2|18

„Ich beneide Sie um diese Welt der Vielfalt“

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim DW-Jubiläum

informiert über Verstöße gegen ­ bietet die DW hier eine Freiheitsrechte stärken V­ernetzung gegen Zensur. Das Projekt DW Freedom Grundrechte, insbesondere Einschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit. Zugleich ­ Plattform zur weltweiten ­

dw.com/freedom @dw_freedom

DW Freedom Editorial DW/J. Röhl © ©

Die Bilanz ist ernüchternd. Der größte In ihrer Rede beim Festakt zum 65-jäh- Aufgabenplanung haben wir den Weg zu Teil der Menschheit lebt inzwischen in Län- rigen Bestehen des deutschen Auslands- einer weiteren deutlichen Steigerung un- dern, in denen es keine uneingeschränkte senders gratulierte Bundeskanzlerin Angela serer wöchentlichen Nutzer aufgezeigt. Informations- oder Meinungsfreiheit gibt. Merkel der DW zu ihrer Erfolgsgeschichte Dabei spielen digitale Verbreitungskanäle Selbst in Europa ist die Pressefreiheit auf und betonte ihre wachsende­ Bedeutung als eine wichtige Rolle. dem Rückzug. Stimme der Freiheit. Auslandskommunika- Ihre Relevanz im internationalen Wett- Wir beobachten diese dramatische tion habe in einer zunehmend vernetzten bewerb erhalten die journalistischen An- Entwicklung nicht schweigend und ohne Welt einen eigenen Stellenwert, sagte die gebote der DW durch ihre hohe Glaubwür- Widerstand. Offener und ungehinderter Kanzlerin und ergänzte, es sei deshalb kein digkeit. Im Zeitalter von Propaganda und Austausch von Information ist Grundstein Zufall, dass einige Länder ihre Auslandssen- manipulierten Nachrichten steht die Deut- für Fortschritt. der massiv ausbauen. sche Welle für objektiven, verlässlichen Die DW schließt in vielen Ländern die Die erkennbare Wertschätzung der DW Journalismus mit Haltung. Populismus, Informationslücke, die von den lokalen durch das Parlament und die Bundesregie- Zensur und Filterblasen stellen unabhän- Medien nicht abgedeckt werden kann oder rung bestärkt uns in diesem Zusammen- gige Medien auf die Probe. Die DW stellt darf. Mit umfassender Aufklärung und hang besonders, denn auch die DW sieht sich dieser Herausforderung. Wie vielfältig die Aufgaben und The- men sind, die mit der rasanten Entwicklung Die DW steht für objektiven, in Medien, Journalismus und welt­weiter Kommunikation einhergehen, haben auch verlässlichen Journalismus mit Haltung. die Diskussionen auf unserem Global Media­ Forum im Juni in Bonn gezeigt. In pluralistischer Information begegnet sie sich nicht nur durch Medienmärkte, die dieser Weltzeit vermitteln wir Ihnen einen Propaganda und Desinformation. Mit ihren zunehmend reguliert und eingeschränkt Einblick in diese Bandbreite. journalistischen Angeboten und ihrer Aka- werden, vor großen Herausforderungen. demie befähigt die DW Menschen weltweit, Durch die Digitalisierung hat sich das Ihr Peter Limbourg, sich auf Basis unabhängiger Informationen Nutzerverhalten in den Zielgebieten der Intendant und verlässlicher Fakten eigene Überzeu- DW teils noch radikaler verändert, als man gungen zu bilden und diese in gesellschaft- es hierzulande erlebt. Das begreifen wir twitter.com/DW_Limbourg lichen Debatten zu vertreten. als einmalige Chance. In unserer ­aktuellen

Deutsche Welle 3 MENSCHEN BEGEGNEN 4 Weltzeit 2|2018 Weltzeit stärkt die -Berichterstattung der DW. Früher DW. Früher der China-Berichterstattung die stärkt Taipeh in Präsenz Die Chefredaktion. die in Referent als er ging Später Einsatz. im DW die für tinenten unter auf anderem mehreren als Kon TV-Reporter er war Chinesisch-Redaktion die in Wechsel seinem Vor verantwortet. DW der Angebot chinesische das Redaktionsleiter als Jahren vier seit der Sinologe, 40-jährige der so zugleich“, fordernd und spannend extrem ist beschäftigen zu China mit journalistisch in Taipeh, ein DW-Büro Jahres ses Taiwan, auf. „Sich die März seit –baut Ci Zhang Reporterin mit – hier Philipp Bilsky - - Gesamtangebot noch besser nutzen. besser noch Gesamtangebot Chinesisch- der Kompetenz die DW die kann So Region. der in Ereignisse über Berichten und Schalten –mit zu DW der TV-Kanal englischen ler reagieren.“ Das Team in Taipeh auch liefert dem schnel viel jetzt Taiwan wir in können Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen neuen den „Mit Bilsky. erklärt schwierig sehr berichten, zu Region die über aktuell stets Zeitdifferenz ­gewesen, der aufgrund es sei Redaktion für das das für ­Redaktion -

©©DW ©©DW Inhalt

MENSCHEN BEGEGNEN 24 J | Journalismus-Netzwerke Weltweite Recherchen – jenseits des Egos 6 IMS für Geflüchtete Hoffnung auf Perspektive in der Heimat 25 K | Kunst und Kultur Artivism: Kreativ die Welt verbessern 6 DW Akademie Carsten von Nahmen neuer Leiter 26 L | Lösungen Konkret, geprüft, adaptierbar 7 Neu in Lagos Flourish Chukwurah berichtet 26 M | Medienkompetenz aus Westafrika Schlüssel zur Verständigung

7 Rundfunkrat 28 N | Nichtregierungsorganisationen Vier neue Mitglieder Partner schaffen Vielfalt

28 O | Online-Propaganda 65 JAHRE DW 16 Weißhelme unter Beschuss 8 Festakt in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel: 30 P | Populismus und Polarisierung „Auch heute noch für viele ein Stachel“ Das selbstreferenzielle Milieu verlassen 32 Q | Qualitätsjournalismus TITELTHEMA Mehr als der Pudding an der Wand

10 Rückblick und Ausblick 33 R | Russland und die EU Das Global Media Forum von A bis Z Zivilgesellschaft als Hoffnungsträger

11 A | Algorithmen 34 S | Satire Ganz oben auf der Agenda Tell a Joke – Save the World?

12 B | Broadcaster 35 T | Tabu Das ganze Bild Shababtalk: Mut als Markenzeichen

13 C | Constructive Journalism 36 U | Ungleichheit Mehr Licht – weniger Schatten? 28 Journalisten als Verbündete

14 D | Datenjournalismus 38 V | Verifizierung „Dahinter stecken fast immer Menschen“ Nicht in die Falle tappen

15 E | Engagement 40 W | Worth It? Das Publikum zum Dialog anregen Neue Video-Reihe auf InfoMigrants

16 F | Freedom of Speech Award 40 X | Xenophobie Sadegh Zibakalam gegen die Diskriminierung und Rassismus ­­­­ ­Scharfmacher im Fußball

18 G | Generation Z 42 Y | Youth Digitale Unruhestifter „Bildung ist die beste Impfung“

20 H | Hate Speech 43 Z | Zensurumgehung Die Ohnmacht des Adressaten „Wir müssen kreativ bleiben“

22 I | Impressionen 36

Deutsche Welle 5 MENSCHEN BEGEGNEN DW/E.-M. SenftlebenDW/E.-M. © ©

Die vier Auserwählten: (v. l.) Pascal Sevadouno, Laila Kaddah, Khaled Karkali und Fares Abdulkarim

Hoffnung auf eine Perspektive in der Heimat

Aus über 100 Bewerbungen auf die Studienplätze für Geflüchte- mit der DW: die Deutschlernangebote. Für die Kurse der DW Aka- te haben sie es geschafft: Laila Kaddah, Fares Abdulkarim und demie hat er bereits als Übersetzer gearbeitet. Khaled Karkali aus Syrien sowie Pascal Sevadouno aus Guinea. Khaled Karkali stammt ebenfalls aus Syrien, hat dort Engli- Sie nehmen im Herbst den Masterstudiengang „International sche Literatur studiert und als Journalist gearbeitet. Er hofft, Media Studies“ (IMS) auf. mit dem IMS-Master in der Tasche auch in seiner Heimat eine Perspektive zu haben. „Der Krieg in Syrien ist auch ein Krieg der Die DW Akademie bietet die Studienplätze für Geflüchtete Ideen. Menschen wie ich, Journalisten mit guten Englischkennt- zum zweiten Mal an. Bewerberinnen und Bewerber müssen ein nissen, waren eine Bedrohung, weil wir nach draußen vermitteln Studium abgeschlossen haben und Erfahrung im Medienbereich konnten, was im Land passiert. Sollte dieser Krieg irgendwann nachweisen. Der Studiengang für jeweils rund 30 Studierende vorbei sein, brauchen wir nicht nur Ingenieure und Ärzte, son- wird in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn und der Fach- dern auch Medienprofis.“ hochschule Bonn-Rhein-Sieg durchgeführt. Pascal Sevadouno studierte Musikwissenschaften und spezi- Laila Kaddah hat in Damaskus Englische Literaturwissen- alisierte sich in Guinea auf Musikinformatik. Als Tontechniker für schaften studiert und arbeitet seit 2012 als Journalistin. Sie war einen Radiosender kam er schließlich auch als Moderator vor das als Nachrichtenredakteurin und Fernsehmoderatorin in Jordani- Mikrofon. In Deutschland war er als Referent für „Bildung trifft en tätig, bis sie 2015 nach Deutschland flüchtete. In Bonn schreibt Entwicklung“ tätig, eine Initiative von Engagement Global. Seit sie für das Online-Magazin firstlife.de. 2017 verstärkt er die französischsprachige Redaktion der DW. Fares Abdulkarim aus Aleppo hat ein Architekturstudium ab- geschlossen. Er arbeitete als Grafikdesigner. Sein erster Kontakt dw.com/masterstudiengang

Neuer Leiter der DW Akademie

Carsten von Nahmen, zuletzt Korrespon- „Weltweit baut die DW Akademie freie DW dent im DW-Studio Washington, ist neuer © Mediensysteme auf und ermöglicht Nut- © Leiter der DW Akademie. Eine Rückkehr zern einen kritischen und verantwortungs- an alte Wirkungsstätte. vollen Umgang mit Medien. Sie ist dabei sehr erfolgreich“, so von Nahmen. Im Ein- Die DW Akademie ist Carsten von satz für freie Medien und das Recht auf ­Nahmen bestens vertraut: Rund zehn Jah- freie Meinungsäußerung werde man die re war er in der Medienentwicklung aktiv: Zusammenarbeit mit allen Bereichen der ab 2005 als Leiter der Regionen Nahost/ DW noch verstärken. Nordafrika, dann Europa und Zentralasien Carsten von Nahmen absolvierte sein und schließlich Afrika. Ab 2013 koordinier- Studium der Journalistik und Geschichte te er als Leiter der Medienentwicklungs­ an der TU Dortmund. Als Journalist und zusammenarbeit das operative Geschäft Korrespondent war er bei weiteren Medi- der DW Akademie weltweit. 2014 wurde en tätig, darunter WDR, Frankfurter Rund- von Nahmen stellvertretender Chefredak- Zum 1. September übernimmt Carsten schau, BBC und Namibian Broadcasting teur und Leiter der Hauptabteilung Nach- von Nahmen die Leitung der DW Akademie­ Corporation. richten der DW. Ab Februar 2017 berichtete als Nachfolger von Christian Gramsch, der er als Senior Correspondent aus den USA. die DW im Mai verlassen hat. dw-akademie.com

6 Weltzeit 2 | 2018 Hoher Einsatz

Drei Stunden zur Arbeit, drei Stunden wieder zurück: Für Flourish Chukwurah ist das Alltag. Seit März berichtet die 24-Jährige für die DW aus Lagos, Nigerias 18-Millionen-­ Metropole – nach Kairo die größte Stadt Afrikas.

Schreiben, Interviews führen und Videos drehen: DW

Flourish Chukwurah – rechts mit Adrian Kriesch © ©

„Ich habe die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Das spornt mich Schreiben, Interviews führen und Videos drehen: oft in Ei- unglaublich an“, sagt die junge Journalistin. Dafür nimmt sie stun- genregie, manchmal auch gemeinsam mit ihrem Kollegen Adrian denlange Busfahrten auf sich. Lagos ist ihre Heimatstadt. Hier Kriesch, der seit der Eröffnung des DW-Büros für West- und Zen- studierte sie Massenkommunikation. Nach der Abschlussarbeit, tralafrika 2014 in Lagos arbeitet. einer Film-Dokumentation über Zwangsheirat, stand fest: Sie Laut Reporter ohne Grenzen ist Nigeria für Journalisten ei- wollte Journalistin werden. In den USA studierte Chukwurah ein nes der gefährlichsten Länder Afrikas – auf der Rangliste der Jahr „Broadcast and Digital Journalism“. Zurück in Lagos, nahm Presse­freiheit 2018 belegt es Platz 119. Entmutigen lässt sich sie nach einer Zwischenstation bei CNN ihre Arbeit als Korrespon- ­Chukwurah davon nicht; ihr Auftrag für die DW werde dadurch dentin für die DW auf. umso wichtiger.

Neu im Rundfunkrat Alle Fotos: © DW/B. Geilert © ©

Der Rundfunkrat der Deutschen Welle ter, und Thomas Silberhorn (MdB), Parla- Olympischen Sportbunds (DOSB). Sie folgt hat in seiner jüngsten Sitzung vier neue mentarischer Staatssekretär bei der Bun- auf Michael Vesper, vormals DOSB-Präsi- Mitglieder begrüßt. desministerin der Verteidigung. dent, der diesen Posten aus Altersgründen Der Deutsche Bundestag hat Elisabeth aufgab. Von der Bundesregierung entsandt Motschmann (MdB, 2. v. r.) neu für den Der Rundfunkrat vertritt bei der Deut- wurden (v. l.) Michelle Müntefering (MdB), Rundfunk­rat benannt. Die Sprecherin der schen Welle die Interessen der Allgemein- Staatsministerin im Auswärtigen Amt CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kultur heit. Das 17-köpfige Gremium berät über (AA), und der Parlamentarische Staats- und Medien übernimmt diese Aufgabe Fragen grundsätzlicher Bedeutung für den sekretär beim Bundesminister für wirt- von Marco Wanderwitz (MdB), nun Staats- Sender. schaftliche Zusammenarbeit und Entwick- sekretär im Bundesinnenministerium. lung, Norbert­ Barthle (MdB). Sie folgen Ebenfalls neu im Rundfunkrat ist ­Petra dw.com/rundfunkrat auf Michael­ Roth (MdB), AA-Staatsminis- Tzschoppe, Vizepräsidentin des Deutschen

Deutsche Welle 7 65 JAHRE DW

„Auch heute noch für viele ein Stachel“­

1953 ging die DW an den Start. 65 Jahre später ist für ­Bundeskanzlerin Angela Merkel die Entwicklung des ­deutschen Auslandssenders eine „Erfolgs- geschichte“. Beim Festakt zum Jubiläum am 5. Juni in Berlin bekräftigte die Kanzlerin die ­Unterstützung durch Bundes­ regierung und Bundestag.

