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TIGER IM TANK Eric Fairchild/ Eric

Charvel Satchel Signature Pro-Mod DK Es ist noch gar nicht lange her, da musste ich lachen, als ich in einer Modezeitschrift von [4824] der Rückkehr der 80er-Jahre las. Jetzt lache ich nicht mehr, denn sie sind tatsächlich wieder da, und das mit Macht. Aber die neue Charvel Satchel Signature zaubert mir dann doch ein nostalgisches Schmunzeln ins Gesicht. Lassen wir den Tiger aus dem Tank! TEXT Christopher Kellner y FOTOS Dieter Stork Als ich vor fast 30 Jahren zum ersten Mal Endorser unter Vertrag hatten) abzuwer- mutmaßen, es steht nur der Firmenname eine Gitarre in die Hand nahm, erober- ben. Ich bin fast erblindet, als ich das ne- drauf. Sie verrichten klaglos ihren Dienst. ten Guns N‘ Roses, Gary Moore und kurz ongelbe „Lovechild“ von Charvel und Von dort laufen die Saiten unter einen darauf Pearl Jam die Heavy Rotation auf Satchel aus dem Karton holte! Saitenniederhalter und über den für eine MTV. Dementsprechend wurde ich in der Floyd-Rose-Konstruktion obligatorischen entscheidenden, frühen musikalischen Klemmsattel – entsprechende Inbus- Phase meines Lebens auf Gitarren im flitzefinger schlüssel zur Einstellung liegen bei. Der Retro-Look gepolt – wer damals noch mit Die Satchel-Signature basiert auf der Pro- Hals ist aus matt lackiertem Ahorn mit einer der quietschbunten „Superstrats“ Mod DK von Charvel (der sogenannten ebensolchem Griffbrett. Um den moder- der 80er zum Schul-Jam erschien, erntete „Dinky“-Korpusform) und reiht sich in nen Look nicht zu kompromittieren, mitleidige Blicke. Über Nacht war der ein illustres Programm an Artist-Model- wurde nichts dunkel gebeizt, beide Look des „Hair Metal“-Genres uncool ge- len ein, in dem sich bereits die Äxte von Ahornkomponenten wirken fast „weiß“, worden. Vor einigen Jahren tauchte nun Warren DeMartini und Jake E. Lee tum- und dürften nach zahllosen Gigs wunder- eine Band auf, die nicht nur auf jegliche meln – zwischen denen ist ja auch Satchel bar natürlich an Patina gewinnen. Das Moral beim Texten verzichtete, sondern stilistisch zu verorten. Profil ist ein sehr flaches, weites „D“ mit den bunten Metal-Stil der 80er wieder Zunächst ist die Satchel-Signature eine verrundeten Griffbrettkanten, die sich cool machte – . Mittlerweile reinrassige „Superstrat“ – das heißt, die sanft in die Handfläche schmiegen – da spielen die Kalifornier an prominenter Form entstammt dem berühmtesten behindert nichts die Flitzefinger. 648 mm Stelle auf sonst komplett in Todes- Gitarrendesign aller Zeiten, der Strato- (also Strat-) Mensur, 22 Jumbobünde, schwarz uniformierten Festivals wie Wa- caster, wurde aber zugunsten moderner sowie ein Compound-Griffbrettradius – cken. Seitdem überschlagen sich die Gi- Musikstile erheblich aufgebohrt. Fangen er steigt von 12 auf 16 Zoll an – so lassen tarrenhersteller, die Geschmacks-Palette wir beim Kopf des Tigers an: Das Design sich die restlichen Features des ultra-be- der 1980er wieder aufleben zu lassen. Da konnte Charvel, dank der Zugehörigkeit quemen und auf schnelles Spiel ausge- darf Charvel nicht fehlen – nun gelang seit 2002 zum Fender-Imperium, ganz legten Halses zusammenfassen. Der mit der Fender-Tochterfirma der Coup, Russ legal von der Stratocaster übernehmen. Graphit verstärkte Trussrod ist von der „Satchel“ Parrish, Gitarrist von Steel Die Mechaniken sind wie auch der Rest Korpusseite zugänglich, man muss aller- Panther, als Signature-Artist zu gewin- der Hardware schwarz chromiert – um dings den Hals dazu nicht abnehmen, nen und von Kramer (die ihn vorher als welche es sich handelt, kann man nur denn das Stellrädchen lässt sich mit

