24 Sport Nummer 5 | Dienstag, 5. Jänner 2016 „Ich überrasche mich selbst“

Noriaki Kasai (43) springt auch seine 25. To urnee mit einem Lächeln. Warum der Japaner die Uhr umstellt und ihn seine Mutter an ihrem Geburtstag nur im Fernsehen sieht.

Herr Kasai,was sagt eigent­ lich Ihre Frau Reina dazu, dass Sie mit 43 Jahren noch Skispringer sind und nicht aufhören wollen? : Wir sind erst seit knapp zwei Jahren ver- Dem kleinen scheint heiratet und meine Frau steht keiner gewachsen zu sein. Foto: APA/Gindl hinter mir. Sie ist auch über- rascht, dass ich so fit bin. So- lange es geht, möchte auch sie, dass ich weiterspringe. Peter Prevc Sie steht zu 100 Prozent hin- ter mir. (lacht) springt Ohne ein Lächeln auf den Lippen kennt man Sie gar nicht. „fabulös“ Kasai: Ich bin einfach zufrie- den, so wie es bei mir läuft. – Nur ein Miss- Japaner können bekannt­ geschick kann verhindern, lich sehr alt werden. Der dass Prevc nach sieben ÖSV- älteste Mann in Japan und Erfolgen in Serie die Vier- der Welt, Jiroemon Kimu­ schanzentournee erobert.Vor ra, wurde 116 Jahre und 54 der heutigen Qualifikation in Tage alt. Wie alt fühlen Sie (Bewerb am sich eigentlich? Mittwoch/jeweils 17 Uhr, live Kasai: Ich fühle mich jung, ORF eins) will der Bursche aber ich überrasche mich aus Kranj trotz des großen selber ein bisschen, dass ich Guthabens noch keine Vor- körperlich so fit bin. schusslorbeeren. „Gut, dass Warum ist Ihre Fitness für ich jetzt noch mehrVorsprung Sie eine Überraschung? habe“, sagte Prevc nach sei- Kasai: Weil ich nie müde nem überlegenen Sieg in werde. Klar habe ich gute Innsbruck, „aber es kann sich physische Grundlagen. Aber Die Legende lebt. Die Vereinshymne des FC Wacker ließe sich auch auf Noriaki Kasai (43), am Sonntag 7. am Bergisel, umlegen. Foto: Hammerle noch alles ändern.“ Es sei ihm ich bin weitaus der Älteste schon passiert, dass er bei in unserer Mannschaft und „ Solange es geht, gewinnen! Und da kommt Ihr Ex­Teamkollege Ka­ auch in Japan nach Europa- nur 115 m gelandet sei. „Und dennoch sehr fit, das über- möchte auch meine noch etwas dazu: Das Berg- zuyosi Funaki (Doppel­ Zeit. Wenn ich nach Hause wenn man zehn Meter kürzer rascht mich auch selber. Frau, dass ich weiter- iselspringen ist immer am Olympiasieger, Anm.) soll komme, können wir zusam- springt, dann sind das schon Fürs Skispringen benötigt springe.“ Geburtstag meiner Mutter, zur Beruhigung nach den men essen und ins Bett ge- 18 Punkte.“ man Schnelligkeit und sie sieht mich dann im Fern- Wettkämpfen geraucht ha­ hen. Das ist traumhaft! Enorm sei der Druck ge- Kraft. Warum können Sie Noriaki Kasai sehen und freut sich. ben. Sie früher auch? wesen, dem er sich vor dem mit 43 Jahren noch mit den (noch aktive Skisprunglegende) Haben Sie zu Ihren ehe­ Kasai: Auf Zigaretten verzich- Das Gespräch führte Bewerb auf dem Bergisel aus- Jungen mithalten? maligen Konkurrenten wie te ich, das ist nicht gut als Benjamin Kiechl gesetzt sah, gab Prevc zu. An- Kasai: Ich habe, als ich jung Skispringen im Laufe der Matti Nykänen oder Ernst Athlet. Gegen Funaki habe gesichts des elften Platzes im war, hart trainiert. Und da Jahre weiterentwickelt? Vettori noch Kontakt? ich manchmal verloren, und Vorjahr seien ihm viele Dinge habe ich mir eine gute Basis Kasai: Das Reglement, der Kasai: Klar, wir sehen uns oft ich verstehe bis heute nicht, Steckbrief durch den Kopf gegangen, zu- geschaffen. Natürlich wird Stil (Wechsel Parallel- zu V- an der Schanze, wenn sie mit warum ich gegen diesen Rau- dem verpatzte er den Probe- es immer weniger, aber ich Stil, Anm.) und das Material demWeltcup unterwegs sind. cher verloren habe. (lacht) Noriaki Kasai: geboren am 6. Juni durchgang. „Aber ich konnte kann immer noch davon haben sich stark verändert. Sie waren damals wie Helden Sie lassen bis heute jeden­ 1972 in Shimokawa, Hokkaido die negativen Gedanken bei- zehren. Aber mir kommt vor, bei der für mich und ich denke im- falls nichts unversucht. (JPN); 176 cm, 62 kg; seit 2014 seiteschieben und mich auf Ist Skispringen für Sie dann Tournee ist für mich eigent- mer noch so. Man sagt, damit Sie sich verheiratet mit Reina. das Positive konzentrieren“, eigentlich Spitzensport lich alles gleichgeblieben. ist und Ihren Biorhythmus Wissenswert: Debüt im Weltcup betonte der älteste Sohn einer oder einfach Extremsport, Sie haben 1999 das Berg­ jetzt Kamera­Skispringer bestmöglich auf die Tour­ am 17.12.1988 in . Skispringerfamilie. weil es gefährlich ist? iselspringen gewonnen, im für den österreichischen nee vorbereiten können, Ältester Gewinner eines Welt- Auch Werner Schuster, Kasai: Nein, nein, es ist Spit- Vorjahr wurden Sie dritter. Rundfunk. Könnten Sie haben Sie in Japan die Uhr cupspringens am 29. November der österreichische Trainer zensport. Ich kann Ihnen Hat Innsbruck noch immer sich das nach ihrer Welt­ auf mitteleuropäische Zeit 2014 in Kuusamo (FIN) mit 42 des DSV-Teams, war von der sagen, dass Skispringen die seinen Reiz für Sie oder ist cup­Karriere vorstellen? umgestellt. Was sagt da ei­ Jahren und 176 Tagen. Flog 2015 jüngsten Vorstellung von schwierigste Wintersportart es Routine, hier zu sprin­ Kasai: Nein, das mache ich gentlich Ihre Frau dazu? in Vikersund auf 240,5 Meter. Prevc angetan. „Was er am ist. Glauben Sie mir! gen? sicher nicht! Ich bleibe Ath- Kasai: (lacht) Ja, das stimmt. Größte Erfolge: Ski-Flug-Welt- Sonntag gemacht hat, war Sie sind jetzt seit 25 Jahren Kasai: Innsbruck ist ein spe- let. Drehen wir den Spieß um: Meine Frau Reina steht zur meister 1992 in Harachov; 17 fabulös, der hat wirklich alles bei der Vierschanzentour­ zieller Wettkampf für mich Goldi sollte besser als Aktiver selben Zeit auf wie ich. Wenn Weltcupsiege; gesamt 3 Olympia- drauf.“ (TT, APA) nee dabei. Wie hat sich das und ich möchte hier immer zurückkommen! (lacht) ich in Europa bin, lebt sie und 8 WM-Medaillen.

