Musik« Ich Kam Beinahe Zu Spät
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cyan magenta yellow black irland journal / page size : 210 x 210 mm »musik« Ich kam beinahe zu spät. Teilwei- der vergangenen 30 Jahre. Dar- se selbstverschuldet, doch wer unter Stücke, die ihn durchaus hätte auch gedacht, dass an die- als ernsthaften Singer/ sem Sonntagabend irgendwie alle Songwriter oder auch „Barden“, zur Düsseldorfer Philipshalle woll- als den man ihn früher gerne ten. So ein Andrang für Chris de bezeichnete, ausweisen – wie Burgh? Nun gut, er ist ein Star, etwa „Spanish Train“ oder das immer noch, auch wenn er den unverwüstliche „Borderline“ – Höhepunkt seiner Karriere bereits , aber leider auch genügend längst überschritten haben mag. Beispiele für die langsam allzu Aber er zehrt heute noch davon zahlreich werdenden schwä- und schafft es offensichtlich nach cheren Werke seines umfang- wie vor, zu seinen Konzerten Ver- reichen Œuvres („The Same kehrsstaus zu verursachen. Mit Sun“, „Bal Masqué“). Es ist ins- Beginn des „Storyman“-Themas gesamt schon relativ deutlich, als instrumentalem Intro des Kon- Ein Pop-Poet scheidet dass die textliche Originalität zertes, saß ich – etwas außer wie der inhaltliche Einfalls- Atem, aber gerade noch pünktlich die Geister reichtum de Burghs über die – auf meinem Platz. Jahre nachgelassen haben. Im „STORYMAN“ Prinzip versucht er heute seine Von Stefan Backes alten Erfolge und Leistungen zu CHRIS DE BURGH kopieren, wobei meist nicht Zunächst einmal ist zu sagen: auf Deutschlandtour mehr als schwache Imitate her- cyan Dieser Beitrag ist absolut sub- auskommen. In diesem Zusam- jektiv. Als Sympathisant von de menhang kann man leider Burghs Musik, vor allem des- nicht behaupten, dass der Ire sen, was er in den ersten zehn sich musikalisch weiterentwik- Jahren seines Schaffens auf den kelt hätte. magenta Markt gebracht hat, bin ich vor- zert zu eröffnen, diesmal also de Burgh geht langsam aber si- So erreichte das Konzert nach eingenommen und kann und mit streicherlastigem Intro (das cher auf die 60 zu –, der sich einer unfreiwillig komischen will da auch gar nicht aus mei- britische Royal Philharmonic wie immer gekonnt als ver- Darbietung des sicher bitter- ner Haut. So konnte ich gleich Orchestra vom Band) und an- schmitzter Entertainer gab, bei- ernst gemeinten „The Mirror of zu Beginn feststellen, dass die schließend mitten rein ins Ge- nahe nach jedem Lied, manch- the Soul“ (ein vermutlich einen Toncrew für einen exzellenten schehen mit einem seiner spä- mal auch währenddessen, Blu- Vulkan darstellendes Tuch vor yellow Sound gesorgt hatte, nicht zu teren Klassiker: „Where We Will men oder selbst gebastelte Ka- einer Hebebühne, auf der der laut, nicht zu leise, jedes Instru- Be Going“. Und de Burgh zeig- lender nach vorne zu bringen. Sänger stand und von der her- ment war differenziert heraus- te sich enorm gut bei Stimme, Nervte vielleicht sogar den Be- unter er wie von einer Kanzel zuhören, und zugleich ergab eigentlich wie seit Jahren nicht schenkten selbst bald, aber er sang, erinnerte eher an den Vor- alles ein einheitliches Ganzes. mehr. Ob’s vielleicht auch ein ließ sich nichts anmerken, blieb hang eines Kasperletheaters) black Wichtig auch für einen Mann, klein wenig an der hervorra- freundlicher Gastgeber, bieder- seinen absoluten Tiefpunkt an dessen Aussprache seiner Mut- genden Technik lag? Wäre