Folge 9 · März 2003

Rodel-Hochburg Liezen

Von Wolfgang Flecker

Vorwort orten der Schweiz, wie Davos oder ger der 1. Obmann, und bei den Klosters ausgeübt. Sportwarten scheint schon Franz Über 3 Jahrzehnte hatte Liezen Wakonig auf. Der Verein organi- einen klingenden Namen in der In der Steiermark gründeten sich sierte bereits ein Jahr später das Welt des Rodelsports, weil Sport- Rodelvereine noch vor 1900 in 1. Rodelrennen in Liezen, mit der lerinnen und Sportler aus unse- Bruck und Murau. Der „Verband beachtlichen Beteiligung von 12 rer Stadt mit den Besten mithalten Steirischer Rodler“ wurde 1904 in Doppelsitzern (DS), 22 Damen und konnten und eine beachtliche Zahl Graz gegründet und bereits 1905 62 Herren. Die ungünstige Witte- von Medaillen von den Großer- die „Rodelmeisterschaft von Öster- rung (fast 1 Meter Neuschnee) eignissen, wie Olympischen Spie- reich“ an der Präbichlstraße abge- machte es nicht leicht, das Rennen len, Welt- und Europameister- halten. In Liezen kam es 1909 zur auf der Ausweichstrecke vom Sal- schaften nach Hause brachten. Gründung des Wintersportverei- berg anstandslos durchzuführen. Klar, dass sie auch national domi- nes. Wie man dem Protokoll ent- nierten, aber diese Erfolge stehen nehmen kann, war Dr. Eduard Fug- Als starker Rodler der damaligen im Schatten der internationalen. Zeit profilierte sich Franz Wako- Der Artikel will an diese stolzen nig, der schon bei der 1. Europa - Zeiten erinnern und zeigen, was meisterschaft (EM) 1914 in Rei- die damals vorhandene Aufbruch- chenberg (Liberec, Tschechien) an- stimmung und Rodelbegeisterung trat, aber noch keinen Spitzenplatz der Jugend und der Funktionäre belegen konnte. Aus den Unter- zustande brachte. lagen des Steirischen Rodelver- bandes geht weiters hervor, dass Die Anfänge Franz Fuchs mit Rudolf Gugganig Es begann alles auf der Natur- 1938 Staatsmeister im DS wurde. bahn; als man nämlich den in al- Die Schlitten bauten damals die len Alpenländern gebräuchlichen Wagner, aber es gab auch die so- Schlitten nicht nur als Lasten- und genannte Leobner Stahlrodel. Trotz Personentransportmittel verwen- des Krieges fanden bis zum Jahr dete, sondern auch sportliche Ver- 1942 Rodelrennen in der Steier- gleichskämpfe abhielt, war der Ro- mark statt, wobei die Liezenerin delsport aus der Taufe gehoben. In- Karla Hauser, die vom Bergbauern - ternational wurden solche vorerst hof vulgo Hoandl kam, durch gute Bild 1: Karla Hauser, die spätere Europa- in den mondänen Wintersport- und Weltmeisterin Leistungen auffiel (Bild 1). Rodler und nierten Rodellied aufhorchen. Den Funktionäre werden mit der Vorrückung von Isatitsch international vakanten Steirischen Vorsitz über- nahm der Liezener Walter Kuri und Nach 1945 kam die Zeit des Rot- übte ihn 4 Jahre aus. tenmanner Schuldirektors Bert Isa- titsch, der – trotz Besatzung – 1946 Den Durchbruch bei den Män- ein Rodelrennen um die Steirische nern schaffte Reinhold Frosch. Bei Meisterschaft in Rottenmann der WM 1958 in Krynica (Polen) durchführte, den Landesverband noch Dritter, holte er im Einsit- Steiermark gründete und dessen zer bei der WM 1960 in Garmisch 1. Vorsitzender wurde. Silber und schließlich wurde er dort auch mit Welt- Bei der Meisterschaft von Öster- meister im Doppelsitzer (Bild 2). reich 1947, die in Liezen ausge- Dem folgte auf der heimischen tragen wurde, gewann Karla Hau- Bahn in Weißenbach bei der EM ser den Titel. Diesem sollten noch 1962 ein 3. Platz mit Ludwig Gass - 4 weitere folgen – nach Vereheli- ner im Doppelsitzer. chung unter Hauser-Kienzl – und als erster internationaler Erfolg Naturbahn – die Europameisterschaft (EM) in Bild 2: Weltmeister 1960: Reinhold Frosch Kunstbahn Igls. Weiters erreichte sie noch 2 und Ewald Walch Stockerlplätze bei EM, aber der Mit der Errichtung der Natureis- Höhepunkt war Weltmeister- 1954 fand die Gründung des Kunstbahnen in den 50er-Jahren schaftsgold in Oslo 1955. Auch ihr „Österreichischen Rodelverban- in einigen Ländern Europas hatte Mann, Ing. Fritz Kienzl wurde 1954 des“ (ÖRV) statt, fast wäre man ge- sich das Geschehen im Rodelsport Europameister in Davos und Hans neigt zu sagen – natürlich – in Rot- immer mehr auf diese verlagert, Stangl gewann bei der EM 1955 tenmann. Präsident wurde, wie obwohl die Veranstaltungen auf Bronze. schon im Landesverband, Bert Isa- der Naturbahn weitergeführt wur- den. Mit den Siegen der Rodeljunio- ren aus dem Ennstal bei den 1955 erstmals ausgetragenen Junioren- Europameisterschaften kam auch der Wunsch nach einer Trainings- möglichkeit vor Ort. Dank der Weißenbacher Idealis- ten um Harald Pirkenau konnte eine solche beim Gasthof Nasler in Weißenbach verwirklicht wer- den (Bild 3). Diese Bahn war eine Natureis-Kunstbahn, die jedes Jahr mit Eisblöcken von ca. 30x30 cm aus dem nächsten Teich ausgebaut werden musste. Die Feuertaufe be- stand sie 1959 mit den „5. Europa- Bild 3: Natureis-Kunstbahn Weißenbach, links die Schipiste, rechts der Verlauf der Rodel-Meisterschaften für Junio- Rodelbahn ren“ und mit der Abhaltung der Ob der internationalen Erfolge titsch, der mittlerweile auch den EM 1962. finden Landes- und Staatsmeister- internationalen Verband leitete. Der Unterschied zur Naturbahn titel im Folgenden keine Erwäh- Mit Harald Pirkenau, Schuldirek- besteht darin, dass die Kurven nung mehr, aber auch bei Groß- tor aus Weißenbach bei Liezen, als überhöht sind und deshalb ereignissen, wie Europa- und Welt- Jugendwart gehörte ein weiterer mit höheren Geschwindigkeiten meisterschaften sowie Olympi- Vertreter aus unserem Bezirk dem durchfahren werden können (Bil- schen Spielen können nur die Vorstand des Bundesverbandes an. der 4 und 5). Während alle Natur - Plätze 1 bis 3 berücksichtigt wer- Der Genannte ließ gleich zum Ein- eis-Kunstbahnen – wegen der be- den. stand mit einem selbst kompo- schränkten Benützungszeit, des großen jährlichen Arbeitsaufwan- des und wohl auch der Gefahr für die Athleten, bei Fehlsteuerung aus der Bahn zu fliegen – verschwun- den sind, existieren heute nur noch die Kunsteis-Kunstbahnen, deren erste in Königssee/Bayern um 1970 errichtet wurde.

