Ländliche Elite zwischen Beharrung und Wandel? Die regionale Oberschicht in Westtirol und 1780-1830 unter besonderer Berücksichtigung des Montafons

Mag. phil. Mag. phil. Michael Kasper Matrikelnummer 9916010

DISSERTATION

eingereicht im Rahmen des Doktoratsstudiums der Philosophie Dissertationsgebiet Geschichte

an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Innsbruck, am 17.09.2017

2 Ländliche Eliten im Wandel

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort ...... 5 Einleitung ...... 9

Begriffsklärungen ...... 17 Methodik ...... 22 Fragestellungen ...... 25 Quellen ...... 27

1. Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 29

1.1. Räumliche Einordnung des Untersuchungsraumes ...... 31 1.2. Die Landschaft – Natur und Kulturraum ...... 37 1.3. Klimaschwankungen und deren Auswirkungen ...... 51 1.4. Herrschaftsverfassung als Herrschaft vor Ort ...... 62

1.4.1. Orts- und Gerichtsherrschaft im Ancien Régime ...... 64 1.4.2. Kriegseinwirkungen bis 1805 ...... 68 1.4.3. Die bayerische Zeit ...... 69 1.4.4. Reorganisation unter Österreich...... 72

1.5. Demographische Entwicklungen ...... 73

2. Die ländliche Oberschicht ...... 81

2.1. Die Sozialstruktur der ländlichen Gesellschaft ...... 81

2.1.1. Vermögensstruktur am Beispiel der Region Montafon ...... 91

2.2. „Wucherische Spekulazionen“ und andere ökonomische Tätigkeiten der Oberschicht ...... 101

2.2.1. Der Klassiker: Wirte als Tonangeber in der ländlichen Gesellschaft 104 2.2.2. Soziale Praxis des Kredits im ländlichen Raum ...... 108 2.2.3. Die ländlichen Eliten und die (Proto)-Industrialisierung ...... 123 2.2.4. Arbeitsmigration und überregionale Handelsbeziehungen...... 132 2.2.5. Die ländlichen Eliten im Prozess der Agrarmodernisierung ...... 139 2.2.6. Die Ausnahmen: Ärzte ...... 146

2.3. Ländliche Eliten und lokale/regionale Herrschaft ...... 150

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2.3.1. Kommunal- und Regionalverfassungen: Ämter im ländlichen Raum 151 2.3.2. Lokale Herrschaft als Familientradition ...... 164 2.3.3. Herrschaftspraxis im Ancien Régime: Zwischen Bürde und sozialem Prestige 170 2.3.4. Herrschaftspraxis in bayerischer Zeit 1806-1814 ...... 193 2.3.5. Anarchische Zustände in der Übergangszeit 1814-1816...... 203 2.3.6. Herrschaftspraxis während Restauration und Vormärz ...... 204 2.3.7. Bedeutung der Herrschaftspartizipation für die ländliche Oberschicht 207

2.4. Lebensweisen und Lebensstile der ländlichen Elite ...... 207

2.4.1. Außenwahrnehmungen – Die ländliche Oberschicht in Berichten von Reisenden und Beamten ...... 208 2.4.2. Familie und Heiratsverhalten – Verwandtschaftsnetzwerke ...... 216 2.4.3. Religion und Repräsentation ...... 224 2.4.4. Bildung als Strategie zum „Obenbleiben“ ...... 226 2.4.5. Wohnsituation und Baukultur ...... 231 2.4.6. Materielle Lebensstile – Sachkultur der Oberschicht ...... 237 2.4.7. Vereine und Gesellschaften ...... 239 2.4.8. Kulturelle Verbürgerlichung? ...... 240

Schluss – Ländliche Eliten im Wandel?...... 245 Literaturverzeichnis ...... 249

Literatur ...... 249 Periodika ...... 286

Quellenverzeichnis ...... 288 Abbildungsverzeichnis ...... 291 Abkürzungsverzeichnis ...... 292

Vorwort 5

VORWORT

Die Idee zur Formulierung des Themas der vorliegenden Arbeit entstand im Winter 2006/07 am Beginn der Mitarbeit an dem vom Südtiroler Landesarchiv getragenen Projekt „Elitentransformation in Tirol 1790-1840“, das von den Koordinator/innen Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl in Innsbruck, Univ.-Doz. Dr. Hans Heiss in Bozen und Univ.-Prof. Dr. Marco Bellabarba in Trient initiiert und geleitet wurde und schließlich aufgrund neuer wissenschaftlicher Ansätze sowie einer breiten, neu erschlossenen Quellenbasis einen wesentlichen historiographischen Beitrag zum Tiroler „Gedenkjahr 1809-2009“ darstellte.1 Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden vornehmlich die traditionell als „Eliten“ titulierten Personengruppen wie die im Bereich der Administration und Jurisdiktion tätigen Beamten, Adelige sowie die Angehörigen des städtischen Bürgertums in den Blick genommen und in mehreren Einzelprojekten näher untersucht. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Tirol und Vorarlberg lebte im Untersuchungszeitraum jedoch im alpinen, ländlichen Raum. Da mir das Missverhältnis zwischen wahrgenommenen Eliten im urbanen und Masse der Bevölkerung im ruralen Bereich auffiel, begann ich mich intensiver mit der Struktur der ländlichen Gesellschaft auseinanderzusetzen und stellte bald fest, dass es auch im diesbezüglich von der Wissenschaft eher vernachlässigten ländlichen Raum große soziale Unterschiede gab, jedoch bis dato nur wenige Untersuchungen zu diesem Themenkreis vorliegen. Im Zuge des in den Jahren 2007/08 für das Montafoner Tourismusmuseum Gaschurn erarbeiteten Ausstellungsprojekts „Die Herren im Tal - Montafoner Eliten um 1800“ konnte ich mich dann erstmals am Beispiel dieser Region im Süden Vorarlbergs in die Thematik der „ländlichen Eliten“ vertiefen.2

