Zur Entwicklung der wissenschaftlichen Verflechtung der Chemie mit anderen Wissenschaften bei der Erforschung von Struktur, Funktion und Synthese von Proteinen im 20.Jahrhundert

vorgelegt von Diplom-Chemiker Roderich Glaesmer aus Berlin

Von der Fakultät I - Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie - Dr.phil –

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuß:

Vorsitzender: Prof. Dr. phil. Manfred Liebel Berichter: Prof. Dr. Hans-Werner Schütt Berichter: Dr. Sven Dierig

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 09.Juni.2004

Berlin 2004

D 83

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Vorbemerkungen In meinem Berufsleben haben immer wieder Fragen aus Grenzgebieten der Chemie zur Biologie, Pharmazie, Medizin sowie Landwirtschaft und dabei direkt oder mittelbar Probleme von Struktur und Funktion von Eiweißen eine Rolle gespielt. Mir war vergönnt, an für die Eiweißforschung historischen Orten zu studieren wie in dem unter (1852-1919) gebauten Chemischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und später in Räumen eines Gebäudes zu arbeiten, das als Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung errichtet wurde und in dem von dem Genetiker Timofeew-Ressowski (1900- 1981) experimentelle Grundlagen für die Prägung des Gen-Begriffes geschaffen wurden. Ich hatte Gelegenheit, den Biochemiker Otto Warburg (1883-1970) bei einem Kolloquium der Berliner Physiologischen Gesellschaft zu erleben und seine Schüler Karl Lohmann (1898- 1978) und Erwin Negelein (1897-1979) als Laborant vor dem Studium und als Absolvent danach in der Arbeit im Forschungszentrum für Medizin und Biologie der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch ebenso kennen und schätzen zu lernen wie den Biophysiker Walter Friedrich (1883-1968), der dem Zentrum zeitweilig als Direktor vorstand. Bei ihren Besuchen in Berlin sah und hörte ich in Vorträgen den Röntgen-Kristallographen und Wissenschaftshistoriker Desmond Bernal (1901-1971) ebenso wie den Physikochemiker und Eiweißforscher (1901-1994) und ich hatte den Vorzug, mit Stanford Moore (1913-1982) Fragen zur Analytik von Aminosäuren und Peptiden persönlich besprechen zu können. Ein Studienaufenthalt am Institut für Organische Chemie und Biochemie der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in Prag machte mich mit dem Biochemiker und damaligen Akademiepräsidenten František Šorm (1913-1980) und dem Peptidchemiker Josef Rudinger (1924-1975) bekannt. Es waren nicht zuletzt die persönlichen Erinnerungen an diese Forscherpersönlichkeiten und das frühere unmittelbare Erleben von Höhepunkten der Eiweißforschung, die in Gesprächen mit Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Schütt am Institut für Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Berlin den Gedanken reifen ließen, die facettenreiche Entwicklung der Eiweißforschung im vergangenen Jahrhundert und die damit verbundenen vielfältigen Erfolge und Probleme in der Zusammenarbeit der Chemie mit anderen Wissenschaften zum Gegenstand einer Dissertation zu machen. In der Erkenntnis, daß bisher überwiegend der Einfluss der die Eiweißforschung berührenden inneren Faktoren unter wissenschaftshistorischen Gesichtspunkten betrachtet wurde, die Auswirkungen äußerer Faktoren der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung 3 jedoch weitgehend unberücksichtigt blieben, wurde deren Untersuchung in die Zielstellung dieser Arbeit einbezogen. Herr Prof. Schütt hat die Anfertigung dieser Arbeit von der Themenerarbeitung an mit wertvollem Rat und fördernden Hinweisen begleitet, wofür ich ihm herzlich danken möchte. Mit wohlwollendem Verständnis hat er mir geholfen, einen akademischen Abschluss nach einem Arbeitsleben zu erreichen, der normalerweise an dessen Anfang hätte stehen sollen. Wichtige Anregungen erfuhr ich durch die Nestorin der biologischen Wissenschaft, Frau Prof. Dr. Ilse Jahn persönlich in orientierenden und bestärkenden Gesprächen und indirekt durch Beiträge aus ihren Werken, besonders ihrer „Geschichte der Biologie“. Bei dem gewählten zeitlichen Rahmen der Arbeit war der Hauptteil der Literaturarbeit mit Periodika und Monographien seit den 1930er Jahren zu leisten, der Anteil archivalischer Materialien entfiel hauptsächlich auf Emil Fischer betreffende Dokumente. Bei deren Beschaffung aus dem Emil-Fischer-Nachlass in der Bancroft Library der University of California in Berkeley/Calif. hatte ich in Mr. David Kessler einen stets hilfsbereiten Partner. Das Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft unterstützte mich mit Unterlagen zum Wirken Emil Fischers für diese und in dieser Gesellschaft sowie mit seltenen Dokumenten zur Eiweißforschung. Beiden Einrichtungen gebührt mein besonderer Dank. Danken möchte ebenfalls Herrn Dr. Sven Dierig vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, der mich auf wenig bekannte Quellen zum Thema und technische Möglichkeiten zu deren Erschließung aufmerksam machte und mich mit Hinweisen und Anmerkungen unterstützte sowie Frau Dr. Astrid Schürmann für hilfreiche Gespräche und fachlichen Rat. Diese Arbeit hätte ich nicht schreiben können ohne die technische Hilfe meines Schwiegersohnes Wilhelm Schwarte besonders und meines jüngsten Sohnes Andreas, die mir und meinem PC immer wieder geduldig „in die Spur“ halfen.

Es sind drei Frauen, denen ich den größten Dank schulde und diese Arbeit widme: Meiner Mutter Alice, deren stillen Wunsch ich zu ihren Lebzeiten nicht erfüllen konnte; meiner Tochter Barbara, die Zuneigung und Glauben an ihren Vater nie verloren hat und vor allen meiner Christel, die mir in einer schwierigen persönlichen Lage mit ihrer Kraft und Liebe wieder Halt gegeben und den Mut und die Zuversicht vermittelt hat, die vorliegende Arbeit in Angriff nehmen und vollenden zu können.

Berlin, im März 2004 Roderich Glaesmer.

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Inhaltsverzeichnis

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1. Einleitung 7

2. Die Eiweißforschung am Beginn des 20.Jahrhundert und deren Entwicklung bis zum I. Weltkrieg 12

2.1 Die allgemeine Situation der Forschung 13 2.1.1 Institutionalisierung der Biochemie 15 2.1.2 Staatliche und außerstaatliche Förderung der Forschung 19 2.2 Kenntnisstand auf dem Eiweißgebiet um 1900 und Entwicklungen bis zum I.Weltkrieg 22 2.2.1 Die Eiweißforschung und die Chemie 23 2.2.1.1 Emil Fischer, und die Eiweißforschung 28 2.2.1.2 Die Begriffe „Reinheit“ und „Molekül“ in der Eiweißforschung 40 2.2.1.3 Die Farbstoffchemie und die Eiweißforschung 43 2.2.2. Die Eiweißforschung und die Biologie 44 2.2.3 Die Eiweißforschung und die Physik 46 2.2.4 Die Eiweißforschung und die Philosophie 47 2.3 Zwischenbilanz 49

3. Die Eiweißforschung zwischen den beiden Weltkriegen 51

3.1. Die allgemeine Situation der Forschung 52

3.1.1 Staatliche und außerstaatliche Förderung der Forschung. Die Rolle Warren Weavers in den USA, Walter M.Fletchers in GB 54 3.2 Kenntnisstand und Entwicklung auf dem Eiweißgebiet 58

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Seite

3.2.1. Die Eiweißforschung und die Chemie 60 3.2.1.1 60 3.2.1.2 Neue Wege der Peptidsynthese 62 3.2.1.3 Molekulargewichte – Makromoleküle 64 3.2.1.4 Die Ultrazentrifuge – Molekulargewichtsbestimmungen 66 3.2.1.5 Neue Trenn- und Bestimmungsmethoden 67 3.2.1.6 Eiweiß für Futter- und Ernährungszwecke 70 3.2.1.7 Nukleinsäuren – Zusammensetzung und Aufbau 71 3.2.2 Die Eiweißforschung und die Biologie 73

3.2.3. Die Eiweißforschung und die Physik 78 3.2.3.1 Atombau und Chemische Bindungen 80

3.2.3.2. Einblicke in Molekülstrukturen 80 3.2.3.3. Einsatz stabiler Isotope 82

3.3 Einflüsse politischer Entwicklungen 83 3.4 Eine Zwischenbilanz 85

4. Die Eiweißforschung bis zum Ende des 20.Jahrhunderts 87 4.1. Die allgemeine Situation der Eiweißforschung 88 4.1.1 Methodische und apparative Entwicklungen 90

4.2 Entwicklungen auf dem Eiweißgebiet 98 4.2.1 Insulin - Leitsubstanz für die Strukturaufklärung von Proteinen 99

4.2.2 Hämoglobin – Blutfarbstoff und „Enzym ehrenhalber“ 102 Leitsubstanz für das Verständnis der Funktion von 6

Proteinen 4.2.2.1 Primärstrukturen von Hämoglobinen 104 4.2.2.2 Sekundärstrukturen von Hämoglobinen 106 4.2.2.3 Tertiärstrukturen und ihre biologische Bedeutung 111 4.2.3 Synthesen auf dem Eiweißgebiet 113 4.2.3.1 Eiweißsynthesen in der Zelle 115 4.2.3.2 Peptidsynthesen 115 4.2.3.3 Einzeller--Synthesen 117

4.3 Entwicklungen auf dem Nukleinsäuregebiet 118 4.3.1 Die Analytik von Nukleinsäuren 119

4.3.2 Röntgen-Kristallstrukturanalytik der DNS. Die Doppelhelix 121

4.4 Nukleinsäure / Protein – Beziehungen Der genetische Code 125

5. Zusammenfassung 129 6. Glossar 133 7. Verzeichnis der Abkürzungen 135 8. Quellen- und Literaturverzeichnis 137 9. Personenregister 172 10. Abbildungsverzeichnis 180

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1. Einleitung

Das Wissen um die stofflichen Grundlagen von Lebensprozessen war zu Beginn des 20.Jahrhunderts noch sehr gering. Unklare Vorstellungen und Annahmen, die später nicht bestätigt werden konnten, verstellten den beteiligten Forschern oft den Blick. Die vorher aus überwiegend biologischer Sicht geprägte Betrachtungsweise von Eiweißen führte mit der Zunahme naturwissenschaftlicher Ergebnisse aus experimentellen Untersuchungen ihrer Bausteine, ihrer Zusammensetzung sowie ihrer Struktur mit Hilfe neuer und verbesserter methodisch-apparativer Möglichkeiten zu grundlegend neuen Erkenntnissen, aber auch zu Wandlungen in den weltanschaulichen Sichten auf Lebensprozesse. Durch neue Erkenntnisse und experimentelle Ergebnisse vermochten im 20.Jahrhundert einzelne Wissenschaftler auf Teilgebieten neue Wege für vertiefende und weiterführende Arbeiten aufzuzeigen. Die Beziehungen zwischen Biologie, Chemie und Physik vom 18. bis zum 20.Jahrhundert waren auf Teilgebieten ohne einen direkten Bezug zur Eiweißforschung bereits Gegenstand wissenschaftshistorischer Untersuchungen.1 Andere Autoren untersuchten Aspekte des Zusammenspiels von Chemie und Biologie an Beispielen einzelner Teilgebiete der Biochemie2 oder über die Arbeit ausgewählter Wissenschaftler3. Joseph Fruton, Biochemiker und Historiker, hat die von Robert Boyle (1627-1691) mit seinem 1661 erschienenen Buch „The sceptical Chymist“ begonnene und von Joseph Needham (1900-1995) mit „The sceptical Biologist“ 1929 fortgesetzte Reihe 1992 mit seinem Buch „The sceptical Biochemist“ ergänzt, in dem er sich mit dem Verhältnis von Chemie und Biologie unter philosophischen Gesichtspunkten, besonders dem Übergang vom Vitalismus zum Mechanizismus und Reduktionismus auseinandersetzte.4 In der vorliegenden Arbeit werden der Verlauf und wichtige wissenschaftliche Ergebnisse der Eiweißforschung im 20. Jahrhundert sowie das Zusammenwirken beteiligter Wissenschaften und Wissenschaftler im Zusammenhang mit den sich verändernden politischen und gesellschaftlichen Randbedingungen untersucht. Die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts entstandenen noch jungen Wissenschaftszweige Physiologische Chemie5 und Physikalische Chemie6 ergänzten die von

1 Hoppe (1997), darin besonders I.Jahn (S.101 ff) zur Physiologie-Entwicklung bis zum 19.Jahrhundert. 2 Fruton (1999) 3 Judson (1996) 4 Fruton (1992) 5 Vöckel (2003) 6 Edsall (1979) 8 der organischen Chemie unternommenen Bemühungen zur Erkennung der stofflichen Grundlagen von Lebensvorgängen. Die sich zunehmend interdisziplinär gestaltende Arbeit verschiedener Naturwissenschaften führten dann zu neuem, erweitertem Wissenschaftsverständnis und zu dem Gebiet von Wissenschaft und Forschung, das seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts als „Wissenschaften vom Leben“ (life sciences) bezeichnet wird. Von großer Bedeutung für den Verlauf dieser Entwicklung waren die sich zeitlich verändernde Rolle und der Anteil der Chemie, der beteiligten Chemiker und die Nutzung wichtiger Ergebnisse der chemischen Forschung. In diesem Sinne wird die Chemie als entwicklungsbestimmende Wissenschaft in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Dargestellt wird aber auch die bemerkenswerte Tatsache, dass wesentliche, die weitere Entwicklung entscheidend beeinflussende Überlegungen und experimentelle Ergebnisse auf einem Fachgebiet von Wissenschaftlern anderer Disziplinen erbracht wurden, z.B. die Überzeugung, dass der Träger von Erbinformationen stofflicher Art sein müsse von Physikern, der Nachweis von Ribonukleinsäuren als Überträger genetischer Informationen durch einen Mediziner oder die Konstruktion und der Bau der Ultrazentrifuge zur Bestimmung von Molekülgrößen durch einen Chemiker. Es soll gezeigt werden, dass aus biologischen Entdeckungen neue Stimuli für die chemische Forschung entstehen, ebenso wie neue Interpretationen lange bekannter biologischer Phänomene aus neuen chemischen Erkenntnissen und dem Einsatz neuer physikalischer und chemischer Techniken und Geräte möglich wurden. Die Methoden und Geräte, die im Zusammenhang mit diesen wichtigen Fortschritten entwickelt oder weiterentwickelt wurden, wie die UV- und die Infrarot-Spektroskopie, die Elektronenspinresonanz- und die Kernmagnetische Resonanz-Spektroskopie, die Röntgen- Kristallographie und die Massenspektrometrie ermöglichen heute Chemikern die Analyse und Synthese komplexer Strukturen und das Verständnis chemischer und biochemischer Reaktionen auf einem rationellen Niveau.1

Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Arbeit haben der Menschheit im 20.Jahrhundert tiefe Einblicke in die stofflichen Grundlagen des Lebens sowie in die Prozesse von deren Entstehung und Wirken ermöglicht. In der vorgelegten Arbeit sollen für diesen Prozess bestimmende Forscherpersönlichkeiten und deren wissenschaftliche Ergebnisse, die Einflüsse und Wechselbeziehungen beteiligter

1 Srinivasan u.a. (1979), XI 9

Wissenschaftsdisziplinen sowie die Entwicklung begünstigende bzw. hemmende Faktoren betrachtet und die entscheidende Rolle von Chemikern und chemischem Denken für den am Ende des 20.Jahrhunderts erreichten Kenntnisstand aufgezeigt werden..

Unter den natürlichen hochmolekularen Substanzen nehmen Proteine einen zentralen Platz in der Biochemie ein. Die vielfältige Natur ihrer Funktionen ist faszinierend. Sie können als Enzyme Reaktionen katalysieren und sie können Speicher- und Transportfunktionen ausüben. Proteine können Toxine ebenso sein wie Hormone oder Stoffwechselregulatoren oder Strukturproteine wie Keratin oder Kollagen. Etwa zeitgleich mit den Proteinen und im Zusammenhang mit diesen wurden die Bausteine und der Aufbau der Nukleinsäuren ermittelt, die etwa einhundert Jahre später als materielle Grundlagen der Vererbung und Träger des so genannten genetischen Codes der Eiweißbiosynthese erkannt wurden.

Ausgehend von dem zur Zeit des Überganges vom 19. zum 20.Jahrhundert vorhandenen Wissen um die stofflichen Grundlagen von Lebensfunktionen sollen die wissenschaftlichen Entwicklungen bei der Aufklärung von Zusammensetzung, Struktur und Funktion von Proteinen untersucht werden. Die Breite des Vorkommens und die Vielfalt der Strukturen von Eiweißkörpern macht bei der Bearbeitung des Themas eine Beschränkung auf die eingehendere Behandlung der Erforschung solcher Eiweiße erforderlich, die von besonderer biologischer Bedeutung sind und denen im Forschungsprozess von Beginn an eine zentrale Rolle zukam. Dafür werden die am ehesten und intensivsten untersuchten Eiweißkörper Hämoglobin und Insulin gewählt. Am Beispiel von Schlüsselergebnissen werden die dafür notwendigen geistigen und wissenschaftlichen Voraussetzungen, Begleitumstände sowie der Anteil der verschiedenen beteiligten Wissenschaften analysiert. Als Schlüsselergebnisse werden dabei vor allem solche wissenschaftlichen Leistungen betrachtet, die mit der Verleihung von Nobelpreisen international gewürdigt wurden (Tafel). In die Untersuchung werden aber auch solche Leistungen einbezogen, die bei der Auswahl für Nobelpreise unberücksichtigt blieben, ohne die aus heutiger Sicht aber die ausgezeichneten Ergebnisse nicht oder erst später hätten erbracht werden können1. Die z.T. erheblichen zeitlichen Differenzen zwischen den Zeitpunkten der Erbringung wissenschaftlicher Leistungen und deren internationaler Anerkennung durch Nobelpreise sowie deren mögliche Ursachen werden beleuchtet.

Im Zusammenhang mit einzelnen herausragenden wissenschaftlichen Ergebnissen werden deren Autoren mit ihrem Umfeld betrachtet.

1 In der Tafel mit einer grünen Markierung versehen. 10

Auf den Versuch einer scharfen Abgrenzung der Einflüsse der verschiedenen Wissenschaftszweige und –disziplinen wird bewusst verzichtet. Unter „Chemie“ wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht nur die Wissenschaftsdisziplin selbst verstanden, sondern ebenso die ihr eigenen Arbeitsmethoden, Grundoperationen und Denkweisen. Als Protagonisten der Chemie im Sinne des Themas werden nicht nur die durch einschlägiges Studium ausgewiesenen Chemiker, sondern ebenso Biologen, Mediziner, Physiker u.a. angesehen, die über ihren Arbeitsgegenstand und ihre Arbeitsweise zu Biochemikern wurden.

In einer Übersicht über „100 Jahre Biochemie im Spiegel von Hoppe-Seylers Zeitschrift für Physiologische Chemie“ stellte Karlson fest: Historiker der Wissenschaften pflegten bis in die jüngere Vergangenheit die letzten 50 Jahre aus ihren Untersuchungen auszuklammern mit der Begründung, das sei „noch Gegenwart“.1 Andere vertreten dagegen die Ansicht, die vergangenen 50 Jahre dürften nicht ausgeschlossen werden; die Kenntnis der Geschichte der Biochemie in den Jahren 1920 bis 1970 sei höchst wertvoll für einen aktiv arbeitenden Wissenschaftler.2 Die bis zur Gegenwart noch verbleibenden etwa 30 Jahre sind wegen gesetzlicher Sperrfristen für Archivmaterialien grundsätzlich und wegen sehr begrenzter Verfügbarkeit schriftlicher Quellen wissenschaftshistorisch nur schwierig aufzuarbeiten. Eine wichtige ergänzende Quelle für Fakten und Wertungen besonders auf dem Gebiet der Eiweißforschung stellt daher Horace Freeland Judson mit seinem Buch „ The eighth day of creation“ zur Verfügung, das aus Gesprächen und Interviews mit Protagonisten der Forschung und auf der Grundlage von Briefen, unveröffentlichten Arbeiten und Notizen der Forscher entstanden ist.3 In der vorliegenden Arbeit erscheint es somit als zulässig, die im Folgenden behandelten Problemkreise bis etwa zum Ausgang des 20.Jahrhunderts zu beleuchten. Die zeitliche Gliederung der Arbeit wurde entsprechend den durch weltpolitische Ereignisse historisch bedingten Zäsuren vorgenommen. Die Zeiten der beiden Weltkriege und deren Nachwirkungen markierten deutliche Auswirkungen auch auf die Eiweißforschung. Sie zogen Verschiebungen der Schwerpunkte der Forschung zwischen den beteiligten Wissenschaften ebenso wie zwischen den beteiligten Nationen nach sich. Mit dieser Einteilung wurde versucht, der berechtigten Forderung zu entsprechen, in einer wissenschaftshistorischen Untersuchung, die die ganze Komplexität der Forschungsarbeit

1 Karlson (1977), S. 717. 2 Vgl. dazu die Diskussion zwischen Fachwissenschaftlern und Wissenschaftshistorikern, besonders die Beiträge von Olby und Karlson bei Holmes (1979). 3 Judson (1996). Tafel Schlüsselergebnisse bei der Erforschung von Struktur, Funktion und Synthese von Proteinen Rö-Strukturanalyse Bei Nobelpreis mit Jahr der Verleihung

X- Strahlen mit Jahr der Entdeckung/ Erfindung DNS ? ohne Auszeichnung PHYSIK C.W.Röntgen R.Franklin 1895------1901 1952 ? Rö- Strukturanalyse Katalyse Rö- Beugung DNS-Struktur W.Ostwald M.v.Laue J.D.Bernal A.Todd 1885------1909 1912-----1914 1931 ? 1952------1957

Rö- Kristall- Struktur- Makromoleküle Myoglobin- analyse H.Staudinger Tertiärstruktur W.Bragg sen.u.jun. 1923------1953 J.Kendrew u.M.Perutz 1913------1915 1957-1959------1962 Chromatographie Chromatographie Ultrazentrifuge Peptid-Synthese A.Martin u. R.Synge Biolog. Nukleinsäure- M.Tswett T.Svedberg V.du Vigneaud 1944------1952 Synthese 1906 ? 1923------1926 1936------1955 A.Kornberg u. S.Ochoa 1957--1959 CHEMIE Peptide Kristallisierte Enzyme Bindung u. Synthese H.Northrop u. J.Sumner Chem. Bindungen E.Fischer 1926/ 1931------1946 a-Helix Festkörper_Synthesen 1902 ? L.Pauling u. R.Corey R.Merrifield 1950------1954 1969------1984

Mikroelementar- 10a Zucker, Purine Analyse Elektrophorese Rö-Kristallographie E.Fischer F.Pregl A.Tiselius D.Hodgkin 1890------1902 1910------1923 1938------1948 1949------1964 Basensequenzen Transformation Insulinstruktur Genetische Kontrolle in Nukleinsäuren Nukleotide O.T.Avery F.Sanger der Proteinsynthese F.Sanger, W.Gilbert u. P.Berg A.Kossel 1944 ? 1954------1958 F.Jacob u. J.Monod 1978--1980 1880------1910 1958-1961------1965

Insulin- Isolierung Basen-Paarungen

F.Banting/ Ch.Best E.Chargaff MEDIZIN ODER PHYSIOLOGIE 1921-1923 1952 ? Sequenzaufklärungen Ch.Anfinsen, St.Moore Replikationsmechanismen u. W.Stein A.D.Hershey, M.Delbrück u. 1969---1972 S.E.Luria 1952------1969

DNS-Doppelhelix Genetischer Code der J.Watson u. F.Crick Proteinsynthese 1953------1962 R.Holley, H.G.Khorana u. M.Nirenberg 1965----1968

1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 11 erfassen soll, die externen Faktoren – politische, ökonomische und soziale - mit ihren Zwängen und Einflüssen zu berücksichtigen.1 Die Ausgangssituation Anfang des 20.Jahrhunderts war auch für die Eiweißforschung im Deutschen Reich durch den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 deutlich bestimmt. Es wird versucht, Umfang und Ergebnisse der die Entwicklung der Eiweißforschung beeinflussenden Wissenschaftsförderung in Deutschland und in beteiligten Staaten sowie deren unterschiedliche Motivation aufzuzeigen und die Männer und Frauen vorzustellen, die entscheidend Einfluss auf die Entwicklung genommen haben. Innerhalb der zeitlichen Abschnitte: „Vom Beginn des 20.Jahrhundert bis zum I.Weltkrieg“ sowie „Zwischen den beiden Weltkriegen“ werden nach einer Betrachtung entwicklungsbestimmender Randbedingungen der Forschung der Kenntnisstand und wichtige Ergebnisse auf den Teilgebieten Chemie, Biologie und Physik untersucht. In dem Abschnitt, der die Zeit nach dem II.Weltkrieg bis zum Ende des 20.Jahrhunderts behandelt, wird auf die Gliederung nach beteiligten Wissenschaften verzichtet und die chemische und physikalisch- chemische Analyse von Proteinen und Nukleotiden als Voraussetzungen für biochemische und chemische Synthesen von Peptiden, Proteinen und Nukleinsäuren in den Mittelpunkt gestellt. In jedem Abschnitt werden Forscherpersönlichkeiten mit ihren wissenschaftlichen Leistungen gewürdigt, die die Eiweißforschung in ihrer weiteren Entwicklung entscheidend beeinflusst haben.

1 Schütt (1980), 380; Fruton (1990),4; Hall (1985), 267; Russell (1985), 267. 12

2. Die Eiweißforschung am Beginn des 20.Jahrhunderts und deren Entwicklung bis zum I.Weltkrieg

Zum Ende des 19.Jahrhunderts hatte sich die Biochemie herausgebildet. Als Etappen ihrer Entwicklung werden angesehen: 1. Eine allmähliche Abtrennung einer „Wissenschaft vom Leben“ von der einheitlichen Chemie zur Organischen Chemie (ca. 1800 bis ca. 1840)1 2. Die Verbindung der Organischen Chemie mit der Physiologie zur Physiologischen Chemie ( ca. 1840 – ca. 1880);

3. Die Herauslösung der Biochemie aus der Physiologischen Chemie etwa ab 1880.

Die Entwicklung der modernen Biochemie aus der Physiologischen Chemie nach deren Abtrennung von der Physiologie kann ebenfalls in drei Etappen dargestellt werden. Als wichtigste Entwicklungsstufen kann man nennen: 1. Die Herausbildung einer Enzymchemie (ca. 1880- ca. 1920); 2. Die Entwicklung einer dynamischen Biochemie auf der Grundlage der Enzymchemie ca. 1920 – ca. 1940) und

3. Die Untersuchung der strukturellen und dynamischen Verhältnisse bei Veränderungen, die etwa um 1940 einsetzten.2

Die von Teich angenommenen Entwicklungsphasen der Biochemie3 stehen in guter zeitlicher Übereinstimmung mit den in dieser Arbeit für die Entwicklung der Eiweißforschung zugrunde gelegten Zeitabschnitten. Der Untersuchung der Eiweißforschung im 20.Jahrhundert wird ein kurzer Rückblick auf Entwicklungen und Ereignisse in der Vorgeschichte bis zum Beginn des betrachteten Zeitraumes vorangestellt.

Einige lebensnotwendige Verbindungen bestehen aus ungewöhnlich komplizierten Molekülen. Im lebenden Organismus werden sie auf perfekte Art und Weise synthetisiert. Diese Synthesen verlaufen schnell, auf geringstem Raum bei gewöhnlicher Temperatur ohne all die Apparate und Hilfsmittel, ohne die Chemiker von gestern und heute nicht auskommen könnten.4 Zu Beginn des 19.Jahrhunderts haben viele Wissenschaftler, meist Ärzte und

1 J.J.Berzelius definierte die Organische Chemie als den Teil der Physiologie, der die Zusammensetzung von Lebewesen gemeinsam mit den darin ablaufenden chemischen Prozessen beschreibt. Zitiert nach J.S.Fruton, Science (1976) 192, 327 2 Teich (1973), 440 3 Teich (1968), 41 4 Bernal (1982), 11 13

Apotheker, sich mit der Untersuchung der Chemie lebender Dinge befasst. Eines ihrer Ziele war die Charakterisierung chemischer Substanzen, die sie aus biologischen Flüssigkeiten oder aus Extrakten von Pflanzen und tierischen Geweben isoliert hatten.

Jan Evangelista Purkynje1 (1787–1869) erkannte die Analogie zwischen pflanzlichen und tierischen Strukturen. Auf der Jahresversammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Prag 1837 sprach er über vergleichbare Kernstrukturen bei tierischen und pflanzlichen Geweben. 1839 prägte er den Begriff „Protoplasma“, um den Zellinhalt in seinen Bildungsstadien zu beschreiben.2 1842 veröffentlichte Justus v.Liebig (1803–1873) in Braunschweig sein Buch „Die Thierchemie oder die Organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie“. Mit Ergebnissen von Analysen und hochspekulativen Gleichungen versuchte er, die denkbaren Stoffwechselvorgänge aufzudecken, durch die Nahrungsmittel in Fleisch und Blut umgewandelt und Gewebe in tierische Wärme sowie normale und anomale Ausscheidungen überführt werden.

Wir wissen heute, dass die meisten Einzelheiten falsch waren, doch das Prinzip, den Stoffwechsel vom chemischen Standpunkt aus zu betrachten, hat sich für die weitere Forschung als fruchtbar erwiesen.3 Damit wurden auch Fragen nach der Zusammensetzung, dem Aufbau und der Funktion der als lebensnotwendig erkannten Eiweißstoffe gestellt.

2.1 Die allgemeine Situation der Forschung

Die führende Rolle Deutschlands in der chemischen Forschung und Ausbildung in dem betrachteten Zeitraum war die Folge von wenigstens drei sich wechselseitig verstärkenden Faktoren: Die weltweite Anerkennung der bedeutenden Beiträge deutscher Chemiker bei der Entwicklung von Theorie und Praxis der Organischen Chemie, das schnelle Wachstum der chemischen Großindustrie nach 1850 und, nach dem deutsch-französischen Krieg, die Zusammenarbeit von Regierungsstellen, Universitätsprofessoren und Industriellen bei der Entwicklung einer nationalen Politik zur Förderung wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung. Paris als Hauptstadt eines im Vergleich zu Deutschland fortgeschrittenen bürgerlichen Landes, das bis zu jener Zeit mit seiner Akademie das bedeutendste

1 Purkynje wurde auf Anregung Goethes von A.v.Humboldt an das Ministerium empfohlen. Er gehörte zu den fruchtbarsten und gedankenreichsten Physiologen seiner Zeit. Er ist der Begründer des experimentellen Unterrichts in der Physiologie. Er lehrte in Breslau v. 1822-1850. 2 Teich (1971), 171 3 Brock (1984), 7 14 wissenschaftliche Zentrum der Erde bildete und wo damals die hervorragende chemische Tradition des 18.Jahrhunderts z.B. im Institut de France1 auf einer höheren Entwicklungsstufe fortgeführt wurde, hatte seine Führungsrolle verloren.2 In Bezug auf die ersten beiden Faktoren spielte Liebig eine besondere Rolle mit seinen eigenen wissenschaftlichen Beiträgen, mit der Berühmtheit seines Giessener Laboratoriums und seiner Bestärkung von Unternehmern, chemische Fabriken zu errichten. In Bezug auf den Gegenstand dieser Arbeit sind seine elementaranalytischen Untersuchungen von Proteinen und sein „Proteinstreit“ von 1846 mit dem holländischen Chemiker und Berzelius-Schüler Gerardus Jan Mulder (1802–1873) über die richtige Zusammensetzung von einzelnen Proteinen ein früher Beleg der Proteinforschung.3 Mulder hatte 1839 für Eiweißstoffe den Begriff „Protein“ – die erste, die Ursubstanz - eingeführt. Das morphologische Substrat aller Lebenserscheinungen, das Protoplasma, besteht ja zum überwiegenden Teil aus Eiweißstoffen.4 Liebig und Mulder schufen auch weiter begriffliche Klarheit dadurch, dass sie nicht länger Proteine als Hauptbestandteile der Eiweiße ansahen, sondern beide Begriffe synonym verwandten.5 Die frühen Arbeiten zur Isolierung, Reinigung und chemischen Untersuchung von Eiweißen fanden in chemischen Laboratorien meist medizinischer Einrichtungen statt, in denen an physiologischen Aufgaben gearbeitet wurde. In der Physiologie entstand wohl zuerst das Bedürfnis nach chemischer Unterstützung und hier ist tatsächlich der Ursprung der Biochemie zu sehen.6 Der Begriff „Biochemie“ hatte und hat zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten verschiedene Inhalte. Physiologisch-, pathologisch- und allgemein medizinisch- wie auch biologisch-chemische Fragestellungen können von der Biochemie erfasst werden.7 Im Rahmen dieser Arbeit wird die Eiweißforschung als Teil der Biochemie verstanden.

In der Zeit von 1871 bis 1873 erlebte die deutsche Wirtschaft eine Phase der Hochkonjunktur, die so genannten „Gründerjahre“. Der Wegfall der Ländergrenzen und der Zollschranken innerhalb Deutschlands nach der Reichsgründung belebten den Handel und die Produktion.

1 Jahn (1997), 104 2 Strube (1963), 24. 3 Mulder (1846) 4 Lieben (1935), 336. 5 Ebd. S.361 6 Chargaff (1979), 345 7 Die Einführung des Begriffes „Biochemie“ wird sowohl dem Chemiker Carl Neuberg (1877–1956) für das Jahr 1907 als auch dem Mediziner und Biochemiker Franz Hofmeister (1850 – 1922) für das Jahr 1902 zugeschrieben. 15

Die chemische Industrie begann sich zu entfalten1. Wissenschaft und Bildung wurden zunehmend als „vierter Produktionsfaktor“ neben Boden, Kapital und Arbeit entdeckt.2 Die Naturwissenschaften hatten etwa um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert eine Stufe erreicht, von der aus eine Einflussnahme auf die Politik möglich wurde. Die erreichte gesellschaftliche Stellung der Naturwissenschaften war eine wesentliche Voraussetzung für den enormen qualitativen und quantitativen Aufschwung, den sie in der Zeit zwischen 1870 und dem ersten Weltkrieg erfuhren.3 Das deutsche Hochschul- und Bildungswesen erlebte in den Jahrzehnten des Kaiserreiches eine beispiellose Entwicklung und nie dagewesene Differenzierung.

2.1.1 Institutionalisierung der Biochemie

Die Biochemie und die physiologische Chemie profitierten davon jedoch erst sehr spät. Von zwanzig Universitäten in Deutschland hatten nur zwei- Tübingen und Leipzig- Abteilungen für Biochemie. Die Medizin blieb dominierend, zwischen 1870 und 1890 wurden in Deutschland 16 physiologische Institute eröffnet.4,5 In der österreichisch-ungarischen Monarchie hatten alle medizinischen Fakultäten Abteilungen für Biochemie. Unter den Biochemikern in Österreich in diesen Jahren waren einige spätere Nobelpreisträger: in Graz Otto Loewi (1873–1961), Nobelpreis für Medizin 1936 und Fritz Pregl (1869–1930), Nobelpreis für Chemie 1923, in Wien Hans Fischer (1881–1945), Nobelpreis für Chemie 1930 und Albert v, Szent-Györgyi (1893–1986) in Szeged, Nobelpreis für Medizin 1937.6 Bis 1910 wurden fünf der ersten 10 Nobelpreise in Chemie an Deutsche verliehen. Von den Ausgezeichneten hatte nur Emil Fischer (Nobelpreis für Chemie 1902) vor der Preisverleihung auf dem Proteingebiet gearbeitet. Mit der Jahrhundertwende war Deutschland das Weltzentrum der Chemie geworden, sowohl akademisch wie industriell. Die deutschen Universitäten in Berlin, Göttingen, München, Heidelberg, Bonn und Leipzig waren Anziehungspunkte für die besten jungen Geister aus aller Welt, um bei den Größen der Chemie Emil Fischer, v.Baeyer, Buchner und Willstätter in organischer Chemie oder zunehmend bei Ostwald, Nernst, dem Holländer van,tHoff und dem Schweden Arrhenius die neue revolutionäre physikalische Chemie zu hören, die die Lücke

1 Die 1873 folgende Wirtschaftskrise, die als „Gründerkrach“ in die Geschichte einging, beeinträchtigte diese Entwicklung kaum. 2 v.Brocke (1980), 15 3 Strube,I. (1986), 6 4 Lexis (1904) 5 Dierig (2001), 4 6 Haurowitz (1979), 358 16 zwischen Physik und Chemie schließen sollte.1 Eine biologisch orientierte chemische Forschung wurde in Deutschland nur an wenigen Universitäten durchgeführt, ungeachtet dessen nahm Deutschland auf dem Gebiet der physiologischen Chemie eine führende Rolle ein. Nach 1900 wurde dann der Nachteil wirksam, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere den USA nur über geringe physiologisch-chemische Kapazitäten verfügte.2 Am Ende des I.Weltkrieges gab es in Deutschland nur drei ordentliche Professoren für physiologische Chemie: Karl Thomas in Leipzig, Franz Knoop in Freiburg und Hans Thierfelder in Tübingen. In Berlin wurde ein solcher Lehrstuhl erst Mitte der 1920er Jahre eingerichtet3. In den USA hatte der Leiter der medizinischen Forschungsabteilung der Rockefeller-Stiftung, Simon Flexner (1863–1946) in seinem berühmten Report von 1910 auf ernste Lücken in der medizinischen Versorgung und Ausbildung aufmerksam gemacht. Die Zahl der medizinischen Ausbildungsstätten erreichte ein Maximum von 160 und fiel dann in den 1920er Jahren auf etwa 80 ab.4 Im benachbarten Frankreich brachte 1886 eine öffentliche Sammlung für ein biologisch- biochemisch orientiertes Forschungsinstitut in kurzer Zeit die Summe von 2 Millionen Franc ein.5 Der Bau wurde 1888 eingeweiht. Mit dem Institut Pasteur, der Pariser Fakultät der Wissenschaft und bis zu einem gewissen Grade mit dem Collége de France wurde Anfang der 1890er Jahre ein damals moderner Ansatz zur Biologie in Frankreich praktiziert.6 Bereits 1810 wurde in Stockholm/Schweden das Karolinska Institutet als Ausbildungsstätte für Militärärzte geschaffen. Zu den Gründern zählte Jöns Jacob Berzelius (1779-1848), der eine naturwissenschaftliche Orientierung des Instituts mit Abteilungen für medizinische Biochemie und Biophysik anstrebte.7 1895 wurde dem Institut die Auswahl des/der Kandidaten für die Verleihung des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin übertragen. In Großbritannien hatte 1911 Lloyd George eine Nationale Gesundheitsversicherung eingeführt, in deren Folge die medizinische Forschung in Krankenhäusern verstärkt wurde. Lediglich in den London Colleges, Cambridge, und wenigen anderen Universitäten wurde im Rahmen der Physiologie Biochemie betrieben. In Cambridge hatten die Physiologie und damit auch die Biochemie den Status einer mit der Biologie verbundenen akademischen Wissenschaft.8

1 Hager (1995), 51 2 Kohler (1982), 9 3 Kohler (1977), 259 4 ibid., 121 5 Delaunay (1962), 31 6 Fox (1980), 233 7About Karolinska Institutet: http://info.ki.se/ki/history_en.html, Stand v. 29.9.2003 8 Kohler (1978), 332 17

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika glaubten die Medizinreformer, Wissenschaft und wissenschaftliche Methoden wären für den Fortschritt unerlässlich. Das gab den Biochemikern eine neue Rolle bei der Ausbildung der Mediziner. Dabei konnten die Physiologen nicht so mithalten wie in Deutschland und Großbritannien. Die elementare Chemie wurde in den vorklinischen Kursen vermittelt, die Medizincolleges wurden zu postgradualen Lehranstalten. Biochemiker konnten an den medizinischen Fakultäten unabhängige Abteilungen erreichen. Die Medizinreform bot also Möglichkeiten, die es in Deutschland und Großbritannien nicht gab. 1 Im Jahre 1901 wurde in New York das Rockefeller Institute for Medical Research gegründet, 1902 die Carnegie Institution of Washington for Fundamental Research, beide mit einem Aufwand von jeweils über 10 Mio Dollar. Die Carnegie Institution war neben der Smithonian Institution (1846 errichtet) in Washington und der Rockefeller-Stiftung für medizinische und biologische Forschung, die 1905 ihre ersten, nach dem Muster des Institut Pasteur und den Forschungsinstituten Robert Kochs und Paul Ehrlichs errichteten Laboratorien in Betrieb nahm, bis 1918 die einzige Institution in den USA, die Grundlagenforschung förderte und als erste im großen Maßstab selbst betrieb.2 Am New Yorker Rockefeller Institute for Medical Research arbeiteten später eine Reihe von Forschern, die für die Eiweißforschung mittelbar oder unmittelbar wirksam wurden: (1883–1971), Oswald Theodor Avery (1877–1955), Karl Landsteiner (1868–1943), Leonor Michaelis (1875–1949) und (1891– 1987).3 Um 1900 und mindestens noch weitere 20 Jahre waren die verfügbaren Techniken zur Trennung, Reinigung und Charakterisierung von Eiweißstoffen sehr begrenzt.4 Das handwerkliche Geschick bei Reinigungsoperationen hat eine entscheidende Rolle bei der Entdeckung und Isolierung bestimmter Stoffe aus biologischem Material gespielt.5 Kurz nach 1850 waren erste Versuche zur Isolierung von Proteinen durch Aussalzen von Proteinen aus Lösungen beschrieben worden.6,7 Systematische Untersuchungen der Fällung von Proteinen aus ihren Lösungen durch Zugabe von Neutralsalzen führten Franz Hofmeister (1850-1922) und Mitarbeiter ab 1887 in Prag durch. Sie ordneten die anorganischen Salze nach ihren Fällungseigenschaften8.

