Ausg. Nr. 33 • 1. Juni 2005 Unparteiisches, unabhängiges und – derzeit noch – kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in zwei pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at »Österreich ist frei!« Dieser erlösende Ausruf von Bundeskanzler Dr. Leopold Figl am 15. Mai 1955 vom Balkon des Schlosses Belvedere setzte einen Schlußstrich unter die Verhandlungen mit den Besatzungsmächten. 50 Jahre danach gedachte Österreich mit hochrangigen Vertretern der Signatarstaaten dieses Ereignisses. Foto: Georges Schneider / HOPI-Media (v.l.n.r.) Der der britische Europaminister Douglas Alexander, der frühere republikanische Senator Rudy Boschwitz (USA), der Außenminister Frankreichs Michel Barnier, Außenministerin Ursula Plassnik, Russlands Aussenminister Sergej Lawrow, Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach

m 15. April 1955 traf die österreichi- Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl Donaudampfschiffahrtsgesellschaft für zwei Asche Regierungsdelegation im Mos- und Staatssekretär Bruno Kreisky an. Man Millionen Dollar und die Erdölindustrie ge- kauer Kreml ein und wurde dort vom sowje- wollte für Österreich eine Neutralität „nach gen eine Ablöse von 10 Millionen Tonnen tischen Staatschef Nikita Chruschtschow Schweizer Vorbild“ erreichen, also keinem Rohöl freizukaufen. Ein humanitäres Zuge- empfangen. Drei sehr harte Verhandlungstage Militärbündnis beitreten und keine fremden ständnis Moskaus betraf die Freilassung der lagen hinter den österreichischen Politikern Militärstützpunkte auf eigenem Gebiet zu- noch in sowjetischen Lagern befindlichen und Diplomaten, denen es schließlich durch lassen. ÖsterreicherInnen. Darunter viele Kriegs- das Moskauer Memorandum gelungen war, Nachdem man sich bereits 1949 auf eine verbrecher, aber auch unschuldig Verurteilte den Grundstein für den baldigen Abschluß Ablöse von 150 Millionen Dollar für jene Be- des seit Kriegsende ersehnten Staatsvertrags triebe, die von der Sowjetunion in Österreich Inhaltsverzeichnis Seite 3 zu legen. Der Regierungsdelegation gehörten als deutsches Eigentum beschlagnahmt wor- Impressum Seite 45 Bundeskanzler Julius Raab, Vizekanzler den waren, geeinigt hatte, gelang es nun, die ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 2 Innenpolitik und aus der Heimat Verschleppte. Noch am darüber, daß Österreich seine Selbständigkeit wurden, um Österreich zu befreien und sein selben Tag flog die Delegation zurück und wiedererlangt hatte und die Freude darüber, Überleben nach Kriegsende zu sichern. […] wurde nach ihrer Landung auf dem Flug- daß die Demokratie eine Chance erhielt und Wir haben auch viele Gründe den Ver- platz Bad Vöslau stürmisch gefeiert. diese Chance auch genutzt wurde, überwog einigten Staaten und dem amerikanischen den Umstand, daß unser Land zunächst nur Volk herzlich zu danken, und Österreich wird Schicksalspapier über eine eingeschränkte Souveränität verfüg- im ersten Halbjahr des kommenden Jahres te, in vier Besatzungszonen aufgeteilt war und während der Zeit des österreichischen Vor- Seit Anfang Mai feilte in Wien die Bot- schmerzliche Einschnitte in Form der Demar- sitzes in der EU Gelegenheit haben, Beiträge schafterkonferenz am Text des Staatsvertrags. kationslinien ertragen mußte. zur Weiterentwicklung und Stärkung des Noch am Vorabend der Unterzeichnung ge- transatlantischen Dialoges zu leisten. lang es Leopold Figl in der Außenminister- Ich bedanke mich auch bei der Bevölke- konferenz die Streichung der Mitverant- rung und bei den Regierungen von Groß- wortungs-Klausel Österreichs am Zweiten britannien und Frankreich für ausgezeichnete Weltkrieg zu erreichen. Da zu aller Überra- Zusammenarbeit im europäischen Geist. schung Einigkeit über den endgültigen Ver- Unser Dank gilt aber auch all jenen tragstext erzielt wurde, waren die Vorberei- Ländern, die in dunklen Tagen vielen von der tungen für die Unterzeichnung des Staatsver- Nazi-Diktatur bedrohten Österreicherinnen trags und der begleitenden Feierlichkeiten und Österreichern Asyl gewährt haben oder von Zeitdruck und Improvisation geprägt. nach dem Krieg in beispielhafter Weise Am 15. Mai 1955 war es dann schließlich österreichischen Kindern Erholung geboten soweit: Zu Mittag traten die Außenminister, und zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit Wjatscheslaw Molotow (UdSSR), John beigetragen haben. Dulles (USA), Harold Macmillan (Großbri- Ich bin glücklich, heute feststellen zu tannien), Antoine Pinay (Frankreich) sowie können: Österreich hat seit dem Staatsvertrag Leopold Figl für Österreich und die alliierten einen weiten Weg zurückgelegt. Es war alles Botschafter im Marmorsaal des Schlosses in allem ein guter, friedlicher Weg. Österreich Belvedere zur feierlichen Vertragsunter- hat in Europa keine Feinde, aber sehr viele

zeichnung zusammen. Mit den Worten Figls Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media Freunde. Heute dürfen wir feiern. Und mor- „Österreich ist frei!“ wurde dieser schicksals- Bundespräsident Heinz Fischer gen werden wir uns wieder an die Arbeit trächtige Moment gekrönt. machen für Österreich, für Europa, für Friede Außerdem waren wir uns bewußt und sind und Menschenrechte und für unsere gemein- Jubel und Freudentaumel es auch heute, daß die vier Alliierten-Mächte samen Werte. im Krieg gegen Hitler-Deutschland große Die Euphorie, die am 15. Mai 1955 um Opfer erbringen mußten. Allein die Sowjet- Am Tag zuvor … sich griff, war allseits spürbar. Viele erlebten union hatte im Zweiten Weltkrieg mehr als 25 diesen Tag im und rund um das Belvedere Millionen Menschenleben zu beklagen. Dazu … am 14. Mai, wandte sich Bundeskanzler im Jubel- und Freudentaumel. Für die kam, daß die sowjetische Besatzungsmacht im Wolfgang Schüssel in einer Fernsehanspra- Staatsgäste klang der Tag bei einem Fest- Osten Österreichs im Hungerwinter 1945/46 che an die Österreicherinnen und Österrei- bankett im Schloß Schönbrunn feierlich aus. nach Kräften dazu betrug, den Hunger zu lin- cher. „Dieser 15. Mai 1955 war nach 10 Jah- dern. Die amerikanischen Care-Pakete sind in ren Besatzung ein wahres Fest der Freude. 50 Jahre später … bester Erinnerung, und die Bedeutung des Österreich bekam seine volle Freiheit und US-Marshall-Planes für den Wiederaufbau Unabhängigkeit zurück. Nach Stalins Tod … gedachte an diesem so geschichtsträchti- unseres Landes kann gar nicht hoch genug hatte sich mitten im Kalten Krieg vorüberge- gen Ort, dem Schloß Belvedere, das offi- eingeschätzt werden. Auch die französischen hend ein Fenster aufgetan. Kluge Politiker – zielle Österreich dieses für unser Land so und die britischen Besatzungssoldaten haben Raab und Figl, Schärf und Kreisky – erkann- wesentlichen Ereignisses. zur Linderung der Not und zum Aufbau einer ten diesen historischen Moment und nutzten Bundespräsident Heinz Fischer leitete funktionsfähigen Verwaltung in der unmittel- ihn.“ seine Festrede sehr nachdenklich ein: „Wir baren Nachkriegszeit vieles beigetragen, und Als der Staatsvertrag im Belvedere feier- haben im Laufe des 20. Jahrhundert gelernt, dem Vereinigten Königreich sind wir zusätz- lich unterzeichnet wurde, sei ein Traum wahr auf zuviel Pathos zu verzichten und mit gro- lich zu Dank verpflichtet, daß Gebietsan- geworden, das Ende der Besatzung habe in ßen Worten vorsichtig umzugehen. Dennoch sprüche an Österreich im Süden unseres Lan- einen neuen Anfang für Österreich gemün- bin ich überzeugt, daß ich den 15. Mai 1955 des entschieden zurückgewiesen wurden. det „und viele Opfer erhielten erst ihren Sinn als einen großen Tag in der Nachkriegsge- Unser heutiges Zusammentreffen im in dieser erfüllten Hoffnung“, so Schüssel. schichte und einen ganz großen Tag für Belvedere ist mir daher eine willkommene Die Unabhängigkeitserklärung 1945 und Österreich bezeichnen darf: Ein Tag, der zu Gelegenheit, um im Namen unseres Landes den Staatsvertrag 1955 bezeichnete er als einer friedlichen Entwicklung in Europa bei- an die hier anwesenden Vertreter Russlands, Fundamente unseres modernen österreichi- getragen hat. […] der USA, Großbritanniens und Frankreichs schen Selbstbewußtseins. Der Staatsvertrag Die Freude darüber, daß Krieg und Diktatur ein aufrichtiges Wort des Dankes zu richten sei die Geburtsurkunde unserer Freiheit. Er der Vergangenheit angehörten, die Freude für die Opfer, die von ihren Ländern erbracht enthält Rechte, aber auch Pflichten. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 3 Innenpolitik

von den Vereinigten Staaten von Europa ge- träumt, dieser Traum ist heute genauso Wirklichkeit wie die Unabhängigkeit und Freiheit unseres Landes. Der Staatsvertrag hat uns die Freiheit von der Besatzung gebracht, die neue Euro- päische Verfassung, die in dieser Woche erst mit überwältigender Mehrheit im Parlament ratifiziert worden ist, gibt uns die Freiheit zu etwas – die Freiheit ein friedliches, soziales und starkes Europa mit zubauen. Nützen wir diese Freiheit.“ Tags darauf begrüßte Schüssel den Außen- minister der Russischen Föderation, Sergej Wiktorowitsch Lawrow, den Außenminister der Französischen Republik, Michel Barnier, den Minister für Europa des Vereinigten Kö- nigreiches von Großbritannien und Nord- irland, The Right Honorable Douglas Alexan- der und als Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Senator Rudy Boschwitz. Die Staatsspitze war vertreten durch Bundespräsident Heinz Fischer, Vizekanzler Hubert Gorbach, Außenministerin Ursula Plassnik, die gesamte Bundesregierung, die Vertreter des Parlaments, an der Spitze Präsident Dr. Andreas Khol, alle Landes- hauptleute, hohe Vertreter der Kirchen und viele andere Persönlichkeiten des öffent- lichen Lebens. Der Bundeskanzler erinnerte zu Beginn seiner Festrede daran, daß Prinz Eugen von Savoyen sich dieses anmutige Schloß Bel- vedere vor fast 300 Jahren nach seinen sieg- reichen Feldzügen weit außerhalb der Stadt- mauern von Wien hat erbauen lassen. Heute sei es fast schon ins Zentrum gerückt. Maria Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media

„International wurde uns die Unabhängig- keit und die Unverletzlichkeit unserer Gren- Aus dem Inhalt zen verbrieft und garantiert. Wir verpflichten EU-Verfassung ratifiziert 7 Jupiter-Mond ist löchriger uns aber auch zur Wahrung der Menschen- Europa Club Wien und leichter als angenommen 24 rechte, zur Achtung der Volksgruppen und Die österreichische Verfassung Uni Innsbruck: Titan-Ursuppe 25 Minderheiten und zur Wachsamkeit gegenü- im Lichte der EU-Verfassung 9 Kaiserl. Festschloß Hof eröffnet 26 ber Nationalsozialismus und Faschismus. Österreich Partner für wirtschaftliche Prix Ars Electronica 2005 28 Diese Verpflichtungen bleiben selbstver- u. politische Stabilität in Bosnien 10 Alma kehrt nach zehn Jahren ständlich für alle Zukunft aufrecht. Mittelfristig langsame Erholung zurück nach Österreich 30 Freiwillig haben wir uns später in einem der Inlandsnachfrage 11 Festival Retz startet 33 Bundesverfassungsgesetz zur immerwähren- Kaufkraftboom im »Speckgürtel« Um die Wurst – Vom Essen und den Neutralität verpflichtet. Österreich der größeren Städte 13 Trinken im Mittelalter 35 nimmt an keinen Kriegen teil, es erlaubt MCE AG: Airbus A380 hebt mit Österr. Kabarettarchiv in Straden 36 keine Stationierung fremder Truppen und österreichischem Know-how ab 15 Prof. Gerhard Track: tritt keinem Militärbündnis bei. Diesen kla- Ein Park blüht auf Ein Musikalischer Botschafter 38 ren Auftrag zu einer aktiven Friedenspolitik Landesgartenschau in Bad Hall 16 Neue Staffel »Echt Wienerisch« 41 wollen wir als EU-Mitglied in der Inter- Großglockner Hochalpenstraße: Der »AlpenStar« ist erwachsen 46 600.000 m³ Schnee geräumt 20 nationalen Völkergemeinschaft auch in Zu- Lebendige Geschichte Das Keltendorf in Mitterkirchen 47 kunft erfüllen. […] Die GüterBim fährt 22 Auf Lipizzanern reiten 51 Leopold Figl hat schon 1951 – lange Ein Leben für die Grundlagenwissenschaft 23 »Kleine Historische Städte« 53 noch vor dem Abschluß des Staatsvertrags – ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 4 Innenpolitik

Theresia habe dieses Schloß für große Bälle Und wenn so oft von den „Vätern des genützt, Kaiser Franz Joseph habe im Unteren Staatsvertrages“ gesprochen werde, so wüß- Belvedere eine Galerie für die neue Kunst ten wir, daß sowohl die Erringung der eingerichtet und das Obere Belvedere Erz- Freiheit wie auch der Wiederaufbau nicht herzog Franz Ferdinand zur Wohnung gege- nur „Väter“, sondern auch „Mütter“ gehabt ben. habe. „Die Frauen Österreichs haben in die- „Mit dem Attentat auf das Thronfolgerpaar sen schweren Anfangsjahren wahrhaft Un- im Jahr 1914 begann der Erste Weltkrieg und vorstellbares geleistet. Ihnen sagen wir in eine Tragödie für Europa, auch für Öster- diesem berührenden Augenblick ein tief reich. Adolf Hitler, das soll nicht verschwie- empfundenes Dankeschön“. gen werden, hat diesen Marmorsaal als Die Generation derer, die das Herzklop- Kulisse für seine ,Wiener Schiedssprüche‘, fen, das Bangen und Hoffen in der Zeit mit denen er die gesamten Friedensverträge, davor, aber auch die Euphorie des 15. Mai Saint Germain und Trianon, und damit die nicht unmittelbar erlebt hätten, durften schon Grenzen in Mitteleuropa in Frage gestellt in einem friedlichen, ungeteilten Land auf- hat, benützt. wachsen. „Im damaligen Vertrauensvorschuß Aber vor 50 Jahren, am 15. Mai 1955, sehen wir den Auftrag, auch unsererseits Zu- haben die Außenminister und Botschafter versicht und Unterstützung weiterzugeben. der vier Alliierten sowie der österreichische Zu Versöhnung und Verständigung beizutra- Außenminister Leopold Figl den österreichi- gen, so gut wir können. Als Nachbarn in schen Staatsvertrag unterzeichnet. Und da- Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media Europa, als Partner in der Welt.“ […] mit war der in der Moskauer Deklaration Bundeskanzler Wolfgang Schüssel 12 Jahre vorher festgelegte Befreiungspro- Neutralität gibt Sicherheit zeß endlich am Ziel.“ […] Wir dürfen in großer Dankesschuld gerade „Vor uns liegt hier das Original des öster- mit ihnen heute ihren Erfolg feiern. Es sind SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer reichischen Staatsvertrags. Erstmals hat die- heute auch die Leiter der Auslandsösterrei- sieht die Basis unserer Souveränität, die die ses Dokument das Archiv in Moskau ver- chervereine aus aller Welt zusammen ge- Voraussetzung für die Erfolgsgeschichte der lassen. Erstmals wurde überhaupt ein so kommen. Viele dieser Gemeinschaften wur- Zweiten Republik war, in der von den Grün- genanntes Original außerhalb der Grenzen den von Vertriebenen in größter Not gegrün- dervätern der Republik mit der „Geist der der Depositarmacht gezeigt. Dafür sind wir det. Unter ihnen ist Europa und Österreich dankbar, Herr Außenminister Lawrow. Mein lebendig geblieben, während es von der Dank gilt dafür der russischen Regierung Landkarte gelöscht wurde.“ und Präsident Putin. Es war für mich ein sehr Dann wandte sich Außenministerin Ursula bewegender Moment als mir vor einem Mo- Plassnik an die Festgäste und dankte den nat der russische Botschafter dieses Original Vertretern der Signatarstaaten im Namen der überreicht hat. In der Ausstellung auf der Österreicherinnen und Österreicher für Ihre Schallerburg haben bereits 50.000 Men- Anwesenheit an diesem Festtag, aber auch schen dieses papierene Denkmal unserer für die Worte der Sympathie und Anerken- Unabhängigkeit und Souverenität gesehen. nung. „Sie ehren damit unser Land und die Zehntausende mehr werden es hier in Wien Menschen, die im Schatten einer furchtbaren sein.“ und belastenden Geschichte der Mitverant- Schließlich rief Schüssel dazu auf, an wortung die Hoffnung nicht aufgegeben einem solchen Freudentag auch der Opfer zu haben. Die mit Mut und Zuversicht für die gedenken, die dieses neue und freie Öster- Zukunft dieses Landes gearbeitet haben – für reich nicht mehr erlebt haben: „Der Zweite eine Zukunft in Freiheit und Würde, für eine Weltkrieg hat 60 Millionen Tote gefordert, Zukunft in Verantwortung.“

ein Drittel davon Russen. Frankreich wurde 1955 habe die Welt in Österreich inves- Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media zeitweise ausgelöscht, England war schwerst tiert: politisch, wirtschaftlich und vor allem Außenministerin Ursula Plassnik bedrängt. Auch wir, das kleine Österreich, an Vertrauen: Sie hat an Österreich geglaubt. hatten eine Million Tote, Schwerverletzte „Unsere Eltern und Großeltern sind mit Lagerstraße“ genannten Einsicht zu Koope- oder Kriegsgefangene, die viele Jahre ihres ihrem Vertrauensvorschuß verantwortungs- ration, Dialog und Solidarität. Die freiwilli- Lebens verloren haben, zu beklagen gehabt. voll umgegangen. Gestützt durch Ihre Hilfe ge Erklärung Österreichs zur immerwähren- Wir sollen dieser Opfer gedenken und auch haben sie ein Land wieder aufgebaut, das den Neutralität sei eng mit dem Staatsvertrag derer, die am Befreiungskampf mitgewirkt rasch seinen Platz in der Staatengemein- verbunden. „In den letzten 50 Jahren hat die haben. Ich möchte daher mit besonderer schaft gefunden hat – im Dezember 1955 der Neutralität zweifellos eine herausragende Hochachtung jene im Belvedere begrüßen, Beitritt zu den Vereinten Nationen, im Jahr Rolle für Österreich, seine Bevölkerung, den die Trägerinnen und Träger der österreichi- darauf zum Europarat. Ein Land, das heute hohen internationalen Stellenwert und das schen Befreiungsmedaille und des Ehren- allgemein geachtet, ja, von vielen sogar Ansehen dieses Landes gespielt und wird zeichens für die Befreiung Österreichs sind. beneidet, wird.“ dies auch in Zukunft tun“, versicherte er. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 5 Innenpolitik

„Die Neutralität gibt den Österreicherinnen wurde.“ Umso mehr sei diesen Menschen Österreich verlassen hatte und die Republik und Österreichern Sicherheit. Und zwar die ein finanziell abgesicherter und sorgenfreier frei wurde, begann ein einmaliger Prozeß zu Sicherheit, daß die Entscheidungen darüber, Lebensabend zu wünschen, in dem sie sich demokratischer Stabilität, allgemeinem ob Österreicher in bewaffneten Auseinander- auf den Generationenvertrag und gesicherte Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und setzungen im Ausland eingesetzt werden, Pensionen verlassen können, „was derzeit Rechtsstaatlichkeit. allein in Österreich getroffen wird“, betonte leider nicht garantiert ist“. „Wir haben gute Gründe, dies zu feiern – Gusenbauer. „Neutralität und Solidarität wa- „Der Geist des sozialen und solidarischen aber auch, in uns zu gehen und uns in Demut ren für uns jedoch nie ein Widerspruch, wie Grundkonsenses der Gründerväter unserer zu üben. Wir dürfen nicht vergessen, aus der Einsatz Tausender österreichischer Solda- Republik hat Risse bekommen“, sagte welcher Asche dieser ,Phoenix‘ Österreich ten im Rahmen der UNO-Blauhelm-Einsätze Gusenbauer. „Inmitten des Wohlstands gibt entstiegen ist. Es ist unsere Pflicht, dauerhaft gezeigt hat.“ es in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit dafür zu sorgen, dass wir aus der Geschichte der Zweiten Republik, Armutsgefährdung lernen und daraus weise Schlüsse für die und Zukunftsängste.“ Um den vielen Her- Zukunft ziehen.“ ausforderungen der Gegenwart zu begegnen, Gorbach betonte, es gelte vor allem Dank sei Mut zum Handeln und Mut zum Re- zu sagen: Dank all jenen, die diese Republik gieren erforderlich. „Für die Zukunft unserer unermüdlich aufgebaut und zu dem gemacht Kinder und die Zukunft dieses wunderbaren haben, was sie heute ist: eine hoch entwickel- Landes müssen wir für eine Marktwirtschaft te Demokratie auf dem Fundament der mit sozialem Antlitz sorgen“, betonte Gu- Freiheit und des Wohlstands. Dank jenen, senbauer abschließend. die für diese Freiheit Österreichs große Opfer bringen oder gar ihr Leben lassen Geschichte des Friedens, mußten. Dank an jene, die diese Republik der Freiheit und des unter schwierigsten Umständen aus der Tau- fe gehoben, mit großer Klugheit in die Unab- Wohlstands hängigkeit geführt und später gestaltet haben. Vizekanzler Hubert Gorbach, gf. Ob- Dank aber auch jenen, die Österreich beim mann des BZÖ, erklärte, vor 50 Jahren habe Wiederaufbau geholfen und letztlich die die Geburtsstunde der freien Republik Öster- Unabhängigkeit gewährt haben.