1 Vgl. BELLABARBA/FORSTER/HEISS/LEONARDI/MAZOHL (Hg.): Eliten in Tirol zwischen Ancien Régime und Vormärz. 2 Vgl. KASPER: „Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800“.

6 Ländliche Eliten im Wandel

Für die kontinuierliche und nachhaltige Unterstützung seit dem Beginn der Arbeit an diesem Dissertationsprojekt habe ich zahlreichen Personen zu danken, denn an der Entstehung einer solchen akademischen Abschlussarbeit sind immer weit mehr Personen beteiligt, als ein Blick auf die Verfasserangabe vermuten ließe. Viele Menschen haben mich auf dem Weg bis zum Studium begleitet, haben während des Studiums an der persönlichen und wissenschaftlichen Bildung direkt und indirekt mitgewirkt und zuletzt mehr oder weniger unmittelbar auf die Entstehung eines Werkes wie diesem Einfluss genommen. Natürlich kann ich an dieser Stelle bei weitem nicht alle anführen, denen ich für all das zu Dank verpflichtet wäre, trotzdem mögen sich alle Beteiligten hier mit eingeschlossen fühlen. An erster Stelle danke ich meiner Dissertationsbetreuerin em. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl, deren Unterstützung von der Einladung zur Mitarbeit am zuvor genannten Projekt über die Ermöglichung meine Thesen bei diversen Tagungen zur Diskussion zu stellen sowie daran anknüpfend erste Forschungsergebnisse zu publizieren bis hin zur letzten Phase der Schreibarbeit immer wieder motivierte und stets auch den Blick auf einen größeren Zusammenhang lenkte. Vom Frühjahr 2007 bis zum Herbst 2008 wurden meine Recherchen im Rahmen des Forschungsprojekts „Elitentransformation in Tirol 1790-1840“ vom Südtiroler Landesarchiv unterstützt. Dafür danke ich der Amtsdirektorin Dr. Christine Roilo und ihrem Stellvertreter Dr. Gustav Pfeifer. Allen Kolleginnen und Kollegen in der Projektgruppe danke ich überdies für die Möglichkeit, meine Arbeit und deren Fortschritte bei den diversen Projektsitzungen vorzustellen und im Rahmen von zahlreichen formlosen Gesprächen zu diskutieren. Außerdem sei der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck für die finanzielle Unterstützung durch ein Doktoratsstipendium aus der Nachwuchsförderung 2006/07, die mir eine Zeit intensiver Archivrecherchen ermöglichte, gedankt. Ferner danke ich dem damaligen Leiter der Montafoner Museen und nunmehrigen Direktor des vorarlberg museums Dr. Andreas Rudigier für die Förderung meines Dissertationsprojekts durch die Möglichkeit das Thema einer breiteren Öffentlichkeit im Rahmen der Ausstellung „Die Herren im

Vorwort 7

Tal - Montafoner Eliten um 1800“ zugänglich zu machen und das Montafon Archiv jederzeit und unbürokratisch zu frequentieren. Für die vielfältige und unkomplizierte Hilfe bei den Archivrecherchen im Vorarlberger Landesarchiv danke ich ganz besonders PD Dr. Manfred Tschaikner und Dr. Ulrich Nachbaur, sowie Direktor tit. ao. Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter und allen übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Einrichtung. Ganz besonders danke ich meiner Frau Edith und meinen Kindern Matthäus, Margaretha und Valentin für ihre Geduld und ihren Ansporn diese Arbeit zu vollenden, aber auch für die vielen Stunden des Gesprächs und der Diskussion. Ein tief empfundenes Wort des Dankes gebührt schlussendlich meinen Eltern Gudrun und Bernhard Kasper. Ohne die für sie selbstverständliche und großzügige Unterstützung auf meinem ganzen bisherigen Lebensweg, ohne ihr bleibendes Verständnis für meine Interessen, die mich schließlich auch zu meinen Studien geführt haben, hätte ich den begonnenen Weg nicht bis hierher gehen können.