1 Kohler (1982), 2 Vierhaus (1990), 127 3 Morgan (1990), 498 4 Edsall (1979), 54 5 Fruton (1976), 327 6 Panum (1852), 419-467 7 Virchow (1854), 572-579 8 Fruton (1990), 177; Eine moderne Zusammenfassung findet sich bei Collins und Washabaugh (1985) 18

Diese sogenannte „Hofmeisters lyotrope Reihe“ hat bis in die Gegenwart ihre Bedeutung behalten. Die damaligen Arbeitsbedingungen waren nach heutigen Vorstellungen völlig unzureichend. Es gab weder Chromatographen noch Ultrazentrifugen, keine photoelektrische Spektrophotometrie. Sörensens (1868–1939) pH-Konzept und dessen experimentelle Umsetzung kamen erst 19091,2 Zentrifugen hatten nur geringe Kapazitäten und Leistungen. Der technische Fortschritt wurde nur sehr schleppend in wissenschaftlichen Einrichtungen wirksam. In wie starkem Maße neue Techniken und Ausrüstungen den Fortschritt in der Biochemie und Physiologie beschleunigen konnten, zeigt die Einführung mechanischer Antriebe mit Gasmotoren und Transmissionen in physiologische Institute Ende des 19.Jahrhunderts.3 Der mit der Umgestaltung von der herkömmlichen zur modernen Chemie verbundene Erkenntnisfortschritt wirkte sich auch auf die Entwicklung biochemischer Methoden aus. Deren Ausarbeitung wurde zu Beginn des 20.Jahrhunderts zu einer dringenden Notwendigkeit, da sich die traditionellen, vor allem aus der Chemie stammenden Makromethoden zur Analyse, Isolierung, Trennung und Strukturaufklärung für die Untersuchung der oft nur in geringen Mengen vorliegenden Eiweißstoffe nicht als fein genug erwiesen.4 Bereits im Jahre 1883 hatte der schwedische Chemiker Johan Gustav Kjeldahl (1849–1900) seine bisherige Methode zur quantitativen Stickstoffbestimmung verbessern können.5 Einen entscheidenden Fortschritt brachte die Verbesserung der Elementaranalyse organischer Verbindungen durch den Österreicher Fritz Pregl (1869–1930), einen Schüler Emil Fischers. Eine technische Voraussetzung dafür war mit der Weiterentwicklung einer besonders empfindlichen Goldwaage von Wilhelm Kuhlmann aus Hamburg gegeben. Sie gestattete Wägungen mit einer Genauigkeit von 0,01-0,02 mg. Durch konstruktive Verbesserungen dieser Waage wurden Genauigkeiten von +/- 0,001 mg bei einem Wägebereich von 20 g möglich.6 Liebig brauchte noch ein halbes Gramm Substanz für eine Elementaranalyse, gelegentlich sogar ein Gramm. Bei der Preglschen Mikromethode kann die einzusetzende Menge der zu analysierenden Substanz auf wenige Milligramm reduziert

1 Sörensen (1909), 131-304, 2 Sörensen(1909), 352-356 3 Dierig (2001), 1-19 4 Strube(1986), 169 5 Kjeldahl(1883), 366-382 6 Pregl-Roth (1958), 66 19 werden. „Für die Erfindung der Methode zur Mikroanalyse organischer Substanzen“ wurde Fritz Pregel 1923 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.1 Um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert hatte die internationale Wissenschaftskooperation einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung erfahren.2 Neben der Intensivierung des internationalen Studenten- und Wissenschaftleraustausches kam es vor allem zum Auf- und Ausbau neuer Kommunikationssysteme wie Zeitschriften, Monographiesammlungen und Handbüchern wie auch zur Bildung disziplinärer wissenschaftlicher Gesellschaften. Zwischen 1900 und 1914 wurden 16 neue chemische Zeitschriften, darunter vier mit biochemischer Orientierung gegründet: 1903 Biochemische Zeitschrift in Deutschland 1904 The Journal of Biological Chemistry in den USA 1905 The Biochemical Journal in Großbritannien und 1914 Bulletin de la Société de Chimie Biologique in Frankreich

2.1.2 Staatliche und außerstaatliche Förderung der Forschung

Emil Fischer hatte mehrfach auf die großen Wissenschaftsstiftungen des Auslandes verwiesen, deren Konkurrenz die deutschen Forscher in ihren Unterrichtslaboratorien auf die Dauer nicht mehr gewachsen sein würden. In den Jahren nach der Jahrhundertwende kamen aus dem Ausland nachhaltige Anstöße und gaben den Diskussionen über die Entwicklung hochschulferner Forschungseinrichtungen neuen Auftrieb. Fischer verwies auf die Anstrengungen, welche in den Vereinigten Staaten von Amerika seitens des Gesamtstaates, der Einzelstaaten und von Privaten gemacht wurden, um die Führung in der naturwissenschaftlichen, besonders aber in der medizinischen Forschung in die Hand zu bekommen.3 Mit seinen Bemühungen unterstützte Fischer den Ministerialdirektor der I.Unterrichtsabteilung im Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Friedrich Theodor Althoff (1839–1908) in dessen Bemühen, das Bildungswesen, insbesondere das Hochschulwesen zu reformieren und „den sich bereits abzeichnenden Niedergang des deutschen Bildungswesens“ aufzuhalten.4 Althoff war zutiefst dem Humboldtschen Ideal verpflichtet, die Einheit von Forschung und Lehre in der Personalunion von Institutsdirektor und Hochschullehrer zu wahren. Zugleich hat

1 Pregl (1923), 29 2 Remane (2000), 84 3 Vierhaus u.a. (1990), 126-127 4 Schnabel (1935) 20 er die Errichtung selbständiger Forschungsinstitute auf dem Gebiet der naturwissenschaftlichen und medizinischen Grundlagenforschung in Gang gebracht.1 Fischer, Althoff und der damalige Direktor der Königlichen Bibliothek in Berlin, Adolf von Harnack (1851–1930) bereiteten die Entscheidung zur Bildung der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften vor, die 1911 gegründet wurde. In seinem Experimentalvortrag, den Fischer aus Anlass der Konstituierung der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften hielt, begrüßte er die vorgesehene Bildung von Forschungsinstituten, die hervorragenden Wissenschaftlern die Möglichkeit geben würden, ohne Lehrverpflichtungen sich der Forschung zu widmen. „Der Vorsprung, den das Ausland, insbesondere die Vereinigten Staaten von Nordamerika, durch den Besitz ähnlicher Institute in letzter Zeit gewonnen haben, dürfte auf diese Weise wieder eingeholt werden“. Von Bedeutung dafür waren Gutachten und Berichte von Fachleuten. So wurde Anfang 1910 vom Reichsamt des Inneren an v.Harnack ein Bericht des Heidelberger physiologischen Chemikers Otto Cohnheim (1873–1953) über Besuche wissenschaftlicher Einrichtungen in den USA übergeben mit Vorschlägen für Maßnahmen, „um einer Ueberflügelung durch amerikanische Wissenschaft vorzubeugen.“2 Der durch seine biochemischen Arbeiten bekannt gewordene Heidelberger Physiologe Albrecht Kossel (1853–1927) forderte in einer Stellungnahme vom 7.Mai 1911 an den Minister der geistlichen und Unterrichts- Angelegenheiten auf dessen Anfrage, wie nunmehr im Rahmen der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft „die mannigfaltigen Gebiete der Biologie in Angriff zu nehmen sein werden“3 die Errichtung eines eigenen und unabhängigen Instituts für Biochemie im Rahmen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Kossel betonte: „Mit der Angliederung eines biochemischen Laboratoriums an ein von einem Physiologen geleitetes Institut ist dem Bedürfnis nicht genügt.“4 Es dauerte immerhin noch bis 1922, bis ein Kaiser-Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie und Biochemie, ab 1925 KWI für Biochemie gegründet wurde.5 Althoff, Fischer und v.Harnack verstanden es, die in den Gründerjahren prosperierende Industrie für die Schaffung von Forschungseinrichtungen zu interessieren und zu finanziellen Beteiligungen zu bewegen. Sie verwiesen bei der Werbung privaten Kapitals auf Vorbilder in Frankreich (Institut Pasteur) und Amerika (Carnegie, Rockefeller) und beschritten mit dem Zusammenwirken von Universitätsprofessoren, Industriekapitänen und Bankdirektoren neue

1 Vierhaus u.a. (1990), 85 2 Cohnheim (1910) 3 Brief d. Ministers an v,Harnack v. 18.April 1911,2 4 Kossel (1911), 1 5 Jelina (1991), 55-56 21

Wege der Finanzierung und Organisation von Forschungseinrichtungen.1 Das betraf auch Einrichtungen, die für die Eiweißforschung Bedeutung erlangen sollten, z.B. ein Kaiser- Wilhelm-Institut für Physiologie und Hirnforschung, um dessen Planung, Leitung und Standort es zähe Auseinandersetzungen unterschiedlicher Interessengruppen gab. Parallel zur Vorbereitung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften dämpften konkurrierende Unternehmungen die Spendenbereitschaft für das Berliner Projekt, u.a. der Versuch zur Gründung einer „Rheinischen Akademie der Wissenschaften“, für die 1909 bereits ein Stiftungskapital von 335.000 Mark gezeichnet war.2 Im Mai 1918 informierte der damalige Oberbürgermeister der Stadt Cöln und Mitglied des Preußischen Herrenhauses, Konrad Adenauer (1876–1967) Emil Fischer als Mitglied der Leitung der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft über die Bereitschaft eines Kölner Bürgers, 1.200.000 Mark für ein geplantes Institut für Physiologie zur Verfügung zu stellen „unter der Bedingung, dass das Institut mit den gleichen Zuwendungen, wie sie seitens der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und seitens des Staates bisher in Aussicht genommen waren und unter dem auch bisher in Aussicht genommenen Leiter, Professor Abderhalden in Cöln errichtet wird.“3 Offenbar hatte Fischer positiv reagiert, denn im August 1918 drückte Adenauer in einem Brief an Fischer seine Freude darüber aus, „dass wir das schöne Institut nach Cöln nunmehr doch wohl sicher bekommen werden.“4 Die Motive des spendablen Kölner Bürgers von 1918 sind nicht bekannt. Die Bereitschaft der Industrie, sich an den Kosten für gemeinnützige Zwecke, so auch für wissenschaftliche Einrichtungen, zu beteiligen, ging schon früh zurück. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihre Institute, die in hohem Maße auf Zuwendungen aus privater Hand angewiesen waren und kriegsbedingt vom Staat knapp gehalten wurden, kamen in finanzielle Schwierigkeiten. In seiner Rede am 1.August 1916 „An der Schwelle des dritten Kriegsjahres“ beklagte der damalige Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Prof.v.Harnack „das System, welches den vollen Handelsegoismus und das rücksichtslose Verdienen auch im Kriege erlaubt, weil man eben überhaupt Grenzen hier nicht gekannt hat und kennt.“5 Emil Abderhalden (1877–1950), der 1902 nach seiner Promotion zum Dr.med. in Basel als Privatassistent zu Emil Fischer in dessen neuerbautes chemisches Institut in Berlin gekommen war und über Aminosäuren und Peptide gearbeitet hatte, später Professor für Physiologie wurde und 1911 nach Halle berufen wurde, blieb dort bis zum Ende des

1 v.Brocke (1980), 56 2 v.Brocke (1990), 69 3 Adenauer (1918), 1-4 4 Adenauer, (1918/2) 5 v.Harnack (1916), 1484 22

II.Weltkrieges. Von 1932 bis 1950 war er Präsident der Leopoldina, der ältesten abendländischen Naturforscherakademie. Ein Physiologisches Institut der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft wurde nie gebaut.

2.2 Kenntnisstand auf dem Eiweißgebiet um 1900 und Entwicklungen bis zum I.Weltkrieg

Die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert wurde von Franz Hofmeister (1850–1922) in Bezug auf die Eiweißchemie einem Wendepunkt gleichgesetzt.1 Bereits 1897 und 1898 hatte Albrecht Kossel (1853–1927) „Ueber die Constitution der einfachsten Eiweißstoffe“ berichtet.2 Mit Beginn des Jahrhunderts wurde der Wissensstand auf dem Gebiet der Eiweißforschung in Vorträgen, Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern zusammengefasst. Der Heidelberger Physiologe Otto Cohnheim veröffentlichte im Jahr 1900 das Buch: „Chemie der Eiweißkörper“3. Im Vorwort der zweiten Auflage im März 1904 stellte er fest: „In den wenigen Jahren seit Erscheinen der ersten Auflage haben sich unsere Kenntnisse Auf dem Gebiet der Eiweißchemie außerordentlich vermehrt, auch ist vielfach die ganze Betrachtungsweise eine andere geworden. Es erwies sich daher als notwendig, den größeren Teil des Buches nicht umzuarbeiten, sondern neu zu schreiben.“4

Weitere zusammenfassende Darstellungen stammen von dem Jenaer Professor für physiologische Chemie Friedrich Nikolaus Schulz (1871–1956) über „Die Krystallisation von Eiweissstoffen und ihre Bedeutung für die Eiweisschemie“5 sowie „Die Grösse des Eiweissmoleküls.“6 Im Vorwort zu diesem Buch charakterisiert Schulz die Situation so: „Die kaum übersehbare Anzahl zum Theil wenig erfreulicher Arbeiten auf dem Gebiete der Eiweisschemie schreckt Viele davon ab, dieses an sich so interessante Gebiet zu betreten.“

Kossel fügte der Sammlung von Fakten und Meinungen 1902 seine Auffassung „Ueber den gegenwärtigen Stand der Eiweisschemie“7 mit großer Klarheit bei:

„Jedenfalls ergiebt sich aus allen Betrachtungen, dass die Eiweisskörper eine Gruppe sehr verschiedener Verbindungen bilden. Gewöhnlich hat man sich das Eiweiss als

1 Hofmeister (1902) 2 Kossel (1898) 3 Cohnheim (1900) 4 Ders. (1904) 5 Schulz (1901) 6 Ders. (1903) 7 Kossel (1902), 3214-3245 23

einen Körper von bestimmten feststehenden Eigenschaftenn gedacht und hat sich wohl einen Idealeiweisskörper construirt, ähnlich wie Goethe eine Urpflanze oder Idealpflanze erdachte. Diejenigen Eiweisssubstanzen, welche diesem Ideal nicht entsprachen, hat man als mit Defecten behaftet in eine niedere Gruppe, die der Albuminoide, zusammengefasst. Diese Betrachtungsweise kann nicht aufrechterhalten werden.“1

Emil Fischer wandte sich 1899 der Proteinchemie zu und beeinflusste das Gebiet während der ersten beiden Jahrzehnte entscheidend. Er sagte:

„Da die Proteinstoffe bei allen chemischen Processen im lebenden Organismus auf die eine oder andere Weise betheiligt sind, so darf man von der Aufklärung ihrer Structur und ihrer Metamorphosen die wichtigsten Aufschlüsse für die biologische Chemie erwarten.“2

2.2.1 Die Eiweißforschung und die Chemie

Die entscheidenden Beiträge zur Kenntnis der Proteinstruktur wurden am 22.September 1902 auf dem 74.Jahrestreffen der Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Ärzte in Karlsbad geliefert. Den ersten Plenarvortrag in der Vormittagssitzung hielt der physiologische Chemiker Franz Hofmeister (1850–1922), der Nachfolger von Hoppe-Seyler auf dem Lehrstuhl in Straßburg zum Thema: „Ueber den Bau des Eiweissmoleküls.“3 Am Nachmittag des gleichen Tages sprach in der ersten Sitzung der Sektion Chemie Emil Fischer „Über die Hydrolyse der Proteinstoffe.“4 In beiden Vorträgen wurde die Annahme vertreten, dass in Proteinen die Aminosäuren durch Kondensation der Aminogruppe der einen mit der Carboxylgruppe einer anderen Aminosäure unter Bildung einer Amidbindung (CO-NH) in linearer Struktur verbunden sind Fischer gab einer solchen Gruppierung die Bezeichnung „Peptid“.

Der Biochemiker und Wissenschaftshistoriker Joseph Fruton (geb.1912) hat dieses historische Beispiel einer „Mehrfachentdeckung“ untersucht und keinen Hinweis gefunden, dass sich Fischer und Hofmeister in Karlsbad oder an anderer Stelle persönlich begegnet wären. Auch

1 ibid. , 3245 2 Fischer (1906), 530 3 Hofmeister (1902) 4 Fischer (1902), 939 24 für einen Briefwechsel gibt es keinen Nachweis, auch nicht im Fischer-Nachlass in der Bancroft-Bibliothek in Berkeley, Californien.1

Das Ereignis selbst war Ausdruck einer bemerkenswerten Entwicklung: Bis etwa zum Ende des 19.Jahrhunderts wurden Untersuchungen an Eiweißen von Physiologen, physiologischen Chemikern oder Biochemikern durchgeführt, die eine biologische oder medizinische akademische Ausbildung genossen hatten. Chemische Reaktionen nutzten sie nur in sehr begrenztem Umfang gezielt, der tatsächliche Ablauf bei Nachweisreaktionen mit chemischen Reagenzien war damals vielfach noch nicht geklärt. Hofmeister begründete seinen Vorschlag einer Amidbindung zwischen Aminosäuren eines vor allem mit der Biuret-Reaktion, der Rotviolett-Färbung bei Zugabe einer alkalischen Kupfersulfatlösung zu wässrigen Proteinlösungen oder Abbauprodukten einer enzymatischen Spaltung von Proteinen. Er verwies aber ebenso auf synthetische Materialien, wie auf die von Theodor Curtius (1857–1928) schon Anfang der 1880er Jahre aus Glycinverbindungen durch Kondensation hergestellten Produkte mit Säureamidbindungen2. Auf die von Emil Fischer wenige Jahre zuvor synthetisierten einfachen Peptide ging Hofmeister nicht ein, begrüßte jedoch ausdrücklich das wissenschaftliche Engagement Fischers auf dem Aminosäure- und Proteingebiet. Fischers Vortrag in Karlsbad ist im Wortlaut nicht veröffentlicht worden. In dem von ihm selbst verfassten Kurzreferat in der Chemiker-Zeitung deutet er seine Priorität so an: „Schließlich diskutierte der Vortragende die Art der Bindungen von Aminosäuren in Proteinen. Der Gedanke, dass säureamid-ähnliche Gruppen eine entscheidende Rolle spielen, liegt am nächsten, wie auch Hofmeister in seinem Plenarvortrag heute Vormittag vermutet hat. Die gleiche Überzeugung veranlasste ihn (Fischer) vor mehr als einem Jahr, Versuche zur synthetischen Bindung von Aminosäuren durchzuführen3“.

Der letzte Satz sollte offenbar die Aufmerksamkeit auf die Veröffentlichung seiner Arbeit über die Synthese des Glycylglycins und dessen Derivate4 lenken. Es ist nicht auszuschließen, dass Fischer seine Ansichten über die Art der Bindung von Aminosäuren in Proteinen Albrecht Kossel vor der Karlsbader Tagung mitgeteilt hat. Kossel drückt in seinem Brief an Emil Fischer vom 5.August 1902 die Hoffnung aus, „dass Sie nach

1 Fruton (1990), 166, Fußnote 2 Curtius (1881),239 u. (1882),145 3 Fischer (1902),939 4 Fischer u. Fourneau (1901) 25

Ihrer Karlsbader Mittheilung auch unserer Zeitschrift (gemeint ist Hoppe-Seylers Z .Physiol. Ch., R.G.) einen Artikel darüber senden werden.“1

Die Vermutung von Amidbindungen in Proteinen war schon vor 1902 von mehreren Chemikern, u.a. von Marcelin Berthelot (1827-1907), ausgesprochen worden. Man machte Versuche, durch starkes Erhitzen von Aminosäuren über eine Dehydratation peptonähnliche Verbindungen zu erhalten. Einer dieser Forscher war Edouard Grimaux (1835 – 1900), der 1882 Alanylalanin als Amid beschrieb. Er drückte seine Erwartungen so aus: „Wenn man Anhydride mit den Resten von Asparaginsäure, Tyrosin etc. herstellen kann, könnte man hierdurch in der Lage sein, sie in Amide umzuwandeln, die mehr und mehr den stickstoffhaltigen Kolloiden ähneln, die von Lebewesen gemacht werden.“2

Die Feststellung der linearen Grundstruktur von Eiweißmolekülen, also der kettenförmigen Aneinanderreihung von Aminosäuren über Säureamid- Bindungen war von fundamentaler Bedeutung für die weitere Eiweißforschung. Unter der Bezeichnung „Primärstruktur“ ist sie in den biochemischen Wortschatz eingegangen. Das Auftreten von Fischer und Hofmeister in Karlsbad und der gemeinsame Kern ihrer Vorträge müssen als Beginn einer neuen Qualität der Eiweißforschung angesehen werden. Neben den primär von biologischem Denken geprägten Hofmeister, der sich der Bedeutung der Chemie für die Untersuchung physiologischer Probleme wohl bewusst war, war der zu dieser Zeit angesehenste deutsche Chemiker getreten, der sich der Untersuchung von Naturstoffen verschrieben und bereits mit hervorragenden wissenschaftlichen Ergebnissen hoch verdient gemacht hatte. Fischer bearbeitete Stoffgebiete, an die sich auf so breiter experimenteller Basis noch niemand vor ihm herangewagt hatte: Die Kohlehydrate, die Eiweißstoffe, die Nukleinsäuren, die Depside und Gerbstoffe, die Fermente und auch die Fette. Wenige Wochen nach der Karlsbader Tagung wurde Emil Fischer als erster deutscher Chemiker mit dem Nobel-Preis für Chemie ausgezeichnet. Die Erkenntnis der Peptidbindung, die von Hofmeister und Fischer auf unterschiedlichen Wegen gewonnen wurde, ist bis heute nicht widerlegt3 und zur Grundlage aller peptid- und proteinanalytischen Arbeiten sowie der Entwicklung von Vorschlägen für höhere (Sekundär-, Tertiär- usw.) Strukturen genommen worden. Emil Fischer hat mit seinem Vortrag in Karlsbad der wissenschaftlichen Öffentlichkeit die Zuversicht vermittelt, dass die Organische Chemie auch die Probleme der Proteinstruktur würde lösen können.

1 Kossel (1902a) 2 Grimaux (1882), 64-69 3 Sanger (1952), 1-67 26

Am Beginn des 20.Jahrhunderts waren „Eiweißkörper“ oder „Proteinstoffe“ als „abgegrenzte Classe“ von natürlich vorkommenden organischen Verbindungen bekannt. Man wusste um ihre Zusammensetzung aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel in einem „ziemlich constanten Verhältnis.“1 Eingeteilt wurde in die nativen Eiweißkörper im engeren Sinne, in Komplexe mit anderen Bestandteilen sowie in Spaltungsprodukte nativer Eiweiße, die in ihrem chemischen Aufbau noch den Charakter des Eiweißes bewahrt haben, wie Albumosen, Peptone und andere Verbindungen. Zur Spaltung wurden konzentrierte anorganische Säuren, Alkalilösungen oder Trypsin eingesetzt. Die Abtrennung von Eiweißstoffen aus Lösungen erfolgte durch Aussalzen vor allem mit Kochsalz oder Magnesiumsulfat oder Fällung mit Schwermetallsalzen, Mineralsäuren oder Alkohol.2 Zu den Farbreaktionen schreibt Cohnheim:

„Von diesen ist keine dem Eiweiss als solchem eigenthümlich, sie kommen vielmehr alle gewissen anderen Complexen, beziehentlich Atomgruppirungen zu, und werden von dem Eiweiss deshalb gegeben, weil diese Gruppen im Eiweissmolecul in reactionsfähiger Form enthalten sind. Sie sind daher von großer Wichtigkeit für die Kenntnis der Eiweisskörper.“3

Aus dem Eintreten oder Ausbleiben einer Farbreaktion wurde auf die An- oder Abwesenheit der betreffenden Komplexe in den Albumosen und Peptonen geschlossen. Von besonderer Bedeutung war die Biuret-Reaktion, bei der Peptidbindungen mit einer Kupfersulfatlösung im alkalischen Milieu durch eine rot- bis blauviolette Färbung sichtbar gemacht wurden (die Natur des entstehenden Farbstoffes wurde 1896 von dem Chemiker Hugo Schiff (1834–1915) aufgeklärt4). Der Verlauf einer Eiweißspaltung konnte so verfolgt werden. Aminosäuren als letzte Produkte einer Spaltung mit Säuren oder Trypsin gaben keine positive Biuretreaktion. Von den zusammengesetzten Eiweißen waren die Nucleoproteide des Zellkernes und das Hämoglobin am weitesten untersucht. Das Hämoglobin stand wegen seiner herausragenden biologischen Bedeutung und seiner leichten Zugänglichkeit im Vordergrund. Aufgrund seiner besonderen chemischen Zusammensetzung und seiner biologischen Funktion bot Hämoglobin die Möglichkeit, auf zwei verschiedenen Wegen das Molekulargewicht zu berechnen. Aus den Ergebnissen von Elementaranalysen und Bestimmungen des Eisen- und Schwefelgehaltes ergab sich ein Mindestmolekulargewicht von etwa 16.6005, das nach Berechnungen aus dem

1 Cohnheim (1900), 1 2 Hofmeister (1899), 80 3 Cohnheim (1900), 29 4 Schiff (1896), 298 5 Cohnheim (1904), 152 27

Bindungsvermögen des Hämoglobins für Sauerstoff und Kohlenmonoxyd 1 bestätigt werden konnte. Als weit weniger leicht zugänglich und ungleich schwieriger in einer für eine Untersuchung geeigneten Reinheit zu gewinnen erwiesen sich die „Nukleine“. Es war das große Verdienst des Physiologen und Hoppe-Seyler-Schülers Friedrich Miescher (1844-1895), mit Trennmethoden, die er sich zu großen Teilen erst mühsam erarbeiten musste, 1869 aus eiterhaltigen Wundverbänden Tübinger Kliniken die Substanzen des Zellkerns isoliert und in ihrer chemischen Natur weitgehend aufgeklärt zu haben..2 Dabei erregten sein besonderes Interesse die Anteile, die ungewöhnlich viel Phosphor enthielten, aber nicht mit bekannten phosphorhaltigen Substanzen wie Lezithin identisch waren. Miescher nannte diesen neuen Zellbestandteil „Nuclein“3. In den Jahren 1871-1873 setzte Miescher in Basel seine Untersuchungen an Spermien des Rheinlachses fort, die in ausreichender Menge als Ausgangsmaterial zur Verfügung standen. 1874 berichtete er, dass die Köpfe der Spermien größtenteils aus einer „unlöslichen, salzartigen Kombination einer sehr stickstoffreichen organischen Base mit einem phosphorreichen Nucleinkörper bestehen, der die Rolle der Säure innehat.“4 In einem Brief an seinen Onkel, den Leipziger Anatomen und Physiologen Wilhelm His (1831-1904) deutet Miescher die Schwierigkeiten an, mit denen er zu kämpfen hatte:

„Aber da gerieth ich in einen hübschen Sumpf. Denn es giebt nichts Misslicheres als scharfe Trennungen auf dem Gebiete eiweissartiger Körper. Ich begreife wohl, dass die Definitionen derselben so schwankend und streitig sind; und das ist eben der Fluch der amorphen Körper, dass man keine Gewähr der Reinheit seines Präparates hat .Deshalb scheuen sich auch die echten Chemiker so sehr davor.5

Die Arbeit mit Naturstoffen, die „Thierchemie“ galt eben auch als „Schmierchemie“ und auch zu dieser Arbeit gehörte die Chemie als „Scheidkunst“. Mit dem „phosphorreichen Nucleinkörper“ hatte Miescher, wie sich später zeigte, Nukleinsäuren in der Hand, die stickstoffreiche organische Base war Protamin, ein an basischen Aminosäuren, vor allem Arginin, besonders reiches Protein. Miescher scheint sich der Bedeutung seiner Ergebnisse bewusst gewesen zu sein. Im Oktober 1869 schrieb er:

1 Hüfner (1894), 130 2 Miescher (1897), 3 Fruton (1999), 393 4 Miescher (1897), 66 5 Miescher (1869), Bd. 1, 36 28

„Ich denke aber, dass die erhaltenen, wenn auch fragmentarischen Ergebnisse bedeutsam genug sind, um auch Andere, namentlich die Chemiker von Fach, zur Untersuchung aufzufordern. Die Erkenntnis der Beziehungen zwischen Kernstoffen, Eiweissstoffen und ihren nächsten Umsatzprodukten wird allmählich den Vorhang lüften helfen, der die inneren Vorgänge des Zellenwachsthums noch so gänzlich verhüllt.1“

Die Arbeiten Mieschers, der 1895 verstorben war, über die Eiweißstoffe im Zellkern setzte Albrecht Kossel (1853-1927)2, ebenfalls ein Schüler Hoppe-Seylers, fort. Er fand in den Spermatozoen des Störs eine ähnliche Substanz, die er Sturin nannte, das Lachsprotamin bezeichnete er als Salmin. Im Sperma des Herings fand er ein Material, das ebenfalls ein Protamin lieferte, für das er den Namen Clupein fand. In einer Veröffentlichung beschrieb er die Gewinnung der Protamine, deren Spaltung durch Schwefelsäure und die aufwändige Trennung des Gemisches der erhaltenen basischen Aminosäuren3 Histidin, Arginin und Lysin. Die Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Ausgangsmaterials für die Gewinnung größerer Mengen von Protamin waren für Kossel in Heidelberg ungleich größer als für Miescher in Basel. Er schrieb dazu 1902 an Emil Fischer: „…Das Lachssperma wäre an sich ein geeignetes Material für die Darstellung größerer Mengen von Arginin, es ist aber zumal in jetziger Jahreszeit nicht leicht zu beschaffen. Viel bequemer ist die Milch von Salzheringen zu haben4. Die meisten Ladenbesitzer lassen sich darauf ein, nur männliche Heringe zu liefern… und 100 Stück derselben liefern 2500 – 3000 gr, Milch, die zur Darstellung größerer Argininmengen gut geeignet ist.5“

Die basischen zählten zu den letzten der 17 Aminosäuren, die von 1805 bis 1900 entdeckt wurden6. Die mit den unvollkommenen Methoden und apparativen Möglichkeiten der Aufklärung von Zusammensetzung, Struktur und Funktion der Proteine gesetzten engen Grenzen waren zum Ende des 19.Jahrhunderts erreicht.

1 Miescher (1869), Bd. 2, 23 2 Albrecht Kossel war der Vater des Physikers Walter Kossel (1888-1956), der sich mit Beiträgen zur Klärung des periodischen Systems der Elemente sowie zur Deutung der heteropolaren chemischen Bindung verdient gemacht hat. 3 Kossel (1898) 4 Clupein enthält wie Salmin mehr als 80 Gew.% Arginin 5 Kossel (1902b) 6 Walden (1941), 616-620 29

2.2.1.1 Emil Fischer, Albrecht Kossel und die Eiweißforschung

Der Nobelpreis für Chemie 1902 wurde Emil Fischer in Anerkennung seiner Verdienste in Verbindung mit seinen synthetischen Arbeiten auf dem Zucker- und Puringebiet verliehen. In seinem Vortrag aus Anlass der Preisverleihung sprach er über seine Untersuchungen auf dem Zucker-Gebiet und stellte fest, dass der Schleier, mit dem die Natur ihre Geheimnisse so sorgfältig verhüllt, bei den Kohlehydraten allmählich gelüftet wird. Die Rätsel des Lebens allerdings könnten erst gelöst werden, wenn die organische Chemie ein anderes, weit schwierigeres Gebiet gemeistert haben würde, das Gebiet der Proteine.1 Fischers wissenschaftliche Arbeit war nach anfänglichen Untersuchungen auf dem Farbstoffgebiet, die noch unter dem Einfluss seines Straßburger Lehrers Adolf Baeyer (1835- 1917) durchgeführt wurden, von der Beschäftigung mit Naturstoffen bestimmt. Die Arbeit mit dem von ihm entdeckten Phenylhydrazin führte ihn zu bahnbrechenden Ergebnissen auf dem Zuckergebiet, die Untersuchungen der Wirkstoffe von Kaffee, Tee und Kakao brachten grundsätzliche Erkenntnisse bei der Gruppe der Purine und seit etwa der Jahrhundertwende beschäftigten ihn die Aminosäuren, Peptide und Proteine. Er beschloss sein Lebenswerk mit Untersuchungen auf dem Gerbstoffgebiet.2 Fischer zählte zu den entschiedensten Förderern der physiologischen Chemie und trat wiederholt öffentlich für eine stärkere Beschäftigung der chemischen Forschung mit Fragestellungen aus der Biologie ein. Etwa ein Jahr vor seinem Tode dankte der Physiologische Chemiker Ernst Felix Immanuel Hoppe-Seyler ihm in einem Brief vom 18.September 1894 in bewegten Worten „für die kräftige und klar ausgesprochene Unterstützung der physiologischen Chemie, ihrer Lehren und ihrer Ziele.3 Fischer hatte schon die Erfahrungen einiger Jahre eiweißchemischer Arbeiten, als er im Januar 1906 in der Deutschen Chemischen Gesellschaft über „Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine“ vortrug. Er drückte die Erwartung aus, „dass die organische Chemie, deren Wiege bei den Proteinen gestanden hat, sich ihnen schließlich wieder zuwenden werde. Nur über den Zeitpunkt, wo ein Zusammenwirken von Biologie und Chemie erfolgreich sein werde, gingen und gehen heute noch die Ansichten auseinander“.

1 The Nobel Foundation (1966), 34 2 Henning (1989), 197-198. 3 Hoppe-Seyler (1894) 30

Fischer vertrat die Ansicht, daß trotz „der verwickelten Zusammensetzung“ dieser Körperklasse und ihrer „höchst unbequemen physikalischen Eigenschaften“ „man wenigstens den Versuch machen soll, mit allen Hilfsmitteln der Gegenwart die jungfräuliche Feste zu belagern; denn nur durch das Wagnis selbst kann die Grenze für die Leistungsfähigkeit unserer Methoden ermittelt werden.1“ Nach dem überraschenden Tod von August Wilhelm Hofmann (1818-1892) war Emil Fischer, damals in Marburg, von Althoff die Übernahme des Lehrstuhls für Chemie an der Friedrich- Wilhelms-Universität Berlin mit der Zusage angetragen worden, an Stelle des veralteten und zu kleinen Chemischen Instituts einen Neubau nach Fischers Vorstellungen zu errichten. Fischer nahm den Ruf an, das neue Institut wurde erst im Jahre 1900 eingeweiht. Kurz zuvor begann Fischer seine analytischen und synthetischen Arbeiten an Aminosäuren und Peptiden, die ersten Publikationen betrafen die Synthese von Aminosäuren und die Trennung der Razemate in die optischen Isomere. Sie datieren aus dem Jahr 1899. Bis dahin hatte Fischer sich einen Ruf als außerordentlich kreativer und erfolgreicher Chemiker mit seinen Arbeiten über die Chemie der Zucker und der Purine erworben, was zu seiner Nominierung für die Verleihung des Nobelpreises geführt hatte. Zu der Frage, warum Fischer diese Arbeitsgebiete verließ und sich den Proteinen und deren Bestandteilen zuwandte, gibt es in der Literatur nur einen vagen Hinweis: In einem Nachruf auf seinen Lehrer Albrecht Kossel betont dessen Assistent Albert P.Mathews (1871- 1957) die chemische Pionierarbeit Kossels zur Strukturaufklärung von Proteinen und Kossels Annahme der Protamine als deren kleinste Einheiten,

“a conception which was confirmed and established by synthesis of artificial or synthetic proteins by Emil Fischer, work undertaken at Professor Kossel,s suggestion and request, which gave to its great impetus in the last years of the nineteenth century and led to the wonderful outburst of activity in this field.”2

Als Emil Fischer 1892 nach Berlin kam, arbeitete am Physiologischen Institut der Universität Albrecht Kossel über die Purine in den Nukleinsäuren des Zellkerns und beschäftigte sich im Zusammenhang mit den Bestandteilen des Nukleins, den Protaminen und Histonen mit Eiweißen.3 Zu dieser Zeit waren Purine auch Fischers Arbeitsgegenstand. Man kann also annehmen, dass bis zu Kossels Berufung nach Marburg 1895 zwischen den beiden Wissenschaftlern fachliche Kontakte bestanden, die möglicherweise auf Fischers Entscheidungen über wissenschaftliche Arbeitsrichtungen nicht ohne Einfluss geblieben sind.

1 Emil Fischer (1906), 1. 2 Mathews (1927), 293 3 Kossel (1898); (1901). 31

Fischer scheint die Bedeutung, die die Nukleotide und Purine für die Lebens- und Vererbungsvorgänge besitzen, geahnt zu haben:

„Mit der Erschließung der Gruppe (der Nukleotide, R.G.) ist die Möglichkeit gegeben, zahlreiche Stoffe zu gewinnen, die den natürlichen Nucleinsäuren mehr oder weniger nahe stehen. Wie werden sie auf verschiedene Lebewesen reagieren? Werden sie zurückgewiesen oder zertrümmert oder werden sie am Aufbau des Zellkerns teilnehmen? Die Antwort darauf kann nur der Versuch geben. Ich bin kühn genug zu hoffen, daß unter besonders günstigen Bedingungen der letzte Fall, die Assimilation künstlicher Nucleinsäuren ohne Spaltung des Moleküls eintreten kann. Das müsste aber zu tiefgreifenden Änderungen des Organismus führen, die vielleicht den in der Natur beobachteten dauernden Änderungen, den Mutationen, ähnlich sind.“1

Kossel zog aus seinen physiologischen Studien mit Nuklein den Schluss, daß diese weder als Reservesubstanz noch als Energiequelle für die Muskelkontraktion dienten; ihre Funktion musste mit der Neubildung von Geweben zusammenhängen.2 Albrecht Kossel wurde 1910 in Anerkennung seiner Beiträge zur Kenntnis der Chemie der Zelle durch seine Arbeit über Proteine einschließlich der Substanzen des Zellkerns mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.3 Nach seinem Weggang hatte Kossel mit Fischer, nicht nur in seiner Eigenschaft als Herausgeber der Zeitschrift für Physiologische Chemie nach Hoppe-Seylers, Tod, schriftliche Kontakte. Kossels Briefe enthielten Erfahrungen in der Arbeit mit Nukleinbasen, Mitteilungen über Tierversuche4 und Bemerkungen zu Substanzmustern5. Nach der Eröffnung des neuen Chemischen Instituts in Berlin hat es auch noch eine persönliche Begegnung Fischers mit Kossel gegeben. Kossel, der zu dieser Zeit Direktor des Physiologischen Instituts in Marburg war, bereitete sich auf die Übersiedlung nach Heidelberg vor, wo unter seiner Leitung ein Institutsneubau vorgesehen war. In einem Brief vom 29.Oktober 1900 erbittet Kossel von Fischer dafür „eine genaue Beschreibung Ihrer Arbeitstische und Digestorien nebst Kostenangabe“6 sowie weitere Unterlagen und Zeichnungen und bedankt sich bei Fischer „für die Freundlichkeit, mit der Sie mich in Ihrem Institut aufgenommen und herumgeführt haben“. In einem Brief aus Marburg teilte Kossel mit: „Ich habe mich diesen Sommer bemüht, quantitative Untersuchungen über die Entstehung der Basen aus dem Eiweiß anzustellen. Diese sind zwar mit einigen

1 Fischer (1922), 165 2 Olby (1973), 467 3 Nobel Lectures (1967) 4 Kossel (1896) 5 Kossel (1901) 6 Kossel (1900) 32

Schwierigkeiten verknüpft, scheinen aber doch zu brauchbaren Resultaten zu führen. Es ergiebt sich dabei, dass die Eiweißkörper untereinander sehr verschieden sind und daß die Menge der Basen größer ist als man bisher annahm.“1

Kossel bezeichnete „die Gruppe derjenigen Basen, welche sich bei der Hydrolyse der Protamine bilden: Histidin, Arginin und die Lysine“ als „Hexonbasen“2. Die Annahme von zwei Lysinen hat Emil Fischer später korrigiert. In einem Brief an Fischer bedankte sich Kossel für die Übersendung eines Manuskripts und bescheinigt Fischer:

„Ohne Ihre Mitteilung würde sich wohl die Angabe über das Vorkommen der beiden verschiedenen Lysine für längere Zeit in der Literatur eingebürgert haben“3

Zwischen 1899 und 1908 entstanden Emil Fischers große Beiträge auf dem Gebiet der Eiweißforschung. Auf der Grundlage der Curtius,schen Estermethode4 entwickelte er eine effektive Methode zur Trennung von Aminosäuren. Durch deren Veresterung und Trennung durch fraktionierte Destillation unter vermindertem Druck wurde die Erkennung der Zusammensetzung des Hydrolysats eines Proteins wesentlich vereinfacht. Die Esterbildung und die Trennungen verliefen meist nicht quantitativ, erlaubten jedoch zusammen mit spezifischen Nachweisen einzelner Aminosäuren qualitative und grob quantitative Erkenntnisse. Mit der Entdeckung der bis dahin nicht identifizierten zyklischen Aminosäuren Prolin und Hydroxyprolin vergrößerte er die Zahl der bekannten Eiweißbausteine. Am Beginn des 20.Jahrhunderts waren die 20 proteinogenen Aminosäuren, die

1 Kossel (1898a) 2 Kossel (1898), 175 3 Kossel (1905) 4 Curtius (1888), 150. Die Äthylester einiger Aminosäuren ließen sich destillativ trennen. 33 im menschlichen und tierischen Organismus vorkommen, bekannt (Abb.1). Fischer stellte verschiedene Aminosäuren synthetisch her und fand Methoden zur Trennung der optischen Isomere. Bei der Synthese von Aminosäuren aus α-Halogensäuren entdeckte Emil Fischer einen Wechsel der Konfiguration bei der Substitution am asymmetrischen Kohlenstoff1, den Paul Walden(1863-1957) als Kreisprozess zwischen aktiver Apfelsäure und Halogenbernsteinsäure beschrieben hatte2. Fischer arbeitete nach einem Plan von großartigster Anlage, über den er jedoch kaum sprach und in den er auch seinen Mitarbeitern im Allgemeinen einen Einblick nicht gewährte. Im Mittelpunkt standen Naturstoffe: Zucker, Purine, Proteine und Gerbstoffe. Dabei lag der Schwerpunkt seiner Forschungen wie auch ihr beispielloser Erfolg im genialen Ersinnen und nicht minder genialen Ausführen experimenteller Laboratoriumsarbeit3. Die experimentellen Fähigkeiten Fischers hat August Wilhelm Hofmann einmal so charakterisiert: „Er bringt selbst einen Limburger zum Kristallisieren!“4 Mit gutem Grund sprach daher das schwedische Nobelkomitee von einer unübertroffenen experimentellen Leistung und von der höchsten Ausbildung der organischen Chemie, als es 1902 Emil Fischer für seine Zucker- und Purinarbeiten den Nobelpreis verlieh. Beispielhaft für die experimentelle Fertigkeit ist die Reinheit von Fischer synthetisierter Peptide. Sein Sohn Hermann Otto Laurenz Fischer (1888-1960) hatte 1932 zusammen mit dem Nachlass seines Vaters auch Laborsubstanzen nach Amerika mitgenommen und später 34 synthetische Peptide für analytische Prüfungen zur Verfügung gestellt. Zum allgemeinen Erstaunen gaben 31 Proben im Papierchromatogramm nur einen Fleck, die Verunreinigungen bei den drei anderen Proben erwiesen sich als Ausgangs-Aminosäuren.5,6 (Die historische Sammlung von Fischers Originalpräparaten wurde Mitte der 1980er Jahre in das Deutsche Museum München überführt.) Sein Schüler Max Bergmann (1886-1944) bescheinigte Fischer eine ausgeprägte Abneigung gegen jede Art von theoretischer Spekulation.7 Und doch hat er zu einer Theorie viel beigetragen: Der sog. Waldenschen Umkehrung. Fischer vertrat die Auffassung, daß die Substitution am asymmetrischen Kohlenstoffatom im Sinne von Kekulé durch die Addition der reagierenden Moleküle eingeleitet wird, und daß dann innerhalb des entstandenen Zwischenstadiums des Moleküls die eigentliche Reaktion erfolgen soll. Je nachdem, ob dabei

1 Fischer (1911), 123 2 Walden (1896) 3 Lieben (1935), 358 4 nach M.Bergmann (1922/1987), XXIII 5 Bergmann (1987) 6 Knight (1951),753-762 7 Bergmann (1955), 411 34 der eintretende Substituent an die Stelle des austretenden kommt oder an eine andere, soll ein Umkehrungsvorgang ausbleiben oder eintreten. Zur Verdeutlichung seiner Annahme wählte Emil Fischer ein in der Chemie damals ungewöhnliches Mittel. In seiner Publikation mit dem Titel: „Waldensche Umkehrung und Substitution“ findet sich die Darstellung eines einfachen Modells, anhand dessen die „Bildung von Additionsverbindungen durch sogenannte Nebenvalenzen“1 verständlich gemacht werden soll (Abb.2):2 Fischer erklärt sein Modell so: „Als Kohlenstoffatom dient eine kleine Holzkugel, die mit Kratzbürsten überzogen ist (Im Bild I Nr.7). Die Substituenten (z.B. bei α-Brompropionsäure: 1:H, 2:Br, 3:CH3,, 4:COONH4) werden durch verschieden gefärbte hohle Celluloidkugeln dargestellt. Sie sind durch einen Holzstift auf einer Korkplatte befestigt, welche ebenfalls mit Kratzbürsten versehen ist. Dadurch lassen sich die Substituenten an jeder Stelle des Kohlenstoffatoms bequem ansetzen und wieder ablösen .Die Kugeln 5 und 6 bedeuten die beiden für den Substitutionsvorgang in Betracht kommenden Teile des Ammoniaks, H und NH2. Sie sind durch eine Nebenvalenz an den Kohlenstoff geheftet. Figur II zeigt deutlicher die Anordnung der Additionsgruppe. Ich hebe übrigens hervor, daß die Anheftung des NH3 an den Kohlenstoff keine notwendige Bedingung der ganzen Betrachtung ist, sondern nur der Einfachheit halber angenommen wird.3

1 Der Begriff „Nebenvalenz“ wurde von dem Schweizer Chemiker Alfred Werner (1866-1919) im Zusammenhang mit Bindungsverhältnissen in komplexen Verbindungen eingeführt. Werner erhielt 1913 den Nobelpreis für Chemie. Der Begriff ist heute überholt. 2 Fischer (1911), 131. 3 Fischer (1911), 130. 35

Fischers Molekülmodell zur Veranschaulichung eines Reaktionsablaufes überrascht sowohl vom Stand der damaligen Theorie als auch von der praktischen Lösung und dürfte eines der ersten dieser Art in der chemischen Literatur gewesen sein1. Mit der praktischen Lösung hat Fischer die heute als „Klettverschluss“ bekannte Verbindungsart vorweggenommen. Es würde nicht verwundern, wenn Fischer, von dem sinngemäß gesagt wird, „daß sein Labor viele Fenster nach dem Patentamt hatte und daß sie alle weit geöffnet waren“,2 sich diese Verbindungsart hätte schützen lassen. Die eingehende Beschäftigung Emil Fischers mit dem Ablauf der Waldenschen Umkehrung ist um so erstaunlicher, als er in viel weiter gehendem Maße als andere Große ganz auf dem Boden des Experiments stand. Älteren Studenten seines Instituts und seinen eigenen Helfern überreichte er regelmäßig eine gedruckte Anleitung zur Ausführung wissenschaftlicher Versuche. Ein Satz darin lautete: „Man wird dringend gewarnt, sich bei Beobachtung der Erscheinungen, der Ausführung der Analysen und anderer Bestimmungen durch Theorien oder sonstige vorgefaßte Meinungen irgendwie beeinflussen zu lassen.3

Die gleiche Grundauffassung vertrat er im Schlusssatz seiner Faraday-Lecture, die er unter dem Titel „Synthetical Chemistry in its Relation to Biology“ im Oktober 1907 in London hielt:

„In order, as far as possible, to avoid mistakes in this difficult task and to shield ourselves from the disappointment which is the inevitable consequence of exaggerated hopes, we cannot do better than strive to imitate the great example of Faraday, who always, with rare acumen, directed his attention to actual phenomena without allowing himself to be influenced by preconceived opinion, and who in his theoretical conceptions gave expression only to observed facts“4

Emil Fischer und seine Mitarbeiter, vor allen Emil Abderhalden (1877-1950) synthetisierten eine große Zahl von Peptiden. 1901 begann Fischer mit dem Glycylglycin, am Ende der Reihe stand ein Oktadekapeptid. Die Herstellung höherer Peptide ließen die damals bekannten Methoden nicht zu. Die letzte peptidsynthetische Arbeit aus Fischers Institut erschien 1910. Die mehrfach geäußerte Absicht, die Arbeiten mit Peptiden wieder aufzunehmen, konnte Fischer, nicht zuletzt wegen des Krieges, nicht verwirklichen.

1 Ein sog. „Croquet-Ball Model“ findet sich bei A.W.Hofmann (1865), 416ff. (Nach Klein ,1994). 2 Herneck (1970), 44 3 Bergmann (1955), 415 4 Fischer (1907), 1765 36

In dem Zeitraum von etwa zehn Jahren, die Emil Fischer den Aminosäuren und Peptiden widmete, ist es ihm mit seinen Mitarbeitern und Schülern in unterschiedlichem Umfang gelungen,

- Eiweiße zu hydrolysieren und die Abbauprodukte qualitativ und grob quantitativ zu bestimmen, - einzelne Aminosäuren zu synthetisieren, die erhaltenen Razemate in die optisch aktiven Komponenten zu zerlegen sowie den Konstitutionsnachweis zu erbringen, - die als Eiweißbestandteil identifizierten Aminosäuren stufenweise in möglichst vielfältiger Abwandlung amidartig miteinander zu verbinden und - die so gewonnenen synthetischen Verbindungen mit den natürlichen Proteinen zu vergleichen1.

In einem 1906 vor der Deutschen Chemischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag fasste Emil Fischer die Ergebnisse seiner Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine so zusammen: „Ueber die Natur der beiden ersten Spaltprodukte (Albumosen und Peptone, R.G.) sind wir kaum besser unterrichtet als über die Proteine selbst. Um so erfolgreicher ist das bisherige Studium der Aminosäuren gewesen; denn für viele hat man nicht nur die Structur feststellen, sondern auch die Synthese verwirklichen können. Auf dieser Basis wird deshalb die chemische Forschung weiter bauen müssen, die sich die Aufklärung und künstliche Reproduktion der Peptone, Albumosen und Proteine zum Ziel gesetzt hat… …Noch wichtiger scheinen mir die auf dem gleichen Wege gefundenen Methoden zur Umwandlung der Aminosäuren in ihre amidartigen Anhydride, für die ich den Sammelnamen „Polypeptide“ gewählt habe. Die höheren Glieder dieser synthetischen Körperklasse sind in Bezug auf äussere Eigenschaften, gewisse Farbenreactionen, Verhalten gegen Säuren, Alkalien und Fermente, den natürlichen Peptonen so ähnlich,dass man sie als ihre nächsten Verwandten betrachten kann, und dass ich ihre Gewinnung als den Beginn der Synthese der natürlichen Peptone und Albumosen bezeichnen möchte.“2

Aus diesem Vortrag sind in der Öffentlichkeit übertriebene Hoffnungen geweckt worden. So titelte das verbreitete Journal „Die Gartenlaube“ unter Bezug auf Fischers Vortrag: „Künstlich erzeugtes Eiweiß“3. Der Autor folgerte: „Damit aber wäre der letzte Unterschied zwischen organischem und künstlichem Eiweiß gefallen und anstatt einem Kranken zur Nahrung und Stärkung irgend einen „Fleischsaft“ oder ein- gewöhnlich aus Tierblutkörperchen bestehendes – „Eiweißpräparat“ einzugeben, würde man mit einer leichter und genauer zu dosierenden Menge synthetischen Eiweißes das nämlich Ziel erreichen“ und an anderer Stelle: „Dann erst, nach Jahrhunderten, vielleicht kommt der Tag, da das größte menschliche Problem, die Unabhängigkeitserklärung von der Scholle, gelöst ist“.

