Das Genie, Das Ich Nicht Vermarkten Wollte
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Das ungleiche Paar Paul Simon und Art Garfunkel werden 75 Von Christiane Rebmann Sendung: 04.11.2016 um 19.20 Uhr Redaktion: Bettina Stender Sprecher: Peter Binder Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Paul Simon über die 60er Jahre, in denen er gemeinsam mit seinem damaligen Partner Art Garfunkel einige der bekanntesten Songs der Dekade schuf. Die US-Musiker Paul Simon und Art Garfunkel sind eines der spannungsreichsten Paare der Popgeschichte. Als Simon & Garfunkel trafen sie mit Balladen wie „The Sound of Silence“, „Homeward Bound“ oder "The Boxer" die Stimmung der Zeit. Die beiden trennten sich 1970 und verfolgten ihre Solokarrieren - Simon mit wesentlich mehr Erfolg als Garfunkel. Sie taten sich aber immer wieder halbherzig für kurze Projekte zusammen. Das ungleiche Paar – Paul Simon und Art Garfunkel werden 75. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann Simon & Garfunkel – Homeward Bound / Sounds of Silence Als Paul Simon und Art Garfunkel 1952 aufeinander trafen, standen sie gemeinsam für eine Aufführung von Alice im Wunderland auf der Schulbühne. Sie waren beide elf Jahre. Paul Simon war am 13. Oktober 1941 in Newark zur Welt gekommen, Art Garfunkel am 5. November desselben Jahres in Queens, wo er – wie Paul Simon – im jüdischen Viertel aufwuchs. Paul sollte später Englisch und Jura studieren, Art Architektur, Kunstgeschichte und Mathematik. Schon in der Schule fingen die beiden an, gemeinsam Musik zu machen. Ab 1956 traten sie unter dem Namen Tom & Jerry auf. Mit dem Song „Hey Schoolgirl“ schafften es die damals erst 15jährigen Musiker in die Top Fifty der US Charts. Tom & Jerry - Hey schoolgirl Nach einer kurzen Trennungsphase kamen die beiden 1963 wieder zusammen. Diesmal nannten sie sich Simon & Garfunkel und konzentrierten sich auf folkige Klänge. Paul Simon sang, spielte Gitarre und komponierte, Art Garfunkel sang. Mit ihrer Musik fingen sie die Aufbruchstimmung der 60er Jahre, aber auch die Ambivalenz der Zeit ein. O-Ton Das Ganze wurde überschattet vom Vietnamkrieg, eine nationale Katastrophe, dann die Ermordung John F Kennedys und dazu die anderen tumultartigen Geschehnisse. Und dann die Nachwehen der Nachkriegszeit. Auf der anderen Seite der wirtschaftliche Boom, der Liberalismus in der Politik, ein junger Präsident. Damals hing so viel Optimismus in der Luft. Die Beatles waren musikalisch eine sehr optimistische Gruppe. Die 70er Jahre waren dagegen schal. Und die 80er Jahre sowieso. 2 3 1964 komponierte Simon den Song „The Sound of Silence“, der mit den Zeilen „Hello Darkness, my old friend, I’ve come to talk with you again“ begann. Eine Erinnerung an die Teenagerzeit, in der er sich nachts häufig ins Badezimmer zurückgezogen hatte, um dort im Dunkeln Gitarre zu spielen, fasziniert vom Echo der Kacheln. Der Song erschien in einer Folkversion auf Simon & Garfunkels Debütalbum „Wednesday Morning 3 a.m.“. Es fand zunächst keinen Anklang, und Garfunkel widmete sich wieder seinem Architekturstudium, während Simon nach London zog und dort ein Soloalbum aufnahm. Doch dann bemerkte Tom Wilson, der Produzent des Albums, dass „The Sound of Silence“ von einigen US College Sendern gespielt wurde. Er fand, dass dem Lied Gitarre, Bass und Schlagzeug fehlten und bat die Musiker, mit denen er gerade an einem Album für Bob Dylan arbeitete, noch ein wenig länger zu bleiben. Der zusätzlich mit einem Echo versehene Remix ging Ende 1965 in die Charts, erreichte 1966 den ersten Platz und machte das Duo auch weltweit berühmt. Simon & Garfunkel - The Sound of Silence / Sounds of Silence Wie zeitlos die Komposition „The Sound of Silence“ ist, zeigte sich zum Beispiel, als Paul Simon vor fünf Jahren am Ground Zero anlässlich des 10. Jahrestages der Anschläge vom 11. September dieses Lied sang. Da stand er auf der Bühne, mit seinem blauen Käppi und der Gitarre, ohne Brimborium. Er traf zwar nicht immer den Ton. Aber mit der bewegenden und irgendwie auch tröstlichen Version holte