1911 Bis 1925
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Der Blaue Reiter und der Erzbischof Religiöse Tendenzen, christlicher Glaube und kirchliches Bekenntnis in der Malerei Münchens von 1911 bis 1925 Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgelegt von Bernd Feiler Referent: Prof. Dr. Frank Büttner Koreferentin: Prof. Dr. Renate Prochno Tag der mündlichen Prüfung: 17. Juni 2002 Inhalt I EINFÜHRUNG 1 TEIL I: ZUSAMMENHÄNGE 1. Kirche und Avantgarde 6 1.1 Dogmatisch definierte oder durchspielte Religiosität – „Die Religion gehört der Kirche nicht. “ 8 1.2 Okkultismus und Kirche 9 1.2.1 Die Situation in München: Katholizismus und Okkultismus 14 2. Moderne oder Modernismus. Positionen der katholischen Kirche gegenüber der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts 2.1 München als „Hauptquartier“ des künstlerischen Modernismus 24 2.2 Positionen katholischer Ästheten gegenüber dem Symbolismus und Expressionismus bis 1917 26 2.3 Der Kampf um die Moderne ab 1918 33 2.3.1 Der Weiße Reiter 34 2.3.2 Neue Defensivhaltungen 47 3. Exkurs: Die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst 51 3.1 Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst und ihre Voraussetzungen 52 3.2 Richtungsstreitigkeiten: Die DG als Bollwerk gegen den Modernismus 60 3.3 Wirksamkeit 67 TEIL II: KÜNSTLER UND WERKE 1. Religiöse Tendenzen 1.1 Wassily Kandinsky: Visionen vom Geistigen 70 1.1.1 Fragestellungen: Die Bedeutung von Religion und Tradition bei Kandinsky 1.1.2 Sintflut: Farbstrudel der Ewigkeit oder Göttliches Strafgericht ? 77 1.2 Franz Marc: Umgeformte Traditionen 1.2.1 Abschied vom Figurenbild: Der Hirte 87 1.2.2 Bibelillustrationen des Blauen Reiter: Franz Marcs Darstellungen zur Genesis 91 1.2.3 Bilder vom Paradies 105 2. Christlicher Glaube Einleitung 112 2.1 Erotik und Passion: Christlich-religiöse Bildthemen bei Franz von Stuck 114 2.1.1 Die Rolle christlicher Bildthemen 2.1.2 Christliche Sujets als Anlass für erotische Darstellungen 121 2.1.3 Das in Starre aufgerichtete Leben, der in Starre hingestreckteTod“. Stucks pathetische Kreuzigungsdarstellungen. 141 2.1.4 Apokalypse und die Sehnsucht nach dem Transzendenten: „Der Engel des Gerichts“ und „Regenbogenlandschaft 151 2.2 Expressionismus als Läuterung: Josef Eberz 2.2.1 Entwicklung 162 2.2.2 „Neu ersteht Paradies“. Die Versöhnung von Mensch und Natur 166 2.2.3 Ekstase und Wunder 183 Inhalt II 3. Kirchliches Bekenntnis Einleitung 196 3.1 Fiktiver Realismus: Die religiöse Historienmalerei von Gebhard Fugel und Martin von Feuerstein 3.1.1 Gebhard Fugel 200 3.1.2 Martin von Feuerstein 212 3.2 Franz Reiters Fresko für die St. Georgskirche in München-Milbertshofen 218 3.2.1 Beschreibung und Analyse 219 3.2.2 St. Georg als blauer Reiter 227 3.3 Carl Johann Becker-Gundahl als kirchlicher Maler 232 3.3.1 Entwürfe für St. Maximilian in München 235 3.3.2 Fresken für die Pfarrkirche St. Anna in München 238 3.3.3 Das Hochaltarbild für St. Johannes in München Solln 245 3.4 Kunst im Dienste der Gemeinschaft. Die neue christliche Monumentalmalerei: Josef Eberz und Josef Bergmann 3.4.1 Die Liturgische Bewegung, die Wirksamkeit der Beuroner Kunsttheorie und 251 das nazarenische Erbe als Voraussetzungen der neuen kirchlichen Monumentalkunst. 