SEP.16

Fangesänge EINSCHLAUFEN Betrifft: Wahrheitssuche mit Westerberg Impressum Nº 07.16 Man kann die Wahrheit suchen, wo man will. In ihrem ultimativen Tribute-Song «Alex Chilton» DER MUSIKZEITUNG LOOP 19. JAHRGANG dicken Folianten, am südlichen Ende der Couch und der schönen Zeile «Feeling like a hundred des Psychiaters, zwischen den Zeilen von Pau- bucks» (die in den Führungsetagen der Noten- P.S./LOOP Verlag lus’ Brief an die Korinther, unter den kunstvoll banken derzeit wohl ebenfalls nostalgisch einge- Langstrasse 64, 8004 Zürich zurechtgefeilten Fingernägeln, innerhalb der ei- färbtes Schmunzeln auslösen dürfte). Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 genen vier Wände, auf dem leicht eingetrübten Die Liste ist natürlich wesentlich länger, und www.loopzeitung.ch Boden der Grünteetasse, hinter dem Schmuck- auf den folgenden Seiten wird sie auch fachge- schuber (in dem die Proust-Gesamtausgabe recht abgehandelt. Aber wenn wir hier schon Verlag, Layout: Thierry Frochaux ruht), draussen vor der Tür, im angehängten mal bei den Replacements sind, sollten schon [email protected] Glossar, tief unten in den Jugenderinnerungen, noch ein paar Zeilen zu diesem folgen, an Marmorklippen, vor dem Untersuchungsaus- das vor knapp dreissig Jahren eingespielt wurde: Administration, Inserate: Manfred Müller schuss, neben den Schuhen, gleich gegenüber in «Pleased To Meet Me». Blassgelb-blaues Cover [email protected] der stillgelegten Starbucks-Filiale, ausserhalb der mit Schüttelhänden vorne drauf. Eigentlich eher Norm, irgendwo im Bungalow – oder eben beim unspektakulär. Was dann allerdings folgte, war Redaktion: Philippe Amrein (amp), Plattenhändler seines Vertrauens. ein souveräner Spiessrutenlauf durch diverse Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe Dort lässt sich die Wahrheit tatsächlich finden. Genres. Power Pop? Bloss ein Etikett. Alterna- In subtiler, wenngleich durchaus solider Form. tive? Gab es damals noch gar nicht. College Ra- Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Flüchtiges Gefühls- und Gedankengut, dessen dio? Womöglich, ja. Sie haben halt einfach alles Reto Aschwanden (ash), Thomas Bohnet (tb), musikalische Manifestation in gerilltes Vinyl ge- durchgespielt – und sind deshalb bis heute un- Marcel Elsener, Eric Facon, Christian Gasser (cg), presst wurde. Zugegeben, man muss ein wenig erreicht. Ohne dieses Werk hätte es womöglich Michael Gasser (mig), Michel Gilgen, durch die Kisten grabbeln, aber dann offenba- kein «Alien Lanes» (Guided By Voices) gegeben. Tony Lauber (tl), Susanne Loacker, ren sich dem Aficionado Artefakte abgeklärter Und auch diverse andere Bands hätten sich nie- Sam Mumenthaler, Philipp Niederberger, Verweiskunst. Längst vergessene Tonträger, auf mals ins Rampenlicht gewagt ohne die Schützen- Miriam Suter (mis), Hanna Widmer (haw) denen Musiker über Musiker singen – in eupho- hilfe von Paul Westerberg und seinen Mitstrei- risch strukturierten Strophen und referenziellen tern. Was bleibt? Nichts. Und alles. Womöglich Druck: Tagblatt Print, St. Gallen Refrains. Da hören wir etwa den blutjungen Ben sogar die Wahrheit. Oder einfach die letzten Lie- Lee von seinem Wunsch berichten, sich Evan der einer Welt, die nun verschwindet. Wir wer- Das nächste LOOP erscheint am 30.09.2016 Dando anzugleichen («I Wish I Was Him»), den ihr in gebührender Form nachtrauern. den leicht ironisch flunkernden Nick Lowe («I Titelbild: Fatima Dunn (© Michel Gilgen) Love My Label») oder The Replacements mit Guido Moroder

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] MUSIKALISCHE FANBRIEFE In ihren Songs grüssen Musiker immer wieder direkt ihre Vorbilder und Einfluss- grössen – die oftmals unerreichbar sind. Genau diesen Fansongs widmet sich der Sampler «Heroes». Fünf Anspieler.

Family Fodder: «Debbie Harry» (1980) Fansongs sind nicht selten verstiegene Liebesbriefe und a Liebeserklärungen an überlebensgrosse Popstars. Und die- ser Song, der den «Heroes»-Sampler eröffnet, ist vielleicht eines der offenherzigsten und doch auch hintersinnigsten Beispiele dieses schönen Genres. Denn wie die Sängerin Dominique Levillain der mysteriösen Free-Post-Punk- Kleinfamilie um den Charakter Alig Fodder hier Deborah Harry charmiert und herausfordert – mit französischem Akzent und Sätzen wie «I’m gonna stun you with my transgalactic lasers» – und schliesslich bekennt, dass diese grosse Figur schlicht zu verwirrend ist, ist unwiderstehlich.

Daniel Johnston: «The Beatles» (1983) Als Daniel Johnston 1961 geboren wurde, da hatten sie bereits einen Hit: Die Beatles, die «legendary rock group», die all den Erfolg verdient hat, weil sie, so Johnston, den Respekt nicht erkauft hat. Jeder wollte so sein wie sie, und debbie harry auch er, der manisch-depressive Musiker mit den grossen Gefühlen und Illusionen, wollte so werden wie die Beatles: Jeffrey Lewis: «Williamsburg Will Oldham «And I really wanted to be like him // But he died». Zu Horror» (2005) diesen Zeilen, die Johnston auf seinem Kassettenklassiker Er ist der Historiker in der klassischen Klasse der Antifolk- «Yip / Jump Music» verewigt hat, orgelt er rudimentär, ehe Menschen, der Vorbilder und Vorläufer wie The Fugs in er sich bedankt bei den «four lads who shook the world»: der grossartig erzählten «History of Punk on the Lower «God bless them for what they done». Was für ein Song. East Side» direkt grüsste. Peter Stampfel – Mitglied der eb- enfalls gegrüssten The Holy Modal Rounders – fiedelt denn Le Tigre: «Hot Topic» (1998) auch mit, wenn Jeffrey Lewis im gewohnten Schnellsprech Dieser Song war bereits auf dem Rough-Trade-Sampler seine imaginierte Begegnung mit Will Oldham runterrat- zum 25. Geburtstag drauf, und was 2001 noch frisch und tert. Eine Begegnung im L Train, die ihn zwiespältig hinter- wichtig war, ist es auch heute noch – zumindest im Falle lässt. War es wirklich der Liederfürst, der hinabgestiegen von «Hot Topic». Denn Kathleen Hanna, Johanna Fate- ist nach Williamsburg? Jedenfalls fasst sich Lewis ein Herz, man und Sadie Benning grüssen hier Heldinnen und Helden und fragt den vermeintlichen Oldham um Rat: «Will Bon- des Feminismus und der LGBT-Community – unter ihnen nie Prince, Palace or whatever, what do you think about The Slits, Marlon Riggs, Vaginal Creme Davis oder Yoko it? Is it worth being an artist or an indie-rock star, or are Ono. Selten war eine Aufzählung tanzbarer als hier, eine you better off without it?» Auf diese Lebensfrage folgt ke- Liste aber, die nicht einfach cooles Checkertum bedeutet, ine weise Antwort, sondern ein Kampf, der Lewis verletzt sondern mit dem Anliegen verbunden ist, sich nicht von dis- zurück lässt. Drei Worte gibts von Oldham dann doch kriminierenden Besserwissern unterkriegen zu lassen. noch: «Artists are pussies.»

Allo Darlin’: «Wu Tang Clan» (2011) Auf dem Sampler gibt es – beinahe zum Abschluss (denn der Schluss gehört «I Am Mark E. Smith» der Fat White Family) – auch die Songs zu hören, die die Sehnsüchte nach den popmusikalischen Lebensrettern in eine dritte Person auslagern. Ein solcher Song ist «Wu Tang Clan» der Band The French, der hier in der Version der Londoner Indiepo- plieblinge Allo Darlin’ zu hören ist. Der Song erzählt die Geschichte einer namenlosen Frau, die nach Feierabend von ihrem beschissenen Job einfach allein sein – und hinter zugezogenen Vorhängen zu den Tracks des Wu-Tang Clans tanzen will. Weil während sie an RZA, Ghostface Killah, ODB und Co. denkt, glaubt sie: «Everything will be all- right».

Benedikt Sartorius

Various Artists: «Heroes Vol. 1 (1976 – 2016)» (Rough Trade) SZENE

Atlantis_2016_Version_3_Atlantis_2016 26.01.16 18:18 Seite 1

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ÉRIC ROHMER, NOW!

SEPTEMBER 2016 HARMONIE ALS STRATEGIE diese Songs. Sie haben uns zu den Persönlichkeiten gemacht, Punk, indem sie auf eine Die Originalversionen triefen nicht selten die wir sind.» Die Idee kam den beiden, als sie in Morgans erklärende Ausstellungsta- Garten «Where Eagles Dare» von den Misfits mit akusti- fel, die von den Sex Pistols vor Machogehabe und Testosteron. Katy scher Gitarre sangen. «Der Text ‹I ain’t no goddamn son bis The Clash bloss männ- of a bitch› mit feinen Harmonien zu singen fühlte sich als liche Bands auflistete, mit Goodman und Greta Morgan nehmen einzigartige Neuerfindung an, weil die Süsse unserer Stim- dem Edding «Wo bleiben men auf die Härte der Lyrics prallte.» «Pay to Cum» von The Slits, Siouxsie und X- den Klassikern aus der Punk-Ära diese den Bad Brains wird in ähnlicher Weise umgedeutet: «An Ray-Spex?» kritzelte. Mit der Oberfläche mag das ein sehr maskulines Lied sein, aber «Take It, It’s Yours» fügen Männlichkeit – und unterstreichen so für mich geht es darin mehr um Freiheit. Du hast das Recht, Goodman und Morgan zu singen. Du hast das Recht, zu tanzen», sagt Goodman. dieser Geschichte nun die ihre radikale Haltung. Sie trafen eine Vorauswahl an Songs und reduzierten diese weibliche Sicht einer jün- schliesslich auf zehn Stücke von beiden Seiten des Atlantiks, geren Generation hinzu. In «Hast du mal ein gut aussehendes Girl gesehen, hübsch an- von den Wipers, The Replacements oder The Jam. «Unser einem Interview mit «Ame- gezogen, das mit seinem Hund die Strasse runterspaziert? Ansatz war: Zwei Schwestern schliessen sich auf dem Dach- rican Songwriter» fragten Und ihr Hund ist... intim mit ihrem Körper, sie mag ihn boden mit einem 4-Spur-Aufnahmegerät und einer Samm- sie sich, was die originalen und all das. Grundsätzlich ist es die Idee, dass ich mich lung von alten Punkplatten ein.» Künstler wohl von ihren In- mit ihr vereinigen möchte», erklärte Iggy Pop einmal das Für Punk-Puristen mag «Take It, It’s Yours» befremdlich terpretationen halten wür- Gefühl hinter «I Wanna Be Your Dog», dem bekanntesten und fast schon ein Sakrileg sein, weil Goodman und Mor- den. Goodman: «Ich würde Song der Stooges. Das Stück wurde unzählige Male geco- gan mit viel akustischer Gitarre, Keyboard, dezentem Bass gerne Glenn Danzig unser vert, darunter auch von Frauen wie Joan Jett oder Hole. und sparsamen Drums den Originalen durchs Band Ver- Misfits-Cover vorspielen.» Nur wenige Interpreten haben bis jetzt jedoch den Drang träumtheit, sanfte Girlgroup-Harmonien, manchmal auch Morgan: «Ich weiss, wo des Originals runtergedimmt und versucht, dem Lied eine Traurigkeit einhauchen. «Ever Fallen In Love» von den Danzig wohnt, und habe andere, sanftere Note zu geben – etwa die Französin Emi- Buzzcocks wird zur zurückhaltenden Herzschmerz-Ballade, schon oft vorgeschlagen, lie Simon mit ihrer pluckernden Elektronik-Variante von «Dreaming» von Blondie bekommt eine Ukulele-Spülung, mal bei ihm zu klingeln. 2003. Katy Goodman und Greta Morgan machen nun aus «Rebell Yell» von Billy Idol – wobei sie im Refrain Aber du lehnst immer einen Sonnenuntergang daraus. «Wenn man ihn verlang- «she cried» weglassen und ihn zu «with a rebell yell yell, ab. Wieso, Katy, wieso?» samt, merkt man, dass der Song viel poetischer ist, als ich more, more, more» verkürzen – wird mit fast schon Goodman: «Das ist gruse- ursprünglich dachte», sagt Morgan, «die Zeile ‹I’m ready ein Folksong, und der geschrummte Country-Rock bei Gun lig, Greta.» Morgan: «Auch to close my mind, I’m ready to feel your hands, lose my Clubs «Sex Beat» ist grandios. wenn wir einen Kuchen heart on the burning sand› ist einfach grossartig.» mitbringen?» Goodman: Für ihr Album «Take It, It’s Yours» haben Goodman und «ICH WEISS, WO DANZIG WOHNT» «Speziell, wenn wir einen Morgan zehn Punk- und New-Wave-Stücke neu inter- Kuchen dabei haben.» Ein pretiert. Katy Goodman hat als Mitglied der Vivian Girls Diese Klassiker, die im Orginal mit viel Testosteron und Kuchen und dazu «Where durchaus eine Punkvergangenheit, ihre aktuelle Band La manchmal auch mit Machogehabe daherkommen, so um- Eagles Dare» der beiden auf Sera mit Partner Todd Wisenbaker geht aber mehr Rich- zuwandeln, beweist in sich wieder eine radikale (Punk)-Hal- der Türschwelle – Danzig tung . Und auch Greta Morgan ist als Spring- tung. Gerade jetzt, da die Rolle von Frauen in der damaligen wäre bestimmt begeistert. time Carnivore vor allem im Pop unterwegs. Das Album Punk-Bewegung verstärkt zum Thema wird. Viv Albertine, Philipp Anz ist eine Erinnerung an ihre Tage als Punk-Girls an der High Gitarristin der Slits, protestierte kürzlich an der Ausstellung Katy Goodman & Greta Morgan: School und ein Dankeschön an ihre Vorbilder: «Wir lieben in der British Library in London zum 40. Geburtstag von «Take It, It’s Yours» (Polyvinyl) greta morgan, katy goodman thomas aeschbacher büne huber oli hartung adrian weyermann