er seine Landsleute emotional ab. 1966 sorgte der Song erstmal dafür, dass sich Simon & Garfunkel wieder zusammentaten. In den folgenden Jahren nahmen sie die Alben „Sounds of Silence“ und „Parsley, Sage, Rosemary and Thyme“ auf, die auf sehr positive Resonanz stießen. Der eindringliche Harmoniegesang, die eingängigen Melodien – dazu vielleicht auch der optisch ungleiche Eindruck – der große, schlaksige blondgelockte Garfunkel neben dem eher klein gewachsenen dunkelhaarigen Simon – das war etwas Besonderes. Simon & Garfunkel - Scarborough Fair / Parsley, Sage, Rosemary and Thyme Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Filmregisseur Mike Nichols revidierte Simon sein Vorurteil, Filmmusik zu schreiben sei ein Ausverkauf des eigenen Talents. Er nahm Nichols Angebot an, Musik zum Film „Die Reifeprüfung“ zu schreiben, der unter anderem wegen Dustin Hoffmans hervorragender schauspielerischer Leistung zu einem Klassiker der Filmgeschichte werden sollte. Das wichtigste Lied im Soundtrack, „Mrs. Robinson“, wurde 1968 auf dem Album „Bookends“ veröffentlicht und mit dem Grammy Award als Platte des Jahres ausgezeichnet. Es war das erste Mal, dass ein Rocksong mit diesem Preis geehrt wurde. Simon & Garfunkel - Mrs. Robinson / Bookends Zwar hatte Paul Simon immer erklärt: „Art und ich haben gemeinsam, dass uns die Musik sehr wichtig ist.“ Doch die beiden hatten sich nach kurzer Zeit auseinander 3 4 entwickelt. Der exzentrische Art ging dem Kontrollfreak und Perfektionisten Paul auf den Wecker. Und umgekehrt. Die zwei Künstler waren einfach zu unterschiedlich. Es gab Egoprobleme und hässliche Machtspielchen. Aus der Freundschaft wurde eine Streitbeziehung. Die Auseinandersetzungen wurden zum Teil durch Entscheidungen von außen geschürt. So übernahm Art 1969 in Mike Nichols Film „Catch 22“ eine Rolle. Der Part, der Paul zugedacht war, wurde jedoch aus dem Drehbuch gestrichen. Und der Songwriter sah nicht mehr ein, dass wegen der Dreharbeiten die nächsten Plattenaufnahmen des Duos verschoben werden sollten. 1969 produzierten die beiden noch das CBS TV Feature „Songs of America“, in dem sie neben ihrer Musik und Aufnahmen von gemeinsamen Proben auch Szenen mit Martin Luther King, von der Ermordung John F.Kennedys und vom Vietnamkrieg einstreuten. 1970 erschien das letzte Album „Bridge over troubled water“. Es ging in zehn Ländern an die Spitze der Charts, hielt sich in Großbritannien 35 Wochen auf Platz Eins und bekam sechs Grammyauszeichnungen. Den Titelsong gibt es mittlerweile in rund 50 Coverversionen. Simon & Garfunkel - Bridge over troubled water / Bridge over troubled water 1971 erklärte Paul Simon das Projekt Simon & Garfunkel für beendet. Die beiden Musiker gingen getrennte Wege. In den folgenden Dekaden arbeiteten sie nur noch selten zusammen, unter anderem, um Wahlwerbung für die Demokraten zu machen oder ihren Kollegen John Lennon im Studio zu unterstützen. 1981 gaben sie ein gemeinsames Konzert im New Yorker Central Park, um Geld für die Sanierung der heruntergekommenen Grünanlage zu sammeln. Die Show zog eine halbe Million Zuschauer an. Simon & Garfunkel - The Boxer / Concert in Central Park Bei meiner ersten Begegnung mit Paul Simon war ich erstaunt, wie klein er ist. Aber er hat eine unglaubliche Präsenz. Und er wirkt dadurch viel größer, wenn man ihm gegenüber sitzt. Im Gespräch macht er einen schüchternen Eindruck. Er antwortet bedächtig, in sehr geschliffener Sprache. Er beobachtet sehr genau, und er erinnert sich noch Jahre später an ein Gespräch. Die Schüchternheit machte ihm auch lange Zeit bei Live Auftritten zu schaffen. O-Ton Ich habe mich bei Konzerten nie wohl gefühlt. Es war nicht so, dass ich nervös gewesen wäre. Ich war nie nervös. Die ganzen Jahre nicht. Ich sah mich nur einfach vom Temperament her nicht als Künstler, der gern etwas über sich selbst enthüllt. Deshalb habe ich mich auch nie darum bemüht, das Publikum auf einer emotionalen Ebene einzubeziehen. Ich habe es immer nur auf einer intellektuellen Ebene einbezogen. Wenn du meine Ideen magst, wenn du meine Haltung