Wolfgang Amadeus Mozart Vom Rauen Politischen Klima Im Rom Des Dikta- (1756–1791) Ber Zwei Jahrzehnte Hinweg Hat Wolfgang Tors Silla Alias Sulla
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Mozarts Kastraten Schon die Ouvertüre des Lucio Silla kündet WoLFgang amadeuS mozart vom rauen politischen Klima im Rom des Dikta- (1756–1791) ber zwei Jahrzehnte hinweg hat Wolfgang tors Silla alias Sulla. Der Rachsucht des Macht- ÜAmadeus Mozart Opernpartien für Kastra- habers soll auch der junge Cecilio zum Opfer ten geschrieben – von seinem ersten Mailänder fallen. Als er zu Beginn der Oper aus dem Exil Kastraten-Arien „Dramma per musica“ 1771 bis zu seiner letzten heimkehrt, wünscht er sich nichts sehnlicher als Oper La clemenza di Tito 1791. Nicht wenige jener den zärtlichen Moment, in dem er endlich wie- Starsänger begannen ihre Karriere in München, der seine Geliebte Giunia in die Arme schließen La finta giardiniera, KV 196 Idomeneo, Rè di Creta, KV 366 auf der Bühne des Cuvilliés-Theaters, wo sie vom kann. Mozart hat die überschäumende Liebes- [01] Se l’augellin sen fugge (Ramiro) 04:18 [07] Non ho colpa (Idamante) 06:01 Kurfürsten Max III. Joseph persönlich gefördert sehnsucht des jungen Mannes in einer Bravour- [02] Dolce d‘amor compagna (Ramiro) 07:52 wurden. 1766 verpflichtete der Wittelsbacher arie von weitesten Dimensionen und pracht- Le nozze di Figaro, KV 492 einen blutjungen Sopranisten aus der Nähe von vollsten Orchesterfarben eingefangen, dabei aber Lucio Silla, KV 135 [08] Voi che sapete (Cherubino) 03:04 Rom namens Venanzio Rauzzini. Als der junge immer wieder Raum gefunden für jenen „tenero [03] Ouvertüre 07:30 Mann sechs Jahre später München verließ, wur- momento“, den sich Cecilio in so zarten Farben [04] Pupille amate (Cecilio) 05:12 total 49:54 de er sofort an die größten Opernhäuser Italiens ausmalt. Am Ende der Oper, wenn alles verloren [05] Il tenero momento (Cecilio) 08:29 verpflichtet, so auch an das „Regio Ducal Teatro“ scheint, verabschiedet er sich von Giunia mit ei- in Mailand, den Vorgängerbau der Scala. Den nem Loblied auf ihre geliebten Augen: „Pupille La clemenza di Tito, KV 621 Auftrag für die erste Oper des Mailänder Kar- amate“. Es ist ein Rondo im Tempo eines Me- [06] Deh, per questo istante solo (Sesto) 07:24 nevals 1773 hatte Mozart erhalten. So trafen der nuetts, so schlicht und schön geschrieben, wie es sechzehnjährige Salzburger und der sechsund- selbst Mozart nur ein einziges Mal gelungen ist. zwanzigjährige Römer aufeinander: bei der Ein- Nach den Erfolgen in Italien erhoffte sich studierung des Lucio Silla. Obwohl Mozart bald Mozart endlich auch aus München den Auftrag Valer Sabadus, Countertenor Bekanntschaft mit den Starallüren seines „Primo zu einer Opera seria; stattdessen musste er mit ei- recreation – Großes Orchester Graz uomo“ machte, schrieb er ihm die schönsten ner Opera buffa Vorlieb nehmen: La finta giardi Arien auf den Leib und nach der Uraufführung niera wurde im Fasching 1775 im alten Münchner Michael Hofstetter, Dirigent der Oper auch gleich noch die lateinische Solo- Opernhaus am Salvatorplatz uraufgeführt. Die LIVe Recording motette Exsultate, jubilate. Rolle des abgewiesenen Liebhabers Ramiro sang 3 der Sopranist Tommaso Consoli, der als zweiter so entstandene „pfalz-bayerische Hofkapelle“ dass dal Prato in der Rolle des Idamante letztlich großen, spannungsreich sich steigernden Rondò Kastrat für die ernsten Hofopern engagiert wor- war nichts anderes als das