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Mattes Ahorn Fishman Fluence Classics

einem Schraubenzieher von oben betäti- Die Farbe kommt in der Realität noch mit aufgelegtem Handballen macht es gen – sehr bequem und praxisnah. Der krasser zur Geltung als auf Bildern. Geht ohne ungewollten „Pitch-Shift“ mit. „Dinky“-Korpus weist etwas tiefere Cut- es um Steel Panther, ist derber Humor Lassen wir den Tiger los, liefern die Fish- aways auf als ein normaler Strat-Body. immer dabei: Laut Satchel wurde für die man-Pickups eine Art „Best of“ aus der Die Hand kann hier genau einen Bund Herstellung seiner Signature-Gitarre der Soundkultur aktiver Tonabnehmer und weiter rauf rutschen, so kommt man bes- letzte sibirische Tiger erlegt – Charvel eher gemächlicher PAFs – sie brüllen ser an die oberen Bünde; für totales allerdings beteuert, dass im Zuge der nicht los und sind erfreulich wenig steril, Flutschfinger-Feeling könnte man sich Produktion keine Tiere zu Schaden haben aber eben eine gewisse HiFi-Fri- noch einen abgeschrägten Halsfuß wün- kamen ... sche im Ton. Der Halsdoppelspuler klingt schen. Die in Mexiko (im dortigen Fender-Werk) naturgemäß dunkler, es steckt aber eine Für die Tonabnahme sorgen zwei Fish- gefertigte Gitarre ist tadellos verarbeitet Kühle im Klangbild, die ich keinesfalls man Fluence Classic Humbucker, und und kommt ab Werk mit flutschigen 9er klinisch finde, sondern eher erfrischend. zwar der PRF-CHB-BB1 an der Brücke und Saiten. Ein Gigbag ist leider nicht im Lie- Für Musikstile, die eine gewisse Wärme der PRF-CHB-NB1 am Hals. Die sehen gar ferumfang, was bei dem Preis der Gitarre erfordern, wie Blues oder Jazz, mag sich nicht nach aktiven Tonabnehmern aus, (€ 1249) schon ein bisschen mau rüber- das weniger eignen, aber für die cleanen sind es aber – das Batteriefach ist hinten kommt. Parts im Pop, Prog, modernen Rock und am Korpus ohne Gefummel leicht er- Die für eine Produktion in Mexiko relativ Post-Rock (hab ich was mit P oder R ver- reichbar. Zieht man das einsame Volume- hohe Summe lässt sich dennoch auch mit gessen?) auf jeden Fall. Diesem Klangbild Poti, wird eine Art Mitten-Boost für dem aufwendigen Finish und den teuren entspricht auch der Steg-Pickup, nur beide Pickups aktiviert, der aus den sonst Pickups erklären. eben mit mehr knalligem Biss. In der eher gemäßigt klingenden Aggregaten Mittelstellung wird es gefällig, so Rich- scharfe Tigertangas macht! Daneben tung „Kuschelrock 28“. Mit gezogenem schaltet ein Toggle-Switch die Pickups, arbeitstier Volume-Poti lässt der Tiger dann bereits auf ein Tone-Poti haben Charvel und Sat- Beim ersten Griff fällt einem sofort der im Clean-Betrieb etwas die Muskeln chel verzichtet. sehr flache, breite Hals auf. Nichts behin- spielen – ein Röhrenamp am Rande des Das Floyd Rose sorgt reibungslos für dert hier das freie Spiel. Die Saitenlage „Break Ups“ geht mit dem „Voice“-Boost