nicht te sich stellenweise regelrecht einer Stelle, die de Burgh dem tersprache, im Singen wie im schlimm, denn singen kann er, an. Aber er hatte ja immerhin Publikum eigentlich als Höhe- Sprechen so deutlich und ver- das hat er oft genug bewiesen, auch ein stolzes Eintrittsgeld punkt präsentierte. Mit Hilfe ständlich ist, dass seine Lieder wenn auch bereits hier das mit verlangt, für das er die entspre- zweier Gastmusiker – Aled nicht umsonst bereits vor 20, 30 dem Scheiden der Geister be- chende Gegenleistung bringen Jones am Schlagzeug, bekannt Jahren im Englischunterricht ginnt, denn seine nicht seltenen musste … geworden als Kindersopran in verwendet wurden. Und auch Wechsel von Normal- in Kopf- Musikalisch tat er dies – beglei- Mike Oldfields „Pictures in the an diesem Abend konnte jeder stimme waren und sind nicht tet von einer fünfköpfigen Band Dark“ (1985), sowie Kristyna halbwegs der englischen Spra- jedermanns Geschmack. an Gitarren, Keyboard, Bass Miles am Gesang, einer Stra- che Mächtige tatsächlich „ver- Das Publikum war sehr durch- und Schlagzeug – mit den Songs ßenmusikerin, die de Burgh in stehen“, was der gute Mann mischt, geschätzt aber vor al- seines neuen Albums, The Manchester auf der Straße auf- dort vorne auf der Bühne sang. lem Frauen jenseits der 40, die Storyman, aber natürlich auch gefallen war – interpretierte er Statt, wie bei vergangenen sich auch nicht scheuten, dem mit einem Querschnitt durch „Raging Storm“ von seinem ak- Tourneen, selbst solo das Kon- älteren Herrn auf der Bühne – sein künstlerisches Schaffen tuellen Album. Miles kam da- 198 irland journal XVIII, 1.07 original page size : 210 x 210 mm cyan magenta yellow black irland journal / page size : 210 x 210 mm cyan magenta yellow black »musik« bei die undankbare Aufgabe zu, tische Szenario, das sowohl das früher als eine Art Fortsetzung er diesen Erfolg immer wieder den weiblichen Part in diesem Lied als auch die dazu im Hin- der traditionellen Ballade mit zu kopieren, was verkaufstech- Lied zu übernehmen, der an tergrund auf der Leinwand ab- durchaus vergleichbaren Inhal- nisch vermutlich aufging, ihn einer Stelle wie folgt lautet: „You laufenden Bilder heraufbe- ten, Shortstory-Qualitäten und künstlerisch aber deutlich gave me a life from ashes and schworen, nicht nur narrativ- wirklich aussagekräftigen und zurückwarf und ihn zu kaum dust, / From a place where hope visuell, sondern auch für die schönen Bildern betrachten, so mehr als einem Imitator seiner was dying, / The girl that you Ohren adäquat wiederzuge- produziert er jetzt in erster Li- selbst werden ließ. In Anbe- found has become a woman ben); aber auch die exzellente, nie repetitive, hollywood- tracht dessen wundert es dann now“. Im Licht de Burghs vor- rockige und gar nichts von ei- inspirierte Oberflächlichkeit auch manchmal mich nicht, ausgegangener Ansage, dass er nem Softrocker an sich hab- ohne großen Tiefgang, viel Ef- dass viele ihn in die Schlager- diese talentierte Sängerin – bei ende Version von „Don’t Pay the fekt und orchestrale Aufblä- schublade stecken. Aber so ist der er bezeichnenderweise das Ferryman“. hung, aber wenig dahinter. Wa- das wohl mit den Dienern meh- Aussehen vor der Stimme lobte Zwiespältig blieb jedoch der ren seine frühen Geschichten rerer Herren: Ein Mann der – quasi von der Straße geholt Einsatz besagter Videoleinwand eher „independent“ oder hatten überzeugende