EIN BERG VON LIEDERN an uns heran mit der Frage, ob man denn nicht gemeinsam Es war eine gute Idee, die sich zu einem einen Tribut einspielen wolle? Alle drei wollten wir. Rund zwei Jahre später – nach viel Arbeit, etlichen Meet- riesigen Projekt auswuchs: Den hollän- ings, Diskussionen und Debatten – war die Idee Realität geworden, in einem Ausmass, das uns selbst überraschte: dischen Pop-Juwelieren NITS ein Album 51 Coverversionen auf drei CDs namens «ISNT NITS», noch weitere fünf Tracks als digitaler Download namens mit Cover-Versionen von ausgesuchten «ISNT QUITE ENOUGH», dazu am 3. Mai 2014 eine grosse Plattentaufe auf der Pfauenbühne des Schauspiel- henk hofstede Stücken ihres grossen Katalogs schen- hauses. Wer hätte das gedacht? Wir jedenfalls nicht. ken. Der Mitinitiator erinnert sich. DER PLAN

Wer die Idee dazu hatte, ist im Nachhinein schwierig zu Auf dem Papier sah das einfach aus: Man nehme eine Aus- ermitteln. Kumpel und Gitarrist Oli Hartung und ich hat- wahl von Songs der NITS und spiele sie neu ein. Aber zu ten bereits mal darüber gesprochen, ob wir den mit uns be- welchem Zweck? Diese Songs, das war unsere Prämisse, freundeten Holländern nicht einen Tribut schenken sollten. sollten ein neues Aussehen erhalten, diese Songs, die seit Das Nachdenken blieb ohne konkrete Auswirkungen. Den 1978 entstanden, wir wollten ihnen neue Kleider und Anstoss gab dann Kollege Beda Senn, Musikberater bei Schuhe und ein neues Makeup verpassen, diese Songs neu Fernsehen SRF und NITS-Fan der ersten Stunde; er trat interpretieren, ohne ihre Seele zu verraten. Wir wollten das emanuela hutter ephraim salzmann mich gerber reza dinally

Zeitlose an ihren Pop-Juwelen aufscheinen lassen, gleichze- erhielten nur wenige Absagen. Dagegen kamen Leute mit itig aber auch die stilistische Bandbreite der Band aufzuzei- recht verwegenen Ideen an: Der Basler Singer/Songwriter gen und vertiefen. Baum wollte unbedingt mal mit der Schlagzeugtruppe Top Wie aber sollte das umgesetzt werden? Eine fixe Band mit Secret zusammenarbeiten und fand in «Radio Shoes» ein wechselnden Sängern? Oder dann jeder für sich im selb- gutes Vehikel. Top Secret, die man sonst eher vom Tattoo- stgewählten Studio, mit dem eigenen Engineer und den Spektakel her kennt, kamen so zu ihrem ersten Auftritt bei eigenen Musikern? Sollten wir nur die MusikerInnen ein- einer Pop-Produktion. Der Berner Akkordeonist Mario laden, von denen wir wussten, dass sie die NITS mögen Batkovic wollte ein älteres Stück der NITS als Solo-Num- oder sogar verehren? Oder sollten wir auch MusikerInnen mer interpretieren. Die Elektroniker Pixelpunks wollten aus anderen Generationen auf ihre Songs ansetzen? mit Marco Repetto aus Bern zusammenspannen und Franz All diese verschiedenen Varianten klangen verlockend, und Treichler von den Young Gods einladen. Andere Ideen und so entschlossen wir uns, alle auszuprobieren. Aus einem Versuche scheiterten, etwa wenn Leute, die anfangs zug- Plan wurden Pläne – mit der vagen Hoffnung, das Ganze esagt hatten, plötzlich nicht mehr wollten oder zu lange würde dann stilistisch, inhaltlich und handwerklich schon zögerten – diese wenigen Ausnahmen können aber beim zusammenwachsen, irgendwie. Umfang des Unterfangens nicht erstaunen. Nun ging es also an die Arbeit. Einerseits musste Geld bes- Oli hatte eine Session an unserem Lieblingsort, den robert jan stips chafft werden, andererseits ging es darum, Songs an Inter- Sound-Development-Studios in Zürich, organisiert und pretInnen zu vergeben. Wir kannten diejenigen, die selb- eine Ad-Hoc-Band zusammengestellt für die, die sich das stverständlich mitmachen würden, etwa Shirley Grimes, wünschten. Für alle anderen (und das waren auch wieder Hank Shizzoe, Mich Gerber, Gus MacGregor und Büne einige) mussten andere Lösungen gefunden werden. Huber. Zum Teil wussten die bereits, welchen Song sie ein- spielen wollten. Beda fragte seinerseits bei einer jüngeren DIE AUSWEITUNG Generation nach, etwa bei Reza Dinally, Big Zis, Rita Hey oder Stella Cruz. Bei einigen lösten die Anfrage eine ver- Bald schon wurde auch klar, dass wir uns nicht auf die blüffte Rückfrage aus: Wer sind die NITS, kenn ich die? Schweiz beschränken konnten: Wir baten die französische Aus der Verblüffung wurde meistens Begeisterung; wir bitte umblättern vera kappeler lena kiepenheuer fatima dunn fiona daniel

Gemischt wurde dann in Basel. Wer hatte bei dieser Fülle EIN BERG VON LIEDERN noch die Übersicht? Mir schien es während der Arbeit, dass – egal wie sorgfältig wir Listen ausfüllten – wir stets Chanson-Sängerin Françoiz Breut, den holländischen Su- einen Schritt hinter der Realität waren. Ein Wunder nur, perstar Henny Vrienten, den irischen Folk-Barden Luka dass es so wenige Doubletten gab; die drei Stücke, die dop- Bloom und die weltberühmte finnische Folk-Truppe Värt- pelt aufgenommen wurden, waren gewollt. Wir dachten, tinä um Beiträge. Sie alle hatten mit den NITS zu tun ge- es wäre reizvoll, den Überhit «In the Dutch Mountains» habt, in belgischen Fernsehkorridoren, auf französischen gleich zweifach anzubieten. Das rockige Brüder-Duo The und holländischen Konzertbühnen, und sie sagten alle Weyers aus Zürich stellte auf, spielte den Song dreimal zu. Auch der Zufall half: Auf Umwegen gelangten wir an durch, packte wieder zusammen und hinterliess eine Ver- die Neo-Bluegrass-Truppe Les Chercheurs d’Or, die «No sion, die Backsteinwände zum Erzittern bringen könnte; Man’s Land» ins Französische übertrugen. Da kamen ei- das finnische Frauentrio «Värttinä» übertrug den Song nige Sprachen zusammen: Englisch, Holländisch, Deutsch, in die eigene Sprache und das eigene musikalische Idiom ein wenig Italienisch und sogar ein paar Brocken Schweiz- und schichtete meisterhaft karelische Vokalharmonien erdeutsch. auf. Zwei Versionen, wie sie unterschiedlicher nicht sein rob kloet Der selbst gebundene Strauss war bereits bunt. Da began- könnten – wie passend für das Gesamtwerk der NITS in nen sich MusikerInnen via soziale Netzwerke zu melden: den letzten vierzig Jahren. Sie hätten von diesem Projekt gehört und möchten sich be- Irgendwann war Einsendeschluss, und wir sassen vor ei- teiligen, Bands aus Frankreich und England. Aus London nem (virtuellen) Berg von holländischen Songs in neuer In- meldeten sich etwa Cult With No Name, ein elektronisch- terpretation. Was tun? Eine Auswahl zu treffen, hätte viel es Duo, das die NITS als grosses Vorbild bezeichnet. Die Energie gekostet und nächtelange Diskussionen verursa- Arbeit an ihrem Stück zeigt auf, wie aufwändig sich das cht. Bis Oli als verantwortlicher Musikchef ein Machtwort gestaltete: Sie nahmen in London auf, dazu gab es aus Hol- sprach: Weil wir keine MusikerInnen blossstellen wollen, land Backing Vocals von Petra Lugtenburg, die bereits auf werde alles verwendet, was wir hatten. Pro Interpret ein dem Original der NITS gesungen hatte, während die St- Stück, das war die Regel. Dass aus diesem wilden Haufen reicher von Blaine Reininger in Athen eingespielt wurden. von Versionen zum Schluss ein mehr oder weniger zusam- mario batkovic nadja zela jüre schmidhauser hank shizzoe

menhängendes Album wurde, verdanken wir vor allem war für Beda, Oli und mich eine grosse Erleichterung. Wir unserem Tontechniker Darren Hayne. Und endlosem Her- hatten ihre tollen Songs verändert, verfremdet, ohne ihnen umgeschiebe der Lieder. Gewalt anzutun, sie in unbekannte Gefilde begleitet. In ein paar Fällen – so unsere bescheidene Ansicht – gelang gar DAS FINALE eine Steigerung des Originals. «Überwältigend», sagten die drei Holländer immer wieder. Ketzer könnten sagen aus Ende April 2014 sollte der Release stattfinden und gebüh- Höflichkeit, aber: Wir drei kennen sie als ehrliche Men- rend gefeiert werden – mit einem grossen Konzert in pas- schen, und sie strahlten um die Wette. sendem Rahmen. Zum Glück sagte uns das Schauspielhaus Auf diesen intimen Moment folgte noch der schillernde für den 3. Mai zu, die Pfauenbühne benützen zu dürfen Auftritt, NITS und ISNT NITS gemeinsam auf der Bühne. – mit den NITS und mit ein paar der MusikerInnen, die am Erstmals wollte technisch rein gar nichts funktionieren, «ISNT NITS»-Projekt teilgenommen hatten. der Soundcheck begann mit drei Stunden Verspätung und Wir dachten, der Rahmen sei für ein Fest gut, aber ei- war erst zehn Minuten vor Türöffnung des ausverkauften gentlich wollten wir den Herrn von den NITS das, was wir Schauspielhauses abgeschlossen. Auf den nervösen Anfang über bald zwei Jahre mit ihren Songs angestellt hatten, in folgte ein tolles Konzert von zwei Stunden, die sich anfüh- einem intimeren Rahmen zeigen. Und so luden wir sie und lten wie zehn Minuten. Ich selbst kam mir vor wie ein Teil eric facon einige Schweizer Musiker am Tag vor dem Konzert zu ein- eines Brautpaares, das seinen schönsten Tag im Schnell- er Listening Session ins Moods ein. Die Atmosphäre war durchlauf erlebt. Dass es wirklich toll war, weiss ich von andächtig, konzentrierter als an einem Konzert: 60 bis 70 den Erzählungen anderer Besucher, aber irgendwie hab ich Menschen hören gemeinsam Musik – entdecken das, was den Apéro verpasst. da erarbeitet wurde. Die Gecoverten, was aus ihren Stück- Würde ich, würden wir wieder so ein Projekt in Angriff en gemacht wurde, die Covernden das, was die andern nehmen? Sowieso, wenn es so herauskäme wie dieses hier. gemacht hatten. Es wurde eine dreistündige Fahrt durch ein paralleles Universum, durch die Welt der Nits, aber in Text Eric Facon verfremdeter Form – eben: Isnt Nits. Es kam an, es gefiel, Fotos Michel Gilgen sogar sehr, vor allem aber den Holländern selbst, und das Various Artists: «ISNT NITS» (Faze Records) KT_ZG_Atelier_Berlin_85x90_ZentralCH_Ati_NY_85x90 19.08.16 17:09 S

Ausschreibung ZUGER ATELIER in BERLIN für den Zeitraum Januar bis Dezember 2018 Professionelle Kunstschaffende aller Sparten aus dem Kanton ZUG können sich um einen mehrmonatigen Aufenthalt im Zuger Atelier in Berlin bewerben. Die Zusprechung umfasst die unentgeltliche Benützung des Wohnateliers sowie einen Lebenskostenzuschuss. Anmeldeformulare und Teilnahmebedingungen: www.zg.ch/kultur Direktion für Bildung und Kultur, Amt für Kultur, Baarerstrasse 19, 6300 Zug 041 728 39 65 • [email protected] Anmeldeschluss: Mittwoch, 12. Oktober 2016 (Eintreffen im Amt für Kultur des Kantons Zug) KT_ZG_Atelier_Flex_85x90_ZentralCH_Ati_NY_85x90 19.08.16 17:10 Se

