten Strophe, die wie folgt lautet: ‘Oh my God we're back again/ Brothers, sisters, everybody sing/ We're gonna bring the flavor show you how/ I've gotta question for ya/ Better answer now’ Lediglich das bereits erläuterte Motiv der Auferstehung und Rückkehr ins Popmusikbusiness in Verkleidung von Horrorfiguren kann durch die Zeile ‚Oh my God we're back again’ erneut festgestellt werden. Wie bereits erläutert, handelt es sich bei ‚Everybody (Backstreet’s back)’ um eine Mischung aus Performanceclip und narrativem Clip, der Song wird von den Backstreet Boys in Horrorkostümen dargeboten. Der Text lässt sich größtenteils nicht dem Horror zurechnen, durch die Kombination mit dem Horror der Bildebene erhalten nur vereinzelte Textstellen eine latente Horrorbedeutung. Betrachtet man den Text

87 unter dem Gesichtspunkt, dass er von Horrorfiguren gesungen wird, so ist die Bild- Text-Kombination im Pre-Chorus hervorzuheben. Der Text des Pre-Chorus besteht aus den folgenden Fragen: ‘Am I original?/ Am I the only one?/ Am I sexual?/ Am I everything you need?’ Übersetzt heißen diese Zeilen so viel wie ‚Bin ich echt?’, ‚Bin ich der Einzige?’, ‚Bin ich sexuell attraktiv?’, ‚Bin ich all das, was du brauchst (dir wünscht)?’. Diese Fragen sind zugleich auch jene Ansprüche, die von den Backstreet Boys an ihr Publikum gerichtet werden, wiederum zur Absicherung ihrer eigenen Existenz als attraktive, verehrte und in diesen Aspekten auch einzige Boyband im Sinne einer Lebensnotwendigkeit für ihre Fans. Jede dieser Fragen wird von den restlichen Backstreet Boys wie auch schon im vorher analysierten Beispiel stellvertretend für die im Lied nicht anwesenden Fans mit ‚Yeah’ beantwortet. Der Pre-Chorus wird abwechselnd von Nick und Brian bzw. den Horrorfiguren Mumie und Werwolf folgendermaßen gesungen: Nick als Mumie: ‘Am I original? Brian als Werwolf: ‘Am I the only one?’ Nick als Mumie: ‚Am I sexual?’ Brian als Werwolf: ‘Am I everything you need?/ You better rock you body now’ Durch diese Kombination mit dem Bild erhalten diese gestellten Fragen durchaus eine tiefgründigere Bedeutung, denn die Backstreet Boys erfragen sich bei ihrem Publikum nicht einfach nur die Rechtmäßigkeit ihrer Existenz, sie erfragen diese als Horrorfiguren. Die Backstreet Boys sind in diesem Video sogar als Mumie noch immer die echten, ursprünglichen und attraktiven jungen Männer, sie sind für ihre Fans auch als Werwolf die Einzigen und das Einzige, das diese in ihrem musikalischen Leben benötigen. Die bedrohliche Horrorfigur wird durch den Text somit als nichtbedrohliche Verkleidung eines Stars dekonstruiert und der Horror als reiner Fülleffekt der Bildebene konstituiert. Die Tonebene soll nicht gänzlich unerwähnt bleiben, ist sie doch im Prolog und Epilog ein wesentlicher Träger der Stimmungserzeugung des Horrors. Sie enthält zum einen nicht-diegetische Elemente wie die ansteigenden Streicherpassagen und die bildunterstützenden Tusche, zum anderen diegetische Elemente wie das Knarren des Tors, den Donner und Blitz, das Quieken eines Tieres, das Heulen des Werwolfs Brian und nicht zuletzt den finalen Schrei der Backstreet Boys. Die Tonebene übernimmt somit in der Rahmenhandlung dramaturgische Funktionen zur

88 Inszenierung des Horrors, die durch den Wechsel zwischen Clipgeschichte und Rahmenhandlung ermöglicht werden.

8.1.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Everybody (Backstreet’s Back)’

Da die Ebenen Bild und Text thematisch prinzipiell unverbundenen sind handelt es sich auf visuell-funktionaler Ebene bei ‚Everybody (Backstreet’s back’) der Backstreet Boys um eine narrative Ergänzung des Songtexts durch die Erzählung auf der Bildebene. Die vereinzelten Textstellen, die nur nachträglich in Verbindung mit dem Bild latent als Horrorreferenz gedeutet werden können, reichen nicht aus um als verbildlichende Funktion zu gelten. Für den zweiten Teil des Videos, in welchem der Horror verschwunden ist und nur getanzt wird kann dies sehr wohl gelten, jedoch liegt der Untersuchungsfokus dieser Typologie auf der Form und Funktion der Inszenierung des Horrors und nicht auf der Inszenierung von Tanzperformances.

8.1.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse

8.1.3.1. Einordnung in das Deutungsmuster Horror

Die Symbolanalyse macht deutlich, dass im Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ eine starken bildsymbolische Verwendung sowohl des klassischen als auch des modernen Horrors vorliegt. In der Filmanalyse zeigt die Untersuchung der Rollen und Figuren, dass die Backstreet Boys als Figurationen von Horrormythen ebenso als Träger des Horrors fungieren, wie auch in ihrer Rolle als Protagonisten der Rahmenhandlung. Die Analyse der Bauformen legt dar, wie in der Kombination der Ebenen Bild, Text und Ton eine umfassende Horrorstimmung generiert wird. Die dargestellten Figuren ermöglichen dabei auf Grund ihrer Merkmale jeweils für sich eine Deutung als Teil des Horrors: wenn eine Person lange Eckzähne hat und in Verbindung mit einem Sarg gezeigt wird, dann ist sie ein Vampir; wenn eine Person mit einer Maske ihr entstelltes Gesicht verdeckt und festlich gekleidet ist, dann ist sie das Phantom der Oper; wenn eine Person verschiedenartige Gesichtshälften oder Gesichtsausdrücke hat und einen Anzug trägt, dann ist sie Dr.Jekyll/Mr. Hyde; wenn eine Person in Stoffe gewickelt vor oder in einem Sarkophag steht oder liegt, dann ist

89 sie eine Mumie; wenn eine Person ein starkes Gebiss und wilden Bart- und Haarwuchs hat und vor einem Vollmond gezeigt wird, dann ist sie ein Werwolf. In Anschluss an die Identifikation der Figuren als Horrorfiguren lautet die Deutung bezüglich ihrer Charaktereigenschaften: wenn eine Person ein Monster (Vampir, Werwolf, Mumie, Phantom der Oper, Dr. Jekyll/Mr. Hyde) ist, dann bedroht und/oder verletzt und tötet sie ein oder mehrere Opfer. Weitere Deutungen betreffen die Nebenpersonen des Busfahrers und der Frau im roten Kleid: wenn jemand (der Busfahrer) sagt ‚Ich komme (gleich) wieder’ (‚I’ll be back’), dann tritt das Gegenteil ein und er kommt nicht oder als Bedrohung wieder. Für die Frau gilt die Deutung: wenn eine junge, attraktive Frau in Verbindung mit einem Vampir gezeigt wird, dann ist sie sein Opfer. Daran schließt die Deutung an: wenn eine Frau das Opfer eines Vampirs ist, dann wird sie von ihm durch einen Biss getötet. Das übergeordnete Setting kann auf die selbe Weise in das Deutungsmuster Horror integriert werden: wenn eine Burg abgelegen, unbewohnt und voller alter Gegenstände ist und die Personen sie bei Nacht und/oder Gewitter erreichen, dann ist die Burg ein Spukschloss. In der Folge bedeutet das: wenn ein Schloss/ eine Burg/ ein Haus ein Spukschloss/ -haus ist, dann werden die Personen im Haus von einer Bedrohung heimgesucht, verletzt oder getötet. Das im Videoclip verwendete Motiv des Albtraums kann als eine Variation oder Erweiterung dieses Musters gesehen werden: wenn eine Person in einem Spukschloss/-haus übernachtet, dann wird sie Albträume haben. Der Albtraum selbst ist durch das entsprechende Verhalten der Person, in dem Fall Brian in stereotypischen Situationen zu deuten: wenn eine Person in ihrem Bett aus dem Schlaf aufreckt und sich aufsetzt, dann hatte die Person einen Albtraum. Damit sind Personen, Ort und Handlung in das Schema und das Deutungsmuster des Horrors eingeordnet. Die Rahmenhandlung entspricht dabei einer Deutung im Muster des modernen (Teenie-)Horrors, die integrierte Albtraumgeschichte folgt in Ästhetik und Gestaltung der Figuren und Handlungen dem Muster des klassischen bzw. gotischen Horrors.

90 8.1.3.2. ‚so everybody, everywhere, don’t be afraid, don’t have no fear...’: der entdramatisierte Horror

Für eine soziologische Deutungsmusteranalyse stellt sich vor dem Hintergrund von Funktionsweise und Aufbau von Boybands die Frage, warum die Backstreet Boys in ihrem Musikvideo im Rahmen einer Horrorgeschichte als Horrorfiguren auftreten, vor allem wenn die auf der Bildebene erzählte Horrorgeschichte keine Verbindung zu dem gesungenen Text, der Musik, dem Image der Musik oder dem Image der Boygroup hat.

Die Legendenerzählung Die im Videoclip erzählte Geschichte folgt dem Prinzip klassischer amerikanischer Halloween-Geschichten oder auch den als urbane Legende bezeichneten modernen Märchen, in denen zumeist unschuldige Jugendliche in verlassenen, abgelegenen Gegenden stranden und dort von verschiedenen Horrorgestalten heimgesucht werden. Solche mythischen Erzählungen sind im kollektiven sozialen Gedächtnis einer Gesellschaft verankert, sie weisen einen hohen Bekanntheitsgrad auf und knüpfen an Legenden und Ereignisse des Hörensagens an. Die Anlässe bei denen sie erzählt werden sind ebenso stereotyp verinnerlicht wie auch ihre Wirkungs- und Rezeptionsweisen. Der Glaube an die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit dieser Geschichten hat eine geringe Reichweite und Dauer, die Geschichte hat die Funktion eines des kurzzeitigen Schreckens mit teils unterschwelligen gesellschaftlich moralischen und normativen Aussagen ähnlich eines Märchens. Normalerweise benötigt der so zu Stande kommende Horror einen Verstoß gegen eine Moral oder ein Gesetz als Auslöser, dieser Verstoß fehlt allerdings in der Erzählung von ‚Everybody (Backstreet’s back)’. Ein weiteres untypisches, fast gegenteiliges Moment im Sinne einer solchen Legendenerzählung stellt auch die integrierte Clipgeschichte an sich dar. Die Backstreet Boys verwandeln sich nämlich in die Bedrohung und nicht etwa in die Opfer, was gemäß den urbanen Legenden der Fall sein müsste. Die einzelnen Albträume sind dann keine Albträume im klassischen Verständnis der Verfolgung durch etwas Bedrohliches, sondern die Furcht sich selbst in eine solche Bedrohung zu verwandeln, dann jedoch mit übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Die Bedrohung, auch im Sinne der Erzählung einer urbanen Legende besteht für die Backstreet Boys

91 nur in der Rahmenhandlung, in der diese durch den als Zombie zurückkehrenden Busfahrer verkörpert wird. Durch die Form einer solchen Legendenerzählung passt sich der Horror in diesem Videoclip einem vorgefertigten Schema an, das sowohl aus Literatur als auch aus Film und Fernsehen bekannt ist. Die Funktionsweise und der Ablauf eines solchen Horrors sind daher stark stereotypisiert. Für die RezipientInnen erscheint der Horror als berechenbares Muster, er nimmt jene kommerzialisierte Form an, die durch Hollywood-Filme verbreitet und in das kulturelle Gedächtnis als die erwartbare Form von Horror eingebrannt wird. Der Horror im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ folgt somit dem selben Prinzip wie auch die kommerzielle Konzeption von Boygroups, in dem er auf eine profanisierte Darstellung und einen möglichst hohen Wiedererkennungswert setzt, wodurch es den Backstreet Boys erst ermöglicht wird in die Rolle von Horrorfiguren zu schlüpfen. Der Horror wird zu einem reinen Abbild seiner Figuren und Symbole, es existieren keine Überraschungsmomente mehr, die einen Schock oder Angst und Schrecken auslösen würden. Die ursprüngliche Wirkung des Horrors, den Menschen in eine Grenzsituation der eigenen Emotionen zu versetzen entfällt, der Horror wird entdramatisiert. Der Horror wird damit auf jene populärkulturelle Ebene transferiert, auf der sich die Backstreet Boys befinden. In dem die Boyband Backstreet Boys diesen entdramatisierten Horror in ihrem Videoclip mit sich selbst als unbedrohliche, positiv konnotierte Stars verbindet, bietet der Horror im Videoclip und somit dieser Videoclip als Gesamterscheinung die Möglichkeit einer vergnüglichen und horrorfremden Aneignung.

Horrorvergnügen Dass Videoclips als das mediale Format, das sie sind von Haus aus die Möglichkeit einer kurzzeitigen und fokussierten populärkulturellen Aneignung der in ihnen präsentierten und inszenierten Themenkomplexe bieten ist bekannt. Die im Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ vorhandene, relativ sanfte und weniger schreckliche Form der Horrorunterhaltung, lässt sich am Besten mit Attraktion im Sinne von Geisterbahnen vergleichen. Das Format der Geisterbahn oder auch das der Freakshow ermöglicht eine ebenso eine Beschäftigung mit Horror als populärkulturelle Erscheinung, die auf einen kurzen vergnüglichen Schock abzielt, nicht auf das Erzeugen eines nachhaltig verstörenden und angsteinflößenden Effekts.

92 Neben dem ‚sanften’ Horror ist einerseits die Versicherung des Geschehens als Fiktion ausschlaggebend um die Möglichkeit des Vergnügens aufrecht zu erhalten, andererseits muss es sich um eine Form des Horrors handeln, die auf stereotypische und in kulturellen Strukturen verankerte Darstellungen des Horrors zurückgreift. Diese Voraussetzung erbringen die in Geisterbahnen dargestellten Horrormythen ebenso wie die von den Backstreet Boys verkörperten Figuren in ‚Everybody (Backstreet’s back)’. Sie verweisen beide auf massentaugliche Symbole und Figuren des Horrors, es handelt sich nicht um eine spezielle kulturelle Ausprägung, weder von Horror oder einer sonstigen Form. Es bedarf keines Experten- oder Insiderwissen um die Botschaft dieser Form des Horrors zu verstehen. Die Figuren und Symboliken sind für jedermann verständlich und ermöglichen somit eine populärkulturelle und vergnügliche Aneignung. Entsprechend dem allgemeinen gesellschaftlichen Verständnis von Horror wird auf diese Weise eine Regelhaftigkeit erzeugt, die in einem berechenbaren Szenario präsentiert wird. Dieses Szenario entsteht durch die Kombination einer stereotypen Horrorkulisse bestehend aus Figuren, Settings und Symbolen mit einer stereotypen Inszenierung einer Boyband in der Kulisse der Popwelt. Es werden in diesem Videoclip zwei Elemente des medialen Mainstream vereint, durch die der Horror von seiner ursprünglichen Funktion, den/die BetrachterIn/ZuhörerIn in eine beispiellose Extremsituation zu versetzen, losgelöst werden kann. So wird in diesem Videoclip ein vergnüglicher Umgang auf Grund folgender Aspekte ermöglicht: 1. Die Horrorfiguren werden von den Backstreet Boys selbst dargestellt, was zwei Deutungen zulässt: einerseits die Backstreet Boys als Stars und Performer im Videoclip, andererseits die Backstreet Boys als Schauspieler in der eingebauten Geschichte. Somit ist klar, dass es sich nicht um echte Horrorfiguren im Sinne eines Horrorfilms handelt, sondern um die Boyband Backstreet Boys in der Kostümierung von Horrorfiguren; 2. Abgesehen von Prolog und Epilog, spielt sich die Horrorgeschichte nur auf der Bildebene des Clips ab, nur durch die visuelle Ergänzung werden der Text und die Musik im gesamten Zusammenspiel mit Horror verbunden, für sich alleine sind sie vollkommen horrorfreie Themen. Die von Text und Musik implizierte Version der Bildebene wäre ein Dance-Performance-Video und in genau diesen Typ geht das Video in der zweiten Hälfte allmählich über.

93 Diese Möglichkeit des vergnüglichen Umgangs mit Horror stellt nun ein Angebot der Backstreet Boys an ihre Fangemeinde dar, die zugleich die Zielgruppe für die Produkte Song, Video und Band an sich bildet. Die Fans orientieren sich dabei an dem Image, das die Boyband über ihre Produkte vermittelt. Diese Image ist gleichermaßen die Verbindung zwischen der Boyband und ihren Fans als auch die Konstante an der die Fans messen können, wie sehr sie und warum sie zu dieser Boyband stehen.

Die Andeutung des Böse-Buben-Image Die Mitglieder von Boybands sind zumeist als glatte, positive und verehrenswerte Charaktere angelegt, mit denen sich die Fans identifizieren können, da die Stars abseits ihres Poplebens so alltäglich wie die Fans selbst zu sein scheinen. Bei Horrorfiguren eigenen sich zwar ihre teils übernatürlichen Fähigkeiten als Halbwesen zu einer Form der Bewunderung, letztendlich verkörpern sie als grauenvolle Personifikationen menschlicher Urängste aber das Ungewisse und das moralisch Verwerfliche. Der Horror und seine Figuren sind im Endeffekt immer in irgendeinem Auftreten oder einem Verhalten ein Ausdruck des Bösen oder aus ästhetischen Gründen abzulehnen oder zu verabscheuen. Dies gilt selbst in den filmischen Formaten der Komödie oder der Parodie. Im Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ werden die positiv konnotierten, in der Tradition gängiger Popsongs stehenden Aussagen des Songtexts auf der Bildebene mit der Darstellung von Horrorfiguren und –symbolen zusammengeführt, die niemals als gänzlich positiv bewertet werden können. Die saubere Popwelt der Boyband wird von einem Anflug des Bösen überlagert, wodurch die Boyband Backstreet Boys ein Image der ‚bösen Buben’ erhält. Wenn ein Popstar seinem eigenen Image entgegen als Horrorfigur auftritt, dann setzt dies zumindest voraus, dass ihm die Existenz des Horrormythos bekannt ist und er sich traut als solcher aufzutreten. Es kann des Weiteren bedeuten, dass er eine zweite, dem glatten Popimage entgegengesetzte Identität besitzt, die er fortan für immer oder nur für kurze Zeit in Form der Verkleidung als Horrorfigur auslebt. Die Backstreet Boys, von denen anzunehmen ist, dass sie als Amerikaner mit der Halloween-Tradition aufgewachsen sind, benutzen den Horror in ihrem Video um ein ‚böse Buben’-Image anzudeuten und um der Popwelt und ihren Fans zu zeigen, dass sie sich mehr trauen und mehr können als nur in altbekannten Tanzvideos

94 aufzutreten. Durch ihre Horrorverkleidungen zeigen sie, dass sie keine Angst vor den zu Grunde liegenden Mythen haben, denn jemand, der sich aus dem Glauben an die mögliche Existenz solcher Halbwesen vor ihnen fürchtet, wird sich nicht selbst als Halbwesen verkleiden, sondern als einer ihrer Gegenspieler. Die Backstreet Boys sind also nicht ausschließlich die netten Jungen von nebenan, sie sind nicht nur gutaussehende, liebenswerte Popsternchen, sie sind auch die harten, männlichen Typen, die sich nicht fürchten und sozusagen ihren Mann stehen können. Ob ihnen dadurch Respekt oder Ablehnung der restlichen Popwelt zukommt, ob sie dadurch bei ihren weiblichen Fans ihre Attraktivität steigern können oder neue Fans, männlich wie weiblich hinzugewinnen kann hier nicht beantwortet werden. Das Video zeigt außerdem, dass die Backstreet Boys auch keine Angst oder Scheu haben, mit ihrer Verkleidung Schreckensmomente bei den Fans bzw. generell den BetrachterInnen zu erzeugen. Sie sind in doppelter Hinsicht mutig, denn sie fürchten sich auch nicht vor dem zurückwirkenden Horror in Form des Ausdrucks von Schrecken, Grauen, Ekel usw. in der Reaktion ihrer Fans. Somit sind sie sich selbst in ihrem Tun sicher, denn die Angst vor Misserfolg mit der Verkleidung als Horrorfiguren scheint durch ihre vorhandenen populärkulturellen Errungenschaften als Boygroup überboten zu werden. In dieser Hinsicht kann eine kommerziell wie auch populärkulturell erfolgreiche Verwendung von Horror, wie sie mit diesem Video erzielt wurde als Bestätigung des eigenen nahezu allmächtigen Popstarstatus dienen. Dass dieser Imagewechsel nur kurzzeitig ist und dass die Backstreet Boys nicht wirklich vorhaben ihre Fans bzw. die ZuseherInnen zu schockieren zeigt sich in der Tatsache, dass der Horror nur angedeutet aber nicht ausgeführt wird. Die zu Anfang formulierte Prämisse, dass eine Horrorfigur notwendigerweise ein Opfer bedroht, verletzt oder tötet tritt im Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nicht ein. Keine der Horrorfiguren vollzieht den Horror auf der wichtigen körperlichen Ebene. Bis auf die Ausnahme der Frau im roten Kleid als potentielles Opfer des Vampirs gibt es noch nicht einmal Opfer, und selbst der angedeutete Biss des Vampirs in den Hals der Frau wird im letzten Moment doch nicht ausgeführt. Auf die voranschreitende körperlich Aktivität der Horrorfiguren folgt nicht etwa die Jagd nach einem Opfer oder Kampf mit einem Widersacher sondern die zivile Zusammenkunft zum Ballabend. Das Image der Boyband besiegt in Form der Tanzchoreografie sozusagen den vorangegangenen Horror in Form der verkleideten Backstreet Boys, das Image als

95 Boyband ist endgültiger und wiegt stärker als das kurzzeitige Horrorimage, das lediglich als Möglichkeit angedeutet bleibt. Das Image der ‚bösen Buben’ wird in diesem Clip recht moderat aufgebaut, der Horror fungiert als Ornament für das Auftreten als Boyband, er ist das Beiwerk, das deswegen erfolgreich funktionieren kann, weil es sich auf die entdramatisierte und stereotyp geschönte Version des Horrors bezieht. Nach dem Ende des Clips ist auch diese kurzzeitige Andeutung eines Imagewechsels beendet.