Text Berthold Stevens, Unternehmenskommunikation

Bei der Veranstaltung im Paul-Löbe- Haus sagte Merkel, die DW stehe für se- riösen Journalismus und Objektivität. Sie sei „als verlässlicher Partner in der Welt geschätzt“ und gefragter denn je. „Denn sie gab und gibt jenen eine Stimme, die aufgrund der Unfreiheit in ihrer Heimat zu verstummen drohen.“ Merkel verwies angesichts zunehmender Desinforma- tion und gezielter Falschmeldungen auf die wachsende Bedeutung der DW als glaubwürdige Informationsquelle. „Die Deutsche Welle ist auch heute noch für Fotos: © DW/J. Röhl

Die DW gibt jenen eine Stimme, die Kanzlerin und richtete ihre Botschaft direkt an Marie-Christine Saragosse, Präsidentin aufgrund der Unfreiheit in ihrer Heimat von France Médias Monde, die aus Paris ins zu verstummen drohen. Paul-Löbe-Haus gekommen war. Für ­Stärkung des Senders viele ein Stachel“, so die Kanzlerin. Die Und die DW-Angebote zur Vermittlung Rolle der freien Medien sei „gar nicht der deutschen Sprache seien – auch vor Die Vorsitzende des Bundestagsausschus- hoch genug einzuschätzen“. Europäische dem Hintergrund der Zuwanderung – von ses für Kultur und Medien, Katrin Budde Sichtweisen auf die Welt aufzuzeigen, ­großer Bedeutung, so die ­Kanzlerin. Merkel (SPD), bezeichnete die Deutsche Welle diese Aufgabe werde nicht zuletzt durch begrüßte sowohl die enge Kooperation der als „Stimme des Deutschen Bundestags“. den Brexit­ wichtiger. DW mit den ARD-Landesrundfunkanstal- Der Sender stehe für Fakten. In Zeiten von Daher könne die DW „darauf setzen, ten, mit ZDF und Deutschlandradio als auch zunehmendem Populismus, Terror und dass Sie weiterhin die Unterstützung der die internationale Vernetzung. Ausdrück- Propaganda wachse die Bedeutung der Bundesregierung bekommen“, sagte Mer- lich verwies sie auf die Zusammenarbeit DW. Budde betonte, dass der Ausschuss kel, die zudem auf das Wirken der DW Aka- mit den französischen Auslandsmedien. mehrheitlich die finanzielle Stärkung des demie für weltweite Medienentwicklung „Ein guter Beitrag zur deutsch-französi- Senders befürworte. und Medienkompetenz einging. „Das ist schen Kooperation insgesamt, über die wir Die Staatsministerin für Kultur und Me- Arbeit für die Freiheit, für die ­Demokratie.“ in diesen Tagen viel sprechen“, lobte die dien, Monika Grütters, aus deren Etat die

8 Weltzeit 2 | 2018 Die DW ist die Stimme des Deutschen Bundestags.

DW im Wesentlichen finanziert wird, be- ist schärfer­ geworden. Propaganda, Des- zeichnete die DW in einer Stellungnahme information und der Versuch, die EU zu zum Jubiläum als „Stimme des Qualitäts- ­spalten, sind traurige Realität.“ Die DW journalismus“ und bescheinigte „große werde künftig noch mehr Menschen infor- Professionalität und Unabhängigkeit“. Der mieren – „gerade dort, wo sie Zensur und Katrin Budde, Vorsitzende des deutsche Auslandssender sei als „Garant Propaganda ausgesetzt sind“. ­Bundestagsausschusses für Kultur für Presse- und Meinungsfreiheit unver- Die DW wolle zum kulturellen Aus- und Medien zichtbar“ und „für die Vermittlung demo- tausch anregen und „die Weltoffenheit kratischer Grundwerte wichtiger denn je“. vermitteln, die die Grundlage unseres Er- folgs als Land ist und die sich in den Wer- heit und Menschenrechten, ­Demokratie „Wir vermitteln Weltoffenheit“ ken deutscher Künstler genauso zeigt wie und Toleranz. „Das sind die Werte, für die in den Anstrengungen der deutschen Ent- Deutschland und die DW in der Welt ste- DW-Intendant Peter Limbourg betonte wicklungszusammenarbeit oder den Akti- hen“, so der Intendant. vor rund 350 Gästen aus Politik, Kultur vitäten der deutschen Wirtschaft“. Die DW als Spiegel der Weltoffenheit – und Medien die „große und breite Unter- Als Teil dieser Weltoffenheit verstehe das beeindruckte auch die Kanzlerin. „Ein stützung“, die die DW erfahre, und dank- sich auch die DW selbst, wo Menschen aus bisschen beneide ich Sie, dass Sie jeden te Bundestag und Bundesregierung für 60 Nationen eng zusammenarbeiten, um Tag in einer solchen Welt der Vielfalt ar- die Wertschätzung. Diese sei auch wei- journalistische Inhalte in 30 Sendespra- beiten“, sagte Merkel. terhin notwendig: „Der internationale chen zu gestalten. Sie alle verbinde eine Wettbewerb der Ideen und Meinungen gemeinsame Haltung: die Idee von Frei- dw.com/65jahre

Im Gespräch: (v. l.) Staatsministerin Monika Grütters, Claudia Mast, Universität Beifall für die Kanzlerin: Peter Hohenheim, Mitglied im DW-Verwaltungsrat, Prälat Karl Jüsten,­ Vorsitzender des ­Limbourg, Michelle Müntefering, DW-Rundfunkrats, und DW-Moderator Jaafar Abdul Karim Katrin Budde und Claudia Roth

Innovative Projekte: Die DW Aus erster Hand: die Kanzlerin ­präsentierte sich den Gästen mit Intendant Limbourg und an Infoständen Staatsministerin­ Grütters

Deutsche Welle 9 TITELTHEMA 10 bis Zensurumgehung. Zwie ­Algorithmen Kein vielmehr ein Ausblick. Rückblick, weiteren ­ und Workshops Panel-Diskussionen, In 80 suchten im JuniLändern in Bonn nach Antworten. munikation. „Globale ­ in Medien Das und gilt Kom Hauptaugenmerk Herausforderungen. dabei Entwicklungen ­ einen für vielfältigen, steht die internationaleDas (GMF), Media Global Medienkonferenz Forum Welle, der Deutschen Das Global Media Forum von Abis Z dw.com/gmf

Weltzeit 2|2018 Weltzeit Formaten. Zu einer Fülle von Aspekten. In dieser Weltzeit Zu einerFormaten. Fülle von Aspekten. Ungleichheiten“ war das Fokusthema 2018. ausUngleichheiten“ 100 war Gäste das Fokusthema Rund 2.000 nachhaltigen, interdisziplinären Erfahrungsaustausch zu nachhaltigen, großen interdisziplinären Erfahrungsaustausch aufbereitet von A wie von Awie aufbereitet -

©©DW/F. Görner A | ALGORITHMEN Ganz oben auf der Agenda

Bestseller! Das T-Shirt „Moda Rapido Men“ Text- und Bild­erkennung) und Personalisierung (Empfehlun- des indischen Online-Kaufhauses Myntra gen für Related Content und Ausspielwege, automatische Zu- sammenfassungen). Denn ­Algorithmen schreiben, schneiden gefällt den Kunden. Das Design mit großen­ und publizieren schneller als Journalisten. Und das inklusive Block­streifen in oliv, weiß, blau und gelb Suchmaschinenoptimierung (SEO), Social-Media-Posts und Metadaten. Daher wird ihr Einsatz im Medienbereich zunächst stammt aber nicht von einem Modedesigner. insbesondere dort stark zunehmen, wo große Datenvolumi- Zwei ­Algorithmen, also eine klar definierte na zu bewältigen sind, strukturierte Informationen vorliegen Abfolge von Anweisungen zur Steuerung oder in Mengen produziert wird – etwa zu Großereignissen wie Wahlen oder bei Nachrichtenagenturen. Nicht von ungefähr eines Computerprogramms, haben sich hat Associated Press (AP) schon 2015 den ersten „News Auto- das „ausgedacht“. mation Editor“ eingestellt. Hier aber lauert ein weiteres KI-Medien-Szenario, das weit Text Wilfried Runde, Leiter Forschungs- und bedrohlicher scheint als die mögliche Veränderung journalisti- Kooperationsprojekte scher Aufgabenprofile: von Algorithmen massenhaft produzierte Inhalte, die andere KI-Instanzen, etwa Social-Media- oder Mes- senger-Bots, blitzschnell weiterverbreiten und damit wiederum Ein Algorithmus entwickelt zufällige Bilder farbiger Kleidung, ebenfalls KI-basierte Suchmaschinen und Social-­Media-Feeds der andere vergleicht diese mit den vorhandenen Artikeln, bis ein beeinflussen. Diese Inhalte gefährden den demokratischen Dis- Design entsteht, das zum Angebot passt, ohne eine reine Kopie kurs und die journalistische Berichterstattung weltweit. zu sein. Algorithmen übernehmen kreative Arbeiten. Damit drin- „Algorithmen müssen transparent sein, und jeder muss die gen sie als „Künstliche Intelligenz“ (KI) zu Aufgaben vor, die Me- Möglichkeit haben zu erfahren, wie sie zustande kommen.“ Die- dienschaffenden zunehmend Sorgen um Inhalte und Ausgestal- se von Bundeskanzlerin Angela Merkel formulierte Forderung tung ihrer künftigen Jobs bereiten. Dies betrifft journalistische wurde auch auf dem GMF 2018 erhoben. Sie ist gerade im Me- Ressorts wie auch technische Produktionsbereiche. Unter der dienbereich weiter dringlich, angesichts des scharfen globalen stets etwas zu bedrohlichen Überschrift „Roboterjournalismus“, Wettbewerbs um die besten Algorithmen für künftige KI-An- die gern mit metallenen Maschinenhänden auf Tastaturen illus- wendungen aber kaum durchsetzbar. Immerhin will EU-Kom- triert wird, diskutieren und analysieren Experten unterschiedli- missarin Mariya Gabriel das Thema „ganz oben auf die europäi- cher Fachrichtungen seit Jahren, ob Computer schon bald Jour- sche Agenda setzen“, wie sie in Bonn versprach. nalistinnen und Journalisten ersetzen. Oder ob sie doch nur die Werkzeuge liefern, um lästige Arbeiten zu übernehmen – gern Der Begriff Algorithmus wurde aus dem Namen des per- genannt: Börsendaten, Sportergebnisse, Geschäfts­berichte, sischen Rechenmeisters Muhammad Ibn-Musa al-Hwarzimi Wetter, Wahlergebnisse. Mehr Zeit für Recherche und das Erzäh- ­abgeleitet: al-Charzimi – al-gorismi – Algorismus. len guter Geschichten wäre der Effekt. Tatsächlich begegnen wir bereits heute täglich computer­ generierten Texten und zunehmend auch Videos mit sehr unter- schiedlichem Informations- und Unterhaltungswert. Während die automatische Überführung strukturierter Informationen in ständig wiederholte Satzbausteine, zum Beispiel auf diversen Reiseportalen oder bei US-amerikanischen Sportergebnisdiens- ten, schnell ermüdet, überrascht die Qualität mancher Maschi- nentexte. Beispiel: das „Feinstaubradar“ der Stuttgarter Zeitung, für das Algorithmen des deutschen Marktführers AX Semantics genutzt werden. Prognosen reichen daher von „90 Prozent aller Nachrichten kommen in fünf Jahren von Roboterjournalisten“ (BBC 2017) bis zu „Guten, fantasievollen Journalismus wird auch in 50 Jahren kein Roboter produzieren“ (Journalistik-­Professor Algorithmen müssen Thomas Hestermann 2017). Mit Blick auf die aktuellen Forschungsprojekte der DW transparent sein. ist der vermehrte Einsatz von KI in den nächsten Jahren vor allem in folgenden Bereichen zu erwarten: Sprachtechnolo­ gien (automatische Übersetzung, Transkription und Unterti- telung), Semantik (automatische Generierung von Metadaten,

Deutsche Welle 11 TITELTHEMA

B | BROADCASTER Das ganze Bild

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat große Bedeutung für den demokratischen Diskurs und den gesellschaftlichen

­Zusammenhalt. Deshalb muss sein Fortbestand gesichert in der Lage zu sein, bei einer Vielzahl von werden. Das erfordert auch: Journalisten müssen ihre Filter- Themen mitzudiskutieren, braucht eine Gesellschaft an erste Stelle eine gemein- blase verlassen und nicht nur urbane Eliten im Blick haben. same Basis an Wissen. Als Voraussetzung für einen faktenbasierten Diskurs. Dieses Text Tom Buhrow, WDR-Intendant breite Angebot an Wissen zu vermitteln – genau das leisten die öffentlich-rechtli- chen „Broadcaster“. Denn erstens: Die Menschen vertrau- en uns. Gleich, welche Studien man zurate Eine Studie des Instituts für Journa- und gehören zur Avantgarde der digita- zieht, die große Mehrheit der Deutschen lismus an der Universität Mainz besagt: len Medien. bescheinigt uns Glaubwürdigkeit. Der Es gibt eine „Entfremdung“ bestimmter Doch viele Menschen haben ein völlig zweite Grund ist unsere Reichweite. Eine Gesellschaftsgruppen in Bezug auf die anderes Leben. Sie wohnen auf dem Land, aktuelle Umfrage der ARD ergab: Wir errei- Medien. Ein Viertel der Menschen meint, in Kleinstädten. Die meisten von ihnen chen täglich rund 80 Prozent der deutschen ihre Anliegen würden nicht ernst genom- haben keinen Hochschulabschluss. Die- Bevölkerung. 94 Prozent der Deutschen men. Weitere 20 Prozent sagen, die Medi- se Menschen haben manchmal den Ein- nutzen mindestens einmal die Woche ein en hätten Leute wie sie gar nicht mehr auf druck, dass Journalisten keine Vorstellung ARD-Angebot. dem Radar. davon haben, wie sie leben und was sie be- Wir schaffen auf diese Weise einfa- Dies sollte ein Weckruf für uns sein. wegt. Wenn dieses Gefühl auch für einen chen Zugang zu Information. Wir befähi- Auch wenn die Mehrheit uns vertraut, öffentlich-rechtlichen Sender gilt – und gen die Menschen dazu, sich eine eigene fühlen sich doch bestimmte Teile der davon bin ich überzeugt –, dann müssen Meinung zu bilden. Damit sie teilhaben Gesellschaft von den Medien vergessen. wir diese Wahrnehmungslücke schließen. können an gesellschaftlichen Entschei- Sie glauben, ihre Sorgen würden von uns Eine demokratische Gesellschaft dungsprozessen. Das ist extrem wichtig Journalisten ignoriert. Ein Grund dafür braucht die öffentliche Debatte. Und um für eine Demokratie. Und deshalb gibt könnte sein, dass auch Journalisten in ih- rer Filterblase leben. Denn wo leben die meisten von ihnen? In Städten und Metro- polen mit multikulturell geprägter Bevöl- Wir müssen unsere kerung. Journalistinnen und Journalisten haben in der Regel eine höhere Bildung Wahrnehmungslücke schließen.

12 Weltzeit 2 | 2018 C | CONSTRUCTIVE JOURNALISM Mehr Licht – weniger Schatten?

Bei wichtigen Themen die Perspektive öffnen, Lösungswege aufzei- gen und mit einer neuen Erzählform neue Zielgruppen erreichen – das ist das Ziel der ­Video-Reihe The Bright Side. Jüngstes Beispiel dafür, wie die DW Constructive­ Journalism umsetzt. Johnny Miller Johnny © Das neue Format will weder schönfärben noch schönreden. Viel- © mehr geht es darum, Fakten ausgewogen zu präsentieren und mit Daten und grafischer Visualisierung zu unterlegen. „Wir schaffen eine Möglichkeit, auch das zu zeigen, was gut läuft, statt nur den Fokus auf das zu richten, was schiefläuft“, erläutert DW-Modera- tor Christopher Springate, der The Bright Side präsentiert. „In den Nachrichtensendungen geht es vornehmlich um Unglücke, Konflik- te und Gewalt. Den außerordentlichen Fortschritten, die wir bei der Lösung vieler Probleme über die Jahre gemacht haben, schenken wir nur wenig Aufmerksamkeit.“ Studien zeigen, dass sich Zuschauergruppen abwenden an- gesichts des täglichen Grauens. Konstruktiver Journalismus soll sie zurückgewinnen, indem der Blick auch auf Projekte gelenkt wird, die Lösungen aufzeigen für große Herausforderungen der Menschheit. Die kurzen Videos der Reihe The Bright Side laufen wöchentlich auf den Social-Media-Kanälen und im englischen TV-Programm der Unequal Scenes: mehr zum Foto-­ DW. Zum Start ging es um den – global betrachtet – signifikanten Projekt von Johnny Miller auf Seite 37 Rückgang an Kriegstoten in den vergangenen Jahrzehnten und um die Erfolge im Kampf gegen den Hunger in vielen Teilen der Welt. Constructive Journalism ist im Informationsangebot des deut- schen Auslandssenders kein Neuland. So stellt beispielsweise das es die Rundfunkgebühr, um den Fortbe- Umweltmagazin Eco@Africa Projekte und Initiativen in Afrika und stand des öffentlich-rechtlichen Rund- Europa vor, die Lösungen anbieten. Die Sendung ist eine Koproduk- funks in Deutschland zu sichern. Für tion der DW mit Partnersendern in Nigeria und Kenia. Ein weiteres alle, die sagen, sie möchten aber nur für Beispiel ist das Projekt The77percent, das sich dem Dialog mit Afri- die Angebote zahlen, die sie auch selbst kas Zukunft widmet. Die unter 35-Jährigen stellen die große Mehr- nutzen, habe ich eine Botschaft: Sie profi- heit der Bevölkerung. Sie wollen ihr Land nicht dauerhaft verlassen, tieren nicht nur von dem Teil unseres Me- sondern die Entwicklung ihrer Gesellschaft aktiv mitgestalten. Die dienangebots, das Sie persönlich nutzen. DW gibt ihnen eine Plattform, ihre Geschichten und Projekte, Pro- Sie profitieren auch davon, wenn andere bleme und Träume zu teilen. Konstruktiv­ und unterhaltsam – das unsere Angebote nutzen. Die Rundfunk- gilt auch für das Social-Media-Format What Else …? Die Video-Reihe gebühr zahlt man nicht für die Nutzung richtet sich ebenso an junge Menschen in Afrika. eines bestimmten öffentlich-rechtlichen Angebots. Die Rundfunkgebühr zahlt Berthold Stevens, Unternehmenskommunikation man für unseren Beitrag zu einer funkti- onierenden Gesellschaft. twitter.com/SpringateCEG | dw.com/77 | dw.com/ecoafrica DW © © DW/P. Böll DW/P. © © DW/U. Wagner © ©

Fakten ausgewogen Wissen vermitteln für faktenbasierten präsentieren: Diskurs: Tom Buhrow auf dem GMF Christopher Springate

Deutsche Welle 13 TITELTHEMA DW © ©

So sind die Visualisierungen Ausgangs- D | DATENJOURNALISMUS punkt für unsere Datengeschichten.