Ausschreibung ATELIER FLEX

Photo: Christie Goodwin Professionelle Kunstschaffende aller Sparten aus dem Kanton ZUG können sich um das Reisestipendium Di 25.10.16 20.00 Uhr Hallenstadion Zürich (Club) 'Atelier Flex' bewerben. Destination(en) und Dauer des Einziges Konzert in der Schweiz Aufenthalts sind frei wählbar. Es gibt keine Betreuung vor Ort, auch Unterkunft oder andere Räumlichkeiten werden durch die Kunstschaffenden selbst organisiert. VERANSTALTER: AllBlues Konzert AG www.ticketcorner.ch www.allblues.ch in Zusammenarbeit mit Ishtar Music Anmeldeformulare und Teilnahmebedingungen: www.zg.ch/kultur Direktion für Bildung und Kultur, Amt für Kultur, Baarerstrasse 19, 6300 Zug 041 728 39 65 • [email protected] Anmeldeschluss: Mittwoch, 12. Oktober 2016 (Eintreffen im Amt für Kultur des Kantons Zug)

KT_ZG_ZentralCH_Atelier_Berlin_85x90_ZentralCH_Ati_NY_85x90 19.08

Ausschreibung ZENTRALSCHWEIZER ATELIER in BERLIN für den Zeitraum Februar 2018 bis Januar 2019 Professionelle Kunstschaffende aller Sparten aus den Kan- tonen LUZERN, NIDWALDEN und URI können sich um einen viermonatigen Aufenthalt im Zentralschweizer Ate- lier in Berlin bewerben. Die Zusprechung umfasst die un- entgeltliche Benützung des Wohnateliers sowie einen Lebenskostenzuschuss. Anmeldeformulare und Teilnahmebedingungen: www.sz.ch/kultur (Rubrik Kulturförderung, Unterru- brik Auslandateliers) Zentralschweizer Atelier Berlin, Geschäftsstelle, c/o Kulturförderung Kanton Schwyz, Bahnhofstrasse 20, Postfach 2202, 6431 Schwyz 041 819 19 48 • [email protected] Anmeldeschluss: Mittwoch, 12. Oktober 2016 (Poststempel) AB 8. SEPTEMBER IM + ascot-elite.ch IN DER FALL-FALLE The-Fall-Diktator Mark E. Smith hat für seine Verehrer nur Verachtung übrig. Doch manchmal bleibt auch der Meister sprachlos.

The Fall, sagte ihr grösster Fan, BBC-Radio-DJ , seien jene Band, an der sich alle andern Bands zu messen hätten. Klarer Fall also, dass Legionen von Bands dieses Diktum beherzigten und dem The-Fall-Diktator Mark E. Smith auf mehr oder weniger schlaue Weise die Stirn bie- ten wollten. In jüngster Zeit waren das etwa die Londo- ner Rotzlöffelrocker Fat White Family mit «I Am Mark E. Smith», einer unverschämten Anspielung auf The Fall’s eigene Can-Hommage «I Am Damo Suzuki», und der rast- lose Yorker Strassenbarde Mark Wynn mit «Rip Off The Fall»; schäbiger, direkter, unverfrorener gehts nicht. Ein Kriterium für eine halbwegs gelungene Fall-Hommage erfüllen beide: Man muss auf jeden Fall ein Frechdachs sein, um sich mit dem grossen Musikakkordarbeiter und unheimlichen Geist aus Manchester anzulegen. Selbstver- ständlich darf man nichts erwarten: nicht die Achtung des Fanpublikums, das Epigonen bestenfalls schulterzuckend amüsiert zur Kenntnis nimmt, und todsicher nicht den Ap- plaus vom Meister, denn der hat für seine Verehrer nur Ver- achtung übrig. Legendär ist seine Meinung zu Pavement: mark e. smith Ihre Musik sei «nichts anderes als The Fall von 1985», sie hätten «keine einzige originelle Idee in ihren Köpfen». standen auf Initiative der hübsch countryeske Banjo-Erzählung «The Story of The Nicht besser erging es Sonic Youth, die ihre Peel-Session Darmstädter Band Wood Fall». Der New Yorker Anti-Folker und Comic-Zeichner mit Fall-Coverversionen bestritten: Thurston Moore «soll- Riots angeblich nach einer Lewis ist für seine Fall-Obsession bekannt: Er schrieb be- te die Rocklizenz entzogen werden», schimpfte Smith. Das Grillabend-Idee zusam- reits den Song «Annoying Fall-Fan Boyfriend» und ver- war immerhin eine Variation seines Standardsatzes zu den men mit der San-Francis- packte 100 Fall-Songs in eine Zeichnung. Als Fall-Fans meisten Britpop-Bands, wonach sie sich «einen anständi- co-Songwriterin Barbara outen sich auch Szenegrössen wie der Swell-Maps- und gen Beruf suchen sollen». Manning («Mark E. Smith TV-Personalities-Bassist Jowe Head und Harry Rag mit der & Brix») und der Londo- legendären deutschen Postpunkband S.Y.P.H, mit jeweils RESPEKT UND UNBEKÜMMERTHEIT ner Band I, Ludicrous, die eigenwilligen Versionen der Fall-Klassiker «Choc-Stock» in der Gemeinde als ewig und «Fiery Jack». Besonders beeindruckend verarbeiteten Dass Dutzende ambitionierte Indierockbands und räudi- beste Fall-Supportband die FSK-Musiker Michaela Melian und Carl Oesterhelt ge Vintage-Garagenrocker diese Warnungen in den Wind hohes Ansehen geniesst. und der Popautor Klaus Walter ihr Fall-Wissen: Erstere mit schlagen und das aussichtslose Unterfangen wagen, hat Abgesehen von einigen einer in Stein gemeisselten elektronischen Verdichtung ei- gute Gründe. Zum einen können sie, wenn sie es einiger- missglückten Beispielen, die nes typischen Fall-Beats der Grotesque-Phase, Zweiter mit massen gewitzt probieren, ihren Coolness-Faktor erhöhen gnadenlos offenbaren, dass der hinterhältig-surrealistischen Erzählung «Ich habe ge- und mit der Aufmerksamkeit des vielköpfigen Fall-Publi- ein wenig Genuschel und träumt ich wäre Neckermann quälen mit Mark E. Smith». kums rechnen. Zudem können sie darauf verweisen, dass Geschrummel längst nicht der Meister selber keine Scheu hat vor bezeichnenden Son- dem Massstab genügen, «SOUTHERN MARK SMITH» ginterpretationen etwa von den Sonics, Monks, Captain finden sich in dieser Schatz- Beefheart, Saints und sogar Beatles («A Day in the Life»). kiste erstaunlich viele er- Das deutsche Tribute-Doppelalbum steht in der Sammlung Und dass mancher Chart-Hit von The Fall auch eine Co- freuliche Fall-Hommagen, berechtigterweise neben den Originalen. Und neben den verversion war, allen voran «Victoria» (The Kinks) und darunter sogar solche von Alben früherer Fall-Musiker wie Marc Riley (Creepers) «There’s A Ghost In My House» (R. Dean Taylor). Freilich einem Neuseeländer (Chris und Martin Bramah (Blue Orchids). Riley, heute bekannt können die Nacheiferer das Wettrennen mit dem Teufel – Knox, Ex-Tall Dwarfs) und als BBC6-Moderator, hat Smith nach seinem Rauswurf bei Gene Vincents «Race With The Devil» ist Smiths erklärter einem Halb-Zürcher (Phil The Fall zwei köstliche Songs gewidmet: «Jumper Clown» Lebenssong – niemals gewinnen. Doch manche von ihnen Hayes, mit Knarf Rellöm und «Shadow Figure», letzteres ein berührend sarkasti- können den Teufel auf ihre Seite holen: M.E.S. lässt sich und DJ Patex). sches Klavierstück, in dem Smith als Vaterfigur und könig- durchaus auf waghalsige Kooperationen ein, siehe etwa Selbstverständlich enthal- liche Hohheit besungen wird, die einen schliesslich verrät mit Gorillaz, Mouse On Mars (Von Südenfed), Inspiral ten sind auch die hierzu- und verkauft. Weiter ging nur, ebenfalls schon 1984, der Carpets, Coldcut, Elastica, Long Fin Killie oder Edwyn lande berühmtesten Vernei- Südengländer Pat Fish alias Jazz Butcher, der in seinem ab- Collins. gungen vor Smiths Werk: surden Szenehit «Southern Mark Smith» davon sang, wie Wer nicht so nah rankommt, dem bleibt die Verehrung Tocotronics witziges Ein- «Tausende im Regen anstehen, um den Papst zu treffen». aus der Ferne. Mit dem nötigen Respekt und Fan-Wissen, Minuten-Bekenntnis «Ich Mit feiner Ironie und wohl wissend, dass es den Ultra- aber eben auch mit der unabdingbaren Unbekümmertheit habe geträumt, ich wäre Northerner M.E.S. im Süden nie geben kann. Der Meister, kann das zu interessanten Resultaten führen, wie die 2004 Pizza essen mit Mark E. der andern schon mit Schlägen drohte, blieb in diesem Fall herausgegebene Compilation «Perverted by Mark E. – A Smith» (das musikalisch sprachlos. That’s the way to prove your love to The Fall. Tribute to The Fall» (ZickZack) belegt. Die 29 Annähe- eher den Fehlfarben gerecht rungen, ob Coverversionen oder Eigenkompositionen, ent- wird) und Jeffrey Lewis’ Marcel Elsener ÜBER MUSIKER vers» gegen Polo National Wenn Liedermacher, Sänger und Produ- angetreten. Genützt hats wenig: Der Berner Rock zenten in den Werken anderer Künstler und der Matter-Boom wa- ren nicht zu stoppen, und auftauchen, ist das ein Zeichen von auch wenn Ersterer mittler- weile etwas gichtig gewor- Respekt. Oder eine Warnung. den ist, wird Mani Matter nach wie vor auf allen Ka- nälen rezykliert. Zum 80. Eugen Geburtstag kommt nun die «Lied für Mani» (1992) nächste Matter-Hommage- CD, diesmal mit jeder «Es isch e emau e ma gsi // isch gläge im sarg // är het dr Menge Hip-Hoppern oder fride gnosse // bis amne schöne tag // si afa hei holleie // us auch Evelinn Trouble. Wie sirache schuderbar // uf sim grab heise tanzed // wie wenn sang doch Rämi: «U niemer chiubi wär.» Eugens 1992 erschienenes «Lied für Mani» het ne ghört // wie är rüeft war nicht nur eine Ehrerbietung an den grossen Berner ‹losed zue! // höred mit däm Troubadour, sondern auch ein Schmählied gegen all jene, gschrei uf // löt mi in Rue›». die die Matterschen Lieder auf dem im gleichen Jahr ver- Ob aus aktuellem Anlass öffentlichten Sampler «Matter-Rock» und anderswo oft auch das «Lied für Mani» wenig subtil verrockten. wieder veröffentlicht wird? Kurze Rückblende: Die frühen Neunzigerjahre waren fest in der Hand der Berner Rocker, die nach Stammvater Ho- Sam Mumenthaler fer neuerdings im Jahrestakt mit Nachwuchstalenten auf- warteten. Polo, Kuno, Büne spielten auf allen Kanälen – p.f. sloan Jimmy Webb «Himuheilandtonner!» betitelte gar das «Tagi-Magi» seine «P.F. Sloan» (1970) «Erfolgsstory Berner Rock», und ausser berndeutsch hörte man im Jugend-Dudel-Funk kaum mehr einen Schweizer «I have been seeking P.F. Sloan / But no one knows whe- Dialekt. Das nahm man in Üsser-Bern zunächst gelassen, re he has gone», sang Jimmy Webb auf seinem offiziellen schliesslich hatte Zürich den urbanen Coolnessfaktor, und Debüt «Words and Music» (1970). Im Stück mit dem na- in den Nischen der international vernetzten Grenzkantone heliegenden Titel «P.F. Sloan» wundert sich ein Songwriter blühten farbige, innovative Szenenbiotope. über den Verbleib des anderen. Ende der 60er-Jahre hatten Mani Matter, der 1972 verstorbene Meister des raffinier- sich die zwei längst einen Namen als Hitschreiber gemacht: ten Chansons im Berner Dialekt, war keine lokale, son- Während «By The Time I Get to Phoenix» (Glen Camp- dern eine nationale Figur mit Liedern, die insbesondere in bell) und «Up, Up and Away» (The 5th Dimension) aufs den Kinderzimmern der Deutschschweiz leidenschaftlich Konto von Webb gingen, zählten «You Baby» (The Turtles) gehört und nachgesungen wurden. Von Schaffhausen bis und der Protestsong «Eve of Destruction» (Barry McGuire) Visp rotierten seine EPs und Langspielplatten. Dass die zu den Errungenschaften von P.F. Sloan, eigentlich: Philip Berner Rocker nun auch noch die in ihrer Schlichtheit per- «Flip» Schlein. fekten Matter-Chansons hemmungslos okkupierten und Die beiden US-Amerikaner fühlten sich auch durch ihren unter Starkstrom setzten, stiess nicht überall auf Anklang. gemeinsamen Traum verbunden: Sowohl Webb als auch Das Mass schien voll: Es gab Kleber mit der Aufschrift der ein Jahr ältere Sloan – der zeitlebens darauf beharr- «Kauft keine Berner Tonträger», und bald erschien Eugens te, den Jinge-Jangle-Sound der Byrds erfunden zu haben stiller Protestsong «Lied für Mani», in dem Rämi zur Pfad- – wollten rasch nicht mehr bloss komponieren, sondern findergitarre scheinbar unberührt und im monotonen bern- ihr Material auch vertonen. Ein Wunsch, der bei den Plat- deutschen Singsang seinem Ärger Luft machte. tenfirmen auf Widerstand stiess. Dennoch gelang es beiden Nicht nur in Schaffhausen, auch in Zürich war man die Künstlern, Alben unter ihrem eigenen Namen zu veröf- Berner Dauerbeschallung leid: Schon 1990 hatten sich Baby fentlichen. Doch als auch «Measure of Pleasure» (1968), Jail Hippieperücken übergestülpt und waren als «Polo Lo- der dritte Soloversuch von Sloan, von der Öffentlichkeit ignoriert wurde, fiel der Musiker von der Rolle. Anfang der 70er-Jahre war er mittellos, denn aufgrund rechtlicher Auseinandersetzungen wurden seine Tantiemen gesperrt; also lebte er auf der Couch von Freunden. «Als ich den Song erstmals hörte, stand ich auf dem Sunset Boulevard vor einer Fressbude und wollte mir gerade ein paar Cents für einen Hot Dog erbetteln», erinnerte sich der im letzten November verstorbene Sloan in einem Interview mit Mu- sikkritiker Richie Unterberger. «Mein Gedanke? Dass Gott lebt und sich meiner erinnert.» Trotz der schönen Geschichte entpuppte sich das wehmü- tige «P.F. Sloan» nicht als Hit, weder in der Fassung von Webb noch in jener von The Association, welche Sloan am Hot-Dog-Stand entgegengeschallt war. Erst in den 90er-Jahren gelang es ihm, sich wieder in Erinnerung zu rufen – kraft seiner Kompositionen, aber auch dank der Langlebigkeit von «P.F. Sloan», einem Song, der über die mani matter Jahre von Musikern wie Jennifer Warnes, Jackson Brow- ne oder Rumer gecovert Haggard später sagen: «Als er die Bühne verliess, war je- wurde. Übrigens: Kurz vor der einzelne im Saal ein Johnny-Cash-Fan geworden.» In seinem Tod veröffentlichte seiner Strophe von «Missin’ Ol’ » sing Hag- P.F. Sloan seine Memoiren: gard: «Johnny Cash never did no time» – die Überliefe- «What’s Exactly the Mat- rung, Cash sei selber im Gefängnis gesessen, sei Legende. ter With Me? Memoirs of Davon abgesehen tragen Nelson und Haggard ihren Teil a Life in Music» (Jawbone zur postumen Legendenbildung bei. In den gesprochenen Press). Teilen des Songs erzählen sie, wie Cash, und Michael Gasser Rose Maddox in einer Limo Hotdogs gebraten hätten, oder wie Cash einen Sarg mit in sein Hotelzimmer nahm, beim Room Service anrief und dann rasch in den Sarg klet- / terte. Vermutlich hätten Willie Nelson und Merle Haggard ge- «Missin’ Ol’ Johnny nügend Anekdoten für ein ganzes Album gehabt. Viel- Cash» (2013) leicht kommt von Willie ja noch ein Sequel.