Der Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ nutzt auf nicht-schockierende Weise die Unterhaltungsfunktion des Horrors als besondere visuelle Komponente mit der er sich aus der Masse belangloser Pop-Clips abzuheben scheint und mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dies kann aber nur für die Bildebene gelten, Text und Ton folgen, wie in der Analyse deutlich geworden ist, dem Schema bekannter Popsongs von Boybands. Die banale und unspektakuläre Basis aus Text und Ton hinterlässt für die Bildebene eine inhaltliche Leere, die auf verschiedenste Weise gefüllt werden kann. Mit der Verwendung von Horror wird in diesem Videoclip ein visueller Anreiz geschaffen, der diese Leere nicht nur füllt sondern der über Text und Ton hinaus eine eigene Geschichte erzählt. Dazu muss sich der Horror einschränken, er darf nicht schockieren oder Angst erzeugen und er darf nicht über die Dauer des Musikvideos hinaus Bestand haben. Weder der Song noch die Band dürfen mit dem ursprünglichen Schrecken, Schock und Grauen des klassischen Horrors in Verbindung gebracht werden, da der ‚echte’ Horror nicht dem Pop-Image einer Boyband vereinbar ist. Der Horror wird auf der Bildebene auf ein ästhetisches Zitat reduziert, durch die Art und Weise der Konstruktion des Vergnügens wird die Rezeption gelenkt und die entdramatisierte Version des Horrors zur einzigen Möglichkeit Horror und Boygroup in einem Musikvideo zu verbinden gleichzeitig eine vergnügliche Rezeption zu ermöglichen. Das Interessante am Horror in ‚Everybody (Backstreet’s back)’ ist somit nicht die Darstellung des Horrors selbst, sondern seine Nutzung durch die Kulturindustrie. Diese reduziert den Horror nun auf gewöhnliche, massentaugliche Darstellungen, die von seiner ursprünglichen Funktion der Visualisierung verborgener und verdrängter Ängste und gesellschaftlicher und moralischer Missstände durch die schreckliche Figur des Halbwesens losgelöst sind. Der Horror ist dann nicht mehr

96 übernatürlich, sondern alltäglich, da es ihn in der Kulturindustrie gibt, die ihn von seinen übernatürlichen Eigenschaften entbehrt und profanisiert hat.

8.1.4. Verortung im Musikvideoclipkorpus

In der Figuren- und der Symbolanalyse wird deutlich, dass der Videoclip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ mehreren Horrortypen des erstellten Korpus zugeordnet werden kann. Nahezu jede der dargestellten Figuren vertritt einen anderen klassischen Horrormythos: die Mumie, der Vampir und der Zombie sind Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind, der Werwolf ist ein Tiermensch, Dr. Jekyll/Mr. Hyde vertritt das Doppelgängermotiv und Erik, das Phantom der Oper lässt sich als „(...) eine Variation des Monsters, mit dem man Mitleid haben muss“242 verstehen. Hinzu kommt das erläuterte Motiv des Albtraums. Durch die Vielzahl thematisierter Mythen und ihrer Verknüpfung mit Tanzelementen ist dieser Videoclip für den Korpus besonders repräsentativ, da sich hier weitere Beispiele des Pop- bzw. Boygroup-Genres finden, die eine ähnliche Verwendung des Horrors auf struktureller, inhaltlicher oder figurativer Ebene aufweisen. Zumeist folgen diese Videoclips dem Prinzip, dass die InterpretInnen, wenn sie selbst in einer Narration im Videoclip auftreten, stets eine Horrorfigur in Verbindung mit einer Gesangs- und/oder Tanzperformance oder in einer finalen Tanzperformance darstellen. Der Clip zu Michael Jacksons ‚Thriller’ ist vielleicht nach wie vor das bekannteste und richtungsweisendste Beispiel für dieses Prinzip. Ein neueres Video, das Boygroup und Horror verbindet ist ‚Just Because Of You’ der Boyband Us5. Das Video beginnt ebenso wie ‚Everybody (Backstreet’s back)’ während einem nächtlichen Gewitter mit der Ankunft der Band in einem alten, scheinbar verlassenen Schloss. Das inhaltliche Prinzip ist jedoch zu Beginn ein anderes, da die folgenden drei Traumsequenzen der Bandmitglieder sie zunächst als die Opfer einer Vampirfrau zeigen. Die Rückkehr zu dem angesprochenen Schema erfolgt nach den obligatorischen Bissen der Vampirfrau in einer Interlude, in der die Bandmitglieder als Zombies auf einem Friedhof eine Tanzperformance darbieten. Am Ende stellt sich heraus, dass es sich bei dem Gesehenen lediglich um einen Film handelt, den sich die Jungs von Us5 im Kino ansehen und in dem sie selber mitwirken. Auch dieser Clip basiert also auf der Kombination stereotyper

242 Seeßlen 1979, S.58 97 Horrorfiguren, Horrorsymboliken und Settings mit dem wesentlichen Boygroup- Element der Tanzperformance. Der Text schildert dabei in bekannter Boyband-Pop- Manier die Ernsthaftigkeit und Einzigartigkeit einer zerbrochenen Liebe zu einem Mädchen. Neben der Verknüpfung der Horrorgeschichte mit Tanzelementen ist im Video auch die Einbettung in die Rahmenhandlung des Kinofilms wichtig. Auch hierbei lassen sich Parallelen zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ feststellen, denn ähnlich dem als Zombie zurückkehrenden Busfahrer, sitzt in am Ende von ‚Just Because Of You’ die (Vampir-)Frau im Kinopublikum und blickt die Jungs von Us5 mit leuchtend roten Augen an. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass in diesem Videoclip die Rahmenhandlung nicht vom Song losgelöst gezeigt wird. Ein ähnliches Muster verfolgt der Videoclip zu ‚Wall To Wall’ von Chris Brown. In einer nächtlichen Szene auf einem leeren Parkplatz nähert sich eine Vampirfrau aus einer Nebelwolke heraus dem Auto von Chris Brown, als dieser einsteigt taucht die Frau auf dem Beifahrersitz auf und beißt Chris Brown in den Hals, kurz darauf wacht er mit Vampirzähnen auf, er fährt los und das eigentliche Musikvideo beginnt. Seine Fahrt führt ihn zu einem düsteren Haus, in dem hauptsächlich weibliche Vampire eine Party feiern und in dem er der besagten Frau wieder begegnet. Die Narration ist von Performance-Elementen durchbrochen und mündet letztendlich in eine Tanzchoreografie. Die Rahmenhandlung wird nach Ende der Tanzperformance auch hier wieder aufgegriffen, in dem Chris Brown über den leeren Parkplatz zu seinem Auto geht und die Frau erneut auf dem Beifahrersitz auftaucht. Treten die InterpretInnen nicht selbst in einer Performance oder Narration im Videoclip auf, so hat der Horror auf der Bildebene oftmals die Funktion das leichte, süßliche und oft wenig aussagekräftige Image der dargebotenen Popmusik in Form eines visuellen Anreizes zu kontrastieren. Die Videoclips zu ‚Superfreak’ und ‚Somebody’s Watching Me’ der Dance-Formation Beatfreakz zeigen, wie einfach eine solche Kombination von Tanzperformance und Horrorfiguren funktionieren kann. Die Verkörperung von Horrorfiguren hat bei den Beatfreakz eine parodistische Imagefunktion, die schon in der namentlichen Vorstellung der einzelnen TänzerInnen deutlich wird. Ihre Pseudonyme wie ‚Mekill Hacksaw’, ‚Creepin Curly Minogue’ oder ‚Pussy Corpse Trolls’ sind Horroradaptionen von Namen bekannter MusikerInnen. So beschränken sich die beiden Videos auch

98 auf die Inszenierung der Charaktere in unheimlichen Settings, um dann ohne weitere Umschweife in Tanzperformances überzugehen. Die Formation Young Punx verfolgt ein ähnliches Prinzip der populärkulturellen Nutzung von Horror in Dancemusic-Videos zur Etablierung eines visuell ‚härteren’ Image. In ihren computeranimierten Clips zu ‚Your Music Is Killing Me’, ‚Wake Up Make Up Bring It Up Shake Up’ und ‚You’ve Got To’ lassen sich die Bandmitglieder vor buntem Hintergrund von singenden Totenköpfen, tanzenden Skeletten, einem bösen Clown, einem fliegenden Auge und verschiedenen Tierköpfen vertreten. Die Deutungsmusteranalyse führt aber auch vor Augen, dass ein Musikvideo wie ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys nicht nur die Kontrastierung der positiv konnotierten Popmusik durch düstere Horrorinhalte und eventuell einen Imagewandel verfolgen muss, sondern dass auch die reine, als vergnüglich anzusehende Unterhaltungsfunktion des Horrors im Vordergrund stehen kann. Einige Beispiele von Popmusikvideos des Korpus zeigen, wie eine Horrorgeschichte auf der Bildebene als reine narrative Ergänzung zu Text und Ton funktionieren kann. Dazu ist eine Kombination mit Gesangs- oder Tanzperformances nicht mehr nötig. So erzählt beispielweise der Videoclip zu ‚Believe’ der Chemical Brothers in der Tradition des Psycho-Horros die Geschichte eines jungen Manns, der in seiner Alltagswelt von den plötzlich lebendig gewordenen Maschinen, die er in einer Fabrik bedient, verfolgt und bedroht wird, bis dass ihm letztendlich die Unterscheidung von Realität und Fiktion entgleitet. Der Clip wird dabei von dem intensiven Zusammenwirken des Dance-Beats und der Dynamik der Bilder geprägt. Im Musikvideo zu ‚Sumisu’ schlüpft Farin Urlaub in die Rolle des Nosferatu während auf der Bildebene die Ästhetik der filmischen Vorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’ adaptiert wird. Die Intensität des Horrors wird in diesem Video jedoch gesteigert, in dem Farin Urlaub als Vampir sein weibliches Opfer beißt und somit zu einer aktiven Horrorfigur wird. Der Vampir wird hier als einsame, sich nach Gesellschaft sehnende Kreatur dargestellt. Nur durch den unabwendbaren Biss, der das Opfer in das gleichgesinnte Wesen verwandelt, ist es dem Vampir möglich seine Einsamkeit zu beenden. Das selbe Motiv findet sich in parodistischer Weise im Videoclip zu ‚Who Cares?’ des Duos Gnarls Barkley. Hier tritt der Vampir als alternder Frauenheld auf, der sich des Nachts auf die Suche nach erotischen Abenteuern macht und letzten Endes, getrieben von seinem Blutdurst einen Mann beißt.

99 8.2. Death in Vegas – ‚Aisha’ Regie: Terry Richardson, Jahr: 2000, Dauer: 4:00min

Death In Vegas ist eine 1994 gegründete britische Band, deren Musikstil zunächst in Richtung BigBeat, Dub und Techno ging. Mit ihrem zweiten Album ‚The Contino Sessions’, verlegte sich die mittlerweile aus dem Duo Richard Fearless und Tim Holmes bestehende Gruppe mehr auf den Einsatz von Instrumenten und dem Engagement von GastsängerInnen. Der Song ‚Aisha’, gesungen von Iggy Pop bescherte der Band den ersten Top Ten Erfolg in England243 und erschien am 31.01.2000244 als zweite Singleauskopplung aus diesem Album. Bei dem zugehörigen Videoclip führte Terry Richardson (*1965)245 Regie, der besonders als Fotograf mit Kombinationen aus alltäglichen Begebenheiten, ‚trashigem’ Humor und sexueller Provokation international bekannt geworden ist246.

8.2.1. Filmanalyse

Handlungsanalyse Das Video zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt von einer Frau, die vor einer nicht sichtbaren Bedrohung flieht. Ihre Flucht beginnt in einem Wald und setzt sich über Wiesen und Wege fort bis zu einem einzelnen und unbewohnten Haus, in das sie sich zunächst rettet. Hier spitzt sich ihre bedrohliche Lage allerdings zu, sie flieht zunächst durch einen Wohnraum und dann die Treppen hinauf in den oberen Stock. Nach der Flucht in ein weiteres Zimmer kommt es zur vermeintlichen Konfrontation mit dem Täter, jedoch ändert sich in dem Moment der Handlungsverlauf. Es stellt sich heraus, dass es sich bei der gezeigten Handlung um den Dreh eines Films handelt in dem die Frau als Schauspielerin mitwirkt. Bis zu dem Zeitpunkt des Handlungswechsels sind erzählte Zeit und Erzählzeit im Clip identisch, die Handlung verläuft zeitlich linear. Auf der Grundlage des erstellten Filmprotokolls kann die Handlung im Videoclips in folgende Phasen unterteilt werden: Flucht durch den Wald, Flucht über Wege und Wiesen, Flucht zum Haus und Suche

243 http://www.laut.de/wortlaut/artists/d/death_in_vegas/biographie/index.htm 244 http://en.wikipedia.org/wiki/The_Contino_Sessions 245 http://www.terryrichardson.com/biography.html 246 http://www.arte.tv/de/suche/785564.html 100 nach Hilfe, Flucht in das und durch das Haus, Drehpause am Filmset und die Frau in der Maske, Flucht aus dem Haus. Die Story des Videoclips besteht aus zwei sich überlagernden Handlungssträngen: die Flucht der Frau ist Teil eines ansonsten unbekannten Films, dessen Produktion zum Thema des Videoclips wird. Das Spannungsmoment liegt darin, dass dieses Prinzip der Doppelung für den Blick der ZuseherInnen erst im Moment der Dekonstruktion ersichtlich wird, da die verschiedenen Kameraeinstellungen zuvor alle anderen technischen Gegebenheiten eines solchen Filmdrehs ausblenden. Erst als das Filmteam im Bild auftaucht wird klar, dass es sich auch bei der vorherigen Handlung um den Dreh des Films und bei der Frau um eine Schauspielerin gehandelt hat. Das Video beginnt zunächst damit wie die Frau über den Waldboden rutscht, danach läuft sie durch das Dickicht des Walds und über eine Lichtung. Ihre Flucht steigert sich als sie aus dem Wald heraus über eine Wiese und danach einen Weg entlang läuft, wobei sie mehrmals stolpert. Je näher sie dem einsamen Haus kommt, desto angestrengter wird ihre Flucht, wobei eine Bedrohung nie sichtbar im Bild auftaucht. Die verzweifelten Versuche der Frau in das Haus zu gelangen und Hilfe zu finden stellen eine weitere Steigerung dar. Mit der Flucht in das Haus folgt auf diese ersten Klimax eine leichte Entspannung, die allerdings durch die verstörende Atmosphäre im Inneren des Hauses und die neuerliche Flucht durch das Haus sofort wieder umschlägt. Die Spannung gipfelt in dem kurzen Moment des Schreis der Frau, in dem nicht klar ist, dass die Frau von dem Regisseur des gedrehten Films und nicht von einem irren Killer gewürgt wird. Danach ist die Anspannung vorbei, das Filmset weist die Handlung als fiktiv und unbedrohlich aus, die Schlussszene, in der die Frau aus dem Haus herausrennt hält die Ebene des Filmsets aufrecht und bietet den ZuschauerInnen eine Form des Happy End. In dem Video werden mit dem Wald und dem einsamen Haus zwei typische Horrorschauplätze thematisiert, der Horror selbst zeigt sich in Kombination dieser Orte mit der Flucht des stereotyp angelegten, weiblichen Opfers. Mit dem Clip endet auch die integrierte Filmebene, der weitere Ausgang des gezeigten Films bleibt dabei offen, und somit auch die Rolle der Frau als mögliches Opfer.

101 Figurenanalyse Wie bereits angedeutet ist im Videoclip zu ‚Aisha’ von Death in Vegas die Figur der Frau auf der Flucht tragend für die Konzeption der Handlung und den Spannungsaufbau, denn alleine durch die Flucht der Frau, durch ihr Äußeres und durch ihre Mimik wird in diesem Video der Horror verbildlicht. Die Frau ist sowohl Hauptfigur als auch Protagonistin, als solche antizipiert sie für die ZuseherInnen eine eventuelle, nicht sichtbare antagonistische Bedrohung. Diese tritt durch die Kombination aus Bild und Text lediglich in der Imagination des Publikums auf und wird durch die Einführung der Ebene des Filmsets teilweise dekonstruiert. Teilweise deswegen, weil die Bedrohung als Teil einer Filmhandlung in Bezug zu der Frau als Opfer als fiktiv ausgewiesen wird, jedoch bleibt die Imagination einer Bedrohung auf Grund der notwendigen Paarung von Opfer und Täter auch für eine Handlung aufrecht, die als fiktiver Film identifiziert werden kann. Die Hauptfiguren sind also die sichtbare Frau und der nicht sichtbare, im Text verankerte Täter, der in der Vorstellung der ZuschauerInnen eine Personifikation erhält. Durch die Überlagerung der Ebenen Videoclip und Film im Videoclip erhalten alle auftretenden Figuren eine doppelte Bedeutung. Die Frau ist sowohl Hauptfigur des Videoclips als auch Schauspielerin in einem Film, in dem sie nicht zwangsweise die Hauptrolle spielen muss. Auf der Filmebene im Video ist die Figur der Frau relativ eindimensional, sie ist das typische, sexualisierte weibliche Opfer. Sie ist schlank, brünett und trägt hochhackige Schuhe, Spitzenunterwäsche und einen roten Morgenmantel, der während ihrer angestrengten Flucht immer wieder versagt ihre blanke Brust zu bedecken. Der plötzliche Wandel der Figur von der Protagonistin des Videoclips hin zur Darstellerin in einem Film stellt jedoch eine komplexe Erweiterung ihrer Eigenschaften und auch eine Veränderung ihrer Persönlichkeit dar, die sowohl auf die vorherige Handlung als auch auf die gezeigten Settings zurückwirkt. In der gezeigten Filmhandlung tauchen keine Nebenfiguren auf, was jedoch bezüglich einer größeren, antizipierten Rahmenhandlung nicht der Fall sein muss. Es ist sogar möglich, dass die Frau innerhalb des Films selbst nur eine Nebenrolle einnimmt, im Videoclip ist sie jedenfalls die Hauptfigur. Auch die Mitglieder des Filmteams nehmen zwei Rollen ein: sie sind einerseits Nebenfiguren im Musikvideo, andererseits in ihrer Funktion als Mitglieder des Filmteams im produzierten Film selbst keine Figuren.

102 Die Eigenschaften der Settings ergeben sich daher aus der jeweils eingenommenen Rolle der Frau. Zunächst handelt es sich um das Setting des Videoclips und anschließend um das eines Filmdrehs, der in einem Videoclip sozusagen ‚dokumentiert’ wird.

Analyse der Bauformen Das Musikvideo zu ‚Aisha’ ist rein narrativ, die Band tritt im Videoclip nicht auf. Die Auflösung der suggerierten Videoclipebene als erweiterte Ebene eines Filmdrehs kann in struktureller Hinsicht auch als Element eines Konzeptvideoclips gesehen werden. Der Videoclip lässt sich an Hand der Settings grob in die bereits erläuterten Phasen strukturieren. Das Gesamtkonzept des Videos stützt sich dabei auf die angesprochene Zweiteilung der Handlung in jene vor und jene nach der Einführung des Filmsets, die Filmebene weist dadurch nachträglich die gesamte Handlung als Filmhandlung aus. Die Flucht durch den Wald und über Wiesen und Wege zum Haus hin wird zumeist in Kombinationen aus Groß-, Nah- und Halbnahaufnahmen der rennenden Frau und halbtotalen Einstellungen der Umgebung gezeigt. Die Aufnahmen der flüchtenden Frau betonen durch die Nähe zum attraktiven Körper der Frau diesen als Träger und Spiegelbild des Horrors und geben detaillierte Einblicke in die körperliche Beschaffenheit des potentiellen Opfers. Ihre Mimik und ihre scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Nacktheit deuten auf die existenzielle Ernsthaftigkeit dieser Flucht hin. Die eingestreuten weiten Einstellungen der verschiedenen Landschaften dienen der Vergegenwärtigung des jeweiligen Settings, sie zeigen allerdings auch, das innerhalb des gezeigten Raums keine offensichtliche Bedrohung zu sehen ist. Dem Gebrauch der subjektiven Kamera kommt in drei Szenen des Videoclips eine besondere Bedeutung zu, denn alle drei weisen auf eine direkte Bedrohung der Frau hin. Zu Beginn des Videos wird aus subjektiver Sicht gezeigt, wie die Frau auf dem Waldboden sitzend, mit den Beinen scharrend aufzustehen und zu fliehen versucht. Der dadurch freigegebene Blick auf ihre Reizwäsche konstruiert zudem ein stark sexualisiertes Bild. Die zweite dieser Szenen findet erst spät im Clip statt: nachdem die Frau aus dem Erdgeschoss des Hauses in den ersten Stock geflohen ist, wirft sie mit Gegenständen in Richtung der Kamera, wodurch die Kamera in dieser Einstellung die Bedrohung verkörpert. Die dritte Verwendung der subjektiven Kamera

103 folgt kurz darauf, als die Frau in das Schlafzimmer flüchtet und auf das Bett fällt. Die Kamera ist bereits im Raum, die Frau schreit direkt in sie hinein und aus Richtung der Kamera legen sich Hände um ihren Hals. Direkt darauf folgt jedoch die Auflösung der Szenerie, in dem die Kamera wegfährt und man sieht, dass die Hände nicht etwa einem Killer, respektive den ZuseherInnen gehören, sondern dem Regisseur des Films. Das Schreien in die subjektive Kamera wird in der Schlussszene des Videoclips nochmals wiederholt, wirkt dann jedoch als eine, den ZuschauerInnen höhnisch vor Augen gehaltene Parodie der zuvor aufgebauten Filmebene. Einerseits kann sich das Publikum zu diesem Zeitpunkt der Fiktion von Blick und Handlung sicher sein, zum anderen zeigt auch der Übergang von einem Schrei in ein Lachen die nicht vorhandene Ernsthaftigkeit des suggerierten Horrors. Dieser Schrei ist außerdem im Gegensatz zum ersten auch nicht zu hören, er bleibt hinter der Tonstruktur des Videoclips verborgen und ist daher von der inhaltlichen Filmebene losgelöst. Die subjektive Kamera ermöglicht in Kombination mit der fehlenden Bedrohung in den weiten Kameraeinstellungen und dem Songtext die Vorstellung, dass der/die ZuschauerIn selbst die Rolle des Mörders übernimmt. Die Rolle der verschiedenen Handlungsorte als stereotypische Horrorsettings wurde bereits erörtert. Sie bilden den Hintergrund für die Flucht der Frau, die sowohl als Figur als auch thematisch stets im Vordergrund steht. Das rote Kleid macht die Frau dabei in allen Settings durch seine Signalfarbe zum Opfer und zu einem leicht sichtbaren Ziel. Das Video erschöpft sich prinzipiell in der Darstellung der Flucht und der überraschenden Wende der Ereignisse, besondere Funktionen von Farbsymboliken oder Licht und Lichtverhältnissen sind nicht erkennbar. Darin liegt jedoch die strukturelle und inhaltliche Besonderheit dieses Videoclips, der alles mehr oder weniger normal aussehen lässt und auf den ersten Blick keinen offensichtlichen Grund für die Flucht der Frau liefert.