Foto: Parlament/Mike Ranz reich geschlagen. Nach entbehrungsreichen „Die Feierlichkeiten sollten uns auch SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer und leidvollen Jahren des Krieges und der Anlaß dazu geben, weiter nach vorne – in die Verfolgung wurde Österreich vom totalitären Zukunft – zu schauen und die Erfolgs- Ein solch klares Bekenntnis zur Neutra- und menschenverachtenden Regime des geschichte der Zweiten Republik fortzuset- lität und dazu, daß Österreich keinem Mili- zen – der Staatvertrag war das Fundament da- tärbündnis beitreten werde, sei gerade am für“, so Gorbach. Es sei notwendig, Öster- 50. Jahrestag der Staatsvertragsunterzeich- reich mit Weitblick, Innovationskraft und nung von den Repräsentanten aller politischen Augenmaß zu gestalten und weiterzuent- Parteien Österreichs gefordert. „Die Neu- wickeln und sich mit Konsens- und Kri- tralität ist ein solides Fundament, auf Basis tikfähigkeit den Fragen der Zeit und den dessen Österreich in den letzten 50 Jahren Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu aktiv und erfolgreich Friedenspolitik betrie- stellen. ben hat“, resümierte der SPÖ-Vorsitzende. „Wir werden nach bestem Wissen und Gusenbauer appellierte auch eindring- Gewissen unser Heimatbewußtsein, unsere lich, sich auf jene zu besinnen, die 1945 Bildung, unseren Gemeinschaftssinn und bereit waren, Österreich aus dem Nichts her- unseren Wohlstand zu erhalten und zu meh- aus aufzubauen. „Gab es noch im März 1945 ren versuchen. Dann wird es uns gelingen, ein Land, das auf dem absoluten Nullpunkt was unseren Eltern und Großeltern gelungen angelangt war, so stand zehn Jahre später ein ist: weitere 60 Jahre in Frieden und 50 Jahre Österreich zur Unterzeichnung seiner Sou- in einem freien, unabhängigen Staat zu veränität bereit, das aus dem Gröbsten her- leben – in einem gemeinsamen Haus Euro-

aus war. Das und das Wirtschaftswunder der Foto: Parlament/Mike Ranz pa“, schloß der Vizekanzler. darauf folgenden Jahre haben wir der Wie- Vizekanzler Hubert Gorbach (BZÖ) deraufbaugeneration zu verdanken – einer Täuschung der Generation, die mehr Entbehrungen erlitten Nationalsozialismus befreit, zehn Jahre spä- Bevölkerung hat, als jede andere Generation, die noch am ter erlangte es die staatliche Souveränität Leben ist. Zugleich aber auch ist die wieder und wurde frei und unabhängig. Die Als arge Täuschung der Bevölkerung und Wiederaufbaugeneration diejenige, die mehr Geschichte der Zweiten Republik ist eine als reine Augenauswischerei bezeichnete als jede andere dazu beigetragen hat, daß Geschichte des Friedens und der Unabhän- heute FPÖ-Obmann Strache angesichts der Österreich nach einigen Jahrzehnten zu gigkeit, die nunmehr fünf Jahrzehnte andau- Ratifizierung der EU-Verfassung im öster- einem der wohlhabendsten Ländern der Erde ert. Nachdem der letzte Besatzungssoldat reichischen Parlament die Feierlichkeiten ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 6 Innenpolitik

zum 50-Jahr-Jubiläum des Staatsvertrages. Strache wies darauf hin, daß die FPÖ Die Gründerväter der Zweiten Republik, die auch im Parlament als einzige Partei für eine die österreichische Freiheit hart errungen hät- Volksabstimmung in Österreich über die EU- ten, würden sich im Grabe umdrehen wenn Verfassung eingetreten sei und, daß auch sie in diesen Tagen mit ansehen müßten, wie weiter vehement tun werde. Alle rechtlichen mit Neutralität und Verfassung die tragenden und politischen Gründe gäben ihr recht. Nur Säulen der Zweiten Republik über Nacht ein unsäglicher Mix aus Partei- und Macht- hinter dem Rücken der Bevölkerung einge- politischem Kalkül sowie Duckmäusertum rissen und am Müllhaufen der Geschichte gegenüber Brüssel hätte diese Entwicklung, entsorgt worden seien, sagte Strache. die die Österreicher gar nicht wollten, mög- „Das Getue von Schüssel, Gusenbauer & lich gemacht. Er hoffe jetzt auch darauf, daß Co rund um den Staatsvertrag, dessen Ende die Bevölkerung in anderen Ländern ein kla- sie selbst am Gewissen haben, ist ein heuch- res Votum gegen Zentralismus, Bürokratie lerischer Akt, mit dem sie die faktische poli- und Bürgerferne abgeben würde und Schüs- tische Entmündigung Österreichs durch ihre sel & Co spätestens dann auch hierzulande Parlamentsentscheidung zu vertuschen ver- für ihre einsame Entscheidung zur Rechen- Foto: FPÖ suchen. Man hat der Zweiten Republik mit FP-Obmann Heinz-Christian Strache schaft gezogen werden. der bedingungslosen Zustimmung zur EU- Verfassung in gewisser Weise die Seele her- führung des Euro und der EU-Osterweiterung Grundlage für ausgerissen und tut jetzt gegenüber den der unumkehrbare Schaden in Bälde zeigen. Truppenabzug Österreichern so als habe man ihr erst Leben Dann aber sei es wiederum einmal zu spät eingehaucht. Das ist die genaue Verkehrung und die Bevölkerung hätte die Suppe auszu- Der Bundessprecher der Grünen, Alexan- der Tatsachen“, so Strache. Es werde sich in löffeln, während die politisch Verantwort- der Van der Bellen, stellte anläßlich der dieser Frage genau so wie schon beim EU- lichen wieder locker und lässig mit den Feierlichkeiten fest, daß der Staatsvertrag Beitritt selbst, den Transitvertrag, der Ein- Achseln zucken würden. die Grundlage für den Abzug der alliierten Truppen aus Österreich bilde. „Die Foto: Parlament/Mike Ranz Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen

Aufteilung des Landes in vier Zonen wurde beendet, was insbesondere im tagtäglichen Leben für die Menschen in Österreich von enormer Bedeutung war“ und weiter: „Der 15. Mai 1955 stellt zweifellos einen ent- scheidenden Tag in der österreichischen Nachkriegsgeschichte dar.“ Für viele Menschen – auch für seine Fa- milie und ihn persönlich – hatte der Staats- vertrag „sehr konkrete Folgen im All- tagsleben: die Reisefreiheit innerhalb Öster-

Foto: Georges Schneider / HOPI-Media reichs“, so Van der Bellen rückblickend. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 7 Österreich & Europa EU-Verfassung ratifiziert Mehr als 30 Rednerinnen und Redner befaßten sich ebenso ausführlich wie zustimmend, aber durchaus auch kritisch mit dem Vertragswerk. Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media

Debatte und Abstimmung des österreichischen Nationalrats zur Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages: Im Bild applau- dieren die Abgeordneten, Aussenministerin Ursula Plassnik, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (re.) zur Ratifizierung

ie Ratifizierung der EU-Verfassung am 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit einer werde gestärkt. Vorgebrachte Kritik wie D11. Mai 2005 erfolgte beinahe eintim- solchen Einigung propagiert habe. jene, die Verfassung bewirke eine Abschaf- mig; einzig F-Abgeordnete Barbara Ro- Mit der jüngsten EU-Erweiterung sei es fung der Neutralität, verfange nicht, weil sie senkranz stimmte gegen die Vorlage. Die endlich zur Überwindung der Grenzen in schlicht falsch sei. Die neue Verfassung ga- EU-Verfassung mußte auch noch vom Europa gekommen, ein Ereignis von emi- rantiere ein starkes und bürgernahes Europa, Bundesrat gebilligt werden, was auch – nenter Bedeutung. Auch auf die neuen Her- damit beginne eine neue Ära, in der die erwartungsgemäß – am 25. Mai geschah. ausforderungen der Globalisierung laute die Handlungsfähigkeit Europas nach innen und Antwort Europa, denn Europa sei die Per- außen gestärkt werde. Diese Verfassung ga- Mehr Transparenz spektive, die man offensiv anstreben und rantiere „das Europa, das wir wollen“. Seine leben müsse. Man müsse positive Verände- Fraktion stimme daher gerne zu. Mag. Wilhelm Molterer (VP) sagte als rungen vornehmen und Reformen umsetzen, erster Redner der Debatte im Nationalrat, um den Kontinent entsprechend zu gestalten, Chance für bessere Politik man beschließe heute mit einer breiten Mehr- und auch für die Sicherheit der Bürger heit die neue europäische Verfassung, und müsse man im europäischen Kontext adä- Dr. Alfred Gusenbauer (SP) bezeichnete dies sei ein historischer Schritt für die Zu- quat Sorge tragen. in Übereinstimmung mit Molterer die EU als kunft des Kontinents und seiner Bürger, der Aus all diesen Gründen sage seine Frak- das erfolgreichste Friedensprojekt der Ge- auch für unser Land und unsere Bevölkerung tion aus voller Überzeugung „Ja“ zu dieser schichte. Im Gegensatz zu seinem Vorredner von immens großer Wichtigkeit sei. Mol- Europäischen Verfassung. Dieses Dokument meinte er allerdings im Zusammenhang mit terer erinnerte daran, daß nach dem Krieg trage der Kritik, die EU sei teilweise bürger- der steigenden EU-Skepsis, viele Menschen die damaligen Politiker richtig erkannt hat- ferne, Rechnung. Die Verfassung bringe die hätten den Eindruck, daß die EU nicht die ten, daß ein vereintes Europa die Grundlage EU den Bürgern näher, sorge für mehr Antwort auf die Globalisierung sei, sondern für eine friedliche Entwicklung des Konti- Transparenz und für die nötige Subsidiarität. daß sie die Auswirkungen der Globalisie- nents bilde. Besonders wies der Redner auf Auch bringe die neue Verfassung mehr rung vielmehr verschärfe. das Wirken Richard Coudenhove-Kalergis Mitwirkungsmöglichkeiten. Es gebe glei- Auch haben nach Meinung Gusenbauers hin, der bereits in der ersten Hälfte des ches Recht für alle, die soziale Dimension die Menschen in Europa keine Möglichkeit, ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 8 Österreich & Europa die Entwicklung der EU zu beeinflussen, da native zu dem vorliegenden Vertragswerk räne Staaten haben gemeinsam die Regeln das normale demokratische Wechselspiel auf wäre nicht irgend eine Idealverfassung, son- für ihr Zusammenwirken geschaffen. Mit EU-Ebene nicht funktioniere. Es habe daher dern ein Rückfall auf den „miserablen“ Ver- dieser Verfassung werde ein Stück moderner darum zu gehen, in der EU mehr Demokratie trag von Nizza. Bei Nichtannahme der Ver- europäischer Identität geschaffen, wobei die einzuführen und den Bürgern Instrumente zu fassung drohe die EU, in eine Depression zu kulturellen, wirtschaftlichen und sicherheits- geben, ihre Zufriedenheit oder Unzufrie- versinken. Als erstaunlich betrachtete es der politischen Eigenheiten der einzelnen Län- denheit über die EU-Politik zum Ausdruck Redner, daß der EU-Konvent mit seinen 25 der voll respektiert werden, betonte die Res- zu bringen, folgerte der Redner. verschiedenen Staaten zu einem Konsens sortchefin. Die Verfassung werde für 450 In Summe, stellte Gusenbauer fest, sei finden konnte, der Österreich-Konvent hin- Millionen Menschen gelten und ein Band diese Verfassung bei all ihren Defiziten ein gegen nicht. der Gemeinsamkeit schaffen. wichtiger Schritt und jedenfalls besser als Der Verhandlungsprozeß an sich war das bisherige europäische Vertragswerk. Sie Schritt in ein offenes, schon eine positive Erfahrung für Europa, da sei keine Garantie für eine bessere Politik, bürgernahes und demo- es einen derart demokratischen und transpa- aber eine Chance und Voraussetzung dafür. renten Prozeß vorher noch nie gegeben hat. Als Fehler wertete es der SP-Chef, daß es zu kratisches Europa Mit dem Beschluß über die Verfassung setze keiner EU-weiten Volksabstimmung über Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel der Nationalrat heute ein klares Zeichen für die Verfassung kommen konnte. sprach von einem Schritt in ein offenes, bür- ein wiedervereinigtes, handlungsfähiges und gernahes und demokratisches Europa und ein in die Zukunft gerichtetes Europa. In Ablehnung wäre bezeichnete die Verfassung als Höhepunkt außenpolitischer Hinsicht lege die neue Ver- schlechteste Antwort des europäischen Einigungsprozesses. Mit fassung nicht nur die Instrumente und Funk- diesem Vertragswerk sei man der schon von tionen fest, sondern auch die Zielsetzungen Herbert Scheibner (F) beklagte mangeln- Leopold Figl geäußerten Vision näher ge- des Handelns der EU. Dabei stehen folgende de Kommunikation zwischen der EU und kommen, ein friedliches, soziales, wirt- Grundsätze im Mittelpunkt: Demokratie, ihren Bürgern und forderte einen verstärkten schaftlich starkes und demokratisches Euro- Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Solidarität, Einbau von Elementen der direkten Demo- pa für seine Bürger zu schaffen. die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit kratie. Für wichtige Projekte und in Verfas- An Vorteilen hob der Bundeskanzler vor der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sungsfragen sollte es seiner Meinung nach allem die Stärkung der Mitbestimmungsmög- die Achtung der Menschenwürde sowie der das Instrument einer EU-weiten Volksab- lichkeiten des Europäischen Parlamentes wie Grundsätze der Charta der Vereinten Natio- stimmung geben. der nationalen Parlamente, aber auch aus nen und des Völkerrechts. Mit der Verfas- Mit Nachdruck bekannte sich Scheibner österreichischer Sicht bedeutende Elemente sung werde sich auch das Bewußtsein ver- zu einer EU als Bund souveräner Staaten wie die Verankerung der nationalen Minder- festigen, daß Europa gemeinsam ungleich und betonte überdies die Aspekte der Sicher- heitenrechte und des Gleichheitsprinzips mehr Gewicht und Durchsetzungsvermögen heit, der Freiheit, des Friedens und der ge- aller Mitgliedstaaten hervor. Mit Nachdruck hat als einzelne Mitgliedstaaten. Was die meinsamen Verantwortung für Außen- und trat Schüssel dem Argument entgegen, diese Menschen heute bewege, sei die Absiche- Sicherheitspolitik. Er beklagte, daß es nicht Verfassung wäre neoliberal geprägt. Gerade rung eines europäischen Lebensmodells, möglich war, das Demokratiedefizit zu be- für die soziale Union so wichtige Prinzipien eine wettbewerbsfähige, soziale Marktwirt- seitigen, meinte jedoch, eine Ablehnung der wie die Vollbeschäftigung oder die volle schaft, eine von Pluralismus und Toleranz Verfassung wäre die schlechteste Antwort Solidarität seien in der Verfassung festge- geprägte Gesellschaft, ein hohes Maß an auf die Herausforderungen der Union. Auch schrieben, betonte er. Den Vorrang des euro- Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Scheibner hätte sich eine europaweite Ab- päischen Rechtes gegenüber dem nationalen sozialer Schutz, Gleichheit von Frauen und stimmung über die Verfassung gewünscht Recht hielt Schüssel wiederum für selbstver- Männern, Solidarität und Vielfalt. und bedauerte, daß es in Österreich zu keiner ständlich und gut. Mehrheit für eine nationale Volksabstim- In der Frage einer Volksabstimmung erin- Eine einzige Gegenstimme mung gekommen ist. nerte der Bundeskanzler an den Vorschlag Österreichs, ein europäisches Referendum Barbara Rosenkranz (FP) stimmte diesem Deutliche Festigung über die Verfassung abzuhalten, und bedau- Vertrag nicht zu, weil sie der Meinung sei, der Demokratie erte, daß diese Initiative in der EU kein Ge- daß darüber das gesamte österreichische Volk hör fand. entscheiden solle. Was für Dänen oder Bri- Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) ten recht sei, müsse auch für Österreich bill- hielt, wie er sagte, nach gründlicher Abwä- Gemeinsame Regeln lig sein. Sie sei überzeugt davon, daß eine gung der Vorzüge und Mängel ein klares „Ja“ für Zusammenwirken Volksabstimmung auch ob des teiländernden zur Verfassung für geboten. Europas Demo- Charakters dieses Beschlusses für die Bun- kratie werde dadurch deutlich in ihrer Mit dem vorliegenden Verfassungswerk desverfassung geboten sei. In diesem Sinne Grundlage gefestigt, die Handlungsfähigkeit „habe man nichts weniger als den ersten ge- brachte die Rednerin einen entsprechenden der Union werde verbessert, die Charta der meinsamen Verhandlungserfolg der erwei- Antrag auf Abhaltung einer Volksabstim- Grundrechte unter Einschluß sozialer Grund- terten europäischen Union voraus“, stellte mung ein, die demokratiepolitisch erforder- rechte sei ein sensationeller Erfolg. Außenministerin Dr. Ursula Plassnik (VP) lich sei. Die anderen Abgeordneten fragte An die Kritiker der Verfassung gerichtet fest. Dies sei ein Novum in der Geschichte sie, weshalb diese die Debatte mit dem Bun- gab Van der Bellen zu bedenken, die Alter- Europas, denn 25 gleichberechtigte, souve- desvolk scheuten. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 9 Österreich, Europa und die Welt Europa Club Wien Die österreichische Verfassung im Lichte der EU-Verfassung

um Europa Club Wien am 2. Mai – Frage des Ausmaßes der weiteren Tätigkeit, Ausschüsse. Im Übrigen können alle Texte Zgewidmet dem Thema „Die österreichi- etwa als Universitätsprofessor, angespro- im Internet nachgelesen werden. sche Verfassung im Lichte der EU-Ver- chen wird (in diesem Zusammenhang sei Zur Frage nach einem „EU-Verfassungs- fassung“ konnte der Generalsekretär der erwähnt, daß sich die Anzahl der österreichi- gerichtshof“ meinte Rack, daß dies wohl im ÖGfE, Dr. Gerhard H. Bauer, zahlreich er- schen EU-Abgeordneten, derzeit 18, mit Konvent eingehend diskutiert worden sei, schienenes Publikum begrüßen und dankte dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens auf sich jedoch an den bisherigen Kompetenzen der Bank Creditanstalt für die Be- 17 verringern würde). des EU-Gerichtshofes nichts geändert habe. reitstellung des Festsaales und die damit ver- Entsprechende Anpassungen an die Si- Der Überblick, den Rack bot, trug ganz bundene Gastfreundschaft. tuation nach dem EU-Beitritt Österreichs wesentlich zu einer Klärung verschiedener Unter der Leitung eines der Vize-Präsi- finden sich bekanntlich auch in den §§ a bis Fragen und vor allem zu überzeugenden denten der ÖGfE, MMag. Christian Mandl, e des Artikels 23, sowie immer wieder zitier- Antworten auf immer wieder in der Öffent- erörterte Univ. Prof. Dr. Reinhard Rack, Mit- te Aussagen zur österreichischen Sicher- lichkeit zu hörende Vorurteile bei. Wichtig glied des Europäischen Parlaments, zunächst heits- und Verteidigungspolitik im EU-Rah- erscheint in diesem Zusammenhang vor den gegenwärtigen Stand der Beratungen men im Artikel 23 f. allem der von Rack immer wieder betonte über eine neue österreichische Verfassung Nicht ausdrücklich geregelt ist die Rolle Grundsatz einer Ausgewogenheit innerhalb sowie die derzeitige Situation, in der sich der der Mitglieder der Bundesregierung in den der Werteskala, für die die Europäische Vertrag über eine Verfassung für Europa be- entsprechenden Ratsformationen: durch die Union eintritt, ebenso wie das Kräfteparal- findet. Delegierungsfunktion, die dem Bundespräsi- lelogramm, das zwischen Kommission, Par- Prof. Rack, der bereits seit 11 Jahren dem denten zusteht, ist jedoch eine nicht wirklich lament und Rat unter der Kontrolle des EU-Parlament angehört, erinnerte daran, daß zufriedenstellende, aber durchaus wirksame Europäischen Gerichtshofes existiert. es sich bei der österreichischen Verfassung und vertretbare Rechtsgrundlage vorhanden. Davon läßt sich auch ableiten, daß ein derzeit um einen „Torso“, ja „eine Ruine“ Wenn Rack auch grundsätzlich eine „Nein“ zur EU-Verfassung einen Rückfall handle, nachdem abgesehen vom Bundes- Volksabstimmung in Österreich über die auf den Vertrag von Nizza bedeuten würde. verfassungsgesetz, sich in verschiedenen EU-Verfassung befürwortet hätte, gab er Rein rechtlich gesehen ist die Situation ge- österreichischen Gesetzen verstreut 1200 bis doch zu bedenken, daß etwa die Situation in klärt: Die Ablehnung der EU-Verfassung 1300 Bestimmungen im Verfassungsrang Frankreich zeigt, daß hier mit Argumenten durch auch nur einen einzigen Mitgliedsstaat befinden. gegen die EU-Verfassung vorgegangen wird, würde das Verfassungswerk zu Fall bringen. Die Frage, die sich seit der Mitgliedschaft die nichts mit der Verfassung zu tun haben. Allerdings wurde von den Entscheidungsträ- Österreichs in der Europäischen Union stellt, In der anschließenden Debatte betonte gern vorgesehen, daß sich in einem solchen ist die Kompatibilität der österreichischen Dr. Rack, auf eine diesbezügliche Frage aus Fall der Europäische Rat nochmals mit der Fra- mit der konzipierten europäischen Verfas- dem Publikum, daß die EU-Verfassung eine ge auseinandersetzen würde und dies könnte sung. Auf diese Frage sind drei Antworten „Wertepluralität“ aufweise. Ein Pfeiler sei zu einer „heilsamen Erfahrung“ führen. möglich: die freie Marktwirtschaft, jedoch, auf dersel- Abschließend dankte Dr. Gerhard H. Es besteht kein Anpassungsbedarf, nach- ben Ebene, der Anspruch auf ein soziales Bauer dem Vortragenden für seine in gleicher dem das Gemeinschaftsrecht, einschließ- Europa und der Hinweis auf die Bedeutung Weise übersichtlichen wie auch ins Detail lich des EU-Verfassungsrechts, vor dem des Umweltschutzes. gehenden Ausführungen und verwies auf nationalen Recht Vorrang besitzt. Zu einer Frage betreffend „Demokratie in den nächsten Europa Club Wien am 6. Juni, Es besteht ein bedeutender Anpassungs- Europa“ wies Rack auf die im EU-System in dessen Rahmen Generaldirektor Zourek bedarf, womit auch eine Verankerung des, herrschenden spezifischen Formen von (GD Unternehmen und Industrie, Euro- wie Rack betonte, „einzigartigen Grund- „Checks and Balances“, Kontrolle und Ge- päische Kommission) – Thema: „Halbzeit rechtskatalogs“ in der österreichischen genkontrolle, hin. der Lissabon-Strategie: Wohin steuert Verfassung seinen Niederschlag finden Rack betonte ferner, daß zwar Österreich Europa 2010?“ – zu Worte kommen wird. könnte. seit über 80 Jahren über eine moderne Ver- Das Publikum dankte in erster Linie EU- Anpassungen könnten durch Teilverfas- fassung verfüge, daß in der politischen Reali- Abgeordnetem Dr. Reinhard Rack, aber auch sungsgesetze erfolgen, wie dies in der tät allerdings ein Beschluß im Ministerrat im Diskussionsleiter MMag. Christian Mandl Vergangenheit praktiziert wurde. Wesentlichen auch die Entscheidung im Par- und Dr. Gerhard H. Bauer mit herzlichem lament vorwegnehme. Hingegen spielten Applaus. Als Beispiel führte Rack die Stellung der sich die Entscheidungsprozesse in der EU in Mitglieder des EU-Parlaments seit 1. Jänner aller Öffentlichkeit ab und dies gelte insbe- Botschafter i.R. Dr. Wolfgang Wolte 1995 an. Diese Teilnovelle der Verfassung sondere für die frei zugänglichen Beratun- Mitglied des Vorstandes Österreichische bildet den Inhalt des Artikels 23, wo die gen im EU-Parlament, einschließlich dessen Gesellschaft für Europapolitik ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 10 Österreich, Europa und die Welt Österreich Partner für wirt- schaftliche und politische Stabilität in Bosnien

ußenministerin Ursula Plassnik traf am A22. April zu ihrem ersten offiziellen Be- such in Bosnien-Herzegowina ein. Am Mor- gen besuchte sie das österreichische Bundes- heerkontingent, das als Teil der EU-Friedens- truppe EUFOR in Bosnien eingesetzt ist. Anschließend standen Treffen mit ihrem bosnisch-herzegowinischen Amtskollegen Mladen Ivanic sowie mit Premierminister Adnan Tercic auf dem Programm. „Österreichs Soldaten und Soldatinnen bei der EUFOR leisten einen wichtigen Bei- trag zur dauerhaften Stabilisierung Bosnien- Herzegowinas. Sie sind damit Teil einer kon- kreten und sichtbaren österreichischen Außen- politik“, lobte Plassnik zu Beginn ihres Be- suchs den Einsatz der österreichischen Solda- ten. Ebenso unterstrich Plassnik das österrei- chische Engagement im Bereich Entminung. In ihren politischen Gesprächen betonte Plassnik die engen bilateralen Beziehungen Außenministerin Ursula Plassnik mit ihrem Amtskollegen, Außenminister Mladen zwischen den beiden Ländern und wies auch Ivanic Foto: Georges Schneider / HOPI-Media auf eine immer stärker werdende wirtschaft- liche Partnerschaft hin. Außerdem, so die was sich auch in zahlreichen privaten an europäische Strukturen wurde ebenso Außenministerin, gebe es einen intensiven Hilfsprojekten in Bosnien manifestiere. erörtert wie die Zukunft der internationalen Dialog der Zivilgesellschaften beider Länder, Die Annäherung Bosnien-Herzegowinas Präsenz in Bosnien-Herzegowina. „Bosnien hat bedeutende Anstrengungen für eine An- näherung an Europa unternommen“, sagte die Außenministerin. „Aus österreichischer Sicht gilt für Bosnien-Herzegowina sowie wie für alle anderen Länder der Region: Die Tür nach Europa steht offen.“ Österreich sei zu- versichtlich, daß Bosnien-Herzegowina noch in diesem Jahr die Voraussetzungen erfüllen werde, um die Verhandlungen über ein Sta- bilisierungs- und Assoziierungsabkommen beginnen zu können. Dazu gehörten die vol- le Kooperation mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und die Reform der Polizeistrukturen. Plassnik sagte, die Annäherung Südosteuropas an die Europäische Union sei ein Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft im kommenden Jahr. Im Rahmen eines kurzen Empfangs überreichte Annemarie Kury (2. v.li.) von der Am Abend traf Plassnik mit dem Hohen humanitären Aktion »Schafe schaffen Hoffnung« Oberst Leutnant Christian Haber- Repräsentanten der Internationalen Staaten- satter (li.) einen Scheck über 10.000 Euro. Die Salzburger Landesrätin Doraja gemeinschaft, Paddy Ashdown, zusammen Eberle (re.) von »Bauern helfen Bauern« berichtete Außenministerin Ursula Plassnik (2. v.re.) über ihr erfolgreiches Hausbauprojekt, bei dem es darum geht, um mit ihm über die jüngsten Entwicklun- den Menschen ein neues Zuhause zu schaffen. gen in Bosnien-Herzegowina zu sprechen. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 11 Wirtschaft Mittelfristig langsame Erholung der Inlandsnachfrage Prognose der österreichischen Wirtschaft bis 2009

Von Serguei Kaniovski, Markus Marterbauer, Josef Baumgartner.

in reges Wachstum des Welthandels, die stellt, daß der Konsum der privaten Haus- Österreichs Wirtschaft wuchs in den letz- Ehohe preisliche Wettbewerbsfähigkeit halte seine lange Schwächephase allmählich ten fünf Jahren real um nur 1,6 Prozent pro und die Verbesserung der Standortbedingun- überwindet. Die Wirtschaft könnte unter die- Jahr. Für die kommenden fünf Jahre erwartet gen werden in den kommenden Jahren den sen Rahmenbedingungen bis 2009 um die mittelfristige Prognose des WIFO eine heimischen Export begünstigen. Dies wird durchschnittlich 2¼ Prozent pro Jahr wach- leichte Erholung der Konjunktur, das eine Verstärkung der Investitionstätigkeit sen. Dies ermöglicht eine Verringerung des Wachstum könnte sich auf 2,3 Prozent pro nach sich ziehen. Der Ausbau der Verkehrs- Budgetdefizits, reicht aber aufgrund des Jahr beschleunigen. Damit könnte die Rate infrastruktur und die Belebung des Wohn- hohen Zustroms an Arbeitskräften nicht aus, etwas höher sein als im Euro-Raum (+2,1, baus schlagen sich in einer Zunahme der um eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt EU 25 +2,3 Prozent). Österreich profitiert Bauproduktion nieder. Die Prognose unter- herbeizuführen. vom Aufholprozeß der ostmitteleuropäischen