Vor drei Jahren erschien Susanne Loacker «», das sechste und letzte Duett- Album der Country-Le- Daft Punk genden Willie Nelson und «Giorgio by Moroder» (2013) Merle Haggard. Ein Jahr später war Haggard tot. Wenn die Fans berühmter werden als ihr grosser, doch Die Zusammenarbeit der beinahe vergessener Held, dann ist es angezeigt, sich bei beiden Musiker war kein diesem zu bedanken – für die Pionierarbeiten, für den Ein- Wunsch einer Plattenfirma, fluss, für die Musik. Zu diesem Zweck kann man diesen sondern das Resultat einer einladen für die neue Plattenproduktion – und der alte Freundschaft, die über 50 Held darf dann einen Hook, eine Bridge oder einen Re- Jahre währte. Auf dem Al- frain beisteuern, aber meistens geschieht das ziemlich un- bum verneigen sich die bei- spektakulär. Doch unspektakuläre Angelegenheiten sind den, zu diesem Zeitpunkt nicht die Domäne von Daft Punk. Und so ist denn auch selber 82 und 78 Jahre alt, der Track «Giorgio by Moroder», den die beiden behelm- vor Grössen, die sie musikalisch geprägt haben. Der Titel- johnny cash ten Franzosen mit und für ihren Helden Giorgio Moroder song: eine Ode an Django Reinhardt und Jimmie Rodgers. produziert haben, alles andere als unspektakulär. Johnny Cash hingegen hat allein einen ganzen Song erhal- «Als ich in Paris war, haben sie mich plötzlich angerufen: ten. Nelson hat ihn geschrieben, sicher ein nicht nur ein- Ich soll doch bitte ins Studio kommen und einfach mein faches Stück Arbeit. Lüpfiger Sound und ironischer Text Leben erzählen. Das hab ich gemacht, zwei Stunden lang», täuschen nur teilweise darüber hinweg, dass Nelson Cash erzählte der Südtiroler später in einem Interview mit der nicht nur vermisst: Von der Supergroup The Highwaymen «Süddeutschen Zeitung». Und weiter: «Ich konnte mir lebt nur noch die Hälfte. Waylon Jennings starb 2002, nicht vorstellen, was sie machen wollten, sie haben mir Cash ein Jahr später. Nelson und Kris Kristofferson (80) es auch nie gesagt.» Was sie dann machten, war das: Sie treten nach wie live auf. schnipselten dieses zweistündige Gespräch zu einem zwei- Auch Merle Haggard verbindet eine lange Geschichte mit minütigen Monolog zusammen, in dem sich der heute Johnny Cash. 1958 trat Cash zum ersten Mal in einer 76-jährige Disco-Pionier an seine musikalischen Anfänge geschlossenen Anstalt auf, im kalifornischen Hochsicher- erinnert, an seinen Traum, Musiker zu werden, und alle heitsgefängnis San Quentin. Haggard, damals 20, erlebte Widerstände zu überwinden, «because all I really wanted gerade, wovon so viele Country-Sänger bloss singen: Er to do is music – and not only play music, but compose sass im Knast. Nicht zum ersten Mal. Zu 15 Jahren war music», wie er im Track in schön gebrochenem Englisch er verknurrt, kam aber nach zwei Jahren frei. Es folgten erklärt. Und so fuhr Giovanni Giorgio, der von seiner 38 Nummer-eins-Hits. Über das Konzert von Cash sollte Mutter Hans-Jörg genannt wurde, in die spriessenden Dis- kotheken Deutschlands. Die Nächte verbrachte er in sei- nem Auto, «because I didn‘t want to drive home and that helped me for about almost two years to survive in the be- ginning». Als er dann sein erstes Album einspielt, wollte er die Zeitachse sprengen, und Zukunftsmusik machen. Und dann kam der Synthesizer ins Spiel. «I knew that it could be a sound of the future but I didn‘t realise how much the impact would be.» Erst dann stellt er sich vor: «My name is Giovanni Giorgio, but everyone calls me Giorgio.» Und die Synthielinie kickt rein. So geht das also: Reverenz erweisen, Musik- und gleich- zeitig eine Lebensgeschichte erzählen, und als es Moroder zum ersten Mal gehört hat, war das «dann schon sehr emotionell. Und es hat mir gut gefallen.» Doch es bleiben noch zwei Fragen: Ist denn «Giorgio by Moroder», das auf Daft Punks «Random Access Memories» zu finden ist, auch ein grosses Stück Musik, nachdem Giorgio seinen Monolog beendet hat? Nein, denn statt weiter die Synthies zu bedienen, packen die Franzosen mithilfe einer luxuriös besetzten Band den Bombast aus, vor dem auch Discokö- nig Moroder in einer Vielzahl seiner Arbeiten nicht gefeit war. Und aber auch: Kamen die beiden ohne Helm zum ersten Treffen? «Jojo, ohne Masken.» giorgio moroder Benedikt Sartorius www.garedelion.ch GARE Silostrasse 10 Lieferschein LS 3 LIVE SALZHAUS

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La Femme Joseph L.A. Salami Jack & Amanda Angel Olsen Mystère I’m Alone, No You’re Dancing With Palmer My Woman (Disque Pointu) Not Bad Grammar: You Got Me Singing (Jagjaguwar/Irascible) (ATO Records/MV) The Director’s Cut (8ft. Records) Neues Album von einer (Sunday Best/MV) Mit dem kurzen Video «In- der spannendsten aktuellen Der Opener klingt nach Bas- Erst spät haben Amanda tern» kündigte Angel Ol- Bands der französischen kery, die Neko Case eingela- Lookman Adekunle Salami Palmer und ihr Vater Jack sen ihr drittes Album (plus Szene, die vor allem live den haben. Dann gehts flott heisst wirklich so, schliess- zueinander gefunden. Die eine Debüt-EP) an. Darin grossartig ist. 2010 gegrün- in Richtung Fleetwood Mac lich: Was gäbe es schon für gemeinsame Liebe zur Mu- gibt sie sich als Super- det, stammen La Femme und weiter zu Florence & einen Grund, sich einen sik war dabei sicher förder- star mit silberner Perücke eigentlich aus dem Bade- The Machine. Und weil das solchen Namen zu geben? lich. Bei einem Konzert in und schaut kokett in den ort Biarritz, sind allerdings ein bisschen schnell geht, Das sagt der Musiker in seiner Heimatstadt bat sie Schminkspiegel. «Die Perü- schon länger in der Haupt- fangen wir noch mal von Interviews. Der 29-Jährige, den passionierten Chorsän- cke war ein Wink an Bowie stadt ansässig. Ihr exzellen- vorne an. Joseph bilden die der als L.A. Salami auftritt, ger auf die Bühne, um mit und Glam Rock», sagt die tes Debüt «Psycho Tropical Schwestern Allison, Mee- ist ein Spätzünder wider ihm einen Leonard-Cohen- 29-Jährige. Glam-Country Berlin» hatte ich vor zwei gan, and Natalie Closner Willen. Seine erste Gitarre Song zu singen. «Das fühl- hätte sie sich anfänglich Jahren an dieser Stelle ge- aus Oregon. «I’m Alone, erhielt der in Südlondon te sich an, als ob eine alte als Richtung für «My Wo- bührend gefeiert. Damals No You’re Not» ist ihr ers- aufgewachsene Brite, der Wunde endlich heilen wür- man» vorgenommen. Wie- heimsten La Femme auch ter Longplayer, der über die schon früh eine Affinität de», erinnert sie sich. Die der ein Schritt weiter in der einen Victoire, den franzö- industrielle Verwertungs- für Dylan entwickelte, zum Triebfeder zum gemeinsa- facettenreichen Entwick- sischen Grammy, als beste kette erscheint. Und eben: 21. Geburtstag geschenkt men Album war denn auch, lung von Olsen, die auf Nachwuchsband ein. Mu- Sie halten sich nicht lange in – zu einer Zeit, als L.A. Sa- miteinander Zeit zu ver- «Half Way Home» mit kar- sikalisch steht die Band in einem Genre auf, sondern lami obdachlos war. Keine bringen. Amanda sang und gem Folk begann, dann auf der Tradition der franzö- marschieren querfeldein. drei Monate später hatte er spielte Piano und Ukulele, «Burn Your Fire For No sichen Cold-Wave der frü- Tegan and Sara (um mal seinen ersten Song beisam- der 72-jährige Jack spielte Witness» mit elektrischer hen 80er mit Gruppen wie bei Schwestern-Bands zu men. Als ihn Lianne La Ha- Gitarre und liess seinen an Gitarre, Rock und Garage Charles De Goal oder Taxi bleiben) entwickelten sich vas 2012 zu ihrem Opening Johnny Cash erinnernden einen Zacken zulegte und Girl, aber auch Stereolab während eines Jahrzehnts Act erkoren hatte, rückte Bariton in einer Reihe von nun mit Begleitband in die und die Berliner Stereo To- von Folk über Power-Pop L.A. ins öffentliche Be- vorzüglich ausgewählten Sechziger und Siebziger, zu tal fallen einem ein. zu Stadionstampfern; Jo- wusstsein und auch in jenes (Folk-)Songs erklingen. Classic Rock und Country Auf «Mystère» mischt die seph erledigen das auf ei- der Modewelt: 2014 arran- Allen voran «You Got Me reist. Das rollt angriffig auf vielköpfige Band erneut ei- nem Album. Die Stimmen gierte Burberry eine Acou- Singing», eines der Cohen- «Shut Up Kiss Me», wo Ol- nen rasanten Cocktail aus und die Harmonien der drei stic Session für ihn. Jetzt Stücke, die sie zusammen sen nahe am Schreien mit Post-Wave und French Pop, Schwestern machens mög- veröffentlicht L.A. Salami gesungen hatten. Die ande- der Aufforderung «Hold Sixties und Surfgitarren, In- lich. Und Produzent Mike sein Debüt. Sein Flair für ren Covers reichen vom tra- me tight!» zupackt. Das die-Pop, Nouvelle Chanson, Mogis (Bright Eyes und all den Sound der Sixties und ditionellen Folktitel «Skye Titelstück und «Sister» hin- Soundtrackmusik und Cold- die anderen Saddle-Creek- Seventies ist unüberhörbar, Boat Song» bis zu Sinead gegen nehmen sich mit fast Wave an. Moderner Pop Acts) weiss den Bogen von dennoch stecken die Songs O’Connors «Black Boys acht Minuten Laufzeit alle trifft auf Vintage-Sounds, der Graswurzel bis zum nicht in der Vergangenheit on Mopeds». In Richard Ruhe dieser Welt, um die wobei es La Femme verste- Sternenhimmel eines Clubs fest, im Gegenteil. L.A. Sa- Thompsons «Vincent Black Liebe zu erforschen. Angel hen, nicht im sturen Retro zu schlagen. Das Resultat lami bedient sich bei Folk, Lightning 1952» ergänzen Olsen hat eine Stimme, die zu bleiben. Auch wenn ein sind ein paar tolle Ohr- Blues und Beat Poetry und sich die Stimmen von Vater immer alles offenlegt, und Track wie das wunderba- würmer («SOS», «Blood lässt auch den Hip-Hop nie und Tochter perfekt. John ist eine famose Songwrite- re «Ou va le monde» – ein & Tears», «White Flag»). ganz ausser Acht. Die 15 Grants «Glacier» zählt für rin. «Es braucht viel Mühe, Bastard aus Morricone-Spa- Andere Stücke – namentlich freundlichen und forschen- mich zum Bewegendsten, jemanden zu finden, der ghetti-Western-Motiv und die langsameren mit viel den Stücke verhehlen nicht, was die Palmers hier bieten. Angel Olsen nicht respek- Post-Wave – das nahelegen Uh-Uh-Uh – hätten wohl dass der Musiker Autodi- «You Got Me Singing» ist tiert», konstatiert «Drow- mag. Dem Ohrwurm steht mehr Charme, wären sie im dakt ist: Der Melodien sind ein faszinierendes Album ned in Sound». «My Wo- das hektische «Tatiana» ge- Brockenhaus-Stil gehalten, angeraut, die Musik über- über die heilende Kraft der man» sollte auch die letzten genüber. «SSD» wiederum den das Trio noch vor zwei bordend und vor allem un- Liebe. Das Coverfoto, es Zweifler überzeugen, dass feiert das Multi-Kulti-Quar- Jahren pflegte. Doch die mittelbar. Nicht bloss eine zitiert Bob Dylans «Brin- wir es mit einer grossen tier Strasbourg Saint-Denis, Closner-Schwestern wollen Entdeckung, sondern eine ging It All Back Home», Künstlerin zu tun haben. wo sich auch das Label der jetzt Popstars sein, und wir Offenbarung. zeigt die einst Entfremdeten Band befindet. Eine sehr wünschen ihnen viel Glück friedlich vereint. Jack hält anz. schöne Platte. dabei. mig. seinen Enkel im Arm. tb. ash. tl. DIE NEUEN PLATTEN