104 8.2.2. Symbolanalyse

Bildebene Für die struktural-hermeneutische Symbolanalyse nach Müller-Doohm soll die Sequenz, in der die Frau durch den Wohnraum des Hauses die Treppen hinauf läuft und am Ende in die Kamera schreit beispielhaft analysiert werden (vgl. Filmprotokoll, Sequenz 11). Diese Sequenz beinhaltet mit der Flucht, der Gegenwehr der Frau und der Konfrontation samt Schrei wesentliche Motive des Horrors. Für die deskriptive und rekonstruktive Analyse wurde die Sequenz in sieben repräsentative Stills unterteilt.

Sequenz 11, Still 1

Bildbeschreibung: Zu sehen ist eine Frau, die durch ein Wohnzimmer läuft. Sie hat lange braune Haare, trägt ein rotes Kleid oder einen roten Morgenmantel, ihre rechte Hand ist nach vorne gerichtet, mit der linken stützt sie sich an einem der Sessel ab, ihr linkes Bein zeigt ebenfalls nach vorne. Die Einrichtung des Zimmers besteht aus modernen Designermöbeln, zwei Sesseln, einem Tisch, einer Couch und einer Stehlampe, an der Wand hängt wahrscheinlich ein Bild. Im rechten oberen Eck befindet sich ein Gang zu anderen Räumlichkeiten, an der Wand sind die Schatten der Möbel und der Frau sichtbar. Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Mitte des Bilds, Boden und Wand bilden durch den schwarz-weißen Kontrast die Hauptachse des Bildes, die den Laufweg der Frau vorzeichnet. Die Möbel und die Frau sind im Bildvordergrund, die Frau wird dabei als einziges sich bewegendes Objekt und zusätzlich farblich hervorgehoben. Der Hintergrund aus schwarzem Boden und weißer Wand ist großflächig gehalten, ebenso die einzelnen Objekte wie Sessel, Bild und Frau im Vordergrund. Die Objekte sind alle entlang der genannten Hauptachse angeordnet.

105 Es handelt es sich um eine Perspektive aus Obersicht, was die Person verkleinert erscheinen lässt und einen Rundblick durch den Raum ermöglicht. Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist eine Halbtotale, durch die Perspektive wird von der Frau ausgehend eine Dynamik innerhalb des eher statischen Raums erzeugt. Farblich hebt sich die Frau durch ihre rote Kleidung klar von der Umgebung ab. Das Licht ist eher matt, der Lichteinfall kommt von rechts unten und wirft Schatten, was die Tiefe des Raums betont und den Bewegungsablauf der Frau verdeutlicht. Die Farben sind von Spektrum und Fläche her hart voneinander abgegrenzt. Rekonstruktion: Das zentrale Motiv ist die Frau, die durch einen Wohnraum läuft. Dieser geordnete Wohnraum als Symbol der Ruhe, des Ausruhens, des Zusammenkommen und als zentraler, familiärer Ort eines Hauses ist hier nur ein Durchgangsort für die laufende Frau. Er ist so gesehen nebensächlich und nur ein Raum von vielen, den die Frau passiert, da ihr Laufen der wesentliche Inhalt des Bilds ist. Die Bewegungen der Frau stehen im Gegensatz zu der eigentlichen Ruhe des Raums, und machen die Frau zu einem Symbol für Eile, Hektik und Flucht, wofür schnelle, hektische, unkontrollierte usw. Bewegungen kennzeichnend sind. Das Zimmer ist daher nicht das Ziel der Frau, die Einrichtung stellt kein Angebot der Ruhe dar, sondern ein Hindernis. Der unbewohnte Wohnraum bietet auch keine Hilfe oder Hilfestellung im Sinne familiärer Geborgenheit oder die Anwesenheit einer hier wohnenden Person. Die einzelne, durch diesen Raum laufende Frau symbolisiert so ihre eigene Hilflosigkeit und die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation. Die Frau durchbricht die Ruhe des Raums auch durch die klare farbliche Abhebung von Hintergrund und Einrichtung. Das rote Kleid hat Signalfarbe, die Farbe rot ist ein Symbol für Blut, in diesem Fall für das Blut des Opfers, das vergossen wird. Die Kameraeinstellung und die Perspektive lassen die Annahme einer Beobachterperspektive zu, aus der heraus die Frau verfolgt wird.

106 Sequenz 11, Still 2

Bildbeschreibung: Die Frau läuft eine Treppe hinauf, sie befindet sich gerade am Treppenabsatz. Ihr Kopf ist in Richtung der aufsteigenden Treppe gerichtet, ihr rechter Fuß ist nach vorne gerichtet, mit den Hände hält sie sich links und rechts am Geländer fest. Ihr Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt. Das rote Kleid hat lange Arme und geht ihr bis zu den Knien. Bildräumliche Komponenten: Das Treppengeländer in der Mitte ist die Hauptachse des Bildes, die wieder gleichbedeutend mit dem Laufweg der Frau ist. Das Treppengeländer ist im Vordergrund, die Frau läuft aus dem Bildhintergrund die Treppe hinauf in den Vordergrund, dabei ist sie relativ in der Bildmitte. Sowohl die Wand im Hintergrund als auch die Treppe in Vorder- und Hintergrund sind großflächig weiß gehalten, wodurch die Figur der Frau im roten Kleid eine deutliche kontrastive Betonung erfährt und farblich in den Vordergrund gerückt wird. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbtotale Kameraeinstellung aus der Perspektive einer Obersicht. Die Kamera befindet sich in einer Position aus welcher der gesamte zweistöckige Raum und somit der Laufweg der Frau sichtbar ist. Das Licht ist immer noch matt und reicht gerade um die weiße Treppe von der weißen Wand abzuheben und so die Tiefe des Raums darzustellen. Die Kameraposition erzeugt eine Art allumfassenden Blick auf Raum und Person. Die Frau in ihrem roten Kleid ist dabei das zentrale Objekt, nicht nur, weil sie die einzige Person ist, sondern auch, weil sie sich in der Bildmitte befindet. Rekonstruktion: Die Frau läuft die Treppe hinauf, sie nimmt also die Anstrengung des Treppenlaufens in Kauf, da sie es eilig zu haben scheint oder sie sich eben auf der Flucht befindet. Durch fehlende weitere räumliche Komponenten wird die Frau in ihrem roten Kleid deutlich zum zentralen Objekt, ihre Körperlichkeit wird durch die Farbe und den Schnitt des Kleids hervorgehoben. Die Treppe ist ein weiteres

107 Hindernis, das die Frau auf ihrem Weg zu überwinden hat. Zum einen stellt die Wahl des Wegs der Treppe die Suche nach der vermuteten Hilfe in einem anderen Stockwerk des Hauses dar, zum anderen aber auch die Verzweiflung der Frau in ihrer Situation. Die Treppe und somit die Flucht nach oben, in obere Stockwerke oder in den Dachboden eines Hauses ist ein zentrales Motiv aus modernen Horrorfilmen, das zumeist das baldige Ende der Flucht und das Auftreten des Killers einleitet. Dieses Motiv symbolisiert die Steigerung der drohenden Gefahr. Die Kamera folgt nun nicht mehr der Frau, sondern sie folgt der Kamera, in dem sie die Treppe hinauf zu ihr hinläuft. Je nach Konzeption ist auch dies als Flucht zur Gefahr hin statt von ihr weg zu verstehen und ebenfalls ein Motiv in der Tradition des modernen Horrors.

Sequenz 11, Still 3

Bildbeschreibung: Die Frau steht am oberen Ende der Treppe, ihr Kopf ist leicht nach links gedreht, sie schaut nach unten. Ihr Unterkörper und Teile des Oberkörpers sind vom Geländer verdeckt. Das Kleid scheint offen zu sein. Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich in der Bildmitte, im Vordergrund ist die großflächige weiße Wand des Treppengeländers, die Frau ist eher im Hintergrund. Das Geländer deutet als Hauptbildachse erneut den Weg der Frau an. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich wieder um eine halbtotale Einstellung aus einer Untersicht, der Blick der Frau geht nach unten in Richtung Kamera. Das Licht betont den Hintergrund und verstärkt zusammen mit der Perspektive die Tiefe des Raums. Die Frau hebt sich dunkel von dem weißen Hintergrund ab, ihre Konturen verschwimmen aber etwas. Rekonstruktion: Die Kamera nimmt die Gegenperspektive aus der Position, in der sich die Frau eben selbst noch befand ein, und folgt so nicht dem bisherigen

108 beobachtenden Kameraverlauf. Der Blick der Frau nach unten symbolisiert eine Art Innehalten während der Flucht, eine Form der Vergewisserung des Tatbestands der Verfolgung und impliziert somit auch einen Verfolger, dessen Position mit der Kamera identisch ist. Die Räumlichkeit der bisherigen Sequenz wird gebrochen und in eine allwissende und allumfassende Beobachterperspektive sowohl aus Sicht der Frau als auch aus der eines Verfolgers umgewandelt. Dadurch wird die für den Horror notwendige Paarung von Opfer und Täter erzeugt. Die Frau wird zum Objekt und Ziel der Verfolgung und ihr Laufen durch das Haus endgültig zu einer Flucht. Der Täter folgt ihr auf dem selben Weg, somit ist der Weg des Täters für die Frau einschätzbar, der Weg zurück ist ihr abgeschnitten.

Sequenz 11, Still 4

Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen weiteren Wohnraum hinein. Sie ist von hinten zu sehen, das Kleid betont ihre Figur und geht ihr nur knapp über die Hüfte. Ihre Haare wehen, die Arme hält sie leicht vom Körper weg. Im Raum ist recht niedrig, in der Mitte stehen zwei weiße Sessel, links ein roter Sessel, rechts ein weiterer weißer Stuhl und ein schwarzer Lederhocker. Die Wände sind weiß, der Boden grau, vielleicht Teppichboden . Auf der rechten Seite wird der Raum von einer Glasfassade begrenzt, in der sich die Zimmereinrichtung spiegelt, draußen scheint es dunkel zu sein. An der Decke befinden sich einige eingelassene, runde Lampen. Im Hintergrund lassen sich weitere Möbelstücke erahnen. Bildräumliche Komponenten: Die Bildachsen aus Wand, Glasfassade und Boden laufen in der Bildmitte in einem Fluchtpunkt zusammen. In dieser Bildmitte befindet sich die Frau, die Möbel und die Deckenlampen sind entlang der Bildachsen angeordnet. Die Frau bewegt sich mit dem Rücken zu den ZuseherInnen aus dem Vordergrund heraus in Richtung Hintergrund. Die Objekte im Hintergrund sind Raum

109 so angeordnet, dass sie einen Platz bilden und nicht im Laufweg der Frau stehen. Die Spiegelungen und die Fluchtachsen erzeugen die Tiefe des Raums. Durch die Anzahl der Objekte im Raum und deren kleineren Flächen wird die Frau stimmiger in das Bild integriert, zu dem sind die Wände nun dunkler und ihr rotes Kleid hebt sich nicht mehr so stark vom Hintergrund ab. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine halbnahe Kameraeinstellung aus gerader Aufsicht, allerdings aus einer Hinteransicht der Hauptfigur. Die Frau läuft nicht wie bisher auf die Kamera zu, sondern von ihr weg. Der Raum wird künstlich erhellt, die Farbgebung ist vielfältiger als zuvor. Durch den großen roten Sessel links im Bild verschwindet die Frau etwas mehr im Gesamtbild, die Signalfunktion ihres roten Kleids wird abgeschwächt. Das Licht betont den Vordergrund und dimensioniert den Hintergrund eher durch die Spiegelung in den großen Fenstern. Rekonstruktion: Der Raum ist nun kleiner wodurch die weiteren Fluchtwege der Frau begrenzt werden. Auch ist in diesem Raum weder durch Personen oder Gegenstände eine konkrete Hilfe zur Verbesserung ihrer Lage bzw. zur Abwehr vor der Bedrohung gegeben. Die Tatsache, dass die Flucht nur räumliche Veränderungen aber keine Verbesserung der Lage bringt, zeigt in der Symbolik des Horrors die Sinnlosigkeit der Flucht und die Übermacht des Bösen und dessen Allgegenwärtigkeit in Form der in jedem Raum in anderer Perspektive vorhandenen Kamera. Die Glasfassade deutet noch auf eine Verbindung zur Außenwelt hin, allerdings scheint es draußen oder in dem anderen Raum dunkel zu sein.

Sequenz 11, Still 5

Bildbeschreibung: Die Frau holt mit ihrer rechten Hand zum Wurf mit einem weißen Gegenstand aus. Ihr Oberkörper steht seitlich zur Kamera, der linke Arm ist nach

110 vorne gerichtet, der rechte angewinkelt nach hinten. Ihr Kopf ist leicht zurückgeneigt, ihre Lippen sind zusammengepresst. Es ist nur die obere Hälfte des Oberkörpers zu sehen, es ist wieder zu erkennen, dass das Kleid tief ausgeschnitten ist. Im Hintergrund befinden sich verschiedene Lampen und Lichter, die einen Lichtspot an die Decke werfen. Rechts von der Frau ist wieder die Glasfassade zu erkennen, in der sich die Lichter spiegeln. Bildräumliche Komponenten: Die Frau befindet sich im Vordergrund und in der Bildmitte, der Hintergrund ist bis auf den grünlichen Lichtspot recht dunkel und nebensächlich. Die angedeutete Wurfbewegung der Frau impliziert eine Räumlichkeit, die sich hinter die Kamera oder zumindest bis zu ihr hin erstreckt. Die Lichter an der Decke bilden die Achsen, die in einem Fluchtpunkt zusammenlaufen, der sich etwas links neben der rechten Hand der Frau befindet. Die angedeutete Bewegung des Arms kommt aus diesem Fluchtpunkt heraus und erzeugt eine Dynamik im Bild, die Hand der Frau befindet sich dabei auf einer der Bildachsen. Bildästhetische Komponenten: Es handelt sich um eine Nahaufnahme aus gerader Sicht. Die Frau stellt einen klaren Kontrast zum Hintergrund dar. Ihre Bewegung ist bedrohlich, sie wirft einen Gegenstand in Richtung der Kamera, ihr Gesichtsausdruck ist angespannt, ihr gesamter Ausdruck und ihre Körperhaltung drücken eine Aggression aus. Es wird eine große Nähe zur Kamera bzw. den ZuseherInnen erzeugt. Rekonstruktion: Diese Aggression der Frau richtet sich gegen die Kamera bzw. den Blick der Kamera und bricht mit der anscheinenden Harmlosigkeit des Raums und dem fehlenden Gegenüber des faktischen Verfolgers. Der Verfolger und die Kamera werden in Form einer subjektiven Kameraeinstellung vereint, die Bedrohung wirkt auf die Kamera zurück. Die Frau bedroht die personifizierte Kamera, die Tatsache, dass sie den einzigen verfügbaren Gegenstand zu werfen droht, zeugt jedoch von ihrer Verzweiflung und ist nur ein kurzes Aufbäumen gegen die Übermacht des Verfolgers. Die Frau ist das mehr oder weniger wehrlose, dem Täter ausgelieferte Opfer, das eher durch die Betonung der Körperlichkeit hervorgehoben wird, als durch eine aktive und durchdachte Gegenwehr. Ihr ist aber der Verfolger nun bekannt, sie kann entsprechend auf ihn reagieren und weiß sich zumindest mit dieser Form der Gegenwehr zu helfen. Die Frau passt nun nicht nur äußerlich, sondern auch ihrem Verhalten nach in die stereotype weibliche Opferrolle des modernen Slasher- Horrorfilms.

111

Sequenz 11, Still 6

Bildbeschreibung: Die Frau läuft in einen Raum hinein, ihre Arme hält sie vom Körper weg, der Kopf ist leicht nach hinten gelegt, der Körper etwas nach links verlagert. Das Kleid ist sehr tief ausgeschnitten oder fast offen und an der rechten Schulter zerrissen. Hinter ihr ist ein weißer Raum mit rotem Boden, aus dem sie gerade kommt. Links von der Frau sieht man einen großen Spiegel mit Glühbirnen darüber, davor stehen zwei Sessel. Im kleineren Teil des Spiegels ist eine weiße Wand zu erkennen, im rechten, größeren Teil des Spiegels sieht man eine braune Wand. In der Mitte des Bildes ist die Trennwand zwischen den beiden beschriebenen Räumen. Bildräumliche Komponenten: Die Wand in der Bildmitte trennt das Bild in zwei Hälften: rechts ist die Frau, die aus dem hellen Raum in den dunkleren Raum hineinläuft, welcher im Hintergrund der linken Bildhälfte zu erkennen ist. Die Frau in der rechten Bildhälfte befindet sich im Vordergrund des Gesamtbilds, die Einrichtung in der linken Hälfte im Hintergrund, zu dem sind die Frau und der weiße Hintergrund großflächiger als die Gegenstände in der linken Bildhälfte. Auf diese Weise wird hier ein räumlicher Kontrast geschaffen, der durch die Wand in der Bildmitte getrennt wird. Die Kombination aus Vorder- und Hintergrund dieser beiden Bildhälften erzeugt die Tiefe des Raums, der in seiner Gesamtheit in beide Richtungen weitergedacht werden kann. Zum einen als der Raum, aus dem die Frau gerade gelaufen kommt, zum anderen als der Raum, in den sie läuft und der sich durch die Konstellation im linken Bildausschnitt eröffnet. Es findet explizit ein räumlicher Übergang statt. Bildästhetische Komponenten: Die Kameraeinstellung ist halbnah aus frontaler Sicht, die Frau läuft auf die sich bereits im Raum befindende Kamera zu. Die gesamte Einstellung ist recht dunkel, das Licht betont nur den Hintergrund der rechten

112 Bildhälfte. Somit wird ein starker Kontrast der beiden Bildhälften geschaffen. Die Frau geht im Vordergrund jedoch unter, ihr rotes Kleid wird nicht mehr hervorgehoben, sie geht schon fast in die dunklere linke Bildhälfte über. Rekonstruktion: Der neuerliche Wechsel des Raums führt nun immer mehr in die Ausweglosigkeit, der Raum wirkt abgeschlossen, als eine Art Sackgasse, was durch die Tatsache, dass die Kamera bereits im Raum auf das Opfer wartet bestärkt wird. Im Sinne des Horrors ist damit klar, dass für das Opfer eine Flucht nur eine Frage der Zeit ist, bis dass diese in der Konfrontation mit dem Täter endet. Durch die abermals fehlende Hilfe in Form von Personen oder Waffen ist dies das zentrale Motiv. Der angedeutete neue Raum wirkt wie eine Endstation der Flucht der Frau, er scheint auch ästhetisch mehr zu ihr zu passen. Das offene Kleid weist die Frau nochmals verstärkt als Sexualobjekt aus und bestätigt die klischeehafte Darstellung der Frau innerhalb der Opferrolle im modernen Horrorfilm.

Sequenz 11, Still 7

Bildbeschreibung: Die Frau schreit in die Kamera, dabei ist ihr Mund weit offen, der Kopf und der Körper sind gerade, ihre Haare fallen ebenso gerade auf ihre Schultern, die Augen hat sie leicht zugekniffen. Ihr Kleid ist an der rechten Schulter zerrissen und hat einen tiefen Ausschnitt bzw. ist es möglicherweise aufgegangen. Ihre Arme hat sie am Körper angelegt, ihr Körper ist aber nur bis zur Brust zu sehen. Rechts neben der Frau ist die selbe Einrichtung wie im vorherigen Still zu sehen. Bildräumliche Komponenten: Die Zweiteilung des Bilds bleibt wie schon zuvor bestehen, die Frau in der rechten Bildhälfte ist aber klar im Vordergrund, der Hintergrund der linken Seite ist zudem leicht verschwommen, er wird unwichtig, das Bild ist von dem Ausdruck des Schreiens der Frau dominiert.

113 Bildästhetische Komponenten: Die schreiende Frau wird aus gerader Perspektive in einer Nahaufnahme gezeigt. Das Licht ist matt und verschwindet zum einen fast im Hintergrund, zum anderen kommt von vorne etwas Licht auf das Gesicht der Frau, so dass ihr Schrei in den Fokus des Bilds rückt. Der Schrei verleiht dem Bild durch die starke Mimik der Frau seine Dynamik. Die Beobachterperspektive rückt im Moment der Verdichtung der Handlung auf den Schrei näher an die Person und an das Geschehen heran. Die Frau und der Hintergrund wirken stimmiger und einander zugehöriger. Rekonstruktion: Der Hintergrund und der Raum werden eher nebensächlich, der Schrei der Frau als Ausdruck von Angst, Schock oder Grauen rückt als eine direkte und affektive Reaktion auf eine Bedrohung oder eine schockierende Begebenheit in den Mittelpunkt. Die Frau ist als Opfer nun Träger des Horrors, wodurch ihr eigentlicher Körper unwichtig wird und dafür dessen Eigenschaften bezüglich des Horrors hervorgehoben werden. Der Schrei stellt auch im Sinne des Horrors das Ende der Flucht und die Konfrontation mit dem Schrecken dar, der nur latent als Reaktion der Frau im Bild vorhanden ist. Für die Darstellung des Horrors mittels des Schreis der Frau als Reaktion auf den Horror ist die Betonung des jeweiligen Körperteils wichtig, daher wird die Frau in Nahaufnahme gezeigt. Die subjektive Kamera ist nun ganz klar Träger der Bedrohung, der Horror ist sehr nah am Publikum, die Reaktion der Frau kann auch als Reaktion auf den Blick der ZuseherInnen verstanden werden.

