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Kontakt: Anne Niermann / Leonie Pfennig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln fon + 49 - 221 - 221 - 23491 fax + 49 - 221 - 221 - 24114 [email protected] [email protected]

INFORMATIONEN Unbeugsam und Ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979

28. Juni – 05. Oktober 2014

Pressegespräch 26.06. 2014, 11 Uhr

Eröffnung 27.06 .2014, 19 Uhr

Ort Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln www.museum-ludwig.de [email protected] Telefon: +49-221-221 26165

Öffnungszeiten Di-So (inkl. Feiertage): 10 – 18 Uhr jeden 1. Do im Monat: 10 –22 Uhr montags geschlossen

Eintritt *Während der Ausstellung von Pierre Huyghe: *Gültig für die Sammlung und alle Sonderausstellungen vom 11.04.-13.07.2014: Erwachsene: 13,00 €, ermäßigt: 8,50 €, Familien: 25,50 € Gruppen (ab 20 Personen): 9,00 €

Ab dem 14.07.2014: Gültig für die Sammlung: Erwachsene: 11,00 €, ermäßigt: 7,50 €, Familien: 22,00 € Gruppen (ab 20 Personen): 8,00 €

Schulklassen sowie die begleitenden LehrerInnen: Eintritt frei in die Sammlung. Im Sonderausstellungsbereich pro Schüler: 4,00 €

Kurator Barbara Engelbach (Museum Ludwig)

Publikation Katalog: 176 Seiten, 90 Abbildungen in Farbe und S/W, Format: 23,5 x 28 cm Autoren: Jennifer Crowley, Barbara Engelbach, Lena Fritsch, Laszlo Glozer, Shanay Jhaveri, Jasmina Merz, Andreas Prinzing und Inka Schube Snoeck Verlag Köln Buchhandelspreis: 39,80 Euro Museumspreis: 29,80 Euro Erscheinungsdatum: voraussichtlich Ende Juli

Begleitprogramm 3. Juli 2014, ab 17 Uhr Langer Donnerstag Im Fokus: Fotografie im Museum Ludwig Führungen, Fotoaktion und Filme

2. September 2014, 19 Uhr: Ishiuchi Miyako KunstBewusst Vortrag von Dr. Lena Fritsch

14. September 2014, 17.30 Uhr: Explosive „Kunst im Kontext“ Festvortrag zu 175 Jahren Fotografie von Prof. Katharina Sykora Ab 20 Uhr, Philip Glass: The Mixed Media in three parts, 1982 Kölner Philharmonie Eine Veranstaltung der KölnMusik in Kooperation mit dem Museum Ludwig

23. September 2014, 19 Uhr: Raghubir Singh KunstBewusst Vortrag von Shanay Jhaveri

30. September 2014, 19 Uhr: Essen und Düsseldorf um 1979: KunstBewusst Joachim Brohm und Thomas Ruff im Gespräch mit Dr. Barbara Engelbach

Führungen Öffentliche Führungen in deutscher Sprache sonntags um 15 Uhr am 6.7.; 20.7.; 3.08.; 17.08.; 31.8.; 14.9.; 28.9.2014

Führung des Museumdienstes

Gruppen- und Individualführungen sind über den Museumsdienst Köln buchbar unter +49-221221 27380/23468 [email protected]

Förderer Die Ausstellung wird unterstützt von der Peter und Irene Ludwig Stiftung

Kontakt: Anne Niermann / Leonie Pfennig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fon +49 (0)221 - 221 - 23491 fon +49 (0)221 - 221 - 23003 [email protected] [email protected]

Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979 Intractable and Untamed: Documentary Photography around 1979

Werkliste / List of Works

Robert Adams Geb. 1937 Our Lives and Our Children, 1981 Silbergelatine 74-teilig ML/F 2002/5/1-74

Derek Bennett 1944-1990 Aus der Serie Stille Zwiesprache. Bildnisse von Deutschen, 1978-81 Silbergelatine 20 Fotografien ML/F 1983/ 18-107

Joachim Brohm Geb. 1955 Ruhrlandschaften, 1981- 83 9 Farbfotografien ML/F 2006/54-63

David Goldblatt Geb. 1930 The Transported of KwaNolebele, 1983-84 Silbergelatine 20 Fotografien Courtesy David Goldblatt und Goodman Gallery, Johannesburg

Candida Höfer Geb. 1944 Türken in Deutschland, 1974-78 Silbergelatine 44-teilig ML/F 2013/15-58

Miyako Ishiuchi Geb. 1947 Apartment, 1978 Silbergelatine 15 Fotografien Courtesy Miyako Ishiuchi und The Third Gallery Aya, Edobori, Nishi-ku,Osaka

Sanja Iveković Geb. 1946 Triangle Silbergelatine, vierteilig ML/F 2007/3 1-4

Ute Klophaus 1940-2010 Fotodokumentation der Installation “Honigpumpe” von Joseph Beuys auf der documenta 6, Kassel 1977 Silbergelatine 19-teilig ML/F 2012/7/1-19

Karl C. Kugel Geb. 1957 Le voyage allemand, Februar bis April 1983 Silbergelatine Fotomontage von 31 Fotografien mit Kontaktabzügen ML/F 2014/ 104/1-5

Boris Mikhailov Geb. 1938 Serie von vier, 1982/83 Silbergelatine, Unikate 20 Fotografien ML/F 2007/7/1-20

Boris Mikhailov Geb. 1938 Rote Serie, 1969-1975 Farbfotografie 66-teilig Sammlung Rheingold

Gabriele und Helmut Nothhelfer Geb. 1945 und 1945 Serie Berlin, 1974-82 Silbergelatine ML/F 1985/ 19-26

Raghubir Singh 1942-1999 Calcutta, 1984-87 Farbfotografie 22 Fotografien Succession Raghubir Singh

Thomas Ruff Geb. 1958 Porträts, 1983-87 Farbfotografie 40-teilig ML/F 2007/8/1-40

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Zitierweise: Barbara Engelbach: Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979, in: Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979, Ausst.-Kat. Museum Ludwig 2014, hg. von Barbara Engelbach, Snoeck Verlag Köln 2014 (erscheint August 2014).

Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979

Roland Barthes unterschied im Jahr 1979 in seiner Schrift Die helle Kammer zwei Umgangsweisen mit der Fotografie – einerseits ihre Zähmung durch ästhetische Kategorien wie Autorschaft, Œuvre, Genre und andererseits das Zulassen ihrer ungebändigten Wirkung, die in einem „Erwachen der unbeugsamen Realität“ in der Fotografie begründet liege. Barthes ging von einer Rezeption aus, die den direkten Zugang zum fotografischen Einzelbild sucht. Dabei können Erstaunen oder Gefühle wie Trauer und Empathie unmittelbare Reaktionen sein. Barthes analysierte diese mit Blick auf das Wesen einer „ungebändigten Fotografie“. An dieses Pathos der Evidenz knüpfte Okwui Enwezor in seiner Verteidigung des Dokumentarischen 2003 an, um dessen Dringlichkeit in seiner Funktion des Beweises, der Zeugenschaft und des Erinnerns deutlich zu machen.1 Gerade weil das Dokumentarische gleichzeitig analytisch und mimetisch sei, könne es Ästhetik und Ethik in ein neues Verhältnis zueinander setzen.2 Die gewandelte Rezeption der Dokumentarfotografie in den letzten zehn Jahren und 35 Jahre nach Erscheinen von Barthes’ Essay Die helle Kammer ist Anlass genug, dokumentarische Fotografien, die um 1979 entstanden sind, erneut auf ihre politischen, ethischen und ästhetischen Bezüge zur „unbeugsamen Realität“ zu befragen.

Mit den Jahren um 1979 verbindet sich die Zeit umfassender gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen, die das Dokumentarische zu einer künstlerisch wichtigen Haltung machte. Der Historiker Eric Hobsbawm bezeichnet in seiner Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts: Das Zeitalter der Extreme die Jahre nach 1975 als die der Krise: Stellvertreterkriege und Sicherung von Einflusssphären der USA und der Sowjetunion in Lateinamerika und vielen afrikanischen Ländern; die islamische Revolution im Iran; die beginnende Destabilisierung der Sowjetunion ab 1980, die Entwicklung Chinas zu der dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt. Die Weltbankpolitik führte damals zur Schuldenkrise der sogenannten Dritten Welt. Die Macht transnationaler Wirtschaft wuchs, verstärkt durch die Revolution der Transport-, Produktions- und Kommunikationstechnologien, während die territorialen Staaten im gleichen Maße an Einfluss verloren. Künstler und Fotografen beobachteten und dokumentierten diesen globalen Wandel über längere Zeiträume in der Regel dort, wo sie lebten. Zum Teil entstanden große Fotokonvolute, jenseits des fotojournalistischen Einzelbildes oder einer anonymen Fotografie, wie sie in Archiven zu finden ist. Aus diesem Grund sollen die Fotografien nicht nur aus der Perspektive der Rezeptions-, sondern auch aus derjenigen der Produktionsästhetik betrachtet werden, die die Haltung der Künstler und Fotografen zum Dokumentarischen und so auch ihre Autorschaft in den Blick rückt. Verbindet sich mit der fotografischen Haltung ein ethnografisches Interesse, das den Wandel nur verzeichnen möchte, oder ist an sie eine Politik der Sichtbarmachung geknüpft? Die dokumentarische

1 Okwui Enwezor: „Documentary/Verité. Bio-Politics, Human Rights, and the Figure of ‚Truth‘ in Contemporary Art“, Wiederabdruck in: Maria Lind, Hito Steyerl (Hg.): The Greenroom. Reconsidering the Documentary and Contemporary Art #1, Berlin 2008, S. 62–103. 2 Ebd., S. 87. Haltung ist nicht in den Fotografien allein, sondern auch in ihrem Gebrauch zu entdecken: Wer hat die Aufnahmen gemacht, wann und wo, in wessen Auftrag, an wen sind sie adressiert, wo und wie wurden sie erstmals veröffentlicht? Und welche Möglichkeiten der Annäherung an Fotografie können in der Gegenwart bestimmt werden?

Annäherung über die Kunst der Kunstdokumentation

1979 fotografierte Ute Klophaus Beuys’ erste Retrospektive im Guggenheim Museum in New York. Beuys hatte die Objekte aus seinen raumgreifenden Installationen wie Straßenbahnhaltestelle auf der Biennale in Venedig 1976, Unschlitt bei den ersten Skulptur.Projekten in Münster 1977 und Honigpumpe auf der documenta 6, ebenfalls 1977, herausgelöst und – wie Laszlo Glozer in seiner Ausstellungsbesprechung formulierte – „die Auswahl nicht zuletzt danach (eingerichtet), wie sehr die Aktionsreste als skulpturale Körper auf sich gestellt, ihr Selbstverständnis behaupten“.3 Klophaus, die in ihrer selbstgestellten Aufgabe als fotografischer Dokumentaristin von Beuys’ Werk dem Künstler auch nach New York gefolgt war, machte diese künstlerische Wendung in ihren grobkörnigen Fotografien sichtbar. Sie betonte die skulpturale Qualität der Objekte von Beuys. Zwei Jahre zuvor hatte sie den Aufbau der Honigpumpe am Arbeitsplatz im Treppenhaus des Fridericianums in Kassel fotografiert. Die Aufnahmen zeigen die annähernd abgeschlossene Installation. Beuys’ letzte Handgriffe verdichtet Klophaus in ihren Fotografien zu sprechenden Gesten, wenn sie zeigt, wie der Künstler Honig in das kupferne Sammelbecken gießt, Margarine auffüllt oder Schläuche unter der Decke montiert. Auf einer Aufnahme ist erkennbar, dass Klophaus nicht die einzige Fotografin vor Ort war. Aber im Unterschied zu anderen Fotodokumentationen der Arbeit gibt ihre die Komplexität der räumlichen Situation wieder. Die von ihr gewählten Perspektiven nach unten in den Maschinenraum oder nach oben unter die Glasdecke machen deutlich, wie mit Schläuchen, Halterungen und durchbohrter Wand der Raum in der Vertikalen und Horizontalen verspannt war. Ihr Interesse an den räumlichen Bezügen von Oben/Unten, Innen/Außen, ihre fotografische Kontrastierung von Materiallastigkeit und konstruktiver Abstraktion schälen die räumlich-skulpturale Qualität der Installation jenseits ihrer Symbolhaftigkeit heraus – eine Lesart, die Laszlo Glozer in seiner Besprechung der Arbeit gleichermaßen verfolgt.4 Glozers kunsthistorische und kunstkritische Befragung und Klophaus’ bildliche Reflexion der Beuysschen Werke zwischen Prozesshaftigkeit und Autonomie bilden in diesem Sinne ein textlich-bildliches Korrelat. Beide beziehen sich auf Beuys’ Werke zum Zeitpunkt ihrer Herstellung und ersten Präsentation. Ihre Interpretation geht weder in bloßer Zeitgenossenschaft auf noch fällt sie mit dem Zeitgeist zusammen, sondern sie vermittelt einen ausgebildeten Blick, der Text wie Fotografien zum bedeutenden Dokument macht.

