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SWR2 Tandem Zwischen Exzentrik und Weisheit wird 70

Sendung: Freitag, 24. März 2017, 19.20 Uhr Redaktion: Bettina Stender Autorin: Christiane Rebmann Sprecher: Peter Binder

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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Manuskript

Zwischen Exzentrik und Weisheit Elton John wird 70

O-Ton war der Bruder, den ich nie hatte. Er war mein Seelenverwandter, und er ist es auf eine Art immer noch. Ich bin ja als Einzelkind aufgewachsen. Und als er in mein Leben kam, machten wir alles zusammen. Wir gingen zusammen ins Kino und in Konzerte. Dass ich ihm begegnet bin, war eines der wunderbarsten Dinge, die mir widerfahren sind. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Elton John über seinen Texter Bernie Taupin, dem er einen großen Teil seines Erfolges verdankt.

1. Song:

Der britische Musiker Elton John hat seit Beginn seiner Karriere Ende der 1960er Jahre rund 300 Millionen Platten verkauft. Sein weltweiter Erfolg beruht auf seinen außerordentlichen Fähigkeiten als Komponist, Sänger und Pianist und auf seinen Entertainerqualitäten, die er immer wieder in fantasievoll aufwendigen Bühnenshows bewies. Dabei fühlte er sich nie an ein Genre gebunden. In Popklassikern wie „Rocket Man“, „Crocodile Rock“, „Daniel“, „Saturday Night’s Alright (For Fighting)“ oder „Goodbye Yellow Brick Road“ vermischte er Pop mit sinfonischen Elementen, Rock’n’Roll, Blues oder Gospel. Anlässlich seines 70. Geburtstags am 25. März beschäftigen wir uns mit seinem Leben und seiner Karriere. Zwischen Exzentrik und Weisheit. Ein Portrait des britischen Musikers Elton John. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann.

2. Song: Crocodile Rock

Reginald Kenneth Dwight kam am 25. März 1947 in Pinner in der britischen Grafschaft Middlesex zur Welt. Seine Eltern heirateten erst, als er sechs war, und der Junge wuchs teilweise bei seinen Großeltern auf. Er hatte ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater, einem Flight Lieutenant der Royal Airforce und semiprofessionellen Trompeter. Mit drei begann der Junge, Klavier zu spielen, mit sieben bekam er seinen ersten Unterricht, mit elf gewann er ein Stipendium an der Londoner Royal Acadamy of Music, deren Ehrendoktortitel er heute trägt. In seiner Umgebung wurde viel Musik gehört, so konnte er früh anfangen, sich Vorbilder auszugucken.

O-Ton hat mich als Pianospieler sehr stark beeinflusst. Als Teenager bin ich immer in seine Konzerte gegangen. Mir standen die Haare zu Berge, wenn ich ihn spielen sah. Er war so brillant.

Mit 15 verdiente er sich an den Wochenenden gutes Taschengeld als Pubpianist, und mit 17 gründete er seine erste Band , die unter anderem Musiker wie

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Patti LaBelle und begleitete. Drei Jahre später nannte sich Reggie in Elton John um, nach Long John Baldry und dem Bluesology Saxophonisten Elton Dean. Kurz davor hatte er begonnen, mit dem britischen Texter Bernie Taupin zusammen zu arbeiten.

1969 veröffentlichte er mit mäßigem Erfolg sein erstes “. Erst mit dem zweiten Werk „Elton John“ nahm seine Karriere Fahrt auf. Schuld war „“, eine vom Jazz und Folk beeinflusste Liebesballade, die ihn an die Spitze der britischen Charts katapultierte – allerdings erst, nachdem sie in den USA ein Hit geworden war.

3. Song: Your Song

1970 war er zum ersten Mal mit seiner Band durch die USA getourt und in kleineren Clubs aufgetreten.

O-Ton Meine Musik ist ja eh von der amerikanischen Musik beeinflusst. Sie basiert auf Americana, auf großartiger Bluesmusik. Wir haben damals in Großbritannien alle die amerikanische Musik geliebt. Und deshalb haben alle Bands, die in die USA kamen und Erfolg hatten, amerikanische Musik in ihren Shows gespielt. Oder zumindest waren ihre Kompositionen von der amerikanischen Musik beeinflusst.