Antikriegs- und hätte, musste dieses Duett ein- bei einem Teil der Lieder. Die zumindest eigenständigen Weltuntergangsszenarien und fach als Zynismus sonderglei- darauf ablaufenden Videos/Fil- künstlerischen Wert, sind sie triefenden Liebesschmalz unter chen rüberkommen. Man me widersprachen eigentlich heute austauschbarer Main- einen Hut bringen kann, muss konnte gar nicht anders als die de Burghs Einladung an das stream. Letztlich klingen also polarisieren. gesungenen Zeilen auf Miles, Publikum, ihre Vorstellungs- wohl nicht zufällig viele der die „Gerettete“, und de Burgh, kraft einzusetzen beim Hören Stücke auf The Storyman nach den „Retter“, zu beziehen (ei- seiner (Geschichten-)Lieder. Hollywoodsoundtracks, drama- Playlist, Düsseldorf gentlich geht es in dem Lied um Gerade das aber wird verhin- tisch, doch inhaltlich leer, ein Mädchen, das aus den dert, wenn die Bilder schon vor- klischeeüberfrachtet. 1. The Storyman Theme gegeben werden! Man hätte 2. Where We Will Be Going Trümmern einer zerbombten cyan Stadt gerettet wird), und die Art sich geradezu mit Gewalt davon Fazit: Nach abendfüllendem, 3. One World und Weise, wie er sich so von abwenden müssen, um die Frei- beinahe dreistündigem Pro- 4. The Storyman ihr gesanglich anhimmeln ließ, heit der eigenen Vorstellung zu gramm verlasse ich das Konzert 5. Sailing Away war ziemlich abschreckend. wahren. Das ohnehin im Ver- mit den gleichen gemischten 6. The Traveller Hinzu kam, dass er die BBC- gleich zum Original etwas ge- Gefühlen, mit denen ich hinge- 7. Spirit magenta Straßenmusiker-Preis-Gewin- tragen vorgetragene „The fahren war. Es gab Momente, 8. The Same Sun nerin nicht ein einziges eigenes Traveller“ z. B. hätte nicht des die ich mit zu den besten zäh- 9. The Mirror of the Soul Lied spielen oder sie wenig- „Westerns“ bedurft, der gleich- len möchte, die ich je live er- 10. Raging Storm stens zur Gitarre greifen ließ … zeitig über die hintere Bühnen- lebt habe; und dann wiederum 11. A Spaceman Came Travelling So viel zum Thema Nach- wand flimmerte. solche, in denen ich am liebsten 12. Spanish Train wuchsförderung. Nun ist es aber auch so, dass die im Boden versunken wäre und 13. The Leader yellow Von da an konnte es eigentlich Geschichten des selbsternann- niemandem hätte sagen wollen, 14. Where Peaceful Waters Flow nur besser werden, und wurde ten „Storyman“ früher besser dass ich zu einem Chris-de- 15. Borderline es auch. Kaum zu glauben, aber waren – womit wir bei den Lie- Burgh-Konzert war. Nach wie 16. Leningrad de Burgh und seine Band dern des neuen Albums wären. vor scheidet der Edelbarde also 17. The Grace of a Dancer schafften es tatsächlich nach Neun von elfen gab er davon auch meinen Geist. Nach wie 18. Love of the Heart Divine black diesem Tief, sich im weiteren zum Besten, und vergleicht vor halte ich ein Album wie 19. Lady in Red Verlauf des Konzertes so weit zu man sie mit dem, was er in der Crusader (1979) für einen Mei- 20. Moonlight and Vodka steigern, dass ich im Nachhin- zweiten Hälfte der 90er bis vor lenstein der (Rock-)Musikge- 21. The Words „I Love You“ ein fast geneigt bin zu sagen, seinem letzten Album, The schichte, nach wie vor verflu- 22. Bal Masqué dass musikalisch dies in Teilen Road to Freedom (2004) – das che ich aber auch den Tag, an 23. My Father’s Eyes das Beste war, was ich bisher nach zehn Jahren Durststrecke dem „Lady in Red“ erschienen 24.