Ist die Autorschaft des Kunstkritikers unbestritten, so spielt diejenige der Fotografin eine nachgeordnete Rolle; ihre Autorschaft geht geradezu in der Autorschaft der abgebildeten

3 Laszlo Glozer: „Das Rudel in der Spirale. Zur New Yorker Beuys-Ausstellung“, Süddeutsche Zeitung, 272, 24./25. November 1979, S. 131. 4 Laszlo Glozer: „Honigpumpe am Arbeitsplatz. Joseph Beuys’ Plastik auf der documenta 6, photographiert von Ute Klophaus“, Süddeutsche Zeitung, 220, 24./25. September 1977, S. 99. Werke auf.5 Das ist damit zu vergleichen, wie im Fotojournalismus die Einzelfotografie in den Dienst der Berichterstattung gestellt ist. Der Fotograf tritt in der Rolle des Bezeugenden auf. Hingegen befreite ’ Formulierung des „dokumentarischen Stils“ 1971 die Fotografie aus der Selbstbezüglichkeit, dass sie dokumentiere, weil sie abbilde. Indem Evans einen persönlichen Stil der Dokumentation für wichtig hält, verknüpft er das technische Medium mit dem Individuum, das es handhabt.6 Klaus Honnef zog 1979 einen Vergleich mit dem Autorenfilm; dessen Personalunion von Drehbuchautor und Regisseur vermittelten eine „persönliche Handschrift“ und „subjektive Weltsicht“.7 Entsprechend werde die Autorenfotografie durch die „bestimmte Haltung zur Wirklichkeit“ definiert, die die individuelle Sichtweise kennzeichne, verbunden mit einem Selbstauftrag, der mit einer konzeptionellen Rahmung vergleichbar sei.8 Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Film – denn die überzeugendste theoretische Fundierung des Dokumentarischen wird noch immer auf diesem Feld geleistet9 – wollte Honnef eine dem technischen Medium angemessene Argumentation jenseits der Bildenden Kunst entwickeln.10 Wie aber Rosalind Krauss 1982 als Resultat der auch in den USA ähnlich geführten Debatte11 überzeugend darlegte, musste die Betonung der Autorschaft im Sinne eines individuellen „dokumentarischen Stils“ und der Nachweis eines kohärenten Œuvres „als Resultat einer ununterbrochenen Absicht“12 die Dokumentarfotografie aus dem diskursiven Raum ihrer Inanspruchnahme – etwa der Geologie, Ethnografie oder Architektur – in den der Ästhetik verschieben. Doch das hat Folgen: Der ästhetische Diskurs löst die Fotografien aus ihrem gesellschaftshistorischen Kontext und macht mit seinen immanenten Kategorien von Künstlername und Œuvre die Fotografien dem Kunstmarkt zuträglich.13 Abigail Solomon-

5 Juristisch gesehen haben Fotografin und Künstler gleichermaßen ein Recht an der Fotografie, die eine als Urheberin der Fotografie, der andere als Urheber des abgebildeten Werkes, so dass bei Verwertung der Fotografie die Zustimmung des jeweilig anderen eingeholt werden muss. Ein Rechtsstreit zwischen dem Joseph Beuys Estate und dem Schloss Moyland entzündete sich an der Fotodokumentation einer Beuys-Aktion von 1964. Dem Vorwurf des Joseph Beuys Estate, die Fotografien veränderten das Werk, widersprach der Bundesgerichtshof 2014: Da es keine ausreichende Dokumentation der Aktion gebe, könne der Grad der Veränderung nicht festgestellt werden. 6 Leslie Katz: „Interview with Walker Evans“, Art in America, 59, March/April 1971, S. 87. Zur Transparenz der Fotografie: Herta Wolf: „‚Ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache‘ (Ludwig Wittgenstein) – und eine Fotografie in einer Fotografiensprache“, in: Julian Nida Rümelin und Jakob Steinbrenner (Hg.): Kunst und Philosophie. Fotografie zwischen Inszenierung und Dokumentation, Ostfildern 2012, S. 55–80. Vgl. auch: Martina Dobbe: „Transparenz. Unbestimmte Bestimmtheit und bestimmte Unbestimmtheit der Fotografie“, in: dies.: Fotografie als theoretisches Objekt. Bildwissenschaft, Medienästhetik, Kunstgeschichte, München 2007, S. 211–230. 7 Klaus Honnef: „Es kommt der Autorenfotograf. Materialien und Gedanken zu einer neuen Ansicht über die Fotografie“, in: In Deutschland, Ausst.-Kat. Rheinisches Landesmuseum Bonn 1979, S. 8–33. 8 Ebd., S. 22 und 26. 9 Vgl. Eva Hohenberger: Bilder des Wirklichen. Texte zur Theorie des Dokumentarfilms, Berlin 1998. 10 Klaus Honnef: Autorenfotograf (Anm. 7), S. 10. 11 Vgl. Susan Sontag: „Fotografische Evangelien“, in: dies.: Über Fotografie, Deutsch von Mark W. Rien und Gertrud Baruch, München, Wien 1978, S. 107–140. 12 Rosalind Krauss: „Die diskursiven Räume der Photographie“, in: dies.: Das Photographische. Eine Theorie der Abstände, Deutsch von Henning Schmidgen, München 1998, S. 52. 13 Vgl. Allan Sekula: „Dismantling Modernism, Reinventing Documentary (Notes on The Politics of Representation)“, The Massachusetts Review, 19, 4, Winter 1978, S. 231–338. Gekürzte Übersetzung: „Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation“, in: Hubertus von Amelunxen (Hg.): Theorie der Fotografie, IV, 1980–1995, München 2000, S. 120–128. Reinhard Matz: „Gegen einen naiven Begriff der Dokumentarfotografie (1981)“, ebd., S. 94–105. Kritisches Vorbild für Sekulas Ausgangsüberlegungen ist , 1962 bis 1991 Fotokurator am Museum of Modern Art, New York. Godeaus pointierte Frage „Wer spricht so?“ lenkt die Aufmerksamkeit auf die Autorschaft als Sprechort, so dass wieder der historische Bezugsrahmen der Entstehung einer Fotografie in den Blick rückt. Damit sind auch die Arbeitsbedingungen, die institutionelle Einbindung, die Auftraggeber wie auch die unterschiedlichen Rezeptionsrahmen der Fotografien und Repräsentationssysteme wieder historisch einzuordnen.14

Um 1979: Gesellschaftliche Umbrüche und Autorschaft

David Goldblatt gehört zu den Fotografen, die ihre eigene Arbeit von Anfang an kritisch reflektieren. Davon zeugt nicht zuletzt sein 1989 erschienenes Fotobuch The Transported. A South African Odyssey. Im Rahmen der „Second Carnegie Inquiry into Poverty and Development in Southern Africa“ 1983 hatte Goldblatt auf Einladung des Fotografen und politischen Aktivisten Omar Badsha den Auftrag übernommen, den bis zu achtstündigen Arbeitsweg vieler Menschen von KwaNdebele in das 130 Kilometer entfernte Pretoria als eine der Auswirkungen der Apartheid zu dokumentieren.15 Die erzwungenen Umsiedlungen von Schwarzen in sogenannte Homelands bedeutete neben dem Verlust ihrer Wohnungen und Häuser sowie dem Umzug in provisorische Behausungen ohne Elektrizität und Wasserversorgung auch die Notwendigkeit, große Anstrengungen zu unternehmen, um an den Arbeitsplatz zu gelangen. In 19 Schwarz-Weiß-Fotografien, die mit kurzen Erläuterungen versehen sind, wird der Hinweg per Bus um 2.40 Uhr in der Nacht bis um 5.40 Uhr am frühen Morgen in Pretoria – von wo aus die Pendler weitere, bis zu einstündige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln vor sich hatten – und der Rückweg mit der nächtlichen Ankunft um 21.30 Uhr in KwaNdebele gezeigt. In seinem Vorwort zum Fotobuch erläutert Goldblatt den Entstehungskontext der Fotoserie. Er ergänzte das Buch um von Brenda Goldblatt geführte Interviews mit Pendlern, einen Essay von Phillip van Niekerk zur Geschichte und aktuellen Situation des Apartheidregimes sowie um ein Glossar und um Karten der Busrouten. Die Fotografien vermitteln zusammen mit diesen umfangreichen Informationen einen eindringlichen aufklärerischen Appell. Das Fotobuch erschien zu einem Zeitpunkt, als es in den politischen Entwicklungen erste Anzeichen auf ein mögliches Ende des Apartheidregimes gab, das 1990 endlich erreicht war.16 Die südafrikanische Dokumentarfotografie hatte für diese Entwicklung eine nicht unwesentliche Bedeutung. So stellte sich das 1982 von Omar Badsha und Paul Weinberg gegründete Fotokollektiv Afrapix ausdrücklich in den Dienst des Kampfes gegen Apartheid. Ihre im Ausstellungskatalog zur „Second Carnegie Inquiry“

14 Abigail Solomon-Godeau: „Wer spricht so? Einige Fragen zur Dokumentarfotografie“, in: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Frankfurt/M. 2003, S. 53–74. 15 Neben David Goldblatt waren 19 weitere Fotografen eingeladen. Eine Ausstellung ihrer Fotografien wurde zwischen 1984 und 1987 in verschiedenen Städten in Südafrika, den USA und Europa gezeigt. Auszüge aus den Untersuchungen der „Carnegie Inquiry“ zu den gravierenden Folgen der Apartheid sind in dem Katalog zur Ausstellung zusammen mit einer Auswahl der Fotografien abgedruckt: Omar Badsha (Hg.): Southern Africa. The Cordoned Heart. Twenty South African , Ausst.-Kat. South African Photographic Gallery Series 3, Cape Town 1986. 16 Rory Bester hebt insbesondere zwei Ereignisse hervor: Die Gründung der United Democratic Front (UDF) 1983, einer Allianz unterschiedlicher Antiapartheidorganisationen, und die Abschaffung des Influx Control Act am 1. Juli 1986. Rory Bester: „City and Citizenship“, in: Okwui Enwezor (Hg.): The Short Century. Independence and Liberation Movements in Africa 1945–1994, Ausst.-Kat. Museum Villa Stuck, München, München 2001, S. 223. publizierten Fotografien verhalfen als bildliche Belege für die Untersuchungsergebnisse dem Projekt zu einer zusätzlichen Öffentlichkeit.17 David Goldblatt gehörte zwar keiner Fotogruppe an. Aber seine Fotografien zeigen seit den 1960er Jahren die Lebens- und Arbeitsbedingungen unter der Apartheid an Beispielen von schwarzen Minenarbeitern, von weißen Bewohnern der Ortschaft Boksburg oder von Architekturlandschaften, die die Gewalt der Segregation erkennen lassen. Während sich Afrapix 1992 nach dem Ende des Apartheidregimes auflöste, dokumentiert Goldblatt mit seiner Arbeit nach wie vor die gesellschaftlichen Veränderungen und die noch immer deutlichen Spuren der Geschichte. Wie er rückblickend in einem Interview erläutert, ist für seine erkennbar ethische, fotografische Haltung Distanz notwendig: „I said that photographers shouldn’t confuse their response to politics of the country with their role as photographers. The latter demanded a degree of dispassion. They should not deliberately seek to be positive or , but should attempt to convey the reality of things, with all its attendant complexity, as well as they could.”18 Diese fotografische Haltung vergleicht Rory Bester mit der eines Übersetzers, der mit seinem Wunsch, möglichst nahe am Original zu bleiben, nur scheitern kann, da das Original in einer anderen Sprache abgefasst ist.19 Entsprechend müsse sich der Fotograf bewusst sein, dass seine Aufnahme nur ein Echo auf die Realität sein könne – eine Metapher, die Bester von Walter Benjamin aufgreift.20 Aber anders als der Übersetzer, der von außen in das Innere des „Bergwaldes“ der anderen Sprache hineinrufen kann, ist der Fotograf Teil der Situation. Die Fotografie dennoch als eine Übertragung (Übersetzung) der Wirklichkeit zu verstehen, bedeutet, eine selbstreflexive Haltung und Distanz zu seiner Tätigkeit einzunehmen.21 Im Kontext dieser Publikation markiert Goldblatts fotografische Arbeit die besondere Verantwortung des Fotografen. Da die Fotografie eine Übersetzung der Realität sei, sei es erforderlich, die Aufnahmen mit Erläuterungen zu ergänzen.22