Textebene Die einzige Textzeile dieser Sequenz lautet ‚the gods all suck’, sie wird gesungen bzw. eher gesprochen während die Frau durch den Wohnraum in Richtung Treppe läuft. Es handelt sich um raue Slang-Sprache, die übersetzt bedeutet: ‚die Götter sind alle (echt) beschissen’. Auch wenn die gesamte Sequenz damit recht wenig Text beinhaltet, ist dieser dafür durchaus ausschlaggebend, denn mit Gott bzw. Religion und Glaube wird so ein wichtiges Thema in Bezug auf Horror angesprochen. Es wird nicht nur der Gott oder ein Gott als negativ bezeichnet, sondern alle Götter aller Religionen. Das englische ‚to suck’ kann hierbei verschieden starke Bedeutungen haben. Grundlegend ist aber die Benennung der Götter als schlecht, was auf Unzufriedenheit, Enttäuschung, mangelndes Vertrauen, Ungläubigkeit usw. hinsichtlich der Existenz von Göttern und den ihnen zugeschrieben Eigenschaften

114 und Aufgaben deutet. Die Voraussetzung für eine solche Aussage ist daher eine Vorstellung solcher Aufgaben und Eigenschaften in Verbindung mit der Vorstellung von einem oder mehreren Göttern. Um eine negative Aussage wie ‚the gods all suck’ machen zu können, müssen die Erfüllungen dieser Vorstellungen von Göttern und ihren Eigenschaften entweder wiederholt oder in einer speziellen, eventuell besonders erwartungsvollen Situation nicht eingetreten sein. Im Horror ist die Religion oftmals die letzte Instanz mit der das Böse noch vertrieben werden kann, wenn jedoch auch die Religion und der Glaube an das Gute nicht mehr helfen können, ist die Situation recht ausweglos. Die Religion symbolisiert im Horror den Glauben an das Gute, an Recht und Ordnung, somit kann vor dem Hintergrund der Religion immer die Frage gestellt werden, wie es nur zu der leiblichen Existenz des Bösen kommen kann. Dies wirft die weitere Frage auf, wie es möglich ist, dass die Religion und der Glaube und respektive Gott selbst es zulassen können, dass das Böse überhaupt existiert, wo es doch die Aufgabe der Religion ist, das Böse abzuwenden. Gerade im modernen Horror spielt dieses ‚Versagen’ von Religion und Glaube eine zentrale Rolle, dieser Hilflosigkeit und Erklärungsnot steht die ‚unglaubliche’ Möglichkeit der puren, triebgesteuerten Grausamkeit menschlichen Handelns gegenüber. Mit der Aussage ‚the gods all suck’ wird dieses Fehlen einer göttlichen Hilfe, eines himmlischen Beistands im Moment der existenziellen Not verdeutlicht und der Horror auf eine weitere Ebene gehoben. Der Text wird nun von einem Mann vorgetragen, es ist also klar, dass dieser Satz nicht von der fliehenden Frau stammen kann, er kann aber an sie und ihre momentane Notsituation gerichtet sein. Bezieht sich die Aussage auf die Meinung des ‚Sängers’, so dient er zur Erklärung oder auch zur Rechtfertigung seiner Handlung gegenüber der Religion und dem Glauben. Die Götter sind ihm nicht gut gestellt, sie erfüllen nicht seine Erwartungen an sie, vielleicht glaubt er schon gar nicht mehr an irgendeine Form ihrer Existenz. Wenn er nicht an sie glaubt, wenn sie ihm nicht beistehen und helfen, dann muss er sich und seine Taten nicht vor den Göttern rechtfertigen oder ihnen verpflichtet sein, Gebote zum Bestehen einer guten Welt zu beachten. Ist die Textzeile an die Frau gerichtet, so ist sie ein, auf der Meinung und Erfahrung des ‚Sängers’ gegründeter Hinweis, dass sie erst gar nicht um Hilfe und Beistand beten braucht, da die Götter ‚beschissen’, schlecht oder einfach abwesend sind. Die Frau ist existenziell auf sich alleine gestellt, es wird kein göttliches Wunder

115 geschehen, dass sie aus ihrer Lage befreit. Die Textzeile kann also entweder von einem unabhängigen Erzähler als Kommentar oder Hinweis verfasst sein, sie kann von einer Person ‚gesungen’ werden, die auf Grund des Wissens der fehlenden göttlichen Hilfe an deren Stelle als Retter oder Helfer der Frau einspringen wird, oder die Aussage kann direkt von dem Killer in Form der personifizierten Bedrohung kommen, der ohne den Glauben an das Gute und Rechte die Frau als sein Opfer ermorden wird. Bezogen auf die Funktionsweise des modernen Horrors, ist für die Flucht der Frau vor einer unbekannten Bedrohung somit klar, dass keine höhere Macht eingreifen wird, es geht um die reine körperliche Existenz und deren mögliche Zerstörung. Die Existenz der Bedrohung wird am Ende mit dem Schrei der Frau bestätigt, der zu dem diegetisch ist und somit zu einem Teil der Text- und Tonebene außerhalb des bisherigen Clips wird.

8.2.2.1. Zusammenspiel von Bild und Text in ‚Aisha’

Führt man nun die rekonstruierten Symbolgehalte der einzelnen Stills in Verbindung mit der genannten Textzeile wieder zusammen, so wird der Gehalt des Horrors dieser Sequenz deutlich. Die Frau ist durch ihre leichte und auffällig rote Kleidung mit Symbolwerten des sexualisierten weiblichen Opfers des modernen Slasher-Horrors belegt. Ihre hektische und scheinbar ziellose Flucht symbolisiert das Vorhandensein einer Bedrohung, vor der sie zu fliehen versucht. Dadurch wird ihre Opferrolle mit der imaginierten Existenz einer personifizierten Bedrohung genauer definiert, die verschiedenen Blickwinkel symbolisieren die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung. Ihre Flucht durch verschiedene Räume, besonders die Flucht die Treppe hinauf ist typisch für den modernen Horror und zeigt zugleich deren Sinnlosigkeit. Das Haus als geschlossener Raum grenzt sowohl die Fluchtmöglichkeiten als auch den Raum des Bösen ein und so ist eine Flucht in höhergelegenere und kleinere Räume gleichbedeutend mit der Konzentration der finalen Bedrohung auf immer weniger Raum. Die eigentliche Bedrohung ist dabei nie zu sehen, der direkte Angriff der Frau auf die Kamera und ihr finaler Schrei in die Kamera eröffnen aber die Möglichkeit, die Bedrohung hinter der Kamera respektive (unfreiwillig) in den ZuschauerInnen selbst zu vermuten. Die Frau würde also recht vergeblich versuchen vor dem

116 aufdringlichen, eben bedrohlichen Blick der allgegenwärtigen Kamera zu fliehen, ebenso wie die ZuschauerInnen vergeblich versuchen würden nicht in die Rolle des Verfolgers zu schlüpfen, der sich in eben jenem Blick der Kamera verbirgt. Allgemein kann man sagen, dass die Sequenz auf der Bildebene also einen Ausschnitt aus der Flucht einer Frau vor einer fast unbekannten Bedrohung bis zur Konfrontation mit dieser zeigt. Fast unbekannt ist die Bedrohung deswegen, weil es wie erläutert ebenso möglich ist, dass die Bedrohung ein Killer ist, der lediglich im Songtext vorhanden ist. Dafür spricht auch die Notwendigkeit des Horrors, dass ein Opfer einem Täter bedarf und umgekehrt. Diese Täter-Opfer-Paarung kommt im Videoclip zu ‚Aisha’ durch das Zusammenspiel von Bild- und Textebene zu Stande, in dem sich der männliche, sozusagen erzählende Täter auf der Textebene befindet und das weibliche, sozusagen reagierende Opfer auf der Bildebene. Beide antizipieren auf ihrer Ebene die andere Person, in dem sie ihre eigene Aktion bzw. Reaktion auf die/den Andere/n schildern. Die Frau als Opfer, in dem sie auf der Bildebene vor dem Mörder auf der Textebene flieht, der Mann als Mörder, in dem er auf der Textebene das fliehende Opfer auf der Bildebene indirekt bedroht. Durch diese Rollenverteilung wird zugleich auch deutlich, dass die Situation für die Frau in jeder Hinsicht ausweglos ist. Auf der Textebene ist keine Hilfe zu erwarten, da diese wohl ausschließlich mit der Erzählung aus Sicht des Killers belegt ist, zumindest aber eine übergeordnete, helfende Instanz abstreitet. Auf der Bildebene sind ebenso weder zur Hilfe kommende Personen noch zur Gegenwehr nutzbare Gegenstände vorhanden, der Status der Frau als ausgeliefertes Opfer ist besiegelt. Durch die konzeptuelle Aufteilung von Täter auf der Textebene und Opfer auf der Bildebene ist aber auch die Möglichkeit genommen, dass eine der beiden Personen in die andere Ebene übertritt. Der Text ist dabei vorgegeben und im Voraus bekannt und abgeschlossen, was bedeuten würde, dass dieser Täter das Opfer auf der Bildebene nicht bedrohen kann. Es könnte höchstens ein weiterer Täter auf der Bildebene vorhanden sein. Das Opfer ist auf der Textebene namentlich vorhanden, seine Geschichte ist bereits erzählt. Der Horror dieser Sequenz entfaltet sich also in dem intensiven, sich ergänzenden Zusammenspiel der beiden Ebenen. Die Tonebene hat am Aufbau des Horrors durchaus auch einen Anteil, da die Flucht der Frau sich mit den treibenden Beats und der Bassmelodie ergänzt. Die recht hohe verzerrte Gitarre und die

117 eingeworfenen Elektrosounds erzeugen auch auf musikalischer Ebene eine angespannte, vielleicht etwas verstörende Atmosphäre, an welche die Hektik und die Bedrohlichkeit dieser Szenerie angepasst erscheint. Wichtig ist die Tonebene am Schluss der Sequenz, denn hier geht die Gitarre bereits in ein kreischendes Geräusch über, worauf die Musik zunächst endet und nur der Schrei der Frau zu hören ist. Dadurch wird der Horror kurzzeitig auf allen Ebenen manifestiert, da der Schrei zu sehen und außer ihm kein weiterer Text zu hören ist.

8.2.2.2. Einordnung der Sequenz in den gesamten Videoclip

Bildebene Die Handlungsanalyse zeigt, dass die Flucht der Frau auf der Bildebene das alleinige und somit das Hauptmotiv des Clips ist, das Hauptmotiv auf der Textebene ist die Existenz eines Mörders, der als Erzähler bzw. Kommentator fungiert. Somit ist die aus dem Bild-Text-Verhältnis entstehende Täter-Opfer-Konstellation für den gesamten Videoclip konstitutiv und die Ergebnisse der Symbolanalyse der Beispielsequenz auf den gesamten Videoclip anwendbar. Die Personen und die Handlungsorte sind dabei als stereotyp in der Tradition des modernen Horrorfilm zu verstehen. Die Flucht führt die Frau aus einer Konfrontationssituation mit dem Täter durch einen Wald, über Wiesen und Wege zu dem Haus, diese voranschreitende räumliche Begrenzung ist gleichbedeutend mit der räumlichen Begrenzung des Wirkungskreises des Täters. Die farbliche und sexualisierte Darstellung der Frau weisen sie innerhalb der Horrorsymbolik als Opfer aus. Der inhaltliche Bruch der Videocliphandlung folgt auf den Schrei der Frau im Moment der größten Dichte des Horrors, in dem die sie würgenden Händen nicht etwa dem Killer, sondern dem Regisseur eines Films gehören. Die Frau wird dadurch vom Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers in einem Film, die bisherige Handlung wird sowohl rückwirkend als auch vorausgreifend als fiktiv enttarnt. Der Horror ist trotzdem in der erläuterten Form vorhanden, jedoch wird er auf eine weitere Filmebene innerhalb des Videoclips gehoben, die Handlung wird sozusagen zu einer Fiktion in der Fiktion. Die Ausweglosigkeit der Situation der Frau und ihre Verzweiflung werden so aufgelöst, für die gesamte Clipgeschichte bedeutet dies jedoch eine Steigerung der gezeigten Horrorhandlung: der Horror der gezeigten Geschichte lässt sich nur abwenden, in dem er für diese Geschichte als eine fiktive

118 Erzählung dekonstruiert wird, nur dadurch, dass die Frau eine Schauspielerin in einem Film ist, nur durch das Ende des Drehs dieser Szene kann sie diesem Horror entkommen. Der Horror selbst kann nun erneut imaginär weitergedacht werden, in dem nicht nur der fehlende Täter ergänzt wird, sondern auch die fehlende ‚Echtheit’ des Gesehenen durch das Wissen um den Ablauf solcher Horrorgeschichten authentisch wird. Die im Anschluss an die enttarnende Filmset-Szenerie wiederaufgegriffene Symbolik der Flucht und des Schreis setzen die Handlung fort, haben ihre vorherige Wirkung jedoch verloren.

Textebene Wie bereits an der Beispielsequenz dargestellt wurde, ist die Textebene die primäre Handlungsebene des Täters. Betrachtet man den gesamten Text, so wird in diesem die Person des Täters konkretisiert und dadurch das Zusammenwirken von Täter und Opfer durch die Verknüpfung der Ebenen von Text und Bild deutlich. Der im Bild unsichtbaren Bedrohung wird durch die Erzählung oder den Kommentar des Sängers/ Verfassers eine fassbare Person zugewiesen, die sich zudem selbst mehrmals als Mörder tituliert. So beginnt der Song mit den Zeilen „Aisha, we’ve only just met, and I think you ought to know I’m a murderer“, wodurch gleich zu Beginn die Personenkonstellation geklärt wird. Der Sprecher ist der Mörder, er richtet seinen Text an die Person Aisha, wodurch die auf der Bildebene fliehende Frau als eben die Person Aisha ausgewiesen wird. Das lässt die Frau zum potentiellen Opfer des im Text vorgestellten Mörders werden. Im Text wendet sich der Mörder direkt an sein ihm namentlich bekanntes Opfer, was der Täter-Opfer-Beziehung eine gewisse Vertrautheit unterstellt. Die Bemerkung „we’ve only just met“ deutet jedoch daraufhin, dass der Täter sein Opfer besser kennen könnte als es umgekehrt der Fall ist. Durch die geschlechtliche Konstellation von männlichem Sprecher als Mörder und weiblichem Opfer auf der Flucht erscheint es plausibel, dass es sich um einen Triebtäter handelt. In der Tradition des Slasher-Horrors verstärken die anfänglichen Settings in der Natur sowie die sexualisierte Darstellung des weiblichen Opfers diese Annahme. In der zweiten Strophe heißt es „I have a portrait on my wall, he’s a serial killer“, was durch die Rede in der dritten Person entweder auf eine andere Person als Killer oder auf eine wie auch immer zu begründende gespaltene Persönlichkeit des Sprechers

119 schließen lässt, die der Tradition des Irren als modernes Halbwesen zwischen Normalität und Wahnsinn Rechnung tragen würde. Das Bild eines Serienkillers kann aber auch als Vorbild für den Sprecher dienen, jedenfalls wird die Eigenschaft des Mörders an sich durch den Aspekt des Serienkillers spezifiziert. Die darauf folgende Textzeile „I thought he wouldn’t escape, Aisha, he got out“ lässt sich ebenso aus den genannten Blickwinkeln lesen, zum einen der entflohene Killer, zum anderen der Ausbruch des Wahnsinns im eigenen Körper als psychische Störung. Im Songtext werden sodann mit dem Friedhofs (cemetary) als kühler und feuchter Ort (cold and damp place) und Leichen (dead bodies) weitere Horrorsymbole zur Erzeugung einer unheimlichen und bedrohlichen Stimmung verwendet. Gegen Ende des Texts heißt es „I still want to be human again, what am I? What am I? I’m a murderer”, was zum einen auf die Nichtmenschlichkeit des Verfassers als Monster unbekannter Art hindeutet, zum anderen bezeichnet er sich selbst in einer Art der Selbstversicherung wieder als Mörder. Die Zeilen ‚Aisha I’m confused, Aisha I’m vibrating’ verdeutlichen den verwirrten und psychisch labilen Zustand des Täters gegenüber seinem Opfer und auch die Erregung auf Grund der Attraktivität des Opfers und/oder der bevorstehenden Tat. Der Text endet mit der bereits in der Symbolanalyse interpretierten Aussage ‚the gods all suck.’

Bei dem Musikvideo zu ‚Aisha’ von Death in Vegas handelt es sich um die Flucht oder zumindest um den Teilmoment der Flucht einer Frau vor einem männlichen, möglicherweise triebgesteuerten Täter. Diese Flucht führt die Frau aus der anfänglichen Konfrontationssituation mit dem Täter durch einen Wald, über Wiesen und Wege hin zu einem leerstehenden, aber wohnlichen Haus, in das sie sich rettet, in dem aber auch letztlich die eigentliche Bedrohungssituation stattfindet. Die Besonderheit liegt hierbei in dem erläuterten Zusammenspiel von Bild und Ton, welches diese Geschichte erst ermöglicht. Auf dieser Handlungsebene wird der Horror lediglich an Hand des Motivs der Flucht symbolisiert und konstant gesteigert, bis dass er durch die Enttarnung des Gezeigten als Teil eines Films zunächst abgeschwächt aber nicht komplett auflöst wird. Die Konzeption aus allwissendem Täter auf der Textebene und unschuldigem, sexualisiertem Opfer auf der Bildebene stellt dieses Musikvideo in die Tradition des modernen Slasher-Horrors.

120 8.2.2.3. Die visuelle Funktion des Horrors in ‚Aisha’

Die Inszenierung des Horrors im Video zu ‚Aisha’ von Death In Vegas funktioniert vornehmlich durch die erwähnte Kombination aus Bild und Text. Auch wenn sich die Bildsprache des Videoclips bereits stark dem Horror zuordnen lässt, ist die im Text angelegte Rolle des Mörders letztendlich ebenso entscheidend für die Entstehung des Horrors hinsichtlich des gesamten Clips. Entsprechend der erstellten Typologie der rein visuellen (bildstrukturellen?) Funktion von Horror auf der Bildebene, lässt sich ‚Aisha’ von Death In Vegas dem Typus der Visualisierung des Songtexts zuordnen. Die Frau visualisiert auf der Bildebene das notwendige Opfer, das zu einem Mörder gehört, der selbst jedoch auf die Darstellung auf der Textebene beschränkt bleibt. Diese Form der Visualisierung stellt somit einen Sonderfall dar, weil der Songtext bildlich nicht eins zu eins umgesetzt wird, sondern die Bild- und die Textebene jeweils die Handlung und die Figur thematisieren, die auf der jeweils anderen Ebene manifest fehlt. Somit ist aber auch gewährleistet, dass es sich bei der Bildebene nicht nur um eine narrative Ergänzung des Textes handelt, da beide Ebenen in direktem, inhaltlichen Bezug zueinander stehen. Dieser Clip zeigt durch seine Gesamtstruktur sehr deutlich, wie die gleichberechtigte Stellung der drei Ebenen Bild, Text und Ton zur Funktion und zum Verständnis eines Musikvideos beiträgt. Es ist nicht möglich zu sagen, ob in diesem Videoclip die Text- oder die Bildebene eine wichtigere oder entscheidendere Rolle spielen.

8.2.3. Kultursoziologische Deutungsmusteranalyse

8.2.3.1. Einordnung des Videoclips in das Deutungsmuster Horror

Die Flucht der Frau vor einer unbekannten Bedrohung, wahrscheinlich aber vor einem männlichen Killer, lässt sich folgendermaßen deuten: wenn eine Frau auf der Flucht ist, dann wird sie verfolgt. Diese recht allgemeine Deutung wird durch das für den modernen Horror konstitutive Personenpaar von Täter und Opfer spezifiziert: wenn eine Frau auf der Flucht ist, dann ist sie das Opfer eines Killers. Die Deutung der Frau als das Opfer eines Killers geht hierbei aus den Ergebnissen der Symbolanalyse hervor, und kann in Anlehnung an die Funktionsweise des modernen Slasher-Films weiter detailliert werden: wenn eine Frau leicht oder aufreizend

121 gekleidet – oder allgemein sexualisiert inszeniert – auf der Flucht ist, dann ist sie das Opfer eines, aus welchem Grund auch immer, irren Killers. Setzt man diese Deutung in Bezug zu der Funktionsweise der Täter-Opfer-Konstellation im Horror, so lässt sich daraus auf ein weiteres Deutungsmuster schließen: wenn die Frau das Opfer eines Killers ist, dann wird sie von ihm getötet oder mindestens verletzt. Ausschlaggebend sind also die Personenkonstellation, die Handlungsorte und der Handlungsverlauf, sie alle ermöglichen in der Kombination aus den Ebenen Bild, Text und Ton die Deutung der Handlung als ein Teil von Horror. Die Gültigkeit des Deutungsmusters Horror wird allerdings erst mit dem Eintreten dieser implizit vorausgesetzten Bedingungen erreicht, welche in dem gesellschaftlich etablierten Wissen um den Ablauf von Horror begründet sind. Das Video zu ‚Aisha’ zeigt zu Beginn aus subjektiver Sicht eine bedrohliche Situation für das Opfer, jedoch keinen direkten Täter. Danach wird die gemäß des Ablaufs von Horror als logisch erscheinende Flucht durch stereotype Handlungsorte gezeigt, der Täter wird durch den Umstand der Flucht antizipiert, ist aber immer noch nicht sichtbar. Auch die anschließende vergebliche Suche nach Hilfe entspricht dem Deutungsmuster des Horrors und hält die Existenz einer Bedrohung, sowie das mitgedachte Töten des Opfers aufrecht. Die Flucht in das Haus und somit die räumliche Eingrenzung der möglichen Existenz einer personifizierten Bedrohung führt zu einer weiteren Bestätigung der Deutung der Handlung als Horror, jedoch ist bereits bekannt, dass sich genau an der Stelle des Auftretens der Bedrohung die bisherige, und in der Folge auch die gesamte Handlung wandelt. Durch das Auftreten des Filmteams wird die Handlung des Videoclips bis dato als fiktiv enttarnt und die Frau vom Opfer eines Killers zur Darstellerin eines Opfers eines Killers in einem Film. Denn wenn die Frau von einem Filmteam und von, für die Produktion eines Films benötigtem technischem Equipment umgeben ist, dann ist sie eine Schauspielerin. Die vorangestellten Deutungen der Handlung als Horror müssen in der Folge auf die Erzählung eines Horrorfilms im Rahmen des Videoclips umgedeutet oder transponiert werden. Die Deutung des Horrors wird damit also nicht hinfällig, sie wird lediglich auf eine weitere Handlungsebene transferiert. Die Frau, die als Schauspielerin ein Opfer in einem (Horror-)Film darstellt vereint in sich die selben Deutungen, wie die Frau, die im Videoclip als Opfer auftritt. Das gilt auch für die Handlungsorte, die Horrorsymbole und den imaginierten Täter. Die Deutungen beruhen auf dem gedanklichen Weiterführen der Handlung durch die RezipientInnen

122 und ihrem Wissen darüber, wie die Handlung vor und nach dem im Videoclip bzw. im Film im Videoclip gezeigten Handlungsausschnitt verlaufen musste und muss. Dafür ist die Thematisierung eines Teils einer Horrorhandlung ausreichend. Es ist weder ein Täter noch eine andere Art der Bedrohung zu sehen, noch wurde die Frau verletzt oder getötet, sie wird sogar als Schauspielerin enttarnt. Für die Bild- wie für die Textebene gilt somit, dass die Frau ist ein Opfer ist, das nicht getötet wird und der männliche Täter ein Mörder ist, der nicht tötet. Der Horror findet faktisch nicht statt, er ist alleine durch die Personenkombination von Mörder auf Textebene und Opfer auf Bildebene latent vorhanden. In diesem Zusammenspiel von Bild und Text erscheint es dem Täter auch gar nicht möglich zu sein auf der Bildebene auftreten zu können, um das Opfer zu töten. Die folgenden vier inhaltlichen Aspekte des Videoclips sprechen dafür, die Frau als Schauspielerin als Variation des final girl’-Motivs zu deuten. Erstens dauert die Flucht der Frau und somit auch ihre mögliche Gegenwehr recht lange, zweitens treten keine anderen Personen auf als Hilfe auf, die Frau scheint auf sich gestellt zu sein, drittens kommt es kommt zu einer finalen Gegenüberstellung von Täter und Opfer und viertens wird der Täter durch die Auflösung der Handlung als Filmdreh für den Moment besiegt, in dem er sich für die bisherige Handlung als fiktiv herausstellt. Durch die Aufteilung der Täter-Opfer-Paarung auf Text- und Bildebene und das Fehlen des manifesten Horrors sind diese Punkte als Variation des Motivs zu verstehen.