3.4.2 Sachliches und Persönliches: Josef Eberz und seine kirchliche Kunst 255 3.4.3 Der Hoffnungsträger: Josef Bergmann und seine Fresken in der Pfarrkirche 270 St. Peter und Paul zu Olching 3.4.4 Der Künstler als Chamäleon: Kirchlich bekennende Maler 278 und ihre Arbeiten für den freien Kunstmarkt TEIL III: Malerei in Münchner Kirchen von 1892 bis 1942 285 Werkverzeichnis QUELLEN UND LITERATUR 311 ABBILDUNGEN 326 Einführung 1 Einführung Der „Blaue Reiter“ ist zu einem Synonym für die religiös intendierte Erneuerung der Malerei des 20. Jahrhunderts geworden. Deren Schauplatz, das traditionsgesättigte München der zu Ende gehenden Prinzregentenzeit, war in den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein überregional bedeutsames Zentrum der kirchlichen Kunst. Diese wurde fast ausschließlich vom in Geschichte und Gesellschaft der Stadt tief verwurzelten Katholizismus repräsentiert. Trotz ihrer multiplen Strukturen war in den Jahren von 1911 bis 1925 die katholische Kirche klar hierarchisch gegliedert. In seiner Selbsteinschätzung und auch von außen her wurde der Katholizismus mit seinem Klerus identifiziert. Es lag daher nahe, im Titel dieser Arbeit den „Erzbischof“ zum Synonym für die katholischen Kunstbestrebungen des Untersuchungszeitraumes zu erklären.1 Freilich bestimmten künstlerische Angelegenheiten nur im geringen Maße das Tagesgeschäft der Erzbischöfe, auch wenn die bildende Kunst innerhalb des Katholizismus im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts nach wie vor einen hohen Stellenwert genoss. So äußerte sich Franziskus Bettinger, der 1911, im Jahr des „Blauen Reiter“, der Erzdiözese München und Freising vorstand, kaum zu ästhetischen Fragen. Nicht persönlich, sondern über die ihm subordinierte Verwaltung griff er in die kirchliche Kunstpolitik ein. Der Disput mit der damaligen Gegenwartskunst wurde meistens von geistlichen Kulturgelehrten aus dem klerikalen Mittelbau geführt. Bettingers Nachfolger Michael Kardinal Faulhaber, in dessen Amtszeit sich die kirchliche Kunst unter dem Eindruck reformkatholischer Bestrebungen in Teilbereichen veränderte, bezog dann deutlich Stellung gegen die kirchliche Moderne. Faulhabers Reaktion erfolgte allerdings um Jahre verspätet und postulierte, was seit Jahrzehnten Diskussionsstoff war: Seine Sylvesterpredigt von 1929 bestärkte den prinzipiellen Gegensatz zwischen christlicher Kirchen- und moderner Profankunst. Faulhabers Definition von kirchlicher Kunst repetierte letztendlich die Verlautbarungen des Tridentinums. Die Auseinandersetzung um die Moderne wurde auch im katholischen Milieu in keiner anderen Gattung der bildenden Kunst so hart geführt, wie in der Malerei. Als spirituellste aller künstlerischen Ausdrucksformen genoss sie das höchste Ansehen, die katholische Kritik an der Moderne zielte überwiegend auf Gemälde ab. Dementsprechend konzentriert sich diese Arbeit auf die Ergebnisse der Malerei. Die Begrenzung auf die Münchner Malerei im Titel dieser Arbeit mag Anlass zur Kritik geben. 