Robert Adams vertritt in dieser Hinsicht eine andere Position. Seine Landschaftsfotografien, die im Stile erhabener Naturlandschaften aufgenommen sind, aber zugleich zivilisatorische Eingriffe oder Auswirkungen klimatischer Veränderungen erkennen lassen, sind nur mit der

17 Über 300 Forscher stellten ihre Ergebnisse in einer Konferenz vor, die in Uprooting Poverty: The South African Challenge veröffentlicht wurden. Online unter http://www.columbia.edu/cu/lweb/digital/collections/oral_hist/carnegie/special-features/second-inquiry- poverty.html (letzter Zugriff am 12.06.2014). 18 Zit. nach: Okwui Enwezor: „Rise and Fall of Apartheid“, in: ders. und Rory Bester (Hg.): Rise and Fall of Apartheid. Photography and the Bureaucracy of Everday Life, Ausst.-Kat. International Center of Photography, New York, München 2012, S. 31. 19 Rory Bester: „The Politics and Aesthetics of the Fall of Apartheid. Or the Translatability of Witnessing“, ebd., S. 517. 20 „Die Übersetzung aber sieht sich nicht wie die Dichtung gleichsam im innern Bergwald der Sprache selbst, sondern außerhalb desselben, ihm gegenüber und ohne ihn zu betreten ruft sie das Original hinein, an demjenigen einzigen Orte hinein, wo jeweils das Echo in der eigenen den Widerhall eines Werkes der fremden Sprache zu geben vermag.“ Walter Benjamin: „Die Aufgabe des Übersetzers“, in: ders.: Illuminationen, Frankfurt/M. 1994, S. 50–62, hier S. 57. 21 Wie Besters weitere Ausführungen deutlich machen, ist diese reflektierende Distanz auch für jeden weiteren Umgang mit Dokumentarfotografie in Publikationen und Ausstellungen entscheidend: In welcher Institution oder welchem Verlag zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise werden welche Fotografien öffentlich gemacht? Er untersucht dies in seinem Artikel anhand von Einzelausstellungen der Fotografen Gideon Mendel (1989), Steve Hilton-Barber (1990), Ken Oosterbroek und Roger Ballen (beide 1994). Vgl. Rory Bester: „The Politics“ (Anm. 19). 22 Für die Präsentation der Fotografien von The Transported im Museum Ludwig legte Goldblatt zudem fest, dass sie unverglast in einer nicht durch Durchgänge oder Fenster unterbrochenen Reihe installiert würden. Ortsangabe gekennzeichnet. Die manchmal nur bei genauerer Betrachtung zu lesenden Spuren und deren sozioökonomischer Zusammenhang sind nicht erläutert. Zwar leitet sich ein Erkenntniswert vom Kontrast der großen Landschaft zu den Spuren ihrer Zerstörung ab, ohne dass die Fotografien in das Pittoreske einer Ruinenlandschaft verfallen, aber die fehlenden Erklärungen machen doch deutlich, dass Adams’ Fotografien Anspruch auf ästhetische Gültigkeit jenseits politischer Ereignisse erheben. Dies gilt auch für seine 1983 publizierte Fotoserie Our Lives and Our Children. Taken Near the Rocky Flats Nuclear Weapons Plant, die schon im Titel einen universalistischen und existenziellen Impetus vermittelt. Adams dokumentiert in der Serie nicht die über den Titel nahegelegte nukleare Verseuchung des Lebensumfelds einer weißen Mittelschicht, er versucht vielmehr für eine potenzielle unsichtbare Bedrohung Bilder zu finden. Nach dem Reaktorunfall in Harrisburg 1979 entstanden in den USA einige Fotodokumentationen zum gleichen Thema. Sie zeigen Porträts von Betroffenen, die durch Interviews ergänzt sind, oder stellen in den Fotografien Wohnhäuser den Kühltürmen der Reaktoranlagen gegenüber.23 Adams hingegen entschied sich für eine besondere formale Lösung, die das Konvolut von seinem restlichen Werk unterscheidet. Zum einen nahm er ausschließlich Menschen auf, und zwar an Orten, die von anonymen Architekturen bestimmt sind, etwa auf Parkplätzen vor Einkaufszentren. Darüber hinaus fotografierte er sie unbeobachtet mit einer „sucherlosen, zonenfokussierten und versteckt in Bauchhöhe gehaltenen Hasselblad Superwide-Kamera“.24 Damit wird die Perspektive vom Fotografen, der sich in einem bestimmten Moment für einen Ausschnitt der Wirklichkeit entscheidet, welche im Sucher zu sehen ist, auf die Apparatur verschoben. Beim Schnappschuss soll der entscheidende Moment des Ereignisses mit der Aufnahme zusammenfallen. Wird dieser Moment in der Reportagefotografie nach Henri Cartier-Bresson jedoch mit einer bestimmten wirkungsvollen Komposition eingefangen,25 so verstößt die hier verfolgte Schnappschussästhetik gegen alle formalen Festlegungen dessen, was eine gelungene Fotografie ausmacht, indem schiefe Horizonte, angeschnittene Objekte, Unschärfen oder absichtlich falsche Belichtungen zugelassen sind.26 Dieses Verfahren des entschiedenen Regelverstoßes lenkt ebenfalls die Aufmerksamkeit auf die Autorschaft. Hingegen zeugen die meisten Fotografien aus Our Lives and Our Children von einer so deutlichen formalästhetischen Unbestimmtheit, dass von einem anonymisierenden Verfahren gesprochen werden kann.27 Der Fotograf Adams distanziert sich von seinem Sujet und schafft auf diese Weise Bilder der Entfremdung, die er über den Titel der Arbeit und seinen einleitenden Text auf den existenziellen Konflikt einer durch nicht kontrollierbare Nukleartechnologie bedrohten familiären Gemeinschaft projiziert. Diese wird als universale, nicht gesellschaftshistorische Größe verstanden, so dass auch die nukleare Bedrohung als naturhafte erscheint, die unbeeinflussbar ist. Es ist zu fragen, ob das Fotokonvolut nicht im Kontext seiner Entstehungszeit begriffen werden muss: Das erneute Aufflammen des Kalten

23 Beispiele in Abigail Solomon-Godeau: „Our Lives and Our Children. Photographs Taken Near the Rocky Flats Nuclear Weapons Plant“, , 22, 3, Fall 1984, S. 53–56, hier S. 55. 24 Andreas Prinzing: „Robert Adams“, im vorliegenden Katalog, S. QQ. 25 Henri Cartier-Bresson: „Der entscheidende Augenblick“, in: Wolfgang Kemp (Hg.): Theorie der Fotografie, III, 1945–1980, München 2006, S. 78–82. 26 Vgl. Pia Neumann: „Metaphern des Mißlingens. Amerikanische Dokumentarfotografie der sechziger und siebziger Jahre zwischen Konzeptkunst und Gesellschaftskritik“, Frankfurt/M. 1995. 27 Vgl. die ausführliche formale Analyse der Fotografien in Abigail Solomon-Godeau: „Our Lives“ (Anm. 23), S. 54f. Krieges, ausgelöst vom Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan 1979, wurde mit einem großen Aufrüstungsprogramm beantwortet – ein zusätzliches Bedrohungsszenario, dem das Ideal der amerikanischen Familie mit der beginnenden Amtszeit von Ronald Reagan 1981 als zu schützender Ort der Liebe und Fürsorge entgegengesetzt wurde.

Boris Mikhailov fotografierte keine spezifischen Ereignisse, sondern seit Ende der 1960er Jahre kontinuierlich sein eigenes Lebensumfeld im ukrainischen, damals sowjetischen Charkow. Die Fotografien fasste er zu großen Serien zusammen. In der Roten Serie mit 66 Fotografien aus dem Zeitraum von 1969 bis 1975 hält er z.B. öffentliche Kundgebungen, Sportveranstaltungen, Aufmärsche ebenso fest, wie Passanten auf der Straße oder private Freizeitvergnügungen. Die Farbe Rot taucht als markantes Element auf den meisten Aufnahmen auf, ob in der Fahne der Sowjetunion, an einem Kleidungsstück oder auf einer Straßenbahn, so dass die Gleichwertigkeit des Öffentlichen und des Privaten betont wird. Was als ironischer Kommentar des Fotografen gelesen werden kann, wenn rote Socken oder Akne eines jungen Mannes neben roten Fahnen bei Kundgebungen zu sehen sind, distanziert ihn jedoch nicht vom Sujet. Er wird vielmehr in den Fotografien als Teil der Situation erkennbar, wenn seine Gegenüber z.B. für ihn posieren und in die Kamera lächeln. Die Gleichzeitigkeit des vermeintlich Heroischen, Tragischen und Lächerlichen vermittelt seine Anteilnahme. Nach Helen Petrovsky sind die Fotografien von Mikhailov ein Zeitdokument der Endphase der Sowjetunion, die durch Stagnation in wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Hinsicht gekennzeichnet war.28 Dies gilt besonders für seine Serie von vier, die 1982/83 entsteht. Nun zerfällt das Öffentliche und Private in zwei getrennte Sphären.29 Der öffentliche Raum zeigt menschenleere Brachen, anonyme Wohnblöcke und Industrieflächen. Im privaten Umfeld sind es Wohnräume oder Badevergnügungen mit Freunden. Musste Mikhailov aus Papiermangel jeweils vier Negative auf einem Fotopapier abziehen, so wendete er dieses formale Detail in eine Anspielung auf die Fotografien der russischen Avantgarde, die, um die Gesellschaft in kumulativen Porträts adäquat abzubilden, programmatisch die Fotoserie der Einzelfotografie vorzog. Die in jeweils eigenen Perspektiven abgebildeten und vierfach wiederholten Treppenaufgänge, Gitter, Schienen oder Autos werden in Mikhailovs Fotografien zu abstrakten Strukturen einer konstruktivistischen Komposition. Allerdings konterkarieren die Motive die utopische Vision aus den Anfängen der Sowjetunion. Und auch der Verzicht auf Farbe erscheint in der Serie als bewusste Entscheidung, wie Mikhailovs Notizen aus dieser Zeit zu entnehmen ist: „Neues Fotografieren (künstlerisches) heißt, so zu fotografieren, dass ein Foto, bevor es überhaupt entstanden ist, sogleich irgendwie – alt, irgendwie – schon bekannt, irgendwie – bereits gesehen wirkt. (…) Die Rückkehr zum Begriff ‚grau‘ als grundlegendes Arbeitsfeld des Autors.“30 Im Grau zeigt sich das Lebensumfeld als unaufhörlich Veraltetes und verdichtet sich „eine Zeit, die vergeht, als wäre

28 Helen Petrovsky: „Verloren in der Zeit. Boris Mikhailovs Studien des Sowjetischen“, in: Inka Schube (Hg.): Boris Mikhailov. Bücher, Ausst.-Kat. Sprengel Museum Hannover, Köln 2013, S. 143–156, hier S. 145. 29 Zum Verhältnis von Privat und Öffentlich siehe auch die Arbeit Triangle von Sanja Iveković aus dem Jahr 1979. Vgl. auch Bojana Pejić: „Public Cuts“, in: Sanja Ivecović. Public Cuts, Ausst.-Kat. P74 Center and Gallery, Ljubljana 2006, S. 5–26. 30 Boris Mikhailov: Unvollendete Dissertation, Zürich 1998, S. 102 und 104. sie vollendet“.31 Die Fotografien zeigen „die Einzigartigkeit des Gewöhnlichen,“32 in der das Grau alle Gegensätze wie auch den Gegensatz zwischen Gestern und Morgen nivelliert.