Bei welchem Thema war ihr Team in „Dahinter stecken jüngster Zeit beispielsweise gefragt? Die Afrika-Abteilung ist mit einer Hypo- these an uns herangetreten: Man wollte fast immer Menschen“ wissen, ob die „gefühlte Wahrheit“ zutrifft, dass es für Afrikaner schwieriger ist, ein Langzeitvisum für Deutschland zu erhal- Seit Sommer 2017 gibt es das DW-Data-­Team. ten, als für Menschen aus anderen Regi- Gianna Grün und Eva Lopez analysieren­ große onen. Mit Daten vom Auswärtigen Amt konnten wir belegen, dass die Hypothese Datensätze, um originäre­ Geschichten zu finden zutrifft. Diese Geschichte war erst der Auf- und Redaktionen­ bei Recherchen­ zu unter­stützen. takt. Wir haben die Auswertung auf Süd- ostasien zugeschnitten wiederholt und ­Gianna Grün zu den bisherigen Erfahrungen.­ gemeinsam mit der Russisch-­Redaktion die Auswertung auf postsowjetische Staa- Fragen Berthold Stevens, Unternehmenskommunikation ten angepasst. Insgesamt wurde die Ge- schichte so – in verschiedenen Ausprägun- gen – für ein Dutzend Programmsprachen relevant.

Welche Kernfragen bewegen eine hat. Hinter den Datenpunkten stecken Welche Kenntnisse und Fertigkeiten soll- Daten­journalistin? fast immer Menschen: Arbeitslosenquo- te eine Datenjournalistin haben? Wie finden wir durch die Analyse von gro- ten – Menschen ohne Job, Zahlen zur Wie bei allen Journalisten steht die Fähig- ßen Datenmengen Geschichten, die noch Migration – Menschen, die Schutz suchen. keit im Mittelpunkt, die richtigen Fragen nicht erzählt wurden? Welche neuen Er- Deren Geschichte kann man bewegend zu stellen. Antworten suchen wir nicht kenntnisse können wir durch die Kombi- erzählen, ob in Text, Bild oder Video. Und zuerst bei Experten, sondern in Datensät- nation von Datensätzen gewinnen? Wie mit Daten­visualisierungen kann man sie in zen. Dann sind Offenheit für Komplexität, können wir große Datenmengen visuali- einen passenden Kontext setzen. Liebe zum Detail, Ausdauer und eine hohe sieren, um unseren Nutzern einen Pers- Frustrationstoleranz wichtig. Hinzu kom- pektivwechsel zu bieten? Die Infografik wird also neu erfunden? men ein statistisches Grundverständnis, Nein. Aber die Art und Weise, wie wir sie Grundlagen der Visualisierung und eine Bewegende Geschichten nicht mit der einsetzen, ist eine andere: Infografiken Toolbox mit Werkzeugen, die man beherr- Kamera, sondern mit riesigen Mengen an entstehen oft, wenn die Geschichte be- schen sollte: von Tabellenprogrammen komplexen Daten – das klingt verwegen. reits steht und einzelne Sachverhalte da- über Programmiersprachen bis zu Visua- Für uns klingt das vielversprechend. Denn raus veranschaulicht werden sollen. Im lisierungssoftware. nicht vor der Menge oder Komplexität Datenjournalismus stehen die Visualisie- zurückzuschrecken bedeutet, mit richti- rungen an erster Stelle: Sie zeigen Trends dw.com/daten | dw.com/data gen Fragen und passenden Analysen Ge- oder Muster auf, deren Ursachen im schichten finden, die sonst noch keiner ­zweiten Schritt im Artikel erklärt werden.

14 Weltzeit 2 | 2018 MindsTalk mit Dima Khatib von AJ+

D | DIGITAL RIGHTS

Länder, in denen Daten gesetzlich nicht geschützt sind, bieten geradezu paradiesische DW/U.Wagner ©

Bedingungen für sehr problematische © ­Eingriffe in die Privatsphäre, ohne ­Konsequenzen fürchten zu müssen. E | ENGAGEMENT Klickzahlen waren gestern Nighat Dad auf dem GMF Heute zählt Audience Engagement. Denn die besten Ge- schichten und Themen sind die, die unser Publikum akti- vieren, den Dialog aufzunehmen – untereinander und mit uns, den Medien.

Wie wichtig es gerade für international agierende Sender ist, die Erwartungen und Reaktionen des Publikums aufzu- nehmen und einzubinden, zeigte der „MindsTalk“ mit Dima DW/U.Wagner

© Khatib, Managing Director von AJ+, auf dem Global Media © Forum. Die Herausforderung, das Verhältnis von Sender und Publikum im digitalen Zeitalter neu zu bestimmen, hat auch die DW angenommen. Menschenrechtsaktivisten sind nicht nur Audience Engagement setzt voraus, dass wir unsere Hackern und Cyber-Angriffen ausgesetzt. Sie Angebote optimieren, indem wir die Interaktionen und stehen auch unter ständiger Beobachtung. Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer analysie- ren: Wie oft teilen oder kommentieren sie Inhalte auf den DW-Webseiten und in den Sozialen Medien? Welche Tren- Als Journalisten, Menschenrechtler und ding Topics aus den Zielmärkten sollten wir in unser Pro- Verfechter des freien Zugangs zum Internet gramm aufnehmen? Dazu verstärken wir unser Commu- können wir die digitalen Rechte nicht binnen nity Management: die Moderation und Auswertung der Netz-Diskussionen. weniger Tage revolutionieren. Aber wir kön- Außerdem nutzen wir Analysetools, zum Beispiel nen Menschen und Anwälte unterstützen, die Crowdtangle und die „DW Dashboards“, die uns zeigen, sich für eine Stärkung der Rechte einsetzen. welche Beiträge der DW und ihrer Wettbewerber gerade besonders gut laufen, welche Themen aktuell am häufigs- ten über Suchmaschinen nachgefragt werden und vieles Verletzungen der Privatsphäre mehr. Damit sind wir am Puls unserer Zielgruppe – den im Digitalen­ werden wir nicht völlig „Minds“, die wir anregen, sich in Debatten engagiert ein- stoppen können. Aber wir können Daten- zubringen. schutzprotokolle stärken, eine bessere Annika Stühler, Referentin | Claudia Laubach, Market­ and Gesetz­gebung, strengere Richtlinien und Audience Insights auch Haftung bei Nichteinhaltung ­einfordern.

Nighat Dad, Gründerin der Digital Rights Foundation, Pakistan

digitalrightsfoundation.pk

Deutsche Welle 15 TITELTHEMA

Intendant Peter Limbourg überreichte die Auszeichnung im Rahmen des Global Media Forum in Bonn. Sadegh Zibakalam, Politikwissenschaftler an der Universität Teheran, sagte in seiner Dankesrede, Re- pression treffe in Schriftsteller, Jour- nalisten, Anwälte, Menschenrechtsaktivis- ten, Gewerkschafter, Studenten, Künstler, Dissidenten und oppositionelle Politiker – Frauen wie Männer. Auch religiöse Denker, fügte Zibakalam an. „Denn das Ausmaß der politischen Repression verdeckt oft die religiöse Verfolgung.“ Dass einige Regime- kritiker seit Jahren ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest stehen, auch das hält der Wissenschaftler für vielsagend, was die Menschenrechtslage in Iran betrifft. Aktu- ell würden zudem Umweltaktivisten ver- folgt, „eine neue Dissidentenkategorie“. Der Kampf für Demokratie und Freiheit steht für den Preisträger 2018 im Mittel- punkt der iranischen Zeitgeschichte. Und diese „Sehnsucht nach demokratischen Werten“ sei an die junge Generation weiter- gegeben worden. Deshalb sagt Zibakalam auch: Bei aller berechtigten Kritik habe das DW/F. Görner DW/F. © © Soziale Medien sind ein mächtiges

F | FREEDOM OF SPEECH AWARD Instrument für ­Öffnung und Wider die Demokratie.­ Land in den vergangenen zwei Jahrzehn- ten „kleine, aber spürbare Fortschritte ge- Scharfmacher macht“. Nach seiner Einschätzung könne man beispielsweise „ein halbes Dutzend Zeitungen“ heute als unabhängig bezeich- nen. Und die Sozialen Medien, auf denen Er widme den Preis allen politischen Gefangenen in seinem er selbst aktiv ist, sind für den streitbaren Land, sagte Sadegh Zibakalam. Der iranische Politologe Politologen „ein mächtiges Instrument, um den Kurs der politischen Öffnung und ­erhielt den DW Freedom of Speech Award 2018. Laudator Demokratie in Iran zu unterstützen, trotz Reinhard Baumgarten mahnte, nicht in Schwarz-Weiß-­ der ständigen Versuche des Staates, die- sen Einfluss einzudämmen“. Zibakalam Kategorien zu denken und die „zahlreichen Pflänzchen“ resümierte: „Vielleicht wäre es keine Über- in der iranischen Zivilgesellschaft wahrzunehmen. treibung, zu dem Schluss zu kommen, dass die Islamische Republik Iran nicht so düster Text Berthold Stevens, Unternehmenskommunikation und dunkel ist, wie es von außen scheint.“ Ambivalenz? Für ARD-Korrespondent Reinhard Baumgarten ist es vielmehr ­Ausdruck der Gratwanderung, die Kritik

16 Weltzeit 2 | 2018 DW/U. Wagner © © aus dem Innern der Islamischen Republik an herrschenden Personen und Zustän- den bedeutet. Der Laudator attestierte dem Preisträger Mut und zollte Respekt. „Zibakalam widerspricht den Scharfma- chern seines Landes und legt den Finger Zibakalam in offene Wunden.“ Was angesichts der all- gegenwärtigen Zensur mit hohen Risiken legt den Finger in behaftet sei. „Überwachung wird großge- Laudator Reinhard Baumgarten schrieben, sehr groß“, so Baumgarten. ­offene Wunden. Zibakalam spreche offen „über das gi- gantische Drogenproblem seines Landes, will es reformieren.“ Dafür müsse man er von eingeschworenen Gegnern ebenso über die hohe Scheidungsrate, die Verar- die sehr komplizierten Machtverhältnisse wie von hartleibigen Befürwortern der mung großer Teile der Bevölkerung, über verstehen, nicht in Schwarz-Weiß-Katego- Islamischen Republik. Manchen gilt er als leere Moscheen, steigende Arbeitslosig- rien denken, wie dies derzeit auf der gro- dienstbarer Geist und Feigenblatt eines keit, den wachsenden Groll vor allem jun- ßen politischen Bühne geschehe, beklagte verruchten Regimes. Anderen als gefähr- ger Menschen und deren Desinteresse an Baumgarten. Zibakalam hingegen kenne licher Konterrevolutionär und Defätist“, vermeintlichen Erfolgen der Revolution“, die politischen und gesellschaftlichen Ver- sagte Baumgarten. sagte Baumgarten, der sechs Jahre aus hältnisse seines Landes „bis ins kleinste Der Laudator empfahl, die „zahlrei- Iran berichtet hat. „Und natürlich schäu- Detail“. Und er finde Gehör – ­gerade bei chen Pflänzchen“ in der iranischen Zivil­ men Irans Hardliner, wenn er Sinn und jungen Leuten durch seine Präsenz in gesellschaft wahrzunehmen. Die Verlei- Umfang des iranischen Atomprogramms ­Sozialen Medien. hung des DW Freedom of Speech Award grundsätzlich und öffentlich infrage stellt.“ Baumgarten ging auch auf die Kritik an Sadegh Zibakalam könne „all jene Aber Zibakalam glaube an die Demo- am diesjährigen Preisträger ein. Sein Wir- stärken und ermutigen, die für Rede- und kratiefähigkeit seines Landes. „Er will das ken sei keineswegs unwidersprochen ge- ­Meinungsfreiheit in Iran eintreten“. herrschende System nicht abschaffen. Er blieben. „Kritik und Schmähungen erntet

Der DW Freedom of Speech Award

würdigt eine Person oder Initiative, die eine herausragende Position für Menschenrechte und Meinungs- freiheit bezieht. Im vergangenen Jahr hatte die White House Corres­ pondents’ Association (WHCA) in DW/U. Wagner Washington, D.C. die Auszeichnung Ex-Präsident Hamid Karsai in Bonn © © erhalten. Der inhaftierte saudische Blogger Raif Badawi war 2015 der erste Preisträger. 2016 zeichnete die DW den türkischen Journalisten Frieden in Afghanistan? ­Sedat Ergin­ aus. Der jüngste Preisträ- ger, der iranische Politologe Sadegh Hinter diese Überschrift gehört nach jahrzehntelangen Konflikten noch heute ein ­Zibakalam, war im April von einem Fragezeichen. Immer wieder erschüttern Anschläge das Land im Mittleren ­Osten. Revolutionsgericht zu 18 Monaten „Frieden wird es nur geben, wenn die Afghanen wirklich verantwortlich sind für Haft verurteilt worden, blieb jedoch den Friedensprozess und den innerafghanischen Dialog“, sagte der frühere Präsi- auf freiem Fuß. In einem DW-Inter- dent Hamid Karsai auf dem Global Media Forum. Er wünsche sich eine neue Afgha- view hatte er über innenpolitische nistan-Konferenz in Bonn, um den Friedensprozess in seinem Land zu unterstüt- und soziale Gründe für die landeswei- zen. Weiterhin forderte er Souveränität für die afghanische Führung über innere ten Proteste in Iran gesprochen. Angelegenheiten, die Entwicklung eines neuen Sicherheitsmechanismus durch Zusammenarbeit zwischen internationalen und regionalen Akteuren sowie eine dw.com/freedom Politik im Zeichen der Partnerschaft.

Deutsche Welle 17 TITELTHEMA Unsplash/Ron Jake Roque Unsplash/Ron Jake © ©

F | FREIHEIT Im Visier Teherans

Die Verletzung des Grundrechts auf Meinungs- und In- formationsfreiheit hat viele Gesichter – aber stets ein und dasselbe Motiv: Es ist der Versuch, bestimmte Informatio- nen nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, indem Journalisten daran gehindert werden, ihrer professionellen Verpflichtung nachzukommen. Manche Regime betrachten Journalismus als Verbre- chen, das ihre Macht bedroht. Deshalb ergreifen sie Maß- nahmen wie Zensur, Kontrolle der Berichterstattung und Verbreitung von Falschinformationen. Sie verwehren den Menschen den Zugang zu objektiver und unabhängiger Information, indem sie Medienhäuser im eigenen Land schließen und Angebote internationaler Anbieter blocken. Unliebsame Journalisten werden verhaftet, im schlimmsten Fall getötet. Auch in der Islamischen Republik Iran wird das Men- schenrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit weiter- hin verletzt. Besonders bedauerlich sind die Formen: Will- kürlich werden Familienangehörige von Journalisten verhört und verhaftet und diffamierende Falschinformationen über diese Personen verbreitet. So wurden kürzlich ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der BBC-Farsi-Redaktion verfolgt und verurteilt. Das Farsi-Team der DW hat bisher zwar noch keine solch G | GENERATION Z drastischen Konsequenzen zu beklagen. Gleichwohl würde auch den meisten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter die sofortige Verhaftung drohen, wenn sie nach Iran Digitale zurückkehren würden. Denn auch die DW ist im Visier der iranischen Behörden, die versuchen, objektive Berichter- stattung europäischer Sender systematisch zu unterbinden: Unruhestifter Die Webseite dw.com/persian wird geblockt, DW-Reportern die Erlaubnis zur Berichterstattung aus dem Land verwehrt. Eine Blockade der DW-Angebote ist völlig inakzeptabel. Über Jahre hatten Forscher und Vermarkter Das hat Intendant Peter Limbourg mehrfach bekräftigt. die Wesensmerkmale der Millennials im Blick. Unsere Kernaufgabe ist es, demokratische Werte zu ver- teidigen, insbesondere das Recht auf Meinungs- und Infor- Nun richten sie ihre Aufmerksamkeit auf die mationsfreiheit. Nachfolgegruppe: die Generation Z. Auch Gemeinsam mit anderen europäischen Sendern und internationalen Institutionen – darunter die Internatio- sie setzt neue Trends – in ihren Ansichten wie nalen Journalistenvereinigungen IFJ und Reporter ohne in ihrem Verhalten. Die treibenden­ Kräfte: Grenzen – appellieren wir an die Vereinten Nationen, uns die Wirtschaft nach der Rezession und die darin zu unterstützen, das Recht auf freien Zugang zu Nachrichten und Informationen für die iranische Öffent- digitale­ Transformation. lichkeit zu verteidigen. Text Anne Boysen, Zukunftsforscherin Jamshid Barzegar, Leiter der Farsi-Redaktion, am 20. Juni vor dem UN-Menschenrechtsausschuss