Gewidmet sei diese Arbeit meiner verstorbenen Großmutter Maria Ludmilla Kausek, die mein Interesse für Geschichte und Geschichten schon von frühester Kindheit an gefördert und geprägt hat.

Telfs, September 2017

Einleitung 9

EINLEITUNG

Im Jahr 1837 schilderte der Montafoner Landrichter Johann Wiederin3 in einer Eingabe an das Kreisamt in das Leben und Wirken des dortigen „Standesrepräsentanten“4 Mathias Drexel, der sich nach der Meinung des höchsten Beamten der Region aufgrund seiner zahlreichen Verdienste um das allgemeine Wohlergehen des Montafons und dessen Bewohnerinnen und Bewohnern eine öffentliche Auszeichnung verdient habe:

Derselbe [Mathias Drexel] ist am 29ten Xber 1768 geborn, u. Vater zwayer Söhne, wovon der eine auf seiner Wirthschaft zu ansäßig, u. der andere als Landgerichtsactuar zu Sterzing angestellt ist. Als im Jahr 1796 die Franzosen gegen die Gränzen Vorarlbergs anrückten, diente er bei der Landesdefension anfänglich als Unterjäger, u. avansirte zum Lieutenant in einer freywilligen Schützen Compagnie. Im Jahr 1798 wurde er von der Gemeinde Tschagguns zum Geschwornen erwählt, welches Amt er bis 1811 bekleidete, in welchem Jahre er neuerlich zum Ausschuße erwählt wurde, u. in dieser Eigenschaft bis 1820, und von dort bis 1835 als wirklicher Vorsteher der dortigen Gemeinde diente. Bey den französischen Invasionen vom Jahr 1799 u. 1805 nahm er an der Landesvertheidigung abermaligen Antheil, und besorgte im ersten Jahre theils das Verpflegswesen, theils im Commando auf Vorposten, im letzten Jahre aber befehligte er eine Schützen Compagnie als Hauptmann. Auch nahm der Stand Montafon seine Dienste in Anspruch, welchem er vom Jahr 1800 bis 1802, dann vom Jahr 1806 bis 1810 als Vorgesetzter diente, u. von Sr. Majestät unterm 13ten April 1830 zum Standesrepräsentanten ernannt wurde.

3 Vgl. KASPER: Gerichtswesen und Verwaltung im Montafon 1775 bis 1848, S. 32f. 4 Das Amt des Standesrepräsentanten wurde 1816 in den ehemaligen Gerichten Vorarlbergs geschaffen. Die Standesrepräsentanten vertraten die ländliche Bevölkerung bei der Erbhuldigung in Innsbruck. Vgl. KASPER: Vom „Land“ Montafon zum Stand Montafon, S. 97.

10 Ländliche Eliten im Wandel

Alle diese Dienstkategorien beweisen den hohen Grad des Vertrauens, das seine Mitbürger u. die Regierung in ihn setzten, u. er rechtfertigte selbes auch im vollen Maß, u. bewährte sich stets als einen vernümpftigen Rathgeber, und eifrigen Vollführer gemeinnütziger Unternehmungen, so z. B. war Mathias Drexel der erste, welcher mit Abschaffung der früher üblichen Hochwuhren dem Baue der Steinarchen am Illfluße Eingang verschafte und im Jahr 1807 in der eigenen Gemeinde damit den Anfang machte. Seinem eben so klugen, als sorgfältigen Bemühen verdankt die Gemeinde zum größten Theile den Bau der Pfarrkirche, welcher unter seiner Leitung vom Jahr 1811 bis 1816 sehr vortheilhaft zu Stande kam, u. als eine Merkwürdigkeit des ganzen Thales pranget. Auf seine Veranstaltung wurde im Jahr 1828 die Gemeindsau kultivirt mit einem Wohn u. Oekonomie-Gebäude versehen, und sodurch der ansehnliche Litzhof gewonnen. Ueberhaupt seine Kundigkeit und sein gemeinnütziges Wirken waren die Bewegursachen, daß er im Jahr 1832 zur Liquidirung der ältern Marschkosten vom Jahr 1808 bis 1824 ausgeschossen, im Jahr 1832 als berathendes Mitglied des landwirtschäftlichen Vereins von Tyrol und im Jahr 1833 als Vorstand der Illregulierungs-Inspection im Thale Montafon aufgestellt wurde. Es läßt sich aber denken, wie wenige Vergeltung Mathias Drexel von allen diesen Mühen erndtet u. wie sehr ihm die Lust zu fernern Diensten verschwinden müße, da das vom Vorurtheile befangene Volk das Lob zu verschweigen, u. immer lieber zu tadeln aufgelegt ist. Wenn daher hohe Behörde diese Verdienste zu einer öffentlichen Anerkennung geeignet halten sollte, glaubt das ergebenste Landgericht nicht zu fehlen, wenn es diesen Mann zur Erwirkung einer Auszeichnung – allenfalls mit der kleinen goldenen Medaille – ehrfurchtsvoll zu empfehlen wagt. am 26ten Juny 1837. Kais. König. Landgericht Montafon Widerin Ldr.5

5 VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Präