BRIEFING ORGA

Florian Pronold

Als Kind wollte Florian Pronold Polizist werden. Wie so viele schlägt er aber nach dem Abitur einen ungefährlicheren Weg ein und wird Bankkaufmann. Die Ausbildung bei der Sparkasse macht er zusammen mit dem Kabarettisten Django Asül. Der sagt später über seinen Kollegen Pronold: „Einer von uns beiden hat Karriere gemacht, und der andere ist zur SPD gegangen.“

So lustig ist es bei der Sparkasse nicht: Als Pronold den Protest gegen die rechtsnationalen Republikaner von Franz Schönhuber organisiert, will ihn der Arbeitgeber wegen seines politischen Engagements „ausstellen“, wie man in Bayern sagt. Auf Hochdeutsch: rausschmeißen. Das kann Pronold abwenden, doch nach der Ausbildung studiert er lieber Jura in Regensburg, als in Konsumentenkredite zu vergeben.

Pronold ist schon früh ein politischer Mensch. 1989, mit gerade mal 16 Jahren, tritt er in die SPD ein. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist erst drei Jahre her, die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf für abgebrannte Brennstäbe löst erbitterte Kämpfe aus. Deshalb liebäugelt Pronold auch mit den Grünen. „Ich schwankte damals in der Tat zwischen Rot und Grün“, sagt er im Gespräch mit Tagesspiegel Background im Garten der Parlamentarischen Gesellschaft am Reichstagsgebäude. „Ich war aber immer schon ein Gerechtigkeitsfanatiker. Deshalb und wegen des Widerstands der SPD gegen Hitler bin ich Sozialdemokrat geworden.“

Politischer Streit mit Agenda-Kanzler Schröder

Wehret den Anfängen, denkt er, als die Republikaner 1989 ins Europaparlament einziehen. „Da war mir klar, auf Demos gehen reicht nicht – sondern selbst Politik machen und Politik verändern.“ Erst Kreisrat im niederbayerischen Deggendorf, ab 2002 , mit 29 Jahren. Als Rechtsanwalt arbeitet er nur kurz.

Pronold erlangt schnell eine gewisse Bekanntheit, weil er Gerhard Schröders strikt ablehnt. „Teile der Agenda gingen an bestimmte sozialdemokratische Grundüberzeugungen“, urteilt er. Damit meint er zum Beispiel die Ich- AG oder den Zwang, auch eine Arbeit anzunehmen, die nicht nach Tarif bezahlt wird. „Arbeitslosigkeit ist oft nicht selbst verschuldet. Deswegen teilte ich die Botschaft ‚Jeder muss sich nur anstrengen‘ nicht.“

Bei einer Sitzung im Bundestag schmeißt Pronold versehentlich einen Servierwagen um. Schröder schaut nur kurz hin und sagt: „Ach, der Genosse Pronold mal wieder.“ Der legt aber Wert darauf, dass er sich mit dem damaligen Kanzler nie auf der persönlichen, sondern immer „auf der Sachebene auseinandergesetzt“ habe. „Bei keinem von uns ist was zurückgeblieben.“

Seiner weiteren politischen Karriere hat der Streit mit Schröder ohnehin nicht geschadet. Später wird Agenda-Kritik geradezu schick, und als Pronold einmal Schröders früheren Kanzleramtschef und Agenda-Manager Frank-Walter Steinmeier trifft, kann er sagen, er sei seiner Zeit voraus gewesen.

Seitenhieb gegen soziale Kälte der Grünen

In den ersten Jahren im Bundestag ist Pronold Finanzpolitiker, Steuergerechtigkeit beschäftigt ihn sehr. 2013 führt er dann aber für die SPD die Koalitionsverhandlungen zu den Themen Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Anschließend beackert er dieses Feld als Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium.

Nach der Bundestagswahl 2017 wandert der Bereich Bau und Stadt in das Innen- und Heimatministerium von (CSU). Mit Verkehr aus Umweltsicht darf Pronold sich immer noch befassen, ansonsten kümmert er sich um Recycling, Wasser und Emissionsschutz. Ein Programm im Umfang von 50 Millionen Euro gegen die Verschmutzung der Meere betreut er, außerdem geht er die Reduzierung von Verpackungen im Online-Handel an. Pronold arbeitet an der Power-to-X-Strategie der Bundesregierung mit. Dabei geht es darum, mithilfe von Ökostrom gasförmige oder flüssige Kraftstoffe herzustellen. Demnächst startet in Marokko ein Projekt für grünes Gas, wie Pronold verrät.

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Der heute 46-Jährige interessiert sich für die Sachthemen in seinem Ministerium tatsächlich. Er bleibt aber immer auch Parteipolitiker. Seine Vorstellung von Solidarität, die man in der SPD „auch selbst vorleben“ müsse, hätten die „Heckenschützen“ gegen die gescheiterte Parteichefin verletzt und der SPD damit „schweren Schaden“ zugefügt.

Zu den Grünen zeigt der Parteilinke Pronold eine gewisse Distanz – vielleicht auch durch die sehr unterschiedliche Entwicklung der Umfragewerte. Er betont, dass die SPD die Interessen der Arbeitnehmer, Mieter und der sogenannten kleinen Leute im Blick habe. Andernfalls gebe es auch keinen Konsens für eine erfolgreiche Klimapolitik. „Grün ohne Sozialdemokratie heißt soziale Kälte. Und das ist kein Beitrag gegen den Klimawandel.“ Nur der zweite Satz ist augenzwinkernd gemeint.

Mit seinem aktuellen Koalitionspartner ist Pronold aber auch nicht glücklich. Gegen die „Murks-Maut der CSU“ habe er schon bei den Koalitionsverhandlungen vergeblich gekämpft. „Jetzt hat der Europäische Gerichtshof meine Einschätzung von damals vollumfänglich bestätigt“, sagt er etwas gestelzt. Auch ihre „Blockadehaltung beim Klimaschutz“ werde die Union nicht durchhalten. Die SPD dagegen kämpfe für das Klimaschutzgesetz und die Insekten. Das werde zwar „beachtet, aber nicht der SPD oder der Bundesumweltministerin gutgeschrieben“.

Eine Bienenwiese hat auch Pronolds neues Haus in Falkensee bei Berlin, außerdem Solarthermie. Seine Frau arbeitet bei der Deutschen Bahn, deshalb wird der Zweitwohnsitz in Deggendorf unwichtiger. Pronold ist ambitionierter Hobbyfotograf, die besten Motive findet er auf seiner Lieblingsinsel Kuba. Jens Tartler

Fahrrad oder Ferrari? Vielleicht E-Roller. Mein Weg zur Arbeit aus Falkensee ist mit dem Fahrrad zu weit, daher fahre ich oft mit der Bahn. Als Ergänzung denke ich über einen E-Roller nach.

Welche Mobilitäts-Apps nutzen Sie und warum gerade diese? Die, die ich brauche: den DB-Navigator, die BVG-App, eine Carsharing-App und eine Taxi-App.

Wer gibt in der Mobilitätsbranche das Tempo vor? Es geht nicht um Tempo, sondern um smarte Lösungen. Hier sind einige Städte in der Welt deutlich weiter als wir in Deutschland.

Wo würden Sie gerne das Rad neu erfinden? Bei Raumschiff Enterprise wurden die Verkehrs- und die Nahrungsmittelfrage durch das Beamen und die Replikatoren gelöst – darüber komme ich sicher nicht hinaus.

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