8.2.3.2. ‚... and I think you ought to know, I’m a murderer’: der sexualisierte Horror

Das Opfer als Sexualobjekt Die Ergebnisse der Symbolanalyse machen deutlich, dass die Frau in der Rolle des Opfers sowohl bezogen auf ihre Kleidung und ihre Gestik, als auch mit bildtechnischen Mitteln wie Kameraeinstellungen, Schnitten und Farbgebung stark sexualisiert dargestellt wird. Ihre Einordnung in den Horror, genauer in den Slasher- Film erfolgt über das Täter-Opfer-Muster und die Annahme, dass eine Frau, wenn das Opfer eines irren Killers ist, sexualisiert dargestellt wird. Die Darstellung als sexualisiertes Opfer auf der Bildebene wird dabei über die Existenz des Killers auf der Textebene legitimiert.

123 Wie zuvor erläutert kann die Darstellung der Frau in ‚Aisha’ als Variation des ‚final girl’-Motivs verstanden werden. Als stereotypisches Horrormotiv ermöglicht und bedingt es die Reduktion der Frau zu einem hilflosen und schwachen Sexualobjekt in der Fantasie eines allmächtigen männlichen Blicks. Der Videoclip zu ‚Aisha’ adaptiert und reproduziert so durch seine Ästhetik und Inszenierung ein bestimmtes Geschlechterverhältnis, in welchem die Eigenschaften der Frau auf ihre Körperlichkeit beschränkt sind und die tragende Eigenschaft des Manns die körperliche Eroberung und Dominierung der Frau ist. Für die Frau gibt es dabei kein Entkommen aus dieser Konstellation, da ihr weiterer Weg als Opfer in einem Horrorkontext vorgegeben ist. Der Videoclip zeigt die stereotypische Vorstellung, wie ein solcher Horrorplot abzulaufen hat, wie die Rollen verteilt sein müssen und welche Eigenschaften mit ihnen verbunden sind. Dies zeigt er nicht nur als Videoclip, der auf eine kulturelle und gesellschaftliche Internalisierung der Funktionsweisen von Slasher-Filmen rekurriert, er zeigt in sich selbst, auf einer übergeordneten Ebene die Produktion eines solchen Films aus dessen Funktionsweisen er sich der Darstellung und Inszenierung von Geschlechterverhältnissen bedient. Der Videoclip zu ‚Aisha’ folgt dabei der Form und Funktion des ‚final girl’-Motivs im Slasher-Film ohne den Horror auszuführen oder den Täter zu zeigen, was die Handlung zu einem reinen Abbild bestimmter Geschlechterverhältnisse werden lässt. Durch den nicht ausgeführten Horror, d.h. dadurch, dass es zu keiner Konfrontation der Frau als ‚final girl’ mit dem Killer kommt, wird ihr zum einen die Möglichkeit genommen, sich in einer Konfrontationssituation zu beweisen, zum anderen kann sie auch nicht endgültig als Opfer charakterisiert werden, da sie ohne die Konfrontationssituation zu keinem werden kann. Die Chance sich dem allmächtigen Killer entgegenzustellen und sich zur Wehr zu setzen wird ihr verwehrt. Es existiert für die Frau keine Möglichkeit sich der männlichen Rolle anzunähern oder diese im Sinne des Horrors durch den Sieg über den männlichen Killer selbst einzunehmen bzw. das Geschlechterverhältnis zumindest zu egalisieren. In diesem Sinne wird die Frau in ‚Aisha’ um die wesentlichen Eigenschaften eines ‚final girl’ reduziert, ihr wird somit in der Funktionsweise des Horrors die Ausübung der Figur des ‚final girl’ versagt, sie darf sich noch nicht einmal vergeblich zur Wehr setzen. Dadurch bleibt sie ein schwaches Sexualobjekt und der unsichtbare, antizipierte männliche Killer allmächtig und allwissend. Er ist der Frau körperlich und strategisch sogar noch in dem Moment überlegen, da sich die Frau nur noch so vor dem Killer retten kann, in

124 dem die Bildebene als fiktiv aufgelöst wird und die Frau vom Opfer zur Darstellerin eines Opfers wird. Diese geschlechtsbedingten Machtverhältnisse des Slasher-Horrors werden im Clip zu ‚Aisha’ ebenso wenig manifest ausgeführt wie der Horror selbst, statt dessen werden die Rollen zusätzlich strategisch auf die Bild- und die Textebene aufgeteilt. Der männliche Mörder ist also nur über die Visualisierung des sexualisierten weiblichen Opfer als seinem Gegenpart vorhanden, der Text sichert diese Rollenverteilung ab. Die Frau ist dadurch nicht mehr das sexualisierte Opfer in einer männlichen Fantasie eines Horrorfilms, sie ist nur noch eine Sexualfantasie. Ihrem Körper nur die Funktion als Projektionsfläche sexueller Begierde zugestanden, nicht die Funktion als Projektionsfläche des Horrors.

Die Qual als Lust(gewinn) Die Flucht des weiblichen Opfers ist zugleich die Jagd des männlichen Täters. Durch das Fehlen einer differenzierten Charakterisierung und Visualisierung des Täters und durch die erläuterte Sexualisierung der Frau wird der Umstand der Jagd und des Quälens des Opfers zu einem rein spezifischen Umgang des Lustgewinns. Zum einen handelt es sich generell um die masochistische Perspektive des Killers, die durch die sexuelle Komponente der Hetzjagd nach dem Opfer ebenfalls sadistisch ist. Die Jagd als Spiel mit der Angst des Opfers verdeutlicht über die Geschlechterkonstellation erneut das Machtmonopol des männlichen Täters über das weibliche Opfer, ihr Leben liegt sprichwörtlich in seinen Händen. Die zuvor erläuterten Aspekte verorten diese Jagd in den berechenbaren Rahmen eines ungefährdeten Lustgewinns, denn der Frau als Lustobjekt stehen keine Möglichkeiten der Gegenwehr oder des Entkommens zur Verfügung, wodurch die Jagd keinen unbefriedigenden Ausgang nehmen kann.

Gewaltpotential Das Potential an Gewaltdarstellungen ist im Video zu ‚Aisha’ relativ hoch, auch wenn die manifeste Gewalt und ihre Darstellung eher gering bleibt. Die körperliche Gewalt ist durch die Täter-Opfer-Konstellation latent vorhanden, im Horror ist ein Täter immer ein Symbol von Gewalt. Dabei vereint die Figur des Täters in sich die ihm widerfahrene Form von Gewalt mit jener Form der Gewalt, die er an seinen Opfer ausübt. Diese Gewaltäußerungen müssen dabei nicht deckungsgleich sein, gerade

125 im Slasher-Film kompensiert der oftmals gestörte Täter die psychisch erfahrene Gewalt durch die Ausführung physischer Gewalt. In ‚Aisha’ sind die Gewaltdarstellungen per Definition ‚sauber’, wenngleich auch ihre Auswirkungen an den körperlichen Reaktionen der Frau abzulesen sind. Die körperliche Gewalt scheint im Clip auf Grund der Bedrohung durch die Jagd zu überwiegen. Es handelt sich jedoch ebenso um eine Form psychischer Gewalt. Der Täter ist auf der Bildebene nur imaginär, durch die Erzählung auf der Textebene erzeugt vorhanden. Die Gewalt ist daher ebenso psychisch in der Erzählung als die Möglichkeit einer solchen Bedrohung gegenwärtig, deren Existenz als Folge dessen auf der Bildebene vorausgesetzt wird. Die Frau in der Rolle des Opfers in einer Horrorhandlung ist das Ziel intendierter, personaler, physischer Gewalt, die zu dem sexuell motiviert ist. Außerhalb ihrer funktionalisierten Darstellung in der Horrorebene des Videoclips ist sie aber auch das Abbild latenter gesellschaftlicher Gewalt, die ebenso sexuell motiviert sein kann. Nicht im Sinne des Begehrens und sexueller Fügung, sondern in Bezug auf die Durchsetzung und Reproduktion männlicher Macht in der Gesellschaft mittels einer sexuell begründeten Definition des Geschlechterverhältnisses. Das weite Feld des Horrors bietet eine große Grundlage für die Analyse geschlechtermotivierter Gewaltdarstellungen. Der Verwendung dieser Form von Horror, wie sie im Clip zu ‚Aisha’ vorzufinden ist, kommt im Medium Musikvideoclip noch eine weitere Bedeutung zu. Die erläuterte, auf die Sexualisierung reduzierte Inszenierung der Frau im Videoclip unter dem inhaltlichen Vorwand der Frau als Opfer in einem Slasher-Film, beinhaltet viel subtilere und unterschwelligere Darstellungen der Diskriminierung von Frauen, die sich hinter dem populärkulturellen Schleier des Wissens um die Funktionsweise des Slasher-Films verstecken. Eine solche Darstellung männlicher Macht über weibliche Sexualobjekte ist viel weniger offensichtlich als beispielsweise jene in den vieldiskutierten Rap- und HipHop Videoclips. Somit wird auch das plumpe Gegenargument, den Frauen könnte ihre Degradierung zum Sexualobjekt aus welchem Grund auch immer gefallen entkräftet, denn sich mit einem Sexualobjekt zu identifizieren, das aus genau diesem Grund abgeschlachtet wird, fällt bestimmt schwer.

126 8.2.4. Einordnung in den Videoclipkorpus

Das Video zu ‚Aisha’ ist innerhalb des Korpus und des Typus Mörder auf Grund der erläuterten Struktur sicherlich ein Sonderfall, allerdings zeigt es bereits einen Aspekt aller Videoclips dieses Typs auf: in keinem der Clips, die sich dem modernen Horrormythos von Mördern, Killern und Irren zuordnen lassen, wird der Tatbestand des Mords auf der Bildebene manifest gezeigt. In diesem Sinne arbeiten die Clip dieses Typs mit einer ‚sauberen’ Darstellung der Gewalt in Bezug auf Horror. Die detaillierteste Darstellung eines Mords auf der Bildebene findet sich in dem größtenteils narrativen Video zu ‚Billie Jean’ der Gruppe The Bates, die sich nicht nur nach Norman Bates aus Hitchcocks ‚Psycho’ benannt haben, sondern im genannten Video auch noch die berühmteste Duschszene des Films nachstellen. Diese ist allerdings im Clip dadurch abgeschwächt, dass weder das Messer noch das fließende Blut oder das schreiende Opfer zu sehen sind, diese Komponenten erbringen die RezipientInnen auf Grund der Bekanntheit der Szene selbst. Eine Ausnahme ist der Videoclip zu Alice Cooper’s ‚(He’s back) the man behind the mask’, denn der Song ist Teil des Soundtracks zu dem Horrorfilm ‚Freitag der 13. –Teil VI: Jason lebt!’ und enthält daher zahlreiche Szenen von Jason Voorhees aus dem Film, jedoch keine in denen er explizit tötet. Auf der Textebene befasst sich Nick Cave’s Album ‚Murder Ballads’ von 1996 mit dem Thema Liebe und Mord, die daraus hervorgegangenen Videos ‚Henry Lee’ und ‚Where the wild roses grow’ zeigen zwei vollkommen unterschiedliche Umsetzungen des Themas. Das Duett ‚Henry Lee’ mit P.J. Harvey ist ein reiner Performance-Clip und schildert auf der Textebene einen Eifersuchtsmord eines Mädchens an Henry Lee. In dem bekannteren Clip zu ‚Where the wild roses grow’, ein Duett mit Kylie Minogue, übernimmt diese die Schilderung aus Sicht des Opfers, während Nick Cave den Täter verkörpert. Im Vergleich der Frau mit einer wilden, blühenden Rose, die zwangsweise verwelken muss und mit der Begründung ‚All beauty must die' erschlägt er sein Opfer. Der Videoclip zeigt die Geschichte danach, Kylie Minogue liegt als getötetes Opfer unentdeckt in einem See, der Mörder ist dem gängigen Muster der Kriminologie nach an den Ort seiner Tat zurückgekehrt und besingt die fatale Liebschaft rückblickend. In einigen Videoclips sind Mörder, Killer und Irre in Text und Bild latenter vorhanden. In Slayers Clip zu ‚Bloodline’ in es heißt z.B. ‚I'll kill you and your dreams tonight’

127 oder in dem Song ‚Lords And Wolves’ der Band Underminded kommen die Zeilen ‚killing babies solely on greedy needs’ oder ‚will you please just kill me?’ und ;killing you is what we want’ vor. Beide Songs beinhalten Schlagwörter wie ‚death’, ‚blood’ ‚cut’ oder ‚hell’ usw., die symbolisch mit Mord und Tod im Horror verbunden werden können. Die Verbindung zur Horrorfigur des Mörders so zwar ist symbolisch vorhanden, jedoch eher schwach ausgeprägt. Der Clip zu ‚Lords And Wolves’ ist ein hauptsächlich Performance-Clip, die Band spielt in einem dunklen Setting. In diese Performance werden Bilder eines dunkelgekleideten Manns eingestreut, der nachts an einem Gebäude einen roten Farbsprengsatz anbringt und zündet. Die rote Farbe kann durchaus als Symbol für Blut in der Tradition des Splatterfilms verstanden werden, besonders da die Farbe in Zeitlupe zerplatzt und einen großen Fleck hinterlässt in dem der schwarze Schriftzug ‚Rise’ zu erkennen ist. Mit dieser Einstellung endet das Video. Der Clip zu ‚Bloodline’ von ist nahezu ein reiner Performance-Clip, der die Symbolik des Bluts in einer Doppelung der Bildebene sehr deutlich verwendet, denn die Band wird abwechselnd normal und blutüberströmt gezeigt. Dieses Blutmotiv wird durch zwei Symbole der Unschuld durchbrochen: zum einen wird ein Kätzchen gezeigt, das von der Blutlache am Boden trinkt, zum anderen eine junge Frau, die in der Blutlache kniend von einem Priester eine Hostie empfängt. Das Video zu ‚Compulsion’ der Gruppe The Flesh verwendet ähnliche Gestaltungselemente wie der Clip zu Death In Vegas ‚Aisha’ jedoch ist die Perspektive genau entgegengesetzt. In der Narration übernimmt die subjektive Kamera die Perspektive eines Entführungsopfers, zu sehen sind nur die gefesselten Hände und Füße. Das Setting ist eine verlassene und heruntergekommene Hütte, in der die Sängerin der Band zusammen mit ein paar in schwarz gekleideten Männern die Rolle der Bedrohung für das Opfer einnimmt. Ein Mord wird hier zwar nicht direkt suggeriert, die antizipierte Geschichte lässt diese Deutung jedoch zu und auch der Stil des Settings und der Kleidung der Männer kann über eine Entführung hinaus zu einem möglichen Mord gedeutet werden. Die Narration des Clips wird durch die Performance der Band in einem separaten Setting ergänzt. Besonders hervorzuheben ist schließlich noch das Video zu ‚Serial Killer’ der Band Motorhead, da es sich hierbei um eine poetische Spoken-Word Performance aus der Sicht eines verurteilten Serienmörders handelt. Der Clip zeigt zunächst Sänger Lemmy Kilmister in einem grünlich schalen Licht im Portrait, später wie er auf einem

128 elektrischen Stuhl sitzt. Dazu erzeugen blitzende Lichter und authentisch- dokumentarisch wirkende schwarz-weiß Aufnahmen von Todeszellen und Hinrichtungskammern eine verstörende Bildebene. Diese wird durch das Knistern und Rauschen und die verzerrte Stimme auf der Tonebene verstärkt. Im Text bezeichnet sich das lyrische Ich des Sängers unter anderem als ‚serial killer’, ‚bloody hand’ und ‚black dead nightmare’. Insgesamt wird die reuelose Schilderung eines Serienkillers im Moment seiner Hinrichtung inszeniert, seine Taten sind dabei wiederum nur in der Imagination der RezipientInnen präsent.

129 9. Zusammenfassung und Fazit: Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips

Wie in der Beispielanalyse gezeigt werden konnte, decken die Videoclips zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys und ‚Aisha’ von Death In Vegas als Prototypen des gesamten Korpus alle neun erstellten Horrortypen ab. Bei dem Musikvideoclipkorpus handelt es wie schon erwähnt um eine Auflistung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich ‚Horrorclips’ oder deren Verteilung gemäß der Horrortypen erhebt. Die 136 Musikvideos des Korpus verdeutlichen vielmehr die generelle Verbreitung visualisierter Horrormythen in der medialen Gattung des Musikvideos, die sich über alle Musikstile, Videocliptypen und Bekanntheitsgrade der InterpretInnen erstreckt. Die Analyse des Korpus hat zu dem weitere Ergebnisse hervorgebracht, die in den beiden Beispielclips zum Teil nur angedeutet aufzufinden sind. Eine bereits angesprochene Auffälligkeit, der eine gesonderte Betrachtung zukommen müsste, die im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, betrifft das Geschlechterverhältnis in den Videoclips des Korpus. Lediglich sechs der Clips beinhalten weibliche Horrorfiguren: die Hexen in ‚Burn The Witch’ von Queens of the Stone Age und ‚Witches! Witches! Rest Now In The Fire!’ von Get Well Soon, das Halb-Mensch-Halb-Krake-Wesen Sheena in ‚Sheena Is A Parasite’ von The Horrors, das ‚Living Dead Girl’ in Rob Zombies gleichnamigem Clip und die weiblichen Vampire in den Clips zu ‚The Creeps’ von The Freaks und ‚Just Because Of You’ von Us5. Als Opfer männlicher Halbwesen sind Frauen dagegen recht häufig vertreten, so z.B. in ‚Aisha’ von Death In Vegas, ‚Where The Wild Roses Grow’ von Nick Cave, ‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‘Monster Hospital’ der Gruppe Metric oder in ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Backstreet Boys. Die stereotypisch sexualisierte Darstellung des attraktiven, schwachen und unschuldigen weiblichen Opfers ist fast allen jener Clips gemeinsam. Die Eigenschaften der Opferrolle sind dabei oftmals nebensächlich, der Horror wird nicht immer ausgeführt, was bedeutet, dass das weibliche Opfer nicht immer direkt bedroht wird oder gar zu Tode kommt. In diesen Fällen steht die inszenierte Attraktivität des weiblichen Körpers im Vordergrund und nicht die Sterblichkeit oder die Zerstörbarkeit des menschlichen Körpers, die gerade im modernen Horror lediglich attraktiv inszeniert wird um in der Folge um so detaillierter derangiert zu werden.