1 nach Hoesch (1921), 394, ähnlich bei Hilgetag (1970), 287 2 Fischer (1906), 531-532 3 S.Saubermann (1906), 106 37

In einer Fußnote zur Einleitung seiner „Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine, Teil I, (1899-1906) schreibt Fischer dazu: „Zu meinem lebhaften Bedauern ist der Inhalt meines Vortrages von der Tagespresse vielfach mit phantastischen Übertreibungen besprochen worden.“1

Als noch bedeutungsvoller und von noch größerer Tragweite hat sich Fischers kühnes Unternehmen erwiesen, die rätselvollen und im wörtlichen Sinne damals unfassbaren Stoffsysteme der Fermente als chemische Reagenzien von hoher Spezifität der konstitutionellen Erforschung lebenswichtiger Stoffklassen dienstbar zu machen. Aus der Beobachtung, „daß die Enzyme bezüglich der Configuration ihrer Angriffsobjekte ebenso wählerisch sind, wie die Hefe und andere Mikroorganismen“ leitete Emil Fischer die noch heute gültige These ab, „dass Enzym und Glucosid wie Schloss und Schlüssel zu einander passen müssen, um eine chemische Wirkung aufeinander ausüben zu können. Die Vorstellung hat jedenfalls an Wahrscheinlichkeit und Wert für die stereochemische Forschung gewonnen, nachdem die Erscheinung selbst aus dem biologischen auf das rein chemische Gebiet verlegt ist.“2 Zwei für jene Zeit ungeheure Behauptungen stecken in diesen Sätzen. Beide haben sich bestätigt: 1. Biologie ist Chemie geworden, nachdem man bis in die Bereiche der Moleküle vordringen kann, und 2. Die Substanzen des Lebens passen aufeinander wie Schlüssel und Schloss. Fischers damaligen Weitblick können wir heute nur bewundern, war doch noch nicht einmal der Begriff des Makromoleküls konzipiert. Auch das Konzept, daß Moleküle eine definierte Raumerfüllung haben könnten, war neu. Zwar hatte van,t Hoff 1874 die Tetraeder-Theorie aufgestellt- bitter angefeindet von seinen Feinden- womit die Chemie endgültig dreidimensional geworden war, aber daß Moleküle auch eine Passform haben könnten, war visionär.3 Fischer schätzte den biologischen wie den wissenschaftlichen Wert der Fermente wegen ihrer vielfältigen und subtilen Wirkungen sehr hoch. Er vermutete, „daß die lebende Welt über ein großes Heer solcher Stoffe verfügt.“ Hinsichtlich der katalytischen Wirkung meinte er: „Aber die Fermente verhalten sich zu den Katalysatoren in der Mineralchemie wie eine moderne Spezialmaschine feinster Konstruktion zu dem einfachen Handwerkszeug früherer Zeiten.“4 Und zur Kenntnis des Baus der Fermente: „Die chemische Erforschung der

1 Fischer (1906a), 1 2 Fischer (1894), 2992 3 Cramer (1997), 191 4 Fischer (1907), 16 38

Fermente befindet sich noch in den ersten Anfängen. Alle Versuche, ihre Zusammensetzung und Struktur festzustellen, sind bisher vergeblich gewesen. Soviel aber wissen wir, daß sie mit den Proteinen manche Ähnlichkeit haben und sehr wahrscheinlich daraus entstehen.“

Wie hoch der wissenschaftliche Wert der Arbeiten Emil Fischers auf dem Eiweißgebiet schon zu seinen Lebzeiten eingeschätzt wurde, geht aus einem Brief Richard Willstätters (1872- 1942) aus dem Jahre 1915 hervor, in dem er Fischer seine Absicht mitteilt, dessen Untersuchungen über Proteine für einen Nobelpreis vorzuschlagen:

„Dass dieselben noch nicht durch einen Nobelpreis ausgezeichnet sind, wäre undenkbar, wenn sich ihnen nicht die Arbeiten über Zucker und Purine in den Weg gestellt hätten und wenn es nicht ein Novum wäre, einem Forscher den Preis derselben Klasse wiederholt zuzuerteilen.“1

Fischers synthetische Peptide waren Meilensteine auf dem erfolgreichen Weg seiner geistigen Kinder und Enkel Max Bergmann, Joseph.S.Fruton, Leonidas Zervas, William H.Stein, Stanford Moore u.a. Aber Emil Fischer war erfahren und klug genug zu erkennen, wann er bei der Lösung der großen Aufgaben der Chemie auf dem Naturstoffgebiet mit den gegebenen Möglichkeiten an die Grenzen des Erreichbaren stieß. Er hat sich immer daran gehalten, ein Forschungsfeld erst dann zu verlassen, wenn mit dem Rüstzeug der Chemie nichts Grundlegendes mehr ans Licht zu fördern ist.2 Er war aber auch stets zuversichtlich, daß die Lösung dieser Aufgaben, wenn auch mit der Arbeit von Generationen, erreicht werden wird.3

Fast prophetisch sprach er die folgenden Sätze im Herbst 1917 auf eine Schallplatte:

„Obschon es schwer ist, die künftige Entwicklung der Wissenschaften vorherzusehen, so glaube ich doch sagen zu können, daß die Verbindung der organischen Chemie mit der Biologie viel enger werden und immer reifere Früchte bringen wird. Im Besonderen hoffe ich zuversichtlich, daß es durch die Erzeugnisse der organischen Synthese gelingen wird, einen radikalen chemischen Einfluss auf die Entwicklung der Organismen zu gewinnen und Veränderungen hervorzurufen, die alles durch Züchtung Erreichbare weit übertreffen.“4

1 Willstätter (1915), Willstätter hatte im Jahre 1915 für seine Untersuchungen über Pflanzenfarbstoffe, insbesondere über Chlorophyll den Nobelpreis für Chemie zuerkannt bekommen. Nach den Statuten der Nobelstiftung konnte er von nun an ohne Aufforderung in jedem Jahr je einen Laureaten für die Nobelpreise für Chemie und Physik vorschlagen. Eine wiederholte Auszeichnung mit einem Nobelpreis der gleichen Klasse erfuhr bisher nur der Chemiker Frederick Sanger 1958 und 1980. 2 Lieben (1935), 358 3 Fischer (1893), 632 4 DRA Frankfurt am Main, Die Deutsche Wissenschaft im Kriege , W10, 01-A-10 39

Der aus Fischers Worten zur Zeit einer sich abzeichnenden Niederlage im Krieg sprechende Optimismus zeugt von der außergewöhnlichen Persönlichkeit Emil Fischers. Er hatte bereits zwei seiner Söhne verloren, in den Labors und den Arbeitssälen seines Instituts herrschte gähnende Leere. Die meisten Assistenten und Studenten waren Soldaten.1

Die Kriegsjahre forderten von Emil Fischer trotz seines geschwächten Gesundheitszustandes (die langjährige Arbeit mit Phenylhydrazin hatte seine Atemwege sowie innere Organe nachhaltig geschädigt2) hohen persönlichen Einsatz.

Der kurz nach Beginn des Krieges erkennbar gewordene Mangel an Hilfsstoffen, Nahrungs- und Futtermitteln stellte Emil Fischer vor schwierigste Aufgaben. Von ihm als einem „Wirklichen Geheimen Rat“ und besonders als der unbestrittenen Autorität auf dem Gebiet der Chemie wurden Vorschläge für die Lösung dringendster Probleme erwartet:

- Salpetermangel drohte, die Munitionsproduktion lahm zu legen, - ausbleibende Kampfer-Importe gefährdeten die Schießpulver- Herstellung, - für den erhöhten Reifenbedarf fehlten Kautschuk-Ersatzstoffe, - für die Sprengstoffherstellung fehlte Toluol, - die eigenen Schwefelvorkommen reichten nicht aus - zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Erträge musste eine Düngemittel-Produktion vorbereitet werden, - die Futtermittel-Verknappung zwang zur Entwicklung von Aufschlussverfahren für Stroh, Holz und Schilf.

Für jedes der genannten Probleme erarbeitete Fischer mit Experten aus Industrie und Verwaltungen Vorschläge für Lösungen und beteiligte sich zum Teil an deren Umsetzung.3 In diesem Zusammenhang wurde Fischer 1915 durch den Minister der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten auch ein Bericht von der Technischen Hochschule Hannover zur Beurteilung übergeben, in dem „die Entdeckung des Privatdozenten Dr.Bergius“ beschrieben wird, „Benzin, Petroleum und Schweröle aus Petroleumrückständen, sowie aus Kohle herzustellen“.4 Für Emil Fischer waren das ungewohnte Umsetzungen an ungewohnten Naturstoffen.

1 M.Bergmann (1929), 418 2 L.Lewin (1919), 878 3 A.v.Weinberg (1919), 868-873 4 Archiv MPG Abt.X, Rep.12, Film 8 40

Emil Fischer, der immer auch im Ausland hohes Ansehen als Wissenschaftler genoss und der immer, auch während des Krieges um internationalen Wissens- und Meinungsaustausch bemüht war, fasste den Ernst der Lage und seine Hoffnungen für die Zukunft im Schlusssatz seiner auf einer Schallplatte aufgezeichneten kurzen Rede zusammen:

„Die deutsche Naturforschung und die vielfach mit ihr in Wechselwirkung stehende Technik haben mit Ausbruch des Krieges von Seiten des feindlichen Auslandes mancherlei Geringschätzung und Kränkung erfahren. So bedauerlich diese Erscheinung auch sein mag, so sicher wird sie in ruhigerer Zeit wieder verschwinden. Jedenfalls wollen wir uns dadurch nicht irremachen lassen, sondern fortfahren, im Wettstreit mit allen anderen Kulturvölkern den Schatz der Naturerkenntnis zu mehren und durch nützliche Anwendung in Gewerben und Künsten der ganzen Menschheit nutzbar zu machen1.“

2.2.1.2 Die Begriffe „Reinheit“ und „Molekül“ in der Eiweißforschung

Das Problem der Reinheit eines Stoffes und der handwerklichen Fertigkeiten der Reinigung ist seit jeher Bestandteil der Chemie. In der anorganischen und organischen Chemie werden Kristallinität und Reinheit generell im Zusammenhang gesehen. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts waren schon kristallisierte Proteine bekannt. Der Jenenser Physiologe Friedrich Nikolaus Schulz (1871-1956) kennzeichnete 1901 die Situation in der Einleitung zu seinem Buch „Die Krystallisation von Eiweissstoffen und ihre Bedeutung für die Eiweisschemie“ mit folgenden Worten:

„Es gab eine Zeit, wo man eine spezifische Eigenschaft der Eiweissstoffe gerade darin suchte, dass sie als „colloidale“ Körper n i c h t im Stande seien zu krystallisieren. Heute können wir auf Grund zahlreicher Beobachtungen diese alte Annahme als irrig bezeichnen. Wenn es in vielen Fällen nicht gelingt, eine Krystallisation herbeizuführen, so liegt das an den Unvollkommenheiten der Methoden der Reinigung und der Abscheidung, und ist nicht durch eine specifische Eigenschaft der Proteine bedingt.“2

Nun war und ist Kristallisierbarkeit für einen Chemiker schon ein wichtiger Hinweis auf Reinheit. Und wenn sich nach dem Umkristallisieren einer Substanz der Schmelzpunkt nicht mehr ändert, gilt das Ziel als erreicht, einen reinen Stoff zu

1 s.Fußnote 3, S. 35. 2 Schulz (1901), 1 41

haben. Aber Eiweiße schmelzen nicht, haben zumindest keinen scharfen Schmelzpunkt, sie zersetzen sich bei höheren Temperaturen. Ihre Moleküle haben eine solche Größe, dass sie sich den klassischen Methoden der Molekulargewichtsbestimmung- Schmelzpunkterniedrigung oder Siedepunkterhöhung- entziehen. Auch die Elementaranalyse half nicht weiter. Die Zusammensetzung von Eiweißen aus C, H, O und N, bei einigen kommt noch S hinzu, schwankt innerhalb sehr enger Grenzen. Man findet ca. 55%C, um 7%H, 21- 22%O und etwa 16%N. Sowohl nach Liebig mit gröberen Waagen und größeren Einwaagen von einigen hundert Milligramm als auch mit der gerade um 1910 von dem österreichischen Chemiker Fritz Pregl (1869-1930) eingeführten Mikroelementaranalyse organischer Verbindungen, die mit wenigen Milligramm Substanz auskam, war hier nicht weiterzukommen. Man dachte ja damals auch in überschaubaren Moleküldimensionen. Das größte von Emil Fischer synthetisierte Polypeptid war ein Oktadekapeptid aus 15 Glycyl- und 3 Leucylresten1, das wie er sagte, „äußere Ähnlichkeiten“ mit einigen natürlichen Proteinen hatte. Noch 1907, als man bereits 19 verschiedene Aminosäuren durch Hydrolyse von Proteinen erhalten hatte, fürchtete Fischer:

„Wenn sie wirklich alle Bestandteile desselben Moleküls wären, so müsste dies ein erschreckend großer Komplex sein, und in der Tat lauten die älteren Schätzungen des Molekulargewichtes für manche Proteine auf einen Wert von 12-15.000, der denjenigen der Fette um das 15- 21fache übertreffen würde. Ich bin nun allerdings der Ansicht, daß diese Berechnungen auf sehr unsicherer Basis beruhen, vornehmlich deshalb, weil wir nicht die geringste Garantie für die chemische Einheitlichkeit der natürlichen Proteine haben; ich glaube vielmehr, daß sie Gemische von Substanzen sind, deren Zusammensetzung in Wirklichkeit viel einfacher ist, als man bisher nach den Resultaten der Elementaranalyse und der Hydrolyse annahm.“2

Das albuminoide Protoplasma wurde bereits differenziert gesehen. Man sprach von diskreten Proteinen, Enzymen und Nukleinsäuren ebenso wie von Polysacchariden, Steroiden usw. Die Aufklärung deren chemischer Struktur und biologischer Wirkung, deren intrazellulärer Organisation und metabolische Umwandlung standen zur experimentellen Untersuchung an. Damit verschärften sich aber auch die Fragen nach dem molekularen Bau dieser Stoffe.

1 Fischer (1907, 1754 2 Fischer (1911a), 8 42

Das größte Hindernis, Klarheit über den Molekülbegriff und die Größe der Moleküle von Proteinen zu gewinnen bestand darin, daß die Mehrheit der beteiligten Wissenschaftler nicht bereit war, die Möglichkeit der Existenz von Verbindungen mit sehr hohem Molekulargewicht anzuerkennen. Die organischen Chemiker dieser Zeit wollten einfach nicht glauben, daß große Moleküle stabile Strukturen haben konnten.1 1903 veröffentlichte Friedrich Nikolaus Schulz sein Buch „Die Grösse des Eiweissmoleküls.“ Für ihn unterlag es“ keinem Zweifel, dass das Eiweissmolekül verhältnismäßig groß ist, viel größer als das der meisten chemischen Untersuchungsobjekte.“2 Auf der 74.Jahrestagung der Deutschen Naturforscher und Ärzte 1902 in Karlsbad nannte der physiologische Chemiker und Pharmakologe Franz Hofmeister als Minimalgrößen für die Molekulargewichte von Eier- und Serumalbumin ca. 5.400 bzw. 10.1003. Noch 1916 kommentierte Fischer den Wert von 15.000-16.000, den Hofmeister für das Molekulargewicht von Hämoglobin gefunden hatte, mit den Worten: „Nach meiner Auffassung sind die Methoden der Molekulargewichtsbestimmung der Hämoglobine weniger zuverlässig als bisher angenommen. Obwohl sie hübsch kristallisieren, ist ihre Homogenität nicht erwiesen. Aber selbst wenn man diese unterstellt und die Richtigkeit des Molekulargewichtes von 15.000 bis 16.000 für verschiedene Hämoglobine annimmt, sollte man nach allem, was wir über seine Struktur wissen bedenken, dass das Hämatin mehrere Globin-Einheiten binden kann.“4

Fischers Autorität war unangefochten. Auch aufgrund seiner Ausführungen war man vielfach der Meinung, daß hochmolekulare Verbindungen nicht existenzfähig seien. Die gesamte Periode von 1900 bis etwa 1920 war von der Unsicherheit gekennzeichnet, ob eine Proteinlösung eine einheitliche flüssige Phase darstellt oder ob das Protein nur als eine Art Fremdkörper in der Lösung suspendiert sei.5 Die Feststellung Albrecht Kossels: „Es ist also durchaus nicht statthaft, einen Eiweisskörper deshalb als rein anzusehen, weil er krystallisiert ist“6 gilt noch heute. Auch für den Nachweis

1 Fruton (1979), 6 2 Schulz (1903), 1 3 Hofmeister ging von einem mittleren Molekulargewicht eines Aminosäurerestes von 135 und davon aus, daß sich bei je einmaligem Vorkommen der damals ihm bekannten 24 „Eiweißkerne“ eine „ Molekulargröße von 3240“ ergeben würde, „ bei Annahme von 40 verschiedenen derartigen Kernen würde ein Werth von 5400 resultieren“. (Schulz, 1903, S.86) 4 nach Fruton (1972), 135 5 Edsall (1962), 16 6 Kossel (1901), 3229 43 der Reinheit eines Proteins wie auch für die Bestimmung der Molekülgröße galt die Kritik und Forderung von Svante Arrhenius: I am convinced that biological chemistry cannot develop into a real science without the aid of the exact methods offered by physical chemistry. The aversion, shown by biochemists, who have in most cases a medical education, to exact methods is very easily understood. ...The physical chemists have found that the biochemical theories, which are still accepted in medical circles, are founded on an absolutely unreliable basis and must be replaced by other notions agreeing with the fundamental laws of general chemistry.”1

2.2.1.3 Die Farbstoffchemie und die Eiweißforschung

In seiner Zeit bei Adolf v.Baeyer in München untersuchte Emil Fischer gemeinsam mit seinem Neffen Otto Fischer die Struktur des Farbstoffs Rosanilin und identifizierte ihn 1878 als ein Triphenylmethan-Derivat. Rosanilin (Fuchsin) war 1862 von August Wilhelm Hofmann durch Einwirken von Tetrachlorkohlenstoff auf rohes Anilin hergestellt worden. Dieser Farbstoff ermöglicht in seiner reduzierten Form als fuchsinschweflige Säure die Erkennung von Desoxyribonukleinsäure (DNS)2, die erste und wirklich spezifische zytochemische Reaktion.3 Der Entdecker, Robert Joachim Wilhelm Feulgen (1884-1955), war Professor für Chemie in Gießen. Er entwickelte ein Verfahren zur Erkennung des Zellkerns in Gewebeschnitten, die Feulgen- oder Nuclealfärbung. Sie beruht auf der hydrolytischen Spaltung der Desoxynukleinsäure (DNS) und der anschließenden Farbreaktion der Aldehydgruppe in der Desoxyribose mit fuchsinschwefliger Säure.

Ribonukleinsäuren geben diese Reaktion nicht.4 Dieser Unterschied war für die spätere Nukleinsäure-Forschung von großer Bedeutung. Die Analytik von Aminosäuren und Aminen baut auf einer Reaktion auf, die 1910 von dem Chemiker Siegfried Ruhemann (1859-1943) zufällig entdeckt wurde. Ruhemann arbeitete über zyklische Dicarbonylverbindungen. Dabei erhielt er auch eine Verbindung, das 1,2,3- Triketohydrindenhydrat (Indan-1,2,3-Trion), das mit Ammoniak zu einem blauroten Farbstoff reagierte. In seiner Veröffentlichung heißt es:5

1 Arrhenius (1915), VI 2 Feulgen und Rossenbeck (1924), 203 3 Brachet (1957), 1 4 Glick (1949), 65 5nach West (1965), 386-387 44

„Von besonderem Interesse ist die Wirkung von Ammoniak auf das Triketon. Wenn die wässrige Lösung der Mischung beider Substanzen eine kurze Zeit steht, färbt sie sich tief rotviolett“

In einer zweiten Arbeit wenige Monate später verweist Ruhemann erstmals auf die Farbreaktion von Ninhydrin mit α-Aminosäuren, Peptiden und Proteinen.1 Ruhemann schrieb:

„Es hat sich gezeigt, daß Ninhydrin2 ein höchst wertvolles Reagens für Proteine und deren Hydrolyseprodukte ist, zumal mit seiner Hilfe sogar Spuren dieser Substanzen zu erkennen sind.“3

Der Reaktionsablauf und die möglichen Strukturen des bei der Reaktion von Ninhydrin mit Aminogruppen enthaltenden Substanzen gebildeten Farbstoffs (Ruhemanns Rot oder Ruhemanns Purpur) wurde erst in den 1970er Jahren ermittelt4 (Abb.3). Die Ninhydrin-Reaktion hat seit den Anfängen der modernen qualitativen und quantitativen Aminosäure- und Peptidanalytik nicht an Bedeutung verloren.

2.2.2 Die Eiweißforschung und die Biologie

Bezüglich der Eiweißforschung im 20.Jahrhundert waren es zwei Arbeitsrichtungen der Biologie, die den Verlauf der Forschungen maßgeblich bestimmten: Die Genetik und die Physiologie. Die Genetik ist eine der wenigen Wissenschaften, für deren Ausgangsentdeckung ein Datum genannt werden

1 Ruhemann (1910a), 1438 2 Der Name taucht zum ersten Mal in einer Publikation von Abderhalden und Schmidt (1913) auf. Abderhalden spielte bei der Verbreitung des Ninhydrin eine wichtige Rolle. 3 Ruhemann (1911), 792 4 Schönberg und Singer (1978) 45 kann. Es war der Februarabend 1865, an dem Gregor Mendel den Mitgliedern der Brünner Gesellschaft für Naturwissenschaften bekannt gab, er habe Gesetze oder Prinzipien gefunden, die dem Prozess der Vererbung bei Pflanzen zugrunde liegen. Diese Mitteilung hatte kaum Auswirkungen auf die Forschung bis zu der dramatischen, unabhängig voneinander erfolgten Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze durch drei europäische Botaniker1 im Jahre 1900.2 Rheinberger nennt dieses Jahr annus mirabilis3. Bei Stubbe4 findet sich eine Untersuchung der Umstände, die zur Wiederentdeckung der Mendelschen Ergebnisse führten. Der englische Arzt und Biochemiker Archibald Edward Garrod (1857-1936) veröffentlichte 1909 seinen ein Jahr früher vor dem Royal College of Physicians gehaltenen Vortrag mit dem Titel: “Angeborene Stoffwechselfehler“. Darin fasste er zusammen, was über die damals bekannten vier Erbkrankheiten des Menschen: Albinismus, Alkaptonurie (Phenylketonurie), Cystinurie und Porphyrinurie bekannt war.5 1914 fand der deutsche Chemiker Gross, dass Alkaptonurie auf das Fehlen eines Enzyms zurückzuführen ist. Garrod erkannte die Beziehung Gen – enzymspezifische Reaktion und ist als Vater der chemischen Genetik anzusehen.6 Garrods Buch wurde wegen der darin beschriebenen Krankheitsfälle viel zitiert, aber bis in die 1930er Jahre wissenschaftlich wenig beachtet. Beadle hatte dafür die Erklärung, daß die meisten Genetiker wenig geneigt waren, Vererbungsfragen unter chemischen Gesichtspunkten zu sehen, eine Haltung, die sich noch lange hemmend auf den Fortschritt ausgewirkt hat. Es hat sich gezeigt, daß viele Prinzipien der Genetik allgemeinen Charakter haben. Ihre Gesetze gelten nicht nur bei Pflanzen, bei denen Mendel sie fand, sondern bei allen Tieren, selbst beim Menschen und der ganzen Welt der Mikroorganismen, der Bakterien und Viren, die seit Mendel entdeckt wurden. Heute beschäftigt sich die Genetik mit dem Mechanismus der Vererbung und dem chemischen und physikalischen Aufbau des Erbmaterials in den Zellkernen und Chromosomen.

Für die um die Jahrhundertwende auf dem Proteingebiet vorherrschenden medizinischen Physiologen war eine der wichtigsten Fragen die Umwandlung von Nahrungsmitteln in Bestandteile von Geweben. Die überkommene Ansicht war, diese Umwandlung sei ein Stufenprozess, in dem Nahrungsbestandteile im Verdauungstrakt gelöst werden, eine

1 Correns, Emil (1864-1933), v.Tschermak-Seysenegg, Erich (1871-1962) u. de Vries, Hugo (1848-1935) 2 Dunn (1951), IX 3 Rheinberger (2002), 339 4 Stubbe (1965), 228-230 5 Garrod (1923), 216 ff. 6 Beadle (1951), 222 46

„Chyme“ bilden, die im Blut gelöst und dann in feste Strukturen eingebaut werden.1 Der Chemiker Donald Dexter Van Slyke (1883-1971) bewies dann 1912 mit seiner gasometrischen Methode zur Bestimmung des Aminostickstoffs, daß Proteine im Säuger- Verdauungstrakt vollständig zu Aminosäuren gespalten werden und daß die Aminosäuren aus dem Blut auf dem Wege über das Gewebe verschwinden.2 Andere Physiologen führten, beeinflusst durch H. von Helmholtz (1821-1894), E. du Bois-Reymond (1818-1896) und Carl Ludwig (1816-1895) die Lebensvorgänge auf elementare physikalisch-chemische Prozesse zurück und erklärten sie aus den allgemeinen Naturgesetzen3. Nach und nach finden dann auch chemische Vorstellungen Eingang in die Physiologie, und im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wird die physiologische Chemie mehr und mehr eine selbständige Disziplin.4 Gegen Ende des 19.Jahrhunderts stehen also in Deutschland eine physikalische und eine chemische Richtung nebeneinander, die experimentell, messend, analytisch eine Reduktion der physiologischen Zusammenhänge auf die Gesetze der Physik und Chemie anstreben. Innerhalb der vegetativen Physiologie waren die Beiträge zur Untersuchung verschiedener Hämoglobine und deren Eigenschaftsänderungen bei der Atmung von besonderer Bedeutung. Neben dem erst später entdeckten Insulin waren das Hämoglobin des Blutes sowie das Myoglobin des Muskels diejenigen Proteine, an denen die chemische Zusammensetzung, die räumliche Struktur und die biologische Funktion im Organismus zuerst aufgeklärt werden konnten. Von der pathologischen Physiologie kamen Anregungen und Beiträge zur Untersuchung der Rolle von Enzymen, Peptidhormonen sowie anderen Eiweißkörpern bei krankhaften Störungen.

2.2.3 Die Eiweißforschung und die Physik

Für die Eiweißforschung von besonderer Bedeutung zeigte sich eine Entwicklung, die innerhalb der experimentellen Physik eine zunehmend wichtige Rolle spielte. Diese Tradition begann mit der Entdeckung der X-Strahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) im Jahre 1895 und mit der Entdeckung der Beugung dieser Strahlen an Kristallen 1912 durch Max v.Laue (1879-1960), Walter Friedrich (1883-1968) und Paul Knipping (1883-1935)5. Auch dieses Ergebnis kam nach Diskussionen der Beteiligten mit Paul P.Ewald (geb.1888),

1 Fruton (1976), 328 2 Van Slyke (1913), 197-212 3 Rothschuh (1953) 4 Simmer (1958) 5 Friedrich u.a. (1912), 303 47 die alle in den Laboratorien von Arnold Sommerfeld (1868-1951) und Conrad Wilhelm Röntgen arbeiteten, fast zufällig zustande1. Die nachfolgende Entwicklung der Röntgen- Spektroskopie durch William Henry Bragg (1862-1942), dessen Sohn William Lawrence Bragg (1890-1971) und deren Mitarbeiter zu einer leistungsfähigen Technik für die Untersuchung der Anordnung der Atome in Molekülen ermöglichte die Lösung des Problems der Strukturbestimmung vieler biologisch interessanter Moleküle.2 Für die Eiweißforschung wurden diese Erkenntnisse erst ab 1934 wirksam, als John Desmond Bernal (1901-1971) Röntgenbeugungsaufnahmen von feuchten3 Pepsin-Kristallen vorlegte. Untrennbar verbunden sind die Physik und die physikalische Chemie mit der Eiweißforschung in der Analytik und der Analysentechnik. Beispiele sind die Adsorption und Verteilung zwischen Phasen, Nutzung der Schwerkraft in Zentrifugen sowie von Gesetzen der Optik in spektroskopischen Bestimmungsmethoden, allgemeiner ausgedrückt in allen Verfahren zur Trennung, Reinigung und Charakterisierung von Proteinen. Entscheidenden Einfluss auf die Eiweißforschung nahmen Physiker und Physikochemiker in den dreißiger Jahren, als sie die physikalische Denkweise in die Biologie hereintrugen und damit halfen, Antworten auf Fragen nach den Grundlagen der Vererbung, der Struktur von Proteinen und nach deren Synthese in biologischen Systemen zu beantworten. Die Übertragung physikalischer Prinzipien auf die lebende Materie erfolgte infolge zweier wichtiger Verallgemeinerungen: Lebende Materie ist aus denselben Elementen aufgebaut wie die unbelebte Welt – und: Der Satz von der Erhaltung der Energie ist für die Prozesse der lebenden Materie ebenso gültig wie für alle Prozesse der unbelebten Welt.4

2.2.4 Die Eiweißforschung und die Philosophie

In der Philosophie der Biologie geht es zum großen Teil um Fragen, die schon seit vielen Jahrhunderten Gegenstand philosophischer Untersuchungen sind und auf die, je nach dem Stand der biologischen Forschung und je nach den philosophischen Zeitströmungen zu verschiedenen Zeiten einander widersprechende Antworten gegeben worden sind5. Die biologischen Wissenschaften haben im vergangenen Jahrhundert eine Entwicklung erfahren, die den Gegensatz von Mechanismus und Vitalismus immer wieder haben aufbrechen lassen.

1 Crowfoot Hodgkin (1979), 123 2 Fruton (1999), 16 3 Schimper (1881), 131 4 Delbrück (1972), 26 5 Bünning (1932), 5 48

Diese Frage ist von großer Bedeutung für das Verständnis des Verhältnisses der biologischen zu den physikalischen und chemischen Gesetzen, der Biologie zur Physik und Chemie. Vertreter des Vitalismus heben gewisse Besonderheiten des Lebens hervor, leugnen jedoch deren materiellen Charakter. Der Vitalismus mystifiziert Lebensvorgänge, indem er behauptet, sie wären von „übermateriellen Lebensprinzipien“, -kräften (vis vitalis), ,Entelechien, und dergleichen regiert.1 Aber die Annahme einer immateriellen und daher mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht erkennbaren Substanz setzte der Naturforschung unbegründete Grenzen, indem sie eine absolute Kluft zwischen Lebendem und Nichtlebendem behauptete. Der sich anschließende Mechanismus-Vitalismus-Streit machte das deutlich2. Der Mechanizismus oder Mechanismus, wie er von deutschen Physiologen um die Mitte des 19.Jahrhunderts entwickelt worden war3, war von nachhaltigem Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Biologie, aber insbesondere der Physiologie. Der Mechanizismus nach Du Bois-Reymond betrachtete naturwissenschaftliches Erkennen als „Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf Bewegungen von Atomen, die durch deren in der Zeit unabhängige Zentralkräfte bewirkt werden, oder Auflösen der Naturvorgänge in Mechanik der Atome“.4 Er schrieb im Mai 1842: „ Brücke und ich, wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, dass im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind, als die genauen physikalisch-chemischen“.5Für den Mechanizismus läuft die Erkennung des Lebens darauf hinaus, die lebenden Systeme als physikalische Systeme zu erforschen, d.h. die physikalischen und chemischen Gesetze anzugeben, nach welchen sich die Organismen verhalten6. Diese Denkrichtung bedeutete für die weitere Entwicklung der Physiologie, die sich ja in den Anfängen mit der Eiweißforschung beschäftigte, einen ungeheuren Fortschritt, der zur konsequenten Überwindung des Vitalismus führte, der in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts weite Gebiete der Biologie, aber auch der Chemie beherrscht hatte und in der dadurch theoretisch gerechtfertigten Weiterentwicklung exakter Untersuchungsmethoden. Die Lebenskrafthypothese des Vitalismus war langsam, aber deutlich an den Rand der Wissenschaft gedrängt worden. In der Chemie brachte das von der Wöhlerschen Harnstoffsynthese entscheidend gestützte Isomeriekonzept immer mehr von vitalistischen Betrachtungsweisen ab. Mit der Einführung der Hypothese katalytischer Wirkung stand zudem ein ähnlich „mechanistischer“ Erklärungsrahmen auch für die Bildung chemisch

1 nach Hollitscher (1960), 285 2 Schellhorn (1967), 300 3 Du Bois-Reymond (1887), 364 4 Du Bois-Reymond (1886), 104 5 Du Bois-Reymond (1918), 108 6 Läsker (1964), 247 49

„unplausibler“ Verbindungen zur Verfügung.1 Mit den Erkenntnissen über den Bau der Atome und über die Bindungsverhältnisse im Molekül und zwischen Molekülen war zumindest bei den Chemikern Anfang des 20.Jahrhunderts den vitalistischen Auffassungen der Boden entzogen. In den biologischen Wissenschaften, also in der Physiologie und insbesondere in der Genetik scheint der Prozess der philosophischen Auseinandersetzung noch nicht abgeschlossen. Der Biologe Edmund Wilson fasste 1922 das damals angesammelte Wissen zu den Grundlagen des Lebens so zusammen: „Wir verschleiern unser Unverständnis dieses Problems mit gelehrten Phrasen.“2 Von Wilson stammt auch ein Ausspruch, der im Zusammenhang mit philosophischen Fragen von Biochemikern häufig zitiert wird: „Kurz und knapp: Wir wissen es nicht. Aber zu sagen ignoramus bedeutet nicht, daß wir auch sagen müssten ignorabimus!“ Dazu sagt der Biochemiker Joseph S. Fruton: „ …I must reiterate the obvious, namely that our ignorance of the „detailed chemistry“ of biological organization far exceeds the seemingly enormous extent of our empirical knowledge. To affirm, in Edmund Wilsons words, that “to say ignoramus does not mean that we must also say ignorabimus” is, I believe, as valid today as it was in 1922. In the intervening years, philosophers and philosophically-minded biologists and physicists have shifted their allegiance from “neo-vitalism” or “organicism” to “anti-reductionism”...these changes in attitude clearly reflect the impact on philosophical thought of the advances in the chemical explanation of important biological phenomena.”3

Max Delbrück hatte einmal eine Idee, die ursprünglich von seinem Mentor Niels Bohr stammte und die von Schroedinger in seinem Buch „What is Life?“ aufgegriffen und verbreitet wurde. Diese Idee ließ sich mit dieser Frage wiedergeben: Könnte es sein, daß bestimmte Aspekte des Lebens der Zelle, wie z.B. die Selbstreplikation, nur durch neuartige, noch zu entdeckende Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erklären sind, ähnlich wie in der Physik Neues erkannt wurde, als das mechanische Weltbild von der Quantenphysik ersetzt wurde? Neue Gesetze? Vis Vitalis? Sicher hätte Delbrück den Vorwurf des Vitalismus empört von sich gewiesen… Aber selbst, wenn seine Ideen gefährlich an Vitalismus erinnerten, so hatten sie doch – so Delbrück- einen Nutzen: Sie hatten mindestens einen Physiker veranlasst, sich ernsthaft mit biologischen Fragestellungen zu beschäftigen.4

1 Schütt (1984), 208-209 2 Wilson (1923), 277-286 3 Fruton ( 1992), 141 4 Hausmann (1995), 53 50

2.3 Eine Zwischenbilanz

Besondere Verdienste in der Eiweißforschung erwarben sich Emil Fischer, Franz Hofmeister und Albrecht Kossel. In der Zeit bis zum I.Weltkrieg wurden die ersten Peptidsynthesen durchgeführt. Hinsichtlich des Wirkungsmechanismus von Enzymen brachte Emil Fischer mit seiner Theorie des Prinzips von „Schlüssel und Schloss“ räumliche Vorstellungen von biochemischen Reaktionen in die Diskussion. Über die Größe von „Eiweißkörpern“ gab es wegen des noch unklaren Molekülbegriffs und unsicherer Ergebnisse von Molekulargewichtsbestimmungen unterschiedliche Auffassungen, die sowohl in fachlichen als auch ideologischen Unklarheiten begründet waren. Bei Isolierungs-, Reinigungs- und Syntheseverfahren wie auch bei Analysentechniken waren Grenzen erreicht. Für die sich im nächsten Zeitabschnitt entwickelnde molekulare Genetik als Teil der Eiweißforschung wurde mit der Wiederentdeckung der Ergebnisse Gregor Mendels eine bedeutende Grundlage geschaffen. Über die materielle Grundlage der Vererbung wurden erste Erkenntnisse gewonnen. Die Entdeckung von Farbreaktionen war eine wichtige Voraussetzung sowohl für Forschungen auf dem Eiweiß- als auch auf dem Nukleinsäuregebiet. Mit der Beugung der erst kurz zuvor entdeckten Röntgenstrahlen an Kristallen wurde eine physikalische Methode zur Strukturbestimmung zugänglich, die später eine dreidimensionale Darstellung von Molekülstrukturen von Eiweißen ermöglichte. Die Durchführung der Arbeiten zur Isolierung und Aufklärung von Eiweißstoffen und Nukleinsäuren erfolgte zuerst in Physiologischen, später in Physiologisch-chemischen und Chemischen Universitätsinstituten. Während in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts insbesondere an der Gewinnung und Identifizierung von Aminosäuren französische Forscher und Einrichtungen beteiligt waren, lag der Schwerpunkt der Eiweißforschung am Anfang des 20.Jahrhunderts eindeutig in Deutschland. Die vielfältige und fruchtbare internationale wissenschaftliche Kommunikation brach mit dem Beginn des I.Weltkrieges zusammen.

51

3.Die Eiweißforschung zwischen den beiden Weltkriegen

Mit dem Ende des I.Weltkrieges traten tief greifende Änderungen ein, die sich auch auf die Forschung auswirkten. In Deutschland wirkten die politischen Veränderungen sowie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hemmend auf den Umfang der wissenschaftlichen Arbeit. In den USA und Großbritannien wurden die Schwerpunkte der biochemischen Forschung institutionell und inhaltlich noch enger an medizinische Einrichtungen und Fragestellungen gebunden. Besonders in den USA hatte der Krieg Schwächen der chemischen Industrie und Abhängigkeiten der Wirtschaft von Importen aufgezeigt, die zu einer Verstärkung der Ausbildung von Chemikern und Neuorientierung der chemischen Forschung führten.1 Unmittelbar nach dem Krieg war jede dritte Forschungsstelle in der Industrie von einem Chemiker besetzt. Jeder zwölfte Student an amerikanischen Colleges war ein Chemiestudent. Chemische Forschung wurde von einer „Herren-Beschäftigung“ (gentleman,s game) zu einem geachteten, fortschrittlichen Beruf. Die vielfältige und fruchtbare internationale wissenschaftliche Kommunikation war zusammengebrochen und die Welt in Freunde, Feinde und Neutrale gespalten.2Die Beziehungen zwischen Gelehrten verschiedener Länder, die über Jahrhunderte von äußeren und selbst von kriegerischen Auseinandersetzungen kaum beeinflusst worden waren, wurden jetzt schroff unterbrochen. Gleich nach Beginn des I.Weltkrieges hatten insgesamt 93 Gelehrte und Künstler in dem berüchtigten Manifest „Aufruf an die Kulturwelt“ nationalistische Positionen bezogen und, zum Teil im guten Glauben, Verletzungen der Neutralität Belgiens und Völkerrechtsverletzungen durch deutsche Truppen geleugnet. Unter den 93 Unterzeichnern waren auch die Chemiker Emil Fischer, Wilhelm Ostwald und Richard Willstätter, die auf dem Gebiet der Eiweißforschung arbeiteten oder mit ihrer Tätigkeit Einfluss darauf hatten. Im März 1919 wurde bekannt, daß die Alliierten Ende November 1918 in Paris Beschlüsse gefasst hatten, daß „nicht nur die Centralmächte3, sondern auch die Neutralen (…) aus der

1 Hager (1995), 51 2 Remane (2000), 86 3 Zentral- oder Mittelmächte: Politische Bezeichnung im I.Weltkrieg für Deutschland, Österreich-Ungarn sowie . die befreundete Türkei und Bulgarien. 52

Gemeinschaft ausgeschlossen sein (sollen).“1 Die während des Krieges entstandene Kluft bestand noch lange Zeit fort. Nicht nur die ehemaligen Gegner, sondern auch die Neutralen wurden von den Siegermächten längere Zeit aus internationalen Gremien ausgeschlossen. Es sollte Jahre dauern, bis alte Verbindungen wieder aufgenommen werden konnten. Nationale und internationale Krisen der Wirtschaft sowie eine inflationäre Geldentwertung waren Randbedingungen, mit denen die Forschung bis in die dreißiger Jahre zu kämpfen hatte.

3.1 Die allgemeine Situation der Forschung

Die Biochemie in Deutschland entwickelte sich zwischen den Kriegen als Forschungszweig in Krankenhäusern und in außeruniversitären Forschungsinstituten der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Die Weltwirtschaftskrise forderte Einschränkungen auch in den Wissenschaften. In den 1920er Jahren befanden sich unter den Millionen Arbeitslosen auch mehr als 2000 stellungslose Chemiker2. An deutschen Universitäten gab es 1914 nur vier Lehrstühle für Biochemie, die alle medizinischen Fakultäten zugeordnet waren. 1920 gab es nur noch drei.3 Trotz der militärischen Niederlage, des Wirtschaftskollapses und der politischen Krise behielt Deutschland viel von seiner Geltung in der biochemischen Forschung.4 Neben Otto Warburg (1883-1970) waren es besonders Carl Neuberg (1857-1956), Otto Meierhof (1884-1951) und Leonor Michaelis (1875-1949), die international den Ruf der deutschen Biochemie bestimmten. Warburg erhielt für seine Arbeiten auf den Gebieten der Atmung, der Gärung, der Photosynthese und des Stoffwechsels der Krebszelle 1931 den Nobelpreis. Meierhof wurde 1923 für Arbeiten über die Energiegewinnung im Muskel mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Neuberg übernahm 1913 die biochemische Abteilung im neugegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für Experimentelle Therapie, das von August P. von Wassermann (1866-1925) geleitet wurde und nach dessen Tod die Leitung des Instituts, das in Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie umbenannt wurde. Michaelis war Mitarbeiter von Paul Ehrlich. Dieser riet ihm, eine medizinische Laufbahn einzuschlagen, da man „nur bei ausreichendem Wohlstand ständig Grundlagenforschung betreiben könne.5“ Bis zu seiner Übersiedlung in die Vereinigten Staaten1 1921 arbeitete

1 zit. nach Remane (2000), 90 2 Ramstetter (1973), 314 3 Eulner (1990), 66-94 4 Fruton (1990), 271-272 5 Ebd., 253 53

Michaelis in Berliner Krankenhäusern, zuletzt im Krankenhaus „ am Urban“ als Bakteriologe, setzte aber seine biochemischen Untersuchungen fort. Zusammen mit Maud Leonora Menten (1879-1960) bestimmte er die Dissoziationskonstanten von Enzym-Substratkomplexen. Diese sind als „Michaelis-Menten-Konstanten“ in den biochemischen Sprachgebrauch eingegangen. Mit seinen Untersuchungen hat Michaelis die Auffassung von Svante Arrhenius bestätigt:

„Ich bin davon überzeugt, daß sich die biologische Chemie nicht zu einer wirklichen Wissenschaft ohne die exakten Methoden entwickeln kann, die die physikalische Chemie bietet. Die Abneigung, die einige Biochemiker zeigen, die meist eine medizinische Ausbildung haben, gegenüber exakten Methoden, ist gut verständlich. Physikochemiker fanden, daß biochemische Theorien, die in medizinischen Kreisen noch akzeptiert werden, auf einer absolut unzuverlässigen Grundlage beruhen und durch andere Vorstellungen ersetzt werden müssen, die mit den Grundgesetzen der allgemeinen Chemie übereinstimmen“.2

Vor 1914 sahen viele Biologen in der damals neuen physikalischen Chemie eine nützliche Möglichkeit zur Untersuchung physiologischer Prozesse wie Transport durch biologische Membranen, Muskelkontraktion, elektrische Leitung in Nerven und Befruchtung des Eis durch Spermien. Besondere Bedeutung hatte die kolloide Natur des Protoplasmas, einige Forscher beschworen die Existenz von Riesenmolekülen aus Eiweiß mit besonderen physikalischen Eigenschaften. Jacques Loeb (1859-1924), ein Neurophysiologe, wanderte 1891 nach Tätigkeiten in Straßburg und Würzburg in die USA aus. Er gehört zu den Pionieren der amerikanischen Physiologie und initiierte eine biochemisch orientierte Entwicklungsphysiologie. Seit 1917 beschäftigte er sich mit der Bindung von Ionen an Proteine. Er erkannte die Bedeutung der H-Ionenkonzentration bei physiologischen Versuchen und, daß Proteine als amphotere Elektrolyte Ionen stöchiometrisch und nicht unkontrolliert durch Adsorption an der Oberfläche binden. Ihm ist auch die Erkenntnis zu verdanken, daß das osmotische Verhalten von Proteinen der Theorie des Ostwald-Schülers Frederick George Donnan (1870-1956) gehorcht. Loeb ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Wandlung eines Physiologen zu einem Proteinchemiker mit Sinn für die physikalische Chemie, wie sie Ostwald jungen Biologen seiner Zeit vermittelte.3 Loeb und Michaelis haben zweifellos entscheidend zur Einführung der physikalischen Chemie in die Biochemie- Forschung ihrer Zeit beigetragen.

