Österreich Ist Frei!« Dieser Erlösende Ausruf Von Bundeskanzler Dr
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Ausg. Nr. 33 • 1. Juni 2005 Unparteiisches, unabhängiges und – derzeit noch – kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in zwei pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at »Österreich ist frei!« Dieser erlösende Ausruf von Bundeskanzler Dr. Leopold Figl am 15. Mai 1955 vom Balkon des Schlosses Belvedere setzte einen Schlußstrich unter die Verhandlungen mit den Besatzungsmächten. 50 Jahre danach gedachte Österreich mit hochrangigen Vertretern der Signatarstaaten dieses Ereignisses. Foto: Georges Schneider / HOPI-Media (v.l.n.r.) Der der britische Europaminister Douglas Alexander, der frühere republikanische Senator Rudy Boschwitz (USA), der Außenminister Frankreichs Michel Barnier, Außenministerin Ursula Plassnik, Russlands Aussenminister Sergej Lawrow, Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach m 15. April 1955 traf die österreichi- Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl Donaudampfschiffahrtsgesellschaft für zwei Asche Regierungsdelegation im Mos- und Staatssekretär Bruno Kreisky an. Man Millionen Dollar und die Erdölindustrie ge- kauer Kreml ein und wurde dort vom sowje- wollte für Österreich eine Neutralität „nach gen eine Ablöse von 10 Millionen Tonnen tischen Staatschef Nikita Chruschtschow Schweizer Vorbild“ erreichen, also keinem Rohöl freizukaufen. Ein humanitäres Zuge- empfangen. Drei sehr harte Verhandlungstage Militärbündnis beitreten und keine fremden ständnis Moskaus betraf die Freilassung der lagen hinter den österreichischen Politikern Militärstützpunkte auf eigenem Gebiet zu- noch in sowjetischen Lagern befindlichen und Diplomaten, denen es schließlich durch lassen. ÖsterreicherInnen. Darunter viele Kriegs- das Moskauer Memorandum gelungen war, Nachdem man sich bereits 1949 auf eine verbrecher, aber auch unschuldig Verurteilte den Grundstein für den baldigen Abschluß Ablöse von 150 Millionen Dollar für jene Be- des seit Kriegsende ersehnten Staatsvertrags triebe, die von der Sowjetunion in Österreich Inhaltsverzeichnis Seite 3 zu legen. Der Regierungsdelegation gehörten als deutsches Eigentum beschlagnahmt wor- Impressum Seite 45 Bundeskanzler Julius Raab, Vizekanzler den waren, geeinigt hatte, gelang es nun, die ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 2 Innenpolitik und aus der Heimat Verschleppte. Noch am darüber, daß Österreich seine Selbständigkeit wurden, um Österreich zu befreien und sein selben Tag flog die Delegation zurück und wiedererlangt hatte und die Freude darüber, Überleben nach Kriegsende zu sichern. […] wurde nach ihrer Landung auf dem Flug- daß die Demokratie eine Chance erhielt und Wir haben auch viele Gründe den Ver- platz Bad Vöslau stürmisch gefeiert. diese Chance auch genutzt wurde, überwog einigten Staaten und dem amerikanischen den Umstand, daß unser Land zunächst nur Volk herzlich zu danken, und Österreich wird Schicksalspapier über eine eingeschränkte Souveränität verfüg- im ersten Halbjahr des kommenden Jahres te, in vier Besatzungszonen aufgeteilt war und während der Zeit des österreichischen Vor- Seit Anfang Mai feilte in Wien die Bot- schmerzliche Einschnitte in Form der Demar- sitzes in der EU Gelegenheit haben, Beiträge schafterkonferenz am Text des Staatsvertrags. kationslinien ertragen mußte. zur Weiterentwicklung und Stärkung des Noch am Vorabend der Unterzeichnung ge- transatlantischen Dialoges zu leisten. lang es Leopold Figl in der Außenminister- Ich bedanke mich auch bei der Bevölke- konferenz die Streichung der Mitverant- rung und bei den Regierungen von Groß- wortungs-Klausel Österreichs am Zweiten britannien und Frankreich für ausgezeichnete Weltkrieg zu erreichen. Da zu aller Überra- Zusammenarbeit im europäischen Geist. schung Einigkeit über den endgültigen Ver- Unser Dank gilt aber auch all jenen tragstext erzielt wurde, waren die Vorberei- Ländern, die in dunklen Tagen vielen von der tungen für die Unterzeichnung des Staatsver- Nazi-Diktatur bedrohten Österreicherinnen trags und der begleitenden Feierlichkeiten und Österreichern Asyl gewährt haben oder von Zeitdruck und Improvisation geprägt. nach dem Krieg in beispielhafter Weise Am 15. Mai 1955 war es dann schließlich österreichischen Kindern Erholung geboten soweit: Zu Mittag traten die Außenminister, und zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit Wjatscheslaw Molotow (UdSSR), John beigetragen haben. Dulles (USA), Harold Macmillan (Großbri- Ich bin glücklich, heute feststellen zu tannien), Antoine Pinay (Frankreich) sowie können: Österreich hat seit dem Staatsvertrag Leopold Figl für Österreich und die alliierten einen weiten Weg zurückgelegt. Es war alles Botschafter im Marmorsaal des Schlosses in allem ein guter, friedlicher Weg. Österreich Belvedere zur feierlichen Vertragsunter- hat in Europa keine Feinde, aber sehr viele zeichnung zusammen. Mit den Worten Figls Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media Freunde. Heute dürfen wir feiern. Und mor- „Österreich ist frei!