Ø 1999/ Ø 2004/ 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2004 2009 Jährliche Veränderung in % Bruttoinlandsprodukt Real +1,6 +2,3 +2,0 +2,2 +2,3 +2,4 +2,2 +2,4 Nominell +3,3 +3,9 +3,9 +4,5 +3,9 +3,8 +3,5 +3,7 Verbraucherpreise +2,0 +1,7 +2,1 +2,5 +1,8 +1,6 +1,5 +1,4 Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten1) +2,0 +2,3 +2,2 +2,3 +2,5 +2,2 +2,1 +2,2 Unselbständig aktiv Beschäftigte2) +0,3 +0,9 +0,7 +0,8 +0,9 +1,1 +1,0 +1,0

in % Arbeitslosenquote In % der Erwerbspersonen3) 4,1 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 In % der unselbständigen Erwerbspersonen4) 6,6 7,1 7,1 7,1 7,1 7,0 7,1 7,1

in % des BIP Außenbeitrag 3,5 5,0 4,8 4,8 4,7 4,9 5,1 5,5 Finanzierungssaldo des Staates Laut Maastricht-Definition –0,8 –1,3 –1,3 –2,0 –1,8 –1,3 –0,9 –0,4

in % des verfügbaren Einkommens Sparquote der privaten Haushalte 8,4 9,4 9,2 9,6 9,6 9,4 9,3 9,2

Quellen: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. – 1) Brutto, ohne Arbeitgeberbeiträge, je Beschäftigungsverhältnis laut VGR. – 2) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnahmen. 3) Laut Eurostat (Labour Force Survey) 4) Laut Arbeitsmarktservice ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 12 Wirtschaft

Länder überproportional. Positive Wachs- Steuerreform 2005 bei. Die Prognose unter- die Annahme eines stetigen Wirtschafts- tumseffekte könnte auch eine Verlagerung stellt, dass die Zunahme der Sparneigung, wachstums bei, das das Wachstum der Staats- öffentlicher und privater Aufwendungen zu- die zusammen mit der geringen Ausweitung einnahmen – nach dem Ausklingen der gunsten von Zukunftsausgaben auslösen, der verfügbaren Einkommen seit dem Jahr dämpfenden Effekte der Steuerreform – auf etwa in den Bereichen Bildung, Innovation 2001 den Konsum bremst, ab 2007 einer 3½ Prozent pro Jahr beschleunigt. Besonders und Informationstechnologien, wie sie auch leichten Erhöhung der Konsumneigung kräftig wächst das Aufkommen an Lohn- der Lissabon-Prozeß der EU vorsieht. weicht. Die Investitionen in die Infrastruk- steuer, auch die Sozialversicherungsbeiträge Wichtige Impulse erhält die heimische tur, etwa in Zusammenhang mit dem Ausbau nehmen stark zu. Die Prognose unterstellt Wirtschaft vom Export. Der Welthandel der Transeuropäischen Netze, und eine Stei- eine restriktive Ausgabenpolitik der öffent- bleibt, getragen von der günstigen Entwick- gerung der Nachfrage nach Wohnungen auf- lichen Hand. Subventionen und Personal- lung in Asien (vor allem in China) und in grund der regen Zuwanderung sollten die ausgaben wachsen nur schwach, auch die Nordamerika, rege. Davon könnte allmäh- Bauinvestitionen beleben. Ihr Wachstum Sozialausgaben nehmen trotz steigender lich auch die Wirtschaft des Euro-Raumes wird von durchschnittlich 1 Prozent in den Aufwendungen für Arbeitslosengeld und profitieren, deren Hauptprobleme aber die letzten fünf Jahren auf 2 Prozent pro Jahr Kinderbetreuungsgeld nicht rascher zu als in Schwäche der Binnennachfrage und die steigen. den letzten fünf Jahren. Die zentralen geringe Zuversicht der Konsumenten blei- Herausforderungen für die Budgetpolitik ben. Die Prognose basiert auf der Annahme, Keine Trendwende bestehen in einer Reform der Struktur des dass sich die Überbewertung des Euro am Arbeitsmarkt Abgabensystems und der Staatsausgaben. gegenüber dem Dollar mittelfristig verrin- Die Unsicherheiten der Prognose liegen gert und die Erdölpreise auf dem Weltmarkt Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich zunächst in den optimistischen Annahmen sinken. keine Trendwende ab. Der anhaltende An- einer Korrektur der Überbewertung des Euro stieg der Zahl der Arbeitslosen (auf fast gegenüber dem Dollar und eines Rückgangs Wirtschaft profitiert 260.000 im Jahr 2009) bleibt das Haupt- der hohen Weltmarktpreise von Erdöl. Zu- problem der Wirtschaftsentwicklung in dem ist nicht gesichert, daß die Wirtschafts- Von der Ausweitung des Welthandels Österreich. Im gesamten Prognosezeitraum politik der Schwäche der Konsumnachfrage profitiert die heimische Wirtschaft beson- wächst die Beschäftigung kräftig (+0,9 Pro- der privaten Haushalte im Euro-Raum und in ders stark, weil ihre Wettbewerbsfähigkeit zent pro Jahr). Die Erholung von Export- Österreich wirksam begegnen kann. Die An- günstig ist und die Standortbedingungen lau- industrie und Bauwirtschaft wird auch eine nahme eines leichten Rückgangs der Spar- fend verbessert werden. Aufgrund des kräfti- Ausweitung der Vollzeitarbeitsplätze zulas- quote ab 2007 könnte sich angesichts der gen Produktivitätswachstums und der mäßi- sen, überwiegend dürfte sie aber Teilzeit- hohen Arbeitslosigkeit und umfangreicher Re- gen Lohnsteigerungen gingen die Arbeits- stellen betreffen. Noch rascher wächst aller- formen im Sozialsystem als zu optimistisch kosten je erzeugte Einheit seit 1980 absolut dings das Angebot an Arbeitskräften. Dies erweisen. Andererseits könnte die Weltwirt- und auch in Relation zu den Handelspartnern geht auf hohe Einbürgerungsraten, regen Zu- schaft angetrieben von der Expansion in stark zurück. Während die preisliche Wett- strom ausländischer Arbeitskräfte und die China rascher wachsen als angenommen, bewerbsfähigkeit hoch ist, haben die heimi- Anhebung des Frühpensionsalters zurück. und in der EU könnte ein Bedeutungsgewinn schen Unternehmen in ihrer Innovationskraft Die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Zukunftsausgaben im Rahmen des noch nicht die einem Hocheinkommensland verharrt im Prognosezeitraum auf dem Ni- Lissabon-Prozesses und der Transeuropä- angemessene Position erreicht. Die Exporte veau des Jahres 2005 (7,1 Prozent der ischen Netze Wachstumsimpulse bieten. Von werden bis zum Jahr 2009 real um 6½ Pro- unselbständigen Erwerbspersonen bzw. beiden Entwicklungen würde Österreich auf- zent pro Jahr zunehmen. Die Ausweitung 4,5 Prozent der Erwerbspersonen laut Euro- grund der hohen preislichen Wettbewerbs- der Ausfuhr zieht mit gewisser Verzögerung stat); dieses liegt deutlich über jenem der fähigkeit der Exportunternehmen besonders eine Erholung der Ausrüstungsinvestitionen Periode 1999/2004 (6,6 bzw. 4,1 Prozent). profitieren. Auch im Inland würde eine Be- nach sich. Deren Wachstum sollte sich im Die Inflation bleiben schwach, sie dürfte schleunigung des Strukturwandels durch Jahr 2007 auf 5 Prozent beschleunigen, im auf Verbraucherebene bis 2009 im Durch- eine Verbesserung des Bildungs- und Inno- Durchschnitt der Jahre 2004/2009 wird ein schnitt etwa 1¾ Prozent pro Jahr betragen. vationssystems neue Wachstumskräfte ent- Anstieg um 3½ Prozent erwartet. Zwar bestehen Risken in Bezug auf die Roh- falten. Während Export und Ausrüstungsinvesti- stoffpreise sowie auf indirekte Steuern und http://www.wifo.at tionen von 2004 bis 2009 etwa gleich rasch Gebühren. Doch der scharfe internationale wachsen wie in den letzten fünf Jahren, wird Wettbewerb wird den Preisauftrieb ebenso Über das WIFO für die Binnennachfrage eine merkliche dämpfen wie der geringe Anstieg der nomi- Das WIFO analysiert die österreichische Erholung angenommen. Die Schwäche der nellen Lohnstückkosten. Die mäßigen Lohn- und internationale Wirtschaftsentwick- Konsumnachfrage und der Bauinvestitionen steigerungen tragen zu einem weiteren lung und erarbeitet kurz- und mittelfris- prägte die ungünstige Wirtschaftsentwick- Rückgang der Lohnquote bei. tige Prognosen. Gemeinsam mit unseren lung der letzten Jahre. Das Wachstum der Seit 2001 steigt das Defizit der öffent- Studien zur europäischen Integration, zu Konsumausgaben der privaten Haushalte lichen Haushalte laufend. Die Prognose geht Wettbewerbsfähigkeit und Standort- sollte sich von 1,4 auf 2,1 Prozent pro Jahr davon aus, dass sich dieser Trend umkehrt, qualität liefern diese die wissenschaftli- beschleunigen. Dazu tragen der Anstieg der der Finanzierungssaldo des Staates wird sich che Grundlage für die Wirtschaftspolitik Beschäftigung, etwas höhere Lohnabschlüs- kontinuierlich bis auf –½ Prozent des BIP im sowie für unternehmerische Strategien. se und kurzfristig auch die Effekte der Jahr 2009 verbessern. Dazu trägt vor allem ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 13 Wirtschaft Kaufkraftboom im »Speck- gürtel« der größeren Städte Tirol vor Salzburg mit den höchsten Zuwachsraten der Kaufkraft

eit einiger Zeit beklagt der Einzelhandel „Die Zunahme oder Abnahme der örtlichen Betrachtung – d. h. ohne Berücksichtigung Sallgemein die Kaufzurückhaltung der Einwohnerzahlen hat genauso Einfluß auf der Preisentwicklung – einem leichten Rück- Verbraucher. Ängste um den Arbeitsplatz, die Größe des Kaufkraftkuchens wie die gang entspricht. erhöhte Aufwendungen für Wohnung, Heiz- Entwicklung der Einkommenssituation der Der überwiegende Großteil aller österrei- kosten, das Kraftfahrzeug oder Vorsorge- Wohnbevölkerung – und hier haben ver- chischen Bezirke konnte im Vergleichszeit- leistungen machen sich gerade auch bei den schiedene Regionen in den Vergangenheit raum mehr oder weniger deutliche Kaufkraft- Konsumausgaben bemerkbar. Wie eine so- zum Teil dahingehend reüssiert, als nicht nur zuwächse verzeichnen, wobei ein leichtes eben von der GMA Gesellschaft für Markt- die Einwohnerzahl überdurchschnittlich stark West-Ost-Gefälle festzustellen ist. Überpro- und Absatzforschung vorgelegte Grundla- gestiegen ist, sondern sich auch das Wohl- portional hohe Zuwachsraten wurden in den genuntersuchung zeigt, gibt es jedoch auch standsniveau noch erhöht hat.“ Umlandbezirken größerer Städte verzeich- Regionen in Österreich, in denen der „Kauf- Spitzenreiter bei den österreichischen net; dies betrifft vor allem die Bezirke kraftkuchen“ für den Einzelhandel in den Bundesländern mit einem Kaufkraftzuwachs Salzburg-Umgebung, Innsbruck-Land, Graz- vergangenen Jahren nicht stagnierte, sondern zwischen den Jahren 1998 und 2003 von Umgebung, Linz-Land, die Umlandbezirke zum Teil auch deutlich größer geworden ist. über 13 % ist Tirol, gefolgt von Salzburg mit der Bundeshauptstadt Wien sowie Klagen- Wie die zuständige GMA-Projektleiterin etwas mehr als 11 %, sowie Vorarlberg und furt-Land und St. Pölten-Land. Eine Ent- Mag. Andrea Buchegger erläutert, liegen die Niederösterreich mit jeweils über 10 %. wicklung, welche insbesondere auch mit den Ursachen hierfür in einer Kombination aus Schlußlicht im Kaufkraftwachstum ist die Suburbanisierungstendenzen in diesen Räu- Faktoren der jeweilig regionalen Einwohner- Bundeshauptstadt Wien mit einem nomina- men zu erklären ist; d.h. junge Familien mit und Wohlstandsentwicklung. Buchegger: len Zuwachs von etwa 3 %, was bei realer gutem Einkommen verlassen die Stadt und ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 14 Wirtschaft leisten sich ein Haus mit Garten im Umland. Eine Sonderstellung nimmt der eher länd- OMV und Gazexport: Neuer lich geprägte Tiroler Bezirk Imst ein, wel- Transportvertrag für Erdgas cher in den vergangenen Jahren – ausgehend von allerdings niedrigem Niveau – eine außerordentlich positive Entwicklung ver- ie OMV Gas GmbH, eine 100% Tochter- Länder. Bis 2008 möchte die OMV ihre zeichnete, was sich in einem nominalen Dgesellschaft der OMV Aktiengesell- Bedeutung als wichtiger Gaslieferant in Kaufkraftzuwachs in Höhe von fast 21 % schaft, und Gazexport Ltd. Moskau haben Mitteleuropa weiter ausbauen. Das umfang- niederschlug. Dies ist die höchste Zuwachs- am 15. Mai einen Transportvertrag über reiche Liberalisierungs-Know-how der OMV rate aller politischen Bezirke in Österreich. Erdgasmengen für die WAG, die West- – Österreich hat den am weitesten liberali- Schlußlichter mit stagnierendem bzw. mehr Austria-Gasleitung, unterzeichnet. sierten Gasmarkt auf dem europäischen oder weniger stark schrumpfendem Kauf- OMV Generaldirektor Wolfgang Rut- Kontinent – ist ein Wettbewerbsvorteil ange- kraftvolumen bilden die Bezirke im Bereich tenstorfer: „Die Vereinbarung ist ein weite- sichts der bevorstehenden Liberalisierung in der Steirischen Mur- und Mürzfurche, aber rer Meilenstein in der fast 40-jährigen Zu- den EU-Beitrittsländern auch das nördliche Waldviertel und die nord- sammenarbeit zwischen OMV und Gaz- westlichen Wiener Stadtbezirke zeigen hier export, damit leisten wir einen wichtigen OMV Aktiengesellschaft zumeist negative Vorzeichen. Beitrag zur langfristigen Sicherung der Erd- Den prozentual stärksten Rückgang des gasversorgung Europas. Mit diesem Schritt Mit einem Konzernumsatz von 9,88 Mrd Kaufkraftvolumens im Vergleichszeitraum festigen wir auch die Bedeutung des OMV Euro und einem Mitarbeiterstand von 6.475 hatte der 1. Wiener Gemeindebezirk – die Gasknotens Baumgarten als bedeutende Erd- im Jahr 2004 sowie einer Marktkapitalisie- „Innere Stadt“ – zu verkraften; dort schrumpf- gas-Drehscheibe Europas.“ Bereits heute rung von rund 8 Mrd Euro ist die OMV te das Kaufkraftvolumen der Wohnbevölke- transportiert OMV jährlich rund 50 Mrd m³ Aktiengesellschaft das größte börsenotierte rung um nominal fast 11 %. Gleichzeitig Erdgas durch ihr österreichisches Pipe- Industrieunternehmen Österreichs. Als füh- sind hier mit der Kärntner Straße, dem Gra- linenetz. Davon beträgt das Transitvolumen rendes Erdöl- und Erdgasunternehmen Mit- ben und Kohlmarkt aber auch die innerstäd- nach West-, Ost- und Südeuropa jährlich teleuropas ist der OMV Konzern im Bereich tischen Haupteinkaufslagen mit anhaltend rund 43 Mrd m³. Dies entspricht in etwa Raffinerien & Marketing (R&M) in 13 Län- hoher Kundenfrequenz lokalisiert. Wie GMA- einem Drittel der russischen Erdgasexporte dern tätig mit dem Ziel den Marktanteil bis Projektleiterin Buchegger erläutert, profitie- nach Europa. 2008 auf 20% zu erhöhen. Im Bereich Ex- ren diese Lagen in hohem Maße von Kauf- Mit dem Transportvertrag beauftragt Gaz- ploration & Produktion (E&P) ist die OMV kraftzuflüssen nicht nur aus anderen Wiener export die OMV bis 2027 jährlich ca. 4,4 in 18 Ländern auf fünf Kontinenten aktiv. Im Bezirken und einem weitgefaßten Umland, Mrd m³ russisches Erdgas von der slowaki- Bereich Erdgas verfügt die OMV über Spei- sondern besitzen zudem eine anhaltend hohe schen Grenze bei Baumgarten durch Österr- cher, ein 2.000 km langes Leitungsnetz und Flächennachfrage vor allem durch interntio- reich zur deutschen Grenze bei Überackern transportiert jährlich 43 Mrd m³ in Länder nale Filialisten. Buchegger: „Wenn der Ein- (Burghausen) zu transportieren. Für den da- wie Deutschland oder Italien. Die OMV zelhandel im 1. Bezirk allein von der Wohn- zu notwendigen massiven Ausbau des WAG- besitzt integrierte Chemie- und Petrochemie- bevölkerung des 1. Bezirks leben müßte, wä- Systems investiert die OMV rund 260 Mio. betriebe und ist zu 25% an Borealis A/S, ren die dortigen Betriebe mit Sicherheit schon Euro einem der weltweit führenden Polyolefin- pleite! Die Kunden aus dem näheren und wei- Der Ausbau wird in drei Stufen erfolgen Produzenten beteiligt. Weitere wichtige Be- teren Umland ebenso wie Touristen haben und insgesamt die Jahreskapazität der teiligungen: 51% an Petrom SA, 50% an der hier eine ganz entscheidende Bedeutung.“ Pipeline von 7 Mrd m³ auf 11 Mrd m³ erhö- EconGas GmbH, 45% am BAYERNOIL- hen. Mit den Arbeiten wird noch heuer be- Raffinerieverbund, 10% an der ungarischen gonnen, die erste Ausbaustufe soll im Herbst MOL. Leistungsbilanz mit 2007 mit einer zusätzlichen Kapazität von Mit der Übernahme der Aktienmehrheit höherem Überschuß 1,9 Mrd m3 pro Jahr in Betrieb gehen. Die an Petrom durch die OMV im Jahr 2004 ent- Inbetriebnahme der zweiten Ausbaustufe ist stand der größte Öl- und Erdgaskonzern Die österreichische Leistungsbilanz zeig- für 2008 geplant und bringt zusätzliche jähr- Mitteleuropas mit Öl- und Gasreserven von te für den Zeitraum Jänner bis März 2005 liche Kapazitäten von 0,6 Mrd m³. Der über 1,4 Mrd boe, einer Tagesproduktion einen Überschuß von rd. 1 Mrd Euro. Dazu Endausbau soll bis 2011 mit einer zusätz- von rund 345.000 boe und einer jährlichen trug vor allem die Entwicklung des Reise- lichen Kapazität von 1,44 Mrd m³ pro Jahr Raffineriekapazität von 26,4 Millionen Ton- verkehrs bei. In der Kapitalbilanz wurde im abgeschlossen sein. nen. OMV verfügt nunmehr über 2.385 Tank- Vergleich zum Vorjahr eine Passivierung sicht- Die OMV Gas GmbH besitzt ein rund stellen in 13 Ländern. Der Marktanteil des bar, die sich primär – allerdings bei deutlich 2.000 km langes Gaspipelinenetz in Österr- Konzerns im Bereich R&M im Donauraum höheren Bruttoströmen – auf geringere Netto- reich sowie drei Erdgaslager. Die Gasleitun- beträgt damit rund 18%. Petrom verfügt über kapital-Zuflüsse aus den Portfolioinvestitionen gen versorgen nicht nur Österreich mit 51.005 Mitarbeiter und wurde in der Bilanz zurückführen läßt. Die österreichische Lei- Erdgas, sondern auch Deutschland, Italien, 2004 konsolidiert: Bereits für 2005 sollte die stungsbilanz wies für den Zeitraum Jänner Frankreich, Slowenien, Kroatien und Un- Petrom positiv zum Ergebnis der OMV bei- bis März 2005 mit 1,1 Mrd Euro einen um garn. Als wichtiger Teil des europäischen tragen. 0,4 Mrd Euro höheren Überschuss aus als in Erdgasnetzes integriert das OMV Pipeline- der Vergleichsperiode des Vorjahres. netz auch die Gasversorgungssysteme dieser http://www.omv.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 15 Wirtschaft MCE AG: Airbus A380 hebt mit österreichischem Know-how ab MCE liefert flexible Bühnenwerke für die A380 Ausstattungsmontage – Produktion einer Taktstraße für Ausrüstungsmontage für Großraumflugzeuge

ie MCE Stahl- & Maschinenbau GmbH D& Co, ein Unternehmen der MCE AG, ist mit zwei Projekten am Bau des Airbus A380 sowie einem weiteren Auftrag im Rah- men des neuen Rumpfmontagekonzeptes der Airbus-Großraumflugzeugfamilie beteiligt. Insgesamt beträgt der Auftragswert mehr als 20 Millionen Euro. Für den Airbus A380 plant, fertigt und liefert die MCE Stahl- & Maschinenbau neben einer Vorrichtung für den Zusammen- bau der oberen Halbschalen für die Rumpf- sektion 15 ein flexibles Bühnenkonzept für die Ausstattungsmontage. Auch die Inbe- triebnahme erfolgt durch die MCE.

Bühne frei Das von Airbus gemeinsam mit der MCE entwickelte Bühnenkonzept zeichnet sich aus durch maximale Arbeitssicherheit, die Erfüllung aller ergonomischen Anforderun- gen sowie Zugangs- und Bearbeitungsmög- lichkeiten der drei Flugzeugdecks. Die vier Bühnenwerke, die zu den größten Arbeits- bühnen der Welt in der Flugzeugherstellung zählen, dienen zur Ausstattungsmontage des größten Passierflugszeugs der Welt. Einzig- artig daran ist die temporäre Abhängung die- Vorrichtung für den Zusammenbau der oberen Halbschalen für die Rumpfsektion 15 ser Bühnenwerke in der Dachkonstruktion Foto: MCE mit Hubelementen, die den Weg für das Ein- montage von Airbus Großraumflugzeugen hende Flexibilität und Prozeßoptimierung und Austakten des A380 erst freimacht. festigt die MCE ihre Position als General- bei der Auslegung der Taktgestelle. Um allen Anforderungen der Montage- unternehmer für Airbus Deutschland. Der Der Fertigstellungstermin, die Produk- und Logistikprozesse der A380-Familie ge- Leistungsumfang umfaßt die Planung, Ferti- tionsaufnahme mit dem ersten Flugzeug- recht zu werden, waren intensive Vorlaufar- gung, Lieferung und Inbetriebnahme der rumpf ist für den 24. 2. 2006 geplant. beiten gemeinsam mit dem Auftraggeber Fertigungsvorrichtungen für die Ausrü- Wie auch die Bühnenwerke wird diese Airbus Deutschland notwendig. Rund 170 stungsmontage von Airbus Großraumflug- Taktlinie in Österreich bzw. in angrenzenden Elektroantriebe pro Bauplatz mit einer zeugen der Kategorie Wide Body/Long Ran- EU-Ländern gefertigt, der Vorzusammenbau Leistung von 0,1 kW bis 30 kW ermöglichen ge. erfolgt in Linz. die kontrollierte Anpassung an die unter- Hauptbestandteil des Lieferumfangs sind Die MCE AG ist ein führender, herstel- schiedlichen Modelle der Baureihen. je fünf Taktgestelle zur Aufnahme der vor- lerunabhängiger Dienstleistungskonzern und Die Fertigstellung aller Bühnenwerke ist deren und hinteren Flugzeugrumpfteile Life-Cycle-Partner für Errichtung und Ser- zwischen April 2005 und Juli 2006 geplant. sowie zwei Antriebseinheiten für das vice von Industrieanlagen, Gebäuden und Verfahren dieser Taktgestelle in der Linie. Infrastruktureinrichtungen in Mitteleuropa. Folgeauftrag: MCE als Das Besondere an diesem Projekt ist zum Die Unternehmensgruppe beschäftigt rund Generalunternehmer einen der erstmalige Einsatz eines neuen 7700 Mitarbeiter und hat einen Umsatz von Rumpfmontagekonzepts für die Ausrüstung über 1 Milliarde Euro. Eigentümer der MCE Mit einem weiteren Folgeauftrag für die von Großraumflugzeugen bei Airbus und AG ist die Andlinger & Company Grup- Produktion einer Taktstraße für die Rumpf- zum anderen die Anforderungen an weitge- pe. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 16 Chronik Ein Park blüht auf Im oberösterreichischen Bad Hall ist mit der Landesgartenschau 2005 Österreichs größte Gartenschau bis 26. Oktober zu sehen Alle Fotos: Oberösterreich Tourismus

ei herrlichem Wetter wurde am 23. Ap- aller Mitwirkenden. Nur dadurch ist es ge- Nicht nur der Park blüht auf. Auch mein Bril 2005 die Landesgartenschau in Bad lungen, innerhalb von eineinhalb Jahren aus Herz blüht auf.“ Hall durch Landeshauptmann Dr. Josef dem historischen 34 Hektar großen Kurpark Pühringer feierlich eröffnet. Rechtzeitig zu ein Juwel der Gartengestaltung und Gärtner- Neue Maßstäbe Beginn der großen Eröffnungsgala zeigte kunst zu machen. Noch nie konnte bei einer sich der Frühling von seiner besten Seite: Landesgartenschau eine derartige Pracht und Im Jahr 2005 ist Bad Hall österreichweit herrlicher Sonnenschein begrüßte die 5000 Fülle an Pflanzen, aber auch an Programm- die einzige Großveranstaltung dieser Art. Besucher. Unter ihnen fand sich die gesamte punkten verzeichnet werden. 300.000 Blu- Der Kreativität der heimischen Gärtner und oberösterreichische Politprominenz. Mehr men und 2000 Veranstaltungen rund um Gar- Landschaftsplaner sind keine Grenzen als 300.000 Blumen, herrliche Themengär- tengestaltung, Pflanzenkunde, Musik und gesetzt worden. Der Kurpark mit den herr- ten, sowie zahlreiche Familienattraktionen Unterhaltung erwarten die Gäste bis 26. Ok- lichen Jugendstilgebäuden bietet eine einzig- machen den Kurpark von Bad Hall zu einem tober 2005. Das Land Oberösterreich rech- artige Kulisse für die 29 Themengärten, die Gesamtkunstwerk. Landeshauptmann Dr. net mit bis zu 200.000 Besuchern. für die Landesgartenschau angelegt wurden. Josef Pühringer sprach von einem „8. Welt- Darüber hinaus ist die Landesgartenschau wunder“. Ein Herz blüht auf 2005 ein attraktives Ausflugsziel für die ganze Familie. Tolle und erlebnisreiche Einhellige Begeisterung Bad Halls Bürgermeister Johann Grasl Spielmöglichkeiten, vom Hangspielplatz bis freut sich über das rechtzeitige Eintreffen zum Nebelwald, vom Streichelzoo bis zum Sämtliche (Ehren-)Gäste waren begeistert des Frühlings: „Das Wetter war das einzige, Dschungelpfad, machen den Kurpark zu von den Dimensionen der Landesgarten- was wir nicht planen konnten. Die letzten einem kleinen Abenteuer für Jung und Alt. schau. Landesrat Dr. Josef Stockinger be- Tage vor der Eröffnung haben wir gezittert, Der 150 Jahre alte Kurpark bietet ein dankte sich für den unermüdlichen Einsatz doch nun herrschen optimale Bedingungen. optimales Umfeld für die Landesgarten- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 17 Chronik ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 18 Chronik schau. Das Konzept orientiert sich stark an den drei ursprünglichen Zonen des Kurparks:

Die historische Parkanlage Die Themengärten in diesem Bereich haben die klassische Gartenkunst sowie die Gartengeschichte zum Vorbild. Weiters befinden sich in diesem Areal der Rosen- garten, der Märchengarten und der Fuchsien- garten. Am Vorplatz des Kurhauses emp- fängt ein Springbrunnen die Gäste. In die- sem Bereich befindet sich auch die Bühne mit einem großzügigen Publikumsbereich. Hier finden die Opern und Operettenauffüh- rungen, sowie alle Konzerte statt.