18 Weltzeit 2 | 2018 fixierten, trübseligen Teenager sehen, ­befürchten, dass es nicht genug Süßwas- wird sein Einfluss weniger über die Tech- ser geben wird. nik definiert, die er beherrscht, als durch die Kombination neuer Ideen, die sein Ge- Nutzen statt besitzen rät vereinfacht. Soziale Plattformen geben jungen Wirtschaftliche Ansichten und ein Inte­ Menschen Ebenen, auf denen sie ihre resse an der Sharing Economy verändern Identität entwickeln und mit Gleichgesinn- ihre Prioritäten als Konsumenten und als ten interagieren können. In einer Minute angehende Arbeitnehmer. Generation Z werden 300 Stunden Content auf Youtube ist sowohl die Umwelt als auch das künf- hochgeladen. Stimmen, die in traditionel- tige Einkommen wichtig, die Anhäufung Wenn das alte len Medien kaum gehört werden, konkur- materieller Besitztümer hat für sie aber rieren jetzt mit der milliardenschweren weniger Bedeutung als Zugang zu dem System nicht mehr Unterhaltungsindustrie und sorgen für zu haben, was man braucht, wenn man eine breite Fächerung der Rollen, die jun- es braucht. Eine Karriere zu verfolgen, die ­funktioniert, wird ge Menschen beeinflussen und mit denen mit einer positiven Auswirkung auf die sie sich assoziieren. Welt verbunden ist, hat mehr Prestige als es durch bloßes „reich werden“. Von innen aufbrechen Die Generation Z wird nach Jobs stre- Fingertippen ben, die sozial und ökologisch wirkungsvoll implodieren. Diese Generation Z neigt weniger als jede sind und die heute untergewichtet oder andere dazu, sich als ausschließlich hetero- noch nicht existent sind. Unternehmen, sexuell, eindeutig männlich oder weiblich die dieser energischen, Unruhe stiftenden zu identifizieren. Wenn soziale Kategorien Generation von Arbeitnehmern gefallen oder Gruppen als fließend angesehen wer- möchten, sollten sich an diese massive Ver- den, werden soziale Hierarchien flacher. schiebung der Prioritäten anpassen. Durch die Zerlegung der Zwei-Gender- Laut einer britischen Studie vertrauen Idee setzt die Generation Z das System nur zehn Prozent aus der Generation Z da- zweifach zurück. Erstens, indem sie das rauf, dass die Regierung das Richtige tut. Spektrum diversifiziert, was dabei hilft, Diese Generation könnte in ihr politisches Kaum Teenager, sah die Generation Z, unkonventionelle Gender-Identitäten und System so eingreifen, wie sie es mit ihren wie ihre Eltern nach jahrelanger loyaler Ar- Sexualitäten zu normalisieren. Zweitens Smartphones tut: Wenn das alte System beit ihre Jobs verloren. Sie beobachteten könnte die Generation Z es schaffen, be- nicht mehr funktioniert, wird es durch blo- ältere Geschwister, die Schwierigkeiten harrliche Geschlechter-Ungleichheiten von ßes Fingertippen implodieren. Wenn et- hatten, ihre Karrieren in rezessiven Märk- innen aufzubrechen, indem sie Gender-­ was schiefgeht, „resetten“ sie es. Werden ten zu starten. Großeltern, die um ihren Kategorien von einer binären auf eine fort- wir es wagen, sie unsere Zukunft sprengen Ruhestand betrogen wurden, nachdem laufende Skala verschiebt. zu lassen und uns in eine neue Richtung zu sie ihre Notgroschen beim Börsen-Crash Die Toleranz der Generation Z reicht bewegen? verloren hatten. Aus diesen Eindrücken weiter, als lediglich Verschiedenheit zu entstand eine genügsame, wachsame akzeptieren. Sie betrachtet Diversität auf und werbeskeptische Mentalität. Inmitten von scheiternden Unter- nehmen stieg ein neues Paradigma auf. Die Toleranz Junge Leute, begierig darauf, der Welt ihren Stempel aufzudrücken, wurden mit der Generation Z DW/U. Wagner Technik ausgestattet, die bisher großen © © Unternehmen vorbehalten war. Schnelles reicht weiter. Internet, hochauflösende Kameras und digitale Netze zur Verbreitung verban- einer Gleitskala und tendiert dazu, sich den sie mit einer größeren Welt. Was sie selbst im anderen zu sehen. an finanzieller Sicherheit verloren, macht An wachsenden Depressions- und Sui- die digital transformierende Technik wett. zidraten bei Teenagern wird oft den Sozia- Wie sie diese neuen Möglichkeiten nutzen, len Medien die Schuld gegeben. Sie tragen formt die Zukunft. in der Tat zu Cybermobbing und verdreh- Bei der digitalen Transformation geht ten, düsteren Sichtweisen bei. Dafür gibt es es weniger um die Technik. Vielmehr geht aber auch reale Ursachen. Überwältigende­ Anne Boysen präsentierte auf dem es um die Veränderungen, die sie in Hän- 87 Prozent der jungen Menschen in 20 Global Media Forum Analysen der den einer neuen Generation ermöglicht. Ländern befürchten, dass die natürlichen nächsten jungen­ Generation­ Während wir den Digital Native als Handy­ Ressourcen zur Neige gehen. 85 Prozent

Deutsche Welle 19 H | HATE SPEECH Die Ohnmacht des Adressaten

Hate Speech im Internet richtet sich gegen Individuen und Gruppen, auch gegen ganze Völker. Adressaten hasserfüll- ter Parolen gibt es überall auf der Welt und in nahezu allen ­Lebensbereichen. Gibt es ein Gegenmittel? Wie können Opfer sich wehren? Richard Gutjahr, Rokhaya Diallo und Yin Yadanar Thein diskutierten beim Global Media Forum. Doch es waren eher Appelle als überzeugende Antworten.

Text Vera Tellmann, Unternehmenskommunikation

Diskriminiert werden Sinti und Roma, ­Regeln gelernt, ihre Arbeit perfektioniert. die LGBT-Community, Muslime und Juden, Sie wissen genau, was sie tun“, so Gutjahr. Menschen mit Behinderung, afrikanische „Sie organisieren sich und orchestrieren und mexikanische Migranten. Und im- Attacken. Der Rest von uns hatte keine mer wieder Frauen – wie beispielsweise Ahnung, dass sie so fortschrittlich und während der Fußball-WM in Russland die uns so weit voraus sind. Ich kenne keinen ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. Journalisten, der technisch so versiert Der deutsche Journalist Richard Gut- ist.“ Anbieter Sozialer Netze müssten ihre jahr, der bei den Terrorangriffen in Nizza ­Verantwortung erkennen und entschieden und München im Sommer 2016 zufällig gegen die Verbreitung von Hass und Lügen vor Ort war und spontan via Smartphone vorgehen, so Gutjahr. Die Politik halte nicht die Berichterstattung aufnahm, erlebte Schritt mit der digitalen Revolution und Beleidigungen und Verleumdungen, die überlasse die Rechtsprechung „verrückter- sich auch gegen seine Familie richteten. weise“ den Plattform-Betreibern. „Nutzer Er wurde beschuldigt, Mitarbeiter eines brauchen Nachhilfe in Zivilcourage, Mitge- Geheimdienstes zu sein und von den At- fühl und digitalem Einfühlungs­vermögen“, tentaten gewusst zu haben. Gutjahr sag- so der Journalist. Allerdings sei die Lösung te in Bonn, er habe erst lernen müssen, so komplex wie das Internet. dass die vorwiegend antisemitischen On- Eines ist Gutjahr zufolge klar: Hassrede line-Angriffe „nicht mir als Person gelten, sei ein „sich selbst erhaltendes Monster, sondern dem, was ich repräsentiere, wo- das sich nicht verzieht, wenn es ignoriert DW/P. Böll DW/P. für ich stehe“. wird, sondern jeden Tag stärker wird“. © © Die Menschen, die ihn im Netz verfol- Opfern von Hate Speech stehen bislang gen, hätten in der Gesellschaft vorhan- nicht viele Mittel und Wege zur Verfügung, dene Ängste erkannt und nutzten sie auf um sich zur Wehr zu setzen. Strafanzeige sehr professionelle Weise. „Sie haben die gegen Unbekannt, das ist der erste Schritt,

Nutzer brauchen Nachhilfe in

Zivilcourage, Mitgefühl und digitalem Aus eigener Erfahrung gegen Einfühlungsvermögen.­ Hassrede: Journalist Richard Gutjahr

20 Weltzeit 2 | 2018 DW © ©

Sie wissen genau, was sie tun. privat privat © © © © Unsplash/Jack Sharp © ©

Yin Yadanar Thein Rokhaya Diallo um über die IP-­Adresse den ­Absender ausfindig machen zu lassen. Über die Gründerin der Organisation „Free Journalistin und Aktivistin, setzt sich Meldesysteme einzelner Medien können Expression ”, die sich für für Gleichberechtigung ein – der Betroffene die Löschung von Einträgen in- Gesetzesreformen zugunsten von Religionen, der Ethnien und der Ge- nerhalb von 24 Stunden beantragen. Medien-, Meinungs- und Demonst- schlechter. Die in Frankreich gebo- Richard Gutjahr: „Jeder von uns hält rationsfreiheit sowie Geschlechter­ rene Tochter senegalesischer Eltern eine ‚Waffe‘ in der Hand – mit nur einem gerechtigkeit stark macht. „In machte intensive persönliche Erfah- Tweet kann man ein ganzes Leben zerstö- Myanmar haben wir noch kein Anti-­ rungen mit Hate Speech. Sie begeg- ren. Nicht nur Kinder müssen den richtigen Diskriminierungsgesetz. Das ist eine net ihr auf überraschende Weise mit Umgang lernen. Wir alle sind Teil des Pro- Schwäche und zugleich eine Chance. Humor und Ironie. Aber: „Niemand blems – und der Lösung.“ Deshalb müsse Wir können das Problem Hate Speech­ steht über dem Gesetz“, so Diallo man definieren, was das Internet sein soll. proaktiv angehen, bevor es zu Straf- beim GMF. „Soll es ein Werkzeug der Freiheit sein oder taten kommt“, sagte sie auf der DW- soll es Menschen unterdrücken?“ Medien­konferenz in Bonn.

Deutsche Welle 21 TITELTHEMA

I | IMPRESSIONEN

22 Weltzeit 2 | 2018 SAVE THE DATE 27. bis 29. Mai 2019 dw.com/gmf

Impressum

Deutsche Welle Unternehmenskommunikation 53110 Bonn T 0228.429-2041 [email protected] dw.com/presse

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VERANTWORTLICH Christoph Jumpelt

REDAKTION Berthold Stevens

GESTALTUNG Lisa Jansari, Christian Lück

BILDNACHWEIS Titel: © DW/J. Röhl

Fotos Philipp Böll, Florian Görner, DRUCK Ronka Oberhammer und Uta Wagner BRANDT GmbH, Bonn

Das Papier für diese Weltzeit wurde aus Holz erstellt, das aus verantwortungsvol- ler, nachhaltiger, europäischer Waldwirt- schaft stammt. Es wird auf Düngemittel und Pestizide verzichtet und der Bestand wird wieder aufgeforstet.

WERBUNG IM PROGRAMM T 0228.429-2731 [email protected]

Deutsche Welle 23 TITELTHEMA

J | JOURNALISMUS-NETZWERKE Jenseits mast3r - stock.adobe.com [M] stock.adobe.com - mast3r © des Egos ©

Networking – diesen Begriff findet man seit 2004 im Duden. Kontakte knüpfen, „Netze“ spannen, das ist im Arbeitsleben oft ebenso wichtig wie fachliches Wissen. In Zeiten, in denen Nachrichten über Soziale­ Medien verbreitet werden, entwickeln sich auch im Journalismus neue Formen der ­Zusammenarbeit. Ein Trend: Kollaborativer oder Partizipativer Journalismus.

Text Ole Tangen Jr., Unternehmenskommunikation | Adaption Julia van Leuven

„Die Zukunft des Journalismus in drei Worten: Kollaboration, Díaz-Struck, Research Editor beim ICIJ und Lateinamerika-Koor- Kollaboration, Kollaboration“ – so titelte 2016 der britische Guar- dinatorin sowie Professorin für Journalismus an der Universidad dian. Zu Beginn dieses Jahres machte Chefredakteurin Katherine Central de Venezuela. „Bei solchen globalen Kollaborationen Viner Partizipativen Journalismus sogar zu einem der Grundsätze braucht man Leute, die ihre Egos beiseitelassen und ihre Er- des Mediums: „Kollaboration mit Lesern und anderen, um größe- kenntnisse weitergeben, denn nur so entsteht Vertrauen“, sagte ren Einfluss zu haben“. Journalistinnen und Journalisten koope- Díaz-Struck beim Global Media Forum in Bonn. „Es ist egal, ob du rieren also nicht nur mit Mitarbeitern anderer, eventuell konkur- Journalist in Lateinamerika oder Europa bist, ob du für ein großes rierender Medienhäuser, sondern auch mit Lesern, Zuschauern Medienhaus arbeitest oder für ein kleines Start-up: Du kannst und Nutzern und beziehen somit Laien in die Recherche ein. teilhaben – als kollegialer Mitstreiter.“ ­Deren Einträge in den Sozialen Medien bieten Reportern Zugang zu breitgefächertem Wissen und unterschiedlichen Denkweisen. Du kannst ­teilhaben als Grenzenlose Teamarbeit kollegialer­ Mitstreiter.­ Eines der bekanntesten Beispiele sind die Panama Papers. 2015 wurden 11,5 Millionen Dokumente zu Offshore-Steuerparadiesen­ Für die deutsche Journalistin Heike Janßen vom Netzwerk an Redakteure der Süddeutschen Zeitung geleaked. Die Sichtung Weitblick sind Klimawandel und Nachhaltigkeit kritische globa- der Dokumente konnten diese nicht bewerkstelligen und baten le Themen. Ein Bericht über Umweltverschmutzung in Afrika das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) kann zu einer internationalen Angelegenheit werden, wenn das um Hilfe. Das ICIJ aktivierte fast 400 Journalistinnen und Journa- involvierte Unternehmen seinen Sitz in Europa hat. „Wir stellen listen weltweit für das Projekt und richtete eine Online-Plattform Journalistinnen und Journalisten das notwendige Training sowie ein. So konnten alle Beteiligten nicht nur die Daten einsehen, Best-Practice-Beispiele zur Verfügung, damit sie über diese The- sondern auch für ihre Region oder ihr Land spezifische Ermitt- men angemessen berichten können“, so Janßen beim GMF. Das lungsergebnisse veröffentlichen. Über ein Jahr lang analysier- Ziel: internationale Vernetzung, damit große Storys recherchiert ten sie die Dokumente, bevor die ersten Artikel erschienen. Kein werden können – gleich, wie klein die Redaktion ist. Journalist verriet vor ihrer Veröffentlichung Informationen. Weil zahlreiche Dokumente auf Spanisch verfasst waren, be- icij.org/investigations/panama-papers teiligten sich viele aus Lateinamerika am Projekt, darunter Emilia netzwerk-weitblick.org

24 Weltzeit 2 | 2018 K | KUNST UND KULTUR Kreativ die Welt verbessern

Weltweit nutzen Kulturschaffende ihre Kreativität, um auf ­Menschenrechtsverstöße und politische, soziale oder ökologische­ Missstände aufmerksam zu machen.