1975 war er als einer der ersten weißen Künstler in der TV Sendung „Soul Train“ zu sehen, die sich hauptsächlich auf schwarze Musik konzentrierte.

O-Ton Ich war so froh, dass ich in „Soul Train“ auftreten durfte, weil das die Art Musik war, die ich liebte und mit der ich aufgewachsen war. Ich war sehr stolz, dass ich quasi in den Olymp der großartigen Musiker aufgenommen wurde. Als ich in die USA kam, ging ich als erstes nach New York und besuchte das Apollo Theater, nur um es mir von außen anzusehen. Ich besuchte die Studios und die Stax Recording Studios, um mir die Achtspurmaschine anzusehen, mit der diese ganze wunderbare Musik aufgenommen worden war.

Elton John ist ein eloquenter, freundlicher, humorvoller Gesprächspartner, der fast doppelt so schnell spricht wie die meisten seiner Kollegen. Zuletzt habe ich ihn 2014 im Backstagebereich des Cesars Palace Hotels in Las Vegas interviewt, wo er gerade eine Konzertreihe gab. Er zeigte sich nachdenklich und selbstkritisch und weit weniger exzentrisch als bei unseren ersten Treffen in den 80er Jahren.

Dieses Exzentrische war lange Zeit ein wesentlicher Bestandteil seines Images. „Ich spiele ja Piano und nicht Gitarre – deshalb kann ich auf der Bühne leider nie so sexy aussehen wie all die Gitarrengötter“ – beschwerte er sich mal. „Ich kann nicht meinen Flügel hochheben und mit ihm hinternwackelnd über die Bühne spazieren.“

Er machte das vor allem am Anfang seiner Karriere durch spektakuläre Bühnenshows wett. So trat er in grellbunten Tier- oder Fabelverkleidungen auf,

3 verziert mit Straußenfedern, Flügeln oder Tentakeln, deren Design wohl auch seinen zunehmenden Drogenkonsum widerspiegelten. Dazu die überdimensionalen Brillen, hinter denen er sich versteckte. Später gab er zu, dass er damit nur verbergen wollte, dass er sich klein und hässlich fühlte.

4. Song: - Live

„Bennie and the Jets“, in einer Live Version vom Boxset des „Goodbye Yellow Brick Road“, das 2014 anlässlich des 40. Geburtstages seines Erscheinens veröffentlicht wurde. Das Werk hatte ihn damals auf eine neue Ebene katapultiert, was Ruhm und Plattenverkäufe betraf.

O-Ton Live lief es bei uns damals ja schon lange sehr gut. Aber dieses Album hob uns in die Chefetage der Superstars. Wir waren damals zu viert. an der Gitarre, Nigel Olson am Schlagzeug, Dean Murray am Bass und ich. Wir hatten Bernie Taupin, der die Songs schrieb und , der das Album produzierte. Mit diesem Team funktionierten wir wie eine gut geölte Maschine. Wir waren jung und taten das, was uns Spaß machte. Und wir waren damit auch noch sehr erfolgreich. Was kann man sich mehr wünschen?

Die Zusammenarbeit lief so gut, dass sich Elton John häufig nach einem langen Studiotag zurückziehen und die Band allein weiter werkeln lassen konnte.

O-Ton Wir spielten die Instrumentaltracks ein und meinen Gesang. Danach ging ich ins Bett, und sie blieben und nahmen noch den Harmoniegesang auf. Am nächsten Tag stand ich auf, ging ins Studio und hörte mir an, was sie aufgenommen hatten. Wir waren sehr gut auf einander eingespielt. Ich habe meinen Musikern nie gesagt, was sie spielen sollten. Gute Musiker steuern eigene Ideen bei.

Viele Songs aus der Zeit wiesen schon auf den zunehmenden Drogenkonsum der Musiker hin. Wäre das Stück “Rocket Man” ein Hit geworden, wenn damals bekannt gewesen wäre, dass es hier um Drogen ging?