Der Landschaftspark Der Parkabschnitt südöstlich des Kur- hotels hat einen landschaftsparkähnlichen Charakter. Zwischen der Prielallee und der Hadringer Wiese mit dem Blütental befinden sich Themengärten, die Beispiele moderner Gartenarchitektur zeigen. Im Landschafts- park befindet sich auch der ehemalige Gutshof, das Hadringergut. Zwei Bäuerin- nen, die dort seit vielen Jahren leben, betreu- en vor Ort den original Bauerngarten und geben gerne Tips an Interessierte. Am an- grenzenden Sonnenhang befinden sich wei- tere Themengärten wie der tropische Garten oder der Garten des Siedlervereins, wo wäh- rend der gesamten Dauer der Landesgarten- schau fachliche Berater allen Gästen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Die naturnahe Parklandschaft Das naturnahe Gebiet entlang des Sulz- baches im Westen der Ausstellungsfläche ist eine ökologisch wertvolle Zone. Der Sulz- bach mit seinem Auwald bietet viel Raum zum Natur Beobachten und Erleben. Ökolo- gisch orientierte Gartenkultur und Erholung in der Natur stehen hier im Mittelpunkt. Eine Attraktion ist die Ökostation beim Natur- teich, in der die Ökologie auch mit dem Mikroskop erforscht werden kann.

Themengärten und Sonderschauen Die 29 Themengärten sind behutsam in den Kurpark eingefügt worden. Die breite Pa- lette der Themengärten zeigt das Leistungs- spektrum und die Kreativität der heimischen Gärtnereibetriebe. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 19 Chronik Vom Villengarten zum Naturteich

Spektakuläre, herrliche angelegte Gärten wie zum Beispiel der Villengarten hinter der Rabl Villa sind die Attraktionen der Landes- gartenschau. Eine herrliche Terrasse, ein Wasserbecken und eine kunstvoll gestaltete Beleuchtung zeigen in diesem Garten die Möglichkeiten klassischer Gartengestaltung. Die Gartenkunst und die Natur helfen aber auch Ruhe und Erholung zu finden. Das wird im Meditationsgarten oder im Kirchengarten gezeigt, wo vor allem Wert auf Entspannung gelegt wird. Anders beim Garten der bunten Steine, der von den oberösterreichischen Kindergärten geschaffen worden ist. Im Ruinengarten bietet ein kleiner Bach Kin- dern und Junggebliebenen die Möglichkeit zum Plantschen. Weitere Attraktionen sind zum Beispiel der Rosengarten im englischen Stil, der Schattengarten, der Garten der Ge- heimnisse und der futuristische Garten, um nur einige zu nennen. Besondere Blumen werden durch Son- derschauen vorgestellt. So finden spezielle Ausstellungen zum Thema Rosen, Orchideen, Taglilien, Kürbisse, Kakteen etc. statt. Wei- ters werden während der Landesgartenschau Fachleute aus dem In- und Ausland Tagun- gen abhalten und einzelne Workshops ange- nerestaurant im Kurhotel bis zum Kiosk am tenschau ein spezielles Programm kreiert. boten. So können sich auch Hobbygärtner Hangspielplatz. Ein großes Gastronomiezelt Im Rahmen der Operettenfestspiele wird die Tipps von den Profis holen und untereinan- vor dem Hadringer Gut bietet Platz für 900 Oper „Gärtnerin aus Liebe“ von W.A. Mo- der Fachgespräche führen. Personen. zart, die Operette „Der Vogelhändler“ von Carl Zeller und das Musical „Kiss me Kate“ Ausflugsziel für Ideen- und Impulsgeber von Cole Porter aufgeführt. Spezielle Events die ganze Familie wie die „Blue Danube Barbecue Champion- Für die heimischen Gärtner ist die Lan- ship“, also die Grillweltmeisterschaft, der Über einhundert Spielgeräte sind in den desgartenschau 2005 in Bad Hall eine Mög- Blumencorso, eine Oldtimer Rallye oder die Park eingefügt worden. Damit ist die Lan- lichkeit, die Leistungsfähigkeit vor einem „Nacht der tausend Kerzen“ runden das Pro- desgartenschau ein Ausflugsziel für Groß großen Publikum unter Beweis zu stellen. gramm ab. Insgesamt gibt es in den sechs und Klein. Bei jedem Themengarten ist auch Gleichzeitig verfolgen Landesgartenschauen Monaten mehr als 2000 Konzerte, Vorträge, eine Attraktion für die Kleinen eingerichtet das Ziel, daß in den veranstaltenden Ge- Seminare, Ausstellungen u.s.w. worden, sodaß der Rundgang durch den Park meinden unter umweltpolitischen und ökolo- für die ganze Familie interessant ist. Der gischen Gesichtspunkten gestaltete Lebens- Skulpturen im Park Streichelzoo und drei große Spielplätze las- räume und Grünzonen geschaffen bzw. ver- sen den Besuch bei der Landesgartenschau bessert und erweitert werden. In Bad Hall Der ganze Park zeigt, wie die Kunst im zu einem kurzweiligen Erlebnis werden. wurde das 27 Hektar große Areal des Kur- Garten noch besser zur Geltung kommen Weiters wurden mehr als 500 m² an Sand- parks als Veranstaltungsort gewählt, um die kann. Heimische und internationale Schmie- spielfläche errichtet. Der weitläufige Kur- Gestaltungsmöglichkeiten im Grün- und dekünstler stellen im Areal der Landesgar- park bietet bei jeder Witterung ein einzigar- Siedlungsbereich sowie im Bereich der Gar- tenschau mehr 150 hochwertige Eisenskulp- tiges Erlebnis. An heißen Tagen spenden die tenkultur allen Interessierten aufzeigen zu turen aus und zeigen, wie Kunstwerke in die hohen Bäume angenehmen Schatten, nach können. Für die Stadtgemeinde Bad Hall fin- Gartengestaltung optimal integriert werden einem Regenguß erfrischt die würzige Luft det sich darüber hinaus die einzigartige können. Geist und Körper. Chance, sich und die ganze Region weit über Zahlreiche kleinere und größere Gastro- die Grenzen Oberösterreichs hinaus zu prä- Landesgartenschau Bad Hall nomieeinrichtungen sorgen dafür, daß jeder- sentieren und so der Wirtschaft und dem Öffnungszeiten: 22. April-26.Oktober 2005 zeit und überall für die Besucher Erfrischun- Tourismus neue Impulse zu geben. täglich von 9:00 bis 18:00 Uhr gen und Speisen bereit stehen: vom 4-Ster- Das Kurorchester hat für die Landesgar- http://www.landesgartenschau2005.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 20 Chronik Zum 70. Mal von Schneemassen befreit Großglockner Hochalpenstraße: 600.000 Kubikmeter Schnee geräumt – Bis zu 7 Meter hohe Schneewände – Zahlreiche Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2005

m 3. August 1935 wurde die Groß- Aglockner Hochalpenstraße zum ersten Mal für den Verkehr freigegeben. Heuer ste- hen die Feierlichkeiten zum 70jährigen Jubi- läum an und in den letzten Wochen wurde die Prachtstraße der Alpen auch zum 70. Mal von den Schneemassen nach dem Winter be- freit. Rund 600.000 Kubikmeter mußten alleine heuer geräumt werden, die Schnee- wände türmten sich bis zu sieben Meter hoch. Christian Heu, Generaldirektor der Be- treibergesellschaft Grohag, hielt anläßlich des „Durchstichs“ kurz vor dem Hochtor Rückschau über die letzten sieben Jahr- zehnte und präsentierte das Programm für Sommer 2005.

370 Mann an 70 Tagen In den Jahren 1936 und 1937 schaufelten 350 Männer noch durchschnittlich 70 Tage lang, um die Straße zumindest einspurig freizulegen. Seit 1953 räumen jedes Jahr im April 375 PS starke Rotationspflüge und einige Spezialisten der Grohag die Schneemengen beiseite. Der Einsatz moder- ner Technik verlängert die Öffnungszeiten der Glocknerstraße erheblich. Waren es 1937 nur 132 Tage, konnte man 1963 sogar an 276 Tagen die Glocknerstraße besuchen.

Großglockner als Gesamterlebnis Bis in die 60er Jahre war die Straße nicht nur Fremdenverkehrsattraktion, sondern auch eine wichtige Verkehrsverbindung in den Süden. Seither hat ihre Bedeutung als Ver- Bis in die 50er Jahre wurden die Schneemengen mit Schaufel und Muskelkraft kehrsweg abgenommen. Zum 70-Jahr-Jubi- bewältigt: 370 Mann schaufelten bis zu 70 Tage im Jahr läum ist die Straße hauptsächlich bei Ge- nießern und als Ausweichroute bei Urlaubes in der Region sein, sondern ein Schneefall im Bereich der Straße – wird die Staulagen der Hauptverkehrsverbindungen zentraler Anlaß für diesen Aufenthalt.“ Grohag voraussichtlich mit einem Jahres- in den Süden beliebt. Christian Heu: „In der gewinn bilanzieren. Im Vergleich zu frühe- Zukunft liegt die große Herausforderung Im Vorjahr fast ren Jahren können deutliche Frequenz- darin, Straße und umgebende Natur samt 900.000 Besucher steigerungen bei PKWs, Motorrädern und allen Attraktionen als unvergleichliches Busgästen verzeichnet werden. Im vorigen ,Erlebnis Großglockner‘ darzustellen. Der Trotz sehr schlechter Witterungsverhält- Jahr rollten über 198.000 PKW und fast Besuch der Großglockner Hochalpenstraße nisse im Jahr 2004 – von Anfang Mai bis 65.000 Motorräder über die Hochalpenstraße, soll nicht ein Ausflug im Rahmen des Oktober registrierte man cirka 50 Tage mit inklusive Busse und LKWs zählte die Gro- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 21 Chronik hag mehr als 270.000 Kraftfahrzeuge. Mit einer Gesamtbesucherzahl von 891.609 ist die Großglockner Hochalpenstraße eine der meistbesuchten Touristenattraktionen in Österreich. Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt auf die vielen Investitionen in die Besuchereinrich- tungen – wie zum Beispiel zuletzt am Gams- grubenweg – und intensive Marketingbemü- hungen zurückzuführen. Beispiel Motorrad- Initiative: Die Investitionen für Motorrad- fahrer und die Auflage der Broschüre „Mo- torradhimmel“ in den Jahren 2003 und 2004 hat sich sehr stark auf die Frequenz ausge- wirkt. Ein enormes Echo in Motorradmaga- zinen wurde dadurch erzielt. Die Grohag er- wartet eine Nachhaltigkeit dieser Aktion auch für 2005. Die Grohag spricht seit heuer auch Gäste aus dem Osten in ihrer Landessprache an. Sowohl die Prospekte als auch das neue Glockner-Buch werden in zehn Sprachen aufgelegt: In Deutsch, Englisch, Franzö- sisch, Italienisch, Spanisch, Holländisch, Tschechisch, Polnisch, Ungarisch und Slo- wenisch.

Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr 2005 steht ganz im Zeichen „70 Jahre Glocknerstraße“. Die erste größere Veran- staltung wird Ende Juni im Rahmen des Festivals Wassergold (eine Aktion von Kärnten wasser.reich) zur Eröffnung neuer Attraktionen auf der Kaiser-Franz-Josefs- Höhe stattfinden. Am 3. August jährt sich die Eröffnung der Großglockner Hochalpen- straße zum 70. Mal. Ein Anlaß, den die Grohag mit einer großen Veranstaltung am 6. oder 7. August 2005 gebührend feiert. Im September steht ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm: Die Alpenfahrt Classic- Rallye, ein Oldtimer-Rennen, wird wiede- rum über die Großglockner Hochalpenstraße führen. Die Eintrittspreise sind seit Jahren nicht erhöht worden. Mit der Eintrittskarte haben Besucher das Ticket zu einem wunderschö- nen Naturerlebnis sowie zahlreichen Ein- richtungen, die kostenfrei besucht werden können. Einmal zahlen – alle Einrichtungen genießen. Der Einsatz moderner Technik verlän- gert die Öffnungszeiten der Großglock- ner Hochalpenstraße: 375 PS starke Spezialpflüge räumen die Schnee- massen auf – allein heuer waren es 600.000 Kubikmeter Schnee Fotos: Grohag ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 22 Chronik Die GüterBim fährt Die Wiener GüterBim fährt vom Karlsplatz über den Ring zur Börseschleife und weiter zum Bahnhof Hernals

as Projekt GüterBim - „Güter Beför- Dderung im Stadtgebiet auf bestehender ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) Infrastruktur“ ist in der Demonstratorphase. Aus diesem Anlaß fuhr Mitte Mai die Güter- Bim eine ausgewählte Strecke durch Wien. Der Ehrgeiz des Projektteams „TINA – , Wiener Linien, Wiener Lokalbahnen und Vienna Consult“ ist es, an die Ge- schichte der Güterstraßenbahn von Wien anzuknüpfen und Vorbereitungen für ein modernes telematikgestütztes Güterbeförde- rungs-System zu treffen. Dieses Projekt, vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im I2-Programm (Intelligente Infrastruktur) gefördert, will eine effizientere Nutzung von Infrastruktur und neue betriebliche Möglich- keiten durch die Verlagerung des Güterver- kehrs von der Straße auf die Schiene errei- chen. Daraus resultierend ergibt sich nicht nur ein ökonomischer Nutzen – Stauvermei- dung für den Lieferverkehr durch verkehrs- logistische Anwendungspotentiale – sondern auch ein ökologischer Mehrwert für die Menschen dieser Stadt durch umweltscho- nenden Gütertransport: Feinstaub und Ozon- belastung werden weitgehend vermieden. Das Projekt GüterBim hat die infrastruk- turellen Voraussetzungen zum Betrieb einer Güter-Straßenbahn in Wien – mit regionalen und internationalen Anschlußmöglichkei- ten – untersucht und die Güterbeförderung über das Netz des öffentlichen Schienennah- verkehrs als technisch machbar befunden. Fragen der Straßenverkehrsordnung wurden ebenso wie die Umladung auf Lkw, Bahn oder Schiff bearbeitet. Als Ergebnis wurde ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung mit Möglichkeiten der Verknüpfung von Bahn- und Straßenbahngüterverkehr erstellt und für die Wiener Wirtschaft eine Erhöhung der Standortqualität durch die Entwicklung von City-Logistik evaluiert. Dieses Projekt stellt die zurzeit einzige in Österreich angedachte Möglichkeit zum Straßenbahngüterverkehr dar und wird eine Weiterführungsstrategie und Weiterentwick- lungspotentiale zur Entwicklung von Schie- nengüterfahrzeugen und Stadtlogistikkon- zepten ermöglichen.

http://www.gueterbim.at Foto: Pressefoto Votava ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 23 Wissenschaft und Technik Ein Leben für die Grundlagenwissenschaft Einer der bekanntesten österreichischen Wissenschaftler, der Experimental- physiker Univ.-Prof. Dr. Anton Zeilinger, feierte seinen 60. Geburtstag.

m Zuge seiner wissenschaftlichen Lauf- Ibahn wirkte Univ.-Prof. Dr. Anton Zei- linger auch neun Jahre in Innsbruck, wo ihm einige seiner spektakulärsten Experimente gelungen sind. Heute arbeitet er mit den Innsbrucker Quantenphysikern im Rahmen des Akademie-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation intensiv zusam- men. „Das Institut für Quantenoptik und Quan- teninformation (IQOQI) ist stolz, Anton Zei- linger als einen seiner wissenschaftlichen Direktoren im Team zu haben“, freut sich Univ.-Prof. Dr. Rainer Blatt, der Geschäfts- führende Direktor des Instituts. „Zeilinger kann auf eine enorme Fülle von wichtigen Ergebnissen seiner Forschungstätigkeit zu- rückblicken, die allen Interessierten als Meilensteine in Erinnerung geblieben sind“, betont Blatt. So zum Beispiel die bahnbre- chenden Arbeiten zur Quantenkommunika- o. Univ.-Prof. Dr. Anton Zeilinger, Vorstand des Instituts für Experimentalphysik tion, zur Teleportation mit Photonen und zur der Universität Wien Foto: Jacqueline Godany Verschränkung, einer der charakteristischsten Eigenschaften von Quantensystemen. Der Österreich und baute an der Universität Inns- für Quantenoptik und Quanteninformation verschränkte Zustand mit drei Teilchen ist bruck eine Arbeitsgruppe auf. Hier gelangen (IQOQI) der Österreichischen Akademie der mit seinem Namen verbunden und in der ihm 1995 die ersten störungsfreien Mes- Wissenschaften (ÖAW). Quantenphysik als GHZ-Zustand berühmt sungen von Quantenzuständen und 1997 die geworden (nach dessen Urhebern D. Green- erste Teleportation eines Lichtteilchens. Mit Spitzenforscher treffen berger, M. Horne, und A. Zeilinger). Durch diesen Experimenten begeisterte Zeilinger einander in Wien Erzeugung und Vermessen dieses Zustandes jedoch nicht nur die Fachwelt. Es gelang ihm ist es ein weiteres Mal gelungen, die Quan- damit auch, eine breitere Öffentlichkeit für Anläßlich des Jahres der Physik findet tentheorie als die die Natur richtig beschrei- die Phänomene der Quantenwelt zu interes- kommende Woche im großen Festsaal der bende Theorie zu bestätigen. „Wir wünschen sieren. 1999 wechselte er dann nach Wien, Universität Wien eine hochkarätig besetzte Anton Zeiliinger auch für die Zukunft noch wo er mit spektakulären Experimenten wei- Tagung zu aktuellen Fragen der Quanten- viele großartige Arbeiten, viel Erfolg und ter von sich Hören machte. So sandte er ver- physik statt. Dort werden nicht nur die öster- alles Gute“, so Rainer Blatt im Namen aller schränkte Photonen über immer größere reichischen Spitzenforscher wie Rainer Blatt, Institutsmitglieder. Distanzen durch die Stadt Wien und führte Rudolf Grimm und Peter Zoller dabei sein, die erste mit Quantenkryptografie verschlüs- sondern auch internationale Größen des Fruchtbare selte Banküberweisung durch. Erst vor kurzem Fachs wie Serge Haroche aus Paris, Artur Zusammenarbeit realisierte Zeilinger mit seiner Arbeits- Ekert aus Cambridge, David Wineland aus gruppe einen so genannten Einweg-Quanten- Boulder und Sir Roger Penrose aus Oxford, Der am 20. Mai 1945 im oberösterreichi- computer, wie ihn der Innsbrucker Theore- der im Rahmen der Einstein Lectures der schen Ried geborene Anton Zeilinger stu- tiker Hans Briegel vor einigen Jahren vorge- Österreichischen Akademie der Wissen- dierte in Wien Physik und Mathematik und schlagen hatte. Die Zusammenarbeit zwi- schaften (ÖAW) einen Vortrag halten wird. promovierte 1971 am Institut für Atom- schen Zeilinger und Briegel ist ein gutes Die ÖAW ist die führende Trägerin physik. Während er in Wien zunächst als As- Beispiel für die sehr erfolgreiche Koopera- außeruniversitärer akademischer Forschung sistent und dann als Außerordentlicher tion von Theoretikern und Experimental- in Österreich. Mehr als 800 Mitarbeiterinnen Professor tätig war, zog es ihn immer wieder physikern in Innsbruck und Wien im und Mitarbeiter führen vielfältige Vorhaben ins Ausland. 1990 kam er zurück nach Rahmen des 2003 neugegründeten Instituts durch. http://www.oeaw.ac.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 24 Wissenschaft und Technik Jupiter-Mond Amalthea ist löchriger und leichter als angenommen Mangels exakter Daten der Raumsonde Galileo auf ihrer letzten Mission ist eine Dissertantin der Technischen Universität (TU) Wien dem Jupiter-Mond Amalthea mathematisch zu Leibe gerückt.