„Kunst kann unsere Beziehungen verändern – zu anderen des Artivism-Blogs „We Make Money Not Art“, sowie Ellen M. Menschen, zur Realität, zur Welt. Darin liegt die politische Kraft ­Harrington aus den USA. Die Film- und Literaturwissenschaft­ der Kunst.“ Die preisgekrönte Dramaturgin, Performance-Künst- lerin Harrington ist seit Januar Direktorin des Deutschen Filmins- lerin und Literatin Meriam Bousselmi zeigte sich auf dem Global tituts und Filmmuseums in Frankfurt am Main. Media Forum in Bonn als Verfechterin von „Artivism“. Die libanesische Schriftstellerin und Journalistin Joumana Mit Malerei, Fotos, Musik und Tanz, mit Theater, Filmen und Haddad übt in ihren Texten offen Kritik an der arabischen Gesell- Literatur verfügen Künstler über vielfältige Ausdrucksformen, schaft und umschifft dabei kaum ein Tabu. Die 47-Jährige gilt als ihr Wirken mit Aktivismus zu verbinden. Das kulturinteressierte eine der einflussreichsten Frauenrechtsaktivistinnen der Region. Publikum erweitert zudem die Zielgruppe für ihr Anliegen – jen- Ihre Bücher sind internationale Bestseller, etwa die Titel „Wie ich seits der üblichen Nachrichtenkanäle. Scheherazade tötete: Bekenntnisse einer zornigen arabischen Für Bousselmi ist auch engagierte Kunst immer Ausdruck Frau“ oder „Superman is an Arab“. von „Vergnügen und Schönheit“. Ohne ihre Wurzeln verleugnen zu wollen, ist es der Tunesierin wichtig, zuallererst als Kunst- schaffende anerkannt zu werden „und nicht als arabisch oder Kunst kann Beziehungen afrikanisch oder weiblich“. Die Geschichten, die sie in ihren In- szenierungen erzählt, sind Rezensenten zufolge „absurd und verändern. Darin liegt die bewusst verrückt, Genres überschreitend und Tabuthemen an- packend“. Oft greift sie das Verhältnis von Macht und Gerech- politische Kraft. tigkeit auf. Eines ihrer Projekte war die Berliner „Truth Box“, ein Beichtstuhl im öffentlichen Raum, der Besucherinnen und Auch die junge Sängerin Ginni Mahi aus der indischen Pro- Besucher auf- und herausforderte, Sünden fremder Menschen vinz Punjab wurde in die Diskussionen einbezogen. Ob Folk, Rap Absolution zu erteilen. oder Hiphop – in ihren Songs vermittelt sie Wut, Freude, Empö- Kunst und Aktivismus – darüber debattierten in Bonn vor rung oder Verzweiflung. Emotionen, die auch für jene Gäste der dem Hintergrund der globalen #MeToo-Bewegung überwiegend DW-Konferenz unüberhörbar waren, die Mahis Muttersprache Frauen. Darunter die französisch-senegalesische Filmemacherin nicht verstehen. und Aktivistin Rokhaya Diallo, die indische Feministin und Verle- gerin Urvashi Butalia, die Belgierin Régine Debatty, Gründerin Vera Tellmann, Unternehmenskommunikation

Artivism ist weiblich: (v. l.) Urvashi Butalia (Indien), Rokhaya Diallo (Frankreich), Moderatorin Karin Helmstaedt, Joumana Haddad (Libanon) und Ellen M. Harrington (USA) bei der Aufzeichnung des DW/U. Wagner

© Kulturmagazins der DW ©

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L | LÖSUNGEN M | MEDIENKOMPETENZ Konkret, geprüft, adaptierbar Schlüssel zur Das Global Media Forum ist Schauplatz vieler kontroverser Debatten zu aktuellen Entwicklungen – insbesondere im Medien- sektor. Dabei hat die Konferenz stets ei- Verständigung­ nen zentralen Anspruch: Es werden nicht nur Meinungen und Erfahrungen ausge- tauscht, sondern vor allem Lösungswege aufgezeigt. Sie ist eine Brandmauer gegen Desinformation – und eine Schlüsselkompetenz für eine liberale, offene und demokra- Was tun gegen einseitige Terrorbe- richterstattung? Wie kann sich Qualitäts- tische Gesellschaft. Deshalb arbeitet die DW Akademie schon journalismus im digitalen Zeitalter behaup- seit vielen Jahren in einer Reihe ihrer Schwerpunktländer für ten? Wo endet Meinungsfreiheit? Diese Debatten geben Raum für Reflexion, sie die Stärkung der Medienkompetenz, für Media and Informa- können inspirieren, motivieren und neue tion Literacy (MIL). Der Bedarf wächst. Kollaborationen anregen. Eines aber fehlt bei vielen Konferenzen weltweit: Lösungs- Text Ute Schaeffer, Leiterin Medienentwicklung, DW Akademie orientierung. Denn Teilnehmende wollen konkrete Ergebnisse und Vorschläge für umsetzbare Maßnahmen mitnehmen. Ein Weg, solche Ergebnisse zu gewähr- leisten, ist es, immer wieder neue Formate zu erproben. Beispiele: World Cafés, Skills Sessions und Roundtables. Die Zahl der Teilnehmenden ist begrenzt, das Ziel ist klar gesteckt: konkrete Lösungsansätze erarbeiten und teilen. Für 2018 hieß das beispielsweise:

–– Konkrete Strategien, um sich gegen Hass im Netz zu wehren – erarbeitet und geteilt vom No Hate Speech Mo- vement. –– Ein Crashkurs zum Thema Online-­ Videos – eine Anleitung zum Selberma- chen von Sumaiya Omar, Mitgründerin von Hashtag Our Stories. –– Crowdfunding – wertvolle Tipps von Jungen Menschen Medienverständnis und technisches Press Start für Journalistinnen und Know-how vermitteln: beispielsweise im Libanon, in Pyalara

© Kambodscha, Namibia und Kirgisistan.

Journalisten, wie sie ihr Profil und ihre © Geschichten hervorheben können, wie sie ihre passgenauen Zielgruppen und geeignete Sponsoren erreichen. –– Direkte Anweisungen, wie alternati- ve digitale Netzwerke mit Rücksicht auf lokale Gegebenheiten leicht auf- gebaut und genutzt werden können – von Aktivistinnen des Alternative ­Access Network aus Lateinamerika.

Konkret, geprüft und adaptierbar – das sind Lösungswege, die beim Global Media Forum erarbeitet und geteilt werden. 2019 mehr davon. DW/T. Karg © Julia Wegner, DW Media Services ©

26 Weltzeit 2 | 2018 DW/J. Odoj DW/T. Karg © © © ©

Falschinformationen, haben gravieren­ Damit Wahrheit und Fakten de und sehr reale Auswirkungen – auch in Deutschland. Was als Tweet oder Post die Oberhand behalten. im Netz beginnt, führt oft zu praktischer Gewalt: Morddrohungen gegen Abgeord- Die DW Akademie möchte die Men- auch Friederike Kärcher vom Bundesmi- nete des Deutschen Bundestags nach der schen zum einen vor Falschinformationen nisterium für wirtschaftliche Zusammen- ­Armenien-Resolution und gezielte Brand­ schützen und ihnen zum anderen eine arbeit und Entwicklung (BMZ) überzeugt. anschläge auf Moscheen oder Flüchtlings- Stimme geben. Deshalb arbeitet sie in ei- Denn wer Medien kompetent zu nutzen unterkünfte sind auch das Ergebnis von ner Reihe von Fokusländern daran, dass weiß, der kann Falschinformationen von Hetze und Desinformation im Netz. Medienkompetenz in Schulcurricula und Fakten unterscheiden, besitzt die Fähig- Doch guter Journalismus allein reicht Lehrerausbildung verankert wird. Nichtre- keit, auf Medien gezielt zuzugreifen, kann nicht. Wachsende Bedeutung kommt der gierungsorganisationen und Bürgerjour- das Netz als Raum für Bildungsinhalte nut- Förderung von Medienkompetenz zu, „da- nalisten arbeiten an der Verbreitung die- zen und als Bürger aktiv an der Meinungs- mit Wahrheit und Fakten die Oberhand be- ses Wissens in polarisierten Gesellschaften bildung im eigenen Land teilnehmen. Kurz- halten“, wie Michelle Müntefering, Staats- und Ländern mit eingeschränkter Medien- um: Medienkompetenz fördert die Achtung ministerin im Auswärtigen Amt, auf dem freiheit. Gemeinsam mit diesen Partnern und Wahrnehmung des Menschenrechts Global Media Forum sagte. Diese Meinung vor Ort vermittelt die DW Akademie jungen auf Informations- und Meinungsfreiheit. vertrat auch Andriy Yurychko von der Ukrai- Menschen Medienverständnis und techni- nian Press Academy in einer Panel-Diskus- sches Know-how. dw-akademie.com sion. Als Projektträger der DW Akademie Einige Beispiele: Jugendliche an einer arbeitet Yurychko im Grenzgebiet zu den palästinensischen Schule in Beirut, die das von Russland besetzten ostukrainischen Schulradio aktiv gestalten, können klarer Regionen für Media and Information Liter- zwischen Klatsch und politischen Nach- acy (MIL). „Guter Journalismus beginnt mit richten unterscheiden, weil sie die Quellen den richtigen Quellen und einem genauen besprochen haben. In Kambodscha geht Die digitale Manipulation Faktencheck. Das gilt gerade in einem an- es darum, wie man in einer streng kont- haltenden Konflikt wie bei uns im Land.“ rollierten Medienlandschaft Soziale Netze „Fake statt Fakt – Wie Populisten, Bots Das gilt umso mehr für Entwicklungs- sicher nutzt. In Kirgisistan bilden wir Leh- und Trolle unsere Demokratie an- regionen. So benutzen islamistische Ter- rer im Bereich Medienkompetenz aus. Und greifen“. Ute Schaeffer hat ein Buch rorgruppen das Netz, um ihre Anhänger zu ein Projekt in Namibia zeigt, wie wir MIL in zur digitalen Manipulation vorgelegt rekrutieren. Über Soziale Medien planen ländliche Regionen tragen. (dtv, Mai 2018). Rund zwei Jahre lang sie tödliche Übergriffe auf liberale Blogger Die DW Akademie setzt sich auch dafür hat sie in Echokammern und Mei- und Journalisten. Russland führt einen In- ein, dass der Wissensaustausch im Bereich nungsräumen im Internet recher- formationskrieg in den benachbarten Län- Medienkompetenz global gefördert wird. chiert. „Populisten und Extremisten dern – gespickt mit Halbwahrheiten, Pro- Beim Media and Information Literacy Ex- brauchen eine Story: mit Opfern und paganda und Anfeindungen. In türkischen pert Network (MILEN) kommen Experten Tätern, klaren Feinden und Helden“, Medien gibt es kaum noch unabhängige aus Afrika, Asien, Osteuropa, Lateiname- so die Autorin. Sie beschreibt die Ak- Informationen. Wer in diesen Regionen rika und Nahost zusammen und arbeiten teure hinter den Kampagnen, analy- verlässliche Informationen sucht, muss an der Vermittlung und Weiterentwicklung siert die Storys und zeigt, auf welche wissen, wo er diese findet, muss wissen, von Medienkompetenz. So wird die Schlüs- Weise die Funktionen des Netzes die wie er sich, seine Recherchen und seine selkompetenz stärker in der internationa- Wirkung der Propaganda verstärken. Kommunikation im Netz schützt, und muss len Entwicklungspolitik verankert. verstehen, welche Akteure das Netz wie „Medienkompetenz ist eine Brandmau- bit.ly/Fake-statt-Fakt nutzen oder missbrauchen. er gegen Falschinformationen“, davon ist

Deutsche Welle 27 TITELTHEMA

N | NRO Zweifach im Einsatz: Lebensretter mit Helmkamera Vielfalt schaffen

Nichtregierungsorganisationen (NRO) sind Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements, verkörpern emanzipato- risches Potenzial und können so zur De- mokratisierung beitragen. Auch deshalb sind zahlreiche NRO Partner des Global Media Forum (GMF).

Sie bringen wichtige Perspektiven aus der Zivilgesellschaft ein und tragen zur Vielfalt bei. In den Partner-Sessions ging es 2018 beispielsweise um gesundheitli- che Aufklärung, um das Für und Wider des Bedingungslosen Grundeinkommens, um Netzneutralität und um das Verhältnis von Demokratie und Ungleichheit.

Klare Positionen NRO vertreten zudem häufig klare Posi- tionen und sorgen für eine kontroverse Diskussion. Wie zum Beispiel der über die Right Livelihood Foundation eingeladene Alternative Nobelpreisträger Colin Gon­ salves auf dem Economy-Panel. „Wir se- hen, dass die negativen Folgen der Globa- lisierung auch Europa erreichen – auf die grausame Weise, die wir in Entwicklungs- ländern seit langem kennen: Menschen geraten in würdelose Armut und Not. Wir haben genug von diesem System der Un- gleichheit!“, so Gonsalves. Erstmalig dabei waren in diesem Jahr die Organisationen Free Press Unlimited, No Hate Speech Movement, EU-Russia Civil Society Forum, Global Press Journal, Fotos: © picture alliance/Anas ALkharboutli/dpa Democracy Reporting International und das Tahir Institute. Das gilt auch für eini- ge Start-ups wie Clean Energy Wire, Vrag- ments und Journocode. O | ONLINE-PROPAGANDA

Kritische Auseinandersetzung Die DW genießt hohe Glaubwürdigkeit beim weltweiten Publikum. Entsprechend Unter Beschuss hoch sind die Standards bei der Auswahl der Partner für das GMF. Zugleich muss sich eine Medienkonferenz gerade auch mit kritischen Aspekten auseinanderset- Die syrischen freiwilligen Rettungshelfer, bekannt als zen. Dazu zählt die Arbeit in Krisengebie- ­Weißhelme, sind zur Zielscheibe einer außerordentlichen ten. Dass Konfliktakteure die Glaubwürdig- keit dieser oder jener Quelle anzweifeln, Desinformationskampagne geworden, die sie als Al-Kaida-­ stellt Medienmacher vor eine Vielzahl von nahe Terrororganisation hinstellt. Ein ­Beispiel, wie die Herausforderungen. Beim GMF war dies Thema in mehreren Sessions. Online-Propagandamaschine­ funktioniert.

Esther Dorn-Fellermann, Text Olivia Solon, The Guardian, London | Adaption Julia van Leuven DW Media Services

28 Weltzeit 2 | 2018 Zweifach im Visier: aus der Luft und im Netz Die Weißhelme sind eine humanitäre Organisation. Die etwa 3.700 Freiwilligen – ehemalige Lehrer, Ingenieure, Schneider und Feuerwehrmänner – ziehen syrische Zivilisten nach Bombenan- griffen aus dem Schutt. Im anhaltenden Krieg wird ihnen die Ret- tung Tausender Menschen zugeschrieben. Zudem deckten sie mithilfe von Videos aus erster Hand Kriegsverbrechen auf. Ihre Arbeit wurde in einer Oscar-prämierten Netflix-Dokumentation verfilmt und die Organisation zweimal für den Friedensnobel- preis nominiert. Trotz dieser internationalen Anerkennung gibt es ein Gegen- narrativ, das durch ein Netzwerk individueller Stimmen vorange- trieben wird. Ihre Ansichten stimmen mit den Positionen Syriens und Russlands überein und haben ein enormes Online-Publi- kum, unterstützt von prominenten „Alt-Right“-Vertretern, Gast- auftritten im russischen Staatsfernsehen und einer Armee von Twitter-Bots. „Dies ist das Herz der russischen Propaganda. Früher haben sie versucht, die Sowjetunion als Vorbildgesellschaft darzustel- „Wir retten Leben“ len. Jetzt geht es darum, jedes Thema mit so vielen Narrativen durcheinanderzubringen, dass Leute die Wahrheit nicht erken- Fragen an Khaled Khatib, Sprecher der Weißhelme, zu den nen, wenn sie sie sehen“, so David Patrikarakos, Autor von „War Vorwürfen bestimmter Medien und Individuen in Sozialen in 140 Characters: How Social Media is Reshaping Conflict in the Netzen gegen die Hilfsorganisation. 21st Century“. Die Kampagne zur Diskreditierung der Weißhelme begann Welche Gründe stehen hinter der Kampagne? zeitgleich mit der russischen Militärintervention in Syrien im Als wir begannen, der Bevölkerung zu helfen, indem wir Herbst 2015 zur Unterstützung von Präsident Baschar al-Assads Zivilisten aus den Gefahrenzonen evakuierten, behauptete Armee. das syrische Regime, es hätte es auf Terroristen abgese- Die Weißhelme spielen innerhalb Syriens zwei Rollen. Die ers- hen. Dies zielt darauf ab, die Realität zu verfälschen und te ist ihre Rettungsarbeit, die zweite Rolle ist die Dokumentation Propaganda zu verbreiten. Das syrische Regime und seine dessen, was im Land passiert, mit Hand- und Helmkameras. „Das Verbündeten haben 246 unserer Freiwilligen getötet, wäh- ist es, was nicht nur das Assad-Regime und russische Behörden rend diese ihren Job machten: Leben retten. Ziel der Kam- pagne ist es, das Töten zu legitimieren und Rettungshelfer ins Visier zu nehmen. Also mussten wir unsere Rettungen Propagandisten von Zivilisten dokumentieren. Das war der Beginn unserer Social-Media-Arbeit. erschaffen­ einen Wie hat die Medienkampagne Ihre ­Arbeit beeinflusst? konstruierten Konsens. Am Anfang war es aufwühlend. Sie können sich das Gefühl vorstellen: Freiwillige riskieren ihr Leben, um Menschen zu verärgert hat, sondern auch viele der Propagandisten, die in ih- retten, und das Regime nennt sie Terroristen. Leider ha- rem Dunstkreis arbeiten“, sagt Kristyan Benedict, auf Syrien spe- ben in der Vergangenheit einige Freiwillige die Regeln und zialisierter Krisenreaktions-Manager von . Grundsätze der Weißhelme verletzt. Es waren individuelle Es war das Filmmaterial der Weißhelme, das den Angriff mit Vergehen, wir sind sofort gegen sie vorgegangen. Ich kann chemischem Kampfstoff in Khan Sheikhoun dokumentierte, bei Ihnen versichern, dass wir völlig neutral Leben retten. Wir dem im April 2017 mindestens 83 Menschen getötet wurden. bieten unsere Hilfe allen Syrern an, ohne Diskriminierung. Später folgerten UN-Ermittler für Kriegsverbrechen, dass der Angriff vom syrischen Regime gegen die eigene Bevölkerung Welche Unterstützung erwarten Sie von internationalen ausgeführt wurde. Institutionen und den Medien? Die russische Propagandastrategie war sehr erfolgreich da- Von vielen erhalten wir massive Unterstützung, indem sie rin, den Online-Diskurs über die Weißhelme anzuführen. Durch über Such- und Rettungsoperationen reden und berichten. das Bespielen der Algorithmen Sozialer Medien mit einer Flut an Wir hoffen, dass die Medien weiterhin die Wahrheit über das Inhalten, angekurbelt durch Bots, unechte Nutzerkonten und ein veröffentlichen, was in Syrien passiert, und diejenigen ent- Netzwerk von Agitatoren, sind Propagandisten in der Lage, ei- larven, die für Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung ver- nen „konstruierten Konsens“ zu erschaffen, der Randansichten antwortlich sind. Die internationalen Institutionen sollten legitimiert. hart für Gerechtigkeit in Syrien arbeiten. Denn wir alle glau- Fil Menczer, Professor für Informatik an der Indiana Univer- ben, dass wir ohne Gerechtigkeit niemals einen dauerhaften sity, hat ein Tool namens Hoaxy entwickelt, um die Verbreitung Frieden erreichen werden. falscher Informationen im Internet zu erfassen. Die Suche nach „White Helmets“ zeigt, dass nur eine Handvoll Quellen Hunder- Fragen Christoph Jumpelt, te Berichte über die Organisation generiert hat. „Es ist wie eine Leiter Unternehmenskommunikation ­Fabrik“, so Menczer.