Sin Fang Slow Club Hannah The Michael Spaceland One Day All Epperson Monochrome Kiwanuka (Morr Music) of This Won’t Upsweep Set Love & Hate Matter Anymore (Listen Records/Godbrain) Cosmonaut (Polydor) Das vierte Album des Islän- (Moshi Moshi) (Tapete Records) ders Sindri Már Sigfússon, Geboren in Salt Lake City, Seit dem hochgelobten De- kurz Sin Fang, ist recht un- Rebecca Taylor und aufgewachsen in Vancou- Nachdem unlängst erst ein büt «Home Again» ist viel gewöhnlich für den Musi- Charles Watson begannen ver, sieht sich Hannah Ep- verspäteter Best-Of-und- geschrieben worden über ker. Kein elfenhafter, schrä- 2006 als Antifolk-Duo in person in mehreren Welten Raritäten-Sampler erschie- den 28-jährigen Singer/ ger Island-Pop, sondern so Sheffield. Seither haben die zuhause. Das gilt auch für nen ist, folgt nun endlich Songwriter aus London. etwas wie die Annäherung beiden mit jedem neuen ihre Musik, die manchmal ein neues Werk dieser Seine Kompositionen, die des gerne etwas skurrilen Album musikalische Rich- dem Pop, manchmal dem besten aller unbekannten folkig-jazzigen Arrange- Electro-Pops an – tja, wirk- tungswechsel, wenn auch Neo-Klassischen zuneigt. britischen Post-Punk- oder ments, die warme Tenor- lich – US-amerikanischen nicht zu radikal, und Wei- Konsequenterweise lebt Indie-Pop-Bands. The Mo- Stimme, der scharfe Blick R&B. Klingt durchaus terentwicklungen von In- die Künstlerin, die an den nochrome Set, gegründet sind verglichen worden mit interessant, gelegentlich diepop bis Soul vollzogen. Frisbee-Weltmeisterschaf- von Sänger Bid Ende der Bill Withers, Terry Callier aber, zum Beispiel bei Für ihr viertes Werk «One ten 2015 für Kanada im 70er in London, machte und dem Otis Redding von «Lost Girls», auch wie die Day All of This Won’t Einsatz stand, die Dualität damals rasch mit arty Pop- «(Sitting On) The Dock of leicht anämische Fassung Matter Anymore» sind auch auf «Upsweep» aus. songs auf sich aufmerk- the Bay». Jetzt kehrt er mit der schwarzen Brüder und sie ins Spacebomb-Studio Das Debüt bietet fünf der sam. Alben wie «Strange einem selbstbewussten Al- Schwestern der US-Ausga- von Matthew E. White im elf Songs gleich zweimal, Boutique» und «Love bum zurück, voller starker be – da hätte man sich doch amerikanischen Richmond dazwischen steht ein In- Zombies» sowie Songs wie Melodien, mit berühren- mehr Groove gewünscht. gereist und liessen sich von terlude, in dem eine ältere «The Jet Set Junta», «He’s den Texten, präzisem Spiel, Was auch am recht dünnen der dortigen Hausband be- Damenstimme wissen will: Frank» oder «The Ruling opulenten Arrangements Stimmchen von Herrn Sin gleiten. Es ist ein ruhiges «Warum bin ich von dieser Class» sind Klassiker bri- und knackiger Produktion. Fang liegt. Männlicher Elf und bedächtiges Album Geschichte abgewichen?» tischen Pops, Musterbei- Die übernahm Brian Bur- trifft auf den toughen Stuff. geworden mit Blues- und Statt zu antworten, beginnt spiele dessen, was die Bri- ton alias Danger Mouse. Da hilft es dann schon, Country-Einflüssen, das Epperson ihren Liedzyklus tin gerne «sophisticated» Kiwanugas Talent strahlt wenn KollegInnen mit ans aber in den Texten auch von vorne und rückt die nennt. Gemerkt haben das auch auf Breitleinwand. Die Mikro dürfen und ihn un- Widerhaken aufweist. Tay- Songs weg vom elektrifizier- all die Jahre freilich leider intensiven Grooves und üp- terstützen. Wie etwa Soley, lor und Watson teilen sich ten Pop und hin zum Redu- nur wenige Fans, einige pigen Streicher von «Love die einst auch mit Sin Fang den Leadgesang auf und zierten; hier darf ihre Geige Kritiker und andere Mu- & Hate» scheinen zum Teil bei der Band Seabear mit- gehen dabei unterschied- eine weitaus relevantere siker, die in Monochrome aus einer Marvin-Gaye- wirkte und hier bei «Never liche Wege: Taylor liefert Rolle spielen. Die Kompo- Set Vorbilder sahen. Na- Session der frühen Siebziger Let Me Go» mit von der die emotional aufwühlen- sitionen der ausgebildeten mentlich Morrissey, Edwyn zu stammen. Diese Motive Partie ist. Oder Sängerin den Momente, während Humangeographin drehen Collins, Neil Hannon (Di- prägen die urbane Eleganz Jófridur Akadóttir beim Watson mehr Sanftheit sich um drei Charaktere vine Comedy) oder Franz des epischen, zehnminüti- abschliessenden «Down», einstreut. Mit «In Waves» und deren unterschiedliche Ferdinand – ein durchaus gen Eröffnungsstücks «Cold die noch mal eine Spur El- gelingt ihnen auch min- Realitäten. Man ahnt rich- respekatbles Sample. Little Heart», das aufwüh- fenhaftigkeit reinbringt. destens ein Hit. Im sehens- tig: Die Musikerin hat eine Immerhin haben Bid & lende «One More Night» Bei der Singleauskopplung werten Videoclip dazu setzt Schwäche für Vertracktes. Co all die Jahre nicht auf- sowie den Rest dieser Reise «Candyland» hat gleich sich Rebecca Taylor eine In «Story», das einmal zwi- geben. Und das ist gut so, ins pulsierende Zentrum der noch Jónsi, der Sänger und GoPro-Kamera auf den schen Elektro-Skurrilitäten wie auch ihr dreizehntes menschlichen Seele. «Black Gitarrist von Sigur Ros, Kopf und filmt «the ups und Melancholie mäandert Album, erschienen beim Man in a White World» zum Mikro gegriffen. Ins- and downs of a day in the und beim zweiten Versuch kleinen deutschen Indie- könnte in seiner Unmittel- gesamt überwiegen also bei life of a narcissistic musi- wie ein trippelnder Aus- Label Tapete Records, barkeit von Gil Scott-Heron weitem die positiven Ein- cian». «Es ist wie ein Hur- flug ins Packeis klingt, hört zeigt. Denn die zehn Songs stammen, ein Synthie zitiert drücke. rikan», singt sie, «aber es man Epperson singen: «I auf «Cosmonaut» klingen die Streicher von Marvin kommt in Wellen.» can’t make up my mind.» so verdammt jetztzeitig – Gayes «What’s Going On» tb. Scheint so, doch: Dafür ist auch wenn sie sich beim (dessen Stimmung auch im anz. ihre Lust an der musika- swingende «Suddenly, Last Titelstück anklingt).Selten lischen Vielfalt nicht nur Autumn» selber zitieren sind universale Ängste – spürbar, sondern auch mit- («The Ruling Class»). Zweifel, Schmerz, Schuld, reissend. Trennung – so attraktiv be- tb. schrieben worden. mig. tl. DIE NEUEN PLATTEN

Aaron Neville Drugdealer Oh Pep! Roosevelt Wilco Apache The End of Comedy Stadium Cake Roosevelt Schmilco (Kobalt) (Domino/Irascible) (Star House Collective) (City Slang/TBA) (Anti-)