O-Ton Sie beziehen sich auf die Zeile „High as a kite by then“ – schwer zu sagen. Das war mein erster großer Pop Hit. Er hatte einfach einen guten Refrain. Was die Drogen betrifft: Damals waren eine Menge Drogen im Umlauf. Andere Drogen als heute. Das war alles hauptsächlich Pot und Kokain. Ich kann nicht sagen, ob diese Anspielung womöglich sogar dafür gesorgt hat, dass diese Platte ein Hit wurde. Ich denke, es war einfach ein guter Song.

5. Song: Rocket Man live

In den 70er Jahren bis zu seinem Entzug Anfang der 1990er Jahre stand Elton John häufig unter Drogen, wenn er auf die Bühne ging.

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O-Ton Das ist etwas, auf das ich nicht stolz war, und auf das ich auch heute nicht stolz bin. Aber es hat mich damals vor dem Tod bewahrt, dass ich weitergearbeitet habe, während ich Drogen nahm. Ich kann allerdings nicht sagen, dass ich durch die Drogen live besser gespielt hätte oder kreativer gewesen wäre. Andere Musiker haben das in den 60er und frühen 70er Jahren von sich behauptet. Vielleicht haben sich die Drogen ja bei Kollegen wie Jimi Hendrix, Jefferson Airplane, den Rolling Stones, den Beatles und Bob Dylan positiv aufs Schreiben ausgewirkt. Ich habe auch ohne Drogen genügend Energie und Kreativität in mir.

Der massive Alkohol- und Drogenmissbrauch habe dazu geführt, dass er sich extrem egoistisch verhalten habe, sagt er. Nachdem er das erkannt hatte, zog er die Konsequenzen. Ende der 1980er Jahre war er dem aidskranken US Amerikaner Ryan White begegnet, der sich mit 13 an einer Blutkonserve infiziert hatte. Der Künstler unterstützte ihn und seine Familie bis zu Ryans Tod im Alter von 18 Jahren. Die Begegnung habe ihn verändert, sagte Elton später. 1992 gründete er die Elton John Aids Foundation.

O-Ton Ich hatte mich viel zu lange nur mit mir selbst beschäftigt. Ich hatte zwar eine Platte mit Dionne Warwick, Stevie Wonder und Gladys Knight aufgenommen. Und ich war für Elizabeth Taylors Stiftung aufgetreten. Aber ich hätte mich viel stärker für die AIDS Gemeinde engagieren müssen. Deshalb gründete ich diese Organisation. Sie hat inzwischen über 350 Millionen Dollar an Hilfsgeldern verteilt. Wir haben nur 1 oder 2 Prozent Betriebskosten. Ich bin extrem stolz darauf. Wir handeln einfach und sprechen nicht groß darüber. Wir arbeiten mit den anderen großen Aids Organisationen daran, die Situation für HIV infizierte Menschen zu verbessern. Mit den neuen Medikamenten ist das ja möglich. Jetzt geht es darum, die betroffenen Menschen dazu zu bringen, dass sie auf uns zukommen und sagen: „Ich bin HIV- positiv“. Es ist ja immer noch eine schambeladene Krankheit.

6. Song: Elton John, Dionne Warwick, Stevie Wonder und Gladys Knight: That‘s what friends are for

Elton John ist frustriert, dass AIDS immer noch ein Tabu-Thema ist – mehr als drei Jahrzehnte, nachdem Prinzessin Diana zur Eröffnung von Englands erster Aids Station am Middlesex Hospital in London öffentlich neun Aids Kranken ohne Handschuhe die Hände schüttelte.

O-Ton Sie war der erste berühmte Mensch – dazu noch aus königlichem Hause - der AIDS Patienten berührte. Sie tat das zu einer Zeit, als man noch glaubte, dass man sich allein dadurch, dass man jemanden anfasste, mit HIV anstecken könnte. Das war ein riesiger Schritt vorwärts. Es ist inspirierend, wenn Menschen diese Chance ergreifen, so etwas zu tun. Ihre Geste trug dazu bei, die Menschen zu informieren.