Bild 6: Olympiasieger Manfred Schmid mit Familie und Rodel-Präsident Bert Isatitsch beim Empfang in Liezen

de Course) Bert Isatitsch erreichte Manfred Schmid schlug aber erst – nach entsprechender Vorberei- bei den Olympischen Winterspie- tung – beim IOC die Aufnahme len 1968 in Grenoble, wo er Olym- von Kunstbahn-Rodeln als Bewerb pia-Sieger wurde und Silber im der Olympischen Winterspiele, Doppelsitzer mit Ewald Walch indem er nachwies, dass in ge- gewann. Mit seinen beiden Me- nügend Ländern der Rodelsport daillen wurde er in seiner Hei- Bild 4: Naturbahn, Ausschnitt betrieben wird. Das war am matstadt triumphal empfangen IOC-Kongress 1958 in München (Bild 6). Rodeln wird und 1964 traten erstmals Rodel- Manfred Schmid konnte darüber olympisch sportler bei Olympischen Spielen hinaus 1969 und 1970 mit Rein- an. Der umtriebige Präsident des in- hold Sulzbacher Weltmeister im ternationalen Rodelverbandes FIL Die große Stunde für den erfolg- Doppelsitzer werden und brachte (Federation Internationale de reichsten Liezener Rodel-Sportler es – außer den 3 Titeln – noch auf 10 Stockerlplätze bei Großereig- nissen. Aus der damals starken Liezener Mannschaft, die die Ausschei- dungsrennen gegen die große Kon- kurrenz aus Tirol – sowohl 1972 für Sapporo, als auch 1976 für Inns bruck – gewann, sodass Öster- reich im Rodeln durch jeweils 4 Sportler aus Liezen bei den Olym- pischen Spielen vertreten war, ra- gen die Leistungen von Rudolf Schmid, dem jüngeren Bruder des Olympiasiegers, hervor. Er brachte es nämlich auf eben- falls beachtliche 6 Stockerlplätze bei Großereignissen – zum größ- ten Teil im Doppel mit Franz Bild 5: Kunstbahn, Ausschnitt Fotos: Stadtarchiv (2), Privat (6) Schachner. Bild 7 zeigt die beiden in Aktion, Stockerlplätze erreichte. Auch wobei das Bestreben, bei den Manfred Danklmaier gelang es hohen Geschwindigkeiten auf der 1985 Europameister zu werden. Kunstbahn möglichst geringen Für den Breitensport werden all- Luftwiderstand zu haben, ersicht- jährlich auf der Naturbahn im lich ist. Auch sie wurden in Liezen Lexgraben Rennen veranstaltet. festlich empfangen, als sie mit ei- Während der WSV sein Gedenk - ner Bronzemedaille von den Olym- rennen für Rudolf Profanter und pischen Spielen 1976 aus Inns- Johann Hohl (ehemalige Sektions- bruck zurückkamen. leiter) sowie Johann Torda (ver- unglückt auf der Kunstbahn in Imst) und den Volksrodeltag ab- hält, findet das Franz-Wakonig-Ge- denkrennen des SC schon einige Jahre nicht mehr statt. Bild 8: Weltcupsieger 1980–82: Günther Ausblick Lemmerer und Reinhold Sulz- bacher Obwohl das Projekt einer Kunst- bahn in Liezen – wie es zuletzt Bundessportwart – tätig. Letzte- 1989 vorgestellt wurde – aus Kos - rer fungierte anschließend auch als tengründen kaum verwirklicht Trainer der kanadischen National- werden kann, sollten doch die mit mannschaft. Günther Lemmerer der Veranstaltung von internatio- war 1986/87 Bundestrainer und nalen Rennen verbundene Me- übernahm danach in der FIL die dienpräsenz und der sich ent- Aufgabe, die Entwicklung des in- wickelnde Sporttourismus Grund ternationalen Rodelsports voran- sein, ein solches – für den gesam- Bild 7: Doppelsitzer: Rudolf Schmid und zutreiben. ten Rodelsport wichtiges – Projekt weiter zu verfolgen. Aber auch Reinhold Sulzbacher in Aktion Er übte diese Tätigkeit 15 Jahre ohne Kunstbahn wäre das bedeu- lang aus, lieferte Nationen, die bei tende Wissen und die Erfahrung Rodel-Weltcup Großveranstaltungen antreten der Sportler und Funktionäre in Wie bei den Alpinen und Nor- wollten, das nötige Know-how und unserer Stadt noch zu nutzen, dischen wurde auch bei den Rod- sorgte vor allem für die Sicherheit wenn verstärkte Jugendförderung lern – hier 1976 – ein Weltcup ein- der Athleten – durch Trainings- – über Neigungsgruppen in der geführt, um die besten Sport- kurse im Trockenen (mit Rollen- Schule – betrieben wird. lerInnen über eine Saison zu küren. schlitten) und im Eiskanal. So tra- Wieder waren es Liezener Sportler, ten bei den Olympischen Spielen Auch die Ausrichtung der Sport- die vorne mitmischten und mit in Salt Lake City 10 traditionelle hauptschule auf Rodeln wäre – in Günther Lemmerer und Reinhold und 16 Nationen an, die auf Ent- der ehemaligen Rodel-Hochburg – Sulzbacher 1980, 1981 und 1982 wicklungsprogramme der FIL auf- logisch. Wenn sich auch viele Vor- im Doppelsitzer den Weltcup-Sie- bauten. aussetzungen geändert haben, so ger stellten (Bild 8). Zudem wur- könnte doch die frühere Identität den die beiden 1982 auch Europ- Zurück zur Naturbahn Liezens mit dem Rodelsport wie- ameister. der belebt werden. Mit dem Auflassen der Natureis- Bei den Damen konnte Angelika Kunstbahnen waren die Möglich- Quellenverzeichnis: Schafferer – die 2. Frau von Lem- keiten eines Trainings auf Kunst- merer – 1979, 1980 und 1981 Welt- bahn nur noch in Tirol gegeben, „25 Jahre Landessportorganisation Stei- ermark“, Graz, 1979 cupsiegerin werden. was mehrstündige Fahrten erfor- Wurzer, Herbert: „Die geschichtliche derte. Das Geschehen verlagerte Entwicklung des Steirischen Rodel- Funktionäre im sich daher für unsere Rodler wie- verbandes“, Graz Bundes- und Inter - der mehr auf die Naturbahn, wo Für die bereitwilligen Auskünfte – bzw. nationalen Verband Elfriede Pirkmann, vom Bergbau- die Überlassung von Unterlagen und Fotos – seien die Obmänner von SC, Im ÖRV waren in den 70er-Jah- ernhof vlg. Breinsberger, in den Ewald Florianschitz und WSV, Simon ren Siegfried Mosser – als Kampf- Jahren 1973–78 sehr erfolgreich Diethart, sowie die Sportler Reinhold richter und später als Schriftfüh- war, indem sie zweimal Europa- Frosch, Günther Lemmerer und Ru- rer – sowie Franz Schachner – als meisterin wurde und 3 weitere EM- dolf Schmid herzlich bedankt.