Mikhailovs Serie von vier gibt eine gesellschaftshistorische Verkapselung aus der Perspektive desjenigen wieder, der sie erlebt hat. Miyako Ishiuchi suchte mit ihren ersten Fotoprojekten Orte auf, die sie mit ihrer Jugendzeit verbanden: Yokosuka in der Nähe von Tokio, einer Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein Militärstützpunkt der Amerikaner war (Yokosuka Story, 1977); Viertel in Tokio, die von kleinen Apartmenthäusern geprägt waren, welche nach dem Krieg für die in die Stadt drängende Landbevölkerung schnell errichtet worden sind. In einer ähnlichen Wohnung in Yokosuka war Ishiuchi mit ihrer Familie beengt und in Armut aufgewachsen (APARTMENT, 1978). Und sie zeigte Viertel, die vom Rotlichtmilieu bestimmt waren und die Ishiuchi in Yokosuka als Halbwüchsige als bedrohlich und prägend erlebt hatte (Endless Night, 1981). Mit einem retrospektiven Blick wollte sich Ishiuchi an diesen Orten ihren Erinnerungen stellen und Bilder für sie finden.33 Gleichwohl dokumentieren ihre dunklen, grobkörnigen Abzüge, die mit den materialen Spuren der Bewohner und des Verfalls der Gebäude korrespondieren, auch einen städtebaulichen Umbruch. Ishiuchi fotografierte die kleinen Apartmenthäuser zu einem Zeitpunkt, als sie abgerissen werden sollten, um Platz für hochwertigere Apartmentblocks für eine durch den wirtschaftlichen Aufschwung in Japan zum Wohlstand gekommene Mittelschicht zu schaffen.34

Auch Raghubir Singh kehrte über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder nach Kalkutta zurück, aber nicht um seine persönliche Sichtweise auf die bengalische Hauptstadt einzufangen, sondern um fotografisch ihr komplexes und vielschichtiges Porträt zu erstellen. Aufgewachsen in Jaipur, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Rajasthan, besuchte er Kalkutta 1975 das erste Mal, bevor er seinen Lebensmittelpunkt nach Hongkong und Paris verlegte, später wohnte er in London, dann in New York. Kalkutta war für Singh eine offene und kosmopolitische Stadt, die ihren Status nicht zuletzt der Bengalischen Renaissance im 19. Jahrhundert verdankte, als, noch unter der britischen Kolonialmacht, eine westlich gebildete, bengalische Mittelschicht wichtige Reformen in Religion, Politik und Wirtschaft durchführte und sich die Literatur unter dem Einfluss des Dichters und Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore erneuerte. Ihm und den Intellektuellen Kalkuttas wie z.B. dem von ihm verehrten Filmemacher Satyajit Ray oder dem Dichter Mihir Mitra widmet Singh Fotografien. Darüber hinaus zeigt er die Facetten des alltäglichen Treibens auf der Straße ebenso wie private Zusammenkünfte; er dokumentiert religiöse Feiern zu Ehren der Schutzgöttin Kalkuttas, Kali, oder während des für die Stadt bedeutenden Durga-Festes ebenso wie die alljährlichen Huldigungen des umstrittenen Nationalhelden Subhas Chandra Bose. Vor allem in seinen Straßenansichten verdichtet Singh die vielfachen Eindrücke in farblich und kompositorisch beeindruckenden Fotografien. Häufig entscheidet er sich für eine starke Ausschnitthaftigkeit, mit der er unterschiedliche Raumschichten zusammenfasst, so dass gleichzeitig Werbeschilder, ein besonderer Moment auf den belebten Straßen und – gerahmt von einer

31 Helen Petrovsky: „Verloren in der Zeit“ (Anm. 28), S. 152 32 Ebd., S. 152. 33 Vgl. Lena Fritsch: „Miyako Ishiuchi“, im vorliegenden Katalog, S. QQ. 34 Sandra S. Phillips: „Between Substance and Essence. The Art of Ishiuchi Miyako“, in: Ishiuchi Miyako. Mother’s 2000–2005. Traces of the Future, Ausst.-Kat. Biennale Venedig, Japanischer Pavillon, Kyoto 2005, S. 128–130. Fenstertür – das Denkmal Boses festgehalten sind. Auf anderen Fotografien sieht man in scharfem Kontrast das Nebeneinander von Rikschafahrer und Filmplakaten Bollywoods, von ärmlicher Behausung eines Kunsthandwerkers, vor der die von ihm gefertigten Statuen in glänzendem Rot und Hellblau stehen. Mit Hilfe der Farbigkeit, die für Singh kennzeichnend für Geografie und Kultur Indiens ist,35 wird die Aufmerksamkeit des Betrachters im Sinne eines „demokratischen Auges“36 gleichmäßig auf das ganze Bild verteilt, so dass Vorder- und Hintergrund häufig auf einer Ebene erscheinen, wie auch die unterschiedlichen historischen Zeitschichten in der Fotografie gleichermaßen vergegenwärtigt sind. Singhs Fotografien sind die Hommage eines Kosmopoliten an eine kosmopolitische Stadt und kein ethnografisches oder soziologisches Verzeichnen eines beobachteten Wandels.

Um 1979 in der Bundesrepublik

Aus dem Impuls eines ethnografischen und soziologischen Interesses heraus erfuhr insbesondere das Ruhrgebiet um 1979 gleichsam eine fotografische Kartierung des Alltaglebens. In diesem Kontext wurde z.B. das Ausstellungsprojekt Wie lebt man im Ruhrgebiet. Bewohner fotografierten – Bilder von Amateuren und Profis 1981 im Museum Folkwang Essen organisiert, das die Ergebnisse eines breiten Aufrufes an die Bewohner des Ruhrgebietes vorstellte. Begleitet wurde das Projekt von einem interdisziplinären Seminar von Sozialhistorikern und Fotografen, in dessen Rahmen auch Fotoreihen von Studenten zum Thema entstanden.37 Zu dieser Zeit erfuhr das Ruhrgebiet einen umfassenden Wandel. Das „Modell Deutschland“ der Regierung Helmut Schmidt sollte eine angemessene Antwort auf die von den beiden Ölkrisen 1973 und 1980/81 begleitete Wirtschaftskrise und strukturelle Arbeitslosigkeit sein, der man unter anderem mit der „Strategie des aktiven Strukturwandels“38 zu begegnen suchte und in diesem Zusammenhang im Ruhrgebiet die Schwerindustrie abzubauen begann. Auch Joachim Brohm hatte an dem Ausstellungsprojekt noch als Student der Folkwangschule Essen teilgenommen und damals seine Serie Ruhrlandschaften begonnen. Einige seiner Fotografien sind sowohl im Katalog zur Ausstellung als auch in dem Nachfolgeprojekt Endlich so wie überall? Bilder und Texte aus dem Ruhrgebiet39 abgedruckt. Von anderen Aufnahmen des Ruhrgebiets, die sich zum Teil den gleichen Themen widmen, unterscheiden sich Brohms Farbfotografien deutlich. Häufig

35 Raghubir Singh: „River of Colour. An Indian View“, in: ders.: River of Colour, London 1998, S. 9. 36 Raghubir Singh, zit. nach Gayatri Sinha: „Pursuit of Dreams. Contemporary Contexts in Photography and Video Art“, in: India. Public Places Private Spaces, Ausst.-Kat. The Newark Museum, Newark 2007, S. 21. Die Formulierung vom „demokratischen“ Blick verwendete auch William Eggleston, der aber das Nebeneinander von Nebensächlichem und Alltäglichem meinte, das er in intensiver Farbigkeit abbildete, um auf diese Weise vom Sujet zu abstrahieren und die Aufmerksamkeit auf die Farbe selbst zu lenken. Westliche, durch Werbung geprägte Sehgewohnheiten sollten auf diese Weise unterlaufen werden. 37 Laut Ute Eskildsen, die das Projekt betreute, war sein Ausgangspunkt die Integration der Folkwangschule für Gestaltung in die Gesamthochschule Essen 1972. Vgl. Ute Eskildsen: „Zur Ausstellung“, in: dies. (Hg.): Wie lebt man im Ruhrgebiet. Bewohner fotografierten – Bilder von Amateuren und Profis, Ausst.-Kat. Museum Folkwang, Stadtsparkasse Oberhausen, Städtisches Museum Mühlhausen, Essen 1981, S. 4f. 38 Wolfgang Fech: „Das Modell Deutschland und seine Krise (1974–1989)“, in: Roland Roth, Dieter Rucht (Hg.), Die Sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Frankfurt/M., New York 2008, S. 93– 108. 39 Ute Eskildsen, Ulrich Borsdorf (Hg.): Endlich so wie überall? Bilder und Texte aus dem Ruhrgebiet, Essen 1987 (Schriftenreihe der Kulturstiftung Ruhr, 3). aus großer Distanz aufgenommen, zeigen sie einen weiten Blick in eine Kulturlandschaft, die im gewählten Ausschnitt entleert ist, so dass die verbleibenden Details bedeutsam werden. Dazu gehört auch, wie die Menschen sich in den ehemals industriell genutzten und nun zum neuen Gebrauch freigewordenen Landschaften eingerichtet haben. Brohm begibt sich bei seiner Arbeit nicht in die Rolle des Ethnologen, der die eigene Teilhabe zu reflektieren und in die Untersuchung einzubeziehen sucht.40 Auf diese Weise könnte etwa die Autorschaft von Karl C. Kugel in seiner Fotoserie Le Voyage allemand beschrieben werden.41 Mit der distanzierten Sprache des Soziologen erklärt Brohm sein Interesse an den „organisierten Angeboten zur Bewältigung der zunehmenden ‚freien Zeit‘“ und für „die ästhetische Erscheinung von Freizeitkultur“.42 Er rückt dabei nicht um einer vermeintlichen Objektivität willen vom Gegenstand ab, vielmehr um das (ästhetisch) Unbestimmte der Zwischenstädte und der ehemaligen Industrielandschaften sichtbar werden zu lassen.

Auch Candida Höfers Serie Türken in Deutschland, die zwischen 1974 und 1978 entstand, kann in diesem Kontext einer allgemeinen fotografischen Verzeichnung des Alltagslebens gesehen werden. So sind in dem oben erwähnten Ausstellungsprojekt Endlich so wie überall? auch Brigitte Kraemers Fotografien von türkischen Einwanderern und polnischen Spätaussiedlern publiziert. Sie zeigen Momente des Zusammenlebens im privaten Umfeld. Auffällig ist, dass ihre Aufnahmen der türkischen Familien orientalistischen Stereotypen folgen, wenn sie im Wohnzimmer auf Sofas und auf dem Boden lagern wie auf Gemälden des 19. Jahrhunderts. Die polnischen Spätaussiedler sind wiederum in ausdrucksstarkem Austausch miteinander fotografiert. Auch Henning Christoph, der bereits in den späten 1960er Jahren an der Folkwangschule bei Otto Steinert studierte (nachdem er bereits in Maryland ein Studium der Ethnologie und Journalistik absolviert hatte), hielt das Leben türkischer Migranten in der großen Serie Türken im Ruhrgebiet fest. Im Stile von Cartier-Bresson dokumentierte er vor allem Feste zu Hochzeiten, Beschneidungen, Koranschulen oder die Präsenz der Grauen Wölfe im Ruhrgebiet. Höfer hingegen vermeidet die Authentizitätseffekte der Momentaufnahme. Vielmehr fotografiert sie türkische Migranten dort, wo sie sie in den Großstädten antrifft: Im öffentlichen Raum auf der Straße, in Parks, in ihren Geschäften und Restaurants, später nach dem Kennenlernen einzelner Familien auch in deren Wohnzimmern, wo sie sie porträtiert. Höfer dokumentiert mit ihrer Serie also auch ihre schrittweise Annäherung – immer im Bewusstsein dessen, dass sie als Fotografin Teil des Bildes ist.43

Wie kann mit Hilfe der Fotografie ein Gesellschaftsporträt erstellt werden? August Sander dokumentierte in seinem Mappenwerk Menschen des 20. Jahrhunderts die Weimarer Republik, indem er die Gesellschaft in Gruppen von den Bauern bis hin zu den Intellektuellen der Großstadt unterteilte und jeweils Vertreter dieser Gruppen porträtierte. Diese Systematik ist um 1979 für Gabriele und Helmut Nothhelfer sowie Derek Bennett nicht mehr möglich. Sie finden zu anderen Lösungen: Die Nothhelfers dokumentieren das Individuum im