Nachfolge-Ensemble doch überzeugte, selbst in seiner anspruchsvollen war es ein weiter Weg – ein Weg, den Mozart den war. Der Kurfürst höchstpersönlich erteilte der berühmten „Mannheimer“ und für Mozarts ersten Arie „Non ho colpa“. Schon in der lang- voller Begeisterung für die Gesangskunst seiner dem jungen Römer Unterricht im ausdrucks- Zwecke bestens geeignet, als er endlich 1780 den samen Einleitung hat Mozart Rücksicht auf die Kastraten absolviert hat. Dass er auf diesem Weg vollen Seriastil. Auch Mozart hat seine Arien Auftrag für den Idomeneo erhielt. Erst bei der Kurzatmigkeit des Sängers genommen. Auch ausgerechnet seinen populärsten jugendlich un- für Consoli in diesem Stil gehalten: In „Dolce Ankunft in München wurde er mit dem größten im Allegro fallen viele Pausen auf und die aus- gestümen Liebhaber Cherubino als Hosenrolle d’amor compagna“ besingt Ramiro die Hoffnung Hindernis der bevorstehenden Produktion kon- geschriebenen Verzierungen an den Fermaten; anlegte, ist letztlich wieder den Zufällen der Ge- als süße Wegbegleiterin treuer Liebe und benutzt frontiert: mit dem Kastraten Vincenzo dal Prato umso hemmungsloser darf sich darunter das Or- schichte geschuldet: Das Wiener Opernensem- dazu die langen Phrasen einer typischen „Aria in der Rolle des Idamante. Wie eine Litanei lesen chester entfalten: im aufgewühltem „Agitato“ der ble von 1786 verfügte im Gegensatz zur Münch- cantabile“ mit ihrem Portamento und ihren vie- sich Mozarts Klagen über die Unfähigkeit die- Streicher und in fantastisch reichen Bläserstim- ner Buffatruppe von 1775 schlicht über keinen len kleinen Verzierungen. Während die Streicher ses Sängers in den Briefen an seinen Vater (hier men inklusive Klarinetten. Kastraten. hier von zwei Fagotten dunkel grundiert werden, zusammengefasst und in der Orthographie mo- Der letzte Kastrat in Mozarts Leben war ein Dr. Karl Böhmer dürfen sie in Ramiros erster Arie glänzen: Die dernisiert): „Meinem molto amato Castrato del Routinier: Domenico Bedini war schon Mitte 40, Geigen malen in munteren Sechzehnteln den Prato muss ich aber die ganze Opera lehren. Er als Mozart für ihn die Partie des Sesto in seiner Flug eines Vögelchens aus, das gerade seinem ist nicht im Stande, einen Eingang in eine Aria letzten Oper La clemenza di Tito komponierte. Mozart’s Castrati Käfig entronnen ist. Der Sänger greift die Ton- zu machen, der etwas heißt, und eine ungleiche Bedinis Zeit als zweiter Kastrat am Münchner malereien auf, wobei seine Koloraturen im Sinne Stimme! ... Mitten in einer Aria ist öfters schon Hof lag damals schon 20 Jahre zurück, doch sei- or over two decades Wolfgang Amadeus Mo- einer „Aria di mezza bravura“ nicht zu ausladend sein Odem hin ... Der ganze Kerl ist inwendig ne Gestaltungskraft muss ungebrochen gewesen Fzart wrote operatic roles for castrati – from his angelegt sind, sondern viel Raum für Cantabile nicht gesund ... der Bub kann doch gar nichts. sein. Das Rondò „Deh, per questo istante solo“ first Milanese „Dramma per musica“ in 1771 to lassen. – Seine Stimme wäre nicht so übel, wenn er sie ist die vielleicht großartigste Kastratenarie, die his final opera, La clemenza di Tito in 1791. A good Als Kurfürst Max III. Joseph Ende 1777 nicht in den Hals und in die Gurgel nehmete. – Mozart jemals geschrieben hat: Inbegriff des number of those star singers began their careers kinderlos starb, durfte Mozart ein weiteres Mal Übrigens hat er aber gar keine Intonation – keine emotional aufgeladenen Sostenuto, wenn der At- in Munich on the stage of the Cuvilliés Theatre, auf einen Seria-Auftrag aus München hoffen: Methode – keine Empfindung – sondern singt – tentäter Sextus seinen Freund und Richter Titus where they were personally sponsored by Elec- Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz folgte sei- wie etwa der beste unter den Buben, die sich hö- an die frühere Zuneigung erinnert, ungehemm- tor Max III Joseph. In 1766 the Wittelsbacher nem bayerischen Vetter nach und fusionierte ren lassen, um in dem Kapellhause aufgenommen ter Ausbruch der wilden Selbstanklage, wenn engaged a very young soprano from the vicinity nicht nur zwei Kurstaaten, sondern auch noch zu werden.“ Es war nur Mozarts ausdauerndem das Allegro einsetzt. Von den Mailänder Arien of Rome named Venanzio Rauzzini. When the zwei Orchester und zwei Opernensembles. Die Unterricht und seinem Geschick zuzuschreiben, des Cecilio bis zu diesem Musterbeispiel des young man left Munich six years later, he was im- 4 5 mediately engaged at the most important Italian praise of her beloved eyes: “Pupille amate”. It is bravura” are not too expansive, but leave a great in his throat. – By the way, he has no intonation opera houses, including the “Regio Ducal Teatro” a rondo in the tempo of a minuet, as simply and deal of room for cantabile. whatsoever – no method – no sensitivity – just in Milan, the building that preceded La Scala. beautifully written as even Mozart succeeded in When Elector Max III Joseph died childless sings – about like the best of the boys who audi- Mozart had obtained the commission for the doing only a single time. in late 1777, Mozart could once again hope for tion to be taken into the Kapellhaus.” It was only first opera of the Milan Carnival of 1773. Thus the After his successes in Italy, Mozart was fi- an opera seria commission from Munich: Elec- due to Mozart’s persistent instruction and skill sixteen-year-old Salzburger and the twenty-six- nally hoping for a commission for an opera seria tor Carl Theodor from the Palatinate followed that dal Prato finally convinced the public in the year-old Roman met at the rehearsals for Lucio from Munich; instead, he had to make do with in the footsteps of his Bavarian cousin, bringing role of Idamante, even in his first demanding aria Silla. Although Mozart soon got to know the star an opera buffa: La finta giardiniera was given its about the fusion of not only two electorates, but “Non ho colpa”. Already in the slow introduction, allures of his “primo uomo”, he tailor-made his world premiere during carnival 1775 at the Old also of two orchestras and two opera ensembles. Mozart took the singer’s short-windedness into most beautiful arias for him and, immediately Munich Opera House on Salvatorplatz. The role The “Palatinate-Bavarian Court Orchestra” thus consideration. In the Allegro, too, there are many following the premiere of the opera, the Latin of the rejected lover Ramiro was sung by the so- created was none other than the successor en- rests and written-out ornaments on the fermatas; solo motet Exsultate, jubilate. prano Tommaso Consoli, who had been engaged semble to the famous Mannheim Orchestra and in contrast, the orchestra are allowed to run wild The Overture to Lucio Silla already attests as the second castrato for the serious court ope- ideally suited for Mozart’s purposes when he here: in the strings’ “agitato” and in the fantasti- to the bleak political climate in the Rome of ras.