1 In der Michaelis-Gruppe am Rockefeller Institute fand der Botaniker David Rockwell Goddard (1908-1985), daß bei Reduktion von Cystin-Bindungen im Haar-Keratin durch Thioglykolsäure eine Lockerung der Struktur eintritt. Die Kosmetik-Industrie entwickelte daraus die sog. „Kaltwelle.“ 2 Arrhenius (1915), VI 3 Fruton (1990), 249-250 54

Am Rockefeller Institute for Medical Research in New York zählten zu Loebs Schülern auch John Howard Northrop (1891-1987) und Moses Kunitz (1887-1978). Northrop glaubte wie Loeb, daß die physikalische Chemie, wie Ostwald und Arrhenius sie lehrten, die verlässlichste Grundlage für die experimentelle Untersuchung biologischer Probleme sei. Besonders folgte er Arrhenius, Rat, so wenige Theorien wie möglich zu benutzen.1 Der polnische Biochemiker Marceli Nencki (1847-1901) arbeitete bei Baeyer in Berlin, wurde als ordentlicher Professor für medizinische Chemie nach Bern berufen und ging 1891 als Leiter der chemischen Abteilung des neuen Instituts für Experimentelle Medizin nach St.Petersburg. Bei der Förderung der Biochemie in Europa stand er in einer Reihe mit Felix Hopppe-Seyler und Franz Hofmeister. Einer seiner Schüler war John Jacob Abel (1857-1938), der später bei der Entwicklung der Biochemie und Eiweißforschung in den USA eine wichtige Rolle spielte. Die Mehrzahl der Anwärter für die Biochemie waren Chemie-Absolventen. Die klinische Medizin bot die nötigen Arbeitsmöglichkeiten. Die Forschungsprogramme der 1920er und 1930er Jahre spiegelten die Beziehungen zwischen Chemie, Biologie und klinischer Medizin wider. Die Arbeitsrichtungen, die später als bioorganisch oder biophysikalisch-chemisch genannt wurden, entstanden durch dauernden Zustrom organischer und physikalisch- chemischer Absolventen in die Biochemie. Die Biochemie war ein bedeutender Markt für Chemiker in den USA. Für die Erhöhung des Anteils der Biochemie an der medizinischen Forschung gab es auch einen wichtigen ökonomischen Grund: Die medizinische Forschung war eines der wenigen Gebiete, das Philanthropen, die hinter den großen Stiftungen standen, auf dem Tiefpunkt der Depression als wichtig anerkannten und finanziell unterstützten.2 Das Entstehen einer anspruchsvollen Biochemie an amerikanischen Universitäten und deren großer Einfluss auf die medizinische Praxis wurden in den USA eindeutig gefördert durch den Zustrom von Wissenschaftlern, die während der dreißiger Jahre aus Deutschland und Österreich kamen.3 Darüber hinaus pflegten, trotz ihrer relativ geringen Zahl, produktive Forschungsgruppen an amerikanischen Universitäten wie die von Abel am Johns Hopkins Medical College oder Mendel an der Yale Universität die Traditionen, die sie bei ihren Forschungsaufenthalten in Deutschland kennen gelernt hatten.4

3.1.1 Staatliche und außerstaatliche Förderung der Forschung

1 Northrop (1961), 1-10 2 Kohler (1982), 213-214 3 Fruton (1990), 265 4 Die Direktoren des Rockefeller Institute hatten 1901 entschieden, lieber die Studien von Wissenschaftlern im Ausland zu finanzieren als Institute für deren Beschäftigung zu bauen. (Kohler (1982), 119). 55

In Deutschland beschränkte sich die Förderung der Wissenschaftsgebiete mit Bezug zur Eiweißforschung zwischen den Weltkriegen auf die Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Lederforschung in Dresden im Jahre 1921. Dessen Leitung wurde Max Bergmann (1886- 1944) übertragen, dem langjährigen Assistenten Emil Fischers. Bergmann schuf später zusammen mit Leonidas Zervas (1902-1980) mit der Einführung neuartiger Schutzgruppen entscheidende Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der Peptidsynthesen. In Großbritannien war nach dem I.Weltkrieg auf Drängen einer Gruppe von Wissenschaftlern ein Medical Research Council entstanden. Diese Gruppe übte unter Hinweis auf die deutsche wissenschaftliche und militärische Macht Druck auf die Regierung aus, die Forschung in Wissenschaft und Medizin zu unterstützen.1 Der Sekretär des Medical Research Council (MRC) war Walter Morley Fletcher (1873-1933), ein Physiologe. Fletcher war eine ideale Wahl: Er war Mediziner mit Cambridge-Abschluss, er hatte einen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler, hatte Stil, gute Verbindungen, Interesse an Organisation und Verwaltung, Energie, Härte und Humor.2 Fletcher war davon überzeugt, daß grundlegendes Wissen in Chemie und Physiologie die beste Grundlage wären für die Schaffung eines nationalen Systems von biomedizinischen Wissenschaften, die zu wichtigen Kenntnissen für die klinische Praxis führen würden. Fletcher sah die Notwendigkeit einer Ernährungsforschung und der Vermittlung biochemischen Wissens über Vitamine an die Ärzte. Er befasste sich auch mit der Biochemie der Infektionskrankheiten. Dieses Wissen und die Kriegserfahrungen hatten ihn von der Bedeutung einer Verstärkung der biochemischen Forschung als Grundvoraussetzung für die langfristige Sicherung der Anforderungen der biomedizinischen Wissenschaft überzeugt. Er nutzte seine zentrale Position als Mittler und Koordinator der Unterstützung von Philanthropen und Stiftungen, hauptsächlich aus dem Dunn-Vermächtnis, ein eigenes Institut für Biochemie in Cambridge zu schaffen. Für die Leitung des Instituts hatte er Frederick Gowland Hopkins gewonnen, einen früheren Studienkollegen am Physiologischen Institut in Cambridge. Hopkins, eigentlich Mediziner, hatte chemische Erfahrungen aus Arbeiten über die Pigmente von Schmetterlingen, mit Porphyrinen und Proteinen. Das „Dunn Institute of Biochemistry“ wurde im Mai 1924 eröffnet. Vierzig Biochemiker, die bisher in verschiedenen Einrichtungen meist physiologische oder pathologische Probleme bearbeitet hatten, fanden sich unter dem Dach des neuen Instituts, das- damals ungewöhnlich- zur Biologie und nicht zur Medizin gehörte,

1 Lenoir (1997), 59 2 Kohler (1978), 333; Elliott (1934), 159 56 zusammen.1 Die spätere Bedeutung dieses Instituts wird dadurch belegt, daß zwischen den Kriegen mehr als 40% der Veröffentlichungen im Biochemical Journal aus Cambridge kamen. Wie in Großbritannien waren es auch in den Vereinigten Staaten von Amerika spezifische Umstände, die für die frühe Entwicklung der allgemeinen Biochemie verantwortlich waren. Sie entwickelte sich teils durch Institutsgründungen, durch einen visionären Organisator mit Verbindungen und durch externe Förderer. Diese Bedingungen mussten gegeben sein.

Episode: John D.Rockefeller Sr. (1839-1937) hatte ein Problem. Das Rohöl von seinen riesigen Ölfeldern in Lima, Ohio, enthielt so viele Schwefelverbindungen, daß es nach faulen Eiern roch. Die Menschen nannten es „Stinksaft“ und verweigerten den Kauf. Seine Raffinerien konnten den Geruch nicht beseitigen, Rockefeller blieb auf tausenden barrels wertlosen Öls sitzen. Eine Gruppe engagierter Ingenieure wollte ein Verfahren zur Geruchsbeseitigung ausarbeiten, aber Rockefeller weigerte sich, dafür Geld auszugeben. Einige Ingenieure blieben auf eigene Faust an dem Problem und fanden 1913 einen chemischen Crackprozeß, der den Gestank beseitigte und die Benzinausbeute verdoppelte. Als Rockefeller die Ergebnisse sah, hatte er eine Eingebung. Quasi über Nacht wurde er zu einem Förderer der Wissenschaft. Als der alternde Industrielle später über die Verwendung seines Vermögens nachdachte, bestimmte er die Ziele der umfangreichen Stiftung, die er eingerichtet hatte. Als Pragmatiker wie als Christ legte er fest, daß mit seinem Geld nicht denen geholfen werden sollte, die Probleme hatten, die Ursachen von Problemen sollten gefunden und beseitigt werden. Die Ergebnisse seiner Unterstützung sollten der Menschheit dienen und die Wissenschaft schien ihm dazu der sicherste Weg.2

In den 1920er Jahren begann die Rockefeller-Stiftung mit der Unterstützung der Wissenschaft im großen Umfang. Große Summen waren zu vergeben. Allein 1932 gab die Rockefeller- Stiftung sechsmal mehr Geld für die Wissenschaften in den USA aus als zur Jahrhundertwende die gesamte Unterstützung der Wissenschaften betragen hatte. Die finanzielle Unterstützung der Rockefeller-Stiftung sollte zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der Eiweißforschung, nicht nur in den USA, werden. Wickliffe Rose, der verantwortliche Manager, wurde als „zentraler Bankier für die Welt der Wissenschaft“ bezeichnet, und sein Lieblingsspruch „Macht die Gipfel höher!“ wurde inoffizielles Motto der Stiftung.3

1 Kohler (1978), 331 2 Hager (1995), 179 3 Hager (1995), 180 57

Mit finanzieller Unterstützung der Rockefeller- und der Carnegie-Stiftungen sowie anderer privater Gönner wurden die 1920er Jahre eine Periode enormer Ausweitung privater Wissenschaftszentren wie des California Institute of Technology (Caltech), des Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie der Columbia-, Harvard- und John-Hopkins- Universitäten, gar nicht zu reden von den akademischen und anderen Forschungseinrichtungen, die mit Geldern der Rockefeller-Stiftung ganz von vorn anfingen wie die Universität von Chicago und das Rockefeller-Institute for Medical Research in . Nicht nur die Infrastruktur, die Gebäude und Laboratorien entwickelten sich. Ein Geflecht von Macht und Einfluss breitete sich ebenfalls aus. Verbindungen zwischen Regierung, Industrie und akademischer Wissenschaft, die während des I.Weltkrieges entstanden waren- beispielhaft der Nationale Forschungsrat (NRC)- wurden in den 20er Jahren zu einem wachsenden wissenschaftlichen „Establishment“, mit professionell und sozial verflochtenen Interessen von Menschen und Macht: Die Leiter von Universitäten, Geschäftsleute, Regierungsvertreter, Leiter humanitärer Stiftungen und deren wohlhabender Gremien, die Präsidenten solcher wissenschaftlicher Organisationen wie der National Academy of Sciences und der American Association for the Advancement of Science- sie unterhielten sich bei geschäftlichen Treffen, hatten Dinner in gemeinsamen Clubs, gaben sich gegenseitig Ratschläge, schoben sich gegenseitig Fonds zu, nominierten sich gegenseitig für hohe Positionen und bestimmten gemeinsam die wissenschaftliche Agenda in der Zeit zwischen den Weltkriegen.1 Zur privaten Förderung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Wissenschaftlern und Forschungsprojekten leistete die Rockefeller-Stiftung wichtige Beiträge, nicht nur in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Hauptkriterien für die Förderungswürdigkeit eines Vorhabens waren eine Zielstellung, die den Statuten der Stiftung entsprach sowie die persönliche Kompetenz und wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Bearbeiter. In den Jahren von 1920 bis 1930 verschoben sich die Zielgebiete einiger Stiftungen, auch der Rockefeller-Stiftung von der medizinischen zur biomedizinischen Forschung. Dr.Warren Weaver, der seit 1932 dem Bereich Naturwissenschaften der Stiftung vorstand, wollte in dieser Verschiebung weder eine Missachtung der medizinischen Wissenschaften noch der klassischen Biologie sehen. Vielmehr sollte die Richtung dahin gehen, die Mittel der Stiftung

1 Der damalige, scharfzüngige Herausgeber des Wissenschaftsmagazins „Science“, James Cattell, verglich die Schwierigkeiten bei der Entwirrung dieser Verhältnisse mit dem bekannten astronomischen Conundrum des Dreikörperproblems: „Whether the Research Council belongs to the National Academy, or the National Academy belongs to the Research Council, or both are satellites of Pasadena is a problem of three bodies that is difficult of solution....T he Carnegie Corporation, the Rockefeller Foundation, and the National Research Council are another problem of three bodies.” (Nach Hager (1955), 181). 58 für die Anwendung aller wissenschaftlichen Möglichkeiten und Techniken auf die Lösung von Problemen des Lebens zu konzentrieren.1 Von besonderem Interesse waren für ihn Grenzgebiete zwischen „physical sciences“ und der Biologie, wo Physik, Mathematik, Chemie und Biologie mit ihren spezifischen Mitteln, Methoden und analytischen Geräten zum Studium biologischer Phänomene zusammenarbeiten konnten.2 Weaver hat seine Entscheidung für die Förderung der „life sciences“ so begründet:

„Das Wohl der Menschheit hängt unmittelbar von dem Verständnis des Menschen seiner selbst und seiner Umgebung ab. Die Wissenschaft hat großartige Fortschritte bei der Untersuchung und Beherrschung der leblosen Materie gemacht, aber keine vergleichbare Entwicklung bei dem viel delikateren, schwierigeren und bedeutenderen Problem der Untersuchung und Beherrschung belebter Dinge. Das zeigt die Dringlichkeit einer schnellen Verstärkung der Bemühungen in der Biologie und Physiologie und von geeigneten Entwicklungen in der Mathematik, Physik und Chemie, die selbst von grundlegender Bedeutung für die Biologie sind.“3

Auf der Grundlage dieser Empfehlung beschlossen die Treuhänder der Rockefeller Foundation im Frühjahr 1933, das Gebiet der experimentellen Biologie besonders zu fördern. Diese Entscheidung war von großer Bedeutung für die Erforschung von Struktur, Funktion und Synthese von Proteinen. Einige Jahre später betonte Warren Weaver in seinem 1938er Jahresbericht an die Rockefeller Foundation die Notwendigkeit der besonderen Unterstützung biologischer und biomedizinischer Forschung auf molekularer Ebene und prägte damit den Begriff „Molekularbiologie“.4

3.2 Kenntnisstand und Entwicklung auf dem Eiweißgebiet

Aus heutiger Sicht könnte man sagen, die Eiweißforschung nach dem I.Weltkrieg hätte auf dem Enzymgebiet stattgefunden. Tatsächlich konnte der Eiweißcharakter von Enzymen damals aber noch gar nicht eindeutig bewiesen werden. Er wurde von einigen der auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler wohl vermutet, von anderen geleugnet. Die Mehrzahl der Physiologen und Biochemiker vertraten die Ansicht, Enzyme wie auch Hormone und

1 Shaplen (1964), 79 2 Weaver war Physiker und vordem Leiter des Bereiches Mathematik an der Universität von Wisconsin. Nach Fosdick (1989), 157. Er erkannte selbst seine Grenzen als experimenteller Wissenschaftler und wirkte vornehmlich als Lehrer. „Mir fehlt der wunderbare kreative Funke, der einen guten Forscher ausmacht.“ Nach Hager (1995), 184. 3 „Natural Sciences- Program and Policy.“ Extract from Agenda for Special Meeting of the Trustees of The Rockefeller Foundation, April 11, 1933, p.76-77, zitiert nach Fosdick (1989), 157. 4 Fruton (1992), 196 59

Vitamine gehörten zu einer eigenen, nicht näher charakterisierten Körperklasse. Man berief sich auf Richard Willstätter (1872-1942), der Enzyme als reaktive, kleine Moleküle ansah, die an inaktive, kolloide Träger gebunden sind.1 In seinem Vortrag zitiert er den Mediziner und Genetiker Erwin Baur (1875-1933):2

„Der Schleier, hinter dem sich bisher die Natur der Fermente verbarg, ist gelüftet. Es stellt sich heraus, daß Fermente ganz gewöhnliche und zudem wohl bekannte Stoffe sind, deren fein abgestimmte Wirkung mehr auf Mischungen und auf zusätzlichen Bedingungen beruht, als auf einem geheimnisvollen chemischen Aufbau.“

Willstätter war als außerordentlich erfolgreicher Naturstoffchemiker bekannt. Im Jahre 1915 war er für seine Arbeiten bei der Strukturaufklärung und Synthese von Alkaloiden (Atropin, Kokain), über Chlorophyll und Pflanzenfarbstoffe mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Sein internationales Ansehen und seine fachliche Autorität waren so hoch, daß Zweifel an seiner Ansicht über „Enzymkomplexe“ nicht laut vorgetragen wurden.3 Weitere Hemmnisse für ein besseres Verständnis der Enzymstruktur waren die Unklarheiten über Molekülgrößen sowie weiterhin fehlende effektive Trennmethoden für Proteine und deren Bestandteile. Es liegt eine gewisse Tragik in dem Umstand, daß Willstätter zwar im Besitz eines Manuskripts der deutschen Übersetzung des 1910 in russischer Sprache erschienenen Buches von Michail Tswett über die chromatographische Trennung4, auch von Chlorophyllen, war, der Methode aber keine Bedeutung beimaß.5 Neben ideologischen Unklarheiten waren es aber auch technische Probleme, die Fortschritte behinderten. Eine aus heutiger Sicht unerlässliche Voraussetzung für Arbeiten mit Proteinen und deren Lösungen oder Bestandteilen sind ausreichende Kühlmöglichkeiten. Das Sir William Dunn Institute for Biochemistry in Cambridge, England, das 1924 eröffnet wurde, gehörte zu den großen biochemischen Einrichtungen in der Welt. Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens erinnerte sich ein Wissenschaftler an die früheren Arbeitsbedingungen:

„Damals konnte man Biochemikalien noch nicht kaufen, man musste sie selbst machen. Wichtig war die Isolierung von Aminosäuren. Das Gebäude hatte zwar zwei

1 Willstätter (1922), 3606. ( Zusammenfassender Vortrag, gehalten auf Veranlassung der Deutschen Chemischen Gesellschaft bei der Hundertjahrfeier der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Leipzig am 20. September 1922). 2 Baur (1915) in R,Meyers Jahrb. d. Chem. 25, 384 3 In Willstätters Lebenserinnerungen findet sich ein Resumée, etwa aus dem Jahr 1940: „Die Untersuchungen über Enzyme bedeuten in meinem Leben eine Hauptarbeit… Auch ist es mindestens zwanzig Jahre zu früh, darüber zu urteilen.“ Willstätter (1949), 360 4 Tswett (1910 bzw. 1946) 5 Fruton (1999), 213 60

Wärmeräume (für die Durchführung tryptischer Spaltungen), aber nicht einen Kälteraum. Viele Inkubatoren, aber (soweit ich mich erinnere) nicht einen Kühlschrank. Wenn wir Eis brauchten, bestellten wir beim Fischhändler einen zwei Fuß langen Block, den wir mit Hammer und Meißel zerteilten.“1

James Batcheller Sumner (1887-1955) erinnerte sich in seinem Nobelvortrag 1946 an seine Bemühungen von 1920, Urease zu kristallisieren. „Wir hatten damals keinen Eisschrank im Labor“, schrieb er, „wir stellten einfach die Gefäße mit der 30%igen alkoholischen Lösung auf die Fenstersimse und beteten um kühles Wetter.“2 In dieser Periode gewann eine Fähigkeit besonders an Bedeutung: Wissenschaftliches Denken und handwerkliches Können miteinander zu verbinden.

3.2.1 Die Eiweißforschung und die Chemie

Bis zum Jahre 1833 waren eine Reihe chemischer Phänomene bekannt, deren Ähnlichkeit mit der Vergärung von Zucker und der Stärkespaltung durch Diastase verblüffte. Dazu zählten die Zersetzung von Wasserstoffperoxyd durch Metalle, die Beobachtung, daß Platin Verbrennungsreaktionen auslösen konnte (besonders die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff) und- besonders wichtig- die Untersuchungen von Eilhard Mitscherlich (1794- 1863) zum Effekt von Schwefelsäure auf die Umwandlung von Alkohol in Äther.3 Mitscherlich betrachtete alle diese Phänomene, ob fermentativ bedingt oder nicht, als Beispiele für einen allgemeinen Prozess, den er als „Chemische Zersetzung und Verbindung vermittelst Kontaktsubstanzen“ ansah,4 deren Komponenten an der Reaktion selbst nicht teilnehmen. Jöns Jacob Berzelius (1779-1848) fand dafür 1836 den Begriff „Katalyse.“

3.2.1.1 Enzyme

Seit der Entdeckung der Diastase5 durch Anselme Payen (1795-1871) und Jean Francoise Persoz (1805-1868) im Jahre 1833 hielten sich unklare Vorstellungen über den Charakter von Enzymen. Noch 100 Jahre später, auf dem IV.Kongreß über biologische Chemie in Paris

1 Dixon (1974), 10 2 Sumner (1964), 116 3 Fruton (1972), 67 4 Mitscherlich (1842), 514 f. (nach Schütt (1991), 133) 5 Payen u. Persoz (1833), 73 61 trug J. Duclaux Argumente gegen das Konzept von Enzymen als einheitliche Substanzen vor.1 Der Tatsache, daß es sieben Jahre zuvor dem Amerikaner James Batcheller Sumner (1887-1955) gelungen war, das Enzym Urease kristallin zu erhalten, schenkte Duclaux keine Beachtung. Als Sumner 1926 bekannt gab, daß er Urease aus Jackbohnenmehl2 in ziemlich großen Mengen kristallin erhalten hatte3, wurden seine Ergebnisse in der Fachwelt stark angezweifelt.4 Auch als John Howard Northrop 1931 die Kristallisation des veröffentlichte, glaubten manche Forscher nicht, daß die Kristalle selbst das Enzym wären. Erst zwanzig Jahre nach den bahnbrechenden Leistungen Sumners und Northrops wurde ihnen „ für die Entdeckung, daß Enzyme kristallisiert werden können“, im Jahre 1946 der Nobelpreis für Chemie verliehen5. Es hatte sich endlich die Erkenntnis durchgesetzt, daß Enzyme Proteincharakter haben. Ein Umstand führte immer wieder zu Verwirrung, obwohl schon frühzeitig seine Ursachen, zumindest prinzipiell, geklärt waren: Enzyme zeigten noch in hoher Verdünnung ihre Aktivität, während die chemischen Nachweisreaktionen für Proteine (Biuret, Millon, Fällung mit Salpetersäure) bei Verdünnungen von mehr als 1:50.000 versagten. Darauf hatte der physiologische Chemiker Marceli Nencki (1847-1901) bereits um die Jahrhundertwende unter Berufung auf Bestimmungen von Hofmeister hingewiesen6. Aber gerade das Fehlen der Eiweißreaktionen hatte Willstätter und seine Mitarbeiter ja veranlasst, die Proteinnatur der Enzyme so hartnäckig zu leugnen und diese Lehre wurde auch auf die Proteohormone ausgedehnt. So schrieb der Naturstoff-Chemiker Karl Freudenberg (1886-1983) im Jahre 1931:

„Die blutzuckersenkende Gruppe (des Insulins), kurz wirksame Gruppe genannt, ist in die Kettenmoleküle einer bestimmten Eiweißart eingebaut. Diese Kettenmoleküle sind nicht gleich lang, sie weisen Unterschiede, z.B. in der Folge ihrer Aminosäuren auf; auch der Sitz der wirksamen Gruppe mag von Molekül zu Molekül wechseln und einmal in der Mitte, ein anderes Mal näher dem Ende zu suchen sein. Bei allen Veränderungen- chemischen, fermentativen, physikalischen- ist zu unterscheiden zwischen Reaktionen der wirksamen Gruppe und denen der Eiweißkette. Letztere hat für die physiologische Wirkung nur eine nachgeordnete Bedeutung, die

1 Duclaux (1933), zit. Nach Florkin (1972) 2 Südamerikanische Plantagenbohne Canavakia ensiformis 3 Sumner (1926), 435 4 Als Sumner wenige Jahre später nach Uppsala fuhr, um mit Hilfe von Svedbergs damals neuer Ultrazentrifuge das Molekulargewicht der Urease zu bestimmen, trat er direkt in Svedbergs Arbeitszimmer ein und sagte: „My name is James B.Sumner, I have crystallized an enzyme“. Svedberg glaubte, der Mann wäre verrückt, leitete ihn vorsichtig hinaus und verschloss die Tür von innen. (Nach Axel H.Theorell, Nobelpreisträger 1955 für Physiologie oder Medizin in einem Vortrag auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau 1969 zum Thema: „Enzymforschung früher und heute“. 5 Fruton (1990),252 weist darauf hin, daß Sumner und Northrop bei der Kristallisation von Enzymen mit Methoden arbeiteten, die denen von Osborne und Hofmeister in den 1890er Jahren ähnlich waren. 6 Nencki (1904), Vol.II, 724; ders. (1901), 317 62

vielleicht darin besteht, daß sie die empfindliche wirksame Gruppe schützt und zu ihrer Wirkung im Organismus die nötigen physikalischen Voraussetzungen schafft… Es sind keinerlei Anzeichen dafür gefunden worden, daß diese Gruppe eine wesentlich andere Konstitution als peptidartig verknüpfte Aminosäuren oder deren nahe Abkömmlinge besitzt.“1

Mit dieser Sicht, die aktive Gruppe als Bestandteil im Proteinmolekül des Enzyms zu erkennen, vertrat Freudenberg einen durchaus weitsichtigen und modernen Standpunkt. Heute nennt man diesen Bestandteil von Enzymen das „aktive Zentrum“. Auch aus einem anderen Grund ist diese Aussage interessant: Das Insulin war zehn Jahre zuvor von den Medizinern Frederic Grant Banting (1891-1941) und Charles Herbert Best (1899-1978) in Toronto/Kanada entdeckt und gewonnen worden. Die Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistung mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie erfolgte bereits 1923. Der Hinweis Freudenbergs auf die Zusammensetzung des Insulins, von dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal das Molekulargewicht bekannt war, aus zwei Aminosäureketten unterschiedlicher Länge und Zusammensetzung ist sehr bemerkenswert. In der Eiweißforschung der kommenden Jahre und Jahrzehnte sollte das Insulin eine besondere Rolle spielen.

3.2.1.2 Neue Wege der Peptidsynthese

Die Jahre zwischen den Weltkriegen brachten in der Biochemie viel Klarheit über Enzymwirkungen im Stoffwechsel der Zelle und bei der biologischen Energiegewinnung. In der Chemie lernte man die Vergleichbarkeit von chemischer und fermentativer Katalyse. Für Physiologen und Biologen stellte das Konzept von Fermenten und deren Wirken einen ersten Versuch dar, biologische Veränderungen mit chemischen Begriffen zu erklären.2

Für die Untersuchung des Wirkungsmechanismus und der Spezifität eiweißspaltender Enzyme wurden möglichst viele verschiedenartige Aminosäurekombinationen in Peptiden gebraucht. Die klassischen Fischerschen Synthesen waren nicht für alle Aminosäuren einsetzbar. Nach diesen anfänglichen Erfolgen gab es bis 1920 keine weitere Entwicklung. Der Physiologe und Peptidchemiker Emil Abderhalden, der nach dem Tode Emil Fischers 1919 nach Halle gegangen war, bereicherte die Literatur mit neuen Peptiden, aber nicht mit

1 Freudenberg (1931), Zitat S. 204 2 Fruton (1999), 3 63 neuen Synthesemethoden.1 Die Versuche zur Peptidsynthese arbeiteten nach folgendem Schema: Die Aminogruppe der ersten Aminosäure wird zuerst durch Einführung einer schützenden Atomgruppe R stabilisiert, dann wird das Carboxyl der Aminosäure so ver- ändert, daß es zur Kupplung mit einer zweiten Aminosäure befähigt wird, die Kupplung wird vollzogen und schließlich die Atomgruppe R wieder abgespalten; damit liegt das fertige Peptid vor. Die Schwierigkeit besteht darin, eine geeignete Atomgruppe R zu finden, die sich am Schluss der Synthese so leicht wieder abspalten lässt, daß die Peptidbindung dabei nicht in erheblichem Maße angegriffen wird. Erst 1932 brachte die Entdeckung der leicht zu entfernenden Schutzgruppe, der Carbobenzoxy- (CbzO)-Gruppe von Max Bergmann (1886- 1944) und Leonidas Zervas (1902-1980) vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Lederforschung in Dresden einen entscheidenden Durchbruch2. Diese Schutzgruppe lässt sich durch einfache katalytische Hydrierung unter Bildung von Toluol und Kohlendioxid wieder abspalten. Die Herstellung der ersten synthetischen Substrate für Chymotrypsin, für Trypsin und besonders für Pepsin Mitte der 1930er Jahre unterstützte die Peptid-Theorie der Protein-Struktur zu einer Zeit, als diese Theorie noch Gegenstand einer Debatte war.3Max Bergmann war 1934 aus Deutschland vertrieben worden und an das Rockefeller Institute for Medical Research gekommen. Während sich Bergmann dort mit der Suche nach spezifischen Reagenzien für die Aminosäureanalyse von Proteinhydrolysaten beschäftigte, hatte sein Assistent Carl Niemann (1908-1964) die Aufgabe, mit diesen und anderen verfügbaren Methoden die Aminosäurezusammensetzung verschiedener Proteinpräparationen zu untersuchen. Aus den gesammelten Daten entstand die Hypothese der Bergmann-Niemann-Periodizität der Proteinstruktur. Sie unterstellte, daß die Gesamtzahl der Aminosäurereste eines angenommenen Proteinmoleküls ein Vielfaches von 288 sei, daß der Gehalt jeder Aminosäure mit 2nx 3m beschrieben werden könne und daß jede Aminosäure in regelmäßigen periodischen Intervallen in der Polypeptidkette eines Proteins vorkommt.4 Von dieser Hypothese war nicht lange die Rede, aber die „hypnotic power of numerology5“ hatte eine wichtige Wirkung: Sie bestärkte Arthur Hugh Gordon (geb.1916), Archer John Porter Martin (1910-2002) und Richard Laurence Millington Synge (1914-1994) in der Entwicklung einer chromatographischen Technik für eine genauere Aminosäureanalyse von Proteinhydrolysaten.

1 Bodanszky (1966), 9 2 Bergmann u. Zervas (1932), 1192. Bei Bergmann arbeitete als Stipendiat der Amerikaner Vincent duVigneaud, dem später die erste Synthese eines Peptidhormons gelang. 3 Fruton (1988), 166. 4 Bergmann and Niemann (1937), 301-314. 5 Chibnall (1942), 136-160. 64

Die Synthese natürlicher Peptide wie Carnosin1 und Glutathion2 wurde bald erreicht. Für seine in den 1920er Jahren begonnenen Untersuchungen an schwefelhaltigen Aminosäuren sowie für seine umfangreichen Arbeiten zu Peptidsynthesen und die Synthese natürlich vorkommender Polypeptidhormone wurde der US-amerikanische Chemiker Vincent du Vigneaud (1901-1978) im Jahre 1955 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Für die Eiweißforschung stellte die Einführung der vielseitig einsetzbaren Carbobenzoxy- Schutzgruppe in die Peptidsynthese durch Bergmann und Zervas ebenso einen Wendepunkt dar wie die Kristallisation der Verdauungsenzyme durch Northrop, Sumner und Kunitz.

3.2.1.3 Molekulargewichte - Makromoleküle

Die Probleme von Trennung, Reinigung und Molekülgrößenbestimmung von Eiweißstoffen bestanden lange unverändert. Die Hindernisse waren teilweise intellektueller, teilweise technischer Art, meist war beides miteinander verwoben. Das Kolloid-Denken stand neueren Erkenntnissen im Wege.3 Das größte Hindernis, Klarheit über den Molekülbegriff und über Molekülgrößen zu gewinnen bestand darin, daß die Mehrheitsmeinung der Forschung nicht bereit war, die Existenz von Verbindungen von sehr hohem Molekulargewicht anzuerkennen. Dabei spielte die ablehnende Haltung Emil Fischers gegenüber hohen Werten für Molekulargewichte von Proteinen eine große Rolle. Er vertrat noch 1913 in einem Vortrag vor der Naturforscher-Versammlung in Wien die Meinung, daß ein von ihm zusammen mit Karl Freudenberg synthetisiertes Zuckerderivat vom gesicherten Molekulargewicht 4021, das damals höchstmolekulare synthetische Produkt, ein höheres Molekulargewicht als die meisten Proteine besäße.4 Wilhelm Ostwald hatte eine ganz persönliche Erinnerung an Fischers Haltung: Er begegnete Fischer 1889 auf einer Tagung der Gesellschaft der Naturforscher und Ärzte in einer Gruppe von Organikern. Fischer machte abfällige Bemerkungen über die neue physikalisch-chemische Richtung. Auf Ostwalds Hinweis, die organischen Chemiker sollten den Physikochemikern dankbar sein für die Möglichkeit, die Molekulargewichte von nichtflüchtigen Substanzen bestimmen zu können, erwiderte Fischer: „…ich sehe jeder neuen Substanz das Molekulargewicht an und brauche Ihre neuen Methoden nicht!“5

1 Sifferd and du Vigneaud (1935), 753. 2 Harington and Mead (1935), 1602. 3 Edsall 1962), 15 4 Fischer (1913), 3288 5 Ostwald (1927), B3, 111-112 65

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts waren auch andere Naturstoffe Gegenstand vertiefter chemischer Untersuchungen. Freudenberg untersuchte z.B. die Chemie der Zucker, des Holzes, der Cellulose und der Stärke. Hermann Staudinger (1881-1965) untersuchte u.a. den Naturkautschuk. Er leitete aus seinen Arbeiten ab, daß in Naturprodukten Molekulargewichte von 100.000 bis zu einer Million und mehr vorkommen. Viele seiner Kollegen begegneten seiner Meinung nicht nur mit Skepsis, sondern mit offener Ablehnung. So gab ihm auch Heinrich Wieland (1877-1957), ein Naturforscher hohen Ranges (Arbeiten über Sterine und Gallensäuren, Alkaloide, Peptidsynthesen, Nobelpreis für Chemie 1927) bei einem Gespräch Ende der zwanziger Jahre den freundschaftlichen Rat: „Lieber Herr Kollege, lassen Sie doch die Vorstellung mit den großen Molekülen, organische Moleküle mit einem Molekulargewicht über 5000 gibt es nicht. Reinigen Sie Ihre Produkte, wie z.B. den Kautschuk, dann werden diese kristallisieren und sich als niedermolekulare Stoffe erweisen!“1 Wieland hatte durchaus Argumente, die seine Ansicht stützten. So wurde damals durch röntgenographische Untersuchungen bekannt, daß Zellulose kristallisiert ist. Ein gleicher Nachweis wurde für den gedehnten Kautschuk erbracht. Diese Röntgenuntersuchungen ergaben, daß die Elementarzelle dieser kristallisierten Stoffe klein ist.2 Daraus schloss man, daß auch die Moleküle dieser Stoffe klein seien, von der Annahme ausgehend, daß ein Molekül nicht größer sein könne als die röntgenographisch ermittelte Elementarzelle- eine Annahme, die bei niedermolekularen Stoffen zutreffend ist.3 Wenn man den Stand der experimentellen Erfahrungen in den Jahren 1920-1926 auf dem Gebiet der Stärke, der Cellulose und des Kautschuks überblickt, so ist es verständlich, daß die Beweise für einen Aufbau dieser Stoffe aus kleinen Molekülen damals einleuchtend waren. Ihre Konstitutionsaufklärung im Sinne der organischen Chemie schien durchgeführt, denn es war die Konstitution ihrer niedermolekularen Bausteine aufgeklärt. Im Unterschied zu Proteinen waren in den genannten Naturstoffen die Bausteine jeweils einheitlich. Die Bearbeitung von kolloiden Lösungen bildete dann ein Forschungsgebiet der damals im Wesentlichen durch Carl Wilhelm Wolfgang Ostwalds (1883-19434) Bemühungen aufkommenden Kolloidlehre. Ostwald hat sich mit eigenen physikalisch-chemischen Untersuchungen und als Herausgeber des fünfbändigen Handbuches der Kolloidwissenschaft große Verdienste um die Untersuchung großer Moleküle erworben. Und eben die Ergebnisse der Untersuchungen an kolloiden Lösungen sowohl „nativer“ wie auch veränderter

1 Staudinger (1961), 79 2 Mark (1926), 2982 3 Staudinger (1961), 79 4 Sohn des Physikochemikers und Philosophen Wilhelm Ostwald (1853-1932), Nobelpreisträger f. Chemie 1909. 66

Naturstoffe führten dann dazu, von sehr großen Molekülen zu sprechen. Staudinger führte dafür 1922 den Begriff „Makromoleküle“ ein.1 Bei den zu dieser Zeit üblichen Isolations- und Reinigungsverfahren durch Aus- oder Umfällen von Proteinen durch Neutralsalze oder wasserverdünnbare Lösungsmittel machte Staudinger auf die Frage aufmerksam, ob und wie weit Naturstoffe bei der Isolierung und Reinigung Veränderungen erfahren2. Noch 1947 hielt er den Beweis für ausstehend, daß die physikalischen Teilchengewichte tatsächlich auch chemische Molekulargewichte sind.3 Abderhalden beschäftigte auch der Umstand, daß Untersuchungen an mehr oder weniger veränderten Proteinen aus „gelebt habenden“ Zellen vorgenommen werden. Der Seidenfaden der Raupe, der Faden des Spinnennetzes sind verfestigt, kommen aber flüssig aus dem Organismus. Wenn der Tod eintritt, koagulieren Zellproteine und ändern grundsätzlich ihren Zustand.4 Schon Claudio Fermi (1862-1952) hatte die Vermutung geäußert, daß die Konfiguration eines Proteinmoleküls in der lebenden Zelle sich von der nach dem Tod der Zelle unterscheidet und daß ein „lebendes Molekül“ von Enzymen nicht angegriffen wird.5 Auch die lebende Zelle widersteht der Autolyse durch die in ihr enthaltenen Enzyme.

3.2.1.4 Die Ultrazentrifuge - Molekulargewichtsbestimmungen In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20.Jahrhunderts brachte der schwedische Kolloidchemiker The Svedberg (1884-1971) mit der Ultrazentrifuge Aufklärung über die Molekülgrößen vieler hochmolekularer Stoffe in Lösung. Es gelang ihm, Partikel höheren Molekulargewichtes durch Vervielfachung der Erdbeschleunigung zu sedimentieren. Er konstruierte und baute dazu analytische Zentrifugen mit zunächst 12.000, später über 60.000 U/min und erreichte weit über 200.000 g. Ein Versuchsmodell ermöglichte das Einmillionenfache der Erdbeschleunigung.6 Er entkräftete die Ansicht, die Riesenmoleküle existierten nur als Aggregate gewöhnlicher kleiner Moleküle.7 Aus genauen Sedimentationsbestimmungen in starken Zentrifugalfeldern ließen sich ohne Hilfe willkürlicher Annahmen Werte für die Molekulargewichte komplizierter Substanzen wie Proteine und Polysaccharide gewinnen und Analysen von Gemischen durchführen.8 Wegen

1 Staudinger u. Fritschi (1922), 788 2 Staudinger (1950), 60-61 3 Staudinger (1947), 27 4 Abderhalden u. Komm (1924), 181-204 5 Fermi (1910); zitiert n. Fruton(1972), 95. 6 Kohler (1982), 338 7Svedberg u. Pedersen (1940) 8 Pedersen (1983) 67 ihrer guten Verfügbarkeit und hohen Spezifität waren Atmungsproteine für Svedbergs Untersuchungen besonders geeignet. In den Jahren 1924 bis 1927 bestimmten Svedberg und Mitarbeiter das Molekulargewicht von Hämoglobin mit immer größerer Genauigkeit zu 68.100, das von Ovalbumin zu etwa 34.500. Nach den ersten Ergebnissen schien es, als bestünden alle Proteine aus Einheiten mit einem Molekulargewicht von 17.500, der so genannten „Svedberg-Einheit“. Um 1929 war Svedberg überzeugt, daß er auf der Spur des Schlüssels zum Verständnis der molekularen Struktur des Lebens wäre.1 Diese Annahme ließ sich später nicht aufrechterhalten. Svedbergs Ergebnisse bestätigten den von Hermann Staudinger aus seinen Arbeiten mit Naturgummi abgeleiteten und lange Zeit heftig bezweifelten Begriff „Makromoleküle“ und eröffneten damit auch für die Proteinchemie neue Denkwege. Bis zu den Svedberg-Befunden waren Staudinger und seine Mitarbeiter wohl von der Beweiskraft ihrer Versuche überzeugt, standen damit aber ziemlich allein da. Als James B. Conant2 (1893-1978) Staudinger 1925 in dessen Züricher Laboratorium besuchte, wurden ihm die Argumente für den makromolekularen Bau dieser Stoffe vorgetragen. Bei seinem anschließenden Besuch in Deutschland wurde ihm dann geraten, er möge kein Wort von den Anschauungen Staudingers glauben! Conant erinnerte sich dieser Begebenheit in seinem Glückwunschbrief an Staudinger3, den er diesem aus Anlass der Verleihung des Nobelpreises für Chemie 19534 sandte. Conant war damals Hochkommissar, später bis 1957 erster amerikanischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland.

3.2.1.5 Neue Trenn- und Bestimmungsmethoden

Für die Trennung und Reinigung von Proteinen, deren Spaltprodukten und anderen Zellinhaltsstoffen wurden neue Verfahren zugänglich – die Chromatographie und die

1 Kohler (1991), 337 2 James Bryant Conant gehörte in den 1920er Jahren zu den bekanntesten Organikern in den USA. Zusammen mit E.J.Cohn vertrat er frühzeitig den Standpunkt, daß Proteinmoleküle sehr groß wären. s. Cohn & Conant (1926 u 1926a). Anders als frühere Untersucher führten sie Gefrierpunktserniedrigungen mit Proteinen in wasserfreiem Phenol durch. Nach Edsall (1962), 18. 3 Conant (1953), Staudinger (1961), 85 4 Zwischen dem Zeitpunkt des Vorliegens der Ergebnisse Staudingers, die ihn zu dem Begriff „Makromoleküle“ geführt hatten, und dem Jahr der Nobelpreisverleihung lagen immerhin dreißig Jahre! Davon mag ein Teil den Spannungen der Kriegs- und Nachkriegszeit geschuldet sein, im Sinne des Stifters des Preises, Alfred Bernhard Nobel (1833-1896), der mit den ausgesetzten Preisen Leistungen derer, die im vorangegangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben, gewürdigt wissen wollte, waren solche Zeitabstände gewiss nicht. 68

Elektrophorese. Über die Ursprünge der Chromatographie, insbesondere der Papierchromatographie als deren älteste Form- gibt es unterschiedliche Auffassungen.1 Nach Yagoda hat schon Plinius (23 o. 24- 79) die Verwendung einer Tüpfelreaktion auf imprägniertem Papyrus zur Prüfung der Reinheit eines Pigments beschrieben.2 Bekannt sind Versuche von Friedlieb Ferdinand Runge (1795-1876)3, der bereits um 1850 eine Tüpfeltechnik auf Druck- oder Löschpapier entwickelte. Runge trug einen kleinen Tropfen einer Farbstofflösung auf Papier auf und trennte die Komponenten durch Nachtropfen eines Lösungsmittels in konzentrische Kreise. Kapillaraktivität, Adsorption und Verteilung waren bei diesen Trennungen in unterschiedlichem Maße wirksam. Runge nutzte diese Technik zur Prüfung der Reinheit von Farbstoffen, bot aber seine „selbständig gewachsenen Bilder“ auch „Freunden des Schönen“ an (Abb.4). Wieder entdeckt, weiterentwickelt und benannt wurde die „chromatographische“ Methode zur Stofftrennung von Michail Semjonowitsch Tswett (1872- 1919), einem in der Schweiz aufgewachsenen russischen Botaniker. Tswett benutzte fein gepulverte aktive Substanzen in Glasröhren (sog. Säulen) zur Trennung von Pflanzenfarbstoffen. In den 1930er Jahren wurde seine Methode von zahlreichen Chemikern genutzt, aber nicht für Untersuchungen auf dem Proteingebiet.4 Tswett hatte eine sehr angegriffene Gesundheit, der Krieg zerstörte in Russland zweimal seine Existenz.

1 Weil u. Williams (1953), 1-7 2 Yagoda (1937), nach Anm. 4. 3 Oehme (1994), 35 4 Fruton (1999), 213 69

Für seine Untersuchungen des Chlorophylls und die von ihm entwickelte Trennmethode „Chromatographie“ wurde er 1918 für den Nobelpreis für Chemie vorgeschlagen,1 fand jedoch – nicht zuletzt wegen seines verbitterten Charakters- keine Lobby zu seiner Unterstützung. Tswett starb 1919 im 47.Lebensjahr. Der schwedische Biochemiker Arne Tiselius (1902-1971), ein Schüler und Mitarbeiter von The (Theodor) Svedberg an der Universität Uppsala, nutzte seit Anfang der 1930er Jahre die unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten von elektrisch geladenen Molekülen im elektrischen Feld zur Trennung von Gemischen, insbesondere von Proteinen2. Im Jahre 1936 stellte er eine dazu geeignete Apparatur vor.3 Bei der „Elektrophorese“ genannten Trennmethode hängt die Wanderungsgeschwindigkeit der zu trennenden Moleküle vor allem von deren Molekülgröße und elektrischer Ladung , aber auch vom Trägermaterial (Stärkegel, synthetische Gele, Papier, Kieselgel u.a.) sowie vom pH-Wert des Puffers und der Ionenstärke der Puffersubstanzen ab. Tiselius wurde 1938 auf den ersten Lehrstuhl für Biochemie in Schweden berufen. Den Nobelpreis für Chemie erhielt Arne Tiselius 1948 „für seine Forschung über die Elektrophorese und die Adsorptionsanalyse, insbesondere für seine Entdeckung der komplexen Natur der Serumproteine.“4 Tiselius hatte bei der elektrophoretischen Untersuchung von Serumprotein drei Globulin-Fraktionen gefunden, die er α-, β- und γ-Globulin nannte. Beide Verfahren- die Chromatographie mit den Anwendungen Säule, Papier oder Dünnschicht sowie die Elektrophorese wurden und werden in vielfältigen Kombinationen entwickelt und stellen Schlüsseltechniken dar, die zur Entwicklung der Biochemie und insbesondere der Proteinchemie im analytischen wie auch präparativen Bereich entscheidend beigetragen haben. Die tiefere wissenschaftliche Durchdringung der Chromatographie und die Weiterentwicklung zu einer breit anwendbaren Methode ist das Verdienst der beiden englischen Biochemiker Archer John Porter Martin (geb.1910) und Richard Laurence Millington Synge (1914-1994), die gemeinsam 1952 für ihre Entwicklung der Verteilungs- Chromatographie mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wurden. 1939 führten sie die Gegenstromverteilung ein, bei der sich ein Stoffgemisch durch zwei gegeneinander fließende, miteinander nicht mischbare Flüssigkeiten (sog. Phasen) trennen ließ. 1944 wurde eine flüssige durch eine feste Phase (Papier) ersetzt. Die Bestandteile eines Stoffgemisches werden

1 Gehrke, Wixom u. Bayer (2001), 5 2 Gordon (1979), 98 3 Kay (1988), 51-72 4 Nobel Lectures Chemistry 1942-1962, 191 70 aufgrund auch nur geringfügig unterschiedlicher Affinitäten zur flüssigen bzw. festen Phase getrennt.. Der Laudator bei der Preisverleihung war Arne Tiselius- als Mitglied des Nobelkommitees für Chemie der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften!1 Der um die Wende zum 20.Jahrhundert bestehende Mangel an Möglichkeiten einer effektiven Trennung und Reinigung von Aminosäuren, Peptiden und Proteinen wurde bereits erwähnt. Das Prinzip der unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten verschiedener gelöster Substanzen an einem Träger war aber schon 1892 bekannt. In diesem Jahr erschien eine Veröffentlichung „Ueber das Aufsteigen von Salzlösungen in Filtrirpapier.“2 Beschrieben wird darin die erfolgreiche Trennung anorganischer Salze in einer mit jeweils 10cm langen Filtrierpapierrollen gefüllten Glasröhre von 70cm Länge und 2cm Durchmesser, die in einer Lösung der zu trennenden Salze steht3. Einer der beiden Autoren der Publikation war Emil Fischer.