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Die Analytics-Firma Graphika hat jahrelang eine Reihe russi- P | POPULISMUS | POLARISIERUNG scher Desinformations-Kampagnen analysiert, darunter auch die rund um die Macron-Leaks und den russischen Doping-Skandal. In einer Untersuchung im Auftrag der Menschenrechtsorganisati- Das selbst­ on The Campaign fand sie heraus, dass die Muster der 14.000 Twitter-Nutzer, die über die Weißhelme schrieben, „sehr ähnlich“ aussahen und viele bekannte pro-russische Troll-Accounts bein- referenzielle ­ halteten. Einige dieser Accounts wurden im Zuge der Untersu- chung der russischen Einmischung in die US-Wahl stillgelegt. Milieu verlassen­ Die russische Propaganda­ Populismus, der: von Opportunismus strategie war sehr erfolgreich. ­geprägte, volksnahe, oft demagogische

Um die Propagandamaschine zu verstehen, muss man sich ­Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisie- nur anschauen, was passierte, als die Weißhelme ihre Version rung der politischen Lage die Gunst der der „Mannequin Challenge“ posteten. Hierbei handelt es sich um einen viralen Internet-Trend, bei dem Personen mitten in einer Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewin- Situation „erstarren“ und dies filmen. Die Rettungsgruppe film- nen. So definiert der Duden diese Form te sich bei einer inszenierten Rettung und teilte das Video unter der Politik, die für Medien und Journalismus dem Hashtag #MannequinChallenge in Sozialen Medien. Das Video, das im November 2016 vom Revolutionary Forces eine enorme Herausforderung­ darstellt. of Syria Media Office gepostet wurde, wurde sofort aus seinem Kontext genommen und als Beweis dafür angeführt, dass die Or- Text Ines Pohl, DW-Chefredakteurin ganisation „Krisenschauspieler“ in inszenierten Rettungen ein- setze, um die russische und syrische Armee schlecht dastehen zu lassen. DW/U. Wagner © ©

O | ODE AN DIE FREUDE Musikalischer Flashmob

Die Überraschung gelang. Erst leise, dann laut und raumfül- lend erklang Beethovens „Ode an die Freude“ im Plenarsaal des WCCB. 2.000 Gäste erlebten, wie immer mehr Gruppen von Sängerinnen und Sängern hinzukamen und einstimm- ten. Ein musikalischer Flashmob, dirigiert von Robert Blank,

Leiter des WDR-Rundfunkchors. Das Ensemble aus Köln war Wolfram Steinberg / der Einladung zum Eröffnungstag des Global Media Forum – unter dem Siegel der Verschwiegenheit – gefolgt und stimm- te gemeinsam mit dem DW-Chor die Ode an. Die Darbietung hielt, was die Komposition verspricht: Immer mehr Konfe- picture alliance

renzgäste ließen sich auf die freudige Botschaft ein. © ©

30 Weltzeit 2 | 2018 Fidesz, AfD, Rassemblement National missverstanden und verdreht. Von „Fake Mit (vormals Front National) und MoVimento News“, Lügenpresse, Regierungspropag- Cinque Stelle – derzeit hat der Populismus anda und Mainstream-Medien ist die Rede. Glaubwürdigkeit in Europa Hochkonjunktur. Und im Weißen Diese Begriffe bringen Medienhäuser und Haus wohnt ein Präsident, der beinahe Journalisten in eine bestenfalls unange- zu differenzierter täglich gegen die Medien, die er kollektiv nehme Defensivposition, in der man sich „Fake News Media“ nennt, twittert und sie ständig zu Richtigstellung oder Rechtferti- Meinungsbildung systematisch als Feindbild stilisiert. Der gung gedrängt sieht. Zudem sind es nicht Populismus ist keineswegs ein Phänomen nur Denunzierungen, die die Medien und beitragen. unserer Zeit, doch er bekommt vor allem einzelne Journalisten herausfordern. Auch in Sozialen Netzen Auftrieb – er ist popu- die Emotionalisierung der Politik stellt die Sendegebiet und Themen sehr heterogen lär, fast schon salonfähig geworden. unabhängige Berichterstattung auf die sind, steht die Glaubwürdigkeit im Vorder- Populisten geben sich gern volksnah. Probe, denn „das Ressentiment ist wieder grund. Sind die Berichte wahrheitsgetreu? Sie beziehen sich auf tatsächliche oder wichtigste politische Ressource geworden, Kann ich der DW als Informationsquelle vorgebliche Emotionen und Ängste in der die man mit rabiaten Feindschaftserklä- vertrauen? Nur wenn die Antwort auf diese Bevölkerung. Donald Trump ist ein Meister rungen, Diskriminierungsgesten und mit Fragen „ja“ lautet, können wir zu differen- darin, eine Krise erst heraufzubeschwören, dem Recycling völkischer Reinheitsgebote zierter Meinungsbildung beitragen. um sich dann als vermeintlicher Retter zu ausbeutet. Ausgestellte Niedertracht wird Wir sind Journalisten. Dahinter stehen gerieren. Wie andere Populisten bietet er nun – zwischen Rom und München – mit Menschen, die Meinungen haben. Men- viele vermeintlich einfache Lösungen für der realistischen Hoffnung auf Wähler- schen, die bewegt werden, die wütend komplexe Probleme an, die sich in der Re- gunst verbunden“, so ein Wissenschaftler oder gerührt sind, die mitfiebern, sich gel allerdings mit simplen Antworten nicht der Humboldt-Universität Berlin. Gleichzei- ärgern, sich begeistern. Die resignieren, lösen lassen. tig gehört Hate Speech in Sozialen Medien lachen oder weinen möchten angesichts In seinem Anti-Charakter richtet sich zum Alltag. dessen, worüber sie berichten. Die Her- der Populismus immer wieder gegen Me- Was bedeutet das für unsere Rolle als ausforderungen und Probleme, denen wir dien – Studien belegen, dass der Großteil Medienschaffende? Medienschelte, Emo- uns täglich gegenübersehen, sind daher der Populisten den traditionellen Medien tionalisierung der Politik und Hate Speech auch ein persönlicher Appell an uns: Ein misstraut. In diesen sehen sie ihre Mei- hier, dort der Vorwurf, Medien seien durch Appell, offen zu bleiben und auch Meinun- nungen unterrepräsentiert oder bewusst einseitige Berichterstattung mitverant- gen abzubilden, die unserer persönlichen politischen Analyse widersprechen. Nur so können wir unseren Auftrag erfüllen Sachverhalte und haben die Chance, ein breites Publi- kum zu erreichen, nur so verlassen wir und Ereignisse eben jenes „selbstreferenzielle Milieu“, von dem die SZ schreibt. aus verschiedenen­ Als Journalisten sind wir unabhängiger und fairer Berichterstattung verpflichtet. Perspektiven Wir informieren, erläutern, ordnen ein – und das zuverlässig und journalistisch beleuchten. kompetent. In der DW sind wir stolz auf un- sere Diversität. Dazu gehört, Sachverhalte wortlich für den Erfolg der Populisten: und Ereignisse stets aus verschiedenen Die Herausforderungen und Probleme für Perspektiven zu beleuchten. Medien sind vielschichtig. Daraus erge- Populismus ist für uns als Menschen ben sich die Aufgaben, die als Grundsätze und als Journalisten zweifelsohne eine He- im DW-Journalistenhandbuch festgelegt rausforderung und wird es bleiben. Aber sind: „Wir haben den Anspruch, ausgewo- er ist auch eine Chance, uns zu beweisen, gen und wahrheitsgetreu zu informieren.“ und bestätigt uns in unserem Auftrag, Wir berichten „unabhängig und fair, zuver- zum Abbau von Vorurteilen und Feindbil- lässig und fundiert“. Wir sind uns der Ver- dern beizutragen und damit Polarisierung antwortung bewusst, die wir tragen, um zu überwinden. unabhängige Meinungsbildung zu ermög- lichen, und laden zum Dialog ein. Die Deut- twitter.com/inespohl sche Welle tritt weltweit für Meinungs- und Pressefreiheit ein und fördert Medienplu- ralismus. Denn, so ein Kollege der Süd- deutschen Zeitung, „bei Teilen der Medien Der Medienschelte begegnen: herrscht, wie in der Politik, große Konfor- zum Abbau von Vorurteilen und Feindbildern beitragen und damit mität des Denkens“. Medienmacher lebten, Polarisierung überwinden so die These, in einem „selbstreferenziellen Milieu“. Für unsere Zielgruppen, die je nach

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Q | QUALITÄTSJOURNALISMUS

Qualität im Journalismus definieren zu wollen gleicht nach ­einem Bonmot von Stephan Ruß-Mohl „dem Versuch, einen Pud- Mehr als der ding an die Wand zu nageln“. Zu unterschiedlich seien die Wün- sche an Journalismus, als dass man von einheitlichen Qualitäts- standards reden könnte, bemängelte der Medienwissenschaftler bereits vor einem Vierteljahrhundert. Was damals galt, gilt heute Pudding­ umso mehr. Denn was haben ein hyper-boulevardeskes Portal wie Buzzfeed und die „alten Tanten“ FAZ oder BBC ­gemein? Und was eint Soziale Netze wie Face­book, Twitter, Instagram oder Snapchat, aus denen immer mehr Menschen ihre Informationen beziehen, an der Wand mit den traditionellen Sendern und Verlagen? Die Digitalisierung hat unsere tradierten Vorstellungen von Qualität über den Haufen geworfen, denn die Menschen haben heute andere Ansprüche an die Medien als noch vor wenigen Jahren und verändern damit die Was heißt Qualitätsjournalismus heute? Eine Anforderungen an uns Journalisten. Frage, die sich auch durch viele Diskussionen Sind also alle journalistischen Feedbackrunden nutzlose Puddingnagelrunden? Nein, so einfach sollte man nicht auf- auf dem Global Media Forum zog. Welche geben: Immerhin stolpert jede Volontärin und jeder Journalis- Anforderungen bringt die Digitalisierung für mus-Student über den Qualitätsbegriff. Die Lehrbuch-Krite- rien dafür lauten: Wahrhaftigkeit, Sorgfalt bei der Recherche, Medien und Journalisten, um auch künftig Sachlichkeit bei der Berichterstattung, Unparteilichkeit im Kon- dem Qualitäts­anspruch zu genügen und die fliktfall, Argumentation statt Meinungsmache sowie Ausgewo- Aufmerksamkeit des Publikums zu finden? genheit, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit. Im Redaktionsalltag wird das in einige goldene Regeln über- setzt, beispielsweise die Zwei-Quellen-Regel, das Vier-Augen-­ Text Martin Muno, Nachrichtenredaktion, Prinzip, das „Audiatur et altera pars“-Prinzip („Höre auch auf Leitung Startseite Deutsch die Gegenmeinung“) sowie die strikte Trennung von Fakten und Meinung. Journalismus ist somit ein Handwerk, bei dem die ge- nannten Regeln die Leitplanken bilden und fachliche Expertise sowie Kreativität die Grundlagen. Doch neben Handwerk, Expertise und Kreativität gibt es wei- tere Voraussetzungen für qualitativ hochwertigen Journalismus:­ Nach einer Definition des Medienwissenschaftlers Winfried ­Göpfert zeichnet sich ein publizistisches Produkt „durch eine DW DW © © © ©

32 Weltzeit 2 | 2018 ­besonders hohe Qualität aus, wenn es das vorgegebene Kommu- R | RUSSLAND UND DIE EU nikationsziel in möglichst kurzer Zeit bei möglichst vielen Rezi- pienten erreicht, wenn die Rezeption mit Spaß verbunden ist und Eine Hoffnung wenn der im Sinne des Kommunikationsziels erwünschte Effekt möglichst langanhaltend ist“. Die Beziehungen sind angespannt zwischen Um das zu erreichen, muss sich jede Journalistin und jeder Jour- Russland und der EU. Welche Rolle spielt nalist, ebenso jedes Medienunternehmen über das „vorgegebene die Zivilgesellschaft? Auf dem Global Media Ziel“ und die Zielgruppe im Klaren sein. Für die DW ist dieses Ziel ­Forum stellte das EU-Russia Civil Society unter anderem im Leitbild festgelegt. Um die Wünsche der Ziel- ­Forum seinte jüngsten Berichte vor. gruppe zu erfahren, stehen zumindest im digitalen Journalismus zahlreiche Werkzeuge zur Verfügung, um Nutzung, Verweildauer, Das unabhängige Netzwerk von aktuell 152 Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus 20 EU-Staaten und Russland hat seinen Sich Gehör ­verschaffen Sitz in Berlin. Auf der Medienkonferenz der DW stellte das EU-Russia Civil Society Forum im ­kakofonischen seine analytischen Berichte zur Lage der Zivil- gesellschaft in der EU und Russland aus den Informationslärm. vergangenen zwei Jahren vor. Im Bericht 2016 stehen Deutschland, Po- Scrollverhalten und Ähnliches zu analysieren. Das bedeutet nicht, len, Russland, Spanien und Ungarn im Fokus. sich einem Quotendruck auszuliefern, sondern heißt vielmehr, die Der Bericht 2017 widmet sich Bulgarien, Ita- Bedürfnisse der Nutzer im Blick zu behalten, sie ernst zu nehmen. lien, Litauen, den Niederlanden und wiede­ „Anspruchsvoller Journalismus bedeutet heute nicht mehr al- rum Russland. lein: die exzellente Recherche, der starke Artikel, das ganz beson- Die befragten NRO und Initiativen sehen dere Angebot“, beschrieb der damalige FAZ-Digitalchef Mathias die größte Gefahr für ihre Entwicklung in den Müller von Blumencron die Herausforderung, um fortzufahren: sich verschlechternden rechtlichen Rahmen- „Anspruchsvoller Journalismus muss sich vor allem auch Ge- bedingungen – nicht nur in Russland und hör verschaffen im kakofonischen Informationslärm der neuen Osteuropa, sondern beispielsweise auch in Meinungswelt. Nur so wird es den klassischen Medien gelingen, Spanien. Hinzu kommen Einschränkungen, neue Leser zu gewinnen und die alten zu halten.“ was die Finanzierungsmöglichkeiten betrifft, in nahezu allen aufgeführten Ländern. dw.com/leitbild Elena Belokurova, Direktorin des Deutsch- Russischen Austauschs in St. Petersburg, sieht aber auch ein positives Zeichen: „Zivil- gesellschaftliche Akteure sind stets auf der Suche nach Lösungen“, so die Politikwissen- schaftlerin, die dem Vorstand des EU-Russia Civil Society Forums angehört. Sie hat die in Bonn vorgestellten Berichte wissenschaftlich begleitet. „Es entstehen neue Koalitionen un- ter NRO in Polen und Ungarn, in Bulgarien und Italien. Es werden gemeinsame Kampagnen durchgeführt, europaweit werden innovative ­ Instrumente für Philantropie und Crowdfun- ding umgesetzt“, berichtete Belokurova. Auf der Basis der Präsentation kam in Bonn unter den Medienschaffenden und Ver- tretern der Zivilgesellschaft eine rege Debat- te auf. In einem Punkt herrschte weitgehend Übereinstimmung: Medien und Nichtregie- rungsorganisationen müssten mehr auf der Ebene der Policy-Empfehlungen zusammen- arbeiten, um das Gemeinwohl in Europa zu stärken.