“ wurde dieser schicksals- Bundespräsident Heinz Fischer gen werden wir uns wieder an die Arbeit trächtige Moment gekrönt. machen für Österreich, für Europa, für Friede Außerdem waren wir uns bewußt und sind und Menschenrechte und für unsere gemein- Jubel und Freudentaumel es auch heute, daß die vier Alliierten-Mächte samen Werte. im Krieg gegen Hitler-Deutschland große Die Euphorie, die am 15. Mai 1955 um Opfer erbringen mußten. Allein die Sowjet- Am Tag zuvor … sich griff, war allseits spürbar. Viele erlebten union hatte im Zweiten Weltkrieg mehr als 25 diesen Tag im und rund um das Belvedere Millionen Menschenleben zu beklagen. Dazu … am 14. Mai, wandte sich Bundeskanzler im Jubel- und Freudentaumel. Für die kam, daß die sowjetische Besatzungsmacht im Wolfgang Schüssel in einer Fernsehanspra- Staatsgäste klang der Tag bei einem Fest- Osten Österreichs im Hungerwinter 1945/46 che an die Österreicherinnen und Österrei- bankett im Schloß Schönbrunn feierlich aus. nach Kräften dazu betrug, den Hunger zu lin- cher. „Dieser 15. Mai 1955 war nach 10 Jah- dern. Die amerikanischen Care-Pakete sind in ren Besatzung ein wahres Fest der Freude. 50 Jahre später … bester Erinnerung, und die Bedeutung des Österreich bekam seine volle Freiheit und US-Marshall-Planes für den Wiederaufbau Unabhängigkeit zurück. Nach Stalins Tod … gedachte an diesem so geschichtsträchti- unseres Landes kann gar nicht hoch genug hatte sich mitten im Kalten Krieg vorüberge- gen Ort, dem Schloß Belvedere, das offi- eingeschätzt werden. Auch die französischen hend ein Fenster aufgetan. Kluge Politiker – zielle Österreich dieses für unser Land so und die britischen Besatzungssoldaten haben Raab und Figl, Schärf und Kreisky – erkann- wesentlichen Ereignisses. zur Linderung der Not und zum Aufbau einer ten diesen historischen Moment und nutzten Bundespräsident Heinz Fischer leitete funktionsfähigen Verwaltung in der unmittel- ihn.“ seine Festrede sehr nachdenklich ein: „Wir baren Nachkriegszeit vieles beigetragen, und Als der Staatsvertrag im Belvedere feier- haben im Laufe des 20. Jahrhundert gelernt, dem Vereinigten Königreich sind wir zusätz- lich unterzeichnet wurde, sei ein Traum wahr auf zuviel Pathos zu verzichten und mit gro- lich zu Dank verpflichtet, daß Gebietsan- geworden, das Ende der Besatzung habe in ßen Worten vorsichtig umzugehen. Dennoch sprüche an Österreich im Süden unseres Lan- einen neuen Anfang für Österreich gemün- bin ich überzeugt, daß ich den 15. Mai 1955 des entschieden zurückgewiesen wurden. det „und viele Opfer erhielten erst ihren Sinn als einen großen Tag in der Nachkriegsge- Unser heutiges Zusammentreffen im in dieser erfüllten Hoffnung“, so Schüssel. schichte und einen ganz großen Tag für Belvedere ist mir daher eine willkommene Die Unabhängigkeitserklärung 1945 und Österreich bezeichnen darf: Ein Tag, der zu Gelegenheit, um im Namen unseres Landes den Staatsvertrag 1955 bezeichnete er als einer friedlichen Entwicklung in Europa bei- an die hier anwesenden Vertreter Russlands, Fundamente unseres modernen österreichi- getragen hat. […] der USA, Großbritanniens und Frankreichs schen Selbstbewußtseins. Der Staatsvertrag Die Freude darüber, daß Krieg und Diktatur ein aufrichtiges Wort des Dankes zu richten sei die Geburtsurkunde unserer Freiheit. Er der Vergangenheit angehörten, die Freude für die Opfer, die von ihren Ländern erbracht enthält Rechte, aber auch Pflichten. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 3 Innenpolitik von den Vereinigten Staaten von Europa ge- träumt, dieser Traum ist heute genauso Wirklichkeit wie die Unabhängigkeit und Freiheit unseres Landes. Der Staatsvertrag hat uns die Freiheit von der Besatzung gebracht, die neue Euro- päische Verfassung, die in dieser Woche erst mit überwältigender Mehrheit im Parlament ratifiziert worden ist, gibt uns die Freiheit zu etwas – die Freiheit ein friedliches, soziales und starkes Europa mit zubauen. Nützen wir diese Freiheit.“ Tags darauf begrüßte Schüssel den Außen- minister der Russischen Föderation, Sergej Wiktorowitsch Lawrow, den Außenminister der Französischen Republik, Michel Barnier, den Minister für Europa des Vereinigten Kö- nigreiches von Großbritannien und Nord- irland, The Right Honorable Douglas Alexan- der und als Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Senator Rudy Boschwitz. Die Staatsspitze war vertreten durch Bundespräsident Heinz Fischer, Vizekanzler Hubert Gorbach, Außenministerin Ursula Plassnik, die gesamte Bundesregierung, die Vertreter des Parlaments, an der Spitze Präsident Dr. Andreas Khol, alle Landes- hauptleute, hohe Vertreter der Kirchen und viele andere Persönlichkeiten