Rote Liste Und Gesamtartenliste Der Flechten in Niedersachsen Und Bremen
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Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 1/2010 Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Markus Hauck & Uwe de Bruyn Rote Liste und Gesamtartenliste der Flechten in Niedersachsen und Bremen 2. Fassung, Stand 2010 Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 30. Jg. Nr. 1 1-84 Hannover 2010 Rote Liste und Gesamtartenliste der Flechten in Niedersachsen und Bremen 2. Fassung, Stand 2010 von Markus Hauck und Uwe de Bruyn Inhalt 1 Einleitung 2 6 Liste der Flechten Niedersachsens und Bremens 32 2 Was sind Flechten? 3 mit Gefährdungseinstufungen und Gesamt - 3 Natürlicher und anthropogener Wandel der 4 artenliste Flechtenvegetation in Norddeutschland 7 Hintergrundinformationen zum Vorkommen 48 3.1 Langfristige Veränderungen der Flechten- 4 und zur Gefährdung von Flechten in vegetation während des Holozäns Niedersachsen und Bremen 3.2 Anthropogener Wandel seit der Industria - 7 8 Synonyme 66 lisierung 9 Numerische Bilanz der Roten Liste 67 4. Für Flechten bedeutsame Lebensraumtypen in 13 10 Gesetzlich geschützte Flechten 69 Niedersachsen und Bremen 10.1 Bundesartenschutz-Verordnung 69 4.1 Wälder und Gebüsche 13 10.2 FFH-Richtlinie 70 4.2 Freistehende Gehölze 16 11 Arten, für die eine besondere Verantwortung 72 besteht 4.3 Magerrasen und Heiden 17 11.1 Besondere Verantwortung für den weltweiten 72 4.4 Felsen, Blockhalden, Findlinge und prä histo- 18 Erhalt der Art rische Großsteingräber 11.2 Besondere Verantwortung für den Erhalt von 72 4.5 Schwermetallreiche Standorte 21 Arten in Deutschland 4.6 Hochmoore und Moor heiden 22 11.3 Arten mit nur einem aktuellen Vorkommen in 73 4.7 Flechten in salzwasserbeeinfl ussten Habitaten 22 Niedersachsen und Bremen 4.8 Abbaufl ächen 23 12 Forderungen für den Naturschutz 74 4.9 Flechten im Siedlungsbereich 23 13 Forschungsbedarf 75 4.10 Bearbeitetes Holz 25 14 Danksagung 75 5 Methodik zur Erstellung der Gesamtartenliste 25 15 Zusammenfassung/Abstract 75 und zur Gefährdungseinschätzung 16 Literatur 75 5.1 Bezugsgebiet und Regionalisierung 25 5.2 Kenntnisstand 25 Anhang 5.3 Auswahl der Taxa und Nomenklatur 28 Referenzen seit HAUCK (1996) aus Niedersachsen und 5.4 Hilfsmittel zur Gefährdungseinschätzung 28 Bremen. 5.5 Einstufung in Gefährdungskategorien 29 (Der Anhang ist im Internet verfügbar unter 5.6 Bewertung der regionalen Verantwortlichkeit 32 www.nlwkn.de > Naturschutz > Tier- und Pfl anzenarten- für den Schutz der einzelnen Arten schutz > Veröffentlichungen > Rote Listen) 1 Einleitung Flechten sind in den letzten Jahrzehnten von einem Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältiger Natur. rapiden Rückgang betroffen. Im Gebiet der Bundesre- Zusammenfassend lassen sie sich jedoch mit den Begrif- publik Deutschland ist die Verarmung der Flechtenfl ora fen Biotopveränderung, Biotopzerstörung und Schad- gerade im Norden, jedenfalls außerhalb des Küstenrau- stoffeintrag beschreiben. Gemeinsam ist ihnen jedenfalls, mes, besonders weit vorangeschritten. Gibt es heute dass sie allesamt anthropogen sind. wohl keine Organismengruppe mehr, die nicht durch Flechten sind sehr feinfühlige Indikatoren, die nicht die Tätigkeit des Menschen massiv beeinträchtigt wird, nur die Struktur- und Artenvielfalt eines lokal begrenz- so trifft dies für die Flechten in ganz besonderem Maße ten Untersuchungsgebietes oder einer Region widerspie- zu. Der Umfang des Rückgangs in Niedersachsen und geln können und somit Aussagen über die Wertigkeit Bremen liegt beispielsweise bedeutend über dem der eines Raumes für den Naturschutz zulassen. Vielmehr Farn- und Blütenpfl anzen. Zahlreiche Arten, die noch geben sie auch Auskunft über die Belastung von Luft, um die Jahrhundertwende im Gebiet weit verbreitet und Wasser und Boden mit Schadstoffen. Insbesondere die häufi g waren, sind heute so selten geworden, dass sie als Kenntnis von der Empfi ndlichkeit der Flechten gegen- „vom Aussterben bedroht“ eingestuft werden müssen über Luftschadstoffen (vor allem Schwefeldioxid) hat in oder bereits „ausgestorben oder verschollen“ sind. Die der Vergangenheit zu einer großen Anzahl von Untersu- Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 1/2010 2 chungen Veranlassung gegeben und ist auch in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit ge- langt. Die Schwefeldioxid-Immis- sionen, die überwiegend aus der Verfeuerung fossiler Brennstoffe resultieren, wurden in Deutsch- land Ende des 20. Jahrhunderts erfreulicherweise wieder in etwa auf vorindustrielle Werte zurück- geführt. In der Folge ist es wieder zu einer gewissen Erholung der Flechtenvegetation gekommen. Zurückgekehrt sind jedoch nur einige gegenüber Schwefeldioxid empfi nd liche Arten, die eine gute Ausbreitungsfähigkeit besitzen. Die Mehrheit solcher Flechten (überwiegend betrifft das rinde- bewohnende Arten [Epiphyten]) ist jedoch während der Jahr- zehnte hoher Schwefeldioxid-Be- lastung unwider rufl ich dezimiert Abb. 1: Eine strauchförmige Wuchsform weisen Erdfl echten aus der Gattung Cladonia auf, hier worden, vielfach auch gänzlich zusammen mit Cetraria islandica in einem Sandmagerrasen im Emsland. Foto: U. de Bruyn aus Norddeutschland verschwun- den. dioxid, Wasser, Mineralsalze) organische Stoffe auf. Man Nach den rückläufi gen Schwefeldioxid-Konzentratio- bezeichnet die Farn- und Blütenpfl anzen, Moose und nen üben nun Stickstoff-Einträge einen zunehmend gro- Algen aufgrund dieser Lebensweise als autotroph. Im ßen Einfl uss auf die Flechtenvegetation aus. Vor allem, Naturhaushalt nehmen sie die Rolle der Produzenten ein. aber nicht ausschließlich, sind hier Ammoniak-Emissionen Den Pilzen dagegen fehlt die Möglichkeit, organische aus landwirtschaftlichen Betrieben relevant. Das hat zur Substanzen zu produzieren. Ihr Stoffwechsel ist darauf Folge, dass die Erholung der Flechtenvegetation nach ausgerichtet, organische Stoffe in anorganische umzu- dem Rückgang der atmosphärischen Schwefeldioxid-Kon- wandeln. Man bezeichnet sie deshalb als heterotroph. zentration gebietsweise nur von kurzer Dauer war. Dies Ihre Rolle im Naturhaushalt ist die der Destruenten. trifft insbesondere auf das nordwestliche Niedersachsen Pilze sind also für ihre Ernährung darauf angewiesen, abseits des unmittelbaren Küstenraumes zu. sich eine Bezugsquelle für organische Stoffe, die sie ver- Es ist in erster Linie Aufgabe der politisch Verantwort- arbeiten können, zu erschließen. Diese Notwendigkeit ist lichen und Behörden, ihrem ethischen und gesetzlichen in der Natur auf unterschiedliche Weisen realisiert. Viele Auftrag nachzukommen und im Interesse von Natur und Pilzarten besiedeln als Saprophyten tote Lebewesen, Menschen dieser und zukünftiger Generationen dem ins- deren organische Substanzen sie verwerten können. An- gesamt negativen Trend bei der Bestandsentwicklung der dere Pilze leben parasitisch und be fallen lebende Orga- Flechtenfl ora Einhalt zu gebieten. Diese Rote Liste soll nismen, von denen sie organische Stoffe beziehen. Diese ein kleiner Baustein dazu sein. Mit ihrer Hilfe soll es auch Beziehung ist nur für den Pilz von Nutzen; der Wirt dage- dem fl echtenkundlichen Laien ermöglicht werden, Daten gen wird dabei geschädigt, oftmals auch abgetötet. An- über das Vorkommen von Flechtenarten in Hinblick auf dere Pilzarten wiederum gehen mit einer grünen Pfl anze den Naturschutz zu interpretieren und nötigenfalls für eine Lebensgemeinschaft ein, die für beide Partner von angemessene Schutzmaßnahmen einzutreten. Nutzen ist. Der Pilz bezieht dabei von seinem Partner die benötigten organischen Stoffe. Der grünen Pfl anze da- gegen erschließt er anorganische Substanzen, die sie für ihren Stoffwechsel braucht. Die so lebenden Pilz arten – 2 Was sind Flechten? sie sind Symbionten – sind hier von Interesse. Jede symbiontische Pilzart ist auf eine Art oder meh- Es gibt wohl kaum eine allgemeiner gehaltene Abhand- rere Arten grüner Pfl anzen als Partner spezialisiert. Die lung über Flechten, an deren Beginn nicht ein Abschnitt grünen Pfl anzen, die eine solche Lebensgemeinschaft mit dieser oder einer ähnlichen Überschrift steht. Häufi g eingehen, gehören ganz verschiedenen systematischen ist dann von einem „Doppelwesen aus Pilz und Alge“ die Gruppen an. Am bekanntesten ist die Symbiose von Pil- Rede. Will man wissen, was Flechten für Lebewesen sind zen mit Bäumen. Lebenspartner können jedoch auch an- ist es zweckmäßig, sich zunächst mit einem der beiden dere Farn- und Blütenpfl anzen sein, beispielsweise Orchi- Partner des „Dop pelwesens“, den Pilzen, ein wenig zu deen. Auch autotrophe Kryptogamen gehen Symbiosen befassen. mit Pilzen ein. Dies trifft für Moose zu – und für Algen. Pilze unterscheiden sich von den grünen Pfl anzen, also Die Symbiose zwischen Pilzen und Algen ist im Regel- den Farn- und Blütenpfl anzen, Moosen und Algen, ganz fall besonders eng. Die Algenzellen sind an bestimmten grundsätzlich in ihrer Lebensweise. Die grünen Pfl anzen Stellen in das Pilzgefl echt eingelagert. Zusammen bilden bauen mit Hilfe der Energie des Sonnenlichtes, die sie Pilz und Alge damit, nun als Flechte bezeichnet, eine nutzen können, aus anorganischen Substanzen (Kohlen- morphologische Einheit: das Flechtenlager, den Thallus. Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 1/2010 3 Abb. 2: Zu den größten Flechten gehören Blattfl echten aus der Gattung Abb. 4: Pyrenula nitida ist eine Art mit kugelförmigen Fruchtkörpern Peltigera, die Lager von bis zu 20 Zentimeter Durchmesser ausbilden (Perithecien). Sie tritt ausschließlich in fl echtenreichen Altholzbeständen können – abgebildet ist Peltigera neckeri aus jüngeren Graudünen der vor allem an Hainbuche, seltener an Buche auf. Foto: U. de Bruyn Insel Borkum. Foto: U. de Bruyn