40 Zur Methodengeschichte und Problematik der Ethnografie/Ethnologie vgl. Martin Fuchs, Eberhard Berg: „Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation“, in: dies. (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt/M. 1993, S. 11–108. 41 Vgl. Barbara Engelbach: „Karl C. Kugel“, im vorliegenden Katalog, S. QQ. 42 Joachim Brohm: „In der freien Zeit“, in: Ute Eskildsen / Ulrich Borsdorf (Hg.): Endlich so wie überall? (Anm. 39), S. 113. 43 Buchstäblich – wie eine Fotografie verdeutlicht, die Höfers Spiegelbild in einer Kommode zeigt. öffentlichen Raum. Es sind genau bestimmte soziale Anlässe wie Messen, Straßenfeste, Kirchenfeiern, die sie zwar in den Bildunterschriften benennen, aber nicht auf den Fotografien abbilden. Vielmehr zeigen sie die einzelnen Personen so, dass sie aus dem Zusammenhang weitgehend gelöst sind und, weil unbeobachtet aufgenommen, nicht die Möglichkeit erhalten, für die Kamera zu posieren. Daher sind die Personen häufig in einem Moment des Innehaltens und der Versunkenheit porträtiert. In der über annähernd vierzig Jahre entstandenen Serie werden diese Porträts zu einem Zeitdokument, dem die langsamen, doch sichtbaren gesellschaftlichen Veränderungen wie einer seismografischen Aufzeichnung abzulesen sind. Derek Bennett wiederum porträtierte in einem Zeitraum von knapp vier Jahren zwischen 1978 und 1982 500 Deutsche, die er über ein Schneeballsystem fand. Aus den Aufnahmen traf er eine Auswahl von 100 Fotografien. Seiner Beobachtung, dass „der Pluralismus der heutigen deutschen Gesellschaft die Schranken zwischen den sozialen Schichten tatsächlich niedergerissen“ habe,44 verlieh er Ausdruck, indem er nicht nur die Personenwahl dem Zufall überließ, sondern auch den Porträtierten erlaubte, in der von ihnen gewählten Umgebung und Kleidung zu posieren, etwa im Sportdress. Bleibt auf diese Weise die soziale Herkunft unklar, erscheint auch der Habitus nicht mehr eindeutig lesbar: Die Serviererin ist in der Pose einer großbürgerlichen Dame abgebildet, eine Staatsbeamte erscheint im T-Shirt mit hinter dem Körper verschränkten Armen vor einer Betonwand. Bennett selbst beschreibt seine Arbeit mit der Metapher einer Flaschenpost. Die zu einem bestimmten Zeitraum porträtierten Menschen einer Gesellschaft vermitteln der Nachwelt einen Zustandsbericht, der in diesem Fall retrospektiv als Verwirklichung des bundesdeutschen Ideals einer durch die Bildungsoffensive der 1970er Jahre schichtendurchlässig gewordenen und wohlhabenden Gesellschaft erscheint.45

In diesem Kontext erscheint auch Thomas Ruffs Arbeit von 40 kleinformatigen Porträts seiner Freunde und seiner Kommilitonen an der Kunstakademie in Düsseldorf als bedeutendes Zeitdokument. Ruff hat sie zwischen 1983 und 1987 im Profil, Dreiviertelporträt oder frontal vor farbigem Papier und mit neutralem Gesichtsausdruck aufgenommen, als ginge es um ein möglichst genaues Abbild für einen Ausweis. In einer Reihe gehängt, werden die Einzelporträts durch die Farben zu einer Gruppe zusammengeführt. Aber dieses gemeinsame Element ist so eindeutig arbiträr, dass auch die Aufmerksamkeit auf das Antlitz selbst als Oberfläche gelenkt wird, die keine Auskunft über die Persönlichkeit oder deren Befindlichkeit gibt. Ruff beschäftigte, dass der Betrachter durch das Medium hindurch auf das Abbild sieht, weshalb das Medium Fotografie selbst unsichtbar, transparent bleibt.46 Aus diesem Grund vergrößerte er ab 1986 die Porträts monumental, wodurch das Abbild in ein Bild mit unsicherem Status überführt wurde, auch deshalb, weil er die Fotografien bald digital bearbeitete. Werden aber die kleinen Porträts im Kontext einer Publikation zur

44 Derek Bennett. Stille Zwiesprache. Bildnisse von Deutschen, Ausst.-Kat. Museum Ludwig Köln, Köln 1983, S. 144f. 45 Vgl. Sven Reichardt: „Große und Sozialliberale Koalition (1966–1974)“, in: Roland Roth und Dieter Rucht (Hg.): Die Sozialen Bewegungen (Anm. 38), S. 71–92, hier S. 83. Reinhold Mißelbeck findet hingegen für Derek Bennetts Gesellschaftsporträt eine kritische, die gesellschaftliche Wende der 1980er Jahre ankündigende Deutung: „(…) eine mittelstandsgenormte Erscheinung ist der Mantel, der die Existenz in all ihren verschiedenen Schattierungen überdeckt“. Reinhold Mißelbeck: „Derek Bennetts Beitrag zur Porträtphotographie“, in: Derek Bennett. Stille Zwiesprache (Anm. 44), S. 32. 46 Vgl. Matthias Winzen: „Denkmal mit einem unbekannten Fotografen. Ein Gespräch mit Thomas Ruff“, Kunstbulletin, März 1995, S. 10. Vgl. auch: Herta Wolf, „‚Ein Bild‘“ (Anm. 6), S. 61–65. dokumentarischen Fotografie einbezogen, dann werden sie gleich zweifach auf das Abbild zurückverwiesen – durch den rahmenden Zusammenhang und durch die Kennzeichnung der Porträts mit den Namen der Abgebildeten. Gleichwohl gibt Ruff der Arbeit auch auf dem Feld des Dokumentarischen eine bemerkenswerte Wendung, wenn er Aufnahmestandards gerichtlicher Fotografie aufgreift, die seit dem 19. Jahrhundert bis heute bei Polizeibildern angewendet werden.47 Nicht die Fotografie als Abbild, sondern auch der sozialhistorische Kontext ihres Gebrauchs geht in die Deutung der Arbeit ein. Im Entstehungszusammenhang der Porträts waren Polizeibilder im öffentlichen Raum mit Suchplakaten von RAF- Terroristen besonders präsent. Sie zeigten wie Ruffs Fotografien eine bestimmte Generation. Noch auf dem Plakat von 1983 wurden 16 Personen gesucht, mit dem ersten Plakat 1971 19 Personen.48 Zugleich fanden die im Kampf gegen die RAF entwickelten staatlichen repressiven Mittel wie die Rasterfahndung als Reaktion etwa auf die Anti-Atomkraft- Bewegung erweiterte Anwendung.49 Im Rückblick erscheinen Ruffs Fotografien als ambivalentes Porträt einer Generation, die sich zwischen Studentenrevolte der 1960er und Historikerstreit der 1980er Jahre in einem gesellschaftshistorischen Übergang zwischen nostalgischer Haltung und kritischem Bewusstsein sah. Thomas Ruff wählte den zweiten Weg. Indem er die Fotografie gegen seine Spezifik der Transparenz reflexiv einsetzte, forderte er auch die erkenntniskritische Reflexion dessen heraus, was das Medium als dokumentarisches sichtbar machen kann.

Barbara Engelbach

47 Friederike Wappler: „Thomas Ruff. Fotografisch konstruierte Wirklichkeiten“, in: Lothar Romain, Detlef Bluemler (Hg.): Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, München 2001, S. 6f. 48 Susanne Regener: „Zur Mediengeschichte der RAF-Plakate (2009)“, online unter http://www.mediengeschichte.uni-siegen.de/files/2010/07/rafplakate.pdf (letzter Zugriff am 20.6.2014). 49 Wolfgang Fech: „Das Modell Deutschland“ (Anm. 38), S. 107.

262 Gerettet, verkauft, betrachtet. 263 Die fotografische Sammlung von Erich Stenger

„Lebenserinnerungen eines Sammlers ohne Sammlung“ – eigentlich hätten die Memoiren von Erich Stenger auch so heißen können: Denn ob er seine Sammlung je wiedersähe, ob sie überhaupt noch existierte, das wusste er im Herbst 1945 nicht, als

er auf engem Raum mit Frau, Tochter, Schwiegersohn und Enkelkind in Kreuzwert- heim wohnte und in einer Ecke des Wohnzimmers, in der sein Schreibtisch Platz ammlung ammlung ammlung 1 s s fand, seine Erinnerungen schrieb. Sie liegen nun mit diesem Buch in Teilen vor. Foto Foto s s In ihm sind all jene Kapitel ausgelassen, die nicht die Fotografie zum Thema haben, sondern weitere Sammelgebiete Stengers behandeln – etwa die Abschnitte über Postwertzeichen, Heimatgeschichte oder die Aschaffenburger Ansichten; die rich Stenger rich Stenger E E Passagen über Carl von Dalberg, die Arbeiten in Speckstein und Kork oder die Steingutfabrik zu Damm. Ein Sammler war Erich Stenger in der Tat: von Stick- mustertüchern, Glückwunschkarten und Heiligenbildern, über Empire-Glasdosen und Teleoramen, bis hin zu Tintenfässern der Biedermeierzeit und allgemeinem Bemerkungen zu Zimmerschmuck. Bemerkungen zu

Doch nachdem Stenger fast vierzig Jahre Fotografika gesammelt hatte, wuchs in ihm der Wunsch, damit ein Fotomuseum zu gründen – so wie es schon sein Vorgänger an der Technischen Hochschule Berlin, Adolf Miethe, gefordert hatte.2 Seine Vor- stellungen davon entfaltete er 1944 in einem Artikel der Zeitschrift Gebrauchsfoto- grafie und wiederholte sie in seinen Lebenserinnerungen.

Dass in der selben Zeitschrift ein Jahr zuvor jüdische Fotografen und eine als jüdisch Abb. 1 Unbekannter Fotograf: Bruno Uhl, seine Frau und Erich Stenger, 1950 erklärte Technik, nämlich die Fotocollage, diffamiert worden waren und dass daher das beschriebene Fotomuseum entsprechende Fehlstellen aufweisen würde,3 schien Stengers Pläne nicht zu tangieren. Seine Sammlung nahm bei den Nationalsozia- listen ohnehin keinen Anstoß, im Gegenteil. Fotocollagen und andere Avantgarde- techniken sucht man in ihr vergebens.

In dem Stenger die Leistungen der Deutschen an der Entwicklung der Fotografie betonte, hingegen diejenigen jüdischer Wissenschaftler verschwieg, machte er die Hundertjahrfeier der Fotografie 1939, zum ideologiekonformenE reignis. 264 Doch erst als 1943 sein Institut durch Luftangriffe zerstört wurde und seiner Samm- gleichmässig unter weissen Papierrahmen in zwei Grössen aufbewahrt und jeder- 265 lung das gleiche Schicksal drohte, schrieb er seine ausgearbeiteten Pläne für das zu zeit ausstellungsbereit“, schreibt er. Nicht zuletzt deshalb machte Uhl, der Direktor errichtende Museum für Fotografie nieder. Nachdem er sein Institut und all seine der Agfa, Stenger den Vorschlag, die gesamte Sammlung an die Agfa zu verkau- Arbeitsmaterialien verlor, hoffte er auf ein festes Gebäude, um seine Sammlung zu fen. „In seiner Stellung als Photo-Professor in Berlin hatte er die Sammlung als erhalten. 1944/45 mutet das fast absurd an. Denn Stenger erlebt wie viele andere auch Lehr- und Ausstellungsmaterial laufend benutzt. Nun hatte er in seinem kleinen Hunger und Bombardements. An ein „Museum der Fotografie“, gar ein festes Gebäu- Wertheimer ‚Exil’ keine Verwertung mehr dafür“, schreibt er. Uhl wollte damals

de dafür, denkt in Deutschland niemand. Und dennoch macht sich Stenger daran, ein „AGFA-STENGER-MUSEUM“ errichten, das „neben dem ideellen Wert für die seine Sammlung dafür vorzubereiten: Teile seiner Notizen verstaut er in den Kartons Allgemeinheit auch propagandistisch eingesetzt werden konnte“.6 [Abb. 1] ammlung ammlung ammlung s s von Care Paketen, in denen sie noch heute liegen. Papier und Karton sind knapp. Umschläge, Zettel, Manuskriptseiten verwendet er mehrfach. In seinen „Propagandistisch“ meint für jene Werbezwecke der Agfa, für die Stenger schon Foto Foto Erinnerungen s s beschreibt er nicht nur Qualität und Umfang der Sammlung, sondern auch die Mühen, häufiger Sammlung und Wissen in den Dienst gestellt hatte. Seine Ausstellung die es kostete, sie zusammenzutragen. Der Sorge um ihren Verlust begegnet er, indem Photographie einst und jetzt 1942 in Sofia etwa war auf Betreiben des Deutschen er die Exponate und deren Herkunft erfasst und Pläne für ihre zukünftige Unterkunft Werberates organisiert worden, um gezielt für Agfa-Produkte Reklame zu machen. rich Stenger rich Stenger E E ausarbeitet. Doch in den Wirren des Krieges war es um Sammlungen, gleich welcher Art, nicht gut bestellt: „Seine Bayern-Briefmarkensammlung – es waren 50 große Und die 1939 publizierte Firmenschrift 100 Jahre Photographie und die Agfa, 1839–1939 Bände – haben die Russen völlig zerstört. […] Auch von dem Porzellan ging vieles verfasste Stenger nicht nur selbst, sondern er bestückte sie auch ausschließlich mit verloren. Nur die photographische Sammlung wurde gerettet“4, schreibt Bruno Uhl, Bildmaterial aus seiner Sammlung. Wie sehr er sich für Werkezwecke der Agfa ein- Bemerkungen zu Bemerkungen zu Direktor der Agfa in Leverkusen, in seinen Erinnerungen über Erich Stenger. binden ließ, wird auch am patriotischen Duktus deutlich, mit dem er Agfa preist: „Im Schutze einer großen und angesehenen Industriestätte [I. G. Farbenfabrik] entwickelte Aber – was Stenger zum Zeitpunkt der Niederschrift seiner Lebenserinnerungen sich aus kleinsten Anfängen dank zielbewusster wissenschaftlicher Arbeit unter noch nicht wissen konnte war, dass seine „geschichtlich-photographische Samm- Überwindung zahlloser Schwierigkeiten die photographische Abteilung jenes Wer- lung“ gerettet werden sollte: Die Firma Agfa hatte die Kisten nach Wolfen bringen kes zu einem alle Kulturstaaten der Erde umfassenden Unternehmen, welches den lassen, wo sie amerikanische Soldaten nach Kriegsende fanden und in den Westen deutschen Namen und die einwandfreie gute deutsche Ware in alle Erdteile trägt.“7 brachten. Auf Umwegen gelangten sie dann wieder zu Stenger. In Kreuzwertheim verstaute er die Bilder, Bücher, Zeitschriften und Autografen, hielt regen Kontakt 1955 verkauft er seine fotografische Sammlung für 120.000 DM an die Agfa. Das zu Fotografen und Wissenschaftlern. Geld, für sie ein Museum einzurichten, wird jedoch Uhl nach dem Ankauf nicht bewilligt. Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren. „Es hieß, dass Stenger Eine erweiterte Ausgabe seiner Photographie in Kultur und Technik 5 legt er 1950 unter [seine Sammlung] möglicherweise nach Amerika verkaufen werde“, das wollte Uhl dem Titel Siegeszug der Photographie vor. Auch wird er Mitbegründer der von L. Fritz verhindern, erinnerte sich der Sammler L. Fritz Gruber. „Er [Uhl] hat uns beiden Gruber in Köln angeregten Deutschen Gesellschaft für Photographie und verfolgt die [L. Fritz und Renate Gruber] einmal erzählt, dass er zu Stenger hingegangen ist und jüngsten Entwicklungen der Fotografie mit wachem, wenn auch kritischem Auge. ihn ansprach: ‚Herr Stenger, das muss hier bleiben, was wollen sie dafür haben?’ Ich kenne den Betrag nicht, ich glaube aber, es handelte sich um 200.000 DM. Und Zu den Ausstellungen seiner Werke nach dem Krieg zählen die photokina 1951 da hat Uhl sie eigenmächtig aus der Werbekasse der Agfa genommen, wozu er und die Weltausstellung der Photographie 1952 in Luzern. – „Meine ganze Samm- eigentlich gar nicht befugt war. Das hat er später ganz stolz erzählt. […] Bei der lung grossformatiger photographischer Papierbilder ist soweit es Einzelblätter sind, Feier der offiziellen Übernahme waren meine Frau und ich zugegen.U nd nun 266 erläuterte uns Uhl sein Handeln, zur Überraschung aller seiner anwesenden Kol- 267 legen, die dies als Amtsanmaßung ansahen, dass er so über das Geld verfügte.“8

Neunzehn Jahre blieb die Sammlung deshalb in Kartons gelagert und verschlos- sen. Erich Stengers Plan, ein Museum der Fotografie durch den Verkauf seiner Sammlung an Agfa zu bewirken, schlug also fehl. 1957 stirbt Stenger während eines

Urlaubes in San Remo. ammlung ammlung ammlung s s Doch Agfa erweiterte in den folgenden Jahren die Sammlung durch Zukäufe, Tausch und Schenkungen um fast das Doppelte. Erstmals ausgestellt wurde sie 1968 auf der Foto Foto s s Kölner Messe photokina. In der Kulisse eines historischen Fotoateliers konnten seiner- zeit Apparate und Fotografien als „Agfa Foto-Historama“ [Abb. 2] betrachtet werden. rich Stenger rich Stenger E E Der Name blieb seitdem in Gebrauch; er sollte der „Muffigkeit“ entgegenwirken, Abb. 2 unbekannter Fotograf: Das Agfa-Fotohistorama auf der photokina, Köln, 1968 die für viele im Wort Museum mitschwang.9

Nach der photokina tourte der Bestand in der Wanderausstellung Photo Anno Da- Bemerkungen zu Bemerkungen zu zumal durch Europa. Zu den Stationen zählte unter anderem die Schalterhalle der Dresdner Bank in der Kölner Straße Unter Sachsenhausen, die Stadtsparkassen Gel- senkirchen, das Foyer des Neuen Theaters in Luxemburg [Abb. 3] oder die Nikolai- Kirche in Kopenhagen. Auch Leihgaben an Fotofachgeschäfte waren nicht unüblich wie aus einem Brief an das Geschäft Otto Kaiser in Mörs hervorgeht. In ihm heißt es: „… möchten wir Ihnen zum Zwecke einer Schaufensterdekoration einige Stücke aus unserem Photo-Museum leihweise überlassen. Es handelt sich, wie von Ihnen gewünscht, um: 1 Reisekamera 13/18, 3 Daguerreotypien.“10 Kurzum, Agfa machte die Sammlung stationär publik und hoffte auf ein geeignetes öffentliches Gebäude. Denn der Zuspruch war groß: „Auf vielen Ausstellungen, die das Agfa-Gevaert Fotomuseum in den vergangenen Jahren in Städten des In- und Auslandes durch- führte, beweisen die Besucherzahlen von 12.000–30.000 Personen während der Ausstellungsdauer von 3–4 Wochen, daß diese Frage tatsächlich interessiert“, ver- kündet etwa stolz ein Ausstellungsheft der Stadtsparkasse Gelsenkirchen 1974.“11

Und um bei Zahlen zu bleiben: In den Unterlagen der Agfa heißt es in den 1950er Jah- ren, das Agfa-Fotohistorama zähle 33.000 Objekte, darunter 29.000 Bilder. 1974 ist die Abb. 3 Unbekannter Fotograf: Ausstellungsansicht Photo Anno Dazumal, Rede von 40.000 Objekten – „die größte Sammlung aus der Fotografie-Geschichte“ 12. luxemburg, 1969 268 1974 bezieht die Sammlung einen festen Ort auf dem Bayer Firmengelände in 269 Leverkusen: Gebäude K 12, 8. Obergeschoss, auf etwa 700 m2 ehemaliger Büroräume. [Abb. 4] Zur Eröffnung spricht der renommierten Fotohistoriker und -sammler Hel- mut Gernsheim; die Presse verfolgt die Eröffnung mit regem Interesse. Das Menü zu den Feierlichkeiten nimmt sich aus wie zu den Jubelfeiern fotografischer Vereine im 19. Jahrhundert, deren Programme Stenger sammelte: Es begann mit einer „Franzö-

sischen Zwiebelsuppe Daguerre“ und endete mit der „Eisbombe Foto-Historama“. ammlung ammlung ammlung s s 1978 schloss die Stadt Köln mit Agfa einen Vertrag, um die Sammlung in das so ge- nannte Overstolzenhaus zu übernehmen. Sieben Jahre später änderten sich die Pläne: Foto Foto s s Das Agfa Foto-Historama zog als Dauerleihgabe in das neu errichtete Wallraf- Richartz-Museum/Museum Ludwig um. Dort hatte mit der „Sammlung Gruber“ eine Fotografische Sammlung bereitsG estalt gewonnen. rich Stenger rich Stenger E E

Stengers Objekte waren in der Folge hier in zahlreichen Ausstellungen zu sehen: An den süßen Ufern Asiens (1988), Silber und Salz. Zur Frühzeit der Fotografie im deut- schen Sprachraum (1990), Italien sehen und sterben (1995) u.v.m.. Pläne, die Sammlung Bemerkungen zu in einem „Nationalen Zentralinstitut zur Kulturgeschichte der Photographie“ unter- Bemerkungen zu zubringen, wurden zwar auch mit Blick auf das Overstolzenhaus noch 1994 ausge- arbeitet, doch vor allem aus finanziellenG ründen ließen sie sich nicht realisieren.

Abb. 4 unbekannter Fotografe: Besucher im Agfa-Fotohistorama, Leverkusen, 1978 2005 wurde die Fotosparte der Agfa Gevaert AG verkauft und es drohte damit auch der Verkauf der Fotografischen Sammlung. Doch es gelang, sie zum national wert- vollen Kulturgut zu ernennen und so kaufte das Museum Ludwig die Sammlung Agfa samt der Sammlung Stenger an. Dort wird sie bis heute verwahrt.

Das ist der Weg, den Stengers Sammlung nach 1945 nahm.

Die Sammlung Stenger heute zu rekonstruieren, fällt jedoch schwer. Denn Agfa hatte zwar Aufkleber mit dem Vermerk „Sammlung Stenger“ auf etwa tausend Foto­ grafien und Alben anbringen lassen, doch eine vollständige Inventarliste fehlt. Um alle Exponate zu identifizieren, hilft dann vor allem Stengers Liebe zur Beschriftung. Mit der Schreibmaschine getippte Zettelchen, oft mit Zierzeilen versehen, kleben heute noch auf den Rückseiten oder Unterkartons der Bilder. In vielen Büchern liegen Ausschnitte aus Antiquariatskatalogen mit der entsprechenden Annonce des 270 Werks. So – und durch Hinweise in den Erinnerungen und Publikationen Stengers – Peter Brinkemper sieht gar „eine Einordnung in ein historisches System“ auch in 271 lässt sich vieles zuordnen, sodass ein Gesamtbild der Sammlung entsteht. den Erinnerungen selbst am Werk. Etwa wenn Stenger im Titel von sich in der dritten Person spricht: nicht „Meine Lebenserinnerungen“, sondern Erinnerungen eines Und wie sieht dieses Bild aus? Sammlers schreibt – so als notiere er die Erinnerungen eines anderen.

„Es kommt nicht so sehr darauf an, was man sammelt, sondern wie man sammelt“, Folgt man Brinkemper will die Biografie „durch die noch einmal nach- und auf-

schreibt Stenger in seinen Erinnerungen. Er ist ein Sammler von Dingen, für die sich gezählte Sammlung entkommen. Die Aufzählung ersetzt die Erzählung. […] Die nur wenige interessieren, auf Gebieten aktiv, auf denen er Feldforschung betreiben Erzählung des Lebens ist verzettelt in einem Archiv zahlloser Anekdoten und Ge- ammlung ammlung ammlung 14 s s kann. Und so wie er als Naturwissenschaftler systematisch Messergebnisse sam- schichten“ . Das Manuskript der Erinnerungen ist darum, genau wie sein Manu- melt; wie er sie akkurat notiert und in Diagramme überträgt, so sammelt er auch skript zum , in Form eines Karteikastens verwahrt und Foto Foto Humor in der Photographie s s Fotografika. nicht in der eines Tagebuchs. Jedes Kapitel bildet so eine Einheit, bekommt einen eigenen Reiter. Suchte er anfangs Antiquariate auf und fragte nach Fotografika, so professionalisier- rich Stenger rich Stenger E E te er später die Suche mittels Anzeigen und Suchkarte und legte in einer Fülle von Statt „Meine Kindheit und Jugend“ heißt es bei Stenger „Wie ich Sammler wurde“. Aufsätzen und Monografien die Ergebnisse seines Sammelns und Forschens nieder. Weltpolitische Ereignisse, die auch Stengers Leben tangieren, tauchen in den Über- schriften seiner Memoiren nicht auf. Am Ende steht ein Personenverzeichnis. Dass Seine anfängliche Faszination für Daguerreotypien – die erste erwirbt er 1906 – er- einige Kapitel darin fehlen, tut denn auch dem Zusammenhang keinen Abbruch. Bei Bemerkungen zu streckt sich bald auch auf fotografische Literatur, Karikaturen, Urkunden, Autogra- der vorliegenden Publikation handelt sich um ein anhand von Objekten und deren Bemerkungen zu fen, Firmenschildchen und Werbematerial sowie auf alle weiteren fotografischen Sortierung geschildertes Leben, sie steht somit der Memoirenliteratur näher als der Techniken, von denen er „Belege“ zusammenträgt, wie er es nennt. persönlicheren Autobiografie.

Er war, so merkt man nach der Lektüre seiner Erinnerungen, noch ganz in den Ideen Bezeichnenderweise geht Fritz Wentzel, Fotochemiker und Kollege Stengers an des 19. Jahrhunderts verhaftet – dem Jahrhundert des Positivismus, der Material- der Technischen Hochschule Berlin vor dem Ersten Weltkrieg, ähnlich vor. Seine sammlungen und der Enzyklopädien. Das hehre Ziel des „positivistischen Zeital- Erinnerungen heißen Memoirs of a Photochemist.15 Das erste Kapitel trägt bei ihm ters“, nämlich „Objektivität“ zu erlangen, sucht er dadurch umzusetzen, in dem die Überschrift „First Contact With Photography“, das letzte „Twenty Years With er möglichst vollständig die Anwendungsgebiete der Fotografie auflistet und eine Ansco, Agfa Ansco, and again Ansco“. Chronologie ihrer technischen Entwicklungen erstellt. Man könnte Stenger nun vorhalten, eine Sammlung angelegt zu haben, ohne eine „Was soll diese Vollständigkeit?“, fragt Walter Benjamin im Passagen-Werk mit Synthese zu ziehen – weder innerhalb seiner diversen Sammelgebiete, noch inner­ Blick auf große Sammlungen. „Sie ist ein großartiger Versuch, das völlig Irrationale halb der fotografischen Sammlung. Wie Walter Benjamin es beschreibt, ordnet seines (des Gegenstandes) bloßen Vorhandenseins durch Einordnung in ein neues Stenger die Dinge zwar in ein System ein oder ordnet sie ihm unter, doch ähnelt eigens geschaffenes historisches System, die Sammlung, zu überwinden. […] Es ist das System in diesem Fall einer Enzyklopädie. Und Enzyklopädien leben von der die tiefste Bezauberung des Sammlers, das Einzelne in einen Bannkreis einzuschlie- Kontingenz, nicht von der Kohärenz. Sie sind Nachschlagewerke – aus einzelnen ßen, indem er, während ein letzter Schauer (der Schauer des Erworbenwerdens) Bausteinen zusammengesetzt, entsprechend einem vorhandenen System: dem darüber hinläuft, erstarrt.“13 Alphabet. 272 Dabei hätte Stenger durchaus Vorbilder dafür finden können, neue Ordnungssysteme Abb. 5 273 innerhalb der Welt der Bilder anzuwenden. Denn Fotos sammelten auch andere zu #### und ###, in: László Moholy-Nagy: seiner Zeit. Er hätte sich nur vertiefter mit László Moholy-Nagy austauschen müs- malerei fotografie film, München 1925 sen, mit dem er wegen der Leihgaben für die Ausstellung Film und Foto in Stuttgart 1929 kurz und oberflächlich in Kontakt stand.

Moholy-Nagy schrieb schon 1925: „Wir sind – durch hundert Jahre Fotografie und zwei Jahrzehnte Film – […] ungeheuer bereichert worden. Man kann sagen, dass ammlung ammlung ammlung s s wir die Welt mit vollkommen anderen Augen sehen. Trotzdem ist das Gesamter- gebnis bis heute nicht viel mehr als eine visuelle enzyklopädische Leistung. Das Foto Foto s s genügt uns aber nicht. Wie wollen planmäßig produzieren, da für das Leben das Schaffen neuer Relationen von Wichtigkeit ist.“16 rich Stenger rich Stenger E E Mit den „anderen Augen“ – damit meint Moholy-Nagy die „Erweiterung des Seh- bildes“17 durch die Kamera. Denn durch Momentaufnahmen, Schrägsichten, Lang- zeitbelichtungen, Mikrofotografien entstanden Bilder, wie sie kein Mensch je zuvor gesehen hatte. Erst seit kurzem sei unser Sehen reif geworden zur Erfassung dieser Bemerkungen zu Zusammenhänge“18, heißt es bei Moholy-Nagy 1925. Als Beispiel kreiert er dafür Bemerkungen zu zwei Bildpaare. [Abb. 5]

Was bei Stenger unter die Anwendungsgebiete „Tierfotografie“und „Flugzeugfoto- Abb. 6 grafie“ gefallen und damit auf Distanz gehalten worden wäre, verbindet Moholy- Aby Warburg: Nagy mit dem Hinweis auf die „schöne Verteilung des Hell-Dunkels, die unabhän- Tafel 77 seines Bilderatlas‘, 1928 gig von dem Bildmotiv allein schon wirksam ist.“19

Ein weiterer Bildersammler, der in den 1920er Jahren nach neuen Zusammen- hängen sucht, ist der Kunsthistoriker Aby Warburg. Zu dieser Zeit arbeitet er an einem Bilderatlas. Auf Tafeln kombiniert Warburg Bilder ganz unterschiedlichen Ursprungs zu Gruppen, um verwandte Formen und ihre Wanderungen durch Zei- ten und Medien auszumachen. „High“ und „low“, also hohe und angewandte Kunst, treten bei ihm vollkommen gleichberechtigt nebeneinander.20 [Abb. 6]

Stenger beschreibt in seinen fotohistorischen Büchern, in welchen Bereichen der Wissenschaft und Kultur Fotografie zurA nwendung kommt und – er belässt es dann bei der Kurzbeschreibung. Damit schließt er unumwunden an einen der ersten Texte 274 Abb. 7 über Fotografie an, nämlich an dieR ede François Aragos vor der Deputiertenkammer 275 Will-Halle: in Paris 1839: Der Physiker warb darin für den staatlichen Ankauf jener Erfindung, „Jetzt hab‘ ich aber die Nase voll!“, in: Die Woche, Nr. 27, 1937 mit der Daguerre flüchtige Bilder der obscura auf einer versilberten Kupfer­ platte bannen konnte. Arago malt sich aus, in welchen Gebieten die Fotografie zur Anwendung kommen mag, nennt unter anderem die Archäologie und Astronomie.21

Stenger beginnt ein Menschenleben später Belege dafür zu sammeln, dass die Foto­ grafie seit ihrenA nfängen tatsächlich zu einem weltweit und in allen Wissen- ammlung ammlung ammlung s s schaftsdisziplinen eingesetzten Instrument avancierte. Foto Foto s s Während man in den 1920er/30er Jahren allerorten über die Flut der Bilder stöhnt und Bildermüdigkeit beklagt [Abb. 7], entdeckt Moholy-Nagy in der Flut das visuelle Abb. 8 Potenzial, bleibt Stenger der eifrige Kartograf der Verbreitung. rich Stenger rich Stenger E E Erich Stenger: Stengers Berliner Wohnung in Charlottenburg, Was er sammelt wird zur Grundlage seiner Aufsätze und Bücher, ist Forschungs- Wilmersdorfer Straße 73, 1920er Jahre material. Das Aufkommen großzügig bebilderter Fotobücher in den 1920er Jahren regt ihn nicht an, selbst eines vorzulegen. Und auf keinem der Bilder aus seinen Bemerkungen zu Wohnungen in Berlin und Kreuzwertheim sind Fotografien an der Wand zu erken- Bemerkungen zu nen. Dort hingegen dominiert mit den vielen Zinnkrügen, Wandtellern, schweren Teppichen und holzgeschnitzten Schränken ein bürgerliches Dekor des 19. Jahr- hunderts. [Abb. 8] Entsprechend zog er auch die Münchener Pinakothek mit ihren Alten Meistern den Gemälden der Sezession vor.

Abb. 9 Lázló Moholy-Nagy: „Altväterlich“ nennt Stenger selbst seinen Geschmack. Was er sich privat an die László und Lucia, Wand hing, waren kleinformatige Landschaften, Tierszenen und Madonnen. Oder um 1923 eine Kopie von Adriaen Bouwers Gemälde zweier rauchender Bauern aus dem 17. Jahrhundert – ihr Original war in der Alten Pinakothek zu sehen.

So weist die Sammlung massive Lücken auf, was die fotografische Avantgarde der Weimarer Republik anbelangt. Obwohl Stenger einige Bilder, die er „merkwürdig“ nennt, aufnimmt, fehlt es dennoch an Bildern von László Moholy-Nagy und Lucia Moholy [Abb. 9]. Beide gingen mit der Fotografie spielerisch-experimentell um, mit ihnen stand Stenger in Kontakt.

Auch Christian Schad und Hannah Höch sind nicht vertreten, genauso fehlt jede 276 Spur von Man Ray, El Lissitzky oder Paul Strand. Letztere waren in der ersten Abb. 10 277 Hälfte des 20. Jahrhunderts als Künstler und Experimentierer der Fotografie inter­ Charles Scolik: „Mungo’s Mussestunden“, in: national renommiert. Lücken in Stengers Sammlung sind also vorhanden. Der Photographische Rundschau, 1887 Philo­soph Gaston Bachelard umschrieb dergleichen wie folgt: „Der Historiker wählt in der Geschichte seine Geschichte.“22

Aber die Fotografische Sammlung Stengers lässt sich nicht bloß ex negativo betrach- ten. Was sie heute interessant macht, sind nicht nur die berühmten Fotografien aus ammlung ammlung ammlung s s dem 19. Jahrhundert von Julia Margaret Cameron, oder Hermann Krone; es ist vor allem ihre Vielfalt jenseits der bekannten Namen. In ihr ist vieles Foto Foto s s vereint, was in den Schilderungen und Ausstellungen zur Geschichte der Fotogra- fie seither selten oder nie auftaucht: „High“ und „low“ liegen vereint in den Kisten und Schubladen des Museum Ludwig – eine „Querschnittssammlung“ eben, wie rich Stenger rich Stenger E E Stenger schreibt.

Kistenweise kleinformatige Studioportraits finden sich dort neben frühen Farbauf- nahmen von Obst, Menschen in Trachten oder Gemälden. Nur mit einem Hinweis Bemerkungen zu auf ihre Aufnahmetechnik versehen, wirken sie heute geradezu rätselhaft dekon- Bemerkungen zu textualisiert. So taucht unter dem Stichwort „Fotografische Geschmacksentgleisung“ auch das Bild eines dressierten Mops’ auf. [Abb. 10]

Die Fotogeschichtsschreibung, die sich seit den 1950er Jahren an die Kunstgeschichte Abb. 11 anlehnt, die große Namen und Stile kennt und mit und nach ihnen verfährt, greift Hutnadeln aus der hier nicht. Viele Objekte in Stengers Sammlung fallen durch dieses Raster, sei es, Sammlung Stenger, Anfang 20. Jh. weil die Namen heute unbekannt sind, sei es, weil die Fotografien nicht so recht in das Bild zu passen scheinen, das man sich heute von den 1920er Jahren macht, mit all den Schrägsichten, Ausschnitten und Experimenten im Labor.

Dafür finden sich darin von fotografischen Vereinigungen preisgekrönteT ierbilder oder auch Objekte, die ein nach „Rennern“ schielender Sammler missachtet hätte: etwa Hutnadeln mit eingefassten Fotografien. [Abb. 11]

Nicht zuletzt präsentiert die Sammlung Fotografen, die in der Fotoszene ihrer Zeit sehr aktiv und erfolgreich waren, aber mit der Kunstszene kaum Berührung hat- ten – ihre Namen fallen in Erich Stengers Erinnerungen: Richard Gerling, Erich 278 Angenendt, Franz Grainer, Hans Saebens oder Franz Schensky. Es handelt sich um 15 Fritz Wentzel: Memoirs of a Photochemist. Philadelphia 1960. 279 Namen, abseits der bis heute geschriebenen Fotogeschichte, abseits der erklärten 16 Laszlo Moholy-Nagy: malerei fotografie film (1927). Reprint Berlin 1986. S. 27. „großen Meister“. 17 Ebd. S. 5. 18 Ebd. 19 Ebd. S. 48. Fotografien werden heute „geführt“.G alerien und Auktionshäuser kaufen sie, 20 Siehe Werner Hofmann: „Das Menschenrecht des Auges“. In: Ders., Georg Syamken, Kunst- und Fotomuseen zeigen sie. Der Kunstmarkt feiert einige Fotografen mit martin Warnke (Hg.): Die Menschenrechte des Auges. Über Aby Warburg . Frankfurt a. M. 1980.

Preisen im Millionenbereich. Die Anfänge dieses Fotomarktes reichen zurück in S. 85–111. S. 102. Stengers Zeit. Bekannt ist der Sammler Kurt Kirchbach, der seit 1929 jene Avant- 21 François Arago: „Le Daguerréotype“. In: Compte rendu des séances de l‘Académie des Sciences vom 19. August 1839. S. 250–267. ammlung ammlung ammlung s s gardefotografen sammelte, die für Aufsehen in der Kunstszene sorgten und heute 22 Gaston Bachelard: L’Eau et les Rèves. Paris 1947. S. 26. als prominente Vertreter ihrer Zeit gelten.23 Stenger ging nach seinen eigenen Re- Foto Foto 23 Siehe Herbert Molderings: „Die internationale Foto-Sammlung Kurt Kirchbach, Dresden. s s geln vor: Alle Anwendungsgebiete und technische Entwicklungen sollten in seiner eine Pioniersammlung der modernen Fotografie“. In: Ders.: Die Moderne der Fotografie. Sammlung zu finden sein. Dadurch schuf er einen Bestand von enormer Vielfalt und Hamburg 2008. S. 273–285. gab jedem Betrachter die Möglichkeit, neue Zusammenhänge zu entdecken. Das ist rich Stenger rich Stenger E E der Vorteil einer Enzyklopädie. Bemerkungen zu Bemerkungen zu 1 Das Manuskript wird als Teil des Nachlasses von Erich Stenger im museum Ludwig Köln verwahrt. 2 Adolph Miethe: „Aufruf zur Gründung eines photographischen Museums in der reichshauptstadt“. In: Photographische Rundschau. 1907. S. 165–166. 3 Siehe „Die Juden in der Fotografie“.I n: Gebrauchsfotografie. Juni/Juli 1943. S. 86. 4 Bruno Uhl: Erinnerungen. Privatdruck 1970. S. 304. 5 Erich Stenger: Die Photographie in Kultur und Technik. Seebruck 1938 (Wehrmachtsausgabe 1944). 6 Ebd. 7 Erich Stenger: 100 Jahre Photographie und die Agfa, 1839–1939. München 1939. S. 51. 8 L. Fritz und Renate Gruber im Gespräch mit Peter Brinkemper, in: Peter Brinkemper: Erich Stenger. Ein Sammler und sein Verständnis. Manuskript. o. S. 9 Winfried Gripp: „Umfassender Blick auf die Fotohistorie. Agfa-Gevaert eröffnet Museum“. In: Kölner Stadt-Anzeiger vom 3. September 1974. 10 Agfa-Gevaert AG an Firma Foto Optik Otto Kaiser, 24. August 1970. Museum Ludwig, Archiv. 11 „Fotografie“. Kameras, Geräte und Fotos aus alter Zeit. Ausstellungsheft Stadtsparkasse gelsenkirchen 1974. S. 5. 12 Hasso Ley, zit. nach Günter R. Bröhl: „Agfa hat jetzt ein Museum“. In: Neue Ruhr Zeitung vom 3. September 1974. 13 Walter Benjamin: Das Passagen-Werk. Frankfurt am Main 1983. S. 271. 14 Peter Brinkemper: Erich Stenger. Ein Sammler und sein Verständnis. Manuskript. o. S.

Presseinformation

Pixum ist Partner des Museum Ludwig Kölner Online-Fotoservice unterstützt Digitalisierung der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig Köln, Juni 2014 Deutschlands führender Online-Fotoservice Pixum macht sich stark für die Fotokultur. Das Kölner Unternehmen ist ab sofort Kooperationspartner des Museum Ludwig. Im Rahmen der zunächst auf zwei Jahre angelegten Zusammenarbeit wird Pixum die Digitalisierung der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig unterstützen. Pixum engagiert sich als Sponsor mit einem fünfstelligen Betrag, um die Sammlung sukzessive zu digitalisieren und dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus sind zahlreiche gemeinsame Aktionen der beiden Partner geplant.

Das Museum Ludwig bewahrt eine der europaweit größten und bedeutendsten Sammlungen von Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts. Zusammen mit den Sammlungen Agfa – darunter die Sammlung Erich Stenger –, der Sammlung Gruber, der Sammlung des Fotografen Robert Lebeck oder von Daniela Mrazkova und eines Konvolutes russischer Fotografien der 1920er und 1930er Jahre umfasst die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig das ganze Spektrum der Fotografie von den Anfängen bis heute.

Anlässlich der 175-Jahrfeier der Fotografie wird die Sammlung Erich Stengers in der Ausstellung Das Museum der Fotografie: Eine Revision (28. Juni – 5. Oktober 2014) neu betrachtet und als Startpunkt für die Digitalisierung der Fotografischen Bestände genommen. Die Bestände werden fotografisch erfasst und auch alle verfügbaren Informationen, zum Beispiel handschriftliche Vermerke auf den Rückseiten, in die Datenbank aufgenommen. Mithilfe dieses langfristigen Digitalisierungsprojekts werden Stengers Schätze offen gelegt und können auch außerhalb des Museums vertieft erforscht werden. Die virtuelle Sichtbarmachung dieser einzigartigen Sammlung stärkt Kölns Ruf als bedeutenden Standort der Fotografiegeschichte weit über die regionalen Grenzen hinaus.

Dr. Miriam Halwani, Kuratorin der Fotografischen Sammlung am Museum Ludwig: „Die Digitalisierung der Sammlung ist dem Museum Ludwig ein zentrales Anliegen, um Wissenschaftlern und Interessierten weltweit und jederzeit Einsicht in die fotografischen Bestände des Museums zu ermöglichen. Dank der großzügigen Unterstützung unseres Partners Pixum können nun erstmals Teile der reichen Bestände der Fotografischen Sammlung in den nächsten zwei Jahren systematisch digitalisiert werden, um sie der Öffentlichkeit dauerhaft unter www.kulturelles-erbe-koeln.de einsehbar zu machen.“

„Wir teilen mit dem Museum Ludwig die Leidenschaft und Begeisterung für die Fotografie“, sagt Daniel Attallah, Gründer und Geschäftsführer von Pixum. „Das Museum www.pixum.de Seite 1 von 2

Ludwig bewahrt und präsentiert einzigartige historische und künstlerische Fotografien. Pixum sorgt dafür, dass Menschen ihre eigenen Fotos in Form hochwertiger Produkte wie dem Pixum Fotobuch und Pixum Wandbildern für immer bewahren können. Gerade im schnelllebigen Zeitalter der Digitalisierung besitzen gedruckte Fotoprodukte einen besonderen emotionalen Wert und gewinnen zunehmend an Bedeutung.”

„Darüber hinaus ist uns auch der regionale Bezug wichtig“, so Attallah weiter. „Die Fotografie besitzt in Köln eine lange Tradition, nicht zuletzt durch die photokina und ihre Bilderschauen, deren Fotos Eingang in die Fotografische Sammlung des Museum Ludwigs gefunden haben. Als Kölner Foto-Unternehmen wollen wir unseren Teil dazu beitragen, dieses Erbe zu bewahren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig, die wir im Rahmen zahlreicher Aktionen und Veranstaltungen weiter mit Leben füllen werden.“

Über Pixum Pixum ist Deutschlands führender Online-Fotoservice und zählt europaweit zu den größten Anbietern. Das Angebot umfasst hunderte Fotoprodukte, die Pixum Kunden aus ihren Digitalbildern individuell gestalten können. Bekanntestes Produkt ist das Pixum Fotobuch. Das weitere Angebot umfasst eine breite Auswahl an Wandbildern, Grußkarten, Fotokalender, Fotogeschenke und Fotoabzüge. Pixum Kunden können ihre Produkte mit der kostenfreien Pixum Fotobuch Software, im Pixum Web-Shop und über die Pixum Fotobuch App gestalten und bestellen. Darüber hinaus profitieren sie von der vielfach ausgezeichneten Pixum Produktqualität und bestem Kundenservice. Pixum bietet seine Produkte und Services in sieben Sprachen an und beliefern Kunden in ganz Europa. Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen hat seinen Firmensitz in Köln und beschäftigt mehr als hundert Mitarbeiter.

Pressekontakt Philip Beckerhoff E-Mail: [email protected] Fon: +49 (0) 2236 886 317 Fax: +49 (0) 2236 886 699 www.pixum.de/pressebereich

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LVR-Fachbereich Kommunikation

Presseinformation

Kultur für das Rheinland, Kultur in Europa

Der Landschaftsverband Rheinland und sein LVR-Dezernat Kultur und Umwelt

Das Rheinland ist eine ebenso lebendige wie geschichtsträchtige Kulturregion. Mitten im Herzen Europas ist es reich an kulturellen Spuren und Zeugnissen der letzten Jahrtausende. Vielfältig und abwechslungsreich ist daher die kulturelle Arbeit des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR): Als Kommunalverband und Partner der 13 kreisfreien Städte, 12 Kreise und der StädteRegion Aachen hat der LVR das Ziel, diese kulturelle Vielfalt zu erfassen und zu erforschen, zu bewahren und zu pflegen. Hierbei unterhält der LVR neben elf Museen auch die LVR-Ämter für Denkmal- und Bodendenkmalpflege sowie die LVR-Kulturdienste.

Die elf LVR-Museen zeigen das ganze Spektrum der Geschichte, Kunst und Kultur des Rheinlandes. Der Neandertaler, ältester und prominentester Rheinländer und Europäer, hat seine letzte Ruhestätte im LVR-LandesMuseum Bonn gefundenen. Der LVR- Archäologische Park Xanten und das LVR-RömerMuseum im Archäologischen Park Xanten führen zu den römischen Wurzeln im Rheinland. Das LVR-Freilichtmuseum Lindlar und das LVR-Freilichtmuseum Kommern widmen sich dem ländlichen Alltag, der Volkskunde und der Ökologie. Das LVR-Industriemuseum veranschaulicht als dezentrales Museum an sechs Schauplätzen Industrie- und Sozialgeschichte an ehemaligen Industriestandorten. Das Max Ernst Museum Brühl des LVR zeigt das außerordentliche Kunstschaffen des aus Brühl gebürtigen Künstlers Max Ernst. Neben den elf LVR-Museen widmet sich eine ständige Ausstellung im LVR-Kulturhaus Landsynagoge Rödingen im Kreis Düren der jüdischen Geschichte im Rheinland. Auf dem Gelände der ehemaligen Abtei Brauweiler, heute LVR-Kulturzentrum, dokumentiert die Gedenkstätte Brauweiler die Jahre 1933 bis 1945, als in Brauweiler eine Arbeitsanstalt und zeitweise auch ein Gestapo-Gefängnis untergebracht waren.

In Dauer- und/oder Wechselausstellungen bieten alle LVR-Museen eine umfassende Themenvermittlung und zielgruppengerechte Programme für Bildung und Freizeit. Die Museen des LVR sind weitest gehend barrierefrei und machen für Menschen mit Behinderungen besondere Angebote.

Die LVR-Beratungs- und Forschungseinrichtungen stehen als Service allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Kultureinrichtungen im Rheinland zur Verfügung. Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland und das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland sichern und bewahren bauliche wie archäologische Zeugnisse rheinischer Geschichte und Kultur. Das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte untersucht aktuelle und historische Entwicklungen in der Region. Das LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum betreut und sichert rheinisches Archivgut und bildet Papierrestaurateure und -restaurateurinnen aus. Das gemeinsam mit der Landeshauptstadt

Organisationsbereich LVR-Direktorin, LVR-Fachbereich Kommunikation, Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln; Leitung: Christine Bayer Telefon: 0221 809-2781, Telefax: 0221 809-2889, Mail: [email protected], Internet: www.lvr.de Seite 2

Düsseldorf getragene LVR-Zentrum für Medien und Bildung setzt medien- und bildungspolitische Schwerpunkte. Die im LVR-Fachbereich Umwelt angesiedelte LVR-Kulturlandschaftspflege widmet sich mit vielfältigen Aktivitäten wie beispielsweise der Rekonstruktion des Jakobspilger-Wegenetzes dem Erhalt, der Pflege und der Entwicklung der historisch geprägten Kulturlandschaften im Rheinland.

Neben diesen eigenen Einrichtungen ist der LVR durch seine Regionale Kulturförderung sowie die fachliche Beratung und finanzielle Förderung durch die LVR-Museumsberatung zuverlässiger Partner auch für die kommunale Kulturarbeit, besonders der rheinischen Museen. Der LVR-Fachbereich Kultur unterstützt die rheinischen Museen und Sammlungen finanziell. Ziel ist der Erhalt und die Weiterentwicklung einer lebendigen Museumslandschaft im Rheinland. Im Rahmen der Bewahrung des kulturellen Erbes gilt die inhaltliche sowie finanzielle Unterstützung durch den LVR in besonderem Maße den Museen, die rheinische Besonderheiten und für das Rheinland prägende Entwicklungen aufarbeiten oder Themen von hoher regionaler Bedeutung behandeln. Darüber hinaus fördert der LVR das ehrenamtliche Engagement, durch das immer mehr Museen getragen werden. Die Unterstützung von Freundes- und Förderkreisen sowie die Stärkung und Aktivierung von ehrenamtlichem, bürgerschaftlichem Engagement sind ebenfalls ausgesprochenes Ziel der Förderung.

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