3.2.1.6 Eiweiß für Futter- und Ernährungszwecke

Auf dem Gebiet der Eiweißgewinnung für Futter- und Ernährungszwecke waren zwei Gesichtspunkte maßgeblich für die Entwicklung: Die Erfahrungen aus dem I.Weltkrieg über die schnelle Verknappung eiweißreicher oder eiweißhaltiger Nahrungsmittel sowie die Notwendigkeit, kohlehydrathaltige Abfallstoffe effektiv zu nutzen. Bereits 1915 hatte Emil Fischer in einem Vortrag vor dem Vorstand des Deutschen Museums München über „Die naturwissenschaftlichen Kaiser-Wilhelm-Institute und den Zusammenhang von Chemie und Biologie“4 die hohe Effektivität von Mikroorganismen als Eiweißproduzenten betont. Er verwies auf Bemühungen im Berliner Institut für Gärungsgewerbe, die Massenzüchtung von Hefe für die Beschaffung von Viehfutter zu verwenden. Dafür würden allerdings große Mengen an Kohlehydraten gebraucht. Dafür boten sich in Deutschland hauptsächlich zwei Quellen an: Sulfitablaugen aus der Zellstoffproduktion und die bei der Zuckerherstellung anfallende Melasse. Melasse enthält etwa 50% Zucker, Stickstoffverbindungen sowie Kaliumsalze5. In Sulfitablaugen sind je nach aufgeschlossener Holzart 4-5% reduzierende Substanzen, darin 70-75% Monosaccharide enthalten6. Die Eiweißgewinnung aus diesen

1 Nobel Lectures Chemistry 1942-1962, 355 2 Fischer u. Schmidmer (1893), 220 3 Nach dem Eingangsdatum bei der Redaktion der Annalen entstand diese Arbeit noch während Fischers Würzburger Zeit. Es ist verwunderlich, daß Fischer das Trennprinzip bei seinen späteren Arbeiten über Aminosäuren, Peptide und Proteine in Berlin nicht genutzt hat. Es ist ebenso erstaunlich, daß die genannte Arbeit bisher in der Chromatographie-Literatur nicht erwähnt wurde. 4 Fischer (1915), 9/10. 5 Meyers Neues Lexikon (1974), Bd.9, 285. 6 Römpp kompakt (1998), Bd.4, 2537. 71

Rohstoffen durch Verhefung der enthaltenen Zucker stellt eine Alternative zur Gewinnung von Spiritus durch Vergärung dar. Beide Verfahren arbeiten mit Hefen. Die Entwicklung entsprechender Gewinnungsverfahren liegt im Wesentlichen bei der Mikrobiologie mit der Züchtung geeigneter Hefestämme sowie bei der Verfahrenstechnik und dem Apparatebau. Eiweißreiche Futterhefen aus einheimischen Rohstoffen stellen eine wertvolle Ergänzung zu den Importen von Fischmehl (55-60% Eiweiß) und entölten Sojaprodukten (35-40% Eiweiß) bei der Kraftfutterherstellung dar. Die Gewinnung von Eiweißfutterhefen aus zuckerhaltigen Hydrolysaten (meist Säurehydrolysate) von Holz, Holzabfällen und anderen Biomassen hat sich wegen der wirtschaftlichen Konkurrenz von importierten Eiweißfuttermitteln bisher nicht dauerhaft durchsetzen können.

3.2.1.7 Nukleinsäuren – Zusammensetzung und Aufbau

Die Chemiker, die sich bis 1940 mit der Desoxyribonukleinsäure beschäftigten, hatten ihre Bedeutung unterschätzt, es aber dennoch geschafft, den größten Teil ihrer chemischen Zusammensetzung zu ermitteln. Die Grundbestandteile waren bekannt: Sie umfassten die beiden Purinbasen Adenin (A) und Guanin (G) (Abb.5) sowie die Pyrimidinbasen Cytosin (C) und Thymin (T) (Abb.6), Phosphat und eine empfindliche, schwer zu bestimmende Zuckerkomponente, Desoxyribose, die schließlich 1929/30 von Phoebus Aaron Theodore Levene (1869-1940)1 identifiziert wurde. Man glaubte lange, sei das Kohlehydrat von pflanzlicher und Desoxyribose das von tierischer Nukleinsäure. Erst um 1930 war klar, daß in allen pflanzlichen wie auch tierischen Zellen sowohl Desoxyribonukleinsäure wie auch Ribonukleinsäure vorkommen.2 Ribonukleinsäuren enthalten an Stelle von Thymin die Base Uracil (U).

1 Levene (1931), 250 2 Mayr (1982), 815 72

Levene hatte auch gezeigt, wie jeweils Base, Phosphat und Zucker miteinander verbunden waren, um eine DNS-Einheit zu bilden (Abb.7 zeigt Adenin als Beispiel). Wie diese Einheiten miteinander verknüpft waren, um das Gesamtmolekül aufzubauen, blieb noch im Dunkeln. Die Zellchemiker hatten nur vage Vorstellungen von der Funktion der Nukleinsäuren in den Zellen. Am häufigsten vertreten wurde die Annahme, sie wirkten als pH-Puffer oder wären an der Energieübertragung beteiligt. Obwohl in den ersten dreißig Jahren des 20.Jahrhunderts viel über die Zusammensetzung der Desoxyribonukleinsäure bekannt wurde, gab es nur geringe Fortschritte beim Verständnis des Moleküls als Ganzes und seiner biologischen Funktion. Ein Irrtum, der sich durch die gesamte Periode zog war die Annahme, die vier Basen seien zu gleichen Teilen in den Nukleinsäuren vorhanden, das bildete die Grundlage für die sogenannte „Tetranukleotid-Theorie“ der DNS-Struktur. Diese Theorie, aufgestellt von Albrecht Kossel und später vertreten von , betrachtete die Nukleinsäuren als kleine Moleküle mit einem Molekulargewicht von etwa 1500. Jedes Nukleinsäuremolekül sollte aus je einem Satz ihrer vier Bausteine (A,C,G,T oder A,C,G,U) oder einer monotonen Abfolge solcher „Tetranukleotide“ bestehen. Damit schienen Nukleinsäuren als Träger biologischer Aktivität nicht in Frage zu kommen. Es ist zu berücksichtigen, daß Kossel und Levene damals auf die vergleichsweise groben Methoden der organisch-chemischen Analyse angewiesen waren, um die Bestandteile der DNS zu ermitteln. Wie wir heute wissen, zerstören diese das tatsächlich sehr große Molekül. Außerdem passten zu dieser Zeit die niedrigen Molekulargewichte, die man mit verschiedenen Methoden ermittelte, gut in das damals gängige Konzept der Kolloidchemie.1 Levene sah seinen Standpunkt aber durchaus kritisch. Er schrieb:

1 Ebd. 815-816. 73

„Man muss daran denken, daß das wirkliche Molekulargewicht von Nukleinsäuren immer noch nicht bekannt ist. Die Tetranucleotidtheorie ist das minimale Molgewicht und die Nukleinsäure kann gut ein Vielfaches davon sein“1 . DNS-Moleküle erwiesen sich mit Molekulargewichten von einer halben bis zu einer Million als deutlich größer als Proteinmoleküle. Erst mit der späteren breiten Einführung der UV-Spektroskopie in die biochemische Analytik (Purine und Pyrimidine absorbieren UV-Licht bei 2600 Angström2) sowie nach Entwicklung der Feulgen-Farbreaktion zu einer quantitativen Bestimmungsmethode3 waren Voraussetzungen zu einer differenzierteren Betrachtung der Nukleinsäuren gegeben. Die „Tyrannei der Tetranukleotid-Hypothese“4 von Levene , die den Nukleinsäuren einen Anspruch auf biologische Spezifität absprach und eine abschätzige Bewertung der Nukleinsäure-Forschung bewirkte, kam gleichzeitig der Proteinforschung zugute, auf die sich die Wissenschaftliche Aufmerksamkeit und materielle Förderung konzentrierte, bis 1944 Oswald T. Avery und Mitarbeiter die Bedeutung der Nukleinsäuren für die Übertragung von Erbmerkmalen bewiesen.

3.2.2 Die Eiweißforschung und die Biologie

Wenn im Zusammenhang mit der Eiweißforschung im betrachteten Zeitraum von Biologie die Rede ist, ist meist die Genetik gemeint. Deren Bemühungen waren seit Beginn des Jahrhunderts auf die Klärung der Grundlagen der Vererbung, die Struktur und Zusammensetzung der Chromosomen und später auf die Natur der und deren Kontrolle über die Erhaltung, das Wachstum und die Entwicklung eines Organismus gerichtet. In den USA hatte eine Gruppe um Thomas Hunt Morgan (1866-1945) die Allgemeingültigkeit der Mendelschen Regeln aus ihren Versuchen mit der Taufliege (Drosophila melanogaster) nachweisen können und eine Annäherung der Standpunkte Mendels und Darwins erreicht. Es ist das große Verdienst von Morgan und seiner Schule, den exakten Beweis für die Lokalisierung der Erbanlagen, der Gene, in den Chromosomen erbracht zu haben.5 Morgan erkannte auch den scheinbaren Widerspruch, daß „viel mehr Merkmalspaare als

1 Levene (1931), 289 2 Holiday (1930), 619. Analytische Spektralphotometer mit Quarz-Optiken standen bis zum II.Weltkrieg kaum zur Verfügung. 3 Caspersson (1936), 311 4 Kay (2000), 55 5 Günther (1967), 373 74

Chromosomenpaare vorhanden sind“ und schlussfolgerte daraus, „daß die Chromosomen nicht die letzten Elemente darstellen.“1

„Wir nennen diese Elemente Faktoren oder Gene, und, was ich besonders betonen möchte, ist, daß ihre Existenz direkt abzuleiten ist aus den Ergebnissen der Genetik, ganz unabhängig von irgendwelchen weiteren Eigenschaften, die wir ihnen beilegen mögen. Der Nachweis ihrer Existenz ist auch unabhängig von dem Ort ihrer Lokalisation. Gerade diese Tatsache rechtfertigt die Theorie der korpuskularen Vererbung“2

Morgan konnte aufgrund seiner Untersuchungen auch die jüngeren Vorstellungen über die Gene als sehr kleine Abschnitte des Chromosomenfadens bestätigen. Die Konkretisierung dieses Begriffes, der 1909 von Wilhelm Johannsen (1857-1927) für die ursprünglich rein formale genetische Einheit der Vererbung eines Merkmals von einer Generation auf die nächstfolgende Generation geprägt worden war, führte damit zu seiner, für die weitere Entwicklung der Genetik wesentlichen, molekularen Definition. Mit dem Zusammenführen der Erkenntnisse über die Kopplung von Merkmalen im Erbgang mit dem Wissen aus der Chromosomenforschung zusammen mit den neuen Erkenntnissen aus den Drosophila-Versuchen fand Morgan den Schlüssel zu einem umfassenden Verständnis der Evolution. Damit gelang den Wissenschaftlern in den USA in der Zeit, als Europa sich im Kriegszustand befand, im Gegensatz zu ihren europäischen Kollegen ein ungehemmter Erkenntniszuwachs.3 Versuchsobjekte der Genetiker waren die wegen ihrer kurzen Generationszeit von zehn Tagen und ihrer praktischen Handhabung besonders geeignete Taufliege, als Modell für Säugetiere diente die Maus und als Versuchspflanze, besonders in den USA, der Mais. In Europa hatte in Russland und in der nachrevolutionären Sowjetunion die Genetik einen hohen Stand erreicht. Russland unterschied sich in seinen Traditionen deutlich von den USA, aber auch von Westeuropa. Die natürliche Auswahl wurde schon vor 1920 viel breiter akzeptiert als in anderen Ländern und die Naturgeschichte hatte ein höheres Ansehen und deutlicheren Einfluss an den Universitäten.4 In den 1920er Jahren war die Zahl der Genetiker in der UdSSR so hoch wie im ganzen Westeuropa. Als in dem mit sowjetischer Unterstützung gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch 1925 ein Genetiker gesucht wurde, wandte sich der Institutsdirektor, Oskar Vogt (1870-1959) an den Moskauer Genetiker Nikolai Konstantinowitsch Koltzoff (1872-1940) mit der Bitte um personelle Unterstützung. Dieser

1 Jahn (2000), 544 2 Morgan (1919), zitiert nach d. dt. Ausg. v. 1921, 199 ff.) 3 Schulz bei Jahn (2000), 544 4 Mayr (1982), 556 75 empfahl einen jungen Wissenschaftler, der sich vor allem mit genetischen Populations- und Evolutionsforschungen befasste, Nikolai Wladimirowitsch Timofeeff-Ressovsky (1900- 1981).1 In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts reifte die klassische Genetik zur Wissenschaft heran. Alle ihre fundamentalen Gesetze waren entdeckt. Es war geklärt, wie sich die Gene der Eltern in den Chromosomen der Nachkommen kombinieren. Für die Taufliege und eine der wichtigsten Kulturpflanzen, den Mais, existierten genaue Chromosomenkarten. Man wusste, daß das unter normalen Bedingungen sehr niedrige Tempo der Genveränderung – die Mutation – durch Einwirken von Röntgenstrahlen tausendfach beschleunigt werden kann. Nur, was das Gen eigentlich war, wusste niemand. Vieles sprach dafür, daß das Gen ein Körper war, also eine Größe haben musste. Timofeeff-Ressovsky nutzte gemeinsam mit dem Physiker Karl Günter Zimmer (geb. 1911) die Eigenschaft des Gens, unter Röntgenbestrahlung zu mutieren, für die Größenbestimmung. Nach der Auswertung zahlloser Versuche mit Taufliegen legten beide das Ergebnis vor: Im Durchschnitt sind in einem Chromosom nicht unter 10.000 und nicht über 100.000 Gene enthalten2. Das Gen war also keineswegs nur ein „Punkt“ am Chromosom, sondern ein aus Molekülen und Atomen bestehendes Gebilde. Die Genetik hatte das molekulare Niveau erreicht. An der Auswertung der Ergebnisse und den Diskussionen über die Struktur der Gene beteiligte sich auch der Physiker Max Delbrück, ein Schüler von Niels Bohr, damals Assistent bei Lise Meitner in der Physikalisch-Radioaktiven Abteilung des Kaiser-Wilhelm- Instituts für Chemie in Berlin-Dahlem. Sie fassten alle Fakten und Schlussfolgerungen in einer Schrift zusammen, die als „Das Grüne Pamphlet“ oder „Die Dreimännerarbeit“ in Fachkreisen bekannt wurde.3 „Die Arbeit stellt eine Kooperation zwischen Genetik und Physik dar. Sie ist entstanden aus Vorträgen und Diskussionen in einem kleinen privaten Kreis von Vertretern der Genetik, Biochemie, physikalischen Chemie und Physik“, heißt es im Vorwort. Die Gruppe nahm damit den disziplinübergreifenden, problembezogenen Arbeitsstil vorweg, der in den kommenden Jahren eine der Grundlagen des Erfolges von Arbeitsgruppen auch auf dem Gebiet der Eiweißforschung sein sollte. Ihre Ergebnisse fassten die drei Wissenschaftler so zusammen:

1 Granin (1988), 98-100. Dieses Buch ist insofern eine Besonderheit, als es zeitgleich in deutscher Übersetzung, jedoch mit unterschiedlichen Titeln im Verlag Volk und Welt in Berlin (Ost) und bei Pahl-Rugenstein in Köln erschien. Seitenangaben beziehen sich auf die Berliner Ausgabe. 2 Timofeeff-Ressovsky u. Zimmer (1935) 3 Timofeeff-Ressovsky, Zimmer u. Delbrück (1935) 76

„Somit stellen wir uns das Gen als einen Atomverband vor, innerhalb dessen die Mutation, als Atomumlagerung oder Bindungsdissoziation … ablaufen kann, und der in seinen Wirkungen und den Beziehungen zu anderen Genen weitgehend autonom ist. Es hat vorläufig keinen Sinn, diese Vorstellung weiter zu konkretisieren. Wir lassen auch zunächst die Frage offen, ob die einzelnen Gene getrennte, einzelne Atomverbände sind, oder weitgehend autonome Teile einer größeren Struktureinheit bilden. Ob also ein Chromosom eine perlenschnurartig angeordnete Reihe getrennter Gene enthält, oder physikalisch-chemisch ein Kontinuum bildet ( Koltzoff 19281). Diese Frage, ebenso wie das Problem der identischen Genverdopplung vor der Zellteilung, soll einer späteren (…) Analyse vorbehalten bleiben.“2

Die hierin getroffenen Feststellungen und offen gelassenen Fragen markieren bereits den Weg der molekularen Genetik der folgenden Jahre und Jahrzehnte. Der Genetiker Peter Starlinger hat 1982 die Bedeutung dieser Arbeit wie folgt beschrieben:

„In der Arbeit wurde klar dargelegt, daß das Gen – bis dahin abstrakte Einheit ohne Zusammenhang mit dem physikalischen Maßsystem – eine materielle Natur haben müsse, und daß die Daten es nahe legten ,jedes Gen als ein Makromolekül anzusehen. Das war, wenn man so will, eine wissenschaftliche Revolution im Sinne Thomas Kuhns: Aus dem Zusammentreffen von ganz verschiedenen Wissenschaftsgebieten ergab sich etwas, das für den Physiker fast selbstverständlich, für den Genetiker dagegen überraschend und sicherlich nicht einmal auf Anhieb zwingend war. Liest man diese Arbeit heute, so erscheint einem vieles außerordentlich modern. Es findet sich darin sogar der Satz . So würde man es heute auch beschreiben… Die Analyse und bewusste Manipulation von lebendigen Organismen auf der Ebene der Gene ist hier im Grunde vorweggenommen“3

Als dem Amerikaner (1904-1971) im Jahre 1935 die Isolierung und Kristallisation des Tabakmosaikvirus gelang, bewarb sich Delbrück erfolgreich um ein Rockefeller-Stipendium und verließ 1937 Deutschland.4In den USA schloss er sich 1940 mit Alfred Day Hershey (1908-1997) und Salvador Edward Luria (1912-1991) zur „Phagen- Gruppe“ zusammen, deren Arbeit die Entwicklung der Molekularbiologie wesentlich beeinflussen sollte.5

Die Klärung der stofflichen Basis der Gene erfolgte während des II.Weltkrieges auf unerwartete Weise: Seit langem war bekannt, daß Pneumokokken in verschiedenen Typen vorkommen, die sich in ihrer Virulenz unterscheiden6. Bereits 1927 hatte der Londoner

1 Koltzoff (1928), 345-369 2 Timofeeff-Ressovsky, Zimmer u. Delbrück (1935), 238 3 Engel (1990), 573. Dort zitiert nach Fischer (1985), 79 4 Beese (1980), zitiert nach Engel (1990) 5 Stent (1972), 15 6 Griffith (1928), 113 77

Bakteriologe Fred Griffith (1877-1941) den folgenden Effekt gefunden: Er injizierte Mäusen gleichzeitig einen avirulenten Pneumokokken-Stamm und abgetötete Zellen eines virulenten Pneumokokken-Stammes. Die Mehrzahl der Tiere starb und in ihrem Blut waren lebende Zellen des virulenten Stammes nachweisbar. Eine genetische Information war durch ein „transformierendes Prinzip“ übertragen worden.1 Dem kanadischen Arzt und Biochemiker Oswald Theodore Avery (1877-1955) gelang 1944 mit seinen Mitarbeitern der Nachweis, daß Desoxyribonukleinsäure das transformierende Prinzip darstellt.2 Da die Transformation eine unbegrenzt vererbliche Veränderung einer Zelle darstellt, war hier zum ersten Mal die chemische Natur der diese Veränderung bewirkenden Substanz klargemacht worden. Averys Versuche gelten noch heute als der entscheidende Beweis dafür, daß die DNS materielle Trägerin der Erbinformation ist.3 Eine Beteiligung von Protein an der Informationsübertragung konnte Avery ausschließen, in seinen Präparaten war Eiweiß auch mit den empfindlichsten Methoden nicht nachzuweisen. Andererseits war die transformierende Aktivität durch Behandlung mit DNAse (Desoxyribonuklease, ein spaltendes Enzym) sofort und restlos zum Verschwinden zu bringen. Avery äußerte sich nur privat und sehr zurückhaltend zum Wert seiner Entdeckung. In einem Brief an seinen Bruder deutete er an, seine DNA sei eigentlich wie ein Gen…vielleicht wie ein Virus4. Und sehr vorsichtig: „Es macht viel Spaß, Seifenblasen zu machen – aber es ist klüger, sie selbst zum Platzen zu bringen, bevor es jemand anders versucht“.5 Avery, dessen Entdeckung lange bezweifelt 6oder nicht zur Kenntnis genommen wurde7, gilt inzwischen als der Begründer der Molekulargenetik. Sein Name wird zusammen mit Charles Darwin und Gregor Mendel genannt.8. In vorderer Reihe der Skeptiker standen der Physiker Max Delbrück und der Mediziner und Mikrobiologe Salvador E. Luria (1912-1991), zwei überwiegend biologisch

1 Mayr (1982), 818. 2 Avery (1944), 137-158. 3 Hausmann (1995), 80. 4 Wortlaut des Briefes s. Bresch u. Hausmann (1972). 5 Shapiro (1995), 70. 6 Die Chemiker, die bei der Bestimmung der DNA die größte Rolle gespielt hatten, Miescher, Kossel und Levene glaubten alle, Protein sei die Erbsubstanz. Levene arbeitete am gleichen Institut wie Avery und behinderte bis zu seinem Tod im Jahre 1940 den Fortgang der DNA-Forschung. Max Delbrück kommentierte:“Damals glaubte man, die DNA sei eine dumme Substanz, ein Tetranucleotid, das nichts Spezifisches leisten konnte“. (Nach Shapiro (1995), 71. 7 Typisch ist ein Symposiumsband, der als Festschrift zum 50.Jahrestag der Wiederentdeckung von Mendels Arbeiten herausgegeben wurde, mit dem stolzen Titel „Genetics in the 20th Century (Dunn,1951). Keiner der etwa 30 renommierten Vortragenden jenes Symposiums fand ein Wort der Anerkennung für Avery; niemand außer Alfred Mirsky – er war Labornachbar von Avery im Rockefeller Institute- hatte ihn erwähnt, und Mirsky nur, um festzustellen, daß die Gene wohl doch aus Proteinen bestehen, die Avery übersehen haben könnte. (Nach Hausmann, 1995). 8 Chargaff (1979a), 147. 78 orientierte Wissenschaftler mit begrenzten Kenntnissen der Chemie.1 Mit Avery begann auch wirklich erst das, was man eine chemische Bildung von Genetikern nennen könnte.2 Dabei ist es vielleicht charakteristisch für den Weg, auf dem Wissenschaft wirkt, daß der Lehrer selbst weder Genetiker noch Chemiker war.

3.2.3 Die Eiweißforschung und die Physik

Der Inhaber des Lehrstuhls für theoretische Physik an der Universität Graz, Erwin Schroedinger, wurde nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich seines Amtes enthoben. Er folgte 1939 der Einladung des Irischen Ministerpräsidenten, in Dublin den Lehrstuhl für theoretische Physik am neu gegründeten Dublin Institute for Advanced Studies zu übernehmen.3 Schroedinger hielt 1943 am Trinity College in Dublin eine viel beachtete Vortragsreihe unter dem Titel What is Life? 4 Die im Buch zusammengefassten Gedanken Schrödingers hatten eine nachhaltige Wirkung: Sie zeigten „die Morgendämmerung einer neuen Epoche biologischer Forschung“5. Die von ihm vorgetragenen Theorien waren nicht durchweg neu, aber dadurch originell, daß sie von einem Physiker aufgegriffen und diskutiert wurden, der sich in biologische Probleme vertieft hatte. Er stützte sich vornehmlich auf die „Dreimännerarbeit“ und frühere Ergebnisse Timofeeff-Ressowskys, die eigentlich erst durch das Schroedinger-Buch in weiten Kreisen bekannt wurden. Auf Berufsbiologen hatte das Buch nur geringen Einfluss. Sie hielten wohl schon den Titel für eine Anmaßung. Umso größer war die Wirkung auf die Physiker. Deren biologisches Wissen war in der Regel auf wenige botanische und zoologische Grundkenntnisse beschränkt, der Umstand jedoch, daß einer der Begründer der neuen Physik die Frage „Was ist Leben“ stellte, konfrontierte sie mit einem fundamentalen Problem und weckte die Bereitschaft, ihre Anstrengungen einem neuen Gebiet zuzuwenden, auf dem nach Schroedingers Meinung aufregende Entwicklungen bevorstanden. Er leitet sein Buch mit der zuversichtlichen Feststellung ein:

„Wenn die heutige Physik und Chemie diese Vorgänge (die in einem lebenden Organismus vor sich gehen) offenbar nicht zu erklären vermögen, so ist das durchaus

1 Mayr (1982), 819. Delbrück und Luria hatten als Vertreter der „Phagen-Gruppe“ erhebliche Autorität. Sie wurden erst durch Versuche in ihrer eigenen Gruppe überzeugt, als mit radioaktiv markierten Bakterienviren (Bakteriophagen) Averys Ergebnisse bestätigt wurden. 2 Chargaff (1979), 347 3 Kilmeister (1987) 4 Die Vorträge wurden 1944 unter dem Titel: “What is Life? The Physical Aspect of the Living Cell” veröffentlicht. Zitate beziehen sich auf die 2.Auflage der deutschen Übersetzung. 5 Stent (1972), 13 79

kein Grund, die Möglichkeiten ihrer Erklärung durch diese Wissenschaften zu bezweifeln.“1

Schroedinger diskutierte zwei aus seinen Überlegungen zu Vererbung und Thermodynamik abgeleitete Prinzipien. Hinter einem steht die Frage, wie Organismen Informationen von einer Generation zur nächsten weitergeben – oder- wie kann ein Gen2 mit einer Größe von etwa 1000 Atomen (zu dieser Größenordnung führten die Bestrahlungsversuche von Timofeeff- Ressovsky) dem thermischen Zerfall widerstehen und so seine Informationen an die nächste Generation weitergeben? Schroedinger schlug vor, daß ein Gen, um diesem Problem zu entgehen, sich möglicherweise wie ein „aperiodischer Kristall“ verhalten könnte, in dessen Struktur die Information verschlüsselt niedergelegt ist.3 Diese großen aperiodischen Kristalle könnten aus einer Folge einer kleinen Anzahl isomerer Elemente bestehen, wobei die Art und Weise dieser Sequenz den genetischen Code repräsentiert.4 Das zweite von Schroedinger formulierte Prinzip betrifft die „Ordnung aus Unordnung“: Wie lässt sich die immens unwahrscheinliche, hoch geordnete Struktur eines Gens angesichts des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik erhalten? Schroedinger kam zu dem Schluss, daß Organismen ihre innere Ordnung schaffen, indem sie in ihrer unmittelbaren Umgebung Unordnung erzeugen. Er führte dafür den Begriff der „negativen Entropie“ ein (Negentropie)5. Eine exzellente Zusammenfassung der Hauptgedanken und Erkenntnisse des Buches findet sich bei Gould (1941-2002):

„Vielleicht war es Schroedingers Charakterisierung des Gens als „aperiodischer Kristall“. Vielleicht war es seine Sicht des Chromosoms als eine verschlüsselte Botschaft. Vielleicht war es seine Vorstellung, daß die in der Quantenmechanik geltende Unbestimmtheit auf Genebene durch die Zellproliferation zu molarer Bestimmtheit konvertiert wird. Vielleicht war es seine Betonung der Stabilität des Gens und seiner Fähigkeit, Ordnung aufrechtzuerhalten. Vielleicht war es sein Glaube, daß die allzu augenfälligen Schwierigkeiten bei der Erklärung von Leben mittels physikalischer Gesetze nicht notwendigerweise bedeuten müsse, daß man irgendein superphysikalisches Gesetz zu finden habe, wenngleich ein paar neue physikalische Gesetze vielleicht schon nötig seien.“6

Erwin Schroedinger wird häufig als „Inspirationsquelle für ein Vererbungsdenken in Begriffen eines Codes“ angesehen7. Die Begriffe Information, Botschaft und Code begannen

1 Schroedinger (1944) 2 „Es ist wahrscheinlich ein großes Proteinmolekül“ (Schroedinger (1944), 47 3 Murphy (1997), 11 4 Stent (1972), 14 5 Schroedinger (1944), 94 ff. 6 Gould (1997), 36 7 Kay (1994), 152 80 seit der Mitte der 1940er Jahre in der Biologie und Genetik Fuß zu fassen, parallel zum Aufstieg von Informationstheorie, Kybernetik und elektronischer Datenverarbeitung.1 Deren Entwicklung wurde bestimmt durch Projekte, die eingebettet waren in den Kontext des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges.2 In der späteren Molekularbiologie wurde der Begriff „Information“ mit nicht immer einheitlicher Bedeutung verwandt.3

3.2.3.1 Atombau und chemische Bindungen

Im Jahre 1913 gelang dem dänischen Physiker Niels Hendrik David Bohr (1885-1962) die Anwendung der Quantenhypothese von Max Planck (1858-1947) und Albert Einstein (1879- 1955) auf das planetarische Atommodell von Ernest Rutherford (Lord Rutherford of Nelson and Cambridge, 1871-1937). Nach dem Bekanntwerden der Quantenmechanik (Werner Heisenberg 1925 und Ernst Schroedinger 1926) wurde erkennbar, daß die quantenmechanischen Gleichungen eine verlässliche Basis für die Theorie der molekularen Strukturen darstellten.4 Der amerikanische Physikochemiker Linus Pauling (1901-1994) hielt sich 1926/27 zu Studien bei Arnold Sommerfeld (1868-1951) in München, bei Erwin Schroedinger in Zürich und bei Niels Bohr in Kopenhagen auf. Die dort erworbenen Kenntnisse und die Anwendung der Wellenmechanik auf chemische Bindungen sowie seine eigenen Ergebnisse kristallstrukturanalytischer Untersuchungen mit Röntgenstrahlen fasste er 1939 in seinem Buch „The Nature of the Chemical Bond and the Structure of Molecules and Crystals“5 zusammen. Pauling bewies den planaren Charakter der Amidbindung und bestimmte Atomabstände und Bindungswinkel. Die Kenntnisse der Strukturen von Amiden und Aminosäuren, die seine Resonanztheorie vermittelte und die durch sorgfältige experimentelle Studien erhärtet wurden erwiesen sich in der Folgezeit als sehr wertvoll bei der Bestimmung der Strukturen von Proteinen.

1 Ebd., 175 2 Ebd., 153 3 Sarkar (1996), 187 4 Pauling (1954), 430 5 Pauling (1939) 81

3.2.3.2 Einblicke in Molekülstrukturen

Einer der Väter der Chemie, Sir Humphrey Davy (1778-1829) vertrat einmal den Standpunkt:

„... nothing tends so much to the advancement of knowledge as the application of a new instrument. The native intellectual powers of men in different times are not so much the causes of different success of their labours, as the peculiar nature of the means and artificial resources in their possession.”1

Die Kristallstrukturanalyse mit Röntgenstrahlen erwies sich als ein solches Mittel, das ganz neue Möglichkeiten eröffnete. Dabei wird der Umstand genutzt, daß Röntgenstrahlen einer bestimmten Wellenlänge, ein Kristallgitter einer bestimmten Struktur sowie ein Brechungsmuster in einem direkten mathematischen Zusammenhang stehen. Die praktische Technik sowie die mathematischen Lösungen wurden zu großen Teilen von den englischen Physikern Sir Henry und Lawrence Bragg ausgearbeitet (s. Abschn. 2.2.3, S.42 ff.), die mit ihren Schülern und Mitarbeitern ihre Laboratorien in Cambridge und Manchester zu den weltweit wichtigsten Zentren der Röntgen-kristallstrukturanalytischen Forschung ausbauten. Die Apparaturen waren einfach und von unterschiedlicher Qualität, an die zu untersuchenden Kristalle wurden hohe Anforderungen gestellt und die mathematische Auswertung der Laue- Diagramme dauerte selbst bei einfachen Kristallen noch Monate. Seine erste Veröffentlichung über die Kristallstruktur natürlicher Aminosäuren und verwandte Verbindungen begann 1931 der britische Physiker und Wissenschaftshistoriker John Desmond Bernal (1901-1971) mit den Worten:

„…a knowledge of the crystal structure of the amino acids is essential for the interpretation of the x-ray photographs of animal materials: silk fibroin, keratin, collagen, proteins etc., which have been studied by this method for the first time in the last few years.”2

Bis zum Ausbruch des II.Weltkrieges lagen von der Gruppe Bernals mit Dorothy Mary Crowfoot Hodgkin (1910-1994) und Isidor Fankuchen (1905-1964) Röntgen-Aufnahmen der Kristalle von fünf Proteinen vor: Insulin, Excelsin (aus einer südamerikanischen Nuss), Laktoglobulin (zwei Formen, orthorhombisch und tetragonal), Hämoglobin und

1 zitiert nach Hager (1995), 86 2 Bernal (1931), 363, zitiert nach Crowfoot Hodgkin (1979), 126/127 82

Chymotrypsin.1 Einige Proteinmoleküle erwiesen sich als unterschiedlich in ihrer Form, sie bildeten, wie früher vermutet, Aggregate: Insulin ein Hexameres und Hämoglobin ein Tetrameres, Laktoglobulin ein Dimeres.2 Mit einer ersten, 1931 veröffentlichten Theorie der Denaturierung von Proteinen3 ging Hsien Wu (1893-1959) davon aus, daß bei der Denaturierung eine Umlagerung der Polypeptidketten infolge der Lösung von (nicht näher bezeichneten) „schwachen Bindungen“ erfolgt, welche die Ketten zusammenhalten. 1936 hatten dann der Chemiker Linus Pauling vom California Institute of Technology (Caltech) und der Biochemiker Alfred Ezra Mirsky (1900-1974) vom Rockefeller Institute eine allgemeine Theorie der Proteinstruktur beschrieben.4 Darin wurde Wasserstoffbindungen zwischen Molekülen eine bedeutende physiologische Rolle für die Bestimmung der Spezifität beigemessen. Mit der Annahme, daß Wasserstoffbindungen die dreidimensionale Gestalt von Proteinmolekülen und damit deren biologische Spezifität bestimmen, stellte Pauling eine Verbindung zwischen molekularer Struktur und biologischer Wirkung her, die fundamentale Bedeutung für die spätere Eiweißforschung hatte. Er schuf damit gleichzeitig die theoretischen Grundlagen für die „Sekundärstruktur“ von Proteinen.5

3.2.3.3 Einsatz stabiler Isotope

Ein Beispiel für die Anwendung einer physikochemischen Entdeckung in der experimentellen Biologie ist der Einsatz von schweren Isotopen als Markierungen (engl. tracer). Bei dieser Technik wird ein schweres stabiles (Deuterium 2H, 15N) oder radioaktives Isotop eines biologisch wichtigen Elements wie Kohlenstoff oder Phosphor in einen Nährstoff eingebaut, der dann einem Versuchstier oder einer Pflanze zugeführt wird. Der Weg des Isotops im Organismus, in den Organen oder in den Stoffwechselprodukten lässt sich mit Massenspektrometern exakt verfolgen und gibt Aufschluss über Stoffwechsel- oder Synthesewege.6 Diese, Anfang der 1930er Jahre eingeführte neue Technik erweiterte die Möglichkeiten der Biochemie gewaltig und stellt noch heute eine unverzichtbare Methode der experimentellen Biochemie dar.

1 Crowfoot Hodgkin (1979), 132 2 Ebd., 143 3 Wu (1931), 321; zitiert nach Haurowitz (1950), 126. Wu wurde in China geboren und lebte seit 1911 in den USA. 4 Pauling & Mirsky (1936); Mirsky & Pauling (1936) 5 Bernal (1968), 373. 6 Fosdick (1989), 161-162. 83

1933 hatte der Physikochemiker Gilbert Newton Lewis (1875-1946) durch fraktionierte Elektrolyse von Wasser Deuterium angereichert und „schweres Wasser“ zugänglich gemacht.1 An der Columbia Universität hatte der damals führende Experte für die Isotopentrennung, Harold Clayton Urey (1893-1981) weitere stabile Isotope gewonnen, als 1934 der aus Deutschland vertriebene Biochemiker Rudolf Schoenheimer (1898- 1941) dort eintraf.2 Urey war an der Anwendung von Isotopen in der Biologie interessiert. Sein Programm fügte sich völlig in das Anliegen Warren Weavers ein, interdisziplinäre Arbeiten von Physikern und Biologen materiell zu fördern3. Erste Anwendungen fanden stabile Isotope bei Untersuchungen des Zwischenstoffwechsels in lebenden Zellen4 durch Schoenheimer in den Jahren 1934-19415. Bis zum Beginn des II.Weltkrieges haben Rudolf Schoenheimer und seine Mitarbeiter die Aussagefähigkeit der Isotopentechnik bei Stoffwechselexperimenten bewiesen6;7. Die Technik der Isotopenmarkierung brachte nach dem II.Weltkrieg, besonders durch den dann möglichen Einsatz radioaktiver Isotope für die Eiweiß- und Nukleinsäureanalytik sowie auch für die biochemischen Versuche zur Proteinbiosynthese einen großen Aufschwung.8 (Siehe 4.2.1 u. 4.3.1).

3.3 Einflüsse politischer Entwicklungen

Fragt man nach den Ursachen für den in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts eingetretenen Rückstand der deutschen Forschung gegenüber den Vereinigten Staaten, so muss man noch heute an erster Stelle die brutale Vertreibungsaktion der Nationalsozialisten nennen und erst in zweiter Linie die Kriegsverluste und die Teilung des Landes.9 Bereits 1942 hat sich der englische Biochemiker und Wissenschaftshistoriker Joseph Needham (1900-1995) mit den Folgen der Vertreibung von Wissenschaftlern von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie befasst.10 Er wies auf die

1 Lewis u. Macdonald (1933), 341-344; Lewis (1933a), 1297. 2 Kohler (1977a), 259; (1982), 228. 3 Olby (1990), 504-505. 4Als Zwischenstoffwechsel bezeichnet man die einzelnen chemischen Reaktionen und Zwischenprodukte in der lebenden Zelle, die beim Auf- oder Abbau großer Moleküle wie Proteine, Fettsäuren oder Kohlehydrate ablaufen bzw. auftreten. 5 Schoenheimer schied 1941 von eigener Hand aus dem Leben. 6 Fruton (1992), 76. 7 Clarke (1941), 553-554.; Speyer (1972) 8 Hausmann (1995), 102. 9 Hermann (1982), 139 10 Needham (1942) 84

Lücken hin, die zwischen 1933 und 1938 durch die Entlassung und Vertreibung von eintausendachthundertachtzig hervorragenden Wissenschaftlern an deutschen und österreichischen Universitäten entstanden sind. Unmittelbar nach Einführung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ im Jahre 1934 wurden allein in Deutschland 1145 Professoren und Dozenten entlassen, das waren rund 15 Prozent des Lehrkörpers aller deutschen Universitäten und Hochschulen.1 Durch den in England gegründeten ”Academic Assistance Council”, später umbenannt in “Society for the Protection of Science and Learning” wurde unter Vorsitz des Physikers Lord Rutherford versucht, den Wissenschaftlern, denen die Ausreise bzw. Flucht aus Deutschland, Österreich oder einem von deutschen Truppen besetzten Land gelungen war, angemessene Tätigkeiten in England, den USA oder in Australien zu vermitteln.2 Auf dem Gebiet der Eiweißforschung waren von der Vertreibung betroffen die Chemiker Max Bergmann und , die Biochemiker Rudolf Schoenheimer, Fritz Lipmann, Felix Haurowitz, Otto Meyerhof und Hans Adolf Krebs sowie die Physiker Ernst Schrödinger und Max Perutz (1918-2002).3 Max Delbrück ging mit einem 1937 erhaltenen Rockefeller- Stipendium in die USA.4 Mit diesen Wissenschaftlern gingen Spitzenkräfte auf Arbeitsgebieten wie der Peptidchemie, der Biochemie, der Genetik und des Teils der Physik, der sich der Biologie angenähert hatte, verloren. Für die Forschung in den USA, wohin die Mehrzahl der Exilanten emigriert war, erwies sich der Zustrom europäischer Wissenschaftler als sehr günstig. Erwin Chargaff, der 1935 in die USA gegangen war, führte dies nicht nur auf die besonderen Forschungsprogramme und das Expertenwissen dieser Emigranten zurück, sondern auch auf ihre Einstellung der Wissenschaft gegenüber: „Der Beitrag der paar Europäer war groß, denn wir haben eine viel schärfere wissenschaftliche Luft hineingebracht. Die amerikanische Naturwissenschaft h at durch die europäische zu atmen angefangen. Ich meine damit einen gewissen Ernst, mit dem man Wissenschaft betrieb“.5

Während der ersten Dekaden des 20.Jahrhunderts hatte sich in Russland bzw. in der jungen Sowjetunion eine bemerkenswerte Gruppe von Pflanzengenetikern herausgebildet6, darunter waren Sergej Sergeevich Chetverikov (1880-1959) und Nikolai Ivanovich Vavilov (1887-

1 Hermann (1982), 139 2 Needham (1942), 31. 3 Deichmann (2001), 119-123. 4 Dabei spielten auch politische Gründe eine Rolle. Nahe Verwandte gehörten der Widerstandsbewegung an, z.T. als führende Mitglieder: Sein Bruder Justus, sein Schwager Klaus Bonhoeffer und dessen Bruder Dietrich sowie sein Cousin Arvid von Harnack. Sie alle fielen dem Terrorregime zum Opfer. Delbrück hatte keine Aussichten auf eine angestrebte Dozentur. (Nach Beese, 1980, 41). 5 Erwin Chargaff im Gespräch mit Ute Deichmann in New York am 28.Januar 1997. Deichmann (2001), 177. 6 Mayr (1982), 556. 85

1943)1. Chetverikov war mit progressiven genetischen Ansichten hervorgetreten2. Er musste aus politischen Gründen bereits 1929 Moskau verlassen3. Vavilov war ein international hoch angesehener Pflanzengenetiker, Leiter renommierter Forschungsinstitute und bis 1933 Präsident der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der UdSSR. Der amerikanische Genetiker und spätere Nobelpreisträger Hermann Joseph Muller (1890- 1967), ein Mitarbeiter Morgans, war 1933 in die Sowjetunion gegangen, um mit Vavilov zu arbeiten und sich mit den dort neuen Bedingungen vertraut zu machen. Er erlebte die politisch unterstützte Einflussnahme der lamarckistisch orientierten Botaniker Iwan Wladimirovich Mitschurin (1855-1935) und Trofim Denisovich Lyssenko (1898-1976) auf die Genetik in der UdSSR4 und die Repressalien gegen die Vertreter der Gentheorie. Er hatte erfolglos versucht, Kompromisse zu finden und kehrte 1937 deprimiert zurück5. Vavilov wurde nach langen Auseinandersetzungen mit Lyssenko 1939 von allen Ämtern entbunden und 1940 verhaftet. Er starb 1943 im Gefängnis.6 Die politischen Eingriffe in die genetische Wissenschaft und das Beharren auf dem Primat der Vererbung erworbener Eigenschaften hielten in der UdSSR bis in die Mitte der 1960er Jahre an.