aumsonden sind im wesentlichen dazu wortet, warum sich Gudrun Weinwurm in ger Raumsonden waren lediglich genäherte Rda, Daten über Planeten zu liefern, von dieses mathematische Abenteuer gestürzt hat: Informationen über die Masse, das Aussehen denen die Weltraumforschung noch keine nämlich Antworten darauf zu finden, wie wir des Körpers, das Aussehen der Oberfläche genauen Erkenntnisse hat. So auch die Raum- entstanden sind. Ein Anliegen, das Welt- von Amalthea und daher über die mittlere sonde Galileo, deren Aufgabe es war, von raumforscher gleichermaßen wie Archäo- Dichte des Mondes bekannt – ein kleiner 1995 bis 2003 das Jupitersystem zu „inspi- logen fasziniert. Gesteinsbrocken, der den Planeten Jupiter in zieren“. Leider ist bei ihrer letzten Mission – Die Spuren von Amalthea hat Gudrun nur 12 Stunden umläuft. Die vom wissen- den Jupiter-Mond Amalthea ins Visier zu Weinwurm aufgenommen, da die Raum- schaftlichen Team am JPL durchgeführte nehmen – nicht alles so glatt gegangen, wie sonde Galileo bei ihrer letzten Mission vor Analyse der vorhandenen Galileo-Doppler- man wollte. Die Distanzmessung zwischen dem definiten geplanten Absturz auf Jupiter Daten ergab eine wesentlich geringere Mas- Erde und Sonde gelang nicht so genau wie im September 2003 die in sie gesetzten se des Körpers als angenommen und dem- angestrebt. Was also tun, um dennoch die wichtigen Ergebnisse zu erhalten? Gudrun Weinwurm, damalige Dissertantin am Insti- tut für Geodäsie und Geophysik an der TU Wien, hat sich gemeinsam mit anderen Wissenschaftern Amalthea angenommen und zig mathematische Modelle gerechnet, um anhand der vorhandenen Daten Rückschlüs- se auf die Figur und die innere Massevertei- lung des kleinen Mondes ziehen zu können. Das überraschende Ergebnis: Amalthea ist „löchriger“ als ursprünglich angenommen und seine mittlere Dichte ist geringer als Wasser. Auf Grund der Erkenntnisse der Ar- beitsgruppe rund um Dr. John D. Anderson, Jet Propulsion Laboratory (JPL), einem NASA-Center, der Gudrun Weinwurm ein Jahr als Gastwissenschafterin angehörte, konnten sie bei ihren KollegInnen der scien- Hoffnungen nicht ganz erfüllen konnte: entsprechend eine mittlere Dichte, die sogar tific community einen „Aha-Effekt“ erzie- „Während des Vorbeifluges an Amalthea geringer ist als Wasser. Die in weiterer Folge len. Während man ursprünglich angenomm- konnten die geplanten 2-Weg-Dopplerdaten durchgeführten Modellrechnungen über den men hat, Amalthea sei gleichzeitig mit Ju- von Galileo nicht auf der Erde empfangen inneren Aufbau des Mondes, sein Gravita- piter entstanden, kann diese Annahme auf- werden, zur Auswertung standen nur weni- tionsfeld und seine Oberflächeneigenschaf- grund der errechneten Modelle und der Da- ger präzise 1-Weg-Dopplerdaten zur Verfü- ten ergaben ein Bild von einem stark zer- tenauswertung nun widerlegt werden. Zwei gung“ erzählt Gudrun Weinwurm, die sich klüfteten Körper, dessen Inneres wahrschein- Schlüsse sind nach der wissenschaftlichen als Dissertantin der TU Wien (2001-2004) lich aus einer Mischung von Gestein, Eis Analyse zulässig: entweder Amalthea ist nicht dem Jupiter-Mond Amalthea verschrieben und Hohlräumen besteht. gleichzeitig mit Jupiter entstanden oder der hat. „Obwohl Amalthea nur ein Puzzlestein Mond ist in einem anderen Teil des Sonnen- Im Rahmen ihrer Dissertation „Amal- im Jupiter-System ist, war es spannend zu systems entstanden und später vom Jupiter- thea‘s Gravity Field and its Impact on a beweisen, daß Amalthea viel poröser ist als System „eingefangen“ worden. Als nächstes Spacecraft Trajectory“ (TU Wien, Juli 2004) ursprünglich angenommen. Seine sehr gerin- sind also die SpezialistInnen für die Entste- ist sie anhand unzähliger mathematischer ge mittlere Dichte hat bei vielen Wissen- hung des Sonnensystems dran, das herauszu- Modelle der Frage nachgegangen, ob sich schaftern Staunen und ein ,Aha‘ ausgelöst.“ finden. aus den nicht exakten Daten „doch noch was Indirekt ist damit auch die Frage beant- rausholen läßt“. Aus den Missionen vorheri- Foto: DI Dr. Barbara Weinwurm ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 25 Wissenschaft und Technik Uni Innsbruck stellt Titan-Ursuppe vor

m Institut für Anorganische Chemie der AUniversität Innsbruck wurden erste Ergebnisse des seit sechs Wochen laufenden Titan-Simulations-Experiments präsentiert. Bundesministerin Elisabeth Gehrer, Landes- rat Dipl. VW. Mag. Sebastian Mitterer und Rektor Manfried Gantner überzeugten sich vom Fortschritt des Experiments und durften an der entstandenen Titan-Ursuppe riechen. In einem Spezialkühlschrank von Lieb- herr herrschen seit sechs Wochen Bedingun- gen wie auf dem Saturnmond Titan: bei einem Druck von 1,44 Atmosphären und einer Temperatur von -190° C finden ständig Energieentladungen in Form eines Blitzes statt. Aus dem auch auf dem Titan vorhan- denen Wassereis, dem Methan und dem Stickstoff entstehen chemische Verbindun- gen, die Grundbausteine des Lebens sind. Die Titan-Ursuppe ist im Labor entstanden Benjamin Schranz plaziert Titan-kaltes Eis, auf das dann der Blitz treffen wird Die entstehenden Verbindungen werden mittels eines speziellen Messgerätes, dem Evolution wie auf der Erde möglich“, glaubt Bundesministerin Gehrer zeigte sich Proton-Transfer-Reaktions Massenspektrome- der Chemiker. erfreut über den gelungenen Assistenzein- ter, das am Institut für Ionenphysik der Leo- Auch die Wirkung der Blitze wurde ein- satz des Bundesheeres. Schranz wurde für pold Franzens-Universität von einem Team drucksvoll demonstriert. Was im Kühl- die Mitarbeit am Experiment extra vom um Prof. Tilmann Märk entwickelt wurde, schrank im Kleinen passiert, demonstrierte Grundwehrdienst abkommandiert. genau registriert. der Elektrotechniker des Instituts, Benjamin Zu Demonstrationszwecken mixten die „Wir wissen jetzt, dass Kohlenwasser- Schranz, besser sichtbar auf dem Labortisch. Chemiker eine aus den gefundenen Elemen- stoffe entstehen, wenn ein Blitz einschlägt. Mittels einer elektrischen Schaltung ließ er ten bestehende Titan-Ursuppe. „Auch wenn Ähnlich wie bei der Evolution auf der Erde Blitze mit einer Energie von 6000 Watt auf Leben entsteht, die riechen ganz anders als können so Aminosäuren, die Grundbau- eine auf Titan-Temperatur gekühlte Eis- wir“, waren sich Gehrer und Mitterer einig, steine des Lebens entstehen“, erklärt Prof. fläche prallen. Hierbei entstanden nicht nur als sie an der Ursuppe schnupperten. Auf- Rode. „Die Chemie auf dem Titan ist sehr neue Kohlenwasserstoff-Verbindungen, auch grund des hohen Stickstoffgehaltes riecht reich, bei Erwärmung wäre eine ähnliche das Eis wird teilweise zerstört. diese nämlich etwas streng.

Prof. Rode (2.v.l) erklärt das Experiment. v.l.: Vizerektor Tilmann Märk, Bundesministerin Elisabeth Gehrer, Landesrat Sebastian Mitterer und Rektor Manfried Gantner warten auf den ersten Blitz Fotos: Universität Innsbruck ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 26 Kultur Kaiserl. Festschloß Hof eröffnet Nach vielen Jahrzehnten des Vergessenseins öffnete Schloß Hof im niederösterreichischen Marchfeld wieder seine Pforten Foto: Lois Lammerhuber

chloß Hof ist liegt im östlichen Nieder- in gärtnerischer Hinsicht durch historisch Das barocke Schloß Sösterrich eine gute Autostunde von Wien korrekte Neugestaltung der Barockbeete un- entfernt und ist die zweitgrößte Schloßan- ter Verwendung von genau jenen Pflanzen- Die Gemächer im 1726 von Lukas von lage Österreichs. Das ehemalige Fest- und arten, die dem Garten schon zu Zeiten Prinz Hildebrandt errichteten Schloßgebäude be- Jagdschloß des Prinzen Eugen und der Eugens eine viel gerühmte Pracht verliehen herbergen kostbare Möbel und Kunstgegen- Kaiserin Maria Theresia gilt als eines der be- haben. stände, die zum größten Teil eigens für eindruckendsten Architekturensembles der Barockzeit. Es umfaßt neben dem eigentli- chen Schloßgebäude einen auf sieben Ter- rassen angelegten Garten und den größten Meierhof Mitteleuropas. Nach seinen pracht- vollen Zeiten im 18. und 19. Jahrhundert ge- riet Schloß Hof weitgehend in Vergessenheit. In einem beispielhaften und über die letz- ten drei Jahre reichenden Revitalisierungs- werk wurde der Anlage ihre Würde zurück- gegeben. Auf Basis umfangreicher Studien konnte Schloß Hof in weiten Bereichen wie- der in jenen Zustand zurück versetzt werden, in dem es sich zu Zeiten von Prinz Eugen und Maria Theresia befunden hat. In bau- licher Hinsicht beispielsweise durch die Fassadenerneuerung mit reinem Kalkputz; im Hinblick auf die Ausstattung der Apparte- ments durch die Rückführung originaler

Kunstwerke, Möbel und Dekorationsstücke; Foto: Lois Lammerhuber ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 27 Kultur

nossen des 18. Jahrhunderts der Garten, den Lukas von Hildebrandt und Dominique Girard für Prinz Eugen entworfen hatten. Reichlich mit Pavillons, Brunnen und Skulp- turen ausgestattet, erstreckte sich die barocke Parklandschaft einst über sieben Terrassen bis an das Ufer des Flusses March. Im Lauf der Jahrhunderte ging das ein- zigartige Ensemble künstlerisch gestalteter Natur vollkommen verloren. Historische Quellen und die Expertisen der versiertesten Gartenarchäologen erlauben jedoch eine genaue Rekonstruktion seiner ursprüng- lichen Beschaffenheit. Auf dieser Grundlage sind die drei großen Terrassen um Schloß Hof wieder in ihre ursprüngliche Pracht zu- rückversetzt worden.

Foto: Kaiserliche Festschlösser Der barocke Meierhof In diesem wunderschönen Saal gab es unzählige rauschende Feste, nach der Restaurierung werden diese sicher fortgestzt. Das Bild unten zeigt das Apparte- ment von Kaiserin Maria Theresia, ganz unten ein Gemälde des Prinzen Eugen Neues Leben ist auch auf dem Gutshof des Schlosses erwacht. Drechsler, Topfgärt- ner und Korbflechter sind in das weitläufige Gebäudeensemble wieder eingezogen. In den Stallungen und auf den Weiden tummeln sich wie schon im 18. Jahrhundert abermals allerlei liebenswerte und selten gewordene Tiere wie Pferde altösterreichischer Rassen, Weiße Esel, Kamele oder Walachenschafe. Das Aufgebot an tierischen Bewohnern wird durch die Wisente in der Waldmenagerie, Laufenten und Gänse, Sulmtaler Hühner und weiße Pfaue ergänzt.

Die barocken Feste Die barocke Festkultur, die einst das Le- ben auf Schloß Hof bestimmte, kommt eben- falls zu neuen Ehren. Das gesamte Areal wird regelmäßig Bühne sein für erlesene Kulturveranstaltungen, fröhliche Kinderfeste Foto: Lois Lammerhuber und stimmungsvolle Lustbarkeiten im Schloß Hof geschaffen wurden. Besonderen Zeichen kulinarischer Genüsse. Das erste kulturhistorischen Wert besitzt das aus fünf Fest des Jahres war eine fröhliche Parade Zimmern bestehende Appartement Maria von der großen Festwiese über die Weide- Theresias – es ist das einzige komplett erhal- flächen zum Meierhof. tene Original-Wohnensemble aus der zwei- ten Lebenshälfte der Monarchin. Ebenfalls Das Kaiserliche Festschloß Hof höchst sehenswert sind die anmutige Sala ist von 15. April bis 31. Oktober 2005 Terrena, der frühklassizistische Festsaal und täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Füh- die zweigeschoßige, kuppelüberspannte Ka- rungen durch die Appartements von pelle, deren aufwändige Ausgestaltung von Kaiserin Maria Theresia und Prinz Künstlern wie Carlo Carlone, Santino Bussi Eugen gibt es um 11, 14 und 16 Uhr und Alberto Camesina stammt. Kaiserliches Festschloß Hof Der barocke Garten 2294 Schloßhof 1 Telefon: ++43 / (0)2285 / 20 000 Noch mehr bewunderndes Erstaunen als http://www.festschloßhof.at

das Schloß selbst erweckte bei den Zeitge- Foto: Kunsthistorisches Muesum, Wien ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 28 Kultur Prix Ars Electronica 2005 Bei 2975 Einreichungen aus 71 Ländern verbucht der Prix Ars Electronica dieses Jahr enorme Zuwächse in den Bereichen Computeranimation und Interaktive Kunst. 110.000 Euro gehen an Gewinner in insgesamt sechs Kategorien.

it den Wettbewerbskategorien Compu- Mter Animation / Visual Effects, Digital Musics, Interaktive Kunst und Net Vision fokussiert der von Ars Electronica Center in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz in Zusammenarbeit mit ORF Ober- österreich, Brucknerhaus Linz und O.K Centrum für Gegenwartskunst veranstaltete Wettbewerb sein Augenmerk auf die Haupt- bereiche digitaler Mediengestaltung. Mit der 2004 erfolgreich eingeführten Kategorie Digital Communities widmet sich der Prix Ars Electronica verstärkt den Aus- wirkungen von Kunst und Technologie auf die gesellschaftliche Entwicklung. Die Ju- gendkategorien u19 – freestyle computing und [the next idea] Kunst- und Technolo- giestipendium bieten jungen Kreativen eine kreative Plattform für ihre Auseinander- setzung mit neuen Medien. Die internationale Bedeutung des Prix Fallen Art – Goldene Nica Computeranimation / Visual Effects; Tiefschwarzer Ars Electronica geht vor allem aus der Län- Humor prägt den Film Fallen Art von Tomek Baginski, der die Goldene Nica in der derstatistik hervor. Mit seinen Aktivitäten Kategorie Computeranimation / Visual Effects gewann. Eine beeindruckende Ani- mation, die innerhalb weniger Minuten eine ungewöhnliche Geschichte voll uner- erreicht der Preis neben den großen west- warteter Wendungen erzählt und dennoch in sich geschlossen und überzeugend lichen Industriestaaten auch kleine Länder wirkt. Quelle: Tomek Baginski / Platige Images aus weit entfernten Erdteilen wie beispiels- weise die Solomon Islands. Einreichungen Technik: selbstverständli- materielle Basis und eine professionellere aus dem Iran, Bangladesh, Saudi-Arabien ches Werkzeug der Kunst Arbeitsweise ermöglicht. Dies macht sich oder dem Kongo unterstreichen die interkul- beim Prix Ars Electronica in einem stetig stei- turelle Wirkung des Prix Ars Electronica. Befragt nach den generellen Trends des genden Qualitätsstandard der eingereichten Die Gewinner der Goldenen Nicas kommen Prix Ars Electronica 2005, stellt Gerfried Arbeiten bemerkbar“, so Gerfried Stocker aus Polen, Indien, Lettland, den USA und Stocker, künstlerischer Leiter der Ars weiter. Sowohl er als auch Christine Schöpf Kanada sowie aus Österreich. Electronica fest, daß die Technik als Objekt orten eine breite Akzeptanz von Medien- Von 21. bis 24. April tagte ein Großauf- der künstlerischen Auseinandersetzung der- kunst in weiten Kreisen der Kunstszene. gebot internationaler Experten in Linz. In zeit klar in den Hintergrund rücke. Sie stehe intensiven Diskussionen bewerteten sie ins- weniger im Zentrum als in früheren Jahren Trendbarometer gesamt 2975 Projekte, die beim diesjährigen des Prix Ars Electronica. „Neue Medien der Medienkunstwelt Prix Ars Electronica eingereicht wurden. Am werden zum selbstverständlichen Werkzeug 24. April standen die Ergebnisse schließlich in der Umsetzung von breiter angelegten Die Gewinner der insgesamt sechs Gol- fest. Aus den Einreichungen haben sieben Ideen, Konzepten und Geschichten“, sagt denen Nicas unterstreichen auch 2005 die Fachjuries sechs Goldene Nicas und zwölf Gerfried Stocker. „Dementsprechend finden herausragende Rolle des Prix Ars Electro- Auszeichnungen ausgewählt sowie 73 An- diskursanalytische Untersuchungen gesell- nica als Seismograph für Entwicklungen in erkennungen ausgesprochen und das Kunst- schaftlicher und politischer Zustände in der der globalen Medienkultur. und Technologiestipendium „the next idea“ aktuellen Medienkunst ebenso Raum wie Wie jedes Jahr beeindrucken die Gewin- sowie Sachpreise vergeben. Darüber hinaus kunstimmanente Positionen und Erörterun- ner der „klassischen“ Kategorien digitaler vergab die Jury zwei Sonderpreise. gen und auch die Reflexion der Formen- Medienkunst mit ihrer Verbindung von pro- Die Gewinnerprojekte stellen auch dieses sprache der Anfänge der Medienkunst“, fessioneller Herangehensweise und innova- Jahr die Rolle des Wettbewerbes als Trend- meint Christine Schöpf ergänzend. „Immer tiven Ideen. Tiefschwarzer Humor prägt den barometer der internationalen Medienkunst- mehr Museen und Festivals geben Medien- Film „Fallen Art“ von Tomek Baginski, der welt unter Beweis. kunst Raum,was Künstlern zunehmend eine die Goldene Nica der Kategorie Computer- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 29 Kultur animation / Visual Effects gewann. Eine be- eindruckende Animation, die innerhalb weni- ger Minuten eine ungewöhnliche Geschichte voller unerwarteter Wendungen erzählt und dennoch in sich geschlossen und überzeu- gend wirkt. Die Goldene Nica im Bereich Digital Musics ging an die Klangpionierin Maryan- ne Amacher für ihre Installation „TEO! a sonic sculpture“, die als Soundinstallation für die Esplanade des Palacio de bellas artes in Mexico City konzipiert wurde. Die Ver- knüpfung der Einzelgeschichten und Lebens- welten von Menschen, die durch internatio- nalen Handel miteinander verbunden sind, steht im Mittelpunkt von */MILKproject, dem Gewinner-Projekt der Kategorie Inter- aktive Kunst. Besucher erleben in dieser Installation des RIXC-Riga Center for New City Paradise Auszeichnung Computeranimation / Visual Effects; London ist eine Media Culture verschiedenste Kulturen und große Stadt, und für neue Bewohner, die gerade angekommen sind, kann es manch- Lebenswelten des zusammenwachsenden mal ein wenig verängstigend wirken. Dementsprechend zeichnet Gaelle Denis die Europas. Den Handlungsfaden der Geschich- Metropole anfangs grau und trostlos, übermächtig. Tomoko, eine junge Japanerin, die nach London kommt, um Englisch zu lernen, fühlt sich daher anfangs gar nicht te bildet der Handel von Milch – also einem wohl. Sie verlässt kaum das Haus. Das ändert sich jedoch, als sie zufällig eine der wichtigsten menschlichen Grundnah- mysteriöse, geheime Stadt im Untergrund Londons entdeckt, die bunt und freund- rungsmittel überhaupt – zwischen Lettland lich ist. Nach diesem Erlebnis findet sie zahlreiche Freunde, lernt Englisch und macht eine wunderbare Entdeckung nach der anderen. Gaelle Denis ist 29 Jahre und den Niederlanden. alt. Sie wurde in Frankreich geboren und zog im Jahr 2000 nach London, um am Neue Möglichkeiten künstlerischen Ar- Royal College of Art zu studieren. Quelle: Gaelle Denis / Passion Pictures beitens auf dem Gebiet der Grafik eröffnet Processing. Diese Software ist eine Pro- Clothing zeigt, wie man Second-Hand-Klei- freestyle computing“, die bis März 2006 im grammiersprache und Entwicklungsumge- dung zu einem Kommunikationsmedium Museum der Zukunft zu sehen sein wird. bung für graphische Arbeit, die gemeinsam umfunktionieren kann. USED Clothing wird Als Wettbewerbsdokumentation erscheint von einer großen Community erarbeitet während der kommenden Monate im Ars zum Ars Electronica Festival im Hatje Cantz wurde. Benjamin Fry und Casey Reas initi- Electronica Futurelab in die Realität umge- Verlag das Medienpackage CyberArts 2005, ierten das Projekt und erhalten dafür die setzt und im September den Linzerinnen und bestehend aus einem umfangreichen Katalog Goldene Nica der Kategorie Net Vision. Linzern zur praktischen Erprobung präsen- sowie DVD und CD. Das indische Gewinnerprojekt Akshaya tiert. Auch eine Anerkennung des Kunst- Der ORF Oberösterreich produziert eine in der gesellschaftspolitisch ausgerichteten und Technologiestipendiums [the next idea] Dokumentation zu Festival und Prix Ars Kategorie Digital Communities ist eines der entstand mit Linzer Beteiligung: Das Projekt Electronica, die am 4. September 2005 auf ambitioniertesten Entwicklungsprogramme, Maschine_Mensch funktioniert mittels Elek- ORF 2, sowie am 5. September 2005 auf 3sat die jemals mit Informations- und Kommuni- trostimulation der Muskeln Menschen zu zu sehen sein wird. Ö1 ist auch in diesem kationstechnologien gestartet wurden. Inner- Industrierobotern am Fließband um. Jahr wieder Medienpartner der Ars Elec- halb von drei Jahren werden 6000 Internet- tronica und bringt dazu Beiträge in den Sen- Zentren im indischen Bundesstaat Kerala Prix Ars Electronica beim dungen „matrix – computer & neue me- öffnen, Infrastruktur für die lokale Bevöl- Festival Ars Electronica dien“, Radiokolleg und Dimensionen. kerung schaffen und gleichzeitig 50.000 Das Festival Ars Electronica und der Prix neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Die Preisverleihung des von Ars Electro- Ars Electronica werden veranstaltet von Ars Die Gewinnerprojekte der beiden Jugend- nica Center und ORF Oberösterreich veran- Electronica Center in Zusammenarbeit mit kategorien stehen für völlig verschiedene stalteten Prix Ars Electronica findet am ORF Oberösterreich, Brucknerhaus Linz Herangehensweisen. Mit seiner Methode, 2. September 2005 im Rahmen des Festival und O.K Centrum für Gegenwartskunst. Ko- ganze Filme vom Bildschirm zu scannnen Ars Electronica im Brucknerhaus Linz statt. operationspartner sind Kunstuniversität und aus diesem Material Bilder, gleichsam Die Ausstellung „Cyberarts 2005“ im O.K Linz, Lentos Kunstmuseum Linz, Architek- „gefrorene Zeit“, herzustellen, erfindet Mar- Centrum für Gegenwartskunst präsentiert turforum Oberösterreich, sowie Posthof Linz. kus Sucher aus Klagenfurt eine eigene die prämierten Arbeiten und eröffnet einen Ars Electronica und Prix Ars Electronica Kunstform, genannt Rennacs Studies. beeindruckenden Einblick in die aktuellen werden unterstützt von Stadt Linz, Land Einen völlig anderen Ansatz vertritt das Entwicklungen der digitalen Künste. Die Oberösterreich, Bundeskanzleramt / Kunst- Siegerprojekt der zweiten Nachwuchskate- Preisträger referieren während der mehrtägi- sektion, Telekom Austria und voestalpi- gorie für Kreative unter 27 - [the next idea] gen Prix-Künstlerforen über ihre Arbeit. ne.Weiters von Siemens, FESTO, Microsoft, Kunst- und Technologiestipendium. Das Kon- Im Zuge des Festivals eröffnet Ars Elec- Sony DADC, Casino Linz und Quelle. zept des Linzers Martin Mairinger USED tronica eine Sonderausstellung zu „u19 – http://www.aec.at/ ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 30 Kultur Alma kehrt nach zehn Jahren zurück nach Österreich Eine österreichische Theaterproduktion erobert die Welt

lma“ ist eine der erfolgreichsten und Aungewöhnlichsten Theaterproduktio- nen, die jemals in Österreich stattgefunden hat. Ein Event zum Miterleben, ein interakti- ves Theaterstück – und eine exklusive Party in einem. Das Stück, uraufgeführt 1996 bei den Wiener Festwochen und 1999 verfilmt, ist längst zum Kult geworden. Es gibt Fans, die die Aufführung mehr als ein Dutzend Mal gesehen haben, der größte Alma-Maniac bringt es tatsächlich auf 73 Vorstellungen. Sechs Sommer lang diente das berühmte Sanatorium Purkersdorf bei Wien als Auf- führungsort. 140 ausverkaufte Vorstellungen hat es dort gegeben. Der Zuschauer wählt zwischen den Orten und Darstellern und stellt sich einen Abend lang sein ganz persönliches Theaterstück zu- sammen. Und er bekommt zusätzlich ein komplettes Dinner serviert! Im Sommer 2003 übersiedelte die Pro- duktion dann nach Venedig. Als „Alma a Venezia“ war ihr noch mehr Erfolg beschie- den als in Wien. Die Kritiken überschlugen sich. Der Zuspruch war enorm. In englischer, italienischer und deutscher Sprache konnte Alma Begeisterte aus aller Welt anlocken. Beflügelt von dem sensationellen Erfolg wurde das Stück dann, einen Schritt weiter in Almas Leben, 2003 in Lissabon gespielt, wo Alma mit ihrem Ehemann Franz Werfel 1940 in die USA emigrierte. Alma wurde dort in den Räumen eines alten Klosters gespielt, mit Kirche, Palmengarten und herrlicher Dachterrasse. 2004 war der Spielort Hollywood, Los Angeles, wo Alma in der Emigration 12 Jahre lang gelebt hat, wo Werfels Bücher Paulus Manker und Melanie Herbe Foto: Moritz Schell verfilmt wurden, wo Alma das Zentrum der Emigrantenzirkel war. In Los Angeles wurde eine Location gefunden, die weltweit ihres und drei triumphalen Fortsetzungen in eines der schönsten Renaissance-Schlösser Gleichen sucht: das glanzvolle Los Angeles Venedig, Lissabon und Los Angeles kehrt Europas. Hier feiert Alma 2005 ihren ab- Theatre am Broadway, einer der riesigen, diese theatralische Reise nun zehn Jahren schließenden Triumph. alten Filmpaläste im Hollywood-Glanz alter nach ihrer Entstehung wieder zurück an den Zeiten für ein exklusives Publikum mit Star- Ausgangspunkt – und setzt damit Maßstäbe, Das Schloß Appeal. die es im europäischen Theater bisher noch Jetzt kann mit diesem Unternehmen nicht gab! Das historisch und kunsthistorisch bedeu- Theatergeschichte geschrieben werden! Heuer ist der Spielort Schloß Petronell tende Schloß Petronell, auf halbem Weg Denn nach den sechs Erfolgsjahren in Wien bei Carnuntum, ein unbekanntes Juwel und zwischen Wien und Bratislava gelegen, zählt ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 31 Kultur