Mut zum Absprung Zeit, das System zu überdenken

Von Alexander Pointner lung breit. Gregor Schlie- turen und Methoden den Sprungzirkus ausgestiegen renzauer traue ich eine großen Nationen immer und hatte sich mit Studi- ür die Skispringer Trendwende jederzeit zu, einen Schritt voraus. Nur en der Innsbrucker Uni F geht es nach Bi- aber dass es ein Nach- darin lag die Chance, die beschäftigt. Diese beschei- schofshofen Schlag wuchsproblem im Öster- Tatsache, dass es bei uns nigten uns enorme Sprung- auf Schlag. Zunächst macht reichsichen Skiverband nun einmal weniger Ski- kraft, doch eine wenig der Tross noch in Wil- gibt, zeichnete sich schon springer gibt, zu kompen- effektive Flugkurve. So ging lingen, einem Höhepunkt nach der Saison 2012/2013 sieren. Der ÖSV-Apparat ist ich mit meinen Athleten für alle deutschen Fans, ab. Außer Kraft konnte im derzeit aufgeblasener denn als Vorbereitung auf das Station. Dann schlägt das B-Kader niemand überzeu- je. Überall werden Kom- Skifliegen auf die 60-m- österreichische Sportler- gende Ergebnisse erzielen. petenzen aufgeteilt, doch Schanze. Ein Wagnis, über herz wieder höher: Bei der Damals wurde allerdings niemand scheint den Mut das Experten von damals Skiflug-Weltmeisterschaft nur eine Trainerdiskussion zu haben, einen Schnitt zu den Kopf schüttelten, das auf dem traditionsreichen um meine Person geführt. machen und etwas Neues uns am Ende aber Silber werden Medaillen Niemand war bereit, das zu versuchen. und Bronze bescherte. vergeben – zum einzigen System zu überdenken. Als wir 2006 nach einer Mal in dieser Saison. Deutschland und Nor- erfolglosen Tournee in Was kann man vom wegen haben inzwischen einer ähnlichen Situati- „Keine Kritik am Veranstalter“ Alexander Pointner (44), österreichischen Team das österreichische System onen waren (auch da stand erfolgreichster Skisprung- Für Aufsehen hatte am Sonntag die Kritik des deutschen Cheftrainers erwarten? Hayböck springt erfolgreich kopiert. Bis der Kulm vor der Tür), gab Trainer aller Zeiten, Werner Schuster an der Präparierung des Bergisel-Aufsprunghangs ge- auf konstant hohem Ni- jetzt hat der ÖSV in seiner mir den Mut kommentiert für die sorgt. Gestern konkretisierte der Wahl-Tiroler: Die Reaktion auf einen Sturz veau, Kraft ist ein ausge- Skisprungtradition aber und die Sicherheit, völlig TT das Schanzen- Geschehen. seines Topspringers war nicht gegen den Veranstalter ge- zeichneter Flieger. Aber stets eine Vorreiterrolle ein- neue Wege zu gehen. Er richtet. Vielmehr wollte er das zum Anlass nehmen, das Vorgehen bei der der Rest? Da macht sich genommen. Wir waren mit war schon in Innsbruck alexanderpointner.at Präparierung zu überdenken: „Da sind alle gefordert.“ Neuschnee und die Frustration und Verzweif- unseren Trainingsstruk- aus dem Hamsterrad des Foto: Forcher vorgegebenen Querrillen hätten zum Missgeschick beigetragen. Foto: gepa