Wir Schlafen, Wenn Wir Alt Sind

SPLASH NEWS+PICTURE AGENCY / ACTION PRESS / ACTION AGENCY NEWS+PICTURE SPLASH Rockband The Darkness: Entfesselter Lärm vor tobendem Publikum Konzept unterstellt; zum Verdruss der Mu- POP siker. „Ironie – wie ich dieses Wort schon hasse. Wir lieben den Rock’n’Roll, und wir Wir schlafen, verhöhnen ihn nicht. Und dass wir nicht aussehen wie gepuderte New Yorker Pseu- do-Junkies, passt einigen Musikschreibern wenn wir alt sind halt nicht“, sagt Frankie Poullain, der Bas- sist mit dem Pornostar-Schnauzbart. Mit imposantem Krawall Wie ernst es diesen Burschen mit dem Rock’n’Roll ist, beweisen sie am liebsten brachten es die Jungs der britischen auf der Bühne – mit entfesseltem Mitgröl- Band The Darkness rock von Ehrfurcht gebietender Wucht und zu verblüffendem Erfolg. Nun Wut; und das vor meist wüst tobendem kommen sie auf Tournee. Publikum. Ihre Vorliebe für munteren, an Vorbil- lles, was die Musiker der Band The dern wie Queen, AC/DC und Bon Jovi ge- Darkness in den frühen Tagen ihres schulten Krawall erklären die Briten gern ASchaffens von Plattenfirmen-Mana- mit den Entbehrungen ihrer Anfangszeit: gern zu hören bekamen, war höchst uner- „Wir haben so lange davon geträumt, freulich: Man fand sie zu hässlich, zu schrill berühmt und erfolgreich zu sein, dass wir und zu geschmacklos. „Die meisten Ta- jetzt jeden Augenblick davon genießen. lentsucher haben uns einfach nur verhöhnt Schlafen können wir, wenn wir alt sind“, – und ausgerechnet der hämischste von sagt Dan Hawkins, Bruder des Sängers. ihnen behauptet heute öffentlich, dass er Die beiden Brüder und Schlagzeuger Ed uns entdeckt habe“, sagt Dan Hawkins, Graham stammen aus Lowestoft, einem Gitarrist der Band. „Ist das nicht eine irre Kaff im äußersten Osten Englands. Ein ab- Pointe?“ gewrackter Ort, der so lange von der Fisch- Hawkins zeigt sein schönstes Sieger- industrie lebte, bis das Meer leer gefischt lächeln – denn inzwischen sind The Dark- und verschmutzt war. Die jungen Leute ness längst der Überraschungsknüller des flohen, dafür kamen „haufenweise Rent- britischen Popmarkts. Allein in Großbri- ner, um mit billigem Meerblick zu ster- tannien haben sie im vergangenen halben ben“, wie Dan Hawkins sagt. Die Provinz- Jahr mehr als eine Million Exemplare ihres jungs, aufgewachsen mit Rock-Klassikern Debütalbums „Permission to Land“ ver- aus der Jukebox in Pub und Disco, mach- kauft. Tickets für ihre Konzertauftritte wer- ten sich also nach London auf, um berühmt den nicht selten für Unsummen im Inter- zu werden. net versteigert. Prominente wie Ozzy Os- Dort rackerte sich die Band so lange bourne, Robbie Williams und Donatella ab, bis sie sich aus Pub-Hinterzimmern Versace bekennen sich als Fans. in die großen Hallen hochgespielt hat- Und weil nun auch Europa und der Rest te – und das alles ohne großen Platten- der Welt von den Vorzügen der Band über- vertrag. „Und heute? Heute schicken die zeugt werden sollen, beginnt sie nächste Labels Talentscouts in Clubs, auf der Suche Woche mit einer Deutschland-Tournee. nach Bands, die so klingen wie wir“, tri- Kaum zu bestreiten ist, dass die Jungs umphiert Dan Hawkins. bis heute aussehen wie eine Karnevals- Der Mann glaubt zu wissen, warum sich Rock’n’Roll-Truppe: Ihre Haarmähnen sind so viele britische Teenager für The Dark- dünn und schauerlich aufgeföhnt, ihre Gür- ness begeistern. „Die Hitparaden sind telschnallen den entscheidenden Tick zu durch jede Menge Plastik-Superstars ver- groß, die hautengen Ganzkörper-Span- giftet“, sagt er. „Unsere Musik dagegen dexanzüge des Sängers Justin Hawkins ist echt, unser Schweiß ist echt, unser sind ein übler Witz. Zorn ist echt.“ Und die dünnen Locken, Von Journalisten wird der Band regel- die dazu geschüttelt werden, sind es mäßig ein clever ausgetüfteltes ironisches auch. Christoph Dallach der spiegel 6/2004 135.

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