1 Der ursprünglich angedachte Titel „Der Blaue Reiter und der Kardinal“ wurde mit Rücksicht auf die Kirchengeschichte verworfen. Erst im April 1914, also zweieinhalb Jahre nach der Premiere des „Blauen Reiters“ wurde mit Franziskus Bettinger erstmalig ein Erzbischof von München und Freising in den Kardinalsrang erhoben. Einführung 2 Die international orientierte, autonome Kunst Kandinskys und Marcs kann selbstverständlich nicht diminutiv als Münchner Malerei vereinnahmt werden. Auch die Arbeiten von Josef Eberz und Franz von Stuck sind nicht einer spezifischen Münchner Schule zuzurechnen, deren Existenz prinzipiell zu hinterfragen wäre. Gewisse Traditionen der Münchner Akademie lebten natürlich am deutlichsten im Schaffen der kirchlichen Maler fort, die allerdings auch überregionale Impulse aufnahmen. „Malerei Münchens“ wurde deshalb als syntaktische Kompromissformel gewählt. Sie umfasst jene Malerei, die zwischen 1911 und 1925 in München entstanden ist, deren Schöpfer dort ihren künstlerischen Mittelpunkt hatten oder ihre Kunst vorwiegend in der bayerischen Kapitale vermarkteten. Ich folge damit auch Horst Ludwigs Buch über die Malerei des 20. Jahrhunderts in München.1 Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über die Jahre 1911 bis 1925. Er beginnt am Vorabend des Ersten Weltkriegs, im Jahr des ersten Auftritts der Münchner Avantgarde anlässlich der Ausstellung des „Blauen Reiter“ in der Münchner Galerie Thannhauser und endet in der Epoche der Weimarer Republik, mit dem Zeitpunkt, als der Expressionismus seine Bedeutung als vorherrschende künstlerische Richtung verloren hatte. Im Jahr 1925 prägte Gustav Friedrich Hartlaub den Begriff „Neue Sachlichkeit“ für jene neorealistischen Tendenzen in der bildenden Kunst, die nun an die Stelle des Expressionismus traten. Auch Münchens Bedeutung als internationale Kunststadt schwand Mitte der 20er Jahre zusehends, der Blaue Reiter war geschichtliches Ereignis, Wassily Kandinsky hatte der bayerischen Landeshauptstadt längst den Rücken gekehrt und lehrte, wie viele führenden Vertreter der frühen Avantgarde, am Bauhaus in Dessau. Der Kampf um den kirchlichen Expressionismus wurde bis 1925 hauptsächlich im Rheinland ausgetragen, während das kirchliche München unbeirrt an seiner Sonderkunst festhielt. Erst mit dem Ende der Vorherrschaft des Expressionismus setzte sich im Gefolge der Neuen Sachlichkeit die so genannte neuchristliche Monumentalmalerei durch. Für reformorientierte Vertreter des Katholizismus in München bedeutete diese neue kirchliche Kunst den Aufbruch in eine neue Epoche, für konservative kirchliche Kreise war sie ein erträglicher Kompromiss. Der erste Teil dieser Arbeit trägt den Titel „Zusammenhänge“. Er versucht das Szenario zu beschreiben, in dem der „Blaue Reiter“ und der Erzbischof“ agierten. Das Verhältnis der Kirche zur Avantgarde, die Rezeption der modernen Malerei durch die katholische Kunstkritik und die Beschreibung der kirchlichen Kunstszene anhand zweier gegensätzlicher Beispiele stehen dabei im Mittelpunkt. Die reformorientierte katholische Bewegung „Der Weiße Reiter“, für die natürlich der „Blaue Reiter“ Pate gestanden hatte, ist heute nahezu vergessen. Ihr gehörten Literaten, Theologen 1 Ludwig, Horst: Vom „Blauen Reiter“ zu Frisch gestrichen. Malerei in München im 20. Jahrhundert. München 1997 Einführung 3 und bildende Künstler an, die sich um die Erneuerung