Nach William Bells «This Mit seinem neusten Projekt Mit dem spanischen Fuss- Als DJ fokussierte Roose- Eigentlich, dachte ich, als Is Where I Live» im letz- Drugdealer taucht Michael balltrainer Pep Guardiola velt alias Marius Lauber auf ich mir „Schmilco“ zum ten Monat meldet sich die Collins, der zuvor schon haben Oh Pep! nichts zu Disco-Pop, auf seinem De- ersten Mal anhörte, soll- nicht weniger bemerkens- bei Run DMT und Salvia tun. Stattedessen verbirgt bütalbum zieht er deutlich te ich möglichst bald ein werte Soulstimme von Aa- Plath tonangebend war, tief sich hinter dem Bandnamen grössere Kreise. Die zwölf Wilco-Binge-Listening ron Neville zurück. Auch er in den Sunshine-Pop ein. ein Frauenduo aus Mel- Tracks hat er im Alleingang machen, angefangen mit besinnt sich auf «Apache» Diesen reichert der Kalifor- bourne. Und Olivia Hally eingespielt, und Zufall dem letzten Uncle-Tupelo- seiner Roots. Der Titel be- nier mit Verweisen auf Burt (Oh) und Pepita Emme- oder nicht: Es haftet ihnen Album «Anodyne» (1993) zieht sich auf Aarons zum Bacharach und dessen Jazz richs (Pep) kredenzen uns etwas Solitäres an. Der und dann von «A.M.» Teil indianisches Blut. Die für Erwachsene, Piano- auf ihrem Debüt «Stadium 25-Jährige, einst Schlag- (1995) über «Yankee Ho- Musik badet in den Klän- balladen à la Carole King, Cake» keinen eleganten zeuger bei Beat!Beat!Beat!, tel Foxtrot» (2002) und gen seiner Heimatstadt: aber auch mit Versatzstü- Angriffs-Fussball, sondern versteht es, entspannte «A Ghost Is Born» (2004) R&B, Soul, Doo Wop, cken aus Morricones Spa- verträumten, ohrwurmi- Elektro-Sounds zu kreie- bis zu «Schmilco». So lies- Jazz. Wie schon auf «My ghettiwestern an. Auf «The gen Indie-Folk-Pop, der ren, die plätschern, perlen se sich vielleicht die Grös- True Story» präsentiert sich End of Comedy» macht locker ins Ohr geht. Man und mitunter auch packen. se dieser Band erfassen, der mittlerweile 75-jährige sich der Lounge-Sound höre nur mal das lässige Von den Beats geht unent- die immer von Vertrautem Hüne mit der Stimme eines der Sixties breit und wird «Trouble Now», die Sin- wegt Wärmendes aus, was ausgeht – von Indie-Rock Chorknaben in Bestform. durch ein paar ausgesuchte gle «The Race» mit ihren der Kölner nutzt, um sich und Americana einerseits, Souverän gestaltet er Lie- psychedelische Klangmale- Handclaps oder das schlep- zwischen Yacht-Rock und von den Beatles, den Beach beslieder («I Wanna Love reien ergänzt. Das von Ari- pende «Wanting» zwischen Synthie-Pop zu verlustie- Boys, The Band und John You»), Gospel («Heaven»), el Pink (der bei «Easy To Mandolinen und Bläsern. ren. Er reichert seine Stü- Cale andererseits –, diese Doo Wop («Sarah Ann») Forget» auch am Mikrofon Überhaupt sind die Arran- cke mit linden Grooves und Wurzeln aber so deutet, und Funk. Im dynamischen steht) produzierte Album gements ausgesprochen leiser Melancholie an und dass Überraschendes, Unge- «Stompin’ Ground» zählt wirkt in Songs wie «Sea of gelungen, ob die Frauen gibt sich dem Hedonismus wöhnliches und Abenteuer- er die Namen seiner Ein- Nothing» oder «My Life» nun beim ruhigeren «Crazy hin. Entsprechend betonen liches entsteht: Avantgarde flüsse und Weggefährten bewusst nachlässig – wie Feels» synthetische Sounds Songs wie «Colours», das mit Wohlklang und breitem auf, von Professor Long- ein schöner, aber schlam- auf Streicher und Bläser auf wattierten Gesang und Pop-Appeal. «Schmilco», hair und Smiley Lewis, pig vollführter Gedanke. treffen oder bei «Happen- flattierende Melodien setzt, Wilcos 10. Studio-Album, den Mardi-Gras-Indianern Dass Collins eine Schwäche stance» ein Piano über die oder das ebenso hymnische ist da nicht anders: Nach Wild Tchoupitoulas (Aa- für stimulierende Substan- Beats perlen lassen. Zwi- wie harmonische «Dayto- der elektrifizierten Psy- ron ist Stammesmitglied) zen hat, manifestiert sich schen dem flotten «Bush- na» das Schicke. Roosevelt, chedelia auf «Star Wars“» bis zu den Piano-Grössen nicht nur im Bandnamen, wick» und dem ruhigen der sich an so unterschied- (2015) hat das Sextett um James Booker und Mac sondern auch in den Me- Ausklang «Afterwords» lichen Künstlern wie Ca- Jeff Tweedy den Sound zu Rebenack. Auf «Fragile lodien, die sich abwechs- gelingen dem Duo zwölf ribou, den Pet Shop Boys einem vordergründig folkig World» warnt er vor öko- lungsweise narkotisiert und schöne Songs, die zudem oder Steely Dan orientiert, zurückhaltenden, klanglich logischem Chaos, wie es euphorisch präsentieren. mit guten Lyrics aufwarten. unternimmt mit der Platte aber höchst differenzierten nur ein von Katrina gebeu- Die Harmonien neigen zum Wie zum Beispiel bei der den Versuch einer musikali- und reichen Klampfen- telter Einwohner New Or- Ekstatischen, lassen aber Single «Doctor Doctor», schen Einkehr, bei der man sound entschlackt. Und die leans’ kann. Mein einziger auch hysterische Momen- in der es darum geht, wie sich auch mal an der Sonne Songs? Sie sind von beglü- Kritikpunkt betrifft die In- te zu. Eine Platte wie ein man mit einer ungewollten aalen darf. Das ist schön ckender Klasse; Tweedys strumentierung: Oft imitie- entspannter Ritt, bei dem Schwangerschaft umgeht: anzuhören, bleibt aber Kompositionen, sein Sinn ren Keyboards die Bläser. das Pferd immer wieder «Nine months til the dead- nicht länger haften als ein für Melodien, Dramaturgie Das finde ich im Kotrast zu mal für ein paar Sekunden line / and nine weeks to Hauch im Hochsommer. und Brüche funktionieren Aarons warmer, exquisiter durchgeht. Anders gesagt: make up your mind.» Man immer, egal in welchem so- Stimme irgendwie stillos. Drugdealer strapaziert sollte sich den Namen Oh mig. nischen Gewand. «Schmil- Trotzdem: grosse Kunst manchmal die Nerven, vor Pep! mal merken. Bin ge- co» ist nicht Wilcos spekta- vom Mann mit der golde- allem jedoch liefert er gros- spannt, wie die Damen das kulärstes Album, aber ein nen Kehle. Und das 50 Jah- ses Hörkino. live umsetzen. wunderbares: Es nistet sich re nach seinem Hit «Tell It unmerklich in den Gehör- Like It Is». mig. tb. gängen ein und will diese nicht mehr verlassen. tl. cg. DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Vierzig Jahre, 21 Longplayer, unzählige Singles, immer noch zwei Gründungsmitglieder dabei, ein seit 1991 un- verändertes Line-Up, kaum eine Charts-Platzierung – das sind The Fleshtones, eine der wichtigsten und verkanntes- ten Rock’n’Roll-Bands der USA, die letzte ununterbrochen aktive Truppe, die schon 1976 im legendären New Yorker Punkschuppen CBGB’s auftrat. Göldin Descendents Moreland & Es gibt Leute, die könnens nicht lassen. Die rappeln sich & Bit-Tuner Hypercaffium Arbuckle immer wieder auf, gehen zurück ins Studio und auf die Schiiwerfer Spazzinate Promised Land Or Bühne, ohne sich darum zu kümmern, ob die Welt sie zu (!Mediengruppe Bitnik) (Epitaph Records) Bust brauchen glaubt oder nicht. Solche Typen sind Keith Streng (Alligator) (Gitarre) und Peter Zaremba (Gesang, Orgel, Mundhar- Es ist ein Comeback, mit Zwölf Jahren liegt das monika). Als Punk mit den Traditionen brach, entdeck- dem man nicht unbedingt letzte Lebenszeichen der Hinter dem Namen More- ten Zaremba und Streng ihre Liebe zum ursprünglichen rechnete. Zwar sind Bit- kalifornischen Punk-Band land & Arbuckle steckt we- Rock’n’Roll der Sechzigerjahre und teilten sich einen Tuner als Live-Künstler Descendents zurück; die der eine Werbeagentur noch Übungsraum mit The Cramps. Dann, als ihre New Yor- und mit Platten zwischen Band hatte sich offiziell eine Anwaltskanzlei, son- ker Kollegen Krach zu Kunst stilisierten, spielten The Fle- Bass und elektronischer aufgelöst, und Sänger Milo dern ein bärenstarkes Gi- shtones unbeirrbar Rock’n’Roll. «Roman Gods» (1982), Klangforschung und Rap- Aukerman verdiente seine tarren-Harmonika-Duo aus «Hexbreaker» (1983), die Liveplatte «Speed Connection» per Göldin alias Daniel Ry- Brötchen als Biologe an Kansas. Abgesehen von der (1985) – Klassiker! Hardcore kam und ging, Metalfunk ser als Journalist und Buch- einer Universität. Ein paar Besetzung hat seine Musik knallte und verhallte, Grunge und House eroberten die autor sehr präsent. Als Duo Gigs während der Semes- mit Sonny Terry & Brownie Welt, und die Fleshtones spielten Rock’n’Roll. Die ameri- waren sie aber seit 2009 terferien 2010 weckten McGhee wenig gemeinsam. kanischen Underground-Bands entdeckten Country und nie mehr auf einer Veröf- das alte Punkfieber wie- Gitarrist Aaron Moreland, Folk, Alternative Rock rockte die Charts, doch The Flesh- fentlichung zu hören. Dass der, die Band raufte sich Harmonikaspieler/Sänger tones blieben dem Rock’n’Roll treu. LoFi schlich sich in die man ihre Kombination zusammen, schrieb neue Dustin Arbuckle und Drum- Herzen, dann wurden die garagigen und psychedelischen von roughen Beats, Krach, Songs, Aukerman schmiss mer Kendall Newby spielen Sechzigerjahre wiederentdeckt, und The Fleshtones lachten Wumms, romantischen seinen Jobs – und nun legt fetzigen, funkensprühen- sich ins Fäustchen und machten einfach weiter, weiter und Melodiesprengeseln und das Quartett mit «Hyper- den Blues und Rootsrock weiter. The Fleshtones retteten und retten die wahren Werte harschen Lyrics vermisst caffium Spazzinate» eine mit der dreckigen Attacke des Rock’n’Roll über alle Trends hindurch, bis heute, und hat, merkt man gleich zu grossartige Punkplatte vor. einer Garageband. Auf dennoch wuchsen sie nie über den Kultstatus ihrer Anfänge Beginn von «Schiiwerfer». Äusserlich ist die Band seit «Promised Land Or Bust», hinaus – sie bleiben eine der (vom breiten Publikum) am Es geht um Speed, Drinks, ihren Anfängen in den spä- ihrem insgesamt siebten hartnäckigsten verkannten Bands Nordamerikas. Daran Gentrifizierung, TV-Hor- ten Siebzigerjahren durch- Album, entwickeln sie viel wird auch ihr neustes Album «The Band Drinks For Free» ror, neue Bio-Sauberkeit, aus älter geworden, sonisch Drive und Lautstärke. Als (Yep Roc) vermutlich nicht viel ändern, es ist nicht besser Banküberfalle, Flüchtlinge, jedoch keineswegs; die De- würde uns der Sound einer und nicht schlechter als die Alben vorher und nachher, es ist Aufstand, Träumen auf der scendents schütteln Knaller 100-Watt-Marshall-Box einfach gut und ein weiterer Beweis für die unerschütterli- Wiese und die Suche nach um Knaller aus dem Ärmel, frontal ins Gesicht blasen. che Leidenschaft der vier mittlerweile graumelierten Jungs. Halt im täglichen Irrsinn. 21 an der Zahl, der kürzes- Inspiriert von rohem Blues Zwölf Songs, 37 Minuten; es beginnt mit dem dunkel swin- War früher der Blick auf te 41 Sekunden, der längs- transportieren sie ihre Ei- genden, von einem Tambourin-Beat und einer fiependen Parkplätze in der Provinz, te 3‘20“ kurz, die Hälfte genkompositionen mit elek- Orgel getragenen «Love Like a Man», in «Love My Lo- Jugend in der Agglo, Kra- der Songs bricht unter der trisierender Intensität und ver» glaubt man Glam-Anklänge (Slade!) zu hören, «Rick dolf oder Appenzell gerich- 2-Minuten-Marke ab. Und Dringlichkeit. Das musika- Wakeman’s Cape» trägt nicht nur einen grossartigen Titel, tet, so steht nun Zürich im doch haben die Lieder al- lische Spektrum reicht vom sondern tänzelt nervös durch die Garagen der Sechziger, in Zentrum, das den beiden les, was gute Punksongs treibenden Opener «Take «Respect Our Love» wird das Tempo in Richtung Ameri- Ostschweizern zur neuen brauchen: Die flink und Me With You (When You cana gedrosselt, um bei «Living Today» wieder zu einem Heimat geworden ist. Es überschäumend bretternde Go)», dem stampfenden verschlurften Punk-Beat erhöht zu werden. «The Sinner» kommt als «Ghost Town» Gitarre von Stephen Eger- «Mean And Evil» und der gibt den Blues, und das Album schliesst mit «How To Make rüber, für das Göldin den ton, Karl Alvarez‘ poltern- Akustiknummer «Waco a Day» und «Before I Go», zwei amtlichen Pop-Songs, in Refrain von The Specials de Bassläufe, Bill Steven- Avenue» zum baladesken denen Melodie, Refrain, Chorgesang, Orgel und Handclap- adaptiert. Auf bitnik.org/ sons Trommelsalven, dazu «Mount Comfort». Auch ping die Seele vor Glück hüpfen lassen. Dass sich auf dem schiiwerfer/1/ wird jedes mitreissende Melodien, eine Nummer wie Slim Album auch ein munterer Punkrocker mit dem Titel «The Stück von Visuals der Me- flotte Refrains und Texte, Harpos «I’m a King Bee» Gasser» verbirgt, erfreut natürlich das Herz des Chronisten. diengruppe Bitnik begleitet, die sich irgendwo zwischen erfährt ein markantes Up- Retro? Eine Band, die seit vierzig Jahren ihrer Leidenschaft und dort steht das Album Alltag, persönlichen Er- date. Die aus dem Leben frönt, ist nicht retro, sie ist der echte Scheiss. Das ist wahrer, auch zum Gratisdownload fahrungen und satirischen gegriffenen Texte beschrei- ehrlicher, ebenso primitiver wie kluger, ernster wie witziger, bereit. Danke dafür und für Weltbeschreibungen be- ben Szenen mit betrogenen nie aber nostalgischer, sondern immer zeitgemäss zeitloser Eure Rückkehr, Göldin & wegen. Nach 42 Minuten Liebenden, Frauen, die ge- Rock’n’Roll. So einfach und so gut ist das. Und sollten The Bit-Tuner, lasst die Schweiz ist Schluss, und man ist meiner sind als der Teufel, Fleshtones auf ihrer Herbsttournee auch die Schweiz beeh- erzittern! erschöpft, aber glücklich und isolierten, verbitterten ren – so gehet hin, füllet die Gläser und trinket mit ihnen über so viel einwandfreien Einzelgängern. Wie sich das auf den unverwüstlichen Rock’n’Roll. anz. Old-School-Punk-Rock. gehört.