3.4 Eine Zwischenbilanz

Die biochemische Forschung in Deutschland konnte nach dem I.Weltkrieg ihre international führende Stellung beibehalten und sogar ausbauen. Dabei standen die Untersuchung von Reaktionen der Zellatmung, des Zwischen- und des Energiestoffwechsels im Vordergrund. Die Zentren der biochemischen Forschung verlagerten sich mit dem Exodus aus Deutschland und Österreich vertriebener Wissenschaftler in den dreißiger Jahren zunehmend nach England und in die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Interdisziplinär arbeitende Gruppen von Biologen, Chemikern und Physikern erfuhren dort materielle und finanzielle Förderung. Mit der Kristallisation wichtiger Enzyme wurde deren Proteincharakter bestätigt. Die Einführung und Weiterentwicklung der Ultrazentrifuge erlaubte die Bestimmung von Molekulargewichten bzw. der Molekülgrößen von Proteinen. Auf dem Gebiet der Peptidsynthesen konnten mit der Einführung neuartiger Schutzgruppen die Möglichkeiten zur Synthese von Substraten für proteolytische Enzyme erheblich erweitert und damit die

1 Fruton (1999), 75. 2 Chetverikov (1926). 3 Chetverikov ging nach Gorki (ehem. Nischnij Nowgorod), wo er erblindet verstarb. 4 Schulz (2000), 546-547. 5 Granin (1988), 163. 6 Adams (1980). 86

Untersuchungen zur Spezifität der Enzyme unterstützt werden. Das Gen wurde als stofflich fassbare Einheit der Erbsubstanz erkannt und Vorstellungen von seiner Größe abgeleitet. Als materielle Basis der Erbsubstanz wurden die Nukleinsäuren, deren Bausteine und Strukturprinzipien ermittelt und für den Mechanismus der Proteinbiosynthese erste Erkenntnisse gewonnen. Das Jahr 1940 markiert nicht nur den Beginn einer zerstörerischen Periode der Weltgeschichte, es stellt auch das Ende einer Epoche in der Proteinchemie dar. Zu diesem Zeitpunkt war die Natur der Proteine als einheitliche Moleküle akzeptiert, die Molekulargewichte vieler Proteine waren mit guter Genauigkeit bekannt und man wusste einiges über ihre ungefähre Gestalt. Neue Einsichten, schnelle und revolutionäre Fortschritte in unserem Verständnis von Proteinen und ihrer Rolle in der Biologie kamen erst nach dem II.Weltkrieg.1

1 Edsall (1979), 53 87

4. Die Eiweißforschung bis zum Ende des 20.Jahrhunderts

Dieser Abschnitt ist vom vorigen nicht scharf abzugrenzen, da die am II.Weltkrieg beteiligten Länder zu unterschiedlichen Zeiten in den Krieg eingetreten sind. Für die Eiweißforschung wichtige Ergebnisse wurden während der Kriegszeit besonders in den USA erzielt. Der II.Weltkrieg hatte in der Mehrzahl der Staaten, die bis zum Kriegsbeginn in der Eiweißforschung eine bestimmende Rolle spielten, kaum überschaubare materielle und geistige Trümmer hinterlassen. Die wissenschaftliche Arbeit war während des Krieges in den beteiligten Ländern hauptsächlich auf militärisch wichtige Aufgaben konzentriert worden. Von einigen, für die Eiweißforschung besonders bedeutsamen Wissenschaftlern ist ihre Tätigkeit während des II.Weltkrieges bekannt: So arbeitete der Physiker Francis Harry Compton Crick (geb. 1918) im Forschungslaboratorium der britischen Admiralität an der Entwicklung von Seeminen1. Der amerikanische Physikochemiker Linus Carl Pauling entwickelte im Rahmen des U.S.Office of Scientific Research and Development einen künstlichen Serumersatz, er erfand einen Sauerstoff-Detektor, der die besonderen magnetischen Eigenschaften des Sauerstoffs ausnutzte und der in Unterseebooten und Kampfflugzeugen breite Anwendung fand. Er war an der Entwicklung von Sprengstoffen, Raketentreibstoffen ebenso wie von Geheimtinten beteiligt. Für die gleiche Einrichtung arbeiteten die Chemiker Stanford Moore und Christian Anfinsen. Der Chemiker Vincent du Vigneaud und der Genetiker George W.Beadle stellten sich der Penicillin-Entwicklung zur Verfügung. Der Biochemiker John H.Northrop war für das National Defense Committee tätig. Der britische Chemiker Max Ferdinand Perutz untersuchte für die Marine die Möglichkeit der Nutzung von Eisschollen als Flugzeugbasen. Die französischen Wissenschaftler Francois Jacob und Jaques Monod dienten in der Befreiungsarmee bzw. in der Resistance.2 Das verstärkte Interesse der Physik an biologischen Fragestellungen wird gelegentlich mit den durch den Einsatz der Wissenschaftler für die militärische Forschung im Kriege entstandenen Brüchen sowie mit den Enttäuschungen oder Empörungen über die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki 1945 zu erklären versucht. Das klingt plausibel und könnte die schnelle Entwicklung der Molekularbiologie nach dem II.Weltkrieg, in die die Eiweißforschung allgemein einbezogen wird, verständlich machen. Wahrscheinlich begann der Interessenwandel bei Physikern aber bereits in den dreißiger Jahren mit den neuen

1 Wasson (1987), 230 2 Die Angaben zur Tätigkeit der Wissenschaftler im II.Weltkrieg wurden den „Current Biography“ sowie 88

Erkenntnissen der Quantentheorie und Wellenmechanik, mit Erwin Schroedingers „Was ist Leben?“, und ist in seiner Wirksamkeit nur durch den II.Weltkrieg verzögert und danach deutlicher sichtbar geworden. Als weiterer Gesichtspunkt kann angesehen werden, daß die Entwicklung der Informationstheorie während des II.Weltkrieges von großer Bedeutung für die Einbeziehung des Informationsaspekts in die Molekularbiologie war. Ferner ist zu berücksichtigen, daß eine sehr enge Beziehung zwischen der Verfügbarkeit von radioaktiven Markern für die biochemische Forschung und dem Bau und Betrieb von Kernreaktoren besteht, die eine beträchtliche Anzahl nützlicher Isotope liefern.1 Die Biochemie und die Molekularbiologie stellten neben der Medizin die bevorzugten Einsatzgebiete sowohl für die Informationstheorie wie auch für stabile und radioaktive Isotope und damit interessante Arbeitsgebiete auch für Physiker dar. Eine grundsätzliche Veränderung trat nach dem II.Weltkrieg für die Eiweißforschung durch eine zunehmende inhaltliche Annäherung an die Gesellschaft ein- durch unmittelbare Bezüge zur Medizin, später durch direkte Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie, z.B. beim Insulin und danach bei anderen Eiweiß- und Peptidhormonen wie Oxytocin, Vasopressin und Angiotensin. Die Forschung an Universitäten und Akademien trat in immer engere Beziehungen zur Forschung der Industrie, die sich Ihrerseits bei bestimmten Forschungen an Universitäten und Hochschulen an der Finanzierung direkt beteiligte. Nach dem erfolgreichen Start von Sputnik I setzte 1957 ein „Weltraum-Rennen“ ein, das besonders in den USA mit einer enormen Steigerung der staatlichen Forschungsausgaben verbunden war, von der auch die Eiweißforschung profitieren konnte.

4.1 Die allgemeine Situation der Forschung

Über lange Zeit waren Proteine und später Nukleinsäuren bevorzugte Objekte der biochemischen Forschung. Aber seit dem Ende der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden sie zunehmend auf andere Art untersucht: Nicht mehr nur als passive Strukturen, sondern als funktionale Agentien. Die Ultrazentrifuge und andere Labortechniken zeigten diese Substanzen als große, langkettige Polymere mit funktionaler Spezifität, die in ihrer molekularen Gestalt begründet ist. Man begann, die Strukturelemente oder kleine Gruppen und deren Abfolge im Molekül als Einheiten biologischer Information zu verstehen.

div. Bänden der „Nobel Prize Winners“ entnommen. 1 Olby (1979), 158. 89

Das galt zuerst für Proteine mit ihrem weiten Spektrum von Untereinheiten, den Aminosäuren. In den 1940er Jahren wurde das auf die Nukleinsäuren, die stoffliche Grundlage der Gene, ausgedehnt. Die Biochemiker begannen auch, sich mit Problemen zu befassen, die eigentlich gar nicht zu ihrem „intellektuellen Territorium“ gehörten: Bakteriophagen und Viren, für Biochemiker die Grauzone zwischen toten Chemikalien und lebenden Organismen.1 Der Kristallisation von Enzymen durch James Summer und John Northrop folgte 1946 die Kristallisation von Viren durch Northrop und Wendell Meredith Stanley (1904-1971). Die chemische Untersuchung von Viren erfolgte mit den gleichen Methoden wie die von physiologisch aktiven Proteinen und Enzymen. In den USA drängte die Eiweißforschung mit der allgemeinen Biochemie weiter in die medizinischen Hochschulen. Die Forschungsprogramme wurden erweitert, um Gelder von der Regierung oder von Stiftungen zu erlangen. Die mit der Kriegsproduktion hoch entwickelte optische und feinmechanische Industrie stellte sich auf Labor- und Analysentechnik um. Auf den Gebieten analytischer Methoden und angewandter Biochemie zogen amerikanische Wissenschaftler mit ihren europäischen Kollegen gleich und übernahmen auf Teilgebieten die Führung.2 Die Biochemiker schlossen sich zu nationalen Vereinigungen zusammen. 1949 fand in Cambridge der erste Internationale Kongress für Biochemie statt, auf dem die Bildung einer Internationalen Union für Biochemie, unabhängig von der entsprechenden Union der Physiologen und der Internationalen Union für reine und angewandte Chemie (IUPAC) vorbereitet wurde. Die „International Union of Biochemistry“ (IUB) wurde 1955 nach Überwindung von Widerständen aus der IUPAC, die eine biochemische Sektion gebildet hatte, in den International Council of Scientific Unions aufgenommen.3 Damit hatte auch die Eiweißforschung eine internationale wissenschaftliche Plattform gefunden. Bis etwa 1940 wurden wenigstens drei verschiedene Richtungen der biochemischen Forschung unterschieden: die klinische, die bioorganische und biophysikalische sowie die biologische. Leiteten sich Ende der dreißiger Jahre die Aufgabenstellungen der Biochemiker aus Gebieten wie biologische Oxidation, Zwischenstoffwechsel, Biosynthese und Makromoleküle ab, so begannen die Biochemiker in den vierziger Jahren mit der Hilfe neuer Laboratoriumstechnologien Stoffwechselwege aufzuzeigen und Makromoleküle unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktionen in der Zelle zu betrachten. Auf jedem dieser Teilgebiete

1 Kohler (1982), 326. 2 Kohler (1982), 251. 3 Fruton (1999), 67. 90 leistete die Eiweißforschung z.B. durch Identifizierung von Enzymen, Aufklärung von Aminosäuresequenzen oder räumlichen Strukturen unerlässliche Unterstützung. In den 1950er Jahren gab es die ersten Erkenntnisse in der molekularen Genetik, der Genreplikation und von der genetischen Kontrolle der Eiweißsynthese. Die Entwicklung und der erfolgreiche Einsatz neuer Techniken wie der Chromatographie und der weiterentwickelten Röntgen-Kristallstrukturanalyse machte nach dem II.Weltkrieg die detaillierte Untersuchung von Proteinen als chemische Individuen möglich. Die Strukturen, die sich aus Untersuchungen mit den neuen Techniken ergaben, verlangten von den Chemikern, über die Bedeutung der vielfältigen kooperativen Wechselwirkungen in den spezifischen Windungen der Polypeptidketten bei der Bildung funktioneller Proteinmoleküle, bei der Selbstanordnung von Proteinuntereinheiten und der Wechselwirkung von Proteinen mit anderen Zellbestandteilen nachzudenken.1 Die synthetischen und analytischen Methoden der Eiweiß- und Nukleinsäureforschung schafften also die Möglichkeiten zur Aufklärung von Strukturen wichtiger Eiweißstoffe und der Zusammenhänge von deren Struktur und Funktion und damit zu einem besseren Verständnis von Lebensvorgängen.

4.1.1 Methodische und apparative Entwicklungen

Die immer effektivere Nutzung des einfachen Prinzips der Verteilung eines Stoffes zwischen zwei verschiedenen Phasen hat seit dem II.Weltkrieg auch der Eiweißforschung neue wissenschaftliche Möglichkeiten eröffnet und ihre Entwicklung enorm beschleunigt. Für das immer wieder auftretende Problem, einen Stoff aus einem Gemisch zu isolieren, zu reinigen und einer qualitativen und/oder quantitativen Bestimmung zugänglich zu machen, wurden auch für geringste Stoffmengen mit der Nutzung der Verteilung und deren Kombination mit anderen Prinzipien wie z.B. der Adsorption wirksame Methoden geschaffen. Das Prinzip der Abtrennung eines Stoffes aus einem Gemisch bzw. einer Lösung erläuterte der englische Biochemiker Archer John Porter Martin (geb. 1910) in seinem Vortrag aus Anlass der Verleihung des Nobelpreises im Jahre 19522 an einem einfachen Beispiel: Aus einer wässrigen Reaktionslösung sollte ein etherlöslicher Stoff – in diesem Falle war es Vitamin E- herausgelöst werden. Dazu verband er eine hochgestellte Flasche mit der wässrigen Lösung über eine Öffnung am Boden durch eine Glasröhre mit einer ebenso

1 Fruton (1972), 179 2 Martin (1952), 360 91 großen, mit Ether gefüllten, tiefer stehenden Flasche. Die spezifisch schwerere wässrige Lösung strömte durch das Rohr abwärts und drückte den spezifisch leichteren Ether in das obere Gefäß. Über Nacht hatten sich die Flüssigkeiten ausgetauscht. Im Gegenstrom hatte sich das Vitamin E im Ether angereichert. Bei dem geschilderten Experiment (der Höhenunterschied zwischen den beiden Flaschen betrug einige Meter) errechnete Martin eine Extraktionswirksamkeit von etwa zehn theoretischen Böden.1 Eine Verbesserung der Trennung erreichte Martin durch eine Verlängerung der Austauschstrecke auf 60m, die er jedoch in 45 Teilstrecken gliederte, die auf hintereinander geschaltete Austauschelemente verteilt waren, durch die im Gegenstrom die miteinander nicht mischbaren Phasen gepumpt wurden. Er erreichte mit Wasser-Petrolether-Phasen Trenneffekte von etwa 200 theoretischen Böden. Zur gleichen Zeit arbeitete der Biochemiker Richard Laurence Millington Synge (geb.1914) an der Bestimmung der Aminosäuren in der Wolle. Er versuchte dazu, die Unterschiede in der Verteilung von Acetyl-Aminosäuren zwischen den Phasen Chloroform und Wasser zu nutzen. Die Verteilungskoeffizienten zeigten ermutigende Unterschiede.2 Martin und Synge unternahmen gemeinsame Versuche, Martins bei der Vitamin E-Abtrennung bewährte Apparatur brachte jedoch nicht den erhofften Trenneffekt. Auch konstruktive Veränderungen brachten keine wesentliche Verbesserung. Martin versuchte eine weitere Variante: Er füllte ein Glasrohr mit einer Mischung von Wolle und Baumwolle, wobei die Fasern in der Achse der Röhre ausgerichtet waren. Seine Überlegung war, daß Baumwolle vorzugsweise von Wasser, Wolle jedoch von Chloroform benetzt wird. Die Hoffnung, durch die Vielzahl von parallelen Strömen der mobilen Phasen die Trennung zu verbessern, erfüllte sich nicht. Ein Durchbruch wurde dadurch erreicht, eine mobile Phase durch eine stationäre Phase zu ersetzen. Mit Kieselgel, an das die wässrige Phase gebunden war, gefüllte Säulen erbrachten erste befriedigende Lösungen. Dem Wasser im Kieselgel war Methylorange als Indikator zugesetzt worden.3 Die Trennung der einzelnen Acetyl-Aminosäuren beim Durchlauf von Chloroform gab sich mit roten Banden in der orangefarbenen Säule zu erkennen.4 Martin und Synge stellten die „Verteilungschromatographie“ der Biochemical Society in London am 7.Juni 1941 vor. Durch Verwendung verschiedener Kieselgele sowie durch Zusätze verschiedener Alkohole zum Chloroform konnte die Methode noch verbessert werden.

1 Ein theoretischer Boden bezeichnet eine theoretische Trennstufe, welche die Einstellung des Phasengleichgewichtes zwischen den jeweiligen Stoffströmen bewirkt (Römpp, 1998, 269). 2 Synge (1952), 376. 3 Durch die Acetylierung der freien Aminogruppen der Aminosäuren wurde deren Säurecharakter verstärkt. 4 Martin (1952), 363. 92

Als Martin und Synge 1941 ihre Ergebnisse veröffentlichten1, bemühten sich auch Wissenschaftler in anderen Laboratorien um neue Methoden zur quantitativen Bestimmung der Aminosäuren in einem Eiweißhydrolysat. Die Dringlichkeit solcher Bestimmungen wurde während des Krieges durch das Anliegen erhöht, die Aminosäurezusammensetzung von antibakteriellen Stoffen wie Gramicidin (Abb.8) und Penicillin zu ermitteln. Es hatte sich gezeigt, daß diese „Antibiotika“, wie diese damals in größeren Mengen zugänglich gewordenen Stoffe genannt wurden, ganz oder zu Teilen Peptidcharakter hatten.2

Ältere Methoden zur Bestimmung einzelner Aminosäuren wurden überprüft und zum Teil verbessert. Neben den Untersuchungen zur Adsorptionschromatographie von Aminosäuren wurde ihre Trennung auf der Basis von Ionenwirkungen an festen Trägern mit geladenen Gruppen wie auch die Möglichkeit einer elektrophoretischen Trennung bearbeitet. Auch Bakterien, die zu ihrem Wachstum eine bestimmte Aminosäure benötigen, wurden zur Aminosäureanalytik eingesetzt. Erwin Brand (1891-1953) u.a. beschrieben 1945 ein Verfahren, bei dem mit einer Kombination chemischer und mikrobiologischer Techniken die Amniosäurereste von β-Laktoglobulin zu 99,6% bestimmt werden konnten.3 In der Forschungsvereinigung der Wollindustrie in Leeds, in der Martin und Synge arbeiteten, nutzten die Farbstoffchemiker Filtrierpapier zur Trennung und Identifizierung von Farbstoffen. Diese Technik blieb in anderen Bereichen lange Zeit unbeachtet. Martin übernahm diese Technik und konnte schon beim ersten Versuch die Aminosäuren Valin und Leucin durch Chromatographie mit wassergesättigtem Butanol trennen. Ähnlich wie bei der Trennung an einer Kieselgelsäule wirkte das vom Papier aufgesogene Wasser als stationäre Phase. Der Nachweis der erfolgreichen Trennung erfolgte durch

1 Martin & Synge (1941), 1358. 2 Fruton (1999), 214. 3 Brand (1945), 1524-1531. Später wurde gefunden, daß die hohe Genauigkeit durch gegenseitige Kompensation mehrerer Fehler entstanden ist. 93

Reaktion der Aminosäuren mit Ninhydrin. Nach der Chromatographie wurde das Papier getrocknet, mit einer Ninhydrin-Lösung besprüht und erwärmt. Die Aminosäuren bilden blauviolette Flecken. Die einfache Technik, an Filterpapier Aminosäuren und Peptide mit geringem Aufwand schnell und eindeutig trennen und mit Ninhydrin nachzuweisen zu können, stellte für die Identifizierung von Aminosäuren, für die Ermittlung der Zusammensetzung von Aminosäure- und Peptidgemischen und damit für die Entwicklung der Eiweißforschung insgesamt einen entscheidenden Fortschritt dar. Bestimmungen, die zuvor Wochen und länger in Anspruch nahmen, waren jetzt innerhalb von Tagen möglich. Dazu kam der Vorteil, daß auch Untersuchungen mit Substanzmengen möglich wurden, die „die unangenehme Eigenschaft hatten, zwischen den Fingern zu verschwinden, wenn man mit ihnen arbeitete“1 So genügten bereits 200 μg Wolle, um die darin enthaltenen Aminosäuren qualitativ zu bestimmen.2 Physik und physikalische Chemie (Adsorption, Verteilung) und Chemie (Ninhydrin- Nachweis) hatten zu diesem Fortschritt beigetragen. Das Umdenken von der klassisch-chemischen Denkweise, vom Umgang mit handhabbaren Mengen von Substanzen zum biochemischen Arbeitsstil, vergleichbar dem Unterschied zwischen Sichtflug und dem Flug nach Instrumenten gestaltete sich jedoch manchmal schwierig. So traf z.B. die Anerkennung der Papierchromatographie als analytische Nachweismethode für die Identifikation einer Verbindung auch auf Widerstände. Der englische Biochemiker Frederick Sanger (geb. 1918) berichtete von einem Problem, das es bei seiner ersten Veröffentlichung über die Struktur des Insulins gab.3 Zur Ermittlung der Anzahl der Peptidketten im Insulinmolekül hatte er die freien und endständigen Aminogruppen mit Dinitrofluorbenzol markiert und nach Hydrolyse die Dinitrophenyl- (DNP)-Aminosäuren abgetrennt und papierchromatographisch identifiziert. Bei der Publikation der Ergebnisse4 gab es eine Verzögerung. Ein angesehener organischer Chemiker, der die Arbeit im Auftrag des Biochemical Journal beurteilte, übte Kritik daran, daß die aminoendständigen Aminosäuren der Insulin-Ketten nur durch ihr chromatographisches Verhalten und damit nicht eindeutig charakterisiert worden seien. In der Chemie sei es üblich, die Identität einer Substanz durch ihren Schmelzpunkt und durch die Elementaranalyse zu belegen. Sanger musste mit erheblichem Aufwand aus einer großen

1 Arne Tiselius als Mitglied des Nobel-Komitees für Chemie bei der Vorstellung von Archer Martin anlässlich dessen Auszeichnung mit dem Nobel Preis im Dezember 1952. 2 Consden u..a. (1944), 225. 3 Sanger (1996), 6. 4 Sanger (1945), 507. 94

Insulinmenge die DNP-Aminosäuren isolieren, um die geforderten Daten zu gewinnen. Bei nachfolgenden Arbeiten wurde das nicht mehr verlangt. In den Nachkriegsjahren wurden zahlreiche Bemühungen unternommen, die Papierchromatographie zu vervollkommnen und Trennungen von Aminosäure bzw. Peptidgemischen sicherer und aussagekräftiger zu machen. Dazu gehört die Trennung auf Papier in zwei Dimensionen, d.h. ein Lauf mit einem Lösungsmittel und nach Trocknung des Papiers ein zweiter Lauf mit um 900 veränderter Laufrichtung mit einem anderen Lösungsmittel bzw. eine elektrophoretische Trennung in der zweiten Laufrichtung.1 Damit wurden auch quantitative Bestimmungen von Aminosäuren versucht, die Ergebnisse konnten jedoch wegen zu geringer Genauigkeit nicht befriedigen.2 Egon Stahl (1924-1986) übertrug das Trennprinzip vom Papierbogen bzw. –streifen auf kleine, quadratische Platten mit etwa 20 cm Kantenlänge aus Glas, Kunststoff oder Aluminium, die mit dünnen Schichten eines meist anorganischen Trägers beschichtet waren. Er nannte das Verfahren „Dünnschichtchromatographie“3. Als stationäre Phase (Träger) werden vorwiegend Kieselgele, Aluminiumoxid und Cellulose eingesetzt. Wie bei der Papierchromatographie kann die Trennung eines Gemisches durch Chromatographie in zwei Dimensionen erfolgen oder durch Kombination mit einer Elektrophorese erreicht werden.4 1949 berichteten Stanford Moore (1913-1982) und William Howard Stein (1911-1980) über eine vollständige quantitative Aminosäureanalyse von β-Lactoglobulin durch Verteilungschromatographie an einer mit Stärke gefüllten Säule.5 Zum Auffangen der eingesetzten mobilen Phase setzten sie einen „Fraktionssammler“ ein, den sie zu diesem Zweck entwickelt hatten6 (Abb.9). Die geringe Fließgeschwindigkeit in einer Stärkesäule ließ Moore und Stein nach besser geeigneten Trägern suchen.

1 Consden (1947), 590. 2 Fruton (1999), 214. 3 Stahl (1967) 4 Glaesmer (1965), 175-181. 5 Moore & Stein (1949); 53 6 Fraktionssammler sind automatisierte Geräte, die meist volumengesteuert die Ablaufstelle z.B. einer Chromatographiesäule über eine Reihe von Auffanggefäßen bzw. diese unter die Ablaufstelle bewegen. In den einzelnen, so gewonnenen Fraktionen kann der Gehalt an eluierten Substanzen dann z.B. kolorimetrisch quantitativ bestimmt werden. 95

Die fanden sie etwa zeitgleich mit skandinavischen Forschern1 in synthetischen Harzen. Bereits in der Mitte der 1930er Jahre hatte Staudinger durch Polymerisation von Styrol (Vinylbenzol) mit einem sehr geringen Anteil Divinylbenzol hochpolymere Harze mit hoher chemischer Beständigkeit und mechanischer Abriebfestigkeit beschrieben.2 Auf chemischem Wege lassen sich in die Harzmatrix funktionelle Gruppen, z.B. saure Sulfonsäurereste (Kationenaustauscher) oder basische Gruppen (Anionenaustauscher) einbauen. In der Technik wurden Ionenaustauscher3 z.B. zur Entsalzung von Kesselspeisewasser eingesetzt.

In der Aminosäure- und Peptidanalytik werden sowohl die Adsorptions- wie auch die Ionenaustauscheigenschaften der Harze genutzt. Die Trennung und quantitative Bestimmung von Aminosäuren wurde von Moore, Stein und Darryl H.Spackman (geb.1924), der die Automatisierung der Methode besorgte4 (Abb.10), zu solcher Zuverlässigkeit ausgebaut, daß auf einer wissenschaftlichen Tagung über Proteine von der Entwicklung der Aminosäureanalytik in zwei Perioden gesprochen wurde: Vor Moore und Stein und nach Moore und Stein.5 Die Bedeutung der Moore-Stein-Methode für die Eiweißforschung zeigte sich besonders darin, daß die Möglichkeit, den Gehalt eines Peptids oder Proteins an Aminosäuren quantitativ innerhalb eines Tages mit großer Genauigkeit zu bestimmen, seit den 1950er Jahren immer mehr Wissenschaftler ermutigte, sich mit der Proteinchemie zu beschäftigen. Eine ähnliche Bedeutung hat der Fraktionssammler für die experimentelle Laborarbeit auf verschiedenen Gebieten erreicht: Ursprünglich für die Aminosäureanalytik entwickelt, werden derartige Geräte in verschiedenen Ausführungen inzwischen mit der Säulenchromatographie für die Analyse, Trennung und Reinigung von Substanzgemischen aller Art eingesetzt.

1 Paleus u. Neilands (1950), 1024. 2 Staudinger u.Frost (1935), 2351. 3 Bereits in der Bibel findet sich ein Hinweis auf den Ionenaustausch (2. Mose, Kap.15, 23-25). Dort wird die Überführung von bitterem in trinkbares Wasser durch Einlegen eines alten Baumstammes beschrieben. Aus der Bodenkunde ist bekannt, daß verrottete Cellulose ein guter Austauscher für Mg-Ionen ist. (Mixtura mirabilis 1960, 34). 4 Spackman, Moore u. Stein. 5 Kirschenbaum (1979). 96

Ein weiteres Gerät, das aus der Eiweiß- und Aminosäureanalytik hervorgegangen und aus heutigen Laboratorien gar nicht mehr wegzudenken ist, ist der „Rotationsverdampfer“, der das schonende Eindampfen von Lösungen ermöglicht, die bei der Trennung an Chromatographiesäulen, besonders bei präparativen Arbeiten anfallen. Als Verdampfungselement dient ein in einem Wärmebad rotierender Kolben mit der einzuengenden Flüssigkeit, die durch die Drehbewegung als dünner Film auf den erwärmten Wänden verteilt wird und leicht verdunsten kann.1Geeignete Kupplungsteile zwischen rotierendem Kolben und feststehendem Kühler lassen auch Arbeiten unter vermindertem Druck und damit besonders schonende Behandlung der oft wärmeempfindlichen gelösten Substanzen zu.

Die Grundform der Säulenchromatographie von Spackman, Stein und Moore bildete den Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen sowohl der apparativen Lösung als auch der Trenn- und Trägermaterialien.2 Mit der Erkenntnis, daß die Trennleistung einer Chromatographiesäule mit abnehmender Korngröße der stationären Phase zunimmt, entwickelte sich in den 1960er Jahren die „High performance“- oder „High Pressure Liquid Chromatography“ (HPLC)3 (Abb.11). Die Feinteiligkeit der Trennmaterialien (etwa 10 μm im Vergleich zu 100 bis 200 μm bei der normalen Säulenchromatographie) erfordert allerdings die Anwendung höherer Drücke (bis zu 40 MPa). Trotz des dadurch bedingten höheren technischen Aufwandes hat sich die auch Schnelle Chromatographie genannte HPLC als Routinemethode in vielen Bereichen durchgesetzt. Zusammen mit physikalischen Methoden wie der Kernmagnetischen Resonanz- Spektroskopie, der Massenspektroskopie und der Röntgen-Kristallstrukturanalyse bietet die HPLC dem Chemiker ein wertvolles Äquivalent zur Elementaranalyse niedermolekularer

1 Craig u.a. (1950), 1462. 2 Smith (1979), 112. 3 Lindsay (1966) 97

organischer Verbindungen. Für die Trennung und Strukturbestimmung größerer Peptide und von Proteinen ist auch die HPLC nicht geeignet. Nur größere Peptide und kleine Proteine wie Cytochrom c und Ribonuklease können an Kunstharz-Ionenaustauschern chromatographisch getrennt werden. Bei Proteinen mit höheren Molekulargewichten waren zuverlässige Trennungen nicht zu erreichen. Eine völlig neue Gruppe von Ionenaustauschern, substituierte Cellulosen wurden 1954 von Sober und Peterson eingeführt.1 Deren Beladungsfaktor war wesentlich höher als bei synthetischen Ionenaustauschern. Mit der Einführung substituierter Cellulosederivate entwickelte sich die Fraktionierung von Blutplasma sehr schnell.

Bei Versuchen zur Trennung von Peptiden bzw. Reinigung von Proteinen an unbehandelter, gequollener Stärke war aufgefallen, daß Moleküle mit Molekulargewichten >5000 von den Stärkekörnern nicht aufgenommen wurden, kleinere Moleküle, die in die Stärkekörner eindringen konnten, dagegen eher entsprechend ihrer Molekülgröße als ihres Verteilungskoeffizienten zwischen fester und mobiler Phase chromatographisch getrennt wurden.2 Das war der Beginn der Einführung quervernetzter Dextrane,3 die zu dieser Zeit unter dem Handelsnamen Sephadex4 verfügbar wurden. Der Einsatz dieser Produkte für Trennungen, die allgemein als Gelfiltration bezeichnet werden, hat die Reihe chromatographischer Techniken für die Proteinchemie erheblich erweitert5.

1 Sober u. Peterson (1954), 1711. 2 Lathe u. Ruthven (1965), 665. 3 Durch Bakterien der Gattung Leuconostoc extrazellulär aus Saccharose enzymatisch gebildetes neutrales Biopolysaccharid mit relativen Molmassen von 40.000 bis 60.000. Die Quervernetzung erfolgt etherartig mit Epichlorhydrin. 4 Porath u. Flodin (1959), 1657. 5 Eine Übersicht über chromatographische Trennmethoden findet sich bei Morris u. Morris (1963). 98

Schon am Beginn des 20.Jahrhunderts war bekannt, daß Purine und Pyrimidine UV-Licht bei 260 nm absorbieren. Vor dem II.Weltkrieg waren analytische Spektralphotometer mit Quarzoptiken hochspezialisierte Instrumente und in biochemischen Laboratorien nicht verfügbar. Während der 1930er Jahre wendete Thorbjörn Caspersson (geb. 1910) diese Technik für eine zytochemische Studie von Nukleinsäuren1 an und verstärkte damit das Interesse an deren biologischer Rolle. Ein allgemeiner Einsatz dieser Methode in der biochemischen Forschung setzte erst nach Verfügbarkeit zuverlässiger photoelektrischer UV- Spektralphotometer nach dem II.Weltkrieg ein. Hinweise auf die chemische Zusammensetzung konnten auch bei Proteinen und Peptiden durch Messung der UV- Absorption gewonnen werden. Peptide, die aromatische Aminosäuren (Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan) enthalten, absorbieren UV-Licht bei 280 nm. Damit war die Möglichkeit gegeben, Moleküle, in denen diese Aminosäuren enthalten waren, z.B. auf Papier- oder Dünnschicht-Chromatogrammen und in Fraktionen der Eluate von Trennungen an Chromatographiesäulen zu lokalisieren und zu bestimmen (Abb.12). Neben den bisher genannten, überwiegend für analytische Arbeiten entwickelten Methoden und Ausrüstungen verdienen als unerlässliche Voraussetzungen für biochemisch-präparative Aufgaben labortechnische Geräte zur Arbeit bei verminderten Temperaturen Erwähnung. Ohne Kühl- und Tiefkühleinrichtungen für die Aufbewahrung von Ausgangsmaterialien und Zwischenprodukten und ohne gekühlte Labor- und Ultrazentrifugen für analytische und prä- parative Arbeiten wären die in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts erreichten Erfolge der biochemischen Forschung im allgemeinen und der protein- und peptidchemischen Forschung insbesondere nicht möglich gewesen.

1 Caspersson (1936), zit. n. Kay (2000), 386. 99

4.2 Entwicklungen auf dem Eiweißgebiet

Schon frühzeitig waren in der Proteinchemie Verfahren zur hydrolytischen Spaltung von Proteinen durch Säuren und durch eiweißspaltende Enzyme entwickelt worden. Der schrittweise Abbau eines Moleküls und die Identifikation der abgespaltenen Teile war ja die klassische Methode der organischen Chemie bei der Ermittlung der Struktur einer zu untersuchenden Verbindung. Das schwierige Problem der Trennung der einzelnen Peptide war mit der Entwicklung der chromatographischen Methoden gelöst. Auch die Aminosäure- Zusammensetzung der bei der Spaltung entstandenen Peptide konnte qualitativ und mittlerweile auch quantitativ mit nur geringem Aufwand ermittelt werden. Unbekannt geblieben war, ob das ursprüngliche Protein aus einer oder mehreren Ketten bestand, wie die Ketten zueinander angeordnet und ob sie möglicherweise miteinander verbunden waren und in welcher Kette und in welcher Reihenfolge die erhaltenen Spaltpeptide in der oder in den Kette(n) im Ausgangsprotein vorhanden waren.

4.2.1 Insulin - Leitsubstanz für die Strukturaufklärung von Proteinen

Im Jahre 1943 löste der Biochemiker Albert Charles Chibnall (1894-1988) Sir Frederick Gowland Hopkins (1861-1947) in der Leitung der Biochemischen Abteilung der Universität Cambridge ab. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hatte Chibnall die Aminosäure- Zusammensetzung des Insulins bestimmt.1 Insulin war als Forschungsgegenstand wegen seiner medizinischen Bedeutung und seiner guten Verfügbarkeit gewählt worden. Bei der Bestimmung der freien Aminogruppen des Insulins war aufgefallen, daß mehr freie Aminogruppen nachweisbar waren, als Lysinreste2 gefunden worden waren. Daraus wurde geschlossen, die „überzähligen“ Aminogruppen gehörten zu den Aminosäuren am Amino- Ende von Polypeptidketten. Chibnall empfahl einem jungen Biochemiker, diese Aminosäuren zu bestimmen. Sein Name war Frederick Sanger.3 Bereits 1923 hatte Emil Abderhalden (1877-1950) versucht, die endständigen Aminogruppen in einem Partialhydrolysat von Seiden-Fibroin durch Umsetzung mit 2,4-Dinitrochlorbenzol zu markieren.4 Die Verbindung reagierte mit den Aminogruppen jedoch nur in der Wärme, das führte zu unüberschaubaren

1 Chibnall (1942), 136. 2 Lysin (α,ε- Diaminocapronsäure) enthält neben der α- noch eine weitere Aminogruppe in ε-Stellung. 3 Chibnall (1987). 4 Abderhalden u. Stix (1923), 143. Zit. n. Fruton (1992), 35. 100

Veränderungen des Proteins. Während des Krieges waren in der Giftgas-Forschung viele Fluorverbindungen untersucht worden. Deren hohe Toxizität ist vor allem in ihrer Reaktionsfähigkeit mit Aminogruppen von Eiweißen unter milden Bedingungen begründet. Chibnall griff diesen Umstand auf und riet Sanger, 2,4-Dinitrofluorbenzol zur Endgruppenbestimmung einzusetzen.1 Die bei der Umsetzung entstehenden Dinitrophenyl- Derivate der Aminosäuren erwiesen sich als beständig gegen Säurehydrolyse, waren wegen ihrer Gelbfärbung leicht zu identifizieren und chromatographisch gut zu trennen.2 Mit dieser Methode war es erstmals möglich, die Anzahl der Ketten in einem Protein zu ermitteln. Im Insulin fand Sanger zwei Ketten, eine mit 20 (A-Kette) und eine mit 31 (B-Kette) Aminosäuren. Die Trennung der beiden durch zwei Disulfidbrücken verbundenen Ketten gelang nach oxydativer Spaltung mit Perameisensäure.3 1952 hatten Sanger und seine Mitarbeiter die Aminosäuresequenzen beider Ketten aufgeklärt. 1955 waren auch die Positionen der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein in den Ketten ermittelt und damit die Struktur des Insulins nach zwölfjähriger Arbeit bekannt (Abb.13).

Sanger untersuchte zuerst das Insulin vom Rind. Spätere Untersuchungen der Insuline anderer Spezies ergaben, daß die Unterschiede jeweils nur drei Aminosäuren im Disulfidring der kürzeren A-Kette sowie die Aminosäure am C- Ende der B-Kette betrafen (Abb.14).

Die wichtigsten, bei der Strukturaufklärung des Insulins für die Trennung von Peptiden und die Identifizierung von Aminosäuren eingesetzten Techniken waren die Chromatographie und die Elektrophorese auf Papier.

1 Auf Frutons Bitten, diese Erinnerung Chibnalls zu kommentieren, antwortete Sanger später, er hätte das anders in Erinnerung. 2 s.S. 88, Fußnote 2. 3 Sanger (1949), 126. 101

Die außerordentliche Bedeutung der Ergebnisse Sangers und seiner Mitarbeiter bei der Strukturaufklärung des Insulins für die Eiweißforschung lässt sich in den folgenden Punkten verdeutlichen1:

- Es wurde bestätigt, daß Proteine einheitliche Substanzen sind und keine heterogenen Gemische.

- Sanger hatte die Möglichkeit bewiesen, die Struktur (genauer: die Primärstruktur) eines Proteins zu ermitteln, die erforderlichen Methoden beschrieben und damit entsprechende Untersuchungen in anderen Laboratorien angeregt.

- Obwohl die räumliche Struktur des Insulins noch über Jahre unbekannt blieb, konnte man hoffen, aufgrund der Kenntnis der Aminosäuresequenz (der Primärstruktur) der Lösung des Problems näher zu kommen. - Von grundsätzlicher Bedeutung war die endgültige Bestätigung, daß die wichtigste Bindung zwischen Aminosäuren in einem Protein die Peptidbindung ist. - Es hatte sich weiterhin gezeigt, daß Proteine aus einer oder mehreren verschiedenen Peptid- ketten bestehen können und daß die Sequenzen in einer Kette keine Wiederholungen oder andere Muster enthalten. -Sanger und seine Mitarbeiter hatten sowohl Säuren wie auch Enzyme für die hydrolytischen Spaltungen der Insulinketten und der Spaltpeptide eingesetzt. Es war jetzt belegt, daß Enzyme längere Peptidketten an Stellen spalten, die aus Erfahrung mit der Wirkung dieser Enzyme mit synthetischen Substraten vorhersagbar sind2. - Andererseits konnten nun Insulinketten oder andere Proteine mit bekannten Sequenzen genutzt werden, die Angriffspunkte von proteolytischen Enzymen unbekannter Spezifität zu bestimmen.

Sangers erfolgreiche Arbeit ermutigte, die Strukturen anderer Proteine zu ermitteln und markierte das Ende eines jahrhundertlangen Bemühens herausragender Chemiker und Biologen mit bedeutenden Erfolgen und großen Irrtümern.

Für seine herausragende Arbeit über die Struktur von Proteinen, insbesondere der des Insulins, wurde Frederick Sanger 1958 der Nobelpreis für Chemie verliehen.

1 Zusammengefasst aus Fruton (1972), Smith (1979), Sanger (1958 u . 1996) u. Tiselius (1958) 2 Chymotrypsin spaltet Peptidketten hinter den Aminosäuren Phenylalanin (Phe), Trypsin hinter den basischen Aminosäuren Lysin (Lys) und Arginin (Arg). 102

Erst im Jahre 1969 gelang der englischen Chemikerin Dorothy Crowfoot Hodgkin (1910- 1994) die Darstellung der dreidimensionalen Struktur des Insulinmoleküls. Für ihre umfangreichen Arbeiten auf dem Gebiet der Röntgen-Kristallstrukturanalyse von Proteinen (bereits 1934 hatte sie gemeinsam mit John Desmond Bernal Kristalle von Pepsin untersucht) wurde sie 1964 mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt.1

4.2.2 Hämoglobin – Blutfarbstoff und „Enzym ehrenhalber“- Leitsubstanz für das Verständnis der Funktion von Proteinen

Neben dem Weiß des Vogeleis, das im deutschen Sprachraum dem Eiweiß seinen Namen gegeben hat, ist der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin wohl der bekannteste, jedenfalls der bestuntersuchte Eiweißkörper. Mephisto hatte wohl recht, als er sagte: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“.2 Und das Besondere im Blut ist das Hämoglobin. Es gibt dem Blut die Färbung, kann in seinen Lösungen wegen der intensiven Farbe quantitativ kolorimetrisch bestimmt und kann leicht kristallisiert werden. Seine Derivate geben sich durch unterschiedliche Farben zu erkennen: Reduziertes (sauerstofffreies) Hämoglobin ist dunkelrot mit einem bläulichen Farbton, Oxyhämoglobin leuchtend rot, Kohlenmonoxid-Hämoglobin sieht kirschrot aus und Methämoglobin (mit dreiwertigem Eisen) hat Indikatoreigenschaften. Es ist im sauren und neutralen Bereich braun, oberhalb eines pH-Wertes von 8 ist es rot.3 Kristalle aus den roten Blutzellen einiger Spezies sollen schon 1845 oder früher gewonnen worden sein.4 Preyer beschrieb 1871 die Kristallisation der Hämoglobine von mehr als 40 Tierarten, Säugern, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien, meist durch Ausfällen mit Alkohol aus einer wässrigen Lösung in der Kälte5. Zwischen den Hämoglobinen verschiedener Spezies wurden schon frühzeitig erhebliche Unterschiede festgestellt6. Von Krüger fand, daß die Hämoglobine verschiedener Tierspezies durch ihre Beständigkeit gegenüber verdünnter Natronlauge unterschieden werden können. Die Umwandlungszeit

1 Wasson (1987), 470-472 2 J.W.v.Goethe: Faust I, im Studierzimmer (2) 3 Rapoport (1964), 510 4 Edsall (1972), 205-257 5 Preyer (1871) 6 Körber (1866), Über Differenzen des Blutfarbstoffs; Inaugural- Dissertation, Universität Dorpat (heute Tartu), Estland, zitiert bei v.Krüger (1932),337 103 einer hellroten Lösung von Oxy-Hämoglobin in das dunkelbraune Denaturierungsprodukt diente ihm als Maßstab. Diese Zeit lag zwischen 1 min beim erwachsenen Menschen und mehr als 1 Tag beim Schaf oder Rind1. Selbst über die Größe des Moleküls gab es schon frühzeitig Vorstellungen. Bereits 1886 hatte Oscar Zinoffsky (1848-1889) den Eisen- und Schwefelgehalt in Pferde-Hämoglobin bestimmt und aus dem Atom-Verhältnis beider Elemente von fast genau 2:1 ein Molekulargewicht von etwa 16.700 errechnet.2 Er nutzte den Umstand, daß man aus der genauen Elementaranalyse des am wenigsten enthaltenen Elements auf ein minimales Molekulargewicht schließen kann. So lässt ein Stoff mit einem Schwefelgehalt von 1% ein Molekulargewicht um 3200 erwarten. Die ganze Berechnung steht und fällt mit der Richtigkeit der Schwefelbestimmung.3 Aus Ergebnissen von osmotischen Versuchen ermittelte Gilbert Smithson Adair (1896-1979) 1925 für Hämoglobin ein Molekulargewicht von 67.0004, aus Sedimentationsuntersuchungen in der Ultrazentrifuge kamen Svedberg und Fahreus 1926 zu dem gleichen Wert5. Aus dem Eisengehalt des Hämoglobins und den Ergebnissen der Molekulargewichts- Bestimmungen von Adair und Svedberg wurde geschlossen, daß das Hämoglobinmolekül aus vier Untereinheiten besteht, die für identisch gehalten wurden. Diese Annahme wurde gestützt durch den Umstand, daß Hämoglobin sich in schwach saurer Lösung in zwei Halbmoleküle teilt, von denen jedes wiederum zwei Untereinheiten enthält.6 Erst etwa 30 Jahre später konnte mit neuen und verbesserten Arbeitsmethoden gezeigt werden, daß die beiden Halbmoleküle des Hämoglobins verschieden sind.7 Beginnend in den 1950er Jahren war das Hämoglobin in den Mittelpunkt des Interesses der Eiweißforschung gerückt. Die schnelle Verbreitung inzwischen industriell hergestellter Apparaturen und Geräte zur Chromatographie, Elektrophorese u.a. führte zu einem großen Zuwachs an Erkenntnissen. Im Hämoglobin A des erwachsenen Menschen wurden zwei verschiedene Polypeptidketten – die α- und die β-Ketten unterschieden. Daneben wurden in geringerem Umfang weitere Hämoglobine entdeckt, die sich durch ihre elektrophoretische Beweglichkeit vom normalen menschlichen Hämoglobin unterschieden. 1979 waren bereits über 150 verschiedene Humanhämoglobine8 bekannt. Die meisten enthalten zwei verschiedene Globine.

1 v.Krüger (1925), 254 2 Zinoffsky (1886), 16-34. 3 Schulz (1903), S.2. 4 Adair (1925), 627-637. 5 Svedberg u. Fahreus (1926), 430-438. 6 Haurowitz (1979), 38. 7 Singer u. Itano (1959), 174. 8 Haurowitz (1979), 40. 104

Fötales und Nabelschnurblut enthalten überwiegend das fötale Hämoglobin F. 1910 hatte Wakulenko gefunden, daß das Hämoglobin neugeborener Kinder 100mal widerstandsfähiger gegen Denaturierung durch Natronlauge war als das der Mütter.1Während des Wachstums des Föten und in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes gibt es eine Periode, in der Erythrozyten2 sowohl fötales wie auch adultes Humanhämoglobin produzieren (HbA und HbF)3. Die Umschaltung erfolgt allmählich. Eine ähnliche Umschaltung erfolgt bei der Produktion menschlicher Immunglobuline (Ig). Unmittelbar nach der Immunisierung werden die zuerst entstehenden Makromoleküle mit „schweren“ Ketten4 gebildet. Sowohl IgM wie IgG enthalten die gleichen „leichten“ Ketten5. Beim Umschalten von IgM zu IgG enthalten einige Zellen sowohl IgM und IgG-Antikörper.6 Haurowitz spricht in diesem Zusammenhang von einem “temporären Polymorphismus“7.

4.2.2.1 Primärstrukturen von Hämoglobinen

Jedes normale Hämoglobin enthält ein Paar α-Ketten mit je 141 Aminosäuren sowie ein Paar einer zweiten Art von Polypeptidketten mit je 146 Aminosäureresten, überwiegend β-Ketten. Die Unterschiede zwischen den Hämoglobinen sind meist in Austauschen von Aminosäuren in der β-Kette begründet. Noch bevor die Aminosäuresequenzen des normalen adulten Humanhämoglobins aufgeklärt waren8, konnten die Unterschiede zwischen verschiedenen Hämoglobinen an unterschiedlichen Ergebnissen der elektrophoretischen Trennung der mit Trypsin erhaltenen Spaltpeptide erkannt werden. Jede Kette des Hämoglobins trägt eine planare Hämgruppe, d.h. einen Porphyrinring mit einem Eisenatom in der Mitte. Über das Eisen im Häm erfolgt die Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin (Abb.15).