Festsaal Schloß Petronell Foto: Lukas Hüller zu den künstlerisch bedeutendsten Schloß- Aussterben der Petroneller Linie der Ernst III. Traun gelangte, hatte es schließlich bauten Österreichs aus der zweiten Hälfte Liechtensteiner gelangten die Herren von einen Besitzer, der sich für einen repräsenta- des 17. Jahrhunderts. Kranichberg, dann der St. Georgs- tiven Ausbau des Schlosses entschied. Er Unmittelbar vor dem Steilabfall zu den Ritterorden, später unter anderen die beauftragte mit der Bauführung und künstle- Donauauen auf einer das Augebiet überra- Familie Unverzagt und schließlich durch rischen Ausgestaltung eine ganze Reihe von genden Donauterrasse gelegen, wurde es zu- Heirat die Grafen Traun in den Besitz von Handwerkern, insbesondere aber auch einige mindest teilweise auf Fundamenten aus Petronell. Persönlichkeiten, die zu den namhaftesten römischer Zeit errichtet. Die genaue Position Nicht weniger wechselvoll als die Ge- Künstlern, Baumeistern und Architekten dieser Fundamente wird derzeit erforscht. schichte des Besitzes ist auch die Bauge- ihrer Zeit zählten. Mit der Bauführung Mit seiner Lage an der Kreuzung zwi- schichte des Schlosses, die maßgeblich durch wurde Dominiko Carlone beauftragt, der schen dem Wasserweg Donau und der alten seine exponierte Lage im Osten Wiens und gemeinsam mit seinem Bruder Carl Martin Nord-Süd-Verbindung Bernsteinstraße, nimmt dadurch bedingte wiederholte kriegerische um diese Zeit auch die Bauführung des Leo- Petronell von jeher eine hervorragende Po- Zerstörung und Wiederherstellungen charak- poldinischen Traktes der Wiener sition im Zentrum des mitteleuropäischen terisiert ist. innehatte. Daneben ist auch Carlo Canevale Zentralraumes ein. Die ersten maßgeblichen Bauarbeiten, als Baumeister nachgewiesen. Die Steinteile Seit dem 11. Jahrhundert ist die bewegte durch die die schon einige Jahrhunderte zu- lieferten Giorgio und Ambrosio Regondi. Geschichte des Besitzes der Herrschaft vor gegründete Burg in ein Schloß umge- Als Stukkateure führten Donato Rueber, Petronell dokumentiert. Als Teil eines größe- wandelt wurde, sind mit dem Beginn des 16. Johann Castello und Johann Piazoll umfang- ren Besitzes der Agnes von Poitou, Witwe Jahrhunderts zu datieren. Maßgebliche Ar- reiche Arbeiten aus. Kaiser Heinrichs III., wurde die Herrschaft beiten wurden seit Anfang des 17. Jahr- Mit dem Jahr 1666 setzt die Tätigkeit des Petronell als Lehen an das Geschlecht der hunderts ausgeführt. Im Jahr 1619 wurde das aus Oberitalien stammenden Malers Carpo- Vohburger übergeben. Auf diese Kaiserin Schloß durch kriegerische Ereignisse zer- foro Tencalla in Petronell ein, der einer der Agnes geht wahrscheinlich das Patrozinium stört. Die darauffolgenden Wiederherstel- am meisten geschätzten Freskanten seiner der Pfarrkirche von Petronell zurück, die der lungs- und Ausbauarbeiten begannen um Zeit war. Seine bedeutendste Arbeit war die Hl. Petronilla geweiht ist und von der das 1620, wobei auch einige ältere Bauteile Ausgestaltung des Festsaales, nach der er Schloß seinen Namen ableiten dürfte. Von abgebrochen wurden. auch die Wandmalereien in der Sala terrena den Vohburgern ging Petronell dann auf Als das Schloß im Jahr 1637 durch und in den angrenzenden Nebenräumen Hugo von Liechtensetein über. Nach dem Eheschließung mit der Erbin an den Grafen schuf. In den siebziger Jahren stattete Ten- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 32 Kultur calla die Galerie im Südflügel des Schlosses, Festsaal in besonderer Weise hervorhebt, im dend verändert. Wälle und Mauern um das weiters die alte „Tafelstube“, die Schloßka- Rohbau fertiggestellt, Tencalla vollendete Schloß wurden abgetragen und in seinem pelle und einige weitere Räumlichkeiten mit die Fresken des Festsaales 1669, als auch die westlichen Bereich ein Garten angelegt. Die Fresken aus. Schließlich gestaltete er auch gemauerte Brücke über den Wassergraben bis dahin bestandenen Wassergräben dürften die beiden Altarbilder in der Schloßkapelle. durch Carlo Canevale errichte wurde. In die damals zugeschüttet worden sein. Die Um- 1667 war der Westtrakt samt dem Turm 70er fällt die Errichtung des Nordflügels. gebung des Schlosses wurde als Rahmung an der Hofseite, der den über eine mächtige In diesen Jahren wurde auch die unmit- der Architektur und wichtiger Bereich herr- Freitreppe erreichbaren Eingang in den telbare Umgebung des Schlosses entschei- schaftlichen Lebens gestaltet. Park und Gar- ten traten nun in neuer Weise in Beziehung zur Architektur und wurden gemeinsam mit dieser als Einheit aufgefaßt. Um die Mitte der siebziger Jahre des 17. Jahrhunderts war der Umbau vollendet. Mit allen diesen Maßnahmen war aus der mittelalterlichen Burg ein barockes Schloß geworden. Wie aus zeitgenössischen Darstel- lungen bekannt ist. besaßen die vier Eck- türme ursprünglich Zwiebelhauben, an deren Stelle später die heute noch vorhandenen Zeltdächer traten. Im unmittelbar folgenden Katastrophenjahr 1683 ging das Schloß, von den Türken in Brand gesteckt, innerhalb weniger Stunden in Flammen auf. Ab dem Jahr 1690 bemühte sich Otto Ehrenreich I. von Abensperg-Traun, Land- marschall des Landes Unter der Enns, um die Wiederherstellung. Die teilweise zerstör- ten Fresken wurden von Johann Bernhardt von Weillern restauriert bzw. ergänzt. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts war aus den von den Türken zurückgelassenen Ruinenstätten wiederum ein prächtig ausgestalteter Her- rensitz geworden. Seit diesen Wiederherstel- lungsarbeiten zu Ende des 17. Jahrhundert bis heute sind am Schloß nur wenige Verän- derungen von Bedeutung vorgenommen worden. Besonders sehenswert sind die Schloß- kapelle, der Festsaal und der Innenhof mit den Portraits römischer Kaiser. Im Jahr 1997 über- nahm Architekt Dipl. Ing. Walter Hildebrand das Schloß von der Familie Traun.

http://www.alma-mahler.at/

Simone de Oliveira mit Foto von G. Mahler Foto: Nina Ball Premiere: 8. Juli, Vorstellungen bis Unten: Schloß Petronell Foto: Lukas Hüller 4. September, jeweils Do–So 20 Uhr ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 33 Kultur Vorhang auf für Musik, Oper und Literatur Das neue Festival Retz startet am 30. Juni 2005 Foto: Niederösterreich-Werbung/Kurt-Michael Westermann

Die Weinstadt Retz – mit Windmühle, Rathaus und Schloß Gatterburg – ist Schauplatz des RetzFestivals von 30. 6. bis 10. 7.

om 30. Juni bis 10. Juli wird die char- drucksformen sind fließend und durchlässig, 30. Juni eröffnet. Die Oper in einem Akt ist Vmante Weinstadt Retz im Weinviertel die eine befruchtet und belebt die andere. in einer Inszenierung der jungen Regisseurin Schauplatz des ersten Festivals Retz. Unter Intendantin Kim Gaynor über Idee und Anisha Bondy zu sehen. Weitere Highlights dem Motto „Musik und Literatur – Offene Konzept des Festivals: „Mit seinem vielfälti- des Eröffnungsabends: Texte des tschechi- Grenzen“ stehen Opern, Musik und zeitge- gen Programm führt das Festival Retz Of- schen Schriftstellers und Ex-Präsidenten nössische Literatur aus Österreich und fenheit auf mehreren Ebenen vor Augen und Václav Havel, gelesen vom Autor in tsche- Tschechien auf dem Programm. Intendantin Ohren. Kunst bietet uns die Möglichkeit, chischer Sprache und von Bundespräsident ist die aus Kanada stammende Kulturmana- Grenzen zu überschreiten – diese Einsicht ist Heinz Fischer in deutscher Übersetzung. gerin Kim Gaynor, künstlerische Berater so alt wie künstlerische Betätigung selbst. „Komödie auf der Brücke“ ist außerdem sind für Literatur die Autoren Silke Hassler Und sie gilt gerade in einer Region, die vor noch zweimal unter dem Motto „Brücken- und Peter Turrini sowie für Musik Volks- wenigen Jahren noch als ‚Randgebiet‘ galt, schläge – Die Grenzen überwinden“ zu opern-Direktor Rudolf Berger. nun aber als das erkannt wird, was sie immer sehen. Vorher liest Joachim Bissmeier, inter- Ziel des Festivals ist es, Dialoge unter- war: ein Zentrum, das Anregungen offen national bekannter Top-Schauspieler, früher schiedlichster Art anzuregen und Grenzen zu aufnimmt und ausstrahlt.“ Ensemble-Mitglied am Burgtheater und der- öffnen: zwischen Kunst und Natur, zwischen zeit am Schauspielhaus Zürich engagiert, regionaler und Hochkultur, zwischen Znaim Programmüberblick Texte von Václav Havel. Begleitet wird er und Retz, zwischen Österreich und Tsche- mit Musik von Leoš Janácek, Franz Schu- chien sowie zwischen Literatur und Musik. Mit „Veselohra na moste“ („Komödie auf bert und anderen. Denn auch die scheinbaren Trennlinien zwi- der Brücke“) des tschechischen Komponi- Im Rahmen der drei Themenabende schen diesen beiden künstlerischen Aus- sten Bohuslav Martinù wird das Festival am „Kunst als Hoffnung“ wird die im tschechi- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 34 Kultur

schen Theresienstadt komponierte Oper und Christoph Ransmayr den zweiten inhalt- statt. Zur Aufführung kommt die Orgel-Solo- „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod- lichen Schwerpunkt dar. messe in C-Dur von W. A. Mozart (KV 259). Verweigerung“ des Komponisten Viktor Ull- Zwei weitere Höhepunkte sind die litera- Orchester, Solisten und Chor werden von mann gezeigt. Christoph Wagner-Trenkwitz, rische Musikperformance „Ein Kind“, in Anna Sushon dirigiert. Musikjournalist, Autor und Dramaturg, prä- deren Rahmen Hermann Beil, begleitet vom Intendantin Kim Gaynor ist es ein wichti- sentiert einleitend bewegende Zeugnisse und Merlin Ensemble, aus Thomas Bernhards ges Anliegen, die gesamte Region im Rah- Briefe der Komponisten Viktor Ullmann, gleichnamigem, autobiografischem Text liest, men des Festivals umfassend einzubinden. Hans Krása, Pavel Haas, Gideon Klein u. a. sowie Arthur Schnitzlers „Der Reigen“, prä- Das Mitwirken regionaler Künstler wie des aus Theresienstadt. Beide Opern spielt das sentiert von den Schauspielern Sandra Gemischten Chors des Retzer Männerge- Tonkünstler-Orchester Niederösterreich un- Cervik und Herbert Föttinger. sangvereins und der Studenten der Musik- ter der Leitung von Andreas Schüller. Am 10. Juli, dem letzten Tag des Festi- schule Retz ist Ausdruck dieses Wunsches. Neben den Opernabenden stellen Lesun- vals, findet eine Festmesse in der Retzer Komplettiert wird das Programm durch gen namhafter österreichischer Schriftsteller Dominikanerkirche mit Kardinal Dr. Chri- Begleitveranstaltungen wie dem „Familien- wie Christine Nöstlinger, Robert Menasse stoph Schönborn, Erzbischof von Wien, Nachmittag“ mit speziellen Kinderführun- gen, z. B. durch Windmühle und Erlebnis- keller, sowie „Festival-Wanderungen“ durch Retz und Umgebung. Gesungen, musiziert und gelesen wird in der historischen Rathauskapelle und in einem Zelt, das während des Festivals auf dem Hauptplatz von Retz steht. Das Projekt wurde sowohl von der Gemeinde Retz als auch von der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich von Anfang an unterstützt. Das Festival Retz soll in Zukunft jedes Jahr stattfinden.

Attraktives touristisches Zusatzangebot Das niederösterreichische Retzer Land, eine der landschaftlich reizvollsten Regio- nen zwischen Wald- und Weinviertel, ist ein beliebtes Urlaubsziel für eine wachsende Fan- gemeinde aus Österreich und dem Ausland. Bekannt wurde die Gegend rund um das charmante Städtchen Retz z. B. auch durch das herbstliche „Kürbisfest“, das alljährlich

Foto: Heiko Rintelen von rund 50.000 Gästen besucht wird. Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Das Festival Retz stellt ein hochkarätiges kulturtouristisches Zusatzangebot dar, das Szenenbild aus »Veselohra na moste« (»Komödie auf der Brücke«) sich hervorragend mit bestehenden Ange- boten wie Reisen zum Wein, Wandern und Radfahren kombinieren läßt. Intendantin Kim Gaynor über das Festival als touristischer Impulsgeber: „Ich bin davon überzeugt, daß das Festival Retz langfristig eine wichtige Ergänzung der touristischen Attraktionen der Gemeinde Retz und des Retzer Landes darstellt.“ Was liegt also näher, als im Rahmen eines frühsommerlichen Kurzurlaubs mit dem Drahtesel oder auf Schusters Rappen die Retzer Windmühle, den Nationalpark Thayatal oder Kraftplätze wie den Heiligen Stein zu erkunden, ein Gläschen Wein in einer der romantischen Kellergassen zu verkosten und abends eine Oper oder eine Lesung beim Festival Retz zu

Foto: Heiko Rintelen besuchen? http://www.festivalretz.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 35 Kultur Um die Wurst Vom Essen und Trinken im Mittelalter

ie Ausstellung „Um die Wurst“ nimmt Ddie existentielle Bedeutung des Essens in einer Epoche unter die Lupe, in der für viele Menschen Hunger eine alltägliche Er- fahrung war. Sie beschäftigt sich mit den soziologischen und kulturellen Wertigkeiten und Bedeutungen von Essen und Trinken im Mittelalter. Ein weiteres zentrales Thema ist die Technik der mittelalterlichen Nahrungs- zubereitung: das Konservieren, Herstellen, Kochen und Entsorgen von Speis und Trank. Beim Essen ging es im mittelalterlichen Wien im Wortsinn tatsächlich um die Wurst: Im steten Wechsel von Überfluß und Hungersnot kam der Ernährung besondere Bedeutung zu – in einem Jahr mit Rekordernte verdarb die Nahrung aufgrund nicht vorhandener Lager- möglichkeiten, während Kriegszeiten und Kli- maschwankungen darbten hingegen ganze Landstriche, die hungernden Menschen ver- speisten Ratten, Katzen und Hunde. Besse- rung trat erst im 14. und 15. Jahrhundert ein, alsbald bestand „die maiste narung der leut gemainklich aus fleisch und prot“, wie ein Zeitzeuge anno 1364 festhielt. „Um die Wurst“ präsentiert eine Vielzahl von historischen Eß-Szenen (aus der Zeit von 800 bis 1500). Das Gros der gezeigten Objekte stammt aus dem Spätmittelalter (1250 bis 1500). Essen und Trinken war für den Menschen des Mittelalters ein unumstößlicher Anker- punkt seines Daseins. Vom Rechtswesen

über die Medizin bis zu religiösen Feiern – Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg es gab kaum einen Lebensbereich, der nicht Wurstküche bei einem Schlachtfest – Ausschnitt aus der Dezember-Darstellung mit dem Verzehr von Nahrungsmitteln in Ver- eines Zyklus von Monatsbildern von Hans Wertinger, um 1525 bindung stand. Gespeist wurde zu jedem nur erdenklichen Anlaß und zu jeder Tageszeit: sum der Reichen führte oft zu überdurch- deckten Tischen zu sehen, ein Marktstand bei Festen, Empfängen und geselligen Zu- schnittlicher Körpergröße, das feine Weizen- zeigt entsprechende Waren, eine mittelalter- sammenkünften sowie zur Beurkundung von mehl schliff die Zähne glatt, verschwende- liche Latrine veranschaulicht den Endpunkt Rechtsgeschäften. Essen und Trinken im Mit- risch genossener Honig verursachte bereits der Nahrungsmittelkette. „Um die Wurst“ telalter war viel mehr als regelmäßige Nah- damals Karies. Zahnfunde mit abgeschliffe- zeigt nicht nur typische Gewürze und Koch- rungsaufnahme und Stoffwechselproduktion. nen Kauflächen dagegen beweisen: Die ver- rohstoffe jener Zeit, man kann die Essens- Es war Ausdruck von sozialem Status, von armte Landbevölkerung ernährte sich vor- zutaten auch in haptisch reizvoller Weise Macht, Reichtum und, nicht zuletzt, fromm- wiegend von grob gemahlenem Roggenmehl, erfahren. mer Lebensart. unter das körniger Staub gemischt war. Die Ausstellung ergänzt die Sonderaus- Gezeigt werden die jüngsten Ergebnisse Die Ausstellung führt Speisen und Tisch- stellung „Die Sinalco-Epoche. Essen, Trin- der archäologischen Stadtgrabungen in Form kulturen in Form zeittypischer Rezepte und ken, Konsumieren nach 1945“, die noch bis von biologischen und zoologischen Funden Gerätschaften vor: Teller aus Holz verwen- zum 25. September im Wien Museum Karls- aus Latrinen. Die Unterschiede in der Ernäh- dete die Landbevölkerung, in der Stadt do- platz zu sehen ist. Beide Ausstellungen thema- rung der einzelnen Gesellschaftsschichten minierten Glas und Keramik den Mittags- tisieren Ernährung und Lebensstil, zwischen lassen sich anhand von Skelettfunden ausge- tisch; Adelige speisten aus edlen Metall- und ihnen liegen mehr als 500 Jahre. zeichnet analysieren: Der höhere Fleischkon- Glasgefäßen. Es sind Nachbauten von ge- http://www.wienmuseum.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 36 Kultur Straden, Österreich In der kleinen steirischen Gemeinde Straden wird die Geschichte österreichischer Kleinkunst dukumentiert. Umfassend, trotzdem liebevoll.

as „Österreichische Kabarettarchiv“ D(ÖKA) ist das einzige seiner Art im Lande und versteht sich als Spezialarchiv und Dokumentationszentrum der österrei- chischen Kleinkunst mit der klar definierten Aufgabe, das kulturelle Erbe des Kabaretts zu bewahren und seine Geschichte kontinuier- lich bis zur Gegenwart zu dokumentieren. Das ÖKA wurde als Verein in Graz gegründet und mit Unterstützung der Stadt ab dem Jahr 2000 ebendort aufgebaut. Das Schicksal und die Grazer Kulturpolitik trie- ben das ÖKA Mitte des Jahres 2004 fast in den Ruin, das Schicksal der Bestände war ungewiß, die Aufbauarbeit erschien wertlos. Die Stadt Graz bot zwar an, die Bestände im Stadtarchiv unterzubringen, was von den ÖKA-Verantwortlichen aber letztendlich abgelehnt wurde. Denn diese Variante stieß

auf massive Widerstände innerhalb des Ver- eins und der LeihgeberInnen. Sogar das „Deutsche Kabarettarchiv“ in Mainz bot an, die Bestände als Leihgabe zu übernehmen und weiter zu betreuen, bis sich eine allfälli- ge Besserung der Finanzlage des ÖKA erge- ben würde. Nach vielen schlaflosen Nächten, das An- gebot aus der Gutenberg- und Medienstadt war ernstgemeint und daher überlegenswert, wurde eine neue, eine eigene Variante gebo- ren und schließlich auch gleich in die Tat umgesetzt: Unter dem Motto „Exil in der eine Zeitungsdokumentation, in der Kri- In den Räumlichkeiten kann man sich in Provinz“ beschloß man innerhalb von nur tiken und Presseberichte zum Thema die wunderbare Welt der Kleinkunst vertie- zwei Wochen die Übersiedlung der Bestände Kabarett und Kleinkunst von 1901 bis fen. Die Präsenz-Bestände des ÖKA sind der des ÖKA ins südsteirische Straden, was, wie heute zu finden sind – zu Personen, Grup- interessierten Öffentlichkeit und der wissen- die Organisatoren vorrangig anmerken, den pen und anderen nützlichen Stichwörtern. schaftlichen Forschung zugänglich. Für wis- Vertretern der Marktgemeinde Straden, Bür- eine Audio- und Videothek. senschaftliche Anfragen und Betreuungen germeister Alfred Schuster und Wolfgang eine Fachbibliothek. steht man wir auch zur Verfügung. Seidl, zu verdanken sei. Vor- und Nachlässe sowie Sammlungen Die Sammlung umfaßt mittlerweile ca. Das ÖKA bietet viele Schätze für Ka- mit Texten, Autographen, Unikaten, 6000 Einzelstücke. barett-Historiker und Kabarett-Interessierte Chansons, Noten, Programmheften, Fo- Trotz kurzem Bestand wurde das Öster- im In- und Ausland: tos, Plakaten, uvm. reichische Kabarettarchiv bereits internatio- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 37 Kultur nal bekannt und auch von zahlreichen Personen und universitären Institutionen, von Südkorea, den USA bis Großbritannien und Deutschland, genutzt. Grenzüberschreitende Ausstellungen sind ebenso geplant wie Symposien und weiter- hin regelmäßige Publikationen. Nun ist das ÖKA seit November 2004 in Straden beheimatet und wurde am 25. Mai 2005 wieder eröffnet: Mit Ausstellungseröff- nung und Kabarett-Gala. Die Ausstellung ist einem der bedeutend- sten Kabarettisten des Klassischen Wiener Kabaretts gewidmet: Fritz Grünbaum (gebo- ren 1880 in Brünn, gestorben 1941 im KZ Dachau) und steht unter dem Titel: „Ent- würfe für ein Grünbaum-Monument. Fritz Grünbaum und seine Zeit“

Alf Poier hat sich ins Gästebuch des ÖKA eingetragen – ein Kunstwerk für sich!

ausstellung wieder in Österreich zu sehen sein. Daten dafür stehen noch nicht fest. http://www.kabarettarchiv.at

Verlag des ÖKA Im Verlag des ÖKA sind bisher folgende Bücher erschienen: Im Mittelpunkt der Kleinausstellung ste- Hans VEIGL hen Leben und Wirken des großen Unter- ENTWÜRFE FÜR EIN haltungskünstlers, der bereits seit 1906 auf GRÜNBAUM-MONUMENT. Wiener Kleinkunstbühnen auftrat und ab Fritz Grünbaum und das Wiener 1907 als Conférencier immer wieder auch Kabarett. Graz-Wien 2001. 78 Seiten, nach Berlin verpflichtet wurde. Daneben s/w Abb.; ISBN 3-9501427-0-3 schrieb er zahlreiche Operettenlibretti, etwa für Robert Stolz, Franz Lehár, Ralph Be- Iris FINK und Hans VEIGL natzky, Emmerich Kálmán, Leo Fall u.a., DES SÄNGERS FLUCH und seine Lieder wie „Du sollst der Kaiser Am 16. November 1901 eröffnete Felix meiner Seele sein“ oder „Ich hab‘ das Fräul‘n Salten das „Jung-Wiener Theater zum Helen‘ baden seh‘n“ sang bald ganz Wien. lieben Augustin“. Gemeinsam mit Karl Farkas gestaltete er in Graz-Wien 2001, 32 Seiten den 1920er und 1930er Jahren auch dutzen- Noten versucht die Ausstellung, das Leben de Revuen – mit ihren unvergessenen Dop- des wohl bedeutendsten österreichischen Iris FINK pelconférencen schufen sie einen Höhepunkt Kabarettisten im Gedenkjahr 2005 nachzu- DER KOMISCHE VOGEL AUS GRAZ. des österreichischen Kabaretts. Der vielseiti- zeichnen. Der "Grazer Kleinkunstwettbewerb“ ge Künstler war aber auch als Filmschau- Im Herbst 2005 wandert die Ausstellung 1987-2003. Seine Geschichte, seine spieler sowie Theaterdirektor mehrerer Wie- ins Deutsche Kabarettarchiv nach Mainz, wo GewinnerInnen und Fast- ner Theater- und Kleinkunstbühnen tätig. Fritz Grünbaum am Platz vor dem berühm- GewinnerInnen in Anekdoten und Anhand von Bild- und Tondokumenten, ten Mainzer Unterhaus einen „Stern der Sati- Fakten. Graz 2004, 71 Seiten Karikaturen, Portraits, Plakaten, Texten und re“ erhalten wird. 2006 wird die Wander- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 38 Musik Ein Musikalischer Botschafter Prof. Gerhard Track ist seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt unterwegs. Eines hat er immer im Gepäck: Musik aus Wien, Musik aus Österreich.

Von Michael Mössmer.