Christian Gasser cg. tl. DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Metal Urbain aus Paris veröffentlichten 1977 ihre erste Single. Anstatt auf Schlagzeug und Bass bauten sie ihren aggressiven Punk auf Drumcomputer und Synthesizer auf und auch die beiden Gitarren sollten möglichst lärmge- schulte Ohren verwöhnen. «Panik» (Alternative Tentacles) lässt Roboter zucken, bis sie in Einzelteile zerfallen und Gov’t Mule Wovenhand Anders von den Parolen von Sänger Clode in Einerkolonne ab- Tel-Star Sessions Star Treatment Osborne kommandiert werden – natürlich nicht bevor die Gitarren (Provogue/MV) (Glitterhouse/Irascible) Flower Box alles wunderbar in Mikrobestandteile zerlegt haben. «Lady (Back On Dumaine) Coca Cola» ist eine beinahe experimentelle Geräuschland- Gov’t Mule entstanden Nichts Neues bei Woven- schaft, man wird in tiefe Höhlen befohlen und von Ausser- 1994 als Nebenprojekt von hand. David Eugene Ed- Überraschend lässt Anders irdischen bezirzt. Ein Muss für Elektro-affine Musikfans. Gitarrist Warren Haynes wards lässt seine Mann- Osborne seinem im Früh- Cleveland, Ohio, hatte in den 70ern die Electric Eels oder und Bassist Allen Woody, schaft weiter schamanisch ling dieses Jahres veröffent- die Dead Boys und in verbundener Nachbarschaft The damals Mitglieder der All- rocken. Mit «Come Brave» lichten Studiowerk «Space- Cramps. Deren Mitglieder spielten alle auch mal irgendwie man Brothers Band. Beide legt sie los wie eine Head- dust & Ocean Views» ein bei den Pagans mit, die von Mike Hudson zusammen mit verband eine Vorliebe für bangercombo – und zwar weiteres, gitarrenlastigeres seinem Bruder ins Leben gerufen wurden und bald in Gitar- Powertrios wie Cream oder eine ganz vorzügliche. Ganz Album folgen. «Flower rist Mike Metoff die perfekte Ergänzung fanden. Klar, dass The Jimi Hendrix Expe- das Gleiche wie auf den Box» befriedigt jene, die eine Stadt, die auch noch Human Switchboard, Kneecap- rience. Mit Dickey Betts’ beiden Vorgängern serviert ihr Fleisch lieber roh essen. pers, The Rubber City Rebels oder Mirrors hervorbrachte, Drummer Matt Abts nah- man aber doch nicht. Ver- Osborne und seine Band ebenfalls verantwortlich ist für eine der besten Punk-Sing- men sie im Tel-Star-Studio sanken jene Alben teilweise frönen ihrer Vorliebe für les: «Street Where Nobody Lives» (Danger), ürsprünglich in Bradenton, Florida, zehn im unerbittlichen Malmen, lauten, krachenden Rock erschienen 1978 auf Drome Records. Ein schneller Bass- Tracks auf, live ohne Over- darf nun auch mal wieder und Southern-Blues im lauf, der trotz Rock’n’Roll-Inspiration dunkel und nihilis- dubs. Diese Demos klingen ein E-Piano durchklingen mittleren Tempo. Produ- tisch der Welt den Stinkefinger zeigt. Gleiches gilt für Mike auch heute noch toll: Unge- und die Melodie gewinnen. ziert und abgemischt hat Hudsons Sprechgesang, und auch die Gitarre versteht sich stümer als das offizielle, im Das getragene «Golden Mark Howard in New Or- als Messer am Handgelenk. Dieses Meisterwerk kann nur Jahr darauf veröffentlichte Blossom» und «The Qui- leans, mit den beteiligten noch von der eigenen B-Seite übertroffen werden. «What’s Debütalbum (auf welchem ver» mit seinem sehnsüch- Musikern spielte Osborne This Shit Called Love?» beginnt wie ein Ramones-Song sechs dieser Songs auftauch- tigen Gesang hätten auch wiederholt zusammen: Gi- (mit welchen sie auch die Bühne teilten), doch nach weni- ten, darunter Memphis auf 16 Horsepowers «Se- tarrist/Bassist Scott Metz- gen Sekunden wird das Lied zu einer Hass-Tirade, welche Slims «Mother Earth»). cret South» ein gute Falle ger (Trixie Whitley, Shoo- sich absolut cool und ignorant auf ewig einbrennt. An die- Die Originalbesetzung von gemacht – zumindest bis ter Jennings), die Bassisten ser Stelle sei auch gleich Crypt Records wieder mal hoch Gov’t Mule zelebriert heavy die Gitarren loslegen wie Carl Dufrene (Cyril Neville, gelobt, wo 1994 die treffend benannte CD-Sammlung Bluesrock mit aufwühlen- ein Bienenschwarm auf At- Tab Benoit) und David La- «Everybody Hates You» erschien. der Gitarre, fettem Bass- tacke. Herausragend auch Bruyere, die Drummer Bra- sound, forderndem Gesang, «Swaying Reed», wo Ed- dy Blade (Dave Matthews) Philipp Niederberger ein Kraftwerk, angereichert wards seine Band den Lärm und Chad Cromwell (Neil mit Einflüssen von Hendrix im Stil der Swans modulie- Young, Joe Walsh), der bis Grunge. Die meisten ren lässt. Oder «All Your Singer/Songwriter Marc Tracks dauern um die sechs Waves», eine Meditation Broussard sowie Gitarrist Minuten, angefangen mit vor anschwellender Krach- Rob McNelley (Delbert «Blind Man in the Dark». kulisse. Die bleibt dann McClinton, Hank Williams Southern-Rock dominiert gleich stehen für die nächs- Jr.). Osborne ergeht sich in «Rocking Horse». Willie ten Exerzitien in Hardrock. in ausgedehnten Soli und Dixons «The Same Thing» Nun könnten wir noch eine begleitet seine jubilieren- zitiert Jimi Hendrix’ Int- Bemerkung zum religiösen den, brummenden Soli (sie ro zu «Red House». Von Gehalt von Songs wie «Go erinnern an die Gitarren- ZZ Top stammt «Just Got Ye Light» machen, doch trips von Neil Young) mit Paid», gespielt mit viel Gus- das lassen wir diesmal und Texten, welche die emoti- to und Warrens röhrender halten einfach fest: Man onale Klarheit und Lebens- Slidegitarre. «World of Dif- muss kein Fischli sein, um erfahrung eines Mannes ference» gibts gleich in zwei über Hymnen wie «Crystal reflektieren, der so manche Versionen. Im Rückblick Palace» in Verzückung zu Schlacht gewonnen oder sind die «Tel-Star Sessions» geraten. verloren hat – im Mor- als Initialzündung einer gengrauen oder allein im Bandkarriere einzuordnen, ash. Dunkeln. Leidenschaftlich die zwei Jahrzehnte, 20 singt Osborne von seinen Studio- oder Livealben und Hoffnungen, Träumen und Tausende von Liveshows Verfehlungen. Themen, die umfasst. zur Identifikation einladen. tl. tl. KT_ZG_ZentralCH_Atelier_NY_85x90_ZentralCH_Ati_NY_85x90 19.08.16

Inserat im LOOP vom 26.08.16 IG Rote Fabrik SZENE Seestrasse 395 8038 Zürich Ausschreibung Tel. 044 485 58 58 Fax. 044 485 58 59 Fr. 26.8. Clubraum 21:00 ZENTRALSCHWEIZER ATELIER in NEW YORK Enter The Dancehall Sonntag 04.09. 18Uhr18 für den Zeitraum Januar bis Dezember 2018 GIIGESTUBETE FREDDIE MC GREGOR Professionelle Kunstschaffende aller Sparten aus den Kanto- Montag 05.09. 20Uhr20 PAUL UBANA JONES & BIG SHIP BAND nen ZUG, SCHWYZ und OBWALDEN können sich bewer- Doublechin, Boss Hi-Fi ben um einen viermonatigen Aufenthalt im Zentralschweizer Samstag 17.09. 21Uhr21 Atelier in New York bewerben. Die Zusprechung umfasst die LA LUZ Di. 30.8. Ziegel oh Lac 21:00 unentgeltliche Benützung des Wohnateliers sowie einen Sonntag 18.09. 20Uhr20 Ziischtigmusig Reise-, Neben- und Lebenskostenzuschuss. MARIA DOYLE SUNFLOWER BEAN KENNEDY and Anmeldeformulare und Teilnahmebedingungen: ANORAQUE KIERAN KENNEDY www.zg.ch/kultur Montag 19.09. 20Uhr20 Fr. 2.9. Clubraum 21:00 Direktion für Bildung und Kultur, Amt für Kultur, Baarerstrasse 19, 6300 Zug WALLIS BIRD Enter The Dancehall 041 728 39 65 • [email protected] Samstag 24.09. 20Uhr20 KABAKA PYRAMID UUSIKUU + SUOMI DISKO Boss Hi-Fi & Real Rock Soul Anmeldeschluss: Mittwoch, 12. Oktober 2016 Sonntag 25.09. 20Uhr20 (Eintreffen im Amt für Kultur des Kantons Zug) FREAKWATER Vorverkauf:www.starticket.ch

Gessner-Allee 11 - 8001 Zurigo Isola INFO + TICKETS AUF: www.ellokal.ch

SEPTEMBER 2016

Do 8.9.16 Radioactivity (USA), Bad Sports (USA) Do 22.9.16 King Champion Sounds (NL) Sa 24.9.16 La Base and Tru Comers (CH) Mi 28.9.16 The Parrots (ESP) Mi 5.10.16 Betunizer (ESP), Mass Mind (CH) www.taptab.ch

Wir verlosen 3 Festivalpässe Palace St.Gallen für das Glücklich-Festival am 10. September in Luzern. DO, 15.9.

Einfach eine E-Mail an (USA)

[email protected] bis Frankie Cosmos

am Do, 1. September senden Metá Metá

und die Glücksfee lost dann (CH) 3 GewinnerInnen aus, die J&L Defer(BRA) per E-Mail benachrichtigt 22.9. DO, werden.

Viel Glück. Palace.sg hi-grip HELDEN DER PROVINZ Beat durchzog fortan die Konzertlokale Aaraus und wei- verändert in den letzten drei Aaraus dienstälteste Rock’n’Roll-Band terer Provinzstädte, im Gepäck die billigsten Gitarren der Jahrzehnten. Aber wir ma- Gegend, Verstärker aus dem Brockenhaus und ein selbstge- chen immer noch weiter, feiert ihr 30-Jähriges: Hi-Grip kehren basteltes Schlagzeug. 1987 erschien die erste Mini-LP der weil es uns zu 100 Prozent Truppe. Darauf spätere Hits wie «Bobalina» und «Hänsel Spass macht. Unsere Musik für die Fete in ihre Geburtsstätte zurück. und Gretel», viel Herzblut, Schweiss und Spass, gepresst und unsere Texte sind ein- auf giftgrünes Vinyl: «Die Platte ist kaum als qualitatives fach lustig, ein bewährtes Eine Rückschau. Meisterwerk zu bezeichnen und wird in der Schweiz nicht Konzept, dass noch immer beachtet. Dafür erscheint sie in verschiedenen französi- funktioniert. Mehr wollten «Nach 30 Jahren haben wir unseren eigenen Stil gefunden», schen Grossstädten in Playlists von Indie-Radiostationen», wir sowieso nie», erklärt sagt René «Sidi» Wernli, Leadsänger der Schweizer «60ies schreibt die Band auf ihrer Website. Mindestens ein Exem- Wernli. Schön sei aber, dass TrashPunkBeatMonsterPsychobillyRock’N’Roll»-Band Hi- plar davon hat aber knapp 30 Jahre später seinen Weg zu- auch die Fans mitgealtert Grip. Der 53-Jährige trägt heute die Arme bis zum Handge- rück nach Aarau, in den letzten Plattenladen der Stadt ge- seien – und der Nachwuchs lenk tätowiert, die Haare und die Hemdärmel kurz. Das war funden. Unbeeindruckt von diesem Misserfolg erschien im trotzdem nicht abgerissen 1986 noch ganz anders: Wernli arbeitete und lebte damals Herbst 1988 das Album «Rock’n’Roll Recycling»: 1000 ist im Publikum: «Die einen als Zeichner in Aarau, die Haare zum Robert-Smith-Geden- Stück mit zwei unterschiedlichen Covers – und ein Durch- sind 30 Jahre älter gewor- ken unfrisiert, der Geist wild und frei. Neben Reisen durch bruch. In den Monaten nach dem Release reiht sich eine den. Es sind aber auch viele den nahen und fernen Osten gründete Wernli als Leadsänger Überraschung an die andere: Trash-Garage feiert Erfolge Junge dazugekommen, das zusammen mit «T.B. Gnadenlos» an den Drums und Patrick auf den Schweizer Mainstream-Sendern. Neben einem Auf- freut uns natürlich sehr. So Amstutz am Bass mit Anfang 20 die Monster-Rock-Truppe tritt im Schweizer Fernsehen werden Hi-Grip sogar vom ein generationenübergrei- Hi-Grip, inspiriert von den amerikanischen Kult-Gruslern Radio DRS gespielt, Zeitungsberichte titelten mit «Lieb- fendes Publikum ist etwas The Cramps und den Postpunkern The Gun Club. lingskinder des Schweizer Radios». «‹Tequilla Jive› wurde Schönes, aber heute gleicht an einem Tag sogar drei Mal gespielt!», erinnert sich Wern- ein Konzert schon eher ei- MIT WINTERPNEUS IN DIE CHARTS li. Die Band gab daraufhin rund tausend Konzerte, tourte nem Familienanlass.» Für durch die Schweiz, durch Europa, bis nach Polen, wo sie in ihr Jubiläum kehrt Aaraus «Wir wurden 1986 für einen Gig gebucht. Damals exis- Danzig vor 3000 Zuschauern auftrat. dienstälteste Rock’n’Roll- tierten wir als Band zwar schon, hatten aber noch keinen Band an ihren Geburtsort Namen. Wir sassen vor dem Bandraum und haben uns «MEHR WOLLTEN WIR NIE» zurück: Gefeiert wird im den Kopf zerbrochen – Auftreten ohne Namen, das geht Jugendhaus Flösserplatz zu- ja nicht. Die Inspiration kam dann von meinem damali- Heute besteht die Band weiterhin aus «Sidi» und «T.B. Gna- sammen mit The Vibes. gen Auto, einem Ford Capri. Auf den Winterpneus prangte denlos», seit 2005 steht «Gigi» Lipovac am Bass und Do- das Logo ‹hi-grip›, also Griffigkeit. Das fanden wir super! minik «Dickly» Rey am Örgeli. Nicht nur die Band selbst, Miriam Suter So simpel war das.» Eine furiose Mischung aus Vampire auch die Musikindustrie ist 30 Jahre älter geworden. War- Rock’n’Roll, Grusel-Punk und einer Prise Sixties-Trash- um sie immer noch Musik machen? «Es hat sich sehr viel 23.9., Flösserplatz, Aarau NACHTSCHICHT

