Vergangenes in Erinnerung Rufen.Pdf
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Inhalt Vorwort der Herausgeber 1 I. Die Gelehrtenrepublik Intellektuelle Eliten in den Großstädten des Deutschordensstaates Preußen im Mittelalter 9 Janusz Tandecki Rhetorische Argumentation in den Konstitutionen und Programmen der akademischen Gymnasien in Danzig und Thorn von 1568 bis 1658 25 Bartosz Awianowicz Nikolaus Kopernikus – ein Gelehrter, Thorner, Renaissancemensch 33 Janusz Małłek Zwischen Bürgerlichkeit und Naturgeschichte. Naturforschende Gesellschaft zu Danzig als Vorbild für die Berliner Naturfreunde 43 Agnieszka Pufelska II. Zwei Dichterporträts „An dem schroffen Strand der stolzen Weichsel“. Die Thorner Zeit Johann Gottlieb Willamovs (1736-1777) 57 Katarzyna Chlewicka Krasicki und Lehndorff – Geselligkeit als Bindeglied einer polnisch-preußischen Freundschaft 67 Katarzyna Pieper III. Preußen-Bilder Die preußische (bzw. Danziger) Identität im Königlichen Preußen, wie sie sich in der Preussischen Chronik des Heinrich von Reden abzeichnet 75 Danielle Buschinger Ausdruck vom 3.6.2014 ii INHALT Preußen in den Kosmographien des 17. und 18. Jahrhunderts 87 Liliana Lewandowska Königlich-Preußen in deutsch- und polnischsprachigen Flugblättern und -schriften der Frühen Neuzeit 103 Anna Just Nützliche Danziger Erfahrungen (1739-1757) als Quelle zur Erkennung der interregionalen Beziehungen Danzigs 117 Piotr Paluchowski Die gelehrten Männer und das Frauenzimmer. Das Geschlechterverhältnis zur Zeit der Aufklärung im Lichte der Zeitschrift „Thornische Wöchentliche Nachrichten und Anzeigen nebst einem Anhange von Gelehrten Sachen“ 125 Katarzyna Szczerbowska-Prusevicius Die Städte des Königlichen Preußen in den Bremer Pressebeständen 139 Włodzimierz Zientara IV. Problematische Ortsnamen Die Wiedergabe von Ortsnamen in der Übersetzung geschichtswissenschaftlicher Texte 157 Emilia Kubicka Verfasserverzeichnis 177 Ausdruck vom 3.6.2014 Vorwort der Herausgeber Die Wurzeln der Provinz Königliches Preußen, Preußen des Polnischen Königli- chen Anteils, die seit 1773 auf Verordnung Friedrich II. Westpreußen hieß, liegen in der Geschichte des Pruzzenlandes und des Ordenslandes. Nach dem Dreizehn- jährigen Krieg kam das Land 1466 infolge des Zweiten Thorner Friedens unter die polnische Obrigkeit. Das ehrgeizige preußische Bürgertum entwickelte eine eige- ne Identität. Es fühlte sich zunächst eigenem Geburtsort, dann der Provinz König- liches Preußen verpflichtet und war loyaler Untertan der polnischen Krone. Der Begriff loyal muss hier aber dem jeweiligen Zeitgeist angepasst werden. Loyal zu sein bedeutete für die Bürger, sich vordergründig an ihre Privilegien zu halten. Sie akzeptierten, manchmal mit Vorbehalt, den König von Polen, nicht aber das Adel- sparlament. Sicherlich gehört zu ihren Leistungen gesunder Ehrgeiz, die Söhne in akademischen Gymnasien der drei großen Städte (Danzig, Thorn und Elbing) ausbilden zu lassen und in die weite Welt an fremde Universitäten zu schicken. Das die Stadt regierende Patriziat wurde von der sog. Dritten Ordnung Litteratti genannt. Ein Kompliment? Mitnichten! Es wurde eher als Schimpfwort verstan- den und verwendet, und nicht als Anerkennung ihrer Erfolge in der Ausbildung und ihrer intellektuellen Position in der Stadt. Dies deutet eben auf die Tatsache, dass die innere Situation in den Städten nicht konfliktfrei war. Im vorliegenden Band findet der Leser mehrere Beiträge zur Kulturgeschich- te der preußischen Städte, vom klassischen Aufsatz von Janusz Małłek über N. Kopernikus und Janusz Tandecki über die städtischen Eliten im Mittelalter ange- fangen, bis, chronologisch gesehen, zu Krasicki und Lehndorff aus der Feder von Katarzyna Pieper. Die Autoren sind ausgewiesene Wissenschaftler und der Nach- wuchs, denn so war auch unsere Absicht. Lassen wir diejenigen sprechen, die Historiker, Germanisten, Polonisten, klassische Philologen sind. Sie alle verbin- det das Interesse für regionale Kulturgeschichte. Es finden sich hier also Aufsätze zur Pressegeschichte (P. Paluchowski, K. Szczerbowska-Prusevicius, W. Zienta- ra), Druck- und Kommunikationsgeschichte (L. Lewandowska, A. Just), zur in- tellektuellen Welt der Provinz (B. Awianowicz, D. Buschinger, K. Chlewicka, K. Pieper, A. Pufelska, J. Tandecki), aber es wird auch ein Thema angesprochen, das uns alle betrifft, nämlich die höhere Kunst des Übersetzens von Fachtexten (E. Kubicka). Den Band soll man verstehen als kleinen Beitrag zum besseren Verständnis eines Volkes, meistens protestantischer Konfession, das im Rahmen der katholi- schen adeligen Republik lebte, diese Republik bedeutend bereicherte, und zwar nicht nur wirtschaftlich durch den Handel und die Steuern, sondern auch oder vor Ausdruck vom 3.6.2014 2 VORWORT DER HERAUSGEBER allem intellektuell. Hier hatten die neuen geistigen Strömungen