Großkatzen-Gejaule. Es sitzt schwebend ist ultra-niedrig eingestellt. Laut Satchel in Crunch über, ohne dabei Trommelfelle auf dem Korpus und ist nicht unterfräst. ist das nötig, um besonders schnell zu urplötzlich zu zerfetzen. Der Lautstärke- Wer nicht mit einem Floyd Rose vertraut spielen – und das wiederum müsse man anstieg ist moderat, er räumt auch klang- ist, sollte vor dem Saitenwechsel ein Tu- tun, um selbst flachgelegt zu werden! Ich lich den Sound etwas auf und gibt ihm torial-Video oder entsprechende Lektüre lasse diese Aussage mal unkommentiert eine alternative Stimme – das eignet sich zu Rate ziehen. Denn der erfordert so stehen. wunderbar, um Single-Note-Lines in cle- Kenntnisse und Erfahrung, sonst artet er Die Gitarre ist zudem recht leicht, was zu anen Anwendungen leicht hervorzuhe- in unchristliche Flucherei aus. keinerlei Rückenproblemen führen ben, und danach auf eine flockige Rhyth- Kommen wir nun zum Tiger selbst. Eine sollte, auch wenn der gute Satchel nach mus-Ebene zurückzukehren. gewisse Ähnlichkeit zur George-Lynch- Luftsprüngen auf der Bühne gerne mal So richtig zu Fauchen beginnt der Tiger Signature von ESP/Ltd ist nicht zu leug- entsprechend rumalbert. aber erwartungsgemäß mit Gain, und es nen – Lynch ist ja stilistisch großes Vorbild Ich spiele die Charvel wie immer erst mal darf gerne etwas mehr davon sein. Der von Satchel, die beiden stehen auch mal akustisch an. Das Klangbild ist erwar- oft kritische Halstonabnehmer profitiert gern in Los Angeles zusammen auf der tungsgemäß leise, drahtig-mittig, aber auch mit Verzerrung von der Frische der Bühne. Der Erlekorpus der Satchel wird recht ausgeglichen und sauber. Man aktiven Konstruktion – lyrische Leads flö- schwarz gefärbt, abgeklebt und in fie- kann sehr feinfühlig die einzelnen Töne ten präsent, fast schneidend durch den sem Neongelb (sie nennen es „Yellow formen, die Gitarre reagiert erfreulich Mix. Für Slash-Jünger und Gary-Moore- Bengal“) übermalt, danach per Hand mit Resonanz und respektablem Sustain. Apostel ist das eventuell nicht das Rich- geschliffen und mit einer mattierten Das Floyd Rose arbeitet gewohnt stimm- tige, da nicht sahnig genug – die Satchel- Urethanschicht versiegelt. stabil und selbst abgestoppte Abschläge Signature hat auch kein Tone-Poti, um

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ÜBERSICHT

Fabrikat: Charvel Modell: Satchel Signature Pro-Mod DK Yellow Bengal Typ: Solidbody-E-Gitarre Herkunftsland: Mexiko Mechaniken: gekapselte Charvel- branded Tuner Hals: Ahorn, verschraubt Sattel: Klemmsattel, Metall Griffbrett: Ahorn (mattiert), schwarze Dot-Inlays (Kunststoff) Radius: 12"-16" Halsform: D-Shape, sehr flach, gerundete Kanten Halsbreite: Sattel 43 mm; XII. 53,5 mm Halsdicke: I. 20 mm; V. 21 mm; XII. 22 mm Bünde: 22 Jumbo Mensur: 648 mm Korpus: Erle Oberflächen: Bengal Yellow mit Ti- gerstreifen, mattiertes Urethan Schlagbrett: – Tonabnehmer: aktiv, Fishman Fluence Krasses Neongelb auf Classic PRF-CHB-BB1 (Bridge): 2 schnittigen Kurven kOhm PRF-CHB-NB1 (Neck): 2 kOhm – 9V Batterie im Lieferumfang Bedienfeld: 3-Wege Toggle Switch, 1 Volume- Potentiometer (Push/Pull, ¥ ihrer Ausstrahlung tun – denn sonst chel in einer Band wie Steel Panther Boost-Effekt) Steg: Floyd Rose FRT-O2000 Double könnte er ja zu einer der