130 Bezüglich den Interpretinnen fällt auf, dass nur in Peaches Clip zu ‚Kick It’ in Form bedrohlicher Zombies Horrormythen explizit figurativ vertreten sind. Alle anderen Videos von Künstlerinnen verwenden besonders auf der Bildebene eher sehr abgeschwächte Horrorsymbole. So wird z.B. die Sängerin von Bat for Lashes in ‚What’s A Girl To Do’ auf dem Fahrrad von unheimlichen Menschen mit Tierköpfen begleitet, das Gesicht einer der Sängerinnen von CSS ähnelt im Clip zu ‚Alala’ kurz einem Zombie und das Video der Frauenband The Priscillas zu ‚All My Friends Are Zombies’ kommt über den stereotyp an Zombies angelehnten Gang der nicht hinaus. Alle weiteren Interpretinnen sind Sängerinnen in einer männlichen Band und treten in den Clips auch in erster Linie als solche auf, wie in ‚Y Control’ von The Yeah Yeah Yeahs, ‚Monster’ von You Say Party We Say Die! oder den oben genannten Beispielen. Lediglich in ‚Monster Hospital’ der Gruppe Metric ist die Sängerin auch das Opfer und in ‚Compulsion’ von The Flesh übernehmen Band und Sängerin die Täterrollen. Nicht nur bei der erwähnten Darstellung von weiblichen Opfern, sondern auch bei jener von Horrorfiguren und -mythen fällt in den Videoclips des Korpus auf, dass zur Erzeugung bzw. Identifizierung von Horror auf der Bildebene die korrekte Darstellung von Figuren und ihren Eigenschaften entsprechend der filmischen und literarischen Vorlagen nicht zwangsweise nötig ist. Da sich das Musikvideo zwar an filmische Darstellungen anlehnen kann, sich in seiner Machart aber klar vom Film abgrenzt, muss es weder filmisch-dramaturgischen Regeln folgen, noch abgeschlossene Stories erzählen oder Figuren logisch aufbauen. So ist es beispielsweise möglich, dass der Protagonist im Clip zu ‚Born In 69’ der Band Rocket from the Crypt von Außerirdischen entführt wird, die ihm ein fremdes aber menschliches Gehirn transplantieren, wodurch er zu einem Vampir und nicht zu einem Zombie wird. Albert Hammond verkörpert in seinem Clip zu ‚Back to the 101’ nach einem Unfall einen Geist, der durch den Sprung in sein eigenes Grab aus diesem als Zombie wieder hervorsteigt. Ebenso sind die zahlreichen Dance-Performances von Zombies in Clips wie ‚Somebody’s Watching Me’ von Beatfreakz, ‚Just Because Of You’ von Us5 oder auch Michael Jacksons ‚Thriller’ den apathischen Bewegungen ihrer filmischen Vorlagen eher uneigen. Wie in der Analyse von ‚Everybody (Backstreet’s back)’ aufgezeigt wird, entspricht eine solche Verwendung von Horrorfiguren einer Unterordnung des Bildinhalts unter die bildstrukturellen Vorgaben entsprechender Boygroup- oder Pop-Videos. Dieses Analysebeispiel macht aber auch deutlich, dass

131 eine unpassende oder entfremdete Verwendung von Horrorfiguren im Videoclip nicht automatisch oder ausschließlich eine parodistische Verwendung des Horrors bedeuten muss. Die Videoclips zu ‚Sumisu’ von Farin Urlaub, ‚Living Dead Girl’ von Rob Zombie oder ‚Billie Jean’ von The Bates können trotz ihrer weniger schockierenden Machart durchaus als Hommage an die filmischen Vorlagen ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’, ‚Das Cabinet des Dr. Caligari’ und ‚Psycho’ verstanden werden, das Video zu ‚I Walked With A Zombie’ von Wednesday 13 beinhaltet sogar Szenen des gleichnamigen Horrorklassikers. Einige der Clips des Korpus versuchen durch Einblendungen des Titels zu Beginn oder des Schriftzugs ‚The End’ den Eindruck eines Horrorfilms zu erwecken oder den Clip so zumindest in die Tradition des Horrorfilms zu stellen. Die Schrift ist dann zumeist ästhetisch an die bekannten Schriftzügen von Horrorfilmen angepasst. Beispiele hierfür finden sich in ‚Who Cares?’ von Gnarls Barkley, ‚Attack of the Ghost Riders’ von The Raveonettes, ‚Nightmares’ von King Gordy oder ‚Monster’ der Band The Automatic. Der Clip zu ‚Sumisu’ von Farin Urlaub adaptiert gar die typischen Kreisblenden seiner Stummfilmvorlage ‚Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens’. Zusammengefasst betrachtet fällt auf, dass in den 136 Musikvideoclips des Korpus von den InterpretInnen fast nie die klassische, das Monster bekämpfende Heldenrolle eingenommen wird. Wenn die KünstlerInnen selbst in der Narration des Clips auftreten, dann in der Rolle einer Horrorfigur oder seltener in der Rolle der/des Opfer/s. Es ist anzunehmen, dass gerade die Tatsache oder die Möglichkeit der Produktion eines Horrorclips zu einem horrorfremden Song den Reiz der Darstellung des Bösen ausübt, sozusagen die vermeintliche Chance sich einen Clip lang von dem eigenen (Pop-)Image zu distanzieren. Diese Überlegung stellt sich nicht für InterpretInnen, die bereits ein Horrorimage haben, denn in diesen Fällen bedingt das Image die Darstellung von Horrorfiguren durch die InterpretInnen, da die Übernahme der Opferrolle das Horrorimage verkehren würde. Die Inszenierung eines Horrorimage durch Maskierungen ist auf narrativer Ebene in den relativ gleichartig strukturierten Videoclips der Band Lordi zu erkennen, auf perfomativer Ebene z.B. in den Clips der Gruppen Slipknot und Insane Clown Posse. Ästhetisch und dramaturgisch stehen diese Darstellungen jedoch immer in Bezug zu dem Rahmen der vom Musikfernsehen als Forum bereitgestellten Möglichkeiten. Die Gemeinsamkeiten von Horror und Gewalt sind in der vorliegenden Arbeit theoretisch dargelegt worden, die Clipanalyse von Death In Vegas ‚Aisha’ hat die

132 Latenz dieser Verbindung und eine Möglichkeit der Distanzierung in der Visualisierung von Gewalt in Form von Horror aufgezeigt. Die Aufteilung der Täter- Opfer-Konstellation auf die Bild- und die Textebene entschärft die Grausamkeit des eigentlichen antizipierten Verbrechens, das sich in seiner Gänze in den Köpfen der RezipientInnen abspielt. Allerdings wird auch klar, dass sich der Clip dadurch auf der Bildebene ausschließlich auf die sexualisierte Inszenierung der Frau konzentriert über die Horror und Gewalt auf latenter Ebene in den Clip transferiert werden. Die Visualisierung von Horror in Musikvideoclips steht aus Gründen der Ästhetik und Moral zwangsweise in einer ebenso engen Verbindung zum Thema der Zensur wie die Darstellung von Gewalt an sich. Die Produktion eines Popvideoclips, der mit den ursprünglich schrecklichen und grauenvollen Bildern des Horrors arbeitet, entspricht nicht der kommerziellen Grundlage der Werbefunktion des Musikvideos. Der Horror ist in jeder seiner Formen zunächst einmal negativ konnotiert, er kann auf Grund seiner ursprünglichen Eigenschaften nicht als positive Werbefunktion genutzt werden, seine bildliche Darstellung verbannt ihn in Sendeformate zu später Stunde oder gleich in die Zensur. In den relativ geringen und stereotypen Formen seiner Inszenierung ist der Horror mit seinen Mythen und Figuren jedoch so stark im populärkulturellen Gedächtnis der massenmedialen Unterhaltungsgesellschaft verankert, dass sein bloßes Abbild ausreicht um als Horror erkannt und verstanden zu werden. In diesem Sinn sind die eigentlichen schrecklichen Eigenschaften des Horrors jenseits des Abbilds des Horrors ausgeblendet, sie lassen sich in einem populärkulturellen Kontext nicht nutzen. Die äußere Form des Horrors siegt über seine funktionalen Eigenschaften, wodurch der Horror neutralisiert, entdramatisiert und seinem eigenen Abbild reduziert wird. Durch eine solche funktionale Abschwächung mit gleichzeitiger formaler Aufwertung kann der Horror in seiner Inszenierung eine positivere Konnotation erreichen, die ihn für die populärkulturelle Gattung des Musikvideoclips inhaltlich und strukturell nutzbar machen. In dem Analysebeispiel zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ zeigt sich diese Profanisierung des Horrors in der Kombination mit Tanzelementen, die letztlich die Oberhand im Musikvideo übernehmen. Der Horror existiert als sinnfreies Kostüm, in das die Boygroup Backstreet Boys schlüpfen kann und in dem sie ihre normalen Aktivitäten des Singens und Tanzens ebenso ausüben kann wie ohne Kostüm.

133 Bezogen auf die Bildebene als wesentliche Erweiterung des vorgegebenen Songs, blendet das Musikvideo zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ die funktionalen Eigenschaften des Horrors aus, in dem es ihn als visuelle Hülle, als Kostümierung für die Boygroup nutzt. Der Clip zu ‚Aisha’ blendet auf der Bildebene die formalen Eigenschaften des Horrors aus, in dem er den Täter auf der Textebene belässt und die Frau im entscheidenden Moment der Videocliphandlung als Schauspielerin in einem Film enttarnt und die Form des Horrors damit dekonstruiert. Die beiden Videoclipanalysen stellen somit auch zwei Möglichkeiten dar, Horror zu verwenden und die Zensur zu umgehen. Im Fall von ‚Aisha’ stellt sich die Frage der Zensur allerdings auch unabhängig vom Horror in Bezug auf die sexualisierte Darstellung. Wie bereits angedeutet wurde und wie auch im Korpus zu erkennen ist, existieren auch drastischere Visualisierungen von Horror. Videoclips wie ‚Come To Daddy’ von Aphex Twin oder ‚Rock DJ’ von Robbie Williams sind auf Grund ihrer, als besonders künstlerisch definierten Machart oder eben weil sie als Popclip der Zensur zum Opfer fielen Eingang in die Populärkultur gefunden. Abseits des Musikvideo-Mainstreams existieren jedoch ganze Musikstile die sich bewusst auf das Horrorgenre stützen und sich dessen ursprüngliche Ästhetik des Schreckens, Schocks und Ekels aneignen. So lehnen sich im Horrorpunk die textlichen und visuellen Bestandteile der Musik an frühe Monster B-Movies an247, ein Beispiel aus dem Korpus ist das Video ‚I Walked With A Zombie’ der Band Wednesday 13. Auch die Ästhetik des Psychobilly steht dem Horror nahe, hier werden Horrorsymboliken mit Elementen des Rock’n’roll der 1950er Jahre kombiniert248, im Korpus ist dieser Musikstil durch die Gruppe The Ghastly Ones und ihr Video ‚Haulin’ Hearse’ vertreten. Horrorcore ist ein Subgenre des Rap, in dem die Texte oftmals an bekannte Szenarien aus Splatterfilmen angelehnt und mit Samples typischer Geräusche unterlegt sind249. Im Korpus ist Horrorcore besonders durch jene Bands und Interpreten wie Insane Clown Posse, Boondox oder MC Basstard vertreten, die unter den Typus Masken und Maskierung fallen. Es ist also zu erkennen, das der Horror abseits des musikalischen Mainstream auch in ursprünglicher Form und Funktion anzutreffen ist, jedoch selbst dann keine spezifische Verbindung von Horror und Musikstil existiert. In der Inszenierung in Musikvideoclips tritt der Horror in allen seinen Formen als Figur oder Mythos auf. Das inhaltliche Zusammenspiel von Text und Bild ist dabei

247 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorpunk 248 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly 249 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorcore 134 vollkommen frei, ein Horrortext zieht nicht notwendigerweise eine visuelle Umsetzung auf der Bildebene nach sich, genauso wenig muss die Visualisierung von Horror eine Erwähnung von Horror im Text voraussetzen. Die musikalische Richtung ist im Zusammenspiel mit dem Horrorgenre weder für die Text- noch für die Bildebene ausschlaggebend. Der Horror kann in seiner Verwendung in Musikvideoclips besonders auf der Bildebene eine starke Funktion der Erzeugung oder Festigung eines Image übernehmen, die Möglichkeiten dieser Funktion sind in der vorliegenden Arbeit erläutert worden. Die Beispielanalysen und der Videoclipkorpus zeigen nicht zuletzt, dass die Bezeichnung ‚Horrormusikvideo’ aus genretheoretischer Sicht nur schwerlich möglich ist und einer gesonderten Erforschung bedarf.

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Internetquellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorcore [08.06.2008] http://de.wikipedia.org/wiki/Horrorpunk [08.06.2008] http://de.wikipedia.org/wiki/Psychobilly [08.06.2008] http://de.wikipedia.org/wiki/VIVA#Geschichte [01.06.08] http://en.wikipedia.org/wiki/Everybody_%28Backstreet%27s_Back%29 [01.06.08] http://en.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kahn [01.06.08] http://en.wikipedia.org/wiki/The_Contino_Sessions [25.05.2008] http://www.arte.tv/de/suche/785564.html [25.05.2008] http://www.josephkahn.com/biography/1103.xml?page=2 [01.06.08] http://www.indiepedia.de/index.php/Horror [08.06.2008] http://www.laut.de/wortlaut/artists/d/death_in_vegas/biographie/index.htm [25.05.2008] http://www.terryrichardson.com/biography.html [25.05.2008]

Verwendete Internetquellen zur Recherche von Musikvideoclips: http://ifmv.blogspot.com/ http://videos.antville.org/ http://www.indiepedia.de/ http://www.mvdbase.com/ http://www.popzoot.tv/cliparchiv/ http://www.videoville.org/ http://www.youtube.com/

Webplattform zur Transkription von audiovisuellen Produkten http://filmolator.designtist.org

11. Abstract

Die vorliegende Arbeit untersucht aus einer wissenssoziologischen Perspektive die Formen und die Funktionen des Horrors in der medialen Gattung Musikvideoclips. Zu Beginn wird in Titeln und Namen aufgezeigt, wie das Horrorgenre und das Musikbusiness generell zusammenspielen. Es folgt mit den Kapiteln zu Musikfernsehen, zu Musikvideoclips und zu Horror die theoretische Grundlage dieser Arbeit. Zunächst wird die Entstehung des Musikfernsehens in Form des Senders MTV und dessen Programmstruktur erläutert. Als Gegenbeispiel werden in einem kurzen Abriss das Konzept des deutschen Musiksenders VIVA und dessen internationale Rolle portraitiert. Als Schlusspunkt des Kapitels wird die Besonderheit der Präsentation von Musikvideos im Format Musikfernsehen erörtert. Das Kapitel zu Musikvideoclips beginnt mit der Geschichte und der Entwicklung von frühen Vorgängern bis hin zur heutigen Form der Clips. Dabei wird auch deren werbetechnische Funktion erläutert. Nach der Darstellung verschiedener Definitionsmöglichkeiten von Musikvideoclips, werden ihre Funktionen und ihre Struktur aufgezeigt. Das Kapitel erarbeitet die Unterschiede der Bildebene des Videoclips zu Film und Fernsehen und grenzt die Tonebene des Musikvideos von der Filmmusik ab. Als erstes theoretisches Ergebnis schließt die Kategorisierung von Musikvideoclips an. Die Arbeit folgt dabei dem Modell von Michael Altrogge, das vor dem Hintergrund älterer Modelle dargestellt wird. Die drei grundlegenden Musikstile und die vier Möglichkeiten Musikvideoclips zu kategorisieren dienen der Arbeit als Grundlage für die spätere empirische Analyse. Die Vorstellung einiger Zusammenhänge von Musikstil und Cliptypen leitet zum thematischen Fokus des Horrors über. Zunächst werden die Grundlagen des Horrors aus phantastischen Literatur heraus und an Hand der Figur des Halbwesens erläutert. Die Typologie der Halbwesen ist dabei theoretische Grundlage für die spätere empirische Arbeit. Die Trennung von klassischem und modernem Horrorfilm und die Erläuterung der Symbolik des Horrors bilden die Basis für die Untersuchung der Form des Horrors in Videoclips. Danach werden die Funktionen wie z.B. Angst- und Spannungserzeugung des Horrors vorgestellt und der Bogen zur medialen Darstellung von Gewalt in Film und Fernsehen gespannt. Ein Überblick über den Forschungsstand zu Gewalt und Horror in Musikvideoclips leitet in den empirischen Teil der Arbeit über. Zuvor wird der Korpus der 136 Musikvideoclips beschrieben und die neun entwickelten Typen der Form des Horrors in Musikvideos erklärt. Als Zwischenergebnis werden fünf Typen der visuellen Funktion des Horrors genannt: Image, Verbildlichung des Songtexts, narrative Ergänzung, symbolische Ergänzung und keine Funktion auf der Bildebene. Es folgt die Darlegung des methodischen Vorgehens, bei dem es sich um eine Kombination aus Filmanalyse, Videoclipanalyse als struktural-hermeneutische Symbolanalyse und Deutungsmusteranalyse handelt. Diese drei methodischen Ansätze werden jeweils in ihrer Konzeption erläutert, ihre Verwendung für die Videoclipanalyse in der vorliegenden Arbeit wird diskutiert und die einzelnen Arbeitsschritte der Videoclipanalyse werden erörtert. Die Analyse zweier ausgewählter Musikvideos ist das Kernstück dieser Arbeit und zugleich das abschließende Kapitel. An Hand der erläuterten Methoden werden der Clip zu ‚Everybody (Backstreet’s back)’ der Boyband Backstreet Boys und das Video zu ‚Aisha’ der Gruppe Death In Vegas analysiert. Beide Beispiele werden in der Filmanalyse strukturell interpretiert und danach in der Videoclipanalyse als struktuarl- hermeneutische Symbolanalyse je an Hand einer Beispielsequenz deskriptiv und rekonstruktiv analysiert. Die Deutungsmusteranalysen erarbeiten auf dieser Basis die latenten Sinngehalte in den beiden Clips. Hier sind die zentralen Ergebnisse zum einen die entdramatisierte und die sexualisierte Form, die der Horror in den Videoclips annimmt, zum anderen die Image erzeugende Funktion des Horrors auf der Bildebene. Beide Videoclips decken die erstellten Typologien ab und werden am Ende wieder im Korpus verortet. Abschließend werden die Ergebnisse bezüglich der Formen und Funktionen von Horror in Musikvideoclips nochmals zusammengefasst wiedergegeben. Im Anhang finden sich die Filmprotokolle, Songtexte und die umfangreiche Liste der Musikvideoclips des Korpus. 12. Lebenslauf

Persönliche Daten

Name, Vorname: Klug, Daniel

Geburtsdatum, -ort: 18.Juli 1978, Aachen

E-Mail: [email protected]

Ausbildung

09/2006 – 06/2008 Magisterstudium der Soziologie an der Universität Wien

10/2002 – 08/2006 Bakkalaureatsstudium der Soziologie an der Universität Wien

10/1998 – 07/2000 Studium der Germanistik an der Ludwig-Maximilian-Universität München

09/1988 – 07/1998 Gymnasium Olching

09/1984 – 07/1988 Grundschule Olching

Berufstätigkeit

06/2007 – 06/2008 Institut für Soziologie, Universität Wien „Workshop & Workshow Visuelle Soziologie“

05/2007 – 12/2007 L & R Sozialforschung Wien

12/2006 – 10/2007 Neuberger Research Markt- und Meinungsforschung Wien

05/2006 – 10/2007 TrendCom Markt- und Meinungsforschung Wien

08/2005 – 10/2005 Institut für Medienwissenschaft, Universität Basel Projekt „CLIPS Bild- Text- Tonanalysen“ Projekt zur interdisziplinären Forschung und Lehre

04/2004 – 10/2004 Institut für Technikfolgen – Abschätzung Wien

03/2001 – 02/2002 Bayerischer Rundfunk München

Veröffentlichungen

Klug, Daniel; Taschek, Michaela: Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; in: Biedermann, Claudio; Stiegler, Christian: Horror und Ästhetik. Eine interdisziplinäre Spurensuche, UVK Verlag Konstanz (erscheint 06/2008)

Vorträge

03/2007 Das kurze Grauen. Horror in Musikvideoclips; Symposium zu einer inter-medialen Ästhetik des Horrors, 30./31.03.07, Wien

11/2007 Formen und Funktionen der Inszenierung von Horror in Musikvideoclips; Workshop & Workshow Visuelle Soziologie, 23./24.11.07, Wien 13. Anhang

Interpret: Backstreet Boys Titel: Everybody (Backstreet’s Back) Dauer: 5:01min. Regie: Joseph Kahn Jahr: 1997

Bildebene Textebene Tonebene Nr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror) 1 0:00 – Halbnah Ein hölzernes Schlosstor geht auf; Orgel, Streicher Schloss, Blitz, Donner 0.05 im Hintergrund Nacht und Blitze, die Musik schwillt an Unbekannter, abgelegener Backstreet Boys und ein Busfahrer Ort vor dem Tor; Knarrende Tür Sitz des Unbekannten und Unheimlichen, das Verborgene

kurzer Schwenk durch die Eingangshalle mit Kerzen und leeren Gängen

2 0:06 – Halbnah BSB und Fahrer stehen vor dem Nick: „This is the second Hintergrundmusik, Autopanne, verlassene 0:27 offenen Tor time the bus broke Streicher Gegend down.“; Fahrer: “This Klassischer Teenie-Horror Hintergrund: Blitz, Nacht ain’t my fault.”; Brian: Donner Anfang “Yo, we’re not gonna make it to the next show.”; Durcheinander reden; Fahrer: “Ain’t my fault. Look, the bus broke down, I’ll get it fixed, y’all just chill here for a minute” Howie: “Honestly this I’ll be back Æ eben nicht place is creepy.” Musik steigert sich Der Satz bedeutet das Nah Fahrer rennt weg Fahrer: “Look, look. I’ll Tusch Gegenteil be back.”

3 0:28 – Halbtotal Brian in dunklem Zimmer mit Leichte Hintergrundmusik Spinnweben, dunkel Æ 0:44 großem Himmelbett unheimlicher Ort, Spinnweben an der Wand unheimliche Atmosphäre

Draußen Nacht, Blitze Donner Das Alte

Groß Ausgestopfter Bärenkopf an Wand, Das Tote Blitz

Nah Brian schüttelt Bettdecke auf

Brian liegt in Bett, richtet sich auf Musik schwillt an

In diesem Schlafzimmer kann man keine Ruhe finden

Groß Brian holt unter Bettdeck Quieken, Schrei Schrei, Schrecken, Angst ausgestopftes Tier hervor

4 0:45 Total Schloss zwischen spitzen Bergen Horrorsymbolik: Schloss, Vollmond, dunkle Nacht; Blitze Fledermaus, Vollmond, Fledermäuse Nacht

Schrei Der äußere Ort wird genauer definiert

5 0:46 – Nah Brian steht als Werwolf in seinem Everybody Intro Werwolf, erstes Setting und 1:01 Zimmer Rock your body Ruhige Musik, keine Beats erster Mythos

Everybody

Rock your body right

Arme ausgebreitet

Heult Kopf in Nacken Heulen

6 1:02 – Halbnah Frau in rotem Kleid in Schlossgang, Backstreet's Back Musik steigert sich Rot als Signalfarbe, Blut, 1:04 Augen geschlossen Opfer

groß Gesicht der Frau

Stoppt, nur Gesang öffnet Augen alright Musik setzt ein

7 1:05 – Halbnah Brian turnt als Werwolf durchs Instrumentale Strophe Werwolf 1:14 Zimmer

Groß Gesicht alter Mann Das Alte

Halbnah mehrere Frauen bewegen sich Sarg, hier als sexuelle lasziv vor einem Sarg Anziehung

zweites Setting/Mythos

halbnah Frau in rotem Kleid

Groß Frauen vor Sarg

Halbnah Frau leckt Sarg ab Angedeutete erotische Komponente des Vampirs

groß Sarg geht auf Oh my God Erste Strophe (A.J.) Zweiter Mythos: Vampir Howie als Vampir im Sarg

8 1:15 – Groß AJ als Phantom der Oper mit halber we're back again Erste Strophe (A.J.) Drittes Setting/Mythos, 1:31 Maske Brothers, sisters, Phantom der Oper everybody sing Ruhigere Musik, Bassriff We're gonna bring the flavor show you how I've gotta question for ya

Nah sitzt mit Frauen an einer großen Dekadenz, Maßlosigkeit (vgl. Halbnah Festtafel mit Kerzenständer Todsünde), Gegensatz zwischen Luxus und Groß Ratte auf Tisch gesellschaftlicher Abgeschiedenheit (vs. Groß A.J. singt Frauen als Gäste)

Groß Ratte auf Tisch better answer now Ungeziefer (Wiederspruch) yeah

9 1:31 – Halbnah Nick als Mumie in einem Sarkophag Am I original? Pre-Chorus Viertes Setting/Mythos: 1:34 Mumie plus Streicher Das Alte, hinaufbeschworen aus der Vergessenheit

Groß Ausgestopfter Bärenkopf an Wand Das Tote

nah Kevin von der Seite Yeah Letztes Setting/Mythos?