1 Wakulenko (1910). Mitteilungen des med.-chem. Laboratoriums der Universität Tomsk (Sibirien). Zitiert bei Degel (1932). 2 Rote Blutzellen 3 Betke u. Kleihauer (1958), 241. 4 Glykoproteinketten mit Molekülmassen von 55.000 bis 60.000. 5 Glykoproteinketten mit Molekülmassen von 20.000 bis 24.000 6 Nossal u.a. (1964), 485. 7 Haurowitz (1979), 41. Dieser biologisch-genetische Polymorphismus bei Eiweißen in Lösung ist nicht gleichzusetzen mit dem von Eilhard Mitscherlich 1821 entdeckten chemisch-mineralogischen Polymor- phismus (Schütt, 1991 S.53). 8 Braunitzer (1961), 283 105

Besondere Beachtung fand das Hämoglobin von Farbigen, die an einer seit 1910 bekannten erblichen Krankheit mit dem Krankheitsbild einer schweren Anämie litten. Ihre roten Blutzellen waren nicht diskusförmig wie beim normalen Blut Gesunder, sondern sichelförmig. Daraus entstand die Krankheitsbezeichnung „Sichelzellenanämie“. Das Blut dieser Kranken hat in der reduzierten Form nur eine sehr geringe Löslichkeit (2% der Löslichkeit von Oxy-Hb S) und kristallisiert daher bei niedrigem O2-Partialdruck innerhalb der roten Blutzellen aus, wodurch deren ungewöhnliche Gestalt zustande kommt. Die Sichelzellen ballen sich zusammen und verstopfen die kleinsten Blutgefäße. Der dadurch erzeugt O2-Mangel verstärkt die Neigung zur Sichelzellenbildung und führt zu Schädigungen von Geweben, besonders des Gehirns.1 Der Mediziner Harvey Itano untersuchte in Paulings Labor die elektrophoretischen Eigenschaften des Sichelzellen-Hämoglobins. Das Hb S wanderte zur Kathode, hatte also eine positive Ladung, im Gegensatz zum normalen Hb A mit einer negativen Ladung, das zur Anode wanderte. Mit der Entdeckung des anormalen Verhaltens des Sichelzellen-Hämoglobins (Hb S) durch Linus Pauling2 und des Verlaufs der Vererbung dieser Anomalität3,4 wurde es erstmals möglich, einen chemischen Zusammenhang zwischen dem Effekt einer Genmutation und einer biochemischen Struktur zu erkennen. Die Aminosäureanalyse des tryptischen Spaltpeptides des Sichelzellen-Hämoglobins, das nach Chromatographie in der einen und Elektrophorese in der zweiten Dimension („fingerprinting“) auffällig vom vergleichbaren Bild eines normalen Human-Hb A-Hydrolysats abwich zeigte, daß in der β-Kette des Sichelzellen-

1 Rapoport (1964), 519 2 Pauling u.a. (1949),543 3 Neel (1949),64. 4 Beet (1949), 274. 106

Hb lediglich ein saurer (polarer) Glutaminsäurerest gegen einen neutralen Valinrest ausgetauscht war.1 Da die klinischen Manifestationen der Sichelzellenanämie ganz oder überwiegend dem Effekt einer Genmutation auf die Struktur eines Proteins zuzuschreiben sind, trifft die Bezeichnung „molekulare Krankheit“, die Linus Pauling 1947 dafür prägte, durchaus zu2. Die Zusammenarbeit von Medizinern (Hämatologen, Pathologen und Internisten) mit Biologen und Chemikern bei der Aufklärung der genetischen Zusammenhänge sowie der biochemischen Grundlagen der Sichelzellenanämie kann als Beginn der später als „Molekularbiologie“ bezeichneten interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit angesehen werden.

4.2.2.2 Sekundärstrukturen von Hämoglobinen

Pauling, der sich ursprünglich mit anorganischen Kristallen und der Natur der chemischen Bindungen beschäftigte, kam über theoretische Fragen zur Eiweißchemie. Mit dem Nachweis der Planarität der Peptidbindung schuf er einen wichtigen Prüfstein für die Auswertung von Röntgen-Kristallstrukturaufnahmen von Proteinen und für die Entwicklung von Vorstellungen zur Sekundär- und Tertiärstruktur von Eiweißstoffen. 1923 hatte James Briant Conant, damals als junger Chemiker an der Harvard University, deren Präsident er später werden sollte, gefunden, daß das zweiwertige Eisen im Desoxy- Hämoglobin bei der Anlagerung von Sauerstoff nicht oxydiert wird, sondern im zweiwertigen Zustand verbleibt.3 Conants Ergebnisse gaben eine Erklärung für die Umkehrbarkeit der Sauerstoffbindung an das Hämoglobin, ließen jedoch die Frage offen, wie Sauerstoff an das Eisen des Häms bei Erhaltung dessen zweiwertigen Zustandes gebunden werden kann (Abb.16).

1 Ingram (1957), 326. 2 Pauling (1967), zitiert nach Marinacci (1995), 117. 3 Judson (1996), 493. 107

Um die Art der Bindung von Sauerstoff an das Hämoglobin aufzuklären, führten Pauling und sein Mitarbeiter Charles Coryell magnetische Messungen der magnetischen Suszeptibilität an verschiedenen Hämoglobinderivaten durch1. Es zeigte sich, daß Oxy- und Kohlenmonoxid- Hb keine ungepaarten Elektronen besaßen; das Sauerstoffmolekül mit zwei ungepaarten Elektronen im freien Zustand erfährt also eine erhebliche Veränderung seiner Elektronenstruktur bei der Bindung an das Hämoglobin. Für jedes der vier Häme wurden vier ungepaarte Elektronen ermittelt; das lässt vermuten, daß eine Häm-Häm-Wechselwirkung2 in einem gewissen Umfang die parallele Konfiguration der magnetischen Momente der vier Häme im Molekül stabilisiert.3,4 Die Bindungen des Eisens an die umgebenden Atome haben beim Desoxy-Hb den Charakter von Ionenbindungen, beim Oxy-Hb und beim CO-Hb sind sie kovalent, diese Derivate sind diamagnetisch.5 Veränderungen im Zustand des Eisenatoms und der Bindungen zwischen dem Hämeisen und dem Globin führen zu Veränderungen im Absorptionsspektrum des Hämoglobins, d.h. sie sind u.a. die Ursache der unterschiedlichen Färbung von Hämoglobin-Derivaten. Die Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin beeinflusst nicht nur die prosthetische Gruppe, sondern das physikalische und chemische Verhalten des Moleküls als Ganzes. Mit der Sauerstoffaufnahme erhöht sich die Acidität des neutralen Hämoglobins. Das gewährleistet, daß der pH-Wert im arteriellen fast gleich ist dem im venösen Blut; der Kohlensäuregehalt im

1 Sturdivant (1968), 8. 2Häm-Häm-Wechselwirkungen wurden erstmals 1903 von Christian Bohr (1855-1911), dem Vater von Niels Bohr, beobachtet und beschrieben. Christian Bohr war ein Schüler des Leipziger Physiologen Carl Ludwig (1816-1895). 3 Pauling u. Coryell (1936), 210. 4 Vierzig Jahre später erzählte Pauling im Gespräch mit Max Perutz, daß es ihm vor allem darum gegangen war, letzte Zweifel daran zu zerstreuen, daß die Verbindung von Hämoglobin mit Sauerstoff auf einer echten chemischen Reaktion mit dem Eisen beruht und keine unspezifische Adsorption von Sauerstoffmolekülen an die Oberfläche des Hämoglobins darstellt. (Judson, 1996, S.501) 5 Haurowitz (1950), 209. 108 venösen Blut wird durch die höhere Acidität des Oxy-Hb im arteriellen Blut kompensiert. Es bestehen also enge Beziehungen zwischen den vier Hämgruppen und den Polypeptidketten eines Hämoglobinmoleküls.1 Dass sowohl das ganze Hämoglobinmolekül wie auch die Häm-Gruppen von der Anlagerung von Sauerstoff betroffen sind, wird in der Formveränderung der Hämoglobinkristalle bei der Aufnahme von Sauerstoff sichtbar. Die sechsseitigen Plättchen des desoxygenierten Hb werden zu langen Oxy-Hb-Nadeln umgewandelt2. Eine weitere Besonderheit wird in der Sauerstoff-bindungskurve deutlich (Abb.17). Das Myoglobin, der rote Muskelfarbstoff, besteht aus einer Polypeptidkette mit einem Molekulargewicht von 17.500.

Es besitzt eine Hämgruppe und ist in der Lage, ein Sauerstoffmolekül zu binden. Seine Sauerstoffbindungskurve verläuft hyperbolisch Der Verlauf der Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin wird durch eine ungewöhnliche, sigmoidförmige Kurve beschrieben, was auf eine gegenseitige Beeinflussung der Hämgruppen (Häm-Häm-Wechselwirkung) zurückgeführt wird. Deren Sauerstoff-Bindung erfolgt „kooperativ“. Die Art ihres Zusammenwirkens ist noch ungeklärt. Wenn das erste Sauerstoff-Molekül an eines der vier Häme gebunden wird, erhöht sich die Affinität der restlichen drei Häme gegenüber Sauerstoff; sie werden daher bevorzugt vor anderen Hb- Molekülen abgesättigt. Die reversible Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin wird deutlich beeinflusst durch die Konzentration von Kohlendioxid im Blut.3 Die Veränderung der Affinität wird also durch eine drastische Änderung der gesamten Struktur des Moleküls bewirkt. Mit der Abgabe des Sauerstoffs ist eine Rückveränderung der Struktur verbunden, die das Hämoglobin zur Aufnahme von Kohlendioxid befähigt. Das Hämoglobin wirkt also wie ein Enzym. Dem französischen Biologen und Biochemiker Jaques Lucien Monod (1910-

1 Pauling (1935), 186. 2 Haurowitz (1938), 268. 3 Fruton (1992), 127 109

1976) wurden die Worte in den Mund gelegt: „ Hämoglobin – das ist ein Enzym ehrenhalber“.1 Über die Struktur des Hämoglobins war im Einzelnen bekannt: Das Molekül, ob vom Menschen oder vom Pferd enthält 574 Aminosäuren in vier Ketten2. Eine rote Blutzelle enthält etwa 280 Mio. Hämoglobinmoleküle, das sind 34% des Zellinhalts. Das ist auch die maximal mögliche Konzentration, bei der die hydratisierten Hb-Zylinder3 noch frei um ihre drei Achsen rotieren können. Die Ausmaße eines Zylinders wurden aus Adsorptionsspektren verschiedener Hb-Kristalle zu 33,5 Å für die Höhe und 57 Å für den Durchmesser bestimmt. Die Hämgruppen wurden an der Oberfläche der Zylinder lokalisiert, sie lagen paarweise parallel zueinander.4 Mit der Bestimmung der Aminosäurezusammensetzung des Hämoglobins und deren Anordnung in den α- und β-Ketten war die Primärstruktur des Proteins bekannt. Um die dreidimensionale molekulare Struktur eines Proteins als Grundlage für das Verständnis dessen biologischer Funktion erkennen zu können, musste zuerst die räumliche Ordnung einer einzelnen Polypeptidkette bestimmt werden5. Es war vor allen Linus Pauling, der die Notwendigkeit der Forschung zur Eiweißstruktur insbesondere für die Medizin erkannte und ein Programm dafür entwickelte. Aus seiner Sicht musste die überwiegend chemische Betrachtungsweise von Molekülen, die Tendenz, chemische Bindungen zwischen Atomen zu lösen und neue chemische Bindungen zu knüpfen überwunden und abgelöst werden durch die bewußtere Betrachtung von Form und Größe der Moleküle und der Natur der Wechselwirkungen von Molekülen mit anderen, besonders zwischen makromolekularen Strukturen, die für lebende Organismen charakteristisch sind. In seinem Aufsatz „Molecular Architecture and Biological Reactions schrieb er 1946: “Until very recently physiologists and pharmacologists have barely thought of this aspect of their great problem – and I am convinced that once they begin to use this new idea seriously a period of the greatest development will have started. I believe that the next twenty years will be as great years for biology and medicine as the past twenty have been for physics and chemistry6.”

1 Der Chemiker und Kristallanalytiker Max Perutz im Gespräch mit Horace Freeland Judson, s.d. (1996), 481. 2 Judson (1996), 482. 3 Die Hydratisierung, d.h. die Einlagerung von Wassermolekülen in die Molekülstruktur ist für die Eiweiß- Funktion unerlässlich. Kristallstrukturuntersuchungen wurden an Kristallen im Gleichgewicht mit Mutterlaugen Vorgenommen. 4 Haurowitz (1950), 208. 5 Pauling (1993),6; 6 Pauling (1946), 1064-1066 110

Zwei Jahre später stellte er in einem Vortrag fest: “ The study of molecular structure is as important a part of medical research as is the work of the clinical investigator in the hospital. We may have confidence that, through the joint efforts of these research men, working in different fields, further great progress will be made, leading to a great increase in the well-being and happiness of man1.”

In der Forschungsgruppe von Pauling hatte sein Mitarbeiter Robert Brainard Corey (1897- 1971) 1948 noch einmal mit großer Genauigkeit die Strukturen von Aminosäuren und synthetischen Peptiden röntgen-kristallographisch untersucht, die Abstände und Winkel in Bindungen vermessen und die Werte bestätigt, die Pauling schon 1937 gefunden hatte. Die Kristallographen in England um W.Lawrence Bragg, John Kendrew und Max Perutz untersuchten ebenso wie Paulings Gruppe am Caltech2 in Pasadena eine Vielzahl von möglichen Strukturen der Polypeptidkette, keine davon stand in Übereinstimmung mit den nach Aufnahmen der entsprechenden Proteine errechneten Werte. Erst anfangs der 1950er Jahre konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden: Etwa 85% der Aminosäurereste im Myoglobin und ca. 70%3 im Hämoglobin sind in Kettenabschnitten mit α-helikaler Struktur enthalten. Die α-Helix ist eine rechtsgängige Spirale mit 3,7 Aminosäureresten je Windung. Die Ganghöhe (Identitätsperiode) beträgt 5,44 Å

(Abb.18). Die Anordnung in Helixform wird durch eine große Zahl von Wasserstoffbrücken zwischen den Peptidketten, die in regelmäßigen Abständen aufeinander folgen, stabilisiert. Die Seitenketten der Aminosäurereste sind von der Zylinderfläche nach außen gerichtet. Andere globuläre Proteine enthalten daneben Abschnitte, in denen die Polypeptidkette zu Flächengebilden gefaltet ist (pleated sheets) (Abb.19).

1 Pauling (1948), zit. nach Pauling (1995), 123-124 2 California Institute of Technology 3 Bernal (1968), 375 111

Die beschriebenen α-Helices und diese Anordnungen von Polypeptidketten stellen den größten Teil der Sekundärstruktur der meisten globulären Proteine dar. Damit wurde durch intensive interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeit die Annahme bestätigt, die Linus Pauling und Alfred Ezra Mirsky (1900-1974) im Jahre 1936 in einer Publikation über Phänomene der Denaturierung und der Struktur von Proteinen vorgestellt hatten: „Our conception of the native protein is the following. The molecule consists of one polypeptide chain which continues without interruption throughout the molecule (or in certain cases, of two or more chains); this chain is folded in a uniquely defined configuration in which it is held by hydrogen bonds between the peptide nitrogen and oxygen atoms and also between the free amino and carboxyl groups of the diamino and dicarboxyl groups of the diamino and dicarboxyl residues.”

Die Sekundärstrukturen von Polypeptidketten hatten auf der Grundlage ihrer Primärstrukturen ihre Erklärung gefunden.

4.2.2.3 Tertiärstrukturen und ihre biologische Bedeutung

Bereits 1938 hatten Bernal und Mitarbeiter einige Proteine, darunter auch Hämoglobin mit der Röntgen-Kristallanalyse untersucht.1 Diese Methode, die bei kleineren organischen Molekülen gute Ergebnisse brachte, zeigte sich angesichts der sehr großen Zahl von Streuungs-Punkten auf den sonst ausgezeichneten Aufnahmen als nicht geeignet. Den Schlüssel zu erfolgreichen Protein-Strukturanalysen fand Max Perutz 2(geb.1914), der weiter über die Hämoglobin-Struktur gearbeitet hatte, 1954 durch die Anlagerung schwerer Atome (z.B. Quecksilber) an bestimmte Stellen an der Oberfläche des Proteinmoleküls. Er nannte dieses Verfahren „isomorphe Substitution“. Mit dieser Technik und mit Hilfe der inzwischen eingeführten Computertechnik konnte John Cowdery Kendrew (1917-1997), ein Kollege von Perutz in Cambridge, im Jahre 1958 die Struktur des Wal-Myoglobins ermitteln.3

1 Bernal (1938), 523 2 Der in Wien geborene Perutz fand nach der Annexion Österreichs durch die Nationalsozialisten mit einem Rockefeller-Stipendium 1939 eine Anstellung als Forschungsassistent bei Sir Lawrence Bragg in Cambridge. 3 Bluhm u.a. (1958), 369; Kendrew u.a. (1958), 666. 112

Perutz und Kendrew kamen nach abgeschlossenen Chemie-Studien zu biologisch- medizinischen Themen der Forschung. Perutz über Gespräche mit dem Immunchemiker Felix Haurowitz in Prag im September 1937, Kendrew noch während des II.Weltkrieges unter dem Einfluss von J.D.Bernal und L.Pauling. Beide arbeiteten erst gemeinsam im Cavendish Laboratory unter Sir Lawrence Bragg, später waren sie die ersten Mitglieder des Medical Research Council. Ihr gemeinsamer Wunsch war es, die Möglichkeiten von Physik und Chemie für die Lösung von Problemen der Biologie zu nutzen. In der Röntgen- Kristallographie sahen sie die Technik, die am ehesten Erfolge bei der Untersuchung von Molekülen versprach, die so groß und so komplex sind wie Proteine. Für ihre Untersuchungen zur Struktur globulärer Proteine wurden sie 1962 gemeinsam mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.1

Myoglobin ist ein hämoglobinähnliches Hämoprotein. Es besteht aus einer Polypeptidkette mit 153 Aminosäureresten. Sein Molekulargewicht beträgt 17.500. Später gelang Kendrew mit einer höheren Auflösung die Konstruktion eines dreidimensionalen Modells des Myoglobins, das die Position des Eisen-Porphyrinringes sowie einzelner Aminosäuren (z.B. Tyrosin) erkennen ließ. Auffallend an diesem Modell sind die dichte Packung der Polypeptid- Kette sowie die Ausrichtung der polaren Gruppen (Amino-, Carboxyl-) nach außen und der nicht polaren Aminosäurereste (z.B. Leucin) nach innen. Besonders interessant war, daß große Abschnitte der Polypeptidkette zu einer Spirale mit 3,7 Aminosäuren je Windung, d.h. zu einer α-Helix gewunden waren, wie es Linus Pauling und Robert Corey bereits 1950 als generelles Strukturmerkmal eines globulären Proteins vorgeschlagen hatten2. Damit stellte Kendrews Modell den ersten direkten Nachweis für das Vorkommen der α-Helix in einem globulären Protein dar.

So, wie Sangers Bestimmung der Aminosäuresequenz des Insulins die genaue Kenntnis der Anordnung der Aminosäuren in einer Peptidkette ermöglichte, stand Kendrews Myoglobin- Modell für den Übergang von einer geometrischen oder chemischen Spekulation über die dreidimensionale Struktur eines Proteins zu einem direkten experimentellen Nachweis. Einen Einblick in die räumliche Anordnung mehrerer Polypeptidketten zueinander und deren Veränderung bei Wechsel der Liganden gaben die Ergebnisse von Max Perutz und Mitarbeitern aus röntgenkristallographischen Untersuchungen an Hämoglobinen von Mensch und Pferd, die er zusammengefasst in seinem Vortrag aus Anlaß der Nobelpreis-Verleihung vorstellte und noch vor dessen Veröffentlichung ergänzte. Aus dem Vergleich der Elektronen- Dichteverteilung von Pferde-Oxy- und menschlichem deoxygeniertem Hämoglobin konnte die Frage nicht eindeutig beantwortet werden, ob die drastischen Änderungen der

1 Nobel Foundation (1964), 674; 699. 2 Fruton (1972), 178. 113

Konformation der β-Ketten durch die Sauerstoff-Aufnahme bedingt oder speziesspezifisch sind. In einer Ergänzung zu seinem Nobel-Vortrag vom Dezember 1963 informierte Max Perutz, daß an gerade präparierten Kristallen von reduziertem Pferde-Hämoglobin eine größere Vergleichbarkeit mit menschlichem Deoxy-Hb gefunden wurde als mit Pferde-Oxy- Hämoglobin. Der Übergang von einer Struktur zur anderen wird durch Sauerstoff und H+- Ionen kontrolliert. Allgemein beeinflusst die Bindung eines Liganden an ein Makromolekül dessen Kombination mit anderen Liganden unter Veränderung der Konfiguration des Makromoleküls1. Indirekte Wechselwirkungen zwischen räumlich entfernten spezifischen Bindungsorten (allosterische Effekte) sind also für die Wahrnehmung der Regulationsfunktion verantwortlich2. Die Ergebnisse von Kendrew am Myoglobin zur Sekundärstruktur und von Perutz am Hämoglobin zur Tertiärstruktur von Proteinen hatten grundsätzliche Bedeutung für alle nachfolgenden Untersuchungen über Zusammenhänge von chemischer und räumlicher Struktur und biologischer Funktion von Eiweißstoffen (Abb.20). Die Fähigkeit von Proteinen, ihre sekundäre und tertiäre Struktur zu verändern, wurde als ein Kennzeichen für Leben erkannt. Die Kenntnis von Veränderungen räumlicher Strukturen im Zusammenhang mit biologischen Funktionen führte auch zu einem besseren Verständnis der Spezifität von Eiweißkörpern. Bei allen Strukturbetrachtungen ist zu beachten, daß eine scharfe Trennung zwischen Sekundär- und Tertiärstruktur nicht möglich ist, da räumliche Anordnungen von Peptidketten in Abhängigkeit von z.B. Konzentration, Temperatur und Milieubedingungen deutlichen Veränderungen unterliegen.

4.2.3 Synthesen auf dem Eiweißgebiet

Durch die neu entwickelten Methoden zur chemischen und enzymatischen Spaltung von Eiweißen, zur Trennung der Spaltprodukte und zur Analytik der Aminosäuren, aus denen

1 Segal u. Kalaidjew (1977), 120; als Ursprung wird dort angegeben: Wyman (1948), 407 2 Monod u.a. (1963), 321; (1965), 88 114 diese zusammengesetzt sind hatte man in Verbindung mit den physikalischen Methoden zur Ermittlung räumlicher Strukturen immer tiefere Einblicke in den Aufbau von Proteinen und erste Vorstellungen über deren Funktion gewonnen. Auch die chemische Synthese von kleineren Peptiden war gelungen. Zur biologischen Eiweißsynthese waren die Kenntnisse im Wesentlichen auf Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krankheit mit der Eiweißbildung beim Menschen und beim Nutztier sowie zwischen Düngung, Bodengare und Klima bei Pflanzen beschränkt.

4.2.3.1 Eiweißsynthesen in der Zelle

Die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie die Biosynthese eines Eiweißes auf zellulärem Niveau erfolgt, erhielt eine realistische Grundlage erst nach Einführung der Möglichkeit zur Erkennung der Bestandteile der Zelle sowie zu deren Trennung. Das Erstere ermöglichten immer bessere Mikroskope mit immer höherer Auflösung einschließlich der Elektronenmikroskopie, das Letztere die immer breitere Einführung analytischer und präparativer Ultrazentrifugen. Bei der Ultrazentrifugation des Zytoplasmas1 wurden u.a. Partikel gewonnen, die als Mikrosomen bekannt wurden. Solche „makromolekularen“ Teilchen untersuchten auch der Biologe Jean Louis Brachet (1909-1988)2 in Brüssel und der Mediziner Torbjörn Oskar Caspersson (geb.1910)3 in Stockholm. Beide vermuteten eine Beteiligung dieser Partikel an der Eiweißsynthese in der Zelle. Im Gegensatz zu Mitochondrien waren diese Ribonukleinsäure-reichen Partikel mit den in den vierziger Jahren verfügbaren Enzymtests keiner bestimmten Stoffwechselfunktion eindeutig zuzuordnen.4 Beiden war aufgefallen, daß Gewebe von Organen, die größere Proteinmengen synthetisieren und ausschütten, wie das Pankreas (Insulinproduktion), eine hohe Konzentration einer Nukleinsäure im Zytoplasma ihrer Zellen enthalten, die sich von der Nukleinsäure in Zellkernen unterscheidet.5 Um dem Verständnis des Geheimnisses der Proteinbiosynthese näher kommen zu können, schien es zu dieser Zeit dringend erforderlich, Bedingungen zu finden, unter denen eine Proteinsynthese in einem zellfreien System durchgeführt werden könnte. Derartige Bedingungen waren einerseits durch die Ultrazentrifugation und andere neuartige Trenn- und Nachweisverfahren, andererseits waren mit der Verfügbarkeit radioaktiver Isotope (35S, 32P

1 flüssiges Zellmedium, Zellsaft. 2 Brachet (1942), 207-257; (1949), 864-869. 3 Caspersson (1947), 127-151. 4 Rheinberger (2000), 651. 5 Zamecnik (1979), 272. 115 und 14C) als „Tracer“ (Spurenleger) und damit markierter Aminosäuren Voraussetzungen gegeben, diesem Ziel näherzukomen. Zwischen 1948 und 1952 arbeitete eine Gruppe um Paul Charles Zamecnik (geb.1912) am Massachusetts General Hospital in Boston, Mass., ein Verfahren aus, das es erlaubte, den Einbau von radioaktiv markierten Aminosäuren in Rattenleber-Proteine im Reagenzglas zu verfolgen. Eine Schlüsseltechnik dabei war die differentielle Zentrifugation des Zellplasmas.1 Diese Untersuchungen erhärteten die ein Jahrzehnt früher publizierten Vermutungen von Brachet und Caspersson. Die Mikrosomen erwiesen sich nämlich nicht nur als eine für die in- vitro-Proteinsynthese unerlässliche Zellfraktion, es zeigte sich vielmehr, daß sich an ihnen direkt die Synthese vollzog. Der detaillierte Ablauf dieser Synthese, die Art und Funktion der daran beteiligten Stoffe, insbesondere der Ribonukleinsäuren, konnte erst viel später geklärt werden.

4.2.3.2 Peptidsynthesen

Im Gegensatz zur Spaltung von Peptiden in die darin enthaltenen Aminosäuren, die sowohl chemisch mit Säuren und Alkalien als auch biochemisch mit proteolytisch wirkenden Enzymen erfolgen kann, ist die Synthese von Peptiden eine rein chemisch-präparative Aufgabe. Die Verbindung von Aminosäuren zu Peptiden, die bei enzymatischen Spaltungen in untergeordnetem Maße zu beobachten ist, hat keine praktische Bedeutung. Seit den klassischen Versuchen von Theodor Curtius (1857-1928) zur Verkettung von Amidosäuren2 und von Emil Fischer, dem im ersten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts die Synthese von - biologisch allerdings unwirksamen- Peptiden mit bis zu 18 Aminosäureresten gelang, wurden die Synthesemethoden systematisch erweitert und verbessert. Zur Lösung des Hauptproblems bei der Peptidsynthese, funktionelle Gruppen, deren Beteiligung an der Verknüpfungsreaktion unerwünscht ist, zuverlässig so zu blockieren, daß nach vollzogener Reaktion die Blockade ohne Beeinflussung des Gesamtmoleküls wieder entfernt werden kann, wurden zahlreiche „Schutzgruppen“ entwickelt3. Erste Meilensteine dabei waren die Einführung der Carbobenzoxy-Schutzgruppe durch Bergmann und Zervas 1932 sowie die von Theodor Wieland (1913-1995) im Jahre 1950 eingeführte Arbeit mit gemischten Anhydriden4. Die Auswahl an Schutzgruppen und Verknüpfungsmethoden ermöglichte

1 Rheinberger (2001), 181-182 2 Curtius (1904), 57-72. Amidosäure ist die ältere Schreibweise für Aminosäure. 3 Übersichten bei Bodanszky u. Ondetti (1966); Habermehl (2002), 272-282. 4 Wieland u.a. (1950); (1951). 116 innerhalb weniger Jahre die Synthese zahlreicher biologisch wirksamer Peptide und deren Analoga mit neun Aminosäuren (z.B. die Hormone Oxytocin und Vasopressin), des Hormons Corticotropin mit 39 Aminosäuren und sogar des Insulins mit insgesamt 51 Aminosäuren. Die Synthesen wurden teilweise in direktem Zusammenhang mit der Strukturaufklärung biologisch wirksamer Peptide durchgeführt. So wurden die Ergebnisse der Aufklärung der Struktur des Oxytocins durch die Gruppe um Vincent du Vigneaud (1901-1978) gleichzeitig mit den Ergebnissen der Synthese des Hormons veröffentlicht.1 Im Jahre 1955 wurde du Vigneaud „ für seine Arbeit über biologisch wichtige Schwefelverbindungen, besonders für die erste Synthese eines Polypeptidhormons“ mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Die 1950er Jahre waren auf dem Peptidgebiet international durch hohe Aktivitäten gekennzeichnet. Auf dem V. Internationalen Biochemiker-Kongress 1961 in Moskau standen Biologisch aktive Peptide, deren Struktur, Funktion und deren Synthese im Mittelpunkt des Interesses.2 Vom Erkennen einer physiologischen Reaktion und des auslösenden Wirkstoffs bis zu dessen Isolierung waren es Physiologen, also Mediziner und Biologen, die die Strukturaufklärung und Synthese dann Chemikern überließen. Diese übergaben dann nach gelungener Synthese die Wirkstoffe und deren Analoga wiederum Medizinern zur pharmakologischen Prüfung von Wirkungsart und Wirkungsgrad. Diese wechselseitige Zusammenarbeit ist auch heute noch charakteristisch für die Entwicklung von Arzneimitteln. Eine neue Qualität erreichte die Peptidsynthese mit den Arbeiten des Chemikers Robert Bruce Merrifield (geb.1921). Merrifield suchte seit 1959 nach Möglichkeiten, die Nachteile der zeitaufwändigen und arbeitsintensiven klassischen Peptidsynthese mit ihren geringen Ausbeuten zu überwinden3. Er knüpfte eine Aminosäure mit ihrer Carboxylgruppe an einen festen Träger (schwach vernetztes Polystyrol) und konnte bei jedem Syntheseschritt annähernd 100%ige Ausbeuten erzielen. Bis 1962 hatte er die Methode so weit ausgebaut, daß er Nonapeptide wie Oxytocin und Vasopressin herstellen konnte. Mit einer automatisierten Anlage konnten er und seine Mitarbeiter Insulin innerhalb 20 Tagen synthetisieren. Andere Gruppen in den USA4, in China5 und in Deutschland6, denen die Insulin-Synthese auf

1 Du Vigneaud (1953) 2 ˇSorm (1961) 3 Merrifield errechnete, daß die Endausbeute bei der Synthese eines Polypeptids mit 100 Aminosäuren bei der klassischen Arbeitsweise wegen der Verluste in jeder Stufe bei nur 0,003% liegen würde. 4 Katsoyannis (1964), 930. 5 Niu Ching u.a. (1964), 1343. 6 Meienhofer u.a. (1963), 1120. Daneben hatten Forschergruppen in pharmazeutischen Betrieben (Schering AG, Berlin (West) und VEB Berlin-Chemie, Berlin (Ost) Insulin-Synthesen ausgearbeitet (unveröffentlicht). Die Industrielle Insulinproduktion erfolgt heute biotechnologisch mit genetisch veränderten Bakterienstämmen; Hall (1987). 117 klassischem Wege gelungen war, hatten dazu Monate gebraucht. Hintergrund der vielfältigen Bemühungen um eine Insulinsynthese war die in den 1960er Jahren erkennbare internationale Verknappung der bis dahin aus Pankreasdrüsen von Schlachttieren gewonnenen Insuline zur Behandlung von Diabetikern. 1960 hatte eine amerikanische Forschergruppe die Aminosäuresequenz der Ribonuklease aufgeklärt, eine Polypeptidkette mit 124 Aminosäuren1. Nach mehrwöchiger Tätigkeit des Automaten zur Festkörpersynthese wurde 1968 Ribonuklease als erstes natürlich vorkommendes Enzym synthetisch gewonnen. Weder Merrifield noch die Rockefeller Universität als sein Arbeitgeber haben die Festkörpersynthese patentieren lassen, so daß die Methode und darauf aufbauende Geräte in wissenschaftlichen und kommerziellen Einrichtungen weit verbreitet sind. Inzwischen sind auf dem Festkörpersynthese-Prinzip beruhende Geräte auch für die Nukleinsäuresynthese entwickelt worden. Robert Bruce Merrifield erhielt den Nobelpreis für Chemie 1984 in Anerkennung seiner Methoden zur chemischen Synthese an einer festen Matrix.

4.2.3.3 Einzeller- Protein- Synthesen

Mit der Erzeugung von biotechnologisch gewonnenen Proteinen aus Mikroorganismen (Algen, Bakterien, Hefen) waren und sind Erwartungen auf eine signifikante Verbesserung der Versorgung mit Protein-haltigen Nahrungsmitteln verbunden, die unabhängig von Faktoren wie Klima, Vegetationsperioden usw. gewonnen werden können. Die Gewinnung von Einzeller-Protein durch Kultivierung von Mikroorganismen war von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Biotechnologie. 1966 wurde für diese Produkte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) der Begriff „Single Cell Protein“ (SCP) geprägt. Er wird heute für mikrobielle Protein-haltige Biomasse benutzt, die als Nahrungsmittel oder Futterzusatz verwendet wird und neben dem Zellprotein (je nach Organismus und Verfahren 40 bis 75% der Trockensubstanz) meist das gesamte Zellmaterial enthält. Als Rohstoffe für die Erzeugung von Einzellerprotein kommen prinzipiell alle assimilierbaren Kohlenstoff- Verbindungen in Frage, also Kohlenhydrate einschließlich der Hydrolysate von Lignozellulosen, niedere Alkohole, speziell Methanol, Fettsäuren, Kohlenwasserstoffe in Form längerkettiger n-Paraffine, aber auch niedermolekulare gasförmige Verbindungen wie Methan und Ethan. Gegenüber den konkurrierenden Proteinquellen wie Soja- Extraktionsschrot und Fischmehl haben biotechnologische Verfahren zur Herstellung von

1 Hirs u.a. (1960). 118

Einzeller-Protein Vorteile: Hohe Wachstumsraten der Mikroorganismen, höherer Proteingehalt der Biomasse, evtl. günstigere Aminosäurezusammensetzung, die Produktion ist im industriellen Maßstab durchführbar. Durch spezielle Aufarbeitungsverfahren kann durch Abreicherung von Stoffen wie Nukleinsäuren oder Fetten die Produktqualität noch verbessert werden. Die Herstellungskosten für SCP werden durch die Rohstoffe entscheidend beeinflusst. Es wurden international eine Reihe von Substraten untersucht: U.a. Alkane (längerkettige Paraffine aus Erdölfraktionen) in Lavera bei Marseille (British Petroleum, Handelsname Toprina®), in der Sowjetunion gemeinsam mit der DDR (Petrolchemisches Kombinat Schwedt, Fermosin®- Futterhefe1) sowie in der BRD (Hoechst/Uhde); Methanol in Großbritannien (Imperial Chemical Industries, Pruteen®-Bakterieneiweiß) und Methan (Shell Comp.)2 Ein weiterer Kostenfaktor sind die Energiepreise. Neben Mikrobiologen und Chemikern werden an Ingenieure, Verfahrenstechniker und Anlagenbauer hohe Anforderungen gestellt.

4.3. Entwicklungen auf dem Nukleinsäuregebiet

Die Genetik kann als eine der jüngsten Wissenschaften bezeichnet werden. Als Zeitpunkt ihrer Entstehung gilt das Jahr 1900 mit der Wiederentdeckung der Ergebnisse Gregor Mendels3. Das kann ungeachtet der Tatsache gelten, daß die viel ältere Praxis der gezielten züchterischen Veränderung von Tieren und Pflanzen durch den Menschen genetisches Handeln war. Das Studium der Gene war Mitte des 20.Jahrhunderts nicht länger ein Problem der klassischen Biologen. Es wurde ein Problem im Grenzgebiet – zuerst im Niemandsland zwischen Biologie, Chemie und Physik. In den 1940er Jahren, als man begann, sich ernsthaft mit den Genen zu beschäftigen, zeigte sich, daß die Chemie schon ein gutes Stück Weges in Richtung auf die Lösung der Genstruktur geschafft hatte4. Die physiologischen Chemiker Johann Friedrich Miescher und Albrecht Kossel sowie der organische Chemiker Emil Fischer waren die Wegbereiter. Der Chemiker Alexander Robertus Todd (1907-1997) begann 1938 in Manchester mit Arbeiten über Nukleotidsynthesen. Ihm gelangen die Aufklärung des Aufbaus der Nukleinsäuren sowie erste Synthesen von Adenosintriphosphat (ATP) sowie von

1 Bauch (1987; 1987a) 2 Dellweg u.a. (1992), 228-229 3 Die 1905 oder 1906 erfolgte Einführung des Begriffs „Genetik“ wird dem englischen Biologen William Bateson (1861-1926) zugeschrieben: Jahn (2000), 773. 4 Cairns u.a. (1966), 17. 119

Nukleinsäure-Bestandteilen.1 Wenn man in der Frühzeit der Genetik einen Genetiker nach der stofflichen Grundlage eines Gens befragt hätte, würde er wohl mit „Protein“ geantwortet haben. Denn zu dieser Zeit waren Proteine der Sammelbegriff für alles Unklare oder Geheimnisvolle in Lebewesen. Der Begriff „biologische Information“ war noch nicht erfunden. Es waren die Zeiten der Logarithmentafel, wenn nicht des Abakus und noch lange nicht der Computer2. Mit den Arbeiten Oswald T.Averys über die Rolle der DNS bei der Vererbung begann etwa 1944 eine chemische Bildung der Genetiker. Averys Entdeckung machte mit einem Schlage eine Chemie der Vererbung möglich und die Nukleinsäurenatur der Gene wahrscheinlich. Das plötzliche Erscheinen einer gigantischen Brücke zwischen Chemie und Genetik hat die Praktiker der Genetik aber nicht sofort aufgerüttelt. Die älteren Vertreter der Genetik waren unfähig oder unwillig, in chemischen Begriffen zu denken. Nachdem einmal das Gen als Einheit der Vererbung definiert und seine Lokalisation im Chromosom wahrscheinlich geworden war, gab es eigentlich genug Veranlassung anzunehmen, daß diese Einheit eine Substanz oder ein Konglomerat von Substanzen war und damit Gegenstand einer Prüfung durch Chemiker sein würde. Die Wortführer z.B. Max Delbrück und (1912-1991), weigerten sich noch lange, die veränderte Situation zur Kenntnis zu nehmen3.

4.3.1 Die Analytik von Nukleinsäuren

1946 begann eine Gruppe um den Chemiker Erwin Chargaff, quantitative Mikromethoden zur Bestimmung der Nukleinbasen von zuerst DNS, später auch von RNS auszuarbeiten4. Ihre Arbeit wurde durch einige glückliche Umstände begünstigt oder überhaupt erst ermöglicht5:

1. Zwei Jahre vorher war mit der Papierchromatographie eine Methode zur quantitativen Bestimmung von Aminosäuren eingeführt worden, die sie für ihre Zwecke nutzen konnten. 2. Nach dem Ende des II.Weltkrieges wurden photoelektrische Quarzphotometer verfügbar. Chargaff erhielt eines der ersten Beckmann-Geräte.

1 Alexander Todd wurde 1954 zum Ritter geschlagen und 1962 als Lord Todd of Trumpington zum Baron erhoben. 1957 empfing er den Nobelpreis für Chemie. 2 Chargaff (1979), 347. 3 Mayr (1982), 819. 4 Vischer u. Chargaff (1947), 781-782; (1948), 703-714. 5 Chargaff (1979), 351. 120

3. Purine und Pyrimidine zeigten eine charakteristische Absorption im UV-Bereich, die eine qualitative und quantitative Bestimmung möglich machte.

Bisher waren Proteine als Speicher der biologischen Spezifität angesehen worden. Diese Rolle war nun an die Nukleinsäuren übergegangen. Dieser grundsätzliche Umschwung innerhalb nur zweier Dekaden war nur durch die Chromatographie möglich geworden. Chargaff war der Pionier bei der Anwendung der Papierchromatographie auf Nukleinsäuren. Sein Ziel war es, die Tetranukleotid-Hypothese zu überprüfen, genauer gesagt, zu entkräften. Im Ergebnis konnte er 1949 die chemische Basis der biologischen Spezifität, die Avery für die DNS beansprucht hatte, mit Hilfe der Papierchromatographie experimentell bestätigen. Aus der Untersuchung zahlreicher DNS-Proben von Tieren und Mikrobenzellen ließ sich zuerst erkennen, daß die Zusammensetzung der Proben speziesspezifisch und nicht organspezifisch ist, während RNS-Proben eher eine Organspezifität erkennen ließen1. Von noch größerer Tragweite für die spätere Forschung war die aus umfangreichem Datenmaterial abgeleitete Erkenntnis, daß die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymidin nicht äquimolekular vorkamen, sondern daß in allen Desoxypentose-Nukleinsäuren die molaren Verhältnisse von Gesamt-Purinen zu Gesamt-Pyrimidinen, also A zu T und G zu C nahe bei 1 liegen2. Damit war die Tetranukleotid-Regel endgültig entkräftet. Die hohe Qualität der Analytik von Nukleinsäuren und deren Bestandteilen lässt sich daran ermessen, daß für eine komplette Analyse nur 2 bis 3 mg Substanz erforderlich waren und daß mit der UV-Detektion auf Papier 2 bis 40 μg (10‐6g) mit einer Genauigkeit von ± 4% bei Purinen und noch weniger bei Pyrimidinen bestimmt werden konnten3. Eine Erfahrung mit mangelnder Sachkenntnis bei renommierten Wissenschaftlern ähnlich wie Sanger bei der Publikation seiner Ergebnisse bei der Aminosäurebestimmung mit der Papierchromatographie musste Chargaff mit dem Herausgeber einer biochemischen Zeitschrift machen. Er hatte dort schon etwa 75 Beiträge ohne Beanstandungen oder Rückfragen veröffentlicht. Die Manuskripte mit den Ergebnissen zur Zusammensetzung der DNS wurden ihm mit der eigenartigen Frage zurückgeschickt, wie er die Zusammensetzung der DNS in Molen von Adenin oder Guanin bzw. Cytosin oder Thymin per Grammatom Phosphor ausdrücken könne, wenn Purine und Pyrimidine doch gar keinen Phosphor

1 Chargaff (1950), 208. 2 Fruton (1972), 214. 3 Chargaff (1950), 204. 121 enthielten? Ein Hinweis auf den die Nukleinsäuren betreffenden Teil seiner Einführungsvorlesung bewog den Herausgeber zur Annahme der Beiträge1.

4.3.2 Röntgen - Kristallstrukturanalytik der DNS. Die Doppelhelix

Nach dem II.Weltkrieg war die Aufmerksamkeit der Röntgen-Kristallographen mit der zunehmenden Erkenntnis der biologischen Bedeutung von Proteinen und Nukleinsäuren immer deutlicher darauf gerichtet, die molekularen Dimensionen, d.h. die Atomabstände und Bindungswinkel der Grundbausteine so genau wie möglich zu bestimmen. Auf dem Proteingebiet ermöglichten die Ergebnisse von Pauling und Corey, Vorstellungen über die räumliche Anordnung von Polypeptidketten zu entwickeln. Sie betonten die Stabilität einer helikalen Struktur, die später von John Kendrew als bestimmendes Element der Myoglobin- Struktur gefunden wurde. Um 1950 galt als erwiesen, daß Nukleinsäuren – gleichgültig ob vom DNS- oder RNS-Typ- Polynukleotidketten von beträchtlicher Länge darstellen. Um 1951 konnten aus Röntgen- Beugungsstudien die molekularen Abmessungen von Adenin und Guanin ermittelt werden, deren Ringe in Form und Größe annähernd übereinstimmten. Von Sven Furberg (1920-1983) wurde die dreidimensionale Struktur des Cytidin geklärt2. In dieser Arbeit wurde auch nachgewiesen, daß im Cytidin der Pyrimidin- und der Ribofuranosering annähernd senkrecht zueinander stehen. Furberg beschrieb Molekülmodelle für ein hypothetisches Polynukleotid. In einem dieser Modelle bildete die Ribosephosphat-Kette eine Säule, von der die Purine und Pyrimidine senkrecht nach außen abstanden, bei einem anderen Modell formten die Zuckerringe und die Phosphoratome eine Spirale, die eine Säule umhüllte, in der sich die Purine und Pyrimidine übereinander stapelten. Pauling und Corey schlugen 1953 eine Struktur für die DNS vor, bei der drei Polynukleotidketten jeweils zu einer Spirale gewunden und diese miteinander verdrillt waren. In diesem Modell waren die Phosphorsäure-Gruppen dicht um die Achse einer Säule gepackt, die Stickstoffbasen ragten wie in Furbergs Modell nach außen. Es ist bemerkenswert, daß in keinem dieser Modelle die analytischen Ergebnisse von Chargaff berücksichtigt waren. Wenige Monate später publizierten (geb.1918) und (geb.1916) ihre erste gemeinsame Notiz,3 in der sie für die DNS eine Struktur beschreiben, die der

1 Chargaff (1950), 204. 2 Furberg (1952), 634-640. 3 Watson u. Crick (1953) 122 zweiten Furberg-Variante ähnelte: Innerhalb der Spirale die Basen, die Zucker-Phosphat-Ester bilden die Spirale. Das neuartige ihrer Struktur war die Art, in der die beiden Ketten durch die Purin- und Pyrimidinbasen zusammengehalten werden (Abb. 21). Die Ebenen der Basen stehen senkrecht zur Spiralachse. Sie bilden Paare, bei denen die Base einer Spirale mit einer Base der anderen Spirale durch Wasserstoffbrücken verbunden ist. Jeweils eine Purinbase verbindet sich mit einer Pyrimidinbase. Diese Paare sind Adenin (Purin) mit Thymin (Pyrimidin) und Guanin (Purin) mit Cytosin (Pyrimidin) Die Bindungsverhältnisse sind in den Abb. 22 und 23 dargestellt. Beide Kettenstränge bilden rechtsgängige Schrauben (Helices), entsprechend den Basenpaaren laufen die Stränge in gegenläufiger Richtung (Abb.24).