Gerhard Track im Jahr 1954 als jüngster Dirigent an der New York Metropolitan Opera. Er leitete die Wiener Sängerknaben bei einem Überraschungsbesuch im 2. Akt der Operette »Die Fledermaus« Foto: Sedde Leblond / N.Y.

er kennt sie nicht, die rührend anmu- es praktisch kaum mehr unterrichtet.“ Und Wtenden, „guten alten“ Filme aus der so kommt es, daß es über die Jahre immer Schönbrunn-Film-Zeit, als Größen wie Paul weniger zu den Sängerknaben drängte. Zu- Hörbiger im Palais für Respekt gegebenermaßen ist die Ausbildung dort und Ordnung unter den Sängerknaben sorg- nicht gerade einfach; auch der früher noch so ten? Ja, hier stimmt die „gute alte“ Zeit inso- große Anreiz, anläßlich vieler Tourneen die ferne, als einer der profunden Kenner dieser ganze Welt zu sehen, hat deutlich an Glanz österreichischen Institution, Prof. Gerhard verloren: verbringen doch viele „Kids“, wie Track, erzählt, daß das Aushängeschild hei- es so schön auf Neudeutsch heißt, schon ganz mischer Sangeskunst mit ernsthaften Nach- selbstverständlich ihre Urlaube in aller Her- wuchsproblemen zu kämpfen hat. Waren ren Länder. Auch störte es früher nicht so damals meist weit über 100 erwartungsvolle sehr, daß mit Einsetzen des Stimmbruchs die Jungsänger mit ebenso aufgeregten Eltern junge Karriere zu Ende ging und dann oft ein zur jährlichen Aufnahmsprüfung gepilgert, ganz anderer Beruf eingeschlagen werden wissen, daß vielleicht maximal zehn von mußte. ihnen die höchst begehrte Ausbildung wür- Ein Gedanke, der Gerhard Track sicher- den antreten können. „Heute“, so Track, lich nie durch den Kopf gegangen war. Er „leiden die Wiener Sängerknaben daran, daß wußte von frühester Kindheit an, daß er sein das Singen allgemein an Stellenwert verlo- Leben in und mit der Musik verbringen ren hat. Zuhause wurde es von Computer Foto: privat würde, entstammt er doch einer durch und und Fernsehen verdrängt, in der Schule wird Gerhard mit seinem Vater, Ernst Track durch hochmusikalischen Familie. Sein ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 39 Musik

Musiktheorie zu unterrichten. Vorerst sollte er einmal ein Jahr dort tätig sein – 28 Jahre USA wurden dann daraus, wobei damit nahezu ununterbrochener Aufenthalt ge- meint ist. All die Jahre hat er schon mit sei- ner Frau Micaela Maihart, sie ist ausgebil- dete Konzertpianistin, verbracht. Die Söhne der beiden leben in den USA, Alexander hat sich voll der Musik gewidmet und betreibt ein bis an die Ostküste bekanntes Tonstudio in Californien. Sohn Wolfgang war in der amerikanischen Sitcom „Everybody loves Raymond“ („Alle lieben Raymond“) als „stand in“ für Serienstar Ray Romano tätig. Diese Erfolgsshow hat sich nun vom Publi- kum nach neun Jahren verabschiedet. Mit dem St. John‘s University Mens Chorus unternahm Gerhard Track ausge- 1958: Gerhard Track dirigiert das Wiener Kammerorchester anläßlich eines Kon- zertes im Großen Musikvereinssaal. Am Flügel die Pianistin Micaela Maihart, die dehnte Konzertreisen nach Europa sowie in Ehefrau von Gerhard Track Foto: Votava den USA. Elf Jahre später wurde er als Music Director nach Pueblo, Colorado, ver- pflichtet und übernahm dort die Leitung des Pueblo Symphony Orchestra. Das war für die Familie auch eine gewisse Erleichterung, denn, so erzählt Track, „in Minnesota gibt es zwei Jahreszeiten: den Winter und den 4. Juli“, so kalt und unfreundlich empfand er das Klima dort. Foto: privat 1996: Gerhard Track ist mit dem Wiener Männergesangsverein auf Tournee in Australien. Im Hintergrund das Opernhaus Sydney, in dem gemeinsam mit dem Australischen Philharmonischen Orchester ein Wiener Programm geboten wurde.

Vater, Ernst Track (1911–1987), ist auch heu- leiterschule absolvierte. Als erster Höhe- te noch vielen ein Begriff: als Conferencier, punkt in Tracks Karriere steht die Berufung als Komponist, Kabarettist und Präsident des zum Kapellmeister der Wiener Sängerkna- Sozialwerkes für österreichische Artisten, ben. Er ist mit erst 19 (!) Jahren der Jüngste der Mitte der 70er Jahre auch im regelmäßi- in dieser Funktion. Und noch im selben Jahr gen Radio-Frühschoppen zu hören war. dirigiert er sein erstes Orchesterkonzert mit Gerhard Track ist in der Zwischenkriegs- dem Wiener Kammerorchester. zeit in Wien auf die Welt gekommen und Eine der vielen Konzertreisen mit den hatte das große Glück, einer derjenigen zu Sängerknaben führte Gerhard Track in den sein, die zu den Sängerknaben aufgenom- amerikanischen Bundesstaat Minnesota, wo men wurden und gehörte ihnen von 1942 bis eine Frage des Rektors der St. John‘s Uni- 1948 an. Gerne erinnert er sich heute noch versity sein weiteres Leben nachhaltig an die vielen Reisen, die er mit seinen ändern sollte: „Wollen Sie die Leitung unse- Kameraden unternehmen durfte. Gleich res Männerchores sowie das Symphonie daran anschließend begann er mit dem Orchester übernehmen und einige Fächer am Foto: privat Plakat mit der Ankündigung eines der be- Studium an der Akademie für Musik und Musikdepartment unterrichten?“ Track ließ liebten Neujahrskonzerte »Salute to Vien- darstellende Kunst, wo er Kompositionsleh- sich diese große Chance nicht entgehen und na«, die Track seit dem Jahr 2000 in den re belegte und die Kapellmeister- und Chor- sagte sofort zu, dort Dirigieren, Gesang und USA und in Kanada dirigiert. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 40 Musik

zur Verbreitung österreichischer – vor allem zeitgenössischer – Musik beitragen. Nicht nur dafür, sondern für all seine Ver- dienste wurde Track auch offziell geehrt: Neben unzähligen Ehrungen und Auszeich- nungen wurde ihm das „Goldene Ehrenzei- chen für Verdienste um die Republik Öster- reich“, das „Goldene Ehrenzeichen für Ver- dienste um das Land Wien“ und das „Öster- reichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse“ verliehen. Es fällt schwer, an dieser Stelle aufzuhö- ren, ist doch so vieles noch nicht gesagt, nicht aufgezählt. Wie, z. B., daß Track als Gastdirigent (natürlich) in den USA, in Gerhard Track dürfte der am längsten im »Goldenen Saal« des Wiener Musikvereins Australien, Asien und in ganz Europa tätig dienende Künstler sein. Mit acht Jahren stand er zuerst als Sängerknabe, dann als Orchester- und Chordirigent auf dem Podium dieses weltberühmten Konzertsaales. war und ist, daß mehr als 600 Kompo- Und das sind, bis heute, immerhin 62 (!) Jahre! Foto: Terry sitionen und Bearbeitungen für Orchester und Chöre, Kammermusik, Lieder, eine 1986 kehrte Track nach Österreich zu- Track erweiterte das Konservatorium um Oper („Minnequa“), drei Kinder-Musicals rück, übernahm auf Vermittlung von Dr. Eber- eine neue Abteilung für „Alte Musik“ und und elf Messen aus seiner Feder stammen – hard Kummer, seines Zeichens damaliger einen Lehrgang für Klassische Operette. auch wenn er heute einen Computer zum administrativer Leiter der Hochschule für „Zwei Träume sind mir leider nicht in Erfül- Setzen der Noten benutzt. Auch darf nicht Musik und darstellende Kunst, die künstleri- lung gegangen“, erinnert sich Track, „in unerwähnt bleiben, daß Track auf internatio- sche Leitung der Chorvereinigung „Jung- jedem Wiener Gemeindebezirk eine eigene nale Tätigkeit in Fernsehen und Rundfunk Wien“. Konzertreisen führten den Chor Musikschule zu haben und, wie es damals im zurückblicken kann als Dirigent, Moderator unter seiner Leitung u. a. zweimal in die Gespräch war, mit dem Konservatorium in und Gestalter von Sendungen in den USA USA, sowie nach Belgien, Dänemark, das Gebäude der Hochschule in der Lothrin- und in Österreich. Alleine in New York, Deutschland, England, Finnland, Schottland, gerstraße einzuziehen, sollte es diese nicht Minnesota und Colorado hat Track mehr als Schweden und in die Slowakei. mehr brauchen.“ 2000 eigene Rundfunksendungen gestaltet Während dieser Zeit zog Track auch in Gerhard Track ist es durch sein großes und moderiert. den Vorstand des Österreichischen Kompo- Fachwissen sowie durch seine vielfältigen Seit dem Jahr 2000 dirigiert er übrigens nistenbundes ein, dessen Präsidentschaft er Kontakte gelungen, den Ruf der von der in den amerikanischen und kanadischen von 1988 bis 1992 ausübte. Vor allem aber Stadt Wien geführten Musikausbildungsein- Großstädten die beliebten Neujahrskonzerte führte er seine pädagogische Tätigkeit fort, in- richtungen weit über die Grenzen der Stadt „Salute to Vienna“ als Gastdirigent dortiger dem er zunächst Lehraufträge am Konservato- und Österreichs hinauszutragen. In China Symphonieorchester. Und vor vier Jahren, rium der Stadt Wien und an der Hochschule wurde in Zheng-Zhou, einer Stadt mit 8 Mil- 2001, wurde Gerhard Track, der sich als für Musik und darstellende Kunst annahm. lionen Einwohnern, nach seinen Ideen und Präsident der Vereinigung „Das Wienerlied“ In Wien waren die künstlerischen Fix- mit seinem Fachwissen ein Musik-Konser- auch dieses wertvollen Kulturgutes annimmt, punkte die jährlich stattfindenden Advent- vatorium nach Wiener Modell errichtet. zum künstlerischen Leiter des jährlich statt- und Frühjahrskonzerte im Großen Musikver- Durch die Vermittlung von österreichischen findenden „World Choral Festival Austria“ einssaal. Von 1989 bis 1999 leitete Track die Musiklehrern nach China will er weiterhin in Wien und Salzburg berufen. Musiklehranstalten der Stadt Wien (Konser- vatorium, 17 Musikschulen und das Kinder- singschul-Programm). Vor allem hat er sich um das Engagement bekannter Persönlich- keiten als Lehrer am Konservatorium be- müht. Auch war es sein Bestreben, das tradi- tionsreiche Haus in ein international aner- kanntes Qualitätsinstitut überzuführen. So gastierte das Symphonieorchester des Kon- servatoriums unter seiner Leitung erstmals erfolgreich in Japan. Viele Absolventinnen und Absolventen des Konservatoriums konn- ten auf dieser hohen Ausbildungsbasis eine internationale Karriere antreten. Unter ihnen seien hervorgehoben: Julian Rachlin, Till Fellner, Alex Racic, Lydia Baich und auch Die Familie Track, unzertrennlich und täglich in E-Mail-Kontakt, da die Söhne in den viele Schauspielerinnen und Schauspieler. USA leben: Wolfgang, Micaela, Gerhard und Alexander in L.A. 1993 (v.l.) Foto: privat ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 41 Musik »Echt Wienerisch« Die europaweit beliebte Wienerlied-Fernsehsendung von BIGGY TiVi und der Musikzeitschrift »AlpenStar« geht weiter – in den Blumengärten der Stadt Wien wurden drei neue Folgen aufgezeichnet

Blick auf das »Zentrum« der Blumengärten Hirschstetten mit Teich, Terrasse … und Freundinnen und Freunden des Wiener- liedes bei der Aufzeichnung der neuen Staffel von »Echt Wienerisch« Alle Fotos: daswienerlied.at

ugust 2004 wurden die ersten Sendun- Sonntag, den 22. Mai, pilgerten dann die Agen der neuen Wienerlied-Sendereihe Freunde des Wienerliedes nach Donaustadt, „Echt Wienerisch“ aufgezeichnet. Brigitte besser gesagt nach Hirschstetten, wo seit 1952 Tovornik und Erich Loibner von BIGGY die Kultivationsbetriebe des Wiener Stadtgar- TiVi und Lothar Schwertführer, Chefredak- tenamtes angelegt sind. Fast 30.000 m² die- teur der Musikzeitschift „AlpenStar“, haben nen der Aufzucht ein- und zweijähriger Pflan- „zugepackt“ und im Wiener Traditionsunter- zen für die Frühjahrs-, Sommer- und Herbst- nehmen Wiesbauer einen großzügigen Spon- auspflanzungen in den Wiener Parks. Die sor gefunden. Sommerblumen machen dabei den wichtig- Die ersten Sendungen wurden in Wiener sten Bestandteil der Pflanzenkultivation aus. Heurigen aufgenommen, die neue Staffel, Sie bringen über den längsten Zeitraum (Mai- deren erste Sendung bereits im Juni ausge- September) Farben in die Stadt und sind un- strahlt wird, bietet sich dem Seher in einem ter anderem bunte Visitenkarte Wiens. neuen „Gesicht“, denn am ersten Wochen- Wie ein riesiger Park stellt sich dieses ende der Wiener Bezirksfestwochen boten Areal dem Besucher dar, phantasievoll ange- die „Blumengärten der Stadt Wien“ einen legte Beete und Wege führen durch die viel- wunderschönen Rahmen für die Künstlerin- fältige Pflanzenwelt, führen auf einen künst- nen und Künstler des Wienerliedes. Der Prä- lich angelegten Anhang, der die verschiede- sident des Kulturvereines Donaustadt, Herbert Der künstlerische Leiter der Sendung, nen Reb-Anbauarten erklärt. Eine elegante Sobotka, hatte sich dafür stark gemacht. Prof. Walter Heider Holzbrücke führt über einen großen Teich in ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 42 Musik

Einer der wirklich weltbekannten Wienerlied-Musiker: Horst Chmela

Rudi Luksch ist einer der großen Har- monika- und Klavierspieler; er ist Komponist zahlreicher Wienerlieder

Das Hans Ecker Trio setzte den rhythmischen Schlußpunkt des Wienerlied-Events

Victor Poslusny ist aus vielen »Echt Wienerisch«-Sendungen als Kontra- Gitarrist bekannt. Diesmal trat er als Sorgte für sanfte Klänge aus der Zither: Andreas Gsöllpointner Sänger eigener Lieder auf ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 43 Musik

Die glückliche Gewinnerin des zweiten Der »alte Hase« Hans Gerner hat Sängerin Andrea Gruber zum Wienerlied gebracht Preises trug eine echte »Wiesbauer Bergsteiger« nach Hause: Die Wurst war exakt 1 Meter lang!

H.P.Ö. Heider Poldi Österreich hatte wieder (beinahe) alle Lacher auf seiner Seite Der erste Preis der Tombola wurde von Präsident Herbert Sobotka vom Kultur- verein Donaustadt gestiftet: ein hoch- modernes TV-Gerät der Spitzenklasse

»AlpenStar«-Chefredakteur und Redak- tionsleiter von »Echt Wienerisch« Lothar Schwertführer mit seinem Sohn Jahrzehnte vom Publikum geliebt: das Duo Hannes Schlader und Fritz Oslansky ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 44 Musik der Mitte der Anlage, der den Parkcharakter unterstreicht. An der Ostseite des Teiches ist ein großer Bereich mit Tischen und Bänken und einer Holzterrasse für Veranstaltungen angelegt worden. Eben dort war das „Zentrum des Geschehens“: sechs Stunden Wienerlied vom Feinsten. Die Technik war – im Gegensatz zu den vorhergehenden Aufzeichnungen – flexibler, konnte doch auf die aufwendigen Verkabe- lungen für die Tontechnik verzichtet werden. Regisseur Erich Loibner: „Die ersten Staffeln haben wir mit Live-Ton aufgnommen. Ein- mal in einem Lokal, zweimal in geschützten Innenhöfen. Durch die Entscheidung, das Areal der Blumengärten zu nutzen, war es notwendig, Playback einzusetzen. Es geht hier immer ein wenig Wind, was ziemlich Der »Schubertbund« entführte das Publikum in wohlbekannte Klänge arge Auswirkungen auf die Tonqualität hat: Jeder kennt das Rauschen und Krachen, wenn Wind auf ein Mikrophon trifft.“ Das Verwenden von Playbacks, also Ge- sang und Musik in hoher Qualität – im Tonstudio – aufgenommen, erlaubte dem Kamera-Team von BIGGY TiVi, ständige Ortsverändungen und verschiedene Einstel- lungen, wodurch auch die neuen Folgen um einiges lebendiger wirken werden als die bereits ausgestrahlten. Der künstlerische Leiter von „Echt Wiene- risch“, der Wienerlied-Sänger Prof. Walter Heider, begrüßte das Publikum, das sich sichtlich auf das große Angebot freute; hat- ten doch auch diesmal wieder Künstlerinnen und Künstler zugesagt, gemeinsam etwas für‘s Wienerlied zu tun. „Es“, das Wie- nerlied und alle Komponistern, Texter und Interpreten, kämpft nämlich mit dem massi- Prof. Marika Sobotka und Herbert Sobotka traten im Duett auf ven Problem, daß es zwar viele gerne hören, wissen, daß es bewahrenswertes Kulturgut unserer schönen Wienerstadt ist, der Stel- lenwert in der Gesellschaft aber leider ziem- lich gering ist. Unerklärlich ist jedenfalls, warum im Kärntner Gasthaus Kärntner Lieder, im Tiroler Gasthaus Tiroler Lieder, im steirischen Gasthaus steirische Lieder gesungen werden. Nur: Im Wiener Gasthaus bläst die Anlage eine der vielen Radiostatio- nen alles andere in die Athmosphäre, nur kein Wienerlied. Viele, denen sehr viel an der Erhaltung und Verbreitung unserer musikalischen Wur- zeln liegt, packen jetzt mit an und versuchen gemeinsam, das Wienerlied wieder einer größeren Öffentlichkeit „schmackhaft“ zu machen. Zu verdienen ist mit diesen Aktivi- täten wohl auf einige Zeit nichts, dennoch verlieren die mit den „aufgekrempelten »Leo«, Herbert Schöndorfer und Walter Kramer (v.l.) sind das »Trio Schmähparade« ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 45 Musik

Rudi Bichler, Horst Chmela jun. mit Begleitung, davor Hans Ecker, Prof. Marika Sobotka, Erich Loibner, Sindra Kvasnica, Victor Poslusny, Andrea Gruber, Horst Chmela, Peter Jägersberger, Prof. Walter Heider, H.P.Ö. Heider Poldi Österreich, Andreas Gsöllpointner, Herbert Schöndorfer, Brigitte »Biggy« Tovornik, »Leo« und Walter Kramer (v.l.n.r.)

Ärmeln“ nicht ihr Ziel aus den Augen. Die Andrea Gruber und Hans Gerner einigem Risiko weitere Sendungen von Produktionskosten für die Aufzeichnungen H.P.Ö. Heider Poldi Österreich „Echt Wienerisch“ ermöglichten: Brigitte können gerade gedeckt werden. Nicht zu- Rudi Luksch „Biggy“ Tovornik, Erich Loibner und Lothar letzt auch, weil die teilnehmenden Musi- Victor Poslusny Schwertführer. Wir hoffen, daß irgendwann kerinnen und Musiker in diesem Fall keine Herbert Sobotka der „Knoten“ aufgeht! Gagen verrechnen. An dieser Stelle sei ihnen Prof. Marika Sobotka Die nächsten Sendungen sind übrigens, auch einmal gedankt dafür! Duo Schlader-Oslansky wie auch bisher, auf TW1, dem Tourismus- Schubertbund und Wetterkanal des ORF, und auf K-Tv, Horst Chmela Trio Schmähparade dem Vorarlberger Kabel-Tv-Sender zu sehen. Hans Ecker Trio Die Sendezeiten finden Sie – neben vielen Andreas Gsöllpointner Zu danken ist an dieser Stelle natürlich anderen Informationen zum Thema Wiener- Prof. Walter Heider den „Motoren“, die durch Übernahme von lied auf http://www.daswienerlied.at

Schließlich wollen wir Ihnen noch einen Überblick über die faszinierenden Blumengärten Hirschstetten geben

Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich Journal Verlag; Postanschrift: A-1090 Wien, Harmoniegasse 1; ISSN 1605-1130 Für den Inhalt verantwortlicher Her- ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; jede Art der Veröffentlichung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt, um Übersendung eines Belegexemplars wird gebeten! ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 46 Musik / Medien Der »AlpenStar« ist erwachsen

er AlpenStar ist kaum wieder zu musik vobiscum“ einen ausführlichen und reich und Deutschland können daheim über Derkennen. Jetzt ist er erwachsen gewor- inzwischen viel beachteten Artikel über das eine eigene Telefonnummer (0,70 Euro pro den. Gratulation!“ Mit diesen Worten wür- „Stiefkind Volksmusik“ im ORF. Anruf aus Österreich, 0,49 Euro aus Deutsch- digte der deutsche Medien- und Musikguru „Eine Zeitschrift lebt nicht nur von ober- land) mitwählen. Die Sieger werden in der Hans R. Beierlein kürzlich den „AlpenStar“, flächlichen Gefälligkeitsartikeln für die Juli-Sendung bekannt gegeben. die österreichische Volksmusik- und Schla- Plattenindustrie, sondern muß auch kriti- Die Telefonleitungen sind rund um die gerzeitschrift. sches Profil zeigen. Das sind wir unseren Uhr offen, jeder Anruf zählt. Alle Anrufe bis Im dritten Jahr seines Bestehens ist das Lesern einfach schuldig, und das wirkt sich zum 30. Juni, 23.59 Uhr, werden für die Magazin ein nicht mehr wegzudenkender schließlich auch auf die Akzeptanz und den Juni-Hitparade berücksichtigt. Faktor in der heimischen Volksmusikszene. Erfolg aus“, meint Schwertführer. Neben netten Homestories, Musiker-Por- Diesen teilt der Chefredakteur in Zukunft Die 10 Interpreten traits und Klatsch- und Tratschgeschichten mit dem Linzer Medienriesen Wimmer der Juni-Hitparade aus der Welt der kleinen und großen Stars hat („Oberösterreichische Nachrichten“ etc.), 1. Die Lauser sich der „AlpenStar“ inzwischen auch einen der den „AlpenStar“ und die Schwestern- „Volle, volle Tube“ Namen als kritisches Magazin gemacht. zeitschrift „StarExpress“ im Mai gekauft hat. Österreich: 0901 07 01 45 01 BRD: 0137 837 02 50 01 2. Grubertaler „Made im Alpenland“ Österreich: 0901 07 01 45 02 BRD: 0137 837 02 50 02 3. Ursprung Buam „Ein Casanova kann nit aufgeign“ Österreich: 0901 07 01 45 03 BRD: 0137 837 02 50 03 4. Die Edlseer „Herz an Herz“ Österreich: 0901 07 01 45 04 BRD: 0137 837 02 50 04 5. Zellberg Buam „Tirolerbuam san wundervoll“ Österreich: 0901 07 01 45 05 BRD: 0137 837 02 50 05 6. Uwe Busse „Schöne Frauen haben große Handtaschen“ Österreich: 0901 07 01 45 06 BRD: 0137 837 02 50 06 7. Semino Rossi „Komm küss mich Corazon“ »AlpenStar«-Chefredakteur Lothar Schwertführer und Nic P Foto: BIGGY TiVi Österreich: 0901 07 01 45 07 BRD: 0137 837 02 50 07 „Wenn es darum geht, für mehr Volks- Dort sitzen Vollprofis, die genau wissen, 8. Nik P. musik im Radio einzutreten oder gewisse welchen Stellenwert die Volksmusik- und „Ich hab Sehnsucht“ Machenschaften hinter den Kulissen des Schlagerszene im deutschsprachigen Raum Österreich: 0901 07 01 45 08 BRD: 0137 837 02 50 08 Showbusiness aufzudecken, dann geht mein einnimmt. Als ersten Schritt haben sie be- 9. Georges Dimou Journalistenherz mit mir durch“, sagt Chef- reits die Auflage beider Medien erheblich „Sing ein Lied für die Welt“ redakteur Lothar Schwertführer, der früher gesteigert und bieten somit auch der Werbe- Österreich: 0901 07 01 45 09 viele Jahre für die „Kronen Zeitung“ schrieb. industrie eine nicht zu unterschätzende Platt- BRD: 0137 837 02 50 09 Dort werden seine Beiträge, die für gewöhn- form. Lothar Schwertführer: „Es macht rie- 10. Die Klostertaler lich aus sehr guter Quelle stammen, auch sigen Spaß, Zeitung zu machen. Aber es „Dann gehn die Lichter aus“ immer wieder gerne zitiert. macht noch mehr Spaß, Zeitung zu machen, Österreich: 0901 07 01 45 10 In der aktuellen Ausgabe seines Maga- wenn man Geld hat.“ BRD: 0137 837 02 50 10 zins machte Schwertführer in seinem Vor- Ab 1. Juni präsentiert Schwertführer wort einem prominenten Musiker Platz: jeden Monat auf dem Tourismus- und Erstausstrahlung: 1. Juni, 20.30 Uhr, TW1 Marc Bell, Österreichs erfolgreichster Wetterkanal des ORF, „TW1“ (ASTRA 1H, Wiederholungen: 7.6. (22:07), 8.6. (16:07), 14.6. (22:07), 15.6. (16:07), 21.6. (22:07), Komponist der Schlager- und Volksmusik- Transponder 115) eine volkstümliche Schla- 22.6. (16:07), 28.6. (23:07), 29.6. (16:07) szene, verfaßte unter der Überschrift „Volks- ger-Hitparade. Die TV-Zuschauer in Öster- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 47 ÖJ Reisetip Lebendige Geschichte Im oberösterreichischen Mitterkirchen ist im Laufe von 15 Jahren in mühevoller Kleinarbeit ein Keltendorf entstanden, das ausschließlich nach 2700 Jahre alter Handwerkstradition gebaut wurde.