10 1:35 – Nah Brian als Werwolf Am I the only one? Zähne sehr deutlich als 1:38 Groß Markenzeichen des Werwolfs, das Animalische

Nah Ausgestopfter Wildschweinkopf Das Tote

nah Kevin von der Seite Yeah

11 1:39 – Groß Nick als Mumie Am I sexual? Mumie bewegt sich, ist 1:44 bereits von den Toten auferstanden bzw. hinaufbeschworen worden

Halbnah Howie als Vampir durch Zimmer Vampir tritt aus Sarg in ‚normalen’ Raum/Leben über

nah Kevin von der Seite Yeah

12 1:45 – Groß Howie als Werwolf Am I everything you Wieder die Zähne 1:48 need?

Groß Nick als Mumie kommt aus Bedrohlicher, aggressiver Sarkophag Blick?

nah Kevin dreht Kopf auf andere Seite, You better rock you body Fünftes Setting/Mythos: Dr. grün-blaues Gesicht, Kevin als Dr. now Jekyll/ Mr. Hyde Jekyll und Mr. Hide

13 1:49 – Nah Kevin als Dr.J &Mr.H von der Seite Everybody Chorus 2:14 in Arbeitszimmer, bewegt Arm Dance-Beat

Nah Howie Vampir tanzt vor offenem Yeah Sarg

Halbnah Nick Mumie tanzt vor Sarkophag, Rock your body Arme Richtung Kamera

Nah Kevin Dr.J tanzt seitlich vor Wand Yeah Die innere Gespaltenheit, Widerspruch, psychische Labilität Das ‚Wahnsinnige’

Halbnah Howie tanzt vor Sarg, daneben Everybody

steht Dienstpersonal

Halbnah Brain Werwolf macht Backflip in Rock your Das Wilde, das Animalische, Gang unkontrolliert

Groß Nick Mumie Body

Bricht aus

Halbnah Howie Vampir tanzt Right Groß Seine Füße Halbnah Howie tanzt vor Sarg

Halbnah AJ als Ph. steht an Tischende und Backstreet's back singt

Groß AJ singt mit Gestik wie Alright Opernsänger

Halbnah Kevin steht vor Wand

Halbnah Nick tanzt vor Sarkophag

Groß Brian Kopf von Seite

Halbnah AJ steht an Tischende

Halbnah Werwolf Brian alright

Groß Festtafel

Zoom Howie tanzt vor Sarg

nah Zwei Dienstmädchen, eine dreht Kopf zur Kamera 14 2:15 – Halbnah AJ als Ph. in einem Raum, tanzt mit Now throw your hands Zweite Strophe Rot und schwarz Æ 2:31 mehreren Frauen in roten und up in the air Farbsymbolik des Horrors schwarzen Kleidern And wave 'em around Keine Melodie, nur like you just don't care Beats/Gesang

Groß Morphing: Masken wird angedeutet, Uh uh uh (Chor) Bild verzerrt

Maske, Geist (?)

Halbnah AJ und Frauen tanzen If you wanna party let me hear you yell Phantom tanzt Æ gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten trotz der Abgeschiedenheit und Groß Morphing: Gesicht kommt aus Uuuuuh (Chor) Stigmatisierung als Bildfläche unheimliches Wesen

halbnah AJ und Frauen, Tanzchoreografie 'Cause we've got it goin' Maske, das Verborgene (?) on again

15 2:32 – Halbnah Kevin tanzt Pre-Chorus Hier auch: Zimmer als 2:49 Arbeitszimmer Æ Streicher Wissenschaft als Horror, der Wissenschaftler zwischen abgehobenem, weltfremden Wahnsinn und Wissenschaftlichkeit

Nah Frau in rotem Kleid, hinter ihr taucht Am I original? Frau als unschuldiges, Howie Vampir aus Morphing auf unwissendes Opfer des Vampirs

Halbnah Nick Mumie stehend in Gruft mit Yeah Schwerfälligkeit er Mumie, anderen Mumie, Kreuz, langsam langsamer Horror

Halbnah Brian als Werwolf, leicht tanzend Nah Am I the only one?

Halbnah AJ Phantom mit Frauen Yeah

Halbnah Nick Mumie aus Sarkophag heraus Am I sexual?

Groß Kevin nimmt Tasche von Gesicht Yeah Der Doppelgänger, das weg, gute Seite Verdecken der bösen Seite, Verstecken hinter der Wissenschaft (?)

Groß Howie hinter Rücken von Frau Am I everything

Nah, Zoom Kevin von Seite böse Seite you need? You better

nah Howie mit Vampirfrauen, rock you body now Zwischen Bedrohung und aufgerissene Münder, Hände sexueller Anziehung ausgestreckt

16 2:50 – Total Brian macht Flick-Flacks in den Everybody Chorus Das Wilde 3:15 Tanzsaal Melodie, Dance-Beat

Nah Nick tanzt mit zwei Mumie Choreo Yeah Keine Schwerfälligkeit mehr

Groß Kevin Dr.J Böse Seite Rock your Zwiegespalten, jetzt: die böse Seite

Halbnah Nick tanzt mit anderen Mumien body

Nah Howie Vampir kurz vor Biss in Hals Yeah Wehrloses Opfer von Frau, Kopf zu Kamera

Halbnah Nick tanzt mit anderen Mumien Every

Halbnah Kevin Dr. J in aufgehender Tür, body

dreht sich

Nah Kevin frontal, beide Gesichter zu Rock

sehen

Nah Frau mit Howies Händen um Hals Your

Nah Kevin frontal, Ratte auf Schulter Body right

Halbnah Brian Werwolf im Zimmer

Zoom, nah

Nah, halbnah

Halbnah AJ am Banketttisch mit Frauen Backstreet's Back alright total sitzend

Nick tanzt mit anderen Mumien

Brian in Halle Flickflacks an Wand, Alright durch Halle

Musik wird ruhiger

17 3:16 – Halbnah Kevin Dr. J, Gesicht kommt hinter Ah yeah Musik fährt runter, wird 3:22 Tasche hervor tiefer

Halbnah Nick in Gruft

Nah Howie deutet Biss in Hals von Frau ah yeah Sexuelle Andeutungen des an Biss

Zoom weg AJ am Banketttisch

Nah Howie nochmals angedeuteter Biss

Halbnah Nick in Gruft

Nochmals Howie angedeuteter Musik endet, Beats werden nah Biss, Frau lächelt weniger 18 3:23 – Nah Nick als Mumie singt So everybody Mittelteil, Interlude 3:39 Ruhig, nur Streicher

Nah Eisentor Aufschrift: ’Ballroom Dance everywhere Wechsel der Handlung bzw. Tonight’, Hintergrund Schloss Erweiterung Tanz als gesellschaftliches Ereignis, als Verbindung zur Außenwelt

Versch. BSB tanzen in zivil mit Frauen in Don't be afraid, don't Unschuldige Frauen zum vornehmen Ballkleidern, have no fear Tanz mittelalterliche Szene

Nah, zoom Nick als Mumie in Gruft Gonna tell the world, Stellvertretend für das out make it understand trotzdem vorhandene Horror-Alter Ego

Nah AJ tanzt As long as there'll be

Nick als Mumie

Schloss in der Nacht, Blitz music Schloss, Nacht, Blitz

Musik schwillt ein bisschen Nick tanzt in zivil we'll be coming back an

19 3:40 – Halbtotal Howie kommt aus seinem Sarg again Musik setzt wieder ein, 3:47 steigernd Halbnah Brian in Halle macht Backflip von Wieder das Wilde Sofa

Nah Howie öffnet Mantel, Fledermäuse Musik steigert sich Verwandlung, das Tierische fliegen heraus, deutet Schrei an Fledermäuse

Halbnah Brian macht Backflip durch Raum von Kevin Dr. J, der Tasche in Vordergrund hält

Halbnah Howie und Fledermäuse Beat beginnt wieder

Halbnah Kevin mit Tasche Beat setzt ein, Musik wird immer höher

halbnah Frau in roten Kleid, aus Hintergrund Stopp Verbindung von Opfer, kommen Fledermäuse Richtung Bedrohung und dem Kamera bis Bild schwarz ist Animalischen Symbolischer Ersatz für den Biss des Vampirs?

20 3:48 – Halbtotal Tanzsaal, BSB in zivil mit Everybody Chorus Hier z.T.: Tanzchoreografie 4:29 TänzerInnengruppe, tanzen Choreo imitiert Zombiebewegungen Halbnah Melodie, Dance-Beats bzw. orientiert sich etwas daran (?)

Nah Brian singt und tanzt Yeah

Halbtotal Alle Rock your body Hier: Ähnlichkeiten der Nah Kevin Yeah Bewegung mit der von Zombies Halbtotal Alle Everybody Zombies Æ eher moderner Horror, angedeutet Nah Howie Rock your

Halbnah Alle Body

Nah Brian right

Halbtotal Alle Rock your body

Versch. Alle right Perspektiven Kevin Backstreet's Back

Nah AJ, andere im Hintergrund Everybody

Zoom out Rock your body Beat endet

Backstreet's Back Musik endet

alright Fade out 21 4:30 – nah Brian schreckt in der Nacht aus Donner, Blitze Aufschrecken, Albtraum, 4:34 seinem Bett auf; dunkle Nacht, Ekel Blitze Reibt sich die Arme Leise Orgel

Vergewissern, dass es nur ein Traum war

22 4:35 – Nah Brian trifft Howie auf Gang, in zivil Brian: „Yo Howie, man, I Nicht glauben können, 5:01 gotta tell you bout this Realität vs. Traum dream I had last night. I was a werewolf and I Gegenseitiges Erzählen der had hair all over my Träume als Absicherung der Zoom out Gestikulierend body and…” Realität (für sich selbst und Howie: “ No way man, I für die anderen) Zoom out Kevin kommt dazu had a dream also, I was Æ Videoclipgeschichte wird a Dracula…” zu Horrorgeschichte in der Zoom out AJ kommt dazu Kevin: “Did you guys had Musik kommt auf Erzählung der BSB troubles sleeping last Nick kommt dazu night?” AJ: “I had a creepy Zoom out, halbnah dream last night…” Steigernd Nick “Yo yo guys man I had a dream, but I was a Howie geht vor mummy and…” Durcheinander Steigernd Selbes Zusammenkunft wie Howie: “Let’s just get zu Beginn des Videos bzw. outta here.” der Erzählung Schneller Zoom, groß Zombie-Busfahrer steht vor Tür Busfahrer (mit Tusch, Donner Zombie, untot Grabstimme): “Let’s go!”

Schrei, Tusch groß Alle BSB schreien Schreien als Reaktion auf den Zombie-Busfahrer Æ Offenes Ende

Interpret: Death In Vegas Titel: Aisha Dauer: 4:00min. Regie: Terry Richardson Jahr: 2000

Bildebene Textebene Tonebene Nr. Dauer Screenshot Kamera Handlung Dialog Musik, Ton, Geräusch Memo (Horror) 1 0:00 – halbnah Wald, verschiedene Einstellungen Schweres Atmen einer In Gefahr, Nervosität, Flucht 0:10 Frau, Stöhnen Wald als stereotyper, undurchsichtiger Ort an dem die Gefahr lauert

Möglichkeit eines tierischen Monsters

2 0:11 – Groß Frauenbeine auf Waldboden, leicht Musik beginnt, nur Gitarre Die Frau als Lustobjekt und 0:19 scharrend, man kann unter den als Opfer Rock sehen evtl. verzweifelte Flucht, Von Seite durch Bäume: hektisch, hat keine Zeit Frauenbeine, Unterleib, rotes Kleid, Nah weiße Unterwäsche, Strapse Aus dem Blick des Täters? rutscht auf Rücken rückwärts, starkes Bewegen der Beine, Die Bedrohung ist sehr nah versucht aufzustehen Aisha Beat setzt ein

Nah Frau dreht sich um und läuft auf allen vieren

groß Durch Bäume hindurch: Frau krabbelt We've only just met

3 0:20 – Halbtotal Frau läuft durch Wald, leicht ziellos And I think you ought to Strophe Verfolgung durch 0:48 know unbekannte Gefahr, Person I'm a murderer Immer mehr musikalische Halbtotal Obersicht: Frau läuft durch Wald, Elemente werden zugefügt Flucht vor Unbekannt bleibt kurz stehen sieht sich um, niemand zu sehen Treibende Beats Flucht wirkt ziellos, weil nicht klar ist wo sich die Nah Frau läuft weiter Bedrohung befindet und was die Bedrohung eigentlich ist Groß Füße I have a portrait on my Halbnah Frau von Seite: läuft, weicht Ästen wall aus

Nah Verschieden Einstellung der He's a serial killer rennenden Frau

I thought he wouldn't escape Halbtotal Untersicht: Frau bleibt stehen, gebeugt, Rast Pause, vergewissern, ob Leerer Wald jemand folgt

nah Frau gebeugt Aisha, He got out Niemand da?

4 0:49 – Halbnah Frau läuft aus Wald heraus über Strophe Rettet sich aus Wald, kann 1:13 Wiese dem Horror-Setting entkommen, die Lage könnte Halbnah Frau von hinten: Läuft jetzt sich bessern schneller, angestrengter

Nah Von vorne: Oberteil offen, rennt mit Armen ausholend Die Flucht ist immer noch so Halbtotal Schaut sich um stolpert und fällt existenziell bzw. akut, dass sie ihre Kleidung nicht so Nah Steht auf läuft weiter, mit Händen Leichter musikalischer sehr beachtet vor Brust, Kleid ist offen, Kamera We live in a cemetary Tusch Halbnah wackelt Æ Sexualisierte Darstellung

Nah Stolpert wieder, von hinten, läuft weiter, Kleidung offen Flucht wirkt angestrengter, Halbnah ihre Kleidung (Schuhe) ist hinderlich und gibt den Blick auf ihren Körper frei

Halbnah Æ Von Seite: Frau rennt in K. hinein, A cold and damp place Zuschauer hat groß schaut zur Seite Beobachterstatus vs. Zuschauer aus Sicht des Mörders?

Von vorne: rennt, Kleid offen, verliert Schuh

5 1:14 – Groß Füße der Frau auf Weg Strophe Flucht in die Zivilisation? 1:26 Nah Frau läuft auf Weg, Dreht sich um And science runs Es könnte Hilfe kommen, through us ihre Lage könnte sich wieder bzw. weiter verbessern Making us Gods Halbnah Frau rennend von Seite, dreht sich um Immer noch Absichern gegen mögliche Verfolger Groß Von vorne: Gesicht The rules are all wrong

nah Frau von Seite rennend

Groß Füße

6 1:27 – Totale Frau läuft auf weißes Haus zu, Every borrusion/ Strophe wie immer Das Haus als Zeichen von 1:48 Halbtotal vorne Wiese, Zaun, hinten Wald perversion Zivilisation, und eventueller Rettung Frau vor Zaun Das Haus als einsamer, abgeschiedener Ort Nah Untersicht: Klettert über Zaun is justified They honestly Halbtotal Frau hinter Zaun Hindernisse werden believe dead bodies überwunden

Sexualisierte Darstellung des Opfers...

Nah Läuft auf Eisentor zu, geht durch Eisentor Anything goes around

Halbtotal Steht vor Hauswand klopft gegen here Beat ähnlich dem Klopfen Niemand hört sie Tür Musik wird höher groß Frau vor Haus Steigerung der Sicherheit öffnet Tür, geht in Haus durch Betreten des Stalls?

7 1:49 – Halbtotal Frau läuft suchend durch leere I still want to to be s.o. Keine menschliche Rettung, 1:55 Stallungen human again Flucht geht weiter

Halbtotal raus wieder über Wiese auf weiteres What am I? weißes Haus zu

Nah Frau von Seite, schaut zurück

halbtotal Frau vor Haus 8 1:56 – Nah Von hinten: Frau läuft durch weißen What am I? Musik um Melodie erweitert Flucht in das vermeintlich 2:20 Gang, schaut zurück sichere Haus nicht möglich

Halbnah Blick aus Innerem des Hauses Perspektivenwechsel: an (moderne Einrichtung, große Zuschauer adressierte Fenster): Frau läuft über Terrasse Hilfeforderung aus des Hauses verschiedenen Sichten

Halbnah Obersicht (aus oberem Stock?): I'm a murderer Frau vor Fenster

Kann nicht geholfen werden

Ihre Lage wird schlechter, obwohl noch immer keine Halbtotal Von innen: Frau versucht Aisha Musik wird härter, Gitarre Bedrohung zu sehen ist Fenstertüren von außen zu öffnen

Nah, groß Untersicht von innen (aus unterem Stock?): Frau klopft gegen Fenster, ruft verzweifelt

groß Von außen: Frau sinkt vor Fenster Leichte Resignation zusammen, steht dann erschöpft wieder auf

9 2:21 – Halbnah Läuft wieder zurück den Balkon Musik wird etwas Kraft geschöpft für weitere 2:30 entlang hektischer in der Melodie Flucht, sie gibt noch nicht auf

Klare Verfolgerperspektive, Halbnah Von hinten: Frau läuft um Haus die Bedrohung scheint herum, schaut zurück, Kamera wieder sehr nah zu sein stockend... Frau verliert Schuh

halbnah Klettert in kleines rundes Fenster Aisha Leicht geschrieen (unüberlegte) Flucht ins I'm confused Ungewisse, Verzweiflung

10 2:31 – Nah Frau fällt in Schlafzimmer auf Bett s.o. 2:45 mit Eisbärenfell Aisha Leicht geschrieen Das Animalische, das Tote

Zähne deuten eine Biss an, wieder das Animalische und das Tote I'm vibrating Leicht geschrieen

Groß ausgestopfte Tierköpfe Unheimliche Stimmung

Groß Schlange Die Lage hat sich durch die Flucht ins Haus nicht Nah Frau schaut sich um gebessert, der Horror scheint überall zu sein Nah Knochengebisse auf Anrichte

Groß Æ Frau steht auf, Dekollete, rückwärts I'm a murderer Sexualisierte Darstellung halbnah vor weiße Wand, ängstlich

11 2:46 – Halbtotal Obersicht: Frau rennt durch The Gods all suck s.o. Mehrere 3:10 Wohnzimmer, Treppe hinauf Beobachterperspektiven Richtung Kamera Zuschauer ist als Mörder überall, oben und unten

Halbtotal Untersicht: Frau schaut von Treppenende runter

Halbnah, Frau kommt in weiteres Der (Wirkungs-)Raum der nah Wohnzimmer (moderne Einrichtung) möglichen Bedrohung verdichtet sich immer mehr

Direkte Adressierung an Halbnah nimmt Sachen von Tisch und wirft Kamera sie Richtung Kamera, schreit Verhältnis Kamera (Z.) und (Motherfucker) Opfer (Frau) verdichtet sich

Sie wird aggressiv, pur Verzweiflung oder letztes Aufbäumen des Opfers Halbnah, Läuft Treppen wieder runter durch die Konfrontation mit nah der Bedrohung, es wird

Rennt wieder in Schlafzimmer existenziell

Gegenwehr bleibt ohne Erfolg

Flucht noch nicht zu Ende, kämpft

nah Fällt auf Bett , setzt sich auf und Musik endet und geht in Dichtester Horror im VC, auf schreit in Kamera Bild-, Text- und Tonebene Schrei zuglich vorhanden

über

12 3:11 – Nah Frau schreit noch immer, von rechts Angriff des Killers, 3:36 kommen Hände und würgen sie Schrei geht noch weiter Tötungsversuch bzw. geht wieder in

Musik Unklar

Halbnah Mann würgt Frau, lässt von ihr ab, Gesprochen: Is that über Wendepunkt am Höhepunkt anderer Mann von links, fasst ihre alright? des Horrors: Filmset = Haare Auflösung der bisherigen Musik setzt wieder ein, Geschichte Halbnah, Mehrere Leute von Maske um Frau Gitarre ähnlich einem Film im VC nah herum, richten sie wieder her Schrei (Lippen, Haare, Make-up) Horror dekonstruiert

Schminken/Maske als Betonung der Körperlichkeit ist jetzt gerechtfertigt

Frau trinkt aus Wasserflasche

Halbnah Frau, Gesicht (neu geschminkt) Musik variert in Elementen und Melodie

13 3:37 – Halbtotal Überblende: Frau rennt von Haus Erneute bzw. fortgesetzte 4:00 weg zu Kamera Flucht vom Haus weg

Nah Frau Gesicht

Nah Rennt langsamer, stolpert, fällt Schrei hat keine Wirkung groß Frau, Gesicht, schreit stark, lacht mehr dann, lässt sich zur Seite fallen

nah Liegt auf Seite in Wiese, erschöpft, Horror wird nie explizit lacht gezeigt, imaginisiert