Träumen mit Francisco Fernandez BH-Wechseln mit L7

Es gab in jüngster Zeit nicht viele Konzerte, die mich wirklich aus der Bahn Die Neunziger hatten gerade begonnen, da brach im «Rock Special» ein geworfen haben. Eines davon war jenes von Francisco Fernandez vor zwei Song aus den Boxen, wie wir ihn noch nie gehört hatten. Wohl wussten wir Wochen in Amsterdam. Auf einer winzigen Bühne, gerade gross genug für schon, dass Frauen nicht nur als Staffage für Hardrockvideos gut waren. die an diesem Abend spontan zusammengewürfelte Band, in einer Musik- Dass sie aber derart rabiat rocken können, das hatten uns weder Joan Jett bar in einem Wohnviertel. Der 31-Jährige aus Kalifornien macht Musik, noch Lita Ford gelehrt. «Get out of my way or I’m gonna shove», keifte Suzi seit er 19 ist und hielt sich anfangs mit verschiedenen Gelegenheitsjobs Gardner, und selbst vor dem Radio regte sich der Fluchtreflex. Bald lernten über Wasser («At 19, I worked as security guard – I practiced guitar at that wir, dass es da ein neues Phänomen namens Riot Grrrls gab. Diese Frauen job til I was fired»). Seit seinem Umzug nach San Francisco spielt er neben redeten nicht nur von Feminismus, sondern schritten zur symbolträchtigen Strassengigs auf kleinen bis ganz grossen Bühnen (etwa am Hipsterfestival Tat: Als 1992 beim Reading Festival Schlamm auf die Bühne flog, warf SXSW in Texas oder am Coachella in Kalifornien) und hat sich vollkom- Frontfrau Donita Sparks ihren Tampon in die Menge. 1999 stellten L7 den men der Musik verschrieben: «Music has been my life blood since 2005.» Betrieb erst einmal ein, doch eine Reunion ist kein Männerprivileg. Und so Franciscos Songs klingen nach purem Heartbreak, nach Sich-neu-Verlie- ist das Original-Line-Up seit 2014 wieder unterwegs. Neue Songs gibt es ben, nach Verlangen, nach Verzweifeln, nach Versöhnen und auch sehr keine, aber wer ins Ausland reiste, konnte schon vor Jahresfrist feststellen, nach dem Leben on the road. Dazu ein bisschen dreckige Gitarre und ganz dass Songs wie «Pretend We’re Dead», «Shitlist» und eben «Shove» noch viel Leidenschaft und (Aus)Brennen auf der Bühne. Ich habe mich in die- immer zünden. Tampons werfen die Ü50-Musikerinnen heute eher nicht ser Bar ein bisschen wie ein Velvet-Underground-Fangirl gefühlt, übrigens. mehr. Dafür wechselt Bassistin Jennifer Finch den BH auch mal auf offener Und ihr könnt meiner Begeisterung hoffentlich bald nachfühlen. (mis) Bühne. Die Bilder sehen wir auf Youtube, erleben wollen wir L7 aber live im Konzert. (ash) 2.9., Butcher Street Pub, Aarau 6.9., Dynamo, Zürich

Freundschaft mit Frankie Cosmos

Glücklich Festival mit Evelinn Trouble Auf ihrer Bandcamp-Seite sind 51 Veröffentlichungen aufgelistet. Veröf- fentlichungen, die Titel wie «Shit About Fuck», «Separation Anxiety» oder Die ausgedehnte Saison der grossen Freiluftfestveranstaltungen ist zu ei- auch «And It Made Me Cry for a Long Time and I Don’t Like Crying» nem Ende gekommen, und so klopft man den angesammelten Dreck von tragen. Die New Yorkerin (ja, ihr Vater ist der Schauspieler Zelt und Kleidung und kärchert die Gummistiefel, die leider zuweilen nötig ) führt so das LoFi-Erbe der Moldy Peaches weiter, mal als waren in diesem Sommer, mit dem Hochdruckreiniger ordentlich sauber. The Ingrates, Ingrid Superstar oder Zebu Fur, indem sie das Vulgäre mit Doch von Festbetrieben und Festveranstaltungen muss man sich glückli- Teenage-Angst und der Sehnsucht nach Freundschaften und Harmonie cherweise nicht verabschieden, denn es geht gedrängt weiter. Beispielsweise verbindet. Seit einiger Zeit spielt die 21-Jährige als Frankie Cosmos und mit dem Luzerner Glücklich Festival, das in die Frutt- und Industriestras- mit Band diese meist ultrakurzen Songvignetten ein. Zuletzt ist das Album se sowie die umliegenden Clubs lädt und an einem Tag sowohl drinnen «The Next Thing» – eine Platte im herkömmlichen Sinne – erschienen, auf wie draussen 40 Programmpunkte präsentiert. Diese reichen von bestens der Kline mit heller Stimme und schönen Gitarren ihren Freundeskreis, eingeführten Rapexponenten wie Manillio oder dem Produzenten Pablo das Tourleben und überhaupt das Leben um sich herum beobachtet. Und Nouvelle bis hin zu Heidi Happy, Kalabrese und Evelinn Trouble, die be- wenn man diese flüchtigen, doch genau geschriebenen Songs hört, die wie reits in der regulären Festivalsaison für die erinnerungswürdigen Momente kurze Gedichte wirken, dann ist klar, dass dies der Beginn einer grossen zuständig war. Und spätestens wenn die DJs aufspielen, kann einen das Freundschaft ist. (bs) Glück auch in Luzern finden. (bs) 12.9., Bogen F, Zürich (mit Chris Cohen); 13.9., Bad Bonn, Düdingen; 10.9., diverse Lokalitäten, Luzern, www.gluecklichfestival.ch 14.9., Palace, St. Gallen (beide mit J&L Defer) NACHTSCHICHT

Shreddern mit Naked in English Class Verhandeln mit den Monotales

Die halbe Welt ist am Upcyclen und bastelt aus alten Dingen unerwartete Das dritte Album einer Band kann durchaus entscheidend sein. Aus der Novitäten. Naked in English Class tun das auch, und sie tuns auf ganz ei- Geschichte kennen wir einige dieser wegweisenden Drittlingswerke: «The gene Weise: Olifr M. Guz von den Aeronauten und Taranja Wu von Ruby Times They Are A-Changin’» (), «Small Change» (Tom Waits) Amp nagen die Musik von alten Klassikern und bekleiden das Textskelett oder das selbstbetitelte Album von The Velvet Underground. Sie alle sind mit ihrem eigenen Sound. Und so jagen jaulende Gitarrenriffs über den Ausdruck einer richtigen Entscheidung und einer künstlerischen Weiter- hauseigenen Beat, die Stimmen dunkel und geheimnisvoll, und «Gimme entwicklung. Gleiches lässt sich auch über «Weekend Love» schreiben, das Danger» von Iggy&The Stooges erklingt plötzlich überhaupt nicht mehr Ende September erscheinende neue Album der Monotales. Darauf finden so, wie man es erwarten würde. Das ist weder richtig noch falsch, we- sich 13 Songs mit feiner Melodieführung, kraftvoller Intonation, verwe- der besser noch schlechter, weder schwarz noch weiss: Es ist ganz einfach gen verzogenen Gitarrenlicks und einer immer mal wieder befreiend auf- ganz schön anders. Das Shredder-Rezept hat Früchte getragen: Im April jaulenden Hammondorgel. Wir lauschen der wunderbar hingecroonten, haben Naked in English Class ihr Debutalbum «Counterfactuals» auf den vorab bereits als Gratis-Single veröffentlichten Ballade «And They Call Markt katapultiert. Seither touren sie über die Bühnen des Landes und It Summer» mit der bezaubernden Heidi Happy am Gastmikrofon – und entführen das Publikum für eine Konzertlänge in ihre ganz eigene Psycho- weiteren Liedern, von denen wir an dieser Stelle noch nicht viel verraten Punk-Pop-Blase, deren musikalische Intensität noch lange im echten Leben dürfen. Insgesamt ist festzuhalten, dass «Weekend Love» ein drittes Album nachwirkt. (haw) ist, das es mit den klassischen Vorbildern weiter oben durchaus aufnehmen kann – ein Werk, das mit seiner vielschichtig ausgestalteten, feinsinnigen 17.9., Café Kairo, Bern Americana all das verhandelt, was es noch zu besingen gibt. (amp)

22.9., Bogen F, Zürich; 23.9., Madeleine, Luzern

Schmirgeln mit Freakwater Knistern mit Dynasty

Die Vereinigten Staaten von Amerika verfügen über eine ganze Reihe my- «They call me the calm before the storm» – mit dieser Zeile aus dem Track thischer Orte: Death Valley, Roswell, Graceland, Atlantic City, Joshua «Epic Dynasty» von DJ Premier begann die internationale Karriere der Rap- Tree, Dayton – und eben auch Louisville im Bourbon-Staat Kentucky. Von perin, die sich Dynasty nennt. Im zugehörigen Video sieht man sie in den dort stammen die beiden verstorbenen Haudegen Muhammad Ali und Häuserschluchten von New York, aber vor allem hört man ihr natürlich Hunter S. Thompson, der Regisseur Gus Van Sant, Pussycat-Dolls-Chefin zu. Denn die junge Frau aus Queens bringt ihre Reime derart straight in die Nicole Scherzinger und der Künstler, den sie Bonnie «Prince» Billy nennen. Mitte, dass einem erst einmal die Spucke wegbleibt. Die Einstiegszeile war Es gibt einen Silver-Jews-Song, in dem die Stadt für tot erklärt wird («Ten- also eine blanke Lüge, wie sich bald herausstellt, denn Dynasty ist nicht nessee»), und ein inzwischen stillgelegtes Berliner Indie-Plattenlabel, das die Ruhe vor dem Sturm, sondern sie ist die Ruhe UND der Sturm. Das den Namen trug. demonstrierte sie bereits auf ihrem Mixtape «Dreampusher» und später auf Von Louisville aus haben sich aber einst auch Janet Bean und Catherin dem Debütalbum «A Star in Life’s Clothing». Auf Letzterem hantiert sie Irwin aufgemacht, um die Alternative-Country-Bewegung der Neunzi- nicht nur mit schnörkellosen Texten, die sie aus vollgekritzelten Notizbü- gerjahre nachhaltig zu prägen. Mit ihrer Band Freakwater begründeten chern kompiliert («I’ll be the last chick standing»), sondern baut zwischen sie eine neue Rustikalität, die sich in herrlich windschiefem Duo-Gesang die kompromisslos trockenen Beats auch mal einen knisternden Rocksteady- offenbarte; in Dissonanzen, die jedes Herz zu zerschmirgeln vermochten. Refrain ein. Oder bittet für das hypnotische «Stay Shinin’» den grossen Talib Doch dann legten sie Mitte der Nullerjahre eine lange Pause ein, die sie Kweli ans Gastmikrofon. Ihre clevere Nonchalance hat Ya Girl D.Y., wie sie erst diesen Februar mit dem neuen Album «Scheherazade» offiziell beendet sich auch gerne nennt, bereits zu Auftritten im Vorprogramm von Grössen haben. Einem Werk voller Wehmut, von dem man sich durch die Nacht wie Erykah Badu, Mos Def oder dem Wu-Tang Clan geführt, mitten hinein begleiten lässt, wenn der Himmel über einem schwarz ist wie Kaffee. Oder in das Musikerinnenleben, das sie führen will, wie sie in einem ihrer Werke dunkel wie Kaviar. (amp) kurz erklärt: «Believe in your ability / nine to five is killing me». (amp)

25.9., El Lokal, Zürich 29.9., Rote Fabrik, Zürich SZENE          

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