zahllosen Alter- macht das Gerät auch total Sinn. Mit dem Locking 2-Point Tremolo nativen von Charvel selbst (Pro-Mod DK- Boost-Poti liefert die Satchel zudem Hardware: schwarz chromiert Serie) oder der Konkurrenz – Ibanez, einen enormen Praxis-Mehrwert und Gewicht: 3,5 kg ESP/LTD, Schecter usw. – greifen. Auch empfiehlt sich mit den feinen Fishman-Pi- Lefthand-Option: nein diese Hersteller haben ihr Sortiment um ckups auch für zwar artverwandte, aber Internet: www.charvel.com Äxte im 80er-Hair-Spray-Look erweitert. durchaus andere Genres. Ich behaupte, Zubehör: Inbusschlüssel für Vibrato und Klemmsattel, Batterie Die optisch ähnlichste Alternative wäre dass man einen Top-40-Coverabend mit Preis (Street): ca. € 1249 die ESP LTD GL200SBT George Lynch Tiger ihr bestreiten kann – sobald aber ‚The für schlappe € 589, allerdings mit Single- Thrill is Gone‘ auf einer Setlist auftaucht, hier klanglich nachzuregeln. Der Steg- coil in der Halsposition und nicht mit so sollte kein strenger Muckerpolizist mehr pickup erweist sich dann als das eigentli- teuren Features gesegnet. Ibanez bietet im Publikum sein. Denn für warme, blue- che Arbeitsgerät der Gitarre, mit dem ja das JEM-Design in gewagten Farben, ent- sige, ja gar jazzige Oldschool-Sounds ist auch Satchel einen Großteil des Steel- weder die günstige JEMJRSP (ca. € 490) sie weniger geeignet. Letztlich ist jedoch Panther-Sets bestreitet. In Verbund mit oder die sehr viel teurere JEM777 (ca. erlaubt, was beliebt, und niemand sollte dem Boost-Poti hat sich der gute Mann € 3.500). Daneben kann man auch zur sich für ein bestimmtes Genre ein be- hier ein Werkzeug bauen lassen, mit dem RG-652-Serie greifen (ca. € 1.500). Schec- stimmtes Instrument ein- oder ausreden er weitläufig auf der Bühne aktiv sein ter wirft derzeit die neue C-1 FR S SLS lassen. kann, ohne beim Pedalboard vorbei- Elite (ca. € 1.500) auf den Markt – mit Ein hervorragend spielbares Gerät mit schauen zu müssen – das bei Satchel ent- durchgehendem Hals und Sustainer- scharfer Optik und tollen Pickups ist die sprechend spartanisch ausfällt. Egal, wo Pickup, farblich etwas dezenter als die Satchel allemal, und für mich beweist der man auf der Bühne gerade ist: Beim Solo Satchel. Letzten Monat haben wir die PRS Besitzer Mut zum Individualismus und erhält man mit dem Boost eine singende Multi-Foil besprochen, die aber in ihren einen großen Sinn für Humor. n Peitsche, ideal für den epischen Hard- Specs traditioneller gehalten ist. Wer also rock-Moment. Auch im Rhythmusbetrieb auf ein auffälliges Design Wert legt, der weiß der Tiger zu gefallen – liefert er findet mittlerweile zahlreiche Alternati- PLUS doch eine durchsetzungsfähige Mitten- ven in unterschiedlichen Preisklassen – • Eyecatcher-Optik fräse, die bei richtiger Amp-Einstellung dem Comeback der 80er sei Dank. • Verarbeitung und Anwendung wohl nie im Band-Kon- • Pickups & Elektronik text untergeht. • Sounds resümee • Handhabung & Die Charvel Satchel Pro-Mod DK richtet Bespielbarkeit alternativen sich ganz klar an Anhänger des knalligen MINUS Wer sich für die Satchel-Signature inter- Hardrocks der 80er-Jahre. Als Signature- essiert, dürfte dies hauptsächlich wegen Instrument für einen Saitenhexer wie Sat- • kein Gigbag

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