Musik fadet aus

MUSIKVIDEOCLIPKORPUS

1. Das künstliche Wesen MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) Videoclipebene (Figur) Horrors das künstliche 01 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) Bild + Text Image Wesen Timothy Saccenti das künstliche 02 Animal Collective Peacebone 05:21 Narrativ Dancepop Bild Narrative Ergänzung (2007) Wesen Narrativ + Chris Cunningham das künstliche Narrative Ergänzung, 03 Aphex Twin Come To Daddy 05:51 Dancepop Bild + Text + Ton Konzept (1997) Wesen Verbildlichung das künstliche 04 Chemical Brothers Believe 04:22 Narrativ Dancepop Dom&Nic (2005) Bild + Text Narrative Ergänzung Wesen Performance + das künstliche Image, Symbolische 05 Dir En Grey Obscure 04:55 Heavy Metal Takashi Miike (2007) Bild Konzept Wesen Ergänzung Floria Sigismondi das künstliche Image, Symbolische 06 Marilyn Manson The Beautiful People 03:48 Performance Rock Bild (1997) Wesen Ergänzung Performance + das künstliche Narrative Ergänzung, 07 Rob Zombie Dragula 03:48 Rock Rob Zombie (1998) Bild + Text Narrativ Wesen Image Narrativ + das künstliche 08 Rocket From The Crypt Born In 69 02:17 Rock Steven Hanft (1996) Bild Narrative Ergänzung Performance Wesen The Day The Dead Performance + das künstliche Image, Symbolische 09 Six Feet Under 02:15 Heavy Metal ? (2001) Bild + Text + Ton Walked Narrativ Wesen Ergänzung Konzept + Andreas Nilsson das künstliche 10 The Knife Silent Shout 04:53 Dancepop Bild Symbolische Ergänzung Performance (2006) Wesen

2. Wesen, die nicht tot und nicht lebendig sind MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Patrick Daughters 01 Albert Hammond Jr. Back To The 101 03:25 Narrativ Rock Untote Bild Narrative Ergänzung (2006) 02 Alice Cooper Feed My Frankenstein 04:13 Performance Rock ? (1992) Untote Bild + Text Image Love Song For A Performance + Sophie Mueller 03 Annie Lennox 04:12 Softpop Untote Bild + Text (Titel) Verbildlichung Vampire Narrativ (1992) Performance + Michael John Sarna 04 Anthrax What Doesn't Die 04:27 Heavy Metal Untote Bild + Text Verbildlichung Narrativ (2004) Performance + keine Verwendung 05 Audio Adrenaline Some Kind Of Zombie 04:49 Rock Eric Welsh (1998) Untote Text Narrativ Bildebene Somebody's Watching Narrativ + Image, Narrative 06 Beatfreakz 02:50 Dancepop Justin Dickel (2006) Untote Bild Me Performance Ergänzung Everybody (Backstreet's Perfomance + 07 Backstreet Boys 04:45 Dancepop Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung Back) Narrativ 08 Beck E-Pro 03:12 Konzept Rock Shynola (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung

09 Braund Reynolds Rocket 02:52 Narrativ Dancepop Duncan Skiles (2005) Untote Bild Symbolische Ergänzung

Who Was In My Room Narrativ + William Stobough 10 Butthole Surfers 03:10 Rock Untote Bild + Text Verbildlichung Last Night? Performance (1993) 11 Chemical Brothers Hey Boy Hey Girl 03:42 Narrativ Dancepop Dom&Nic (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung One Day All Women Will Performance + Michael Grodner 12 Chiodos 03:36 Rock Untote Bild Symbolische Ergänzung Become Monsters Narrativ (2005) Performance + 13 Chris Brown Wall To Wall 05:19 Rap/HipHop Erik White (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung Narrativ Narrativ + 14 Coheed & Cambria Blood Red Summer 03:58 Rock Marc Webb (2004) Untote Bild Narrative Ergänzung Performance Performance + Image, Symbolische 15 Cradle Of Filth From Cradle To Enslave 04:32 Heavy Metal Alex Chandon (1999) Untote Bild + Text Narrativ Ergänzung Performance + 16 CSS Alala 03:55 Dancepop Cat Solen (2006) Untote Bild Symbolische Ergänzung Narrativ

17 Daft Punk Around The World 03:51 Konzept Dancepop Michel Gondry (1997) Untote Bild Symbolische Ergänzung

Narrativ + 18 Daft Punk Primetime Of Your Life 04:04 Dancepop Tony Gardner (2006) Untote Bild Narrative Ergänzung Konzept Performance + 19 Dr. Dre & Ice Cube Natural Born Killaz 06:36 Rap/HipHop Gary Gray (1995) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung Narrativ Norbert Heitker 20 Farin Urlaub Sumisu 02:31 Narrativ Rock Untote Bild Narrative Ergänzung (2001) Performance + Jamie Hewlett, Pete 21 Gorillaz Clint Eastwood 04:38 Dancepop Untote Bild Narrative Ergänzung Narrativ Candeland (2001) Performance + 22 Insane Clown Posse Hokus Pokus 03:53 Rap/HipHop Steven Hanft (1998) Untote Bild + Text Image Narrativ Performance + 23 Iron Maiden The Wicker Man 04:36 Heavy Metal Dean Karr (2000) Untote Text + Bild Image Narativ Konzept + Narrative Ergänzung, 24 John Fogerty Eye Of The Zombie 04:22 Rock Matt Mahurin (1986) Untote Bild + Text Narrativ symbolische Ergänzung Jon Spencer Blues Performance + Narrative Ergänzung, 25 Burn It Off 03:23 Rock StyleWar (2004) Untote Bild Explosion Narrativ symbolische Ergänzung Jon Spencer Blues Performance + Floria Sigismondi 26 She Said 03:05 Rock Untote Bild Narrative Ergänzung Explosion Narrativ (2002) Performance + Showcase Beat Le keine Verwendung auf 27 Kante Zombi 03:49 Rock Untote Text Konzept Mot (2004) Bildebene 28 A.D.I.D.A.S. 02:36 Narrativ Rock Joseph Kahn (1997) Untote Bild Narrative Ergänzung Performance + 29 Lordi Blood Red Sandman 03:52 Rock Pete Riski (2004) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung Narrativ Performance + 30 Lordi Devil Is A Loser 03:39 Rock Pete Riski (2002) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung Narrativ Performance + 31 Lordi 03:14 Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung Narrativ Performance + 32 Lordi Who's Your Daddy 03:36 Rock Pete Riski (?) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung Narrativ Would You Love A Performance + 33 Lordi 03:19 Rock Pete Riski (2006) Untote Bild + Text + Ton Image, Verbildlichung Monsterman Narrativ Performance+ 34 Metric Monster Hospital 03:54 Rock Micah Meisner (2005) Untote Bild+ Text Verbildlichung Narrativ Perfomance + Narrative Erzählung, 35 Michael Jackson Thriller 13:40 Dancepop John Landis (1983) Untote Bild + Text + Ton Narrativ Verbildlichung 36 Mondo Fumatore Skeleton Town 03:27 Narrativ Dancepop ? (2003) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung Performance + keine Verwendung auf 37 Oxide & Neutrino Devil's Nightmare 03:40 Dancepop ? (2001) Untote Text Konzept Bildebene

Performance+ Dawn Shadforth & 38 Peaches feat. Iggy Pop Kick It 02:54 Rock Untote Bild Symbolische Ergänzung Narrativ Alex Smith (2003) Spike Jonze / AV 39 Phantom Planet Big Brat 04:02 Narrativ Rock Untote Bild Narrative Ergänzung Club (2003) Queens of the Stone Narrativ + Narrative Ergänzung, 40 Burn The Witch 03:41 Rock Liam Lynch (2005) Untote Bild + Text Age Performance Verbildlichung Queens of the Stone Performance + 41 Go With The Flow 03:09 Rock Shynola (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung Age Narrativ Performance + 42 Ramones Pet Semetary 03:26 Rock Bill Fishman (1989) Untote Bild + Text Verbildlichung Narrativ Performance + 43 Ray Parker Jr. Ghostbusters Theme 04:03 Dancepop Ivan Reitman (1984) Untote Text + Bild Verbildlichung Narrativ

44 Refused New Noise 05:14 Performance Rock Jocke Ahlund (1999) Untote Bild Symbolische Ergänzung

45 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton? Image, Verbildlichung Performance + Vaughan Arnell 46 Robbie Williams Rock DJ 04:17 Dancepop Untote Bild Symbolische Ergänzung Konzept (2000) The Day The Dead Performance + Image, symbolische 47 Six Feet Under 02:15 Heavy Metall ? (2001) Untote Bild + Text Walked Narrativ Ergänzung Niclas Fronda & Performance + 48 The 69 Eyes Devils 03:25 Heavy Metall Fredrik Lofberg Untote Bild Image Narrativ (2004)

Christian Jacobs & Performance + 49 The Aquabats Fashion Zombies 03:29 Dancepop Jason De Villiers Untote Bild + Text Verbildlichung Narativ (2005)

Never Before Have I Seen A Man Alive That 50 The Ghost Frequency 03:29 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung Looks So Exactly Like A Skeleton 51 The Ghost Frequency Nightmare 03:33 Performance Rock ? (2007) Untote Bild + Text Image, Verbildlichung Performance + 52 The Fashion Solo Impala 03:09 Dancepop Jakob Printzlau Untote Bild Symbolische Ergänzung Narrativ Performance + Image, symbolische 53 The Flatlinerz Satanic Verses 04:48 Rap/HipHop ? (1994) Untote Bild + Text Narrativ Ergänzung The Creeps (Get On The Narrativ + 54 The Freaks 02:51 Dancepop ? (2007) Untote Bild Narrative Ergänzung Dancefloor) Performance Performance + 55 The Killers Bones 03:48 Rock Tim Burton (2006) Untote Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung Narrativ

Donald Cammell keine Verwendung 56 The Hooters All You Zombies 04:41 Performance Rock Untote Text (1985) Bildebene All My Friends Are keine Verwendung 57 The Priscillas 02:51 Performance Rock ? (?) Untote Bild + Text (Titel) Zombies Bildebene Attack of the Ghost Peter Pedersen 58 The Raveonettes 02:32 Narrativ Rock Untote Bild + Text (Titel) Narrative Ergänzung Riders (2002)

Symbolische Ergänzung, 59 The Sleepy Jackson Vampire Racecourse 03:11 Performance Rock Nice Trees (2003) Untote Bild + Text (Titel) Verbildlichung

60 The White Stripes Seven Nation Army 03:56 Performance Rock Alex & Martin (2003) Untote Bild Symbolische Ergänzung Performance + Oliver Sommer 61 Us5 Just Because Of You 03:57 Dancepop Untote Bild Narrative Ergänzung Narrativ (2005) Narrativ + Narrative Ergänzung, 62 Wednesday 13 I Walked With A Zombie 03:43 Heavy Metal P.R. Brown (2005) Untote Bild + Text Performance Image Performance + Visuelle ästhetische 63 Yeah Yeah Yeahs Y Control 03:57 Rock Spike Jonze (2004) Untote Bild Konzept Ergänzung You Say Party! We Say Narrativ + 64 Monster 03:37 Rock Sean Wainsteim (?) Untote Bild + Text Narrative Ergänzung Die! Performance Wake Up Make Up Bring Konzept + Han Hoogerbrugge Image, symbolische 65 Young Punx 03:18 Dancepop Untote Bild It Up Shake Up Performance (2007) Ergänzung Konzept + Han Hoogerbrugge Image, symbolische 66 Young Punx You've Got To 03:08 Dancepop Untote Bild Performance (2007) Ergänzung Konzept + Han Hoogerbrugge Image, symbolische 67 Young Punx Your Music Is Killing Me 03:13 Dancepop Untote Bild + Text Performance (2007) Ergänzung

3. Tiermenschen MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Everybody (Backstreet's Perfomance + 01 Backstreet Boys 04:45 Dancepop Joseph Kahn (1997) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung Back) Narrativ Narrativ + 02 Basement Jaxx Where's Your Head At 04:14 Dancepop Traktor (2001) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung Performance Performance + Image, Narrative 03 Beatfreakz Superfreak 03:34 Dancepop Justin Dickel (2006) Tiermensch Bild Narrativ Ergänzung Performance + 04 Billy Talent Fallen Leaves 03:20 Rock Dean Carr (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung Narrativ Narrativ + Frasier Jamieson 05 Clor Good Stuff 04:00 Rock Tiermensch Bild Symbolische Ergänzung Konzept (2005) Performance + keine Verwendung auf 06 Danzig Killer Wolf 03:57 Rock Anton Corbijn (1990) Tiermensch Text Narrativ Bildebene Performance + 07 Everytime I Die We're Wolf 03:42 Rock ? (2007) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung Narrativ 08 Fatboy Slim Wonderful Night 03:00 Narrativ Dancepop John Watts (2004) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung 09 Gnarls Barkley Who Cares 03:36 Narrativ Dancepop Barney Clay (2006) Tiermensch Bild Narrative Ergänzung Performance + Narrative Ergänzung, 10 Gyroscope Beware Wolf 03:23 Dancepop ? (2006) Tiermensch Bild Narrativ Verbildlichung Narrativ + Jonathan Rej & Tom 11 Mastodon The Wolf Is Loose 03:37 Heavy Metall Tiermensch Bild + Text (Titel) Symbolische Ergänzung Performance Bingham (2006) Perfomance + 12 Michael Jackson Thriller 13:40 Dancepop John Landis (1983) Tiermensch Bild + Text Verbildlichung Narrativ Performance + Mike Mansfield 13 Ozzy Osbourne Bark at the Moon 04:24 Rock Tiermensch Bild + Text Verbildlichung Narrativ (1983) Queens of the Stone Chapman Baehler Narrative Ergänzung, 14 Someone's In The Wolf 07:21 Narrativ Rock Tiermensch Bild + Text Age (2005) Verbildlichung Performance + Chris Cunningham 15 The Horrors Sheena Is A Parasite 01:40 Rock Tiermensch Bild + Text Verbildlichung Konzept (2006) Performance + 16 Spider Virus Werewolf Ears 02:26 Rock Mitch Riley (?) Tiermensch Bild + Text Symbolische Ergänzung Narrativ Narrativ + 17 TV On The Radio Wolf Like Me 04:36 Rock John Watts (2006) Tiermensch Bild + Text Narrative Ergänzung Performance

4. Tiere mit menschlichen Zügen MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Performance; Nathaniel Hornblower Tiere mit menschl. 01 Beastie Boys Intergalactic 04:33 Rap/HipHop Bild Narrative Ergänzung Narrativ (1998) Zügen Narrativ + Tiere mit menschl. 02 Prophet Omega The Right Thing 03:13 Rock Sean Donnelly (2006) Bild Narrative Ergänzung Performance Zügen Queens of the Stone Performance + Tiere mit menschl. 03 No One Knows 04:18 Rock Dean Karr (2002) Bild Narrative Ergänzung Age Narrativ Zügen Performance + Up The Resolution Tiere mit menschl. 04 The Automatic Monster 03:50 Rock Bild + Text Narrative Ergänzung Narrativ (2006) Zügen You Say Party! We Say Narrativ + Sean Wainsteim Tiere mit menschl. 05 Monster 03:37 Rock Bild + Text Symbolische Ergänzung Die! Performance (2007) Zügen 5. Doppelgänger MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Everybody (Backstreet's Perfomance + 01 Backstreet Boys 04:45 Dancepop Joseph Kahn (1997) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung Back) Narrativ Narrativ + 02 Busta Rhymes Gimme Some More 02:39 Rap/HipHop Hype Williams (1998) Doppelgänger Bild Narrative Ergänzung Performance 03 Prodigy Breathe 03:50 Performance Dancepop Walter Stern (1997) Doppelgänger Bild Symbolische Ergänzung 04 Rob Zombie Living Dead Girl 03:24 Narrativ Rock Rob Zombie (1999) Untote Bild + Text + Ton Verbildlichung, Image 6. Hexen und Hexerei MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Witches! Witches! Rest Narrativ + Gerster & Modersohn 01 Get Well Soon 03:57 Rock Hexen und Hexerei Bild + Text Verbildlichung Now In The Fire! Performance (2008) Queens of the Stone Narrativ + Verbildlichung, Narrative 02 Burn The Witch 03:41 Rock Liam Lynch (2005) Hexen und Hexerei Bild + Text Age Performance Ergänzung 03 Rob Zombie American Witch 03:33 Performance Rock ? (2006) Hexen und Hexerei Text + Bild Image, Verbildlichung Narrativ + 04 The Weird War Grand Fraud 06:06 Rock ? (2004) Hexen und Hexerei Bild Narrative Ergänzung Performance

7. Mörder, Killer und Irre MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors (He's Back) The Man Performance + Image, Narrative 01 Alice Cooper 04:06 Rock Jeff Abelson (1986) Mörder Bild + Text Behind The Mask Narrativ Ergänzung Terry Richardson Verbildlichung, Narrative 02 Death In Vegas Aisha 04:00 Narrativ Dancepop Mörder Bild + Text (2000) Ergänzung Narrativ + 03 Foo Fighters Everlong 04:39 Rock Michel Gondry (1997) Mörder Bild Symbolische Ergänzung Performance Bring Your Daughter To Performance + Image, Narrative 04 Iron Maiden 04:41 Heavy Metal ? (1990) Mörder Text + Bild The Slaughter Narrativ Ergänzung Performance + 05 Jet Look What You've Done 03:48 Rock Robert Hales (2004) Mörder Bild Narrative Ergänzung Narrativ Stefan Browatzki 06 Motorhead Serial Killer 01:36 Performance Heavy Metal Mörder Text + Bild Symbolische Ergänzung (2002) keine Verwendung auf 07 Nick Cave Henry Lee 03:53 Performance Rock Rocky Schenk (1996) Mörder Text Bildebene Visualisierung, 08 Nick Cave Jack The Ripper 03:56 Performance Rock John Hillcoat (1992) Mörder Text + Bild symbolische Ergänzung Where the wild roses Narrativ + 09 Nick Cave 04:43 Rock Rocky Schenk (1995) Mörder Text + Bild Visualisierung grow Performance Somebody's Watching Verbildlichung, Narrative 10 Rockwell 03:34 Narrativ Dancepop Francis Delia (1984) Mörder Bild + Text Me Ergänzung Image, symbolische 11 Slayer Bloodline 03:41 Performance Heavy Metal Evan Bernard (2001) Mörder Bild + Text Ergänzung Divya Srinivasan 12 The Apes Black Tears 02:45 Narrativ Rock Mörder Bild Symbolische Ergänzung (2001) Performance + 13 The Bates Billie Jean 04:15 Rock ? (1995) Mörder Bild Narrative Ergänzung Narrativ Narrativ + 14 The Flesh Compulsion 02:48 Rock Geoff Plauger (?) Mörder Bild Narrative Ergänzung Performance Performance + keine Verwendung auf 15 Underminded Lords And Wolves 03:41 Heavy Metal ? (?) Mörder Text Narrativ Bildebene

8. Masken und Maskierungen MUSIKVIDEOCLIP HORROR

Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors

Narrativ + 01 Bat For Lashes What's A Girl To Do 02:57 Rock Dougal Wilson (2007) Maskierung Bild Symbolische Ergänzung Performance Performance + 02 Boondox Red Mist 03:16 Rap/HipHop ? (2006) Maskierung Bild+ Text Image Konzept Performance + 03 Boondox They Pray With Snakes 04:09 Rap/HipHop Violent J (2006) Maskierung Bild Image Narrativ Performance + Kevin Kerslake 04 Insane Clown Posse Halls of Illusion 03:44 Rap/HipHop Maskierung Bild Image Narrativ (1997) Performance + 05 Insane Clown Posse Tilt-A-Whirl 04:08 Rap/HipHop Marc Klasfeld (2000) Maskierung Bild + Text Image Narrativ 06 Insane Clown Posse Piggy Pie 04:02 Performance Rap/HipHop ? (?) Maskierung Bild Image Brian Rainey and Will 07 Klobbermeister Screwed Up In Detox 03:08 Performance Rock Maskierung Bild Image Purcell (?) Performance + 08 MC Basstard Fegefeuer 03:18 Rap/HipHop ? (2003) Maskierung Bild + Text Image Narrativ Thomas Mignone 09 Dig 03:17 Performance Heavy Metal Maskierung Bild Image (2001)

Performance + Tony Petrossian & M. 10 Slipknot Duality 03:34 Heavy Metal Maskierung Bild + (Ton ?) Image Narrativ Shawn Crahan (2004)

Narrativ + 11 Slipknot Left Behind 03:38 Heavy Metal David Meyers (2001) Maskierung Bild + (Ton ?) Image Performance Performance + Thomas Mignone 12 Slipknot Spit It Out 02:59 Heavy Metal Maskierung Bild + (Ton ?) Image Narrativ (2000) Thomas Mignone 13 Slipknot Wait And Bleed 03:08 Performance Heavy Metal Maskierung Bild + (Ton ?) Image (2000) Performance + 14 The Ghastly Ones Haulin' Hearse 02:25 Rock Baron Shivers (?) Maskierung Bild + Ton Image Narrative

9. Albtraum MUSIKVIDEOCLIP HORROR Horrormythos Visuelle Funktion des Nr. Interpret Titel Dauer Typ Musikgenre Regie (Jahr) VC Ebene (Figur) Horrors Performance + 01 Aiden Knife Blood Nightmare 03:16 Rock ? (2005) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung Narrativ Everybody (Backstreet's Perfomance + 02 Backstreet Boys 04:45 Dancepop Joseph Kahn (1997) Albtraum Bild Narrative Ergänzung Back) Narrativ Performance + Sean Michael Turrell 03 Billy Talent Devil In A Midnight Mass 03:29 Rock Albtraum Bild + Text Narrative Ergänzung Narrativ (2006) Performance + keine Verwendung auf 04 Gravediggaz Diary Of A Madman 04:05 Rap/HipHop Hype Williams (?) Albtraum Bild + Text Narrativ Bildebene Performance + Narrative Ergänzung, 05 King Gordy Nightmares 03:40 Rap/HipHop Bill Fishman (2004) Albtraum Bild Narrativ Verbildlichung Narrativ + 06 Kyuss Demon Cleaner 04:41 Rock ? (1994) Albtraum Bild Symbolische Ergänzung Konzept Performance + 07 Metallica Enter Sandman 05:31 Heavy Metal Wayne Isham (1991) Albtraum Bild + Text Symbolische Ergänzung Narrativ 08 The Cure Lullaby 04:08 Performance Rock Tim Pope (1989) Albtraum Bild + Text Image

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