Die Doppelketten-Idee leitete sich unmittelbar aus der von Chargaff entdeckten Regelmäßigkeit des Verhältnisses von Purin- zu Pyrimidinbasen in Nukleinsäuren wie 1:1 ab1.

1 Bernal (1968), 377. 123

Bemerkenswert an diesen Erkenntnissen, deren fundamentale Bedeutung bald erkannt wurde, ist, daß sie nicht das Ergebnis eigener experimenteller Arbeit darstellen, sondern eine kluge Zusammenfassung unabhängig voneinander erhaltener Forschungsergebnisse anderer Gruppen und deren kritischer Bewertung sind.

James D.Watson war Biologe und hatte nach seiner Promotion im Verlauf eines Europa-Stipendiums Interesse an der DNS gefunden. Francis Crick war Physiker, er hatte sich noch im II.Weltkrieg nach der Lektüre von Schrödingers „What is Life?“ mit biologischen Fragen beschäftigt und war über genetische Literatur zur DNS gekommen. Beide beschäftigten sich neben ihren eigentlichen Aufgaben mit der DNS-Struktur. Grundlagen für ihr großartiges Ergebnis waren vor allem:

- Röntgen-Beugungsaufnahmen von DNS-Kristallen von selbst und solche von (1920-1958), die Wilkins „beschafft“ hatte. - Die chemischen Befunde von Erwin Chargaff zu den Basenverhältnisse und den Basenpaarungen in der DNS. - Informationen von Chemikern über die tautomeren Formen von Purin- und Pyrimidinbasen. - Die Erfahrungen und Ergebnisse von Linus Pauling mit der α-Helix bei Proteinen, auch zur Arbeit mit Modellen sowie dessen falsche Überlegungen zur Struktur der DNS.

Watson, Crick und Wilkins erhielten 1962 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie „für ihre Entdeckungen zur molekularen Struktur der Nukleinsäuren und deren Bedeutung für die Informationsübertragung in lebendem Material“. Ihre persönlichen Sichten der Bemühungen und Zusammenhänge, die zu dem Ergebnis geführt haben, das als die „Doppelhelix“ bekannt wurde, haben Watson und auch Crick in Büchern und Artikeln öffentlich gemacht1.

1 Watson (1968); Crick (1988). 124

Für andere, ebenfalls an der Strukturaufklärung der DNS arbeitende Forschergruppen war die Entdeckung der Doppelhelix durch Watson und Crick eine völlige Überraschung. Man wusste, daß sich die beiden für die DNS interessierten und viele Fragen dazu stellten. Aus der Art der Fragen schloss man aber allgemein, beide wären zwar interessiert, aber ohne ausreichendes Wissen und daher nicht ernst zu nehmen. Das betraf insbesondere die Chemie, für die beide kein Verständnis hatten. Ein Chemiker, der 1953 im Laboratorium von Alexander Todd in Cambridge (England) an Problemen der Synthese von Nukleinsäurebausteinen arbeitete, erinnerte sich: „Damals kamen aus dem benachbarten Cavendish-Laboratorium gelegentlich zwei etwas skurrile Typen, Biophysiker, die uns über die Chemie der Nuklein- säure ausfragten, von der sie keine Ahnung hatten. Sie erzählten uns, daß sie vorhätten, die dreidimensionale räumliche Struktur der Nukleinsäure heraus- zubekommen. Wir waren eher amüsiert über dieses anspruchsvolle, unbeschei- dene Forschungsziel… Wir gaben unsere Ratschläge, nahmen die beiden aber nicht ganz ernst.“1

Die beiden „skurrilen Typen“ waren Watson und Crick. Watson selbst beschreibt in seinem Buch „Die Doppelhelix“ ein Zusammentreffen Francis Cricks mit Erwin Chargaff, in dem dieser ihm in einem Gespräch über die Struktur der DNS die Formeln der Nukleotid-Basen aufzeichnen musste, da Crick sich „nicht erinnern konnte.“2 Er erwähnt auch die Verachtung, die Chargaff über so viel Ahnungslosigkeit gezeigt hatte. Chargaff wird mit den Worten zitiert: „Wie konnten zwei arrogante Clowns solch ein Furore machen…? …daß zwei Zwerge so riesige Schatten werfen, zeigt nur, wie spät der Tag schon fortgeschritten ist.“3 Watson war sich des mangelnden chemischen Verständnisses seiner Biologen-Kollegen wohl bewusst. Er drückte das einmal so aus: „Dabei hätte man doch meinen sollen, daß sie bei all ihrem Gerede über Gene sich auch darum kümmerten, was die Gene eigentlich waren. Doch schien keiner die Erkenntnis, daß die Gene aus DNS bestanden, ernst zu nehmen. Das war ihnen alles zu chemisch.“4 Schon in ihrer ersten Veröffentlichung deuteten Watson und Crick an, daß die von ihnen postulierte Basenpaarung einen möglichen Kopiermechanismus für das genetische Material vermuten lässt. Sie erkannten, daß eine Kette zur anderen wegen der feststehenden Basenpaare (Chargaff-Regeln) komplementär ist und schlossen daraus, daß sich die DNS auf dieser Grundlage verdoppeln kann.

1 Cramer (1989), 43. 2 Watson (1953b), 165. 3 Zitiert nach Hausmann 4 Watson (1953b), 102.

125

4.4 Nukleinsäure / Protein – Beziehungen. Die Eiweißsynthese

Die Entdeckung der Doppelhelix mit dem erst nur vermuteten, schon wenig später bestätigten Kopiermechanismus der DNS erhärtete die seit Avery angenommene Rolle der Desoxyribonukleinsäuren bei der Übertragung von Erbinformationen. Die weitere Aufklärung des Mechanismus der Proteinbiosynthese, die Übertragung und Weitergabe der Information bis zum Eiweiß machte die Aufklärung der Struktur und Funktion der Nukleinsäuren erforderlich. Das geplante Vorgehen bei der Ermittlung der Basensequenz einer Nukleinsäure entsprach anfangs im Prinzip dem mit Erfolg bei der Aminosäureanalytik von Sanger angewandten: Eine isolierte, gereinigte Nukleinsäure sollte chemisch durch Säuren oder enzymatisch durch Nukleasen in sich möglichst überlappende Abschnitte zerlegt, diese chromatographisch oder elektrophoretisch getrennt und dann mit ihrer Basensequenz identifiziert werden. Die Strukturaufklärung gestaltete sich hier jedoch ungleich schwieriger als bei Proteinen. Von Desoxyribonukleinsäuren (DNS) wusste man inzwischen um die Größe ihrer Moleküle – die Molekulargewichte wurden zu Millionen bis Milliarden bestimmt- der Molekülbegriff verlor hier eigentlich seine Bedeutung. Unter den Ribonukleinsäuren (RNS) hatte man eine Gruppe gefunden, die im Zellplasma die freien Aminosäuren zum Ort der Proteinsynthese bringen, die sog. transfer-DNS (tRNS)1. Eine Forschergruppe um Robert William Holley (1922-1993) hatte die Gesamt-tRNS aus Hefe isoliert und mit einem aufwendigen Gegenstromverfahren einzelne aminosäurespezifische tRNS, darunter die Alanin-tRNS in besonderer Reinheit isoliert2. Ihr Molekulargewicht lag bei 25.000. Für die Spaltung der Kette der Nukleinsäure-Kette standen nur zwei Fermente zur Verfügung: Eine Pankreas- Ribonuklease, die hinter Pyrimidinen, also hinter Cytosin und Uridin und eine weitere, die hinter Guanin spaltete. Damit wurden gut reproduzierbar zwei Gruppen von Oligonukleotiden erhalten. Die weitere Aufklärung der Sequenz von 77 Basen verlief trotz einiger Schwierigkeiten erfolgreich3. Die Alanin-tRNS war die erste Nukleinsäure, deren Struktur ermittelt wurde. Unter Nutzung radioaktiver Isotope (z.B. 35S; 32P), eigener neuer, aber auch überkommener Methoden sowie Emil Fischers Erfahrungen mit Formyl-Aminosäuren (dessen Sohn Hermann hatte ihm eine Sammlung von Aufzeichnungen seines Vaters übergeben), konnten Frederick Sanger und Mitarbeiter bis Anfang der 1970er Jahre große Teile einer 3000

1 Hoagland (1958), 241. 2 Hausmann (1995), 196. 3 Holley u.a. (1965), 1462-1465. 126

Nukleotide umfassenden RNS aufklären1. Danach wandten sie sich der viel größeren DNS zu und konnten schon 1973 drei Nukleotidsequenzen einer Bakteriophagen-DNS mit etwa 50 Resten bestimmen. Damit machten sie den Weg frei für die Aufklärung der Nukleotidsequenzen von Genen.2 Für die Arbeiten zur Bestimmung der Basensequenzen in Nukleinsäuren erhielt Frederick Sanger 1980 zum zweiten Mal den Nobelpreis für Chemie (gemeinsam mit Walter Gilbert). Der Molekularbiologe und Nobelpreisträger Jacques Monod äußerte sich gegenüber Horace Freeland Judson in einem Interview zu dessen Buch „Der achte Tag der Schöpfung“ 3zu Sangers Sequenzarbeiten etwa so: Sie waren von grundlegender Bedeutung für die Molekularbiologie. Niemand hätte ernsthaft an einen genetischen Code denken können, bevor erwiesen war, daß ein Protein ohne jeden Zweifel ein Polypeptid ist, in dem die Aminosäurereste in einer festgelegten, konstanten und genetisch bestimmten Sequenz angeordnet sind, in einer Sequenz, für die ein Code erforderlich ist.4 Neben den t-RNS, den für die Überführung einer Aminosäure an den Ort der Proteinsynthese, die Ribosomen, verantwortlichen Vehikeln waren als weitere an der Synthese Beteiligte die „messenger“-RNS (Boten-RNS) erkannt worden, welche die an der t-RNS aktivierten Aminosäuren übernehmen und in die Ribosomen zur Eiweißsynthese bringen. Jeder dieser Schritte wird durch Enzyme kontrolliert. Schon während der 1950er Jahre gab es Spekulationen über die Art, in der die in einer Nukleotidsequenz eines DNS-Stranges enthaltene Information in die Aminosäuresequenz einer Polypeptidkette übertragen wird. Sie waren weitere Beispiele für die „hypnotische Macht von Zahlen“, ähnlich der Hypothese der Periodizität der Proteinstruktur von Albrecht Kossel bis Max Bergmann und Carl Niemann (siehe Abschn. 3.2.1.2). Der erste Vorschlag kam von dem Kernphysiker George Gamow (1904-1968) aus Berkeley. Gamow stellte nach Kenntnis der Ergebnisse von Watson und Crick zur Doppel-Helix die Überlegung an, daß „die Erbeigenschaften eines gegebenen Organismus durch eine lange Zahl dargestellt werden könnten, die aus vier Ziffern zusammengesetzt ist. Andererseits stellen Enzyme (Proteine), deren Zusammensetzung vollständig durch ein Desoxyribonukleinsäure-Molekül bestimmt wird, lange Peptidketten aus etwa zwanzig verschiedenen Aminosäuren dar und können als langes „Wort“ aus einem 20-Buchstaben-Alphabet angesehen werden. Es erhebt sich also die Frage, wie Zahlen aus vier Ziffern in solche „Worte“ übertragen werden können“5. Er rief von

1 Sanger u.a. (1969), 1009; Sanger u.a. (1972), 993. 2 Zusammenfassungen und Übersichten in: Sanger (1988), Sanger u. Dowding (1996.) 3 Judson (1996) 4 Current Biography (1981), 355. 5 Gamow (1954), 318. 127

Berkeley aus den „DNA tie club“ mit zwanzig Mitgliedern ins Leben, für jede Aminosäure ein Mitglied. Dem Club gehörten Physiker, Biochemiker und Genetiker an, u.a. James Watson und Francis Crick. Jedes Mitglied durfte eine Krawatte mit der Doppel-Helix tragen. Ziel der Club-Mitglieder sollte es sein, „das Rätsel der DNS-Struktur aufzuklären und den Weg von dieser zu den Proteinen zu verstehen.“ Gamow entwickelte 1954 einen mit Spielkarten illustrierten Vorschlag, der Gruppen von drei zusammenhängenden Nukleotiden je Aminosäure in einer Folge sich überlappender Triplets enthielt (Triplet-Code)1. Dieser Vorschlag spornte Francis Crick und seine Mitarbeiter an, das Code-Problem kritischer anzugehen und mit den aus genetischen Experimenten gewonnenen Erkenntnissen sowie biochemischen Untersuchungen die mögliche Richtigkeit des Gamowschen Schemas und seiner Varianten zu überprüfen. Sie konnten 1961 feststellen, daß - die Nukleotide eines Triplets (sie sprachen von „Codons“) nicht auch zu einem anderen Triplet gehören (nicht überlappender Code). - die Triplet-Sätze in linearer Reihe, an einem bestimmten Punkt beginnend auf einer Polynukleotidkette ohne Unterbrechung angeordnet sind (kommaloser Code), und daß - mehr als ein Triplet für eine bestimmte Aminosäure codieren kann.2 Vertiefte experimentelle Untersuchungen bestätigten das Konzept eines genetischen Codes. Gruppen um Marshall Warren Nirenberg (geb.1927), (1905-1993) und (geb.1918) sowie Har Gobind Khorana3 (geb.1922) gelang die enzymatische Synthese von Polyribonukleotiden und Polydesoxyribonukleotiden, mit deren Hilfe über die Gewinnung von Oligopeptiden verschiedener Aminosäuren der genetische Code der Proteinsynthese schrittweise erhärtet werden konnte. Bereits 1959 wurden Arthur Kornberg und Severo Ochoa „für ihre Entdeckung des Mechanismus in der biologischen Synthese von Ribonukleinsäure und Desoxyribonukleinsäure“ mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.

Der Chemiker Robert Holley erhielt 1968 zusammen mit den Biochemikern Marshall Warren Nirenberg (geb.1927) und (geb.1922) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin „für ihre Interpretation des genetischen Codes und dessen Funktion bei der Proteinsynthese.“

1 Gamow (1954 a), 779; (1955), 70-78; (1955a), 1011-1019 2 Crick u.a. (1961), 1227-1232 3 Khorana stammt aus Punjab im heutigen Pakistan. 128

Die Aufklärung der Zusammensetzung und des räumlichen Baus und der Funktion von Eiweißstoffen sowie die Auflösung des Rätsels um den genetischen Code der Eiweißsynthese, beginnend mit der Entdeckung der Doppelhelix zählt zu den erregendsten Entwicklungen in der Geschichte der Zusammenarbeit von Chemie, Biologie und Physik.

129

5. Zusammenfassung

Die Geschichte der Erkennung der Struktur von Eiweißstoffen, ihrer Funktion und der Wege und Mechanismen ihrer Bildung ist ein wesentlicher Teil der Geschichte der Erkennung des Moleküls, der im Molekül und zwischen Molekülen bestehenden Bindungen sowie der Betrachtung biologischer Verhältnisse und Vorgänge auf der molekularen Ebene. Dazu haben im 20.Jahrhundert die Chemie, Biologie und Physik mit den sie vertretenden Wissenschaftlern Entscheidendes geleistet. Im Ergebnis hat sich die Überzeugung herausgebildet, daß eine Aufklärung der Struktur von Eiweißen, ihrer Funktion und ihrer Synthese im Organismus nur auf der molekularen Ebene möglich ist. Überraschend und menschlich berührend ist die Feststellung, wie einige hervorragende Forscher einerseits überkommene Denkhorizonte praktisch und gedanklich weiteten und kühne Ausblicke in die wissenschaftliche Entwicklung vermittelten, andererseits aber durch konservatives Beharren auf nicht haltbaren Standpunkten den Fortschritt hemmten: So sind Emil Fischers Verdienste um die Naturstoffchemie und um die Analytik und Synthese von Peptiden unbestritten und seine Erkenntnis der Bedeutung der Nukleotide und Nukleinsäuren für lebende Organismen hat sich glänzend bewahrheitet. Seine schroffe Ablehnung der Existenzmöglichkeit größerer Moleküle, auch für Eiweiße, wurde zwar lange Zeit akzeptiert, mit Staudingers Nachweis von Makromolekülen sowie mit den Ergebnissen der Ultrazentrifugation aber hinfällig. Albrecht Kossel hat in der Nachfolge Friedrich Mieschers die Substanzen des Zellkernes untersucht und die Grundlagen der Nukleinsäurechemie geschaffen. Er erkannte als erster die Bedeutung der Nukleinsäuren für die Eiweißsynthese in der Zelle. Mit seiner Tetranukleotid- Theorie legte er jedoch später eine falsche Fährte. Erst mit Chargaffs Regel von der Paarung der Basen wurde der Weg zur Doppelhelix erschlossen. Hervorragendes auf dem Gebiet der Enzyme leistete Richard Willstätter, war aber noch kurz vor seinem Tode nicht bereit, deren Eiweißcharakter anzuerkennen. Der amerikanische Physikochemiker Linus Pauling hatte die Natur der chemischen Bindungen auf quantentheoretischer Grundlage aufgeklärt, Bindungslängen und Bindungswinkel in Aminosäuren und Peptiden bestimmt, die Planarität der Peptidbindung nachgewiesen und als ein wichtiges Element der Sekundärstruktur von Polypeptiden die α- Helix vorgeschlagen. Sein späterer Vorschlag zur Erklärung der Struktur der DNS mit einer Dreifach-Helix war mit seinen eigenen früheren Ergebnissen jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen. 130

Es ist nicht nur die scheinbare Widersprüchlichkeit der Ansichten und Meinungen einzelner Wissenschaftler, die tempomindernd auf den Erkenntnisfortschritt auch in der Proteinforschung gewirkt haben. Die zwischen Erkenntnissen und Ergebnissen gerade dieser Wissenschaftler und der Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen mit dem Nobelpreis vergangenen langen Zeiträume (z.B. 30 Jahre bei A.Kossel und H.Staudinger, 25 bzw. 20 Jahre bei Northrop und Sumner, zehn und mehr Jahre bei einigen anderen- s.Tafel-) lassen erkennen, wie hartnäckig viele andere maßgebende Wissenschaftler an überholten Lehrmeinungen festhielten und erst nach allgemeiner Anerkennung schlüssiger Beweise von den Fortschritten zu überzeugen waren. Die Entwicklung der Eiweißforschung im vergangenen Jahrhundert war in hohem Maße auch bestimmt durch technisch-methodische Neuerungen. Das betrifft die Konstruktion und den Bau von Ultrazentrifugen durch The Svedberg, die die stoffliche Einheitlichkeit von Eiweißmolekülen erkennen und deren Molekülgröße bestimmen halfen. Das betrifft weiter die Nutzung der Adsorption an unterschiedlichen Materialien zur Trennung von Stoffgemischen, die eine Lösung des Grundproblems der frühen Eiweißforschung, die schonende Auftrennung komplexer Mischungen von Stoffen mit oft ähnlichen physikalischen Eigenschaften, mit den vielfältigen Möglichkeiten der Chromatographie ermöglichte. Und nicht zuletzt waren es die Entdeckung der Streuung von Röntgenstrahlen an Kristallen durch Max von Laue und die Nutzung dieses Prinzips durch die Braggs und die von ihnen begründete Röntgen-Kristallographie in Cambridge und London. Sie bildete die Grundlage für die Ableitung räumlicher Vorstellungen von biologisch aktiven Einheiten und die Schaffung dreidimensionaler Modelle, die in Verbindung mit anderen Daten zum Verständnis der biologischen Funktion von Eiweißen wie Myoglobin und Hämoglobin, letztlich aber auch zum Modell der Doppelhelix und Vorstellungen zur biologischen Eiweißsynthese in der Zelle führten. Die Eiweißforschung im 20.Jahrhundert und ihre Ergebnisse belegen eindrucksvoll die These, daß Fortschritte in der Wissenschaft meist auf Grenzgebieten erzielt werden, auf denen sich Wissenschaftszweige berühren oder überschneiden. Es war durchaus folgerichtig, daß Emil Fischer sich nach seinen erfolgreichen Untersuchungen auf dem Zuckergebiet und der Arbeit mit Enzymen dem Eiweißgebiet zuwandte und damit eine Eiweißchemie begründete, deren Ziel er in der Aufklärung biologischer Zusammenhänge sah. Und es verwundert nicht, daß nach den Überlegungen und Ergebnissen von Genetikern und Physikern (Dreimänner-Arbeit von 1935 und Erwin Schrödingers Buch „What is Life“) zur Größe und Gestalt eines Erbeigenschaften übertragenden Gens die Frage, ob es sich wirklich 131 um ein Protein handelt, schließlich unter chemischen Gesichtspunkten gestellt und untersucht wurde. Dazu lieferte die chemische Forschung zunehmend das methodische Rüstzeug für die Lösung analytischer und synthetischer Aufgaben. Die chemische Industrie stellte sich mehr und mehr auf die Anforderungen der chemischen und biochemischen Forschung ein. Hatte bereits der I.Weltkrieg besonders in Deutschland fast zum Erliegen der Forschungen auf dem Eiweißgebiet geführt, so brachten die nationalsozialistische Rassenpolitik und der II.Weltkrieg eine weitgehende Verlagerung der Eiweißforschung vom europäischen Festland nach Großbritannien und in die USA. Eine zielgerichtete materielle Förderung, anfangs durch Stiftungen und später durch die Industrie verhalf zur Bildung und Entwicklung erfolgreich arbeitender biochemischer Forschungszentren. Dabei wurde durch Zustrom von organischen und physikalischen Chemikern der bis dahin auf medizinische und physiologische Aufgaben ausgerichtete Charakter der Biochemie allmählich verändert. Fragestellungen aus der Landwirtschaft und der Biologie traten in den Vordergrund. Das Schlüsselergebnis von 1944, als der amerikanische Mediziner Oswald T.Avery die DNS als stoffliche Basis der Vererbung erkannte, führte die bis dahin fast unabhängig voneinander durchgeführten zumeist chemischen Forschungen auf dem Protein- und dem Nukleinsäuregebiet inhaltlich und methodisch zusammen und zeigte die Notwendigkeit auf, in der genetischen Forschung chemische Aspekte deutlicher zu berücksichtigen.. Der Vorschlag zum Modell der Doppelhelix konnte nur aus den Ergebnissen der chemischen Forschung über Proteinstrukturen, Zucker, Purin- und Pyrimidinbasen sowie röntgenkristallographischer Arbeiten hergeleitet werden. Als besonders verdienstvoller Chemiker sowohl auf dem Eiweiß- wie auch auf dem Nukleinsäuregebiet ist der englische Chemiker Frederick Sanger hervorzuheben. Ihm sind die erste Aufklärung der Primärstruktur eines Polypeptids, des Peptidhormons Insulin, wie auch die Aufklärung der Basenfolgen von Nukleinsäuren und Synthesen von Nukleotidsequenzen sowie eine Vielzahl methodischer Neuerungen zu danken. Die Übersicht über die im Verlauf des 20.Jahrhunderts erbrachten und ausgezeichneten wissenschaftlichen Schlüsselergebnisse bei der Erforschung von Struktur, Funktion und Synthese von Proteinen (Tafel) stützt sich auf Wertungen des Nobelkomitees. Sie zeigt, daß nach Ausgangsleistungen der Physik (Röntgenstrahlung und deren Beugung) und Chemie (Zucker, Purine, Peptide, Nukleine) nach der Jahrhundertwende zwischen den beiden Weltkriegen eine vorwiegend von Chemikern bestimmte Phase folgte. Die Existenz von Makromolekülen wurde zur Gewissheit und auf Eiweiße übertragen, Methoden zur Trennung, 132

Reinigung und Identifizierung von Aminosäuren, Peptiden und Proteinen sowie von Nukleotiden und Nukleinsäuren wurden entwickelt. In der Übersicht wird nicht erkennbar eine Anerkennung der Bedeutung der theoretisch von Physikern wie Bohr, Heisenberg, Schrödinger, Delbrück und Zimmer und von Genetikern wie Timofeew-Ressowski, Muller u.a. begründeten Notwendigkeit des wissenschaftlichen Denkens und Experimentierens auf molekularem Niveau, um biologische Strukturen, Funktionen und Zusammenhänge zu erfassen. In der Phase nach dem II.Weltkrieg wurden auf der Grundlage immer besserer chemischer und physikalisch-chemischer Analysen- und Synthesemethoden die Vorstellungen von Eiweißmolekülen in die dritte Dimension erweitert. Der Begriff „Information“ und deren Übertragung wurde in die Biologie eingeführt und auf genetische Fragen angewendet. Erstmals beim Hämoglobin wurde der Zusammenhang zwischen Struktur und Konformation im jeweiligen Milieu und der biologischen Funktion verständlich und mit dem Austausch einer Aminosäure im Gesamtmolekül beim Sichelzell-Hämoglobin die molekulare Grundlage für ein Krankheitsbild infolge einer genetischen Veränderung erkannt. Mit dem Modell einer Doppelhelix der DNS, mit dem genetischen Code der Eiweißsynthese und dem Mechanismus bei dem Zusammenspiel von DNS und RNS wurde die biologische Eiweißsynthese in ihren Grundlagen beschrieben. Für die mit der Aufklärung des genetischen Codes der Eiweißbiosynthese, der Erkennung der Genfolge im menschlichen Genom sowie mit der Möglichkeit der Synthese von Genabschnitten einsetzenden Kommerzialisierung der Forschung auf diesen Gebieten lassen sich die von König formulierten Kriterien einer „science-based industry“ 1anwenden.

1 Schürmann u. Weiss (2002), S. 236. 133

6. Glossar

Aussalzen Abscheidung einer Substanz aus einer Lösung oder Dispersion durch Zusatz von festen oder gelösten Salzen

Biuret-Reaktion Reaktion zum qualitativen Nachweis von Peptiden, Peptonen und Proteinen durch Bildung eines farbigen Kupfer-Komplex- salzes

Chyme Halbverdauter Speisebrei

Denaturierung Durch chemische oder physikalische Einwirkung hervorgerufe- ne Strukturveränderung (z.B. Gerinnung) von Eiweißstoffen, die mit dem Verlust der biologischen Aktivität verbunden ist

Depside Organische Bestandteile z.B. von natürlichen Gerbstoffen

Diamagnetismus wird durch Wechselwirkung zwischen Magnetfeldern und bewegten geladenen Teilchen (insbes. Elektronen) hervor- gerufen.

Digestorium Abzugs- oder Absaugvorrichtung für verunreinigte Luft aus Laboratorien. Wurden in E.Fischers Institutsneubau mit Gasflammen (Lockflammen) in Entlüftungsschächten betrieben.

Entelechie Zielstrebigkeit oder Zielgerichtetheit des Naturgeschehens

Folin-Reaktion 1. Wässrige Lösung mit Natriummolybdat, Natriumwolframat, Phosphor- und Salzsäure zum Nachweis der Aminosäure Tyrosin oder tyrosinhaltiger Peptide oder Proteine 2. Wässrige Lösung von 1,2-Naphtochinon-4-sulfonsäure- Natriumsalz zum Nachweis von Aminosäuren (Blaufärbung)

Feulgens Reagenz Fuchsinschweflige Säure. Wässrige Lösung von Pararosanilin, die mit Schwefeldioxid entfärbt wurde, zum Nachweis von Desoxyribonukleinsäure (DNS).

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Hydrierung Einführung von Wasserstoff in eine organische Verbindung

Hydrolyse Spaltung einer Verbindung unter Wasseranlagerung

Kolorimetrie Bestimmung der Konzentration farbiger Lösungen durch Messung von Farbintensitäten im sichtbaren Bereich des Lichtes

Millon,sche Reaktion Eine Eiweißlösung gibt mit einer Lösung von Quecksilber in salpetrigsäurehaltiger Salpetersäure einen rotbraunen Niederschlag (Reaktion auf Tyrosin). Ninhydrin-Reaktion Mit Aminosäuren, Peptiden und Proteinen gibt Ninhydrin nach Erwärmen eine blau- bis rotviolette Färbung (s.S.42)

Lyotrope Reihe Reihenfolge der Kationen und Anionen hinsichtlich ihres Ausflockungsvermögens für Kolloide

Razemat Homogene Phasen, die aus einem Gemisch aus gleichen Anteilen der beiden Antipoden von optisch aktiven Verbindungen bestehen.

Scheidkunst/ Alte Bezeichnung der Chemie. Noch heute in den Niederlanden Scheidekunst gebräuchlich.

135

7. Verzeichnis der Abkürzungen

Abh., Abhdlg. Abhandlung (en) Acad. Academy Am. American Anal. Analytical Anat. Anatomie Ann. Annals, Annual, Annalen Arch. Archive(s) Adv. Advances Ber. Berichte Biochem. Biochemical, Biochemistry Biol. Biologie, Biology, Biological Biophys. Biophysical, Biophysics, Biophysik Bull. Bulletin Ch. Chemie, Chemiker, Chemical, Chemistry DNS = DNA, Desoxyribonukleinsäure, s.Abb.7, S. 70 Chem. Chemie, Chemiker, Chemical, Chemistry Dt., Dtsch. Deutsch, Deutsche, Deutsches Eng. Engineering Exp. Experimental, Experimentelle Ges. Gesellschaft Hist. Historisch(e), Historical ISIS International Review devoted to the History of Science and its cultural influences J. Journal KWI Kaiser-Wilhelm-Institut Med. Medical, Medicine, Medizin Nat. National NIGMS National Institute for General Medical Sciences NIH National Institutes for Health Path. Pathologie, Pathology Phil. Philosphical, Philological Phys. Physical, Physiological, Physikalisch, Physiologisch Proc. Proceedings 136

Prot. Protein(s) R. Royal Sc., Sci. Science, Sciences Scand. Scandinavian Soc. Society, Societé Z. Zeitschrift Ztg. Zeitung

137

8. Quellen- und Literaturverzeichnis 8.1 Archivalische Quellen

8.1.1 The Bancroft Library – History of Science and Technology Emil Fischer papers 1876-1919 Collection No. BANC MSS 71/95 z, Boxes 7-35 Letters to Emil Fischer A.Kossel – Briefe an E.Fischer: vom 22.November 1896 „ 28.November 1897 „ 16.August 1898 „ 29.Oktober 1900 „ 13.November 1900 „ 25.Januar 1901 „ 6.Februar 1901 (handschriftliche Abschrift) „ 5.Juli 1901 „ 19.Februar 1902 „ 18.März 1902 „ 5.August 1902 „ 14.Juni 1903 „ 26.Juni 1903 „ 9.August 1904 „ 29.Juni 1905 “ 11.August 1905

Konrad Adenauer, Oberbürgermeister von Cöln, Briefe an E.Fischer: vom 23.Mai 1918 „ 14.August 1918

Felix Hoppe-Seyler, Briefe an E.Fischer: vom 18.September 1894 „ 9.November 1895

8.1.2 Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, III.Abt., Rep.50, Nr.22

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Tswett, Michail Semjonowitsch - Khromofilly v rastitelnom i zhvotnom mire (Farbstoffe in der Pflanzen- und Tierwelt. Übers. v. Verf.). Warschau, 1910. - Khromatograficheskii adsorptionnyi analiz: izbrannye raboty (Chromatographische Adsorptionsanalyse: Ausgewählte Arbeiten. Übers. v. Verf.) Moskau, 1946. Vierhaus, Rudolf; v.Brocke, Bernhard (Hrsg.): Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Stuttgart, 1990. Walden, Paul Geschichte der Organischen Chemie seit 1880. Zweiter Band zu C.Graebe: Geschichte der Organischen Chemie. Berlin, 1941. Watson, James Dewey - The Double Helix London, 1968 - Die Doppelhelix. Ein persönlicher Bericht über die Entdeckung der DNS-Struktur. Reinbek, 1972 - Jugendjahre in der Phagengruppe. In: J.Cairns u.a.: Phagen u.d.Entwicklung d. Molekularbiologie. Berlin, 1972. - A Personal View of the Project In: Daniel J.Kevles u. Leroy Hood (Eds.): The Code of the Codes. London, 1992. Wieland, Theodor u. G.Pfleiderer Molekularbiologie, Bausteine des Lebendigen. Frankfurt/M., 1967. Willstätter, Richard - Brief an Emil Fischer v. 30.Dezember 1915 In: Richard Willstätter im Briefwechsel mit Emil Fischer in den Jahren 1901-1918. Bearbeitet u. herausgegeben v. Horst Remane u. Wolfgang Schweitzer. Berlin, 2000. - Aus meinem Leben Hrsg. A.Stoll, 2.Aufl. Weinheim, 1949.

172

8.4 Übersichten und Lexika

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8.5 Internet

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Max Delbrück – Biography. http://www.nobel.se/medicine/laureates/1969/delbruck-bio.html

173

.

9. Personenregister

Abderhalden Emil 1877-1950 21, 35, 54, 63 66, 100 Abel John Jacob 1857-1938 54 Adair Smithson 1896-1979 103 Adenauer Konrad 1876-1967 21 Althoff Friedrich Theodor 1839-1908 19, 20, 30 Anfinsen Christian Boehmer 1916-1995 87 Arrhenius Svante August 1859-1927 15, 43, 53 Avery Oswald Theodor 1877-1955 17, 73, 77, 78, 119, 174

121, 125, 131

Baeyer Johann Friedrich Wilhelm Adolf von 1835-1917 15, 29, 43, 54 Banting Frederic Grant 1891-1941 62 Baur Erwin 1875-1933 59 Beadle George Wells 1903-1989 45, 87 Bergius Friedrich 1884-1949 39 Bergmann Max 1886-1944 38, 55, 63, 84, 116, 127 Bernal John Desmond 1901-1971 47, 81, 102, 112 Berthelot Marcelin 1827-1907 25 Berzelius Jöns Jacob 1779-1848 16, 60 Best Charles Herbert 1899-1978 62 Bohr Niels Hendrik David 1885-1962 49, 75, 80, 132 Boyle Robert 1627-1691 7 Brachet Jean Louis 1909-1988 115, 116 Bragg William Henry 1862-1942 47, 81, 110 Bragg William Lawrence 1890-1971 47, 81, 130 Brand Erwin 1891-1953 92 Brücke Ernst Wilhelm von 1819-1892 48 Buchner Eduard 1860-1917 15

Carnegie Andrew 1835-1919 20 Caspersson Thorbjörn Oskar 1910-1994 98, 115, 116 Chargaff Erwin 1905-2002 84, 119-125, 129 Chetverikov Sergej Sergeevich 1880-1959 84, 85 Chibnall Albert Charles 1894-1988 99, 100 Cohnheim Otto 1873-1953 20, 22 Conant James Briant 1893-1978 67, 106 Corey Robert Brainard 1897-1971 110, 113, 121 Coryell Charles Dubois 1912-1971 107, 122 175

Crick Francis Harry geb.1916 87, 121-125, 127, 128 Compton Curtius Theodor 1857-1928 24, 116

Darwin Charles Robert 1809-1882 73 Davy Sir Humphrey 1778-1829 81 Delbrück Max 1906-1981 49, 75, 76, 84, 119, 132 Donnan Frederick George 1870-1956 53 Du Bois-Reymond Emil Heinrich 1818-1892 46, 48 Duclaux Pierre Emile 1840-1904 61

Ehrlich Paul 1854-1915 17, 53 Einstein Albert 1879-1955 80 Ewald Paul Peter geb.1888 46

Fankuchen Isidor 1905-1964 81 Fermi Claudio 1862-1952 66 Feulgen Robert Joachim 1884-1955 43 Wilhelm Fischer Hans 1881-1945 15 Fischer Herrmann Emil 1852-1919 15, 19-25, 28-42, 50 51, 63, 64, 70, 116, 1 119, 130, 131 Fischer Herrmann Otto Laurenz 1888-1960 33, 125 Fletcher Walter Morley 1873-1933 55 Flexner Simon 1863-1946 16 Franklin Rosalind 1920-1958 124 Freudenberg Karl 1886-1983 61, 62, 64, 65 Friedrich Walter 1883-1968 46 Fruton Joseph Stewart geb.1912 7, 23, 38, 49 Furberg Sven 1920-1982 121 176

Gamov George 1904-1968 127, 128 Garrod Archibald Edward 1857-1900 45 Gilbert Walther geb.1932 126 Gordon Arthur Hugh 1916-1988 63 Gould Stephen Jay 1941-2002 79 Griffith Fred 1877-1941 77 Grimaux Edouard 1835-1900 25 Gross 45

Harnack Adolf von 1851-1930 20, 21 Haurowitz Felix Michael 1896-1987 84 Heisenberg Werner 1901-1976 80, 132 Helmholtz Herrmann 1821-1894 46 Hershey Alfred Day 1908-1997 76 His Wilhelm 1831-1904 27 Hodgkin Dorothy 1910-1994 81, 102 Hoff Jacobus Henricus van,t 1852-1911 15, 37 Hofmann August Wilhelm 1818-1892 30, 33, 43 Hofmeister Franz 1850-1922 17, 22-25, 42,50, 54, 61 Holley Robert William 1922-1993 127, 129 Hopkins Frederick Gowland 1861-1947 55, 99 Hoppe-Seyler Ernst Felix Immanuel 1825-1895 23, 27-29, 54

Ingram Vernon Martin geb. 1924 106 Itano Harvey 1920-1984 105

Jacob Francois geb.1920 88 Johannsen Wilhelm 1857-1927 74 177

Judson Horace Freeland 1931-1973 10, 127

Karlson Peter 1918-1986 10 Kekulé August 1829-1896 33 Kendrew John Cowdery 1917-1997 110-114, 121 Khorana Har Gobind geb.1922 127, 129 Kjeldahl Johann Gustaf 1849-1900 18 Knipping Paul 1883-1935 46 Knoop Franz 1875-1946 16 Koch Robert 1843-1910 17 Koltzoff Nikolai Konstanti- 1872-1940 72, 74 nowich Kornberg Arthur geb.1918 128 Kossel Albrecht 1853-1927 20, 22, 24, 28, 30-32 42, 50, 72, 119, 127, 129, 131 Krebs Hans Adolf 1900-1981 84 Kuhn Thomas Samuel 1922-1996 76 Kunitz Moses 1887-1978 53, 64

Landsteiner Karl 1868-1943 17 Laue Max von 1879-1960 46, 130 Levene Phoebus Aaron 1869-1940 71-73 Theodore Lewis Gilbert Newton 1875-1946 83 Liebig Justus von 1803-1873 13, 14, 18, 41 Lipmann Fritz 1899-1986 84 Lloyd George David 1863-1945 16 Loeb Jacques 1859-1924 53 Loewi Otto 1873-1961 15 Ludwig Karl 1816-1895 46 Luria Salvador Edward 1912-1991 76, 77, 119 Lyssenko Trofim Denisovich 1898-1976 85

178

Martin Archer John Porter 1910-2002 63, 69, 90-93 Mathews Albert P. 1871-1957 30 Meierhof Otto 1884.1915 52, 84 Meitner Lise 1878-1968 75 Mendel Johann Gregor 1822-1884 45, 50, 73, 118 Menten Maud Leonora 1879-1960 53 Merrifield Robert Bruce geb.1921 117, 118 Michaelis Leonor 1875-1949 17, 52-54 Miescher Friedrich 1844-1895 27, 28, 119, 129 Mirsky Alfred Ezra 1900-1974 82, 111 Mitscherlich Eilhard 1794-1863 60 Mitschurin Iwan Wladimirowich 1855-1935 85 Monod Jacques 1910-1976 88, 108, 127 Moore Stanford 1913-1982 38, 87, 94-96 Morgan Thomas Hunt 1866-1945 73, 74 Mulder Gerardus Jan 1802-1873 14 Muller Hermann Joseph 1890-1967 85, 133

Needham Joseph 1900-1995 7, 83 Nencki Marceli 1847-1901 54, 61 Nernst Hermann Walther 1864-1941 15 Neuberg Carl 1857-1956 52 Niemann Carl 1908-1964 63, 127 Nirenberg Marshall Warren geb.1927 127, 129 Northrop Howard 1891-1987 17, 53, 61, 64, 87, 89, 130

Ochoa Severo 1905-1993 128 Ostwald Carl Wilhelm 1883-1943 15, 51, 54, 64, 65 Wolfgang

179

Pauling Linus Carl 1901-1994 80, 82, 87, 105-107, 109, 110, 112, 113, 122, 124, 129 Payen Anselme 1795-1871 61 Persoz Jean Francoise 1805-1868 61 Perutz Max Ferdinand 1914-2002 84, 87, 110, 112-113 Petersen William Harold 1880-1960 97 Planck Max 1858-1947 80 Plinius d.Ä, 23-79 68 Pregl Fritz 1869-1930 15, 18, 19, 41 Preyer Wilhelm 1841-1897 102 Purkynje Jan Evangelista 1787-1869 13

Rheinberger Hans-Jörg geb.1946 45 Rockefeller John Davison 1839-1937 20, 56 Röntgen Wilhelm Conrad 1845-1923 46, 47

Ruhemann Siegfried 1859-1943 43 Runge Friedlieb Ferdinand 1795-1876 68 Rutherford Ernest Lord of 1871-1937 80, 84

Sanger Frederick geb.1918 93, 100-102, 113, 125, 126, 131 Sörensen Sören Peter Lauritz 1868-1939 18 Slyke, van Donald Dexter 1883-1971 17, 46 Sommerfeld Arnold 1868-1951 47, 80 Spackman Darryl H. 1924-1980 95, 96 Stanley Wendell Meredith 1904-1971 76, 89 Starlinger Peter 76 Sumner James Batcheller 1887-1955 60, 61, 64, 89, 130 Svedberg The (Theodor) 1884-1971 66, 67, 69, 103, 130 Synge Richard Lawrence 1914-1994 64, 69, 91-93, 131 Millington 180

Szent-Györgyi Albert von 1893-1986 15

Schiff Hugo 1834-1915 26 Schoenheimer Rudolf 1898-1941 83,84 Schulz Friedrich Nikolaus 1871-1956 22, 40, 42 Schroedinger Erwin 1887-1961 49, 78-80, 84, 88, 124, 130, 132

Stahl Egon 1924-1986 94 Staudinger Herrmann 1881-1965 64-67, 95, 130 Stein William Howard 1911-1980 38, 94-96, 131 Stubbe Hans 1902-1989 45

Teich Mikulas 1918-1986 12 Thierfelder Hans 1858-1930 16 Thomas Karl 1883-1969 16

Timofeew- Nikolai Wladimiro- 1900-1981 75, 78, 79, 133 Ressowski wich Tiselius Arne 1902-1971 69, 70 Todd Alexander Robertus 1907-1997 118, 124 Tswett Michail Semjonowich 1872-1919 59, 68, 69

Urey Harold Clayton 1893-1981 83

Vavilow Nikolai Iwanowich 1887-1943 84, 85 Du Vigneaud Vincent 1901-1978 64, 87, 116, 117 Vogt Oskar 1870-1959 74

Walden Paul 1863-1957 33 Warburg Otto 1883-1970 52 181

Wassermann August P. von 1866-1925 52 Watson James Dewey geb.1918 123-125, 127, 128 Weaver Warren 1894-1978 58, 83 Wieland Heinrich 1877-1957 65 Wieland Theodor 1913-1995 116 Wilkins Maurice Hugh geb.1916 123, 125 Frederick Wilson Edmund Beecher 1856-1939 49 Willstätter Richard 1872-1942 15, 38, 51, 59, 61, 129 Wu Hsien 1893-1959 82

Zamecnik Paul Charles geb.1917 115 Zervas Leonidas 1902-1980 38, 55, 63, 116 Zimmer Karl Günther 1911-1993 75, 132 Zinoffski Oscar 1818-1889 103

10. Abbildungsverzeichnis

Abb. Seite Gegenstand Quelle

1 30 Proteinogene Aminosäuren Habermehl (2002) 2 32 Bürstenmodell Fischer (1911) 3 42 Farbbildung Ninhydrin Habermehl (2002) 4 66 Runge- Papierchromatogramm Weil (1953) 5 69 Purinbasen Habermehl (2002) 6 69 Pyrimidinbasen Habermehl (2002) 182

7 70 Bau eines Nukleotids Duden-Lexikon (1991) 8 88 Gramicidin S Synge (1952) 9 91 Säulenchromatographie Glaesmer (1963) 10 92 Automatische Aminosäureanalyse Glaesmer (1963)

11 93 HPLC Lindsay (1996) 12 95 UV-Extinktionskurven Rapoport (1964) 13 97 Insulin-AS-Sequenz Sanger (1958) 14 97 AS-Austausche in Insulinen Sanger (1958) 15 101 Häm und Globinbindung Rapoport (1964) 16 103 Eisen und Häm Rapoport (1964) 17 104 Sauerstoffbindung im Häm Judson (1996) 18 107 Peptidkette in der α-Helix Rapoport (1964) 19 108 Faltblattstruktur Rapoport (1964) 20 110 Sekundär-/Tertiärstrukturen Habermehl (2002) und Bindungsarten

21 119 Schema der Doppelhelix Watson (1953) 22 119 Paarung A-T Watson u. Crick (1953) 23 119 Paarung G-C Watson u. Crick (1953) 24 120 DNS-Doppelhelix Watson u. Crick (1953)

183

Tabellarischer Lebenslauf

Roderich Kurt Friedrich Glaesmer 10787 Berlin, Budapester Str. 33a Tel.: 030-2291290 Fax: 030-25793913 E-Mail: [email protected]

Geburtstag/-ort: 22:August 1930 in Berlin

Familienstand: Geschieden, eine Tochter, drei Söhne

Ausbildung: Diplom-Chemiker-Hauptexamen an der Humbold-Universität Zu Berlin 1960

Studienaufenthalt am Institut für Organische Chemie und Biochemie der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften in Prag, 1961

Studium Wissenschafts- und Technikgeschichte, Doktorand am Fachbereich 01 der Technischen Universität Berlin seit 2000

Tätigkeiten: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmakologie Der Deutschen Akademie der Wissenschaften 1960-1966, Arbeitsgebiete: Peptidsynthesen, Aminosäure-, Peptid- und Eiweißanalytik

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Staatssekretariat für Forschung und Technik, später Ministerium für Wissenschaft und Technik der DDR 1967-1986, Arbeitsgebiete: Arzneimittelforschung, Biotechnologie, Medizin.

1986 aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden.

Berlin, den 15.März 2004