Sergei Tereshenkov, EU-Russia Civil Society Forum

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haben. Eine ähnliche Sendung in Skopje, Mazedonien, bot einer ausgesprochen S | SATIRE unverblümt agierenden Moderatorin eine Plattform. Ein drittes Format wurde mit dem „Golden Lady­bug of Popularity“ als beste Satire-Show in Mazedonien ausge- Tell a Joke zeichnet. Darauf sind wir besonders stolz. Doch aufschlussreicher ist der Blick auf eine Sendung, die wir vor einem Jahr in Lagos, Nigeria, mitinitiiert haben: „The Save the World? Other News“. Wir haben diese satirische Nachrichtensendung genauer unter die Lupe genommen. Wir wussten, dass unse- re Kreativpartner – unter ihnen die talen- „Lache, und die Welt lacht mit dir. Weine, und du weinst tierte nigerianische Schriftstellerin Nkechi ­alleine.“ Das schrieb ein Dichter, kein Comedian. Es hätte Nwabudike – an das Potenzial des Formats glaubten. Oder – um es in Nwabudikes aber auch ein Journalist sein können. Oder – noch besser: Worten zu sagen: „Satire hält der Macht ein Wissenschaftler, der die Ergebnisse einer ungewöhn- die Wahrheit entgegen.“ Aber sie wusste aus eigener Erfahrung lichen Studie präsentiert. Thema: Satire als Mittel zur auch, dass Satire, deren Wesenszug die ­Demokratieförderung. Respektlosigkeit ist, eine Herausforde- rung darstellte. Denn, so erklärt die Auto- Text Kevin Bleyer und Dillon Case, Pilot Media Initiatives, New York, USA rin: „In Nigeria neigen wir dazu, Politik als heilige Kuh zu sehen.“ Und da heilige Kühe eher als humorlos gelten, bot die nigeria- nische Politik zumeist nur Futter für prüde Berichterstattung.­ Sicher, Satire-Programme gibt es schon Pilot Media Initiatives war Partner des Eine gründliche statistische Analyse lange – politische Satire, Nachrichten-Sati- diesjährigen GMF. Wir beraten Medien- in der Startphase der Sendung ergab je- re. Doch in jüngerer Zeit, nach dem durch- unternehmen und haben einige dieser doch, dass die Zuschauer, nachdem sie schlagenden Erfolg der US-amerikanischen Programme mit an den Start gebracht. The Other News gesehen hatten, besser „Daily Show with Jon Stewart“, schießen sie Beispielsweise haben wir eine innovative informiert, positiver eingestellt, weniger geradezu wie Pilze aus dem Boden. In un- Satire-Show in Bishkek unterstützt, indem zynisch und motivierter waren, als wenn zähligen Formaten auf ebenso vielen Platt- wir das Talent und die Energie einer jungen sie nur die klassischen Nachrichten ver- formen – weltweit. Truppe kirgisischer Comedians ­gefördert folgt hätten. Sie erinnerten sich an das,

Satire hält der Macht die Wahrheit entgegen.

was sie erfahren­ hatten, und zeigten sich eher geneigt, daran anknüpfend aktiv zu werden. Die Zuschauer nahmen die Nach- richten nicht nur bewusster auf, sie fühl- ten sich auch direkt angesprochen. Weine, und du weinst alleine – Nach- richten, die zum Weinen sind, gibt es ja genug an allen Ecken der Welt. Das nennt man Leben. Aber wir haben erfahren: ­Lache, und die Welt lacht nicht nur mit dir, sie will sich auseinandersetzen mit den Nachrichten und sich engagieren für die Nachbarn, für das Land. Das nennt man Demokratie. Satire bei der DW: zum Beispiel Zapovednik, DW

seit Herbst 2017 im Russisch-Angebot © pilotmi.org ©

34 Weltzeit 2 | 2018 DW ©

T | TABU © Mut als Marken­ zeichen

„Warum kann ich nicht so sein, wie ich bin?“ Darüber diskutierten junge Aktivis­ ten bei der Aufzeichnung von Shababtalk­ auf dem Global Media Forum. Die ebenso streitbare wie populäre Talkshow im arabischen Programm der DW mit Moderator ­Jaafar Abdul Karim hat den Tabubruch­ bei der Themen­wahl zum Marken- zeichen ­gemacht.

Text Julia van Leuven Mutige Diskussion vor markanter ­Kulisse: Shababtalk in Mossul

Denn stets geht es in der preisgekrön- Dieser Mut zum offenen Dialog auch vermitteln.“ Für 2018 plant Shababtalk ten Sendung um sensible Fragen, die in über sensible Themen wird nicht nur von noch Produktionen im sowie in Jor- arabischen Gesellschaften noch immer einem Millionenpublikum und einer rie- danien, Irak, Tunesien und im Libanon. weitgehend totgeschwiegen werden und sigen Community in den Sozialen Netzen in den dortigen Medien kaum vorkom- honoriert. Auch Medienbeobachter loben dw.com/shababtalk men: ob Homosexualität, Beziehungen das Format. So wurde die Sendung 2017 vor der Ehe oder Gleichberechtigung, ob von der Arab States Broadcasting Union Umgang mit Flucht und Migration oder (ASBU) zum dritten Mal in Folge als „Beste auch die teils hohe Jugendarbeitslosigkeit. Arabische Talkshow“ ausgezeichnet. Fremde oder Freunde? Shababtalk eckt an, vor allem bei konser- Mal wird in einer Moschee diskutiert, vativen Kräften in Politik und Religion. mal in einem Flüchtlingsheim. Vor weni- Der engagierte, mehrfach ausge- Auch auf dem GMF im Juni in Bonn ging gen Wochen bildeten Ruinen im zerbomb- zeichnete DW-Moderator und Jour- es um den Drang nach Freiheit, dem Reli- ten Mossul in Nordirak die Kulisse für eine nalist Jaafar Abdul Karim hat persönli- gion, Traditionen und verkrustete Struktu- Shababtalk-Ausgabe. Regelmäßig wird die che Eindrücke aus seinen zahlreichen ren im Weg stehen. Mit dabei die saudische Sendung auch in einer Metropole im Sen- interkulturellen Begegnungen in ei- Journalistin Arafat Almajed, LGBT-Aktivist degebiet produziert – in Kooperation mit nem Buch festgehalten, das soeben Elie Ballan aus dem Libanon, die syrische Partnern vor Ort. Diese Tour führte das bei Rowohlt erschienen ist. „Fremde Filmemacherin Dareen Hasan und der Team unter anderem nach Bagdad, Dubai oder Freunde?“ beschreibt, was die ägyptische Rapper Khalid Gad. „Mit der und Kairo, nach Rabat, Tunis, Amman und junge arabische Community denkt, Sendung bieten wir mutigen Aktivisten Beirut. Abdul Karim: „So können wir uns ein fühlt und bewegt. und Journalisten eine Bühne, geben vielen genaues Bild von den Menschen und ihren jungen Menschen die Möglichkeit, gehört aktuellen Problemen machen – und gerade bit.ly/Fremde-oder-Freunde zu werden“, erklärt Jaafar Abdul Karim. die sensiblen Themen noch authentischer

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U | UNGLEICHHEIT

Journalisten zu sein bedeutet nicht zwangsläufig, ein Fürsprecher zu werden“, so Lansner. „Doch es setzt voraus, dass man sich vom An- spruch einer ‚Neutralität‘ löst, um nicht nur als Verbündete die Realität zu beschreiben.“ Für Lansner geht es vielmehr darum, dass Journalisten vor allem „Maßnahmen und Mechanismen in Staat und Gesellschaft erläutern, die so- Für Journalisten ein schwieriger Balanceakt: Soziale, zialen Ausgleich erzeugen, erhalten und ­wirtschaftliche, geschlechtsbezogene Ungleichheit fördern könnten“. Ein in diesem Sinne selbsternannter ­thematisieren – und dabei in der Rolle des objektiven „Verbündeter der Armen“ ist der südafri- ­Beobachters bleiben. Doch macht sich Journalismus kanische Fotograf Johnny Miller, Gründer des Netzwerks africanDrone. Seine Foto- schon mit einer Sache gemein, wenn er ein Problem nicht serie „Unequal Scenes“, die auf dem GMF nur beschreibt, sondern sich auch mit Mitteln und Wegen zu sehen war, zeigt weltweit Orte, an de- zur Lösung auseinandersetzt – und diese einordnet? nen Armut und Reichtum sehr nah beiei- nander liegen, aus der Vogelperspektive. Er nutzt spezielle Drohnen, um Fotos von Text Ole Tangen Jr., Unternehmenskommunikation | Adaption Julia van Leuven Slums zu machen, die direkt neben Wohl- standssymbolen wie einem Golfplatz in Südafrika oder modernen Wohnhoch- häusern in Indien liegen. „Ich versuche, ein neues Werkzeug, eine neue Technik Reportern wird oft vorgeworfen, vom Gerade der journalistische Anspruch zu nutzen, um ein altes Problem zu veran- Elend der Menschen, über das sie be- der Objektivität führt allerdings nach schaulichen“, so Miller. (Mehr dazu im ne- richten, zu profitieren. Und Journalisten, ­Meinung von Thomas Lansner, Direktor benstehenden Kasten.) deren Medienhäuser auf Werbung ange- der Social Accountability Media ­Initiative Der DW-Dokumentarfilm „The Rich, The wiesen sind, wird unterstellt, sie müss- (SAMI) an der Aga Khan Universität in Poor and The Trash“ von Naomi Phillips und ten bei der Berichterstattung Rücksicht Nairobi, dazu, dass Journalisten nicht mehr Thomas Hasel geht anders an die Bericht- auf Werbekunden nehmen. Doch Jour- und ausführlicher über Menschen, die von erstattung über globale Ungleichheiten nalisten finden – wie auch Künstler und Armut betroffen sind, berichten. Beim GMF heran. Protagonisten sind zwei Kenianer, Aktivisten – weiterhin kreative Mittel, versuchte sich der US-amerikanische Wis- die ihren persönlichen Überlebenskampf fesselnde Geschichten über Ungleichheit senschaftler an einer Begriffsschärfung meistern, indem sie den Abfall gutsituier- zu erzählen, wie das Global Media Forum und vertrat die These: Journalisten sollten ter Mitbürger einsammeln. Die Geschich- (GMF) auf vielfache Weise aufzeigte. „Glo- sich mit jenen, über deren Probleme sie ten der Männer wurden mit Analysen von bal Inequalities“ lautete das diesjährige berichteten, verbünden. Das mache sie kei- Wirtschaftswissenschaftlern und weiteren Fokusthema. neswegs zu Aktivisten. „Ein ‚Verbündeter‘ Experten verknüpft.

36 Weltzeit 2 | 2018 Das menschliche Gesicht DW/F. Görner DW/F. © des Problems nicht vergessen. ©

Der Verbündete: Thomas Lansner DW © ©

The Rich, The Poor and The Trash: Überlebenskampf in Kenia DW/R. Oberhammer DW/R. © © Johnny Miller Johnny © © Der Überflieger: Johnny Miller

Regisseur Hasel zufolge müssten Jour- nalisten das Problem Ungleichheit von möglichst vielen Seiten beleuchten, damit die Zuschauer dessen Komplexität erfas- sen könnten. „Es ist wichtig, die Berichter- stattung auf eine statistische Basis zu stel- len, um die Dimension des Problems zu verstehen. Und sie mit Geschichten über diejenigen, die unter den Folgen der Un- gleichheit leiden, und diejenigen, die da- von profitieren, zu kombinieren“, so Hasel. Zur Bewältigung dieser Herausforde- rungen plädierte der US-Wissenschaftler Lansner in Bonn für einen „lösungsorien- Unequal Scenes tierten Journalismus“: nicht nur über das Problem selbst berichten, sondern stets Johnny Miller versteht es, das Thema Ungleichheit ästhetisch auf sehr eindrucks- auch über mögliche Lösungen. Journa- volle Weise zu visualisieren. Mit seinem Drohnen-Projekt „Unequal Scenes“ gelang listen müssten Einschätzungen von Ex- dem US-amerikanischen Fotografen, der in Kapstadt lebt, der internationale Durch- perten und verfügbare Daten sorgfältig bruch. Das Global Media Forum in Bonn zum Fokusthema „Globale Ungleichheit“ beurteilen und „dahingehend auswer- war geradezu die natürliche Bühne für Millers Fotos. Fünf der Motive, die auf der ten, welche Maßnahmen die wirksams- DW-Medien­konferenz zu sehen ­waren, hatte Miller zuvor noch nicht ausgestellt. In ten sind“, sagte Lasner, der zudem emp- Bonn stand Miller für die Konferenzteilnehmer beim täglichen „Meet the artist“ als fiehlt, auch diejenigen Menschen, die von Gesprächspartner bereit – unterstützt unter anderem von Drohnenjournalist und Ungleichheit am meisten betroffen sind, DW-­Redakteur Boris Claudi. unequalscenes.com nach ihren Ideen und Lösungsvorschlä- gen zu befragen. Denn, so Lansners Cre- Die Zusammenarbeit des Fotografen mit dem deutschen Auslandssender setzt do: „Journalismus darf das menschliche sich im Herbst fort: Gemeinsam mit dem Amerikahaus NRW und der Friedrich-­ Gesicht des Problems nicht vergessen.“ Naumann-Stiftung für die Freiheit präsentiert die DW Johnny Miller bei der ­Photokina in Köln: Mittwoch, 26. September, Halle 5.2. bit.ly/akumedia-gmf

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V | VERIFIZIERUNG Nicht in die Falle tappen

Immer mehr Machthaber bezeichnen ­unliebsame Informationen als „Fake News“. Andere verbreiten bewusst Fehlinformati- onen. Dagegen­ setzt Amnesty International auf kritische Faktenchecks und verifizierbare Recherchen. Unter anderem mithilfe von Truly.Media, der von der DW entwickelten ­Verifizierungsplattform.

Text Tirana Hassan, Amnesty International, Leiterin Krisenreaktionsteam

Von der rasanten Entwicklung des Internets profitieren auch Hilfsmittel ist dabei Truly.Media. Die Web-basierte Plattform wur- Menschenrechtler. Fotos und Videos aus Sozialen Netzen und de von DW-Journalisten entwickelt, um Fehlinformation, Speku- Chat-Apps haben viele Amnesty-Berichte der vergangenen ­Jahre lation und Manipulation in den Sozialen Netzen teilautomatisiert überhaupt erst möglich gemacht. Sei es über die verbrannten und kollaborativ in Echtzeit zu prüfen. Dörfer der Rohingya in Myanmar, über die völkerrechtswidrige Das ist auch deshalb so wichtig, weil immer mehr Machtha- Belagerung ganzer Städte in Syrien oder über die Drangsalie- ber Informationen als „Fake News“ abtun, nur weil sie mit der rung von Geflüchteten auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Verbreitung bestimmter Fakten nicht einverstanden sind. Syri- Insel Manus. Weil billige Handys mit hochauflösenden Kameras ens Präsident Baschar al-Assad etwa bezeichnete den Amnesty-­ überall erhältlich sind, können Menschenrechtsverletzungen Bericht über Tausende Exekutionen im Saydnaya-Gefängnis 2017 fast überall dokumentiert werden – von fast jedem. als „Fake News“. Wir sollten nicht in die Falle tappen, diesen Begriff ebenfalls zu verwenden, denn er unterstellt, dass Menschen lügen, um an- Begriffe bewusst setzen dere absichtlich in die Irre zu führen. Indem wir ihn benutzen, spielen wir denen in die Hände, die Fakten verfälschen wollen. und von Fehlinformationen Anders sieht es bei Desinformation aus – dabei handelt es sich um Falschnachrichten, die bewusst verbreitet werden. sprechen. Forscher der Harvard-Universität sprechen deshalb auch von Fehlinformationen statt von „Fake News“. Begriffe bewusst zu Amnesty kann Betroffenen aber nur dann Gehör verschaffen, setzen hilft, denen entgegenzutreten, die die Arbeit von Amnes- wenn die gesammelten Informationen stimmen. Deshalb verwen- ty und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen diskredi- det unser Krisenteam viel Zeit darauf, sie zu verifizieren. Denn nur tieren wollen. Oft ist den Nutzern von Sozialen Medien gar nicht selten sind Mitglieder des Teams genau dann selbst vor Ort, wenn bewusst, dass sie „Fake News“ teilen. Umso wichtiger ist die Dif- Menschenrechte verletzt werden. Meist lässt sich erst im Nachhi­ ferenzierung. nein überprüfen, ob bestimmte Vorgänge sich tatsächlich so ab- Zumal der Fortschritt im digitalen Raum rasant ist. So ist es gespielt haben, wie zum Beispiel von Journalisten berichtet. zum Beispiel längst möglich, in Videos Gesichter von Personen Um das sicherzustellen, sind unsere Mitarbeiterinnen und Mit- einzufügen, die nicht vor Ort waren. Die Qualität nachträglich arbeiter in den Techniken des Verifizierens geschult. Ein wichtiges bearbeiteter Videos – auch als „Deep Fake“ bekannt – wird immer

38 Weltzeit 2 | 2018 Die Messlatte liegt hoch

Bei den Social-Media-Experten der DW können Videos noch so brillant, Bilder noch so exklusiv sein: „Unser erster Impuls heißt: Vorsicht Fake! Je perfekter die Bilder, desto größer die Zweifel“, sagt Mischa Heuer, Leiter des Social-Media-Teams in der Nachrichtenredaktion. Bei der Überprüfung von Vi- deos und Fotos sei unerheblich, ob das Material auf Twitter, Youtube oder einer anderen Plattformen verbreitet wird. Das DW-Team greift für die Verifizierung oft auf das von der DW entwickelte Tool Truly.Media zurück. Es er- möglicht beispielsweise festzustellen, ob „aktuelle“ Bilder aus Kriegsgebieten nicht bereits einige Jahre alt sind oder ein Foto in einem anderen Konflikt oder in einem anderen Land entstanden ist. Inzwischen seien fast alle Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter darin geschult, mithilfe von Truly. Media Inhalte zu überprüfen. „Das Tool hat viele Prozesse automatisiert – etwa das Auslesen von Wetterdaten oder