Von Christa und Michael Mössmer (Text und Fotos).

or 25 Jahren ging ein Bauer im ober- stammt aus dem 5. vorchristlichen Jahrtau- Wie man annehmen kann, sehen die Ver- Vösterreichischen Mitterkirchen seiner send (mittlere Jungsteinzeit). Dann entdeckte antwortlichen der Gemeinden, die von der- täglichen Feldarbeit nach. Das ist vorerst man Reste eines zur gleichen Zeit angeleg- artigen Funden gesegnet sind, dies mit einem noch nicht sehr weltbewegend. Doch, wie ten Bestattungsplatzes und ein bedeutendes lachenden und einem weinenden Auge. schon so oft in der jüngeren Geschichte, hat früheisenzeitliches Hügelgräberfeld der Einerseits winken Einnahmen aus dem Tou- auch dieser Landwirt sein Feld mit offenen Hallstattkultur (7. Jhdt. v. Chr.). Schließlich rismus, andererseits ist es meist ein ebenso Augen bestellt und ist beim Pflügen im konnten die Archäologen mehrere weiter wie kostspieliger Weg dorthin. „Weiler Lehen“ auf einen verzierten Bronze- frühmittelalterliche Gehöfte aus dem 8. Erstmals wurde in der Aktion „Dorfent- ring, einen Armreifen und einige bronzene Jahrhundert freilegen. Und das war gar nicht wicklung“ darüber gesprochen. Der Gemein- Schmuckbeschläge gestoßen. Und knapp ein so einfach, war doch das hallstattzeitliche derat von Mitterkirchen hat Ende 1988 den Jahr darauf setzten bereits umfangreiche sy- Hügelgräberfeld über Jahrzehnte maschi- einstimmigen Beschluß gefaßt, die Initiative stematische Rettungsgrabungen durch Wis- neller Bestellung der Felder bereits völlig zu ergreifen. Wenige Wochen später nahm senschaftler der oö. Landesregierung ein. eingeebnet. Die mühevolle Grabungsarbeit man intensive Verhandlungen mit vier zu- Damit hatte wohl keiner gerechnet: Die wurde belohnt: mehr als 70 bemerkenswert ständigen Abteilungen der Landesregierung Fundstelle erwies sich als eine großangeleg- ausgestattete Grabkammern konnten voll- auf, konnte sich recht rasch auf einen Finan- te Siedlungsanlage keltischer Bauern, ständig freigelegt werden. zierungsplan einigen. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 48 ÖJ Reisetip

Am 7. März 1990 war dann Baubeginn bei der Hügelgrabrekonstruktion, zwei Mo- nate sp äter nahm man die Errichtung des ersten hallstattzeitlichen Gehöftes in Angriff. Die Detailpläne dazu lieferte der Archäologe Manfred Pertlwieser, von dem auch die Ge- samtkonzeption stammte. Bis zu diesem Zeitpunkt scheint alles Routine gewesen zu sein. In Mitterkirchen hat man aber nun einen Weg eingeschlagen, der sich von den meisten anderen wesentlich unterscheidet: Man entschloß sich, nicht mit Disneyland-ähnlichen Kulissen vorzuspielen, „wie es damals war“. Ganz im Gegenteil: „Das Keltendorf“ sollte bis ins letzte Detail überprüfbar genau so nachgebaut werden, wie es ursprünglich entstanden war. Aus Kostengründen hat sich die Gemein- de für eine Bauausführung in „Eigenregie“ Das Zentrum des Keltendorfes mit schweren Holztischen und -bänken entschieden. Eine andere Lösung wäre we- gen der Einmaligkeit des Vorhabens wohl auch kaum leistbar gewesen. Also begab man sich auf Arbeitskräftesuche und fand, vom Arbeitsmarktservice Perg unterstützt, eine optimale Lösung. Rumänische Flücht- linge, die in ihrer alten Heimat noch unter relativ einfachen Voraussetzungen gearbeitet hatten, arbeiteten mit großer Begeitsterung an diesem Projekt mit. So wie vor 2700 Jah- ren durften, der eigenen, strengen Vorgabe entsprechend, weder Schrauben noch Nägel oder andere technische Hilfsmittel verwen- det werden. Die Häuser wurden mit ausge- wähltem, altem handgehackten Holz aufge- baut. Dafür wurden rund 20 alte Holzstadeln aus der Umgebung zum Brennholz-Preis an- gekauft. Natürlich wurden auch alle Tische und Bänke ebenfalls nach uralter Hand- werkstradition hergestellt. Sämtliche Holz- Das geschichtsgetreue Innere der Gebäude erstaunt ob der Detailtreue verbindungen wurden durch „Einzapfen“ und handgehackte Holzdübel hergestellt, für ein mittelgroßes Haus benötigte man rund 600 Stück davon. Schon wenige Monate später, im Herbst 1990, wurden die ersten beiden Häuser mit Stroh bzw. Schilf eingedeckt. Dazu verwen- dete man Hasel- und Weidenruten und ge- spaltene Fichtenzweige, um Stroh und Schilf zu binden. Dazu holte man sich einen Fach- mann, der seine seltene Kunst gerade zuvor bei den Pfahlbauten am Bodensee einsetzte. Mittlerweile, so erzählt Anton Aichinger, Bürgermeister von Mitterkirchen, gibt es sogar ein Fertighausunternehmen, das schon mehrere Häuser mit Schilfdeckung sozusa- gen nach „Mitterkichner Art“ verkauft hat. Am 5. Mai 1991 war mit einer Teileröff- nung des Museums das erste Etappenziel erreicht, die Besucher dankten es den Initia- Detail der Bauweise: komlizierte Holzscharniere und dicke Schilfdeckung ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 49 ÖJ Reisetip

Ein Typisches Beispiel für die liebevolle Gestaltung bis ins Detail

Soweit nur möglich, wurden beim Bau der Museumshäuser ausschließlich der urgeschichtlichen Zeit entsprechende Materialien und einfache Handwerkzeu- ge …

Die Brennöfen sind nach Überlieferung aufgebaut und sind regelmäßig in Betrieb

So sahen die Fenster zur Zeit der Kelten aus … und altes Bauholz verwendet. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 50 ÖJ Reisetip toren und den vielen, vielen freiwilliger Hel- fern durch große Zustimmung. Der einge- Mitterkirchen schlagene Weg erwies sich als der richtige, Das Kelten-Museum ist nicht die einzige also setzte die Gemeinde den nächsten Sehenswürdigkeit von Mitterkirchen. Schritt und beschloß eine Erweiterung in Die spätgotische Kirche, die den Haupt- kleinen Schritten. Jahr für Jahr entstanden platz prägt, bietet seit ihrem Umbau im neue Gebäude. Heute bieten über 20 Objekte Jahr 2004 mit Lichtreflexen und Oliven- ein hervorragendes Bild von einem Gehöft holz Besuchern einen wunderschönen einer bäuerlichen Großfamilie der Hallstatt- Anblick. zeit, das aus verschiedenen Wohn-, Stall- Der Mitterkirchner Badesee in der Ort- und Wirtschaftsgebäuden bestand. Am Zu- schaft Weisching bietet jedes Jahr gang zum Dorfplatz steht der Brunnen, der, Tausenden von Besuchern Erholung. ebenso wie das Backhaus, die Brennöfen, Ausgestattet mit einem Tennisplatz, das Webhaus und der Getreidespeicher zur einem Beach-Volleyball-Platz, einer allgemeinen Verfügung stand. Der Begräb- Boccia-Anlage und einem großzügigen nisplatz ist durch einen damals für Altwasser Kinderspielplatz bietet er Jung und Alt genutzten, heute biotopartgen Kanal vom ein Naherholungsgebiet für Sport und Freizeit. Außerdem findet sich nicht weit Wohn- und Arbeitsbereich getrennt und Dieser Ofen wird im Rahmen des Museumsbetriebes regelmäßig zum entfernt ein Campingplatz, der von Jahr kann nur über einen Holzsteg erreicht wer- Backen von Fladenbrot verwendet zu Jahr mehr Naturliebhabern, abseits den. All jene Bereiche, die mit Feuer und der vielfältigen Unterkunftsmöglich- intensivem Geruch verbunden waren, also keiten von Mitterkirchen, ein vorüberge- Schmiede, Brennöfen und Backhaus, hatte hendes Zuhause bietet. Aber damit noch man bewußt an den Rand des Gehöfts posi- nicht genug: Es gibt auch zahlreiche tioniert. Das gesamte Areal ist von einem Wander- und Radfahrwege, Fischereige- Palisaden- und Flechtzaun umfaßt, der es wässer, einen großen Sportplatz, sowie von Äckern und Weideflächen abgrenzt. Asphalt- und Kegelbahnen. Die 20 Orts- Den heutigen Besucher umfaßt das ganze chaften umfassende Gemeinde bietet für Ambiente und führt in frühe Zeiten zurück. Jeden das Passende. Dafür sorgen nicht nur die beeindruckenden Die Hochwasserkatastrophe 2002 hat die Nachbauten, sondern auch die „Betreuer“ Marktgemeinde in eine schwierige fi- der Stationen, die mit großem Fachwissen nanzielle Lage gebracht. Die Schäden dem Laien die Lebensweise der damaligen beliefen sich auf 2,8 Mio Euro. Sämt- Bewohner nahebringen. Faszinierend ist es liche Gebäude und Einrichtungen wie auch, daß vieles an Ort und Stelle auspro- Keltendorf, Volksschule, Kläranlage, biert werden kann. Das betrifft nicht nur das Kindergarten und Amtshaus, die in der frischgebackenes Brot, das schon wenige Mi- Verwaltung der Marktgemeinde stehen, nuten nach dem Einschießen vom Backofen mußten saniert werden. Auch die Infra- in den Mündern von staunender Zuseher ver- struktur unterliegt seitdem einem rasan- schwindet. Jung und Alt können in der Flechten mit acht Holztäfelchen, deren ten Wandel: Beispielsweise wird mo- Drehung nach alter Tradition … Kunstwerkstätte Ringe und Broschen her- mentan daran gearbeitet, die Ortschaft stellen, Töpfern und dann die selbstgeschaf- Hütting mit über 60 Haushalten auszu- fenen Nachbildungen in den alten Öfen siedeln, um Platz für den Hochwasser- brennen, aber auch mit alten, aber nur schutzdamm zu schaffen. Die der Donau scheinbar einfachen Werkzeugen Weben. am nächsten gelegene Siedlung wird Denn es gibt für diese Art des Webens (siehe nach und nach abgerissen und entsteht unsere Bilder) bis heute noch keine Maschi- nun außerhalb von Mitterkirchen unter ne, so erzählt man uns. dem Namen „Neu Hütting“ abermals. Es ist beeindruckend, was in Mitterkir- http://www.mitterkirchen.at/ chen entstanden ist. Und es ist absolut se- henswert! Finanzausgleichsgesetz), vom Arbeitsmarkt- Die Kosten service Perg (Beihilfen für das Personal) und von der Marktgemeinde Mitterkirchen. Be- Die Gesamtkosten liegen derzeit bei knapp deutend höher als der der Marktgemeinde 730.000,– Euro, wobei alleine 51.000,– Euro Mitterkirchen anzurechnende Finanzierungs- für den Grundkauf aufgewendet werden beitrag (ca. 10 Prozent) war die organisatori- mußten. Finanziert wurde das Keltendorf sche und ideelle Arbeitsleistung der Ge- Mitterkirchen von vier Abteilungen des Lan- meinde. des OÖ, vom Bund (Zuschuß nach dem … wunderschöne, zeitlose Muster ergibt http://www.mitterkirchen.at/musindex.htm ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 51 ÖJ Reisetip Auf Lipizzanern reiten Der Reiterhof »Zur Schwarzen Föhre« ist der zweitgrößte private Lipizzanerzuchtbetrieb in Österreich Alle Fotos: Reiterhof Retz

er Reiterhof Retz „Zur schwarzen „Schwarzen Föhre“ richtig. Denn die Lipiz- DFöhre“ hat nicht nur eine einmalig schö- zaner stehen denen aus dem Gestüt Piber um ne Lage am Fuße der Manhartsberge zwi- nichts nach – nur die Preise sind angenehm schen Wald und Weinbergen inmitten herr- geringer, wie die Besitzer betonen. licher Natur – in seinen Stallungen stehen Von der Landesorganisation „Urlaub am auch über 20 jener einmalig schönen „weis- Bauernhof“ sind die Gästezimmer, Apparte- sen Pferde“, von denen viele sagen, sie seien ments und das gesamte Angebot und Am- die schönsten auf der ganzen Welt: die Li- biente mit „4 Blumen“ ausgezeichnet wor- pizzaner! den – der höchsten Kategorie der bäuer- Das Gestüt, das auf knapp fünf Hektar lichen Zimmervermietung und somit Garan- Ställe, Ausläufe, Weiden, einen kleinen und tie für einen rundum schönen Aufenthalt – einen großen Reitplatz, eine Reithalle, ein sei für einen Reiturlaub, oder auch nur für Restaurant und gemütliche Fremdenzimmer ein Wochenende. Natürlich gibt es auch gün- und Appartements bietet, ist inzwischen zum stige Arrangements, vom „Schnupper- zweitgrößten privaten Lipizzanerzuchtbe- wochenende“ bis zur „Genießerreitwoche“ trieb in Österreich gewachsen. Die Nach- mit Reitprogramm, Schmankerlküche und zucht ist mehrfach prämiert – und wenn Sie Weinkulinarium all inclusive. Vom Reitan- einmal eines dieser freundlichen und schö- fänger bis zum Könner geht man individuell nen Tiere ihr eigen nennen wollen (Lipiz- auf Sie ein und Sie werden schon bald mer- zaner sind die vielseitigsten aller Pferde und ken: die „Schwarze Föhre“ ist „der etwas ideale Familienpferde), dann sind Sie auf der andere Reiterhof“, wo man im Sattel nicht ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 52 ÖJ Reisetip

seine herrlichen Weine und die größten Weinkeller Österreichs. Oder ein Ausflug in die nahe Stadt Znaim in Tschechien und, und, und … Im gemütlichen Restaurant werden Sie Sie mit Halb- oder Vollpension oder mit einem abendlichen „4 Blumen Diner“ aus exquisiter Küche und mit ausgesuchten Spit- zenweinen verwöhnt. Im Wellness Bereich steht Ihnen in einem Loft-Appartement ein Whirl-Pool zur Verfügung und im unteren Stock des Gästehauses eine finnische Sauna. Für jüngere Gäste gibt es ein eigenes Programm: in allen Schulferien finden auch „Jugendreitwochen“ statt. Das sind spezielle Reitkurse für Kinder von 7 bis 17 mit indivi- dueller Aus- und Weiterbildung im Reiten, mit Freizeitprogramm, ganztägiger Betreu- ung und – falls gewünscht – Lernhilfe in allen wichtigen Schulfächern. Maximal 12 Kinder wohnen für eine oder zwei Wochen Herrliche Ausritte in wunderbarer Landschaft: im Hintergrund die Weinstadt Retz in gemütlichen Zimmern auf dem Hof. Als erster Reiterhof setzt man dort auch die Lipizzaner im Reitunterricht ein und je- der der jungen Gäste erhält sein „eigenes“ Pflegepferd und Reitunterreicht in Theorie und Praxis unter der Aufsicht von einer er- fahrenen Reitlehrerin. Im Vordergrund steht ein fundierter Reit- unterricht, die Vermeidung von Risiken und Gefahren und die Liebe zu den Tieren – und dazu gehören nicht nur die Pferde, sondern auch die „freundlichen“ Hunde, Katzen, Hühner, Enten, Gänse, Hasen und natürlich auch die beiden Maskottchen für die Klein- sten: die Shetland-Ponys Mischo und Dali- bor. http: www.reiterhof.at

Der wunderschöne Reiterhof liegt an der Grenze vom Wein- zum Waldviertel nur mit den Beinen sondern auch - mit der Seele baumelt! (Und die Angst verliert!) Aber auch für Nichtreiter hat die „Schwarze Föhre“ viel zu bieten: vor Ihrer Zimmertür beginnen die endlosen Wälder des Waldviertels, die darauf warten zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem Pferd erobert zu werden. Schlösser und Burgen, eine Vielzahl von kulturellen Sehenswürdigkeiten und der nahe Thaya-Naturpark bieten abwechse- lungsreiche Ziele. Und natürlich auch das mittelalterliche Städtchen Retz mit seinem Wahrzeichen, der Windmühle: berühmt für ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 53 ÖJ Reisetip Wo die Geschichte lebendig wird Sechs »Kleine Historische Städte Österreichs« liegen in Oberösterreich

Von Claudia Jörg-Brosche.

Gmunden am Traunsee, eine Perle des Salzkammergutes Foto: OÖ Tourismus/Heilinger

ie „Kleinen Historischen Städte“ sind Stolz eines reichen Sattlers. Allen Häusern Das historische Stadtbild von Schärding Dunentdeckte Kleinode für einen kulti- ist eines gemeinsam: ihre Erbauer waren präsentiert sich auch heute noch so lebendig, vierten Kurzurlaub – voll mit Kultur, klein- überaus wohlhabend – in ihren Taschen daß man meint, einen Kurzbesuch direkt ins städtischem Flair, romantischen Plätzen, ver- klimperten schwer die Silberlinge. Dies gab Mittelalter zu machen: Die alten Häuser – in träumten Winkeln, spannenden Entdeckun- der „Silberzeile“, wie die Nord-Ost-Seite der Mehrzahl aus dem Barock – erstrahlen gen und unverfälschten kulinarischen Ge- des Oberen Stadtplatzes heißt, ihren Namen. wie bunte Ostereier im frisch restaurierten nüssen. Sechs davon liegen in Oberöster- Im späten Mittelalter residierten hier die Glanz (anläßlich der Landesausstellung reich. reichsten Kaufleute der Stadt. „Grenzenlos“ im Vorjahr wurden viele her- Wie schön wäre es, wenn Häuser reden könnten! Ich stünde stundenlang beispiels- weise am Oberen Stadtplatz von Schärding, mit all den farbenfrohen, barocken Bürger- häusern und lauschte ihren Geschichten: Das knallrote Haus würde von seinem ersten Be- sitzer und Erbauer erzählen: er war dereinst Metzger und hoch angesehen in der Stadt. Und noch etwas weiß das ehrwürdige Haus mit dem schwungvollen Giebel ganz genau: schwer reich war der Herr, sonst wäre das Gebäude nicht so stattlich ausgefallen: vier Stock hoch, sogar ein Erker ziert seine schmucke Fassade mit dem für den Barock so typischen Rundgiebel, und das mächtige Rundtor ist mit teurem Schärdinger Granit gefaßt. Das blaue Haus gleich daneben könnte von seiner Vergangenheit als Bäckerei er- zählen. Und das große, ockergelbe mit den Hier wurde einst ein Kaiserreich regiert – die in Bad Ischl im Herzen himmelblauen Fensterläden, war einst der des Salzkammergutes. Foto: OÖ Tourismus/Kunst ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 54 ÖJ Reisetip gerichtet). Die Farbtöne der Fassaden stim- men oft immer noch mit den spätmittelalter- lichen Zunftfarben überein: Rot war Farbe der Metzger, Blau die der Bäcker, Grün waren Wirtshäuser und Brauereien, Gelb Kasernen und Braun zeigte einen Sattler an. Wer durch die engen Gäßchen und über die farbenfrohen, zumeist dreieckigen Plätze (eine „Spezialität“ von Schärding!) schlen- dert, der kann sich leicht den regen Salz- handel, der die Stadt reich werden ließ, vor- Foto: www.fotoclubwels.org stellen. Wer meint, die Kaufleute in ihren mittelalterlichen Wämsern beim aufgeregten Handeln am Ufer des Inn zu sehen, der fühlt sich ein in die harte Arbeit der Innschiffer, die stets durstig waren und für Auslastung von 14 Brauereien sorgten. Man hört gerade- zu das Klappern von Pferdehufen, das Knir- schen von Wagenrädern oder das Donnern und „Bumsen“ der rollenden Bierfässer in die Keller der Wirtsstuben. So heißt auch heute noch ein urgemütlicher Brauerei- In der Welser Burg verstarb einst Kaiser Maximilian I., der »letzte Ritter« Gasthof „Zur Bumsn“. Schärding ist stolz Foto: OÖ Tourismus auf seine lebhafte gastronomische Szene: auf die gerade mal 5000 Einwohner kommen nicht weniger als 50 Lokale!

18 besondere Schmuck- stücke in ganz Österreich So wie Schärding, so atmet jede „Kleine Historische Stadt“ in Österreich lebendige Geschichte. Insgesamt haben sich im ganzen Land 18 wahre Kleinode zu dieser Vereini- gung zusammengeschlossen und laden ab- seits der urbanen Hektik der Großstädte zu historischen Entdeckungstouren – gewürzt mit viel Kunst und Kultur, kulinarischen Schmankerln und jeder Menge Flair. Ihnen allen ist ein geschlossenes, historisches Stadtbild und so mancher kulturelle oder architektonische Leckerbissen zu eigen. Hier wandert man auf den Spuren der Römer, Kelten, Türken, Bayrischen Herzöge, kirch- lichen Orden oder Habsburger Kaiser und Pulsierendes Leben auf dem Stadtplatz von Schärding am Inn. Foto: TV Schärding Könige und lernt die Kulturen und Traditio- nen des ehemaligen Vielvölkerstaates verste- hen. ren mit dem City-Roller sowie der bereits im sie verstanden, gut zu leben. Ihre hohe Sechs der insgesamt 18 Kleinen Histo- Mittelalter bedeutende Handelsplatz Wels. Lebenskultur veranschaulicht eindrucksvoll rischen Städte liegen in Oberösterreich: die das Stadtmuseum im Minoritenkloster. Kaiserstadt Bad Ischl im Salzkammergut mit Wels – die Größte Im Mittelalter entwickelte sich Wels zu dem bekannten Lehár Festival und seinen unter den Kleinen einem geschäftigen Handelszentrum – nicht Operetten im Sommer, die älteste Stadt nur dank seiner günstigen Lage an der Österreich – Enns, die idyllische Keramik- Die oberösterreichische Stadt Wels ist Traun, sondern vor allem einer vorteilhaften Stadt Gmunden am Ufer des Traunsees, mit rund 60.000 Einwohnern die größte und Rechtslage wegen: Dereinst genoß die Stadt Österreichs schönste Barockstadt Schärding, urbanste im Reigen der „Kleinen das Privileg einer „Nächtigungspflicht“, die die Romantikstadt Steyr mit ihrem reichen Historischen Städte“ und seit 2000 Jahren alle Salzschiffer dazu verdonnerte, in Wels sommerlichen Kulturangebot, spannenden stets am Puls der Zeit. Damals wurde sie von Station zu machen. Weiters mußten hier be- Nachtwächter-Führungen und Erlebnistou- den Römern „Ovilava“ genannt – und schon stimmte Waren zwischengelagert und konn- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 33 / 01. 06. 2005 55 ÖJ Reisetip ten anschließend mit beträchtlichem Gewinn weiterverkauft werden (Stapelrecht). Außer- dem wurde der Stadt die Getränkesteuer erlassen (die damals schon als „Ungeld“ bezeichnet wurde) – natürliche Folge all die- ser Privilegien war ein wirtschaftlicher Aufschwung. In der Innenstadt von Wels zeugen pracht- volle Bürgerhäuser oder romantische Innen- höfe aus der Gotik, der Renaissance, dem Biedermeier und dem Barock harmonisch ne- beneinander von Geschichte und Wohlstand der Stadt. Im Jahr 1519 starb Kaiser Maximi- lian I. auf seinem Weg von Innsbruck nach Wien in der Welser Burg. Ein Nachbau des berühmten Innsbrucker „Goldenen Dachl“ (hier allerdings ohne Gold am Dachl) an der Welser Burg erinnert an den letzten Ritter. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt der Ledererturm (der letzte der ehemals vier Stadttürme und heutiges Wahr- zeichen), das Haus der Salome Alt (der Ge- Pulsierendes Leben auf dem Stadtplatz von Schärding am Inn. Foto: TV Schärding liebten des Salzburger Fürsterzbischofs Wolf Dietrich) mit farbenfroher Renaissance- der Mitte des Stadtplatzes ragt der 60 Meter dampfer Europas. Und weit über die Gren- Bemalung, die gotische Stadtpfarrkirche mit hohe Stadtturm empor: Seine Glocken wer- zen Oberösterreichs hinaus bekannt ist das den original mittelalterlichen Glasfenstern den immer noch händisch von der Türmerin Seeschloß Ort, das als „Schloßhotel Orth“ oder der Welser Metzen, ein regional gülti- (sie logiert auch im Turm) geläutet. Eine eine erfolgreiche TV-Karriere hinter sich hat ges Getreidemaß (75 Liter) aus Stein. weitere Besonderheit des Turmes: Die Zei- und die Schönheit der Stadt und Region ger der Turmuhr sind vertauscht – die Uhr einem Millionenpublikum ins Wohnzimmer Enns – die älteste geht nicht falsch, wie so manch flüchtiger brachte. Doch Gmunden beherbergt auch Stadt Österreichs Betrachter meint. eine wahre Rarität: Im historischen Rathaus Gehen wir nun von der ältesten Stadt der erklingt regelmäßig das einzige Keramik- Eine ganz besondere Perle der Kleinen Alpenrepublik zum jüngsten Mitglied der Glockenspiel Österreichs. – Typisch „Kleine Historischen Städte ist Enns, die ältesten Kleinen Historischen Städte Österreichs: Historische Stadt“, denn sie alle sind voll Stadt Österreichs. 200 nach Christus bauten Gmunden, die Stadt am Traunsee, stieß erst von Überraschungen und seltenen Ent- hier die Römer ihre mächtige Festung Lau- heuer zur illustren Schar der städtischen deckungen! riacum – sie maß stolze 540 mal 400 Meter Kleinode. Auf dem Traunsee kreuzt die und war von einer bis zu sieben Meter hohen „Gisela“, der älteste kohlenbefeuerte Rad- Kleine Historische, http://www.khs.info Mauer mit 36 Wachtürmen und vier Toren umgeben. Lauriacum hatte mehr als 20.000 Einwohner (heute leben 11.000 Menschen hier) und erhielt bereits im Jahr 212 das römische Stadtrecht. Doch Enns, vulgo Lauriacum, kann sich nicht nur auf dieses Faktum stützen: genau 1000 Jahre später, am 22. April 1212 erteilte Herzog Leopold VI. das mittelalterliche Stadtrecht – es handelt sich um das ältestes in Original erhaltene Österreichs. So kann Enns mit doppeltem Beweis behaupten, die älteste Stadt Österr- reichs zu sein. Das heutige Zentrum, der Stadtplatz, liegt weithin sichtbar am Stadthügel. Ihn umge- ben Häuser, die zwar ursprünglich aus der Gotik stammen, danach aber „modernisiert“ wurden und so auch Elemente der Renais- sance, des Barock, des Biedermeier und des Klassizismus tragen. Bis zu drei Baustilen Die Konditorei Zauner in Bad Ischl ist für ihre süßen Versuchungen weltweit be- sind an einzelnen Häusern zu erkennen. In rühmt. Foto: OÖ Tourismus/Weissenbrunner