ihren Anfang, hier fing die Aufklärung an, längst bevor sie in Warschau durch den letzten König von Polen so erfolgreich eingeführt wurde. Damit die Geschichte einen vollen Kreis drehen kann, sollte man erwähnen, dass dieser König, Stanisław August Ponia- towski, als Kind und seine Brüder die Geschichte von Polen bei einem Danziger Historiker und Juristen, Gottfried Lengnich, privatim lernten. Włodzimierz Zientara Königliches Preußen als Erinnerungsraum Aus dem Bedürfnis, den zunehmenden Globalisierungstendenzen entgegenzuwir- ken, ist der Drang nach Erforschung der regionalen Geschichte und Regionalisie- rung der historischen Forschung entstanden. Man bemüht sich darum, das Regio- nale publik zu machen und die eigene, meist unbekannte Zeitgeschichte öffentlich zu behaupten. Diese Topographie der Erinnerungen mischt sich im regionalen Be- reich mit der Authentizität des Erlebten und bildet einen wichtigen Topos in der „ich“-bedingten Geschichtsforschung. Die Bilder der Vergangenheit findet man meist in Archiven und Bibliotheken und ihre Analyse gleicht häufig der Erfor- schung der Ich-Identität: Wer bin ich hier in dieser Stadt? Wo gehöre ich hin? Der vorliegende Band antwortet auf diese Tendenzen, indem er sich mit der Vergan- genheit einer historischen Provinz – des Königlichen Preußen – beschäftigt und aus der Überzeugung resultiert, dass die in ihm versammelten Studien von Bedeu- tung für die Identitätskonstruktion der Menschen sind, die in dieser Region heute leben oder mit ihr auf eine andere Art verbunden sind. Das Gebiet des Königlichen Preußen, ab 1772 Westpreußens, weist eine ge- meinsame Vergangenheit auf. Hier begegneten einander und existierten neben- einander das Deutsche und das Polnische, das Fremde und das Einheimische. Es ist eine multinationale, kosmopolitische bzw. multikulturelle Geschichte, die über die Identität der einzelnen Städte und ihrer Einwohner entschied und sie für Jahr- hunderte prägte. Karl Schlögel, der die räumliche Dimension für die Geschichts- wissenschaften wiederentdeckte, formulierte in seinem viel rezipierten Buch Im Raume lesen wir die Zeit eine Definition der Kulturlandschaft, deren Richtigkeit man auf dem Gebiet des ehemaligen Königlichen Preußen besonders gut überprü- fen kann: „Kulturlandschaften sind wie geologische Formationen. Jede Generati- on hinterlässt eine eigene Schicht, die eine mehr, die andere weniger, Kultur ist Ausdruck vom 3.6.2014 VORWORT DER HERAUSGEBER 3 Ablagerung. Schicht folgt auf Schicht, Ablagerung auf Ablagerung. Unter unse- ren Füßen liegen Ruinen, Sedimente, Schutt.“1 An vielen Orten sind hier deutsche und polnische Schichten und Ablage- rungen sichtbar. Eine beliebte touristische Attraktion bilden z. B. die deutschen Ordensburgen: die prachtvolle Anlage in Marienburg (Malbork) und andere in Thorn (Torun),´ Elbing (Elbl ˛ag), Schwetz (Swiecie),´ Mewe (Gniew), Bütow (By- tów), Stuhm (Sztum), womit noch nicht alle genannt sind. In Thorn sieht man sogar zwei Burgruinen, die als symbolische Gegenüberstellung von zwei Kultu- ren betrachtet werden können: die Burg am rechten Weichselufer wurde von den Ordensrittern, die Burg Dybów auf der anderen Flussseite von Władysław Jagiełło errichtet. In der ehemaligen Provinz Königliches Preußen haben viele, sogar kleine Ort- schaften zwei Namen: einen polnischen, heute gebrauchten und einen deutschen, der mit Sehnsucht herbeigerufen oder mit Grauen gemieden werden kann, je nach- dem, mit welchem Schicksal er verbunden ist. Beide Namen sind wichtig, wenn man einen Ort in seiner Eigenart erfassen will: „Jeder Name steht für ein anderes Segment, eine andere Kultur, eine andere Sprache, eine andere Tradition, und alle zusammen ergeben die Stadt, von der die Rede ist.“2 An vielen Häusern in der Region kann man noch verwitterte, von den frühe- ren Besitzern angebrachte Inschriften erkennen, es sind Informationen über das Erbauungsjahr, Segenssprüche oder (in den meisten Fällen) Werbeinschriften der Kaufleute und Handwerker. Sie erinnern an diejenigen, die die Häuser einmal be- wohnt haben, sie bezeugen ihre einstige Anwesenheit und machen auf ihre heutige Abwesenheit aufmerksam. Es lässt sich nicht leugnen, dass viele von den Inschrif- ten deutsch sind, was auf den deutschen Anteil an der Geschichte der heute polni- schen Region verweist. Diese Inschriften wurden von den Nachkommenden sorg- sam übertüncht, oft mit der Absicht, die deutschen Spuren zu verwischen, denn sie erinnerten an die Ungerechtigkeit der Teilungen und an die Gräuel der Kriege. An den Stellen, an denen der Putz abfällt, oder an vernachlässigten, nicht sanierten Häusern enthüllt sich vor einem aufmerksamen Auge ein Stück Geschichte. Eine besondere Ausstrahlung haben die Fassaden, auf denen deutsche und polnische Inschriften zugleich auftreten. Daraus erkennt der Flaneur: wo heute „czyszcze-