„Habe keine Lösung“: Sam Dubberley DW © © DW/U. Wagner

Flugzeugabsturz in Nepal: ein Beispiel aus Truly.Media © ©

die Image-Reverse-Suche“, erläutert Heuer. „Außerdem Die zunehmend ermöglicht Truly.Media, dass mehrere Leute gleichzeitig einen Inhalt überprüfen können. Das macht den Prozess vergiftete Atmosphäre schneller und sicherer.“ Es kommt darauf an, sich nicht dem Zeitdruck zu unter- sichtbar machen. werfen. Das DW-Team hat zwar inzwischen ein Gefühl für Fälschungen entwickelt. Doch die Gefahr, Manipulationen besser. Mit einem Mausklick lässt sich eine Aufnahme von Win- trotz Verifikation nicht zu entdecken, bleibt. Denn das zu- ter- auf Sommerwetter umstellen. nehmend hohe technische Niveau der Fälschungen, auch Was bedeutet das für die Welt, wenn solche Videos alltäglich die kriminelle Energie auf Seiten derjenigen, die manipulier- werden? Wozu könnten sie genutzt werden? Zur Panikmache? In te und gefälschte Informationen verbreiten, zwingt dazu, einer Welt im Umbruch, in der es viele potenzielle Wohlstands- die Messlatte für die Verifizierung immer höher zu legen. verlierer gibt, eignen sich manipulierte Videos sehr gut dazu, „Das gilt vor allem für Material aus Kriegen und Konflikten ­deren Ängste zu instrumentalisieren. wie derzeit aus der Ukraine und aus Syrien“, so Heuer. Autoritäre Politiker und Bewegungen lieben „Fake News“. Diese Einschätzung vertrat auch Sam Dubberley vom Dagegen setzen Menschenrechtler die digitalen Entwicklungen Digital Verification Corps (DVC) bei Amnesty International. bewusst ein, um eine zunehmend vergiftete Atmosphäre sicht- In seiner Keynote auf dem Global Media Forum machte er bar zu machen. Wir kämpfen weiterhin mit aller Kraft für eine deutlich, wie leicht Fotos manipuliert und zu zweifelhaften Welt, in der sich jede Person auf die Allgemeine Erklärung der Zwecken ins Netz gestellt werden können. In Indien seien Menschenrechte berufen kann, ohne um Leib und Leben fürch- auf diese Weise Unschuldige der Lynchjustiz zum Opfer ge- ten zu müssen. Dabei können leider auch Fehler passieren. Des- fallen. Wie man solchen Entwicklungen vorbeugen könne? halb ist es für unsere Arbeit so wichtig, alles zu verifizieren. „Das werden auch Algorithmen nicht schaffen. Ich habe da- für keine Lösung“, gestand Dubberley. amnesty.de Steffen Heinze, Unternehmenskommunikation

Deutsche Welle 39 TITELTHEMA

W | WORTH IT? picture alliance/dpa/C. Charisius © Neue Video-Reihe © auf dem Flüchtlingsportal

Im Rahmen des Global Media Forum gab DW-Intendant ­Peter Limbourg in Anwesenheit des früheren afghanischen Präsidenten Hamid Karsai bekannt, dass InfoMigrants nun auch Inhalte auf Dari und Paschtu anbietet. Zudem stellt die neue Videoreihe #WorthIt? Flüchtlinge und Migranten in Deutschland vor.

Die Plattform InfoMigrants, bisher auf Englisch, Arabisch und Französisch verfügbar, ist eine Kooperation europäi- scher Partner. Das von der EU-Kommission finanzierte Pro- jekt von France Médias Monde, der Deutschen Welle und der italienischen Nachrichtenagentur ANSA ging im März 2017 an den Start. Bei #WorthIt? geht es um die Frage, ob es sich gelohnt hat, das eigene Land zu verlassen. Haben sich die Erwar- tungen an die neue Heimat erfüllt? Protagonisten aus Afghanistan, Pakistan, Syrien und Kongo sprechen über gemischte Gefühle und Einstellungen zur neuen Heimat. InfoMigrants richtet sich an Flüchtlinge und Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Heimat zu verlas- sen. Mehr als eine halbe Million Interessierte folgen dem Portal auf Facebook. Mit den neuen Sprachangeboten er- Sonntagabend, 18.54 Uhr, Champs de Mars in Paris. Auf der reicht das Onlineportal vor allem Nutzer in Afghanistan. gigantischen Leinwand am Fuße des Eiffelturms flimmert die Das Land zählt EU-weit zu den Hauptherkunftsländern von Übertragung des WM-Finales und es ist der große Moment ge- Asylsuchenden. kommen: Der Schlusspfiff ertönt und in Paris bricht ein Vulkan Informieren, aufklären, erklären – das sind die Ziele von aus. Es ist eine Eruption der Freude. Frankreich ist Weltmeister. InfoMigrants. Beispielsweise geht es um die Herausforde- In dieser einen Sekunde manifestiert sich die ganze emotionale rungen einer Flucht und Bedingungen in den Ankunftsstaa- Kraft des Fußballs. Laura ist Pariserin, trägt heute natürlich ihr ten. Zudem können die Menschen hier ihre Erfahrungen blaues Nationalmannschafts-Trikot. Am DW-Mikrofon lässt sie austauschen. ihren Gefühlen freien Lauf. „Wahnsinn. Die Mannschaft hat es vorgelebt, sie war eine Einheit und zeigte echten Zusammenhalt. Charlotte Hauswedell, Redaktion InfoMigrants Sie ist ein Vorbild für das ganze Land.“ Da ist sie wieder, die Analogie zwischen Nationalelf und infomigrants.net ­Nation. Die französische Mannschaft, ein gut harmonierendes, multiethnisches Ensemble als Sinnbild für eine ebenso bunte und erfolgreiche Nation? Der Vergleich hinkt.

DW Denn schon in der Final-Nacht entlädt sich in Paris und wei- ©

© teren Städten Frankreichs sozialer Frust. Randalierer, viele von ihnen aus den Banlieues und nicht wenige mit Migrationshin- tergrund, zerstören Geschäfte, zünden Autos an. Inmitten der Stunde des Jubels wird die Grande Nation an ihre großen ge- sellschaftlichen Probleme erinnert. Dass junge Menschen mit schwarzer Hautfarbe oder arabisch klingendem Namen abseits des Fußballplatzes weit weniger gute Aufstiegschancen haben. Die französische Weltmeister-Elf ist eher die Projektionsfläche Kunst gegen das Trauma: Ahmed aus eines Frankreichs, wie es sein könnte: einig, gleich, erfolgreich. Syrien in einem Berliner Atelier Und was passiert, wenn der Erfolg ausbleibt, zeigt sich am Beispiel Deutschland. Auf das krachende Aus der deutschen

40 Weltzeit 2 | 2018 X | XENOPHOBIE „Es gibt nichts Schlimmeres, picture alliance/dpa/Revierfoto © als ausge­grenzt © zu werden“

In der Stunde des Triumphs werden im ­Weltmeister-Land Frankreich alle Spieler ­gleichermaßen bejubelt. Wenn der Erfolg aber ausbleibt, greifen allzu oft rassistische Reflexe. Ein Skandal. Und in Deutschland ­entspinnt sich eine wahnwitzige Debatte Eine Ohrfeige um Mesut Özil. für das ­angeblich

Text Joscha Weber, Teamleiter Sport Online liberale Deutschland.

­Nationalelf in der Vorrunde folgt eine wahnwitzige Debatte um deshalb tue ich alles dafür, dass sie nicht dasselbe durchmachen Mesut Özil: Der Türke ist schuld. In den Sozialen Medien und auch müssen wie ich.“ von Verantwortlichen des DFB wurde der Mittelfeld-Regisseur Nur wenige kämpfen mit solcher Überzeugung für die Selbst- zum Sündenbock erklärt, obwohl einige Teamkollegen deutlich verständlichkeit der Gleichberechtigung im Fußball. So erlebte schlechtere Leistungen boten. Natürlich hatte sich Özil mit sei- auch die WM in Russland wieder üble Fälle von Diskriminierung: nem ominösen Erdogan-Treffen und dem bockigen Schweigen Der Brasilianer Fernandinho wurde für sein Eigentor im Viertel- danach selbst keinen Gefallen getan. Aber die massenhaften finalspiel gegen Belgien mit dem Tode bedroht und rassistisch diskriminierenden Beleidigungen gegen den in Gelsenkirchen beleidigt. Und der Schwede Jimmy Durmaz wurde in den Sozialen geborenen Sohn türkischer Eltern sind eine Ohrfeige für das an- Medien nach einem Foulspiel an Deutschlands Timo ­Werner (dem geblich liberale Deutschland. Sie zeigen, dass Rassismus leider das Siegtor durch Toni Kroos folgte) als „Selbstmord­attentäter“ immer noch nicht verbannt ist – weder aus der Gesellschaft, noch beleidigt und erhielt ebenfalls Morddrohungen. aus dem Fußball. Es ergibt sich ein Bild: Wenn eine ethnisch bunt gemischte Mannschaft Erfolg hat und Titel holt, sind auch Spieler wie Kylian­ Wir müssen mehr dagegen tun Mbappé oder Paul Pogba gefeierte Stars, deren Trikots zu den meistverkauften zählen. Wenn Hakenkreuze im Fanblock, Bananen, die auf Fußballer aus ein Team aber ausscheidet und Migrantenfamilien niederregnen, Schmähgesänge von den Rän- versagt, greifen bei manchen gen, Spieler, die Konkurrenten der Herkunft wegen den obliga- „Fans“ alte, rassistische Refle- torischen Handschlag verweigern – Rassismus gibt es nach wie xe: Spieler aus Einwanderer- DW/U. Wagner vor im internationalen Fußball, allen PR-Kampagnen und Bemü- familien stehen viel schneller © © hungen zum Trotz. „Das Problem ist immer noch da. Wir müs- in der Kritik und werden sogar sen mehr dagegen tun“, sagte Gerald Asamoah auf dem Global mit dem Tode bedroht. Und das Media Forum. Als Nationalspieler und Profi unter anderem bei im Jahr 2018. Ein viel größerer Schalke 04 musste er sich Affenlaute und rassistische Gesänge Skandal als das frühe Ausschei- anhören, heute kämpft er gegen Diskriminierung im Fußball. den eines Weltmeisters. Gegen Diskriminierung im „Es gibt nichts Schlimmeres, als ausgegrenzt zu werden, den Fußball: Gerald Asamoah Schmerz, nicht dazuzugehören. Ich selbst habe drei Kinder und dw.com/sport

Deutsche Welle 41 TITELTHEMA

Y | YOUTH

„Bildung ist „Gesundheit ist mehr als Medizin“. Hier ging es um die Bedeutung von GAVI, der globalen Impfallianz. Und um Bildung, die beste denn diese spielt auch für die Gesundheit eine enorm wichtige Rolle: „Bildung ist die beste Impfung“, sagte Detlev Ganten, Vor- Impfung“ sitzender des World Health Summit. Sessions, in denen es um den Einfluss der Sozialen Medien auf globale Ungleich- Als Partner der DW waren heiten und demokratische Strukturen drei Jugendbotschafterinnen ging, waren für uns ebenso von Interesse wie die Präsentationen von Start-ups aus und -botschafter aus dem der Medienbranche weltweit: Die Gründer Team der Nichtregierungs- sprachen über Herausforderungen, die organisation ONE beim ­Global Media Forum in Bonn Wir nehmen dabei. Globale Ungleichheit, das ­Fokusthema 2018, ist viele Impulse mit. auch ihr Anliegen: ONE setzt mit Monopolen wie Facebook verbunden sich für das Ende extremer sind, sowie über Probleme, die in illibera- Armut und vermeidbarer len Strukturen auftreten können. Krankheiten in Afrika ein. Unser Fazit: Wir haben extrem viel lernen können, tolle Kontakte geknüpft, Meinungen ausgetauscht und viel Spaß Text Birdal Kilic, Kassandra Kate gehabt. Am eindrucksvollsten fanden wir, Ramey und Marcus Röper, ONE wie viele Ansätze es gibt, Zugang zum The- ma Globale Ungleichheit zu bekommen. Wir nehmen die vielen Impulse mit in un- ser Engagement als Jugendbotschafter bei ONE. Für uns heißt Ungleichheit, aufgrund der politischen oder wirtschaftlichen Situ- one.org/de/blog ation oder des Geschlechts benachteiligt zu werden. Beispiel: In Entwicklungslän- dern gibt es oftmals nicht für jede und jeden die Möglichkeit der medizinischen Versorgung. Sind Behandlungen und ­Medikamente vorhanden, sind sie oft zu ONE teuer. Hätten alle Anspruch auf Präven- tionsmaßnahmen und Behandlungen, hat ihren Hauptsitz in Washington, könnten viele Krankheitsfälle, zum Bei- D.C. und weitere Teams in New York, spiel durch Aids oder Malaria, vermieden ­London, Johannesburg, Brüssel, Ber- werden. Als Jugendbotschafterinnen und lin, Paris, Ottawa und Abuja. Die Or- -botschafter von ONE setzen wir uns durch ganisation finanziert laut Selbstdar- Lobby- und Kampagnenarbeit dafür ein, stellung „weder Entwicklungs- und dass die Öffentlichkeit und insbesondere Nothilfeprojekte, noch bitten wir um jene, die politische Verantwortung tragen, Spenden oder erhalten staatliche För- von solchen globalen Ungerechtigkeiten dermittel. ONE wird fast ausschließ- erfahren und sie eindämmen. lich von Stiftungen, Philan­thropen Auf dem GMF teilten wir uns auf, um und Unternehmen ­finanziert.“ möglichst viele Diskussionen, Präsentati- Unsplash/Bill Wegener Unsplash/Bill

onen und Workshops mitzunehmen. Zum © one.org/de/uber-one Beispiel die Veranstaltung zum Thema ©

42 Weltzeit 2 | 2018 Z | ZENSURUMGEHUNG „Wir müssen Unsplash/Raphael Koh © kreativ­ bleiben“ ©

Die DW setzt sich weltweit für Presse- und Meinungsfreiheit ein und ist damit ein ­„Stachel“ für autoritäre Regime, wie Bundes­ kanzlerin Angela Merkel zum 65-jährigen Bestehen der DW formulierte. Und für jene ein Anlass, die Inhalte der DW zu ­blockieren. Fragen an Guido Baumhauer, Direktor ­Distribution und Technik.

Fragen Sarah Daman, Referentin

Wo und wie ist die DW von Zensur sehr versiert im Umgehen von Zensur. So Deshalb suchen wir den Schulterschluss ­betroffen? gehört unser Farsi-Angebot trotz Zensur vor allem mit der BBC, mit France Médias Unabhängiger, kritischer Journalismus ist zu den am häufigsten abgerufenen In- Monde und dem Broadcasting Board of für staatliche Kontrollbehörden in unfreien halten der DW. Dennoch: Es ist und bleibt Governors aus den USA: In einer eigens Medienmärkten immer ein Dorn im Auge. ein Hase-und-Igel-Spiel, bei dem mal die eingerichteten Arbeitsgruppe tauschen Die Zensur, die wir in Ländern wie China, staatlichen Zensurbehörden, mal wir die wir uns regelmäßig über die Entwicklung Iran oder Ägypten erleben, hat unter- Nase vorn haben. Wir sind gefordert, kre- in unfreien Medienmärkten und über funk- schiedliche Ausprägungsformen: Neben ativ zu bleiben und Lösungen anzubieten, tionierende Zensurumgehungsstrategien dem klassischen Jamming – dem gezielten damit Menschen in unfreien Medienmärk- aus. Denn der öffentliche Druck auf die Stören unserer Radio- und TV-Signale – ten unsere Inhalte abrufen können. Zensoren wird umso höher, je offensiver und der offensichtlichen Internetblockade Internetzensur von uns allen thematisiert machen uns auch subtilere Zensurmetho- Zensur und Zensurumgehung betrifft und bekämpft wird. den das Leben schwer: zum Beispiel wenn auch andere internationale Informati- unseren Journalistinnen und Journalisten onsanbieter … Warum lohnt sich dieser ­anscheinend Akkreditierungen verweigert werden oder endlose Kampf? Lizenzen zur Ausstrahlung in einem Land Für uns ist es selbstverständlich, eine auf sich warten lassen. klare Haltung einzunehmen und bei Ge- genwind nicht einzuknicken. Der Einsatz Wie reagiert die DW auf die Zensur ihrer für Meinungs- und Pressefreiheit ist Teil Inhalte? unserer DNA. Ein Beispiel ist Ägypten, wo

Wir befinden uns in einem dauerhaften WißkirchenDW/A. wir zunehmend Internetzensur zu spüren ©

„Wettrüsten“ mit den staatlichen Zensur- © bekommen: Wenn Nutzer der DW für die behörden. Dabei haben wir über die Jah- Möglichkeit danken, eine Welt zu sehen, re eine sehr gute Expertise aufgebaut, die die nationalen Medien nicht mehr zei- beispielsweise indem wir Zensurumge- gen, dann bestärkt uns das in all unseren hungstools einsetzen für unsere Online-­ Mühen. Denn am Ende trägt unsere Arbeit Angebote, die in Iran und China seit Jah- Früchte: Wir bringen den Menschen einen ren blockiert werden. Ein Vorteil für die Teil dessen zurück, was ihnen autoritäre DW: Unsere Zielgruppe in Iran ist jung und Regime nehmen.

Deutsche Welle 43 31.8. – 23.9.2018

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