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Bei der Trauerfeier für seine gute Freundin sang er eine extra auf sie zugeschnittene Version von “”. Und damit wurde das Lied, das damals schon 23 Jahre alt war, zum dritten Mal ein Hit.

O-Ton Dieser Song hatte so viele Leben. Als wir ihn schrieben, ging es nur um Marilyn Monroe. Es war damals keine Single in den USA. Es war eine Single in England, und dann wurde das Lied in den USA als Single aus dem Live Album ausgekoppelt, das wir in Australien aufgenommen hatten. Und dann wurde der Song wieder populär, als die Tragödie mit Prinzessin Di passierte. Es ist ein sehr einfacher Song mit einem sehr ergreifenden Text. Diese Mischung ergibt die besten Songs. Das sind die Lieder, die den Menschen in Erinnerung bleiben.

7. Song: Candle in the Wind 97

Neben dem Engagement für AIDS Kranke hatte sich Elton John auch jahrelang für den Fußballclub FC Watford eingesetzt.

O-Ton Das war eine sehr schöne Phase in meinem Leben. So wie meine Musik immer Teamarbeit war, arbeitete ich auch hier mit einem sehr guten Team zusammen. Und wir schafften innerhalb von fünf Jahren den Aufstieg von der vierten Division in die Premier League.

Später gab er seinen Posten als Präsident ab. Er unterstützt den Verein auch nicht mehr finanziell.

O-Ton Der Fußball von heute macht mich krank. Die Geldsummen, die mittlerweile im Fußball fließen, sind obszön. Mir gefiel die Ebene, auf der ich involviert war. Das war noch die Grassroots Ebene.

8. Song: Saturday night’s alright for fighting

Ab dem 21. Dezember 2005, dem ersten Tag, an dem das in Großbritannien möglich war, führten Elton John und sein Partner eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Ende 2014 ließen sie diesen Status mit einer großen Feier in eine Ehe umwandeln. O-Ton Wir haben so lange gekämpft. Die Schwulen auf dieser Welt sind so lange verfolgt worden. In den 50er und 60er Jahren war es in meinem Heimatland England gegen das Gesetz, schwul zu sein. Wir sollten also sehr dankbar dafür sein, dass in den letzten 20, 30 Jahren all diese Gesetze erlassen wurden. Das ist ein riesiger Fortschritt für die Menschenrechte. Ich bin sehr stolz auf mein Land, dass es das getan hat. Wir sollten von diesen Rechten Gebrauch machen. Und wir sollten sie feiern.

Er selbst habe nie Probleme mit seiner Homosexualität gehabt, versichert er. In den 70er Jahren hatte er sich im US Magazin geoutet.

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O-Ton Schon davor war ich in dem Glauben gewesen, die Leute wüssten, dass ich schwul bin. Ich lebte ja mit meinem Manager zusammen. Das war zumindest in der Musikindustrie kein Geheimnis. Aber für Leute, die im Entertainment Business arbeiten, ist das viel einfacher als für die Menschen in der Provinz. Denen empfehle ich heute noch, in eine größere Stadt zu ziehen. Nur so entkommen sie der Diskriminierung, die sie zum Teil sogar in ihren eigenen Familien erfahren. Ihre Eltern werfen sie raus, weil sie schwul sind. Solche Eltern sollte man ins Gefängnis stecken.

Es ärgert ihn, dass die Homophobie weltweit wieder zunimmt und dass Schwule diskriminiert werden und sogar um ihr Leben fürchten müssen - vor allem in Ländern wie Russland. Da hilft es auch nicht, dass Präsident Wladimir Putin Elton John vor einigen Jahren „einen außergewöhnlichen Mann“ nannte.

9. Song: Daniel

Elton John hat immer betont, dass er seinen lang anhaltenden Erfolg auch der Zusammenarbeit mit Bernie Taupin zu verdanken hat. Der Brite schreibt seit Beginn seiner Karriere die Texte für Eltons Lieder. Die Zwei treffen sich selten, telefonieren aber häufig miteinander.

O-Ton Wir haben nie im selben Zimmer zusammengearbeitet. Seit dem ersten Tag unserer Zusammenarbeit läuft es so, dass er mir den Text gibt und ich in ein anderes Zimmer gehe und die Musik für den Song schreibe. Wenn er fertig ist, sprechen wir darüber. Das hält unsere Arbeit frisch. Ich bin heute immer noch so aufgeregt und begeistert, wenn ich einen Song schreibe, wie ich es 1967 war. Das ist eine außergewöhnliche Art zu arbeiten. Es ist nicht zu erklären – aber es funktioniert.

Wir sind nie an einen Punkt gekommen, wo wir nicht in der Lage gewesen wären zu schreiben, sagt er.

O-Ton Ich lese seinen Text und stelle mir einen Film oder ein Video vor, oder es läuft eine Geschichte in meinem Kopf ab. Das ist die einzige Art, wie ich schreiben kann. Ich bin kein sehr guter Textschreiber. Die Leute sagen immer: „Elton, warum schreibst du deine Texte nicht selbst?“ Und dann antworte ich: „Weil es respektlos gegenüber den Menschen wäre, die großartige Texte schreiben.“ Du kannst sehr eloquent und in der Lage sein, sehr intellektuell und intelligent zu reden. Aber das ist etwas ganz anderes, als Songtexte auf ein Blatt Papier zu schreiben.

Elton lässt seinem Partner auch freie Hand, was die Themen in den Liedern betrifft. Und so gibt es immer wieder Überraschungen, zum Beispiel im Song „Oceans Away“ vom 2013er Album „“. Es ist ein für sein Verhältnisse ungewöhnlich politisches Lied.

O-Ton Es ist ein Song über die Menschen, die ihr Leben im Ersten Weltkrieg verloren haben – auf beiden Seiten. Ein Lied über die nutzlosen Tode und den Schrecken des

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Krieges und die Trauer darüber und dass wir nie diese Menschen vergessen sollten, die für uns gestorben sind. Ursprünglich wollte ich bei diesem Song noch mehr Instrumente hinzufügen. Aber die Plattenfirma sagte: „Nein, lass es bei Klavier und Stimme. Das ist sehr einfach. Das ist schön, und es erzählt die Geschichte.“

10. Song: Oceans Away

„The Diving Board“ ist nach dem 2010er Album „The Union“ mit Leon Russell Elton Johns zweite Zusammenarbeit mit dem US amerikanischen Musiker und Produzenten , der einen Ruf als genialer, aber eigensinniger und nicht gerade chartsaffiner Künstler hat.

O-Ton Ich wollte unbedingt mit ihm arbeiten. Denn mir war klar: An diesem Punkt so spät in meinem Leben und in meiner Karriere werde ich keine kommerziellen Songs mehr schreiben. Ich habe es immer wieder geschafft, Stücke zu schreiben, die Hits wurden. Aber ich schrieb sie nicht unbedingt mit der Absicht, Hits zu schaffen. Ich hatte schon so lange immer wieder von T Bone gehört. Dann kam das Album von Alison Krauss und Robert Plant heraus, ein gigantisches Album. Und als ich dann mit Leon Russell ins Studio gehen wollte, wandte ich mich an T Bone.

11. Song: You’re never too old

“You‘re never too old“, du bist nie zu alt - Elton Johns Lieblingssong aus seinem Album „The Union“. „Er beschreibt sein Verhältnis zum Alter ganz gut“, sagt er, ich fühle mich noch lange nicht so alt, wie ich bin, sondern eher wie ein Turbo-Bunny.“ 1999 ließ er sich einen Herzschrittmacher einbauen. Er versucht, sich fit zu halten. Seinen Haarverlust hat er schon vor vielen Jahren – unter spöttischer Anteilnahme der Öffentlichkeit – mit chirurgischer Hilfe bekämpft.

Seit einiger Zeit wendet er sich verstärkt seinen jüngeren Kollegen zu und bietet ihnen mit seiner Management Firma Unterstützung an. Heutige Stars wie Ed Sheeran, James Blunt und Lily Allen nahmen schon früh in ihrer Karriere seine Dienste an.

O-Ton Für mich ist es viel wichtiger, neue Musik zu hören als alte Musik. Die alte Musik kenne ich, und ich höre sie gern, wenn sie läuft. Aber mich interessiert viel mehr, was junge Leute zu bieten haben, Musiker wie Jake Bugg, der Mann hat eine unglaubliche Energie. Ich versuche, diese Künstler zu unterstützen, indem ich ihnen öffentlich applaudiere: „Hört mal alle her, dies ist eine wunderbare Platte von jemand ganz Jungem.“

Warnt Elton John seine Schützlinge auch vor bestimmten Verhaltensweisen? Zum Beispiel, dass sie nicht bei der Hotelrezeption anrufen sollen und darum bitten, dass die Geschäftsleitung den Wind draußen vor dem Haus anhält – Dinge, die er selbst getan hat, als er auf Drogen war?

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O-Ton Ich würde gar nicht erst zulassen, dass sie in diese Lage kommen. Dass es zu einem Anruf kommt, wie ich ihn damals gemacht habe: „Würden Sie bitte den Wind abstellen?“ Das geht gar nicht. Weil ich schon so lange dabei bin, hören sie zum Glück auf mich, und ich liebe das.

Welches sind die wichtigsten Ratschläge, die er jüngeren Musikern gibt?

O-Ton „Genieße, was du tust. Es wird gute Zeiten geben. Und es wird schlechte Zeiten geben. Aber wenn du Talent hast, dann wirst du das Auf und Ab überstehen. Du kannst nicht immerzu auf Platz Eins der Charts sein. Genieße es, solange es anhält.“

Ed Sheeran nahm für die „Yellow Brick Road“ Jubiläums Box eine eigene Version von Elton Johns Klassiker „Candle in the Wind“ auf.

12. Song: Ed Sheeran: Candle in the wind

Nicht nur junge Künstler wie Ed Sheeran oder die Schottin Amy MacDonald orientieren sich an Elton John. Er hat mit seiner Art Songs zu schreiben und sie umzusetzen ganze Generationen von Musikern beeindruckt und beeinflusst. Seine 58jährige Kollegin Kate Bush outete sich vor einiger Zeit in unserem Interview als große Bewunderin seiner Kunst und verriet, dass er maßgeblichen Anteil an ihrem Erfolg hatte.

O-Ton Kate Bush Er ist einer meiner größten Helden. Als ich anfing, Songs zu schreiben, gehörte er zu meinen wichtigsten Vorbildern. Ich träumte immer davon, so Klavier zu spielen wie er und so Songs schreiben zu können wie er. Die meisten Singer Songwriter schrieben ja damals ihre Songs zur Gitarre.

2011 konnte sie Elton überreden, ihren Song „Snowed in at Wheeler Street“ im Duett mit ihr aufzunehmen. Und das, obwohl sich die beiden nicht im Studio treffen konnten, sondern getrennt aufnehmen mussten – eine Arbeitsweise, die Elton nicht so liegt.

O-Ton Kate Bush Ich finde, dass Elton in diesem Song ganz außergewöhnlich klingt, so gefühlvoll. Seine Stimme klingt in dieser tieferen Tonlage besonders schön. Sie klingt in jeder Tonlage gut, aber das hier hat etwas ganz Besonderes.

13. Song: Kate Bush: Snowed in at Wheeler Street

Privat hört Elton John am liebsten Musik, die sich von seiner eigenen und der seiner Managementkunden unterscheidet.

O-Ton Ich liebe elektronische Musik. Das alles ging mit Wendy Carlos und Kraftwerk los, aber Kraftwerk war die erste Band, die mich darauf brachte. Wenn ich morgens aufstehe, lege ich elektronische Musik auf und tanze dazu, während ich mich rasiere. 9

Aber ich habe keine Ahnung, wie man sie macht. Ich bin ein Technikmuffel. Ich habe keine Ahnung, wie man all diese Geräte bedient.

Da wird ihm wahrscheinlich demnächst sein Nachwuchs helfen können. 2010 und 2013 ließen Elton John und sein Ehemann David Furnish zwei Kinder von einer Leihmutter zur Welt bringen. Seitdem habe sich sein Leben fundamental verändert, schwärmt der britische Künstler.

O-Ton Kinder zu haben ist mit nichts zu vergleichen. Wir hatten ja zuerst versucht, einen Jungen in der Ukraine zu adoptieren. Nach eineinhalb Jahren entschieden wir uns, ein eigenes Kind zu bekommen. Und dann bekamen wir Zachary. Bevor er geboren wurde, hatte ich nicht gewusst, dass man so viel Liebe für einen Menschen empfinden kann. Und jetzt haben wir auch noch Elijah. Keine Freude über ein Platin Album oder eine ausverkaufte Tournee kommt in irgendeiner Weise an die Liebe zu einem Kind heran. Das Vatersein hat mir in diesem späten Abschnitt meines Lebens das Gefühl gegeben, vollständig zu sein. Mein Leben dreht sich nicht mehr um meine Karriere. Es dreht sich nicht mehr um David und mich, obwohl wir auch sehr wichtig sind, weil wir Eltern sind. Deshalb bleibt unsere Beziehung stark. Aber das Wichtigste sind jetzt die Kinder. Um sie dreht sich mein ganzer Zeitplan. Um die Kinder und ihre Zukunft. Was auch immer anliegt, ich will bei ihnen sein. Ich will dabei sein, wenn sie zur Schule kommen. Ich nehme deshalb immer weniger Arbeit an.

Immerhin geht er dieses Jahr wieder auf Deutschlandtournee. Er kann sich nicht vorstellen, ganz auf Konzertreisen zu verzichten.

O-Ton Ich werde nie ganz mit den Tourneen aufhören. Ich werde immer live spielen. Aber bevor die Kinder kamen, bin ich 10 oder 11 Monate im Jahr auf Tournee gewesen. Jetzt werde ich die Tourneen auf sechs Monate im Jahr beschränken.

Elton John ist mehr als 60 Jahre älter als seine Kinder. Hat er keine Angst davor, sie in relativ jungem Alter zurückzulassen?

O-Ton Ich habe vor nichts Angst. Natürlich möchte ich noch lange leben und sehen, wie meine Kinder aufwachsen. Aber ich bin ja Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern. Und im Großen Buch der Anonymen Alkoholiker steht, dass man seine Krankheit annehmen muss. Seit ich clean bin, nehme ich die Dinge also so, wie sie kommen. Ich weiß nicht, was passieren wird, und ich will es auch nicht wissen. Ich werde sterben, wenn meine Zeit gekommen ist. Aber ich möchte so gern noch erleben, wie meine Kinder aufwachsen. Ich möchte noch mehr Zeit mit meinem Partner haben. Es gibt noch so viel, was ich auf dieser Welt erreichen möchte, bevor ich sie verlasse.

14. Song: Tambourine

„Tambourine“ aus Elton Johns 32tem Studio Album „“ von 2016. Er spielte es in 17 Tagen ein.

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Auf die Frage nach der schwierigsten Phase in seinem Leben zieht er eine positive Bilanz.

O-Ton Ich würde sagen, die Drogenzeit Ende der 80er Jahre. Ich war sehr unglücklich. Aber im Prinzip geschieht ja alles aus einem bestimmten Grund. Wenn ich keine Drogen genommen hätte, hätte ich keinen Entzug gemacht. Als ich wieder clean war, schrieb ich die Musik zum Film „König der Löwen“, und dann schrieb ich vier Musicals. Alles, was mir nach dem Entzug widerfuhr, war so wunderbar. Um an den Punkt in meinem Leben zu kommen, wo ich clean wurde, musste ich viel Schmerzhaftes durchmachen. Aber einiges davon war offensichtlich notwendig, um mich dorthin zu bringen, wo ich jetzt bin. Und ich bin sehr dankbar für mein Leben. Ich bin dankbar, dass ich in der Lage bin, hier zu sitzen und mit Ihnen darüber zu sprechen. Ich habe ein wunderbares Leben gehabt, und ich habe noch einiges vor mir.

Das war „Elton John – Zwischen Exzentrik und Weisheit – ein Portrait von und mit Christiane Rebmann. Unser Podcast-und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden sie im Internet unter SWR2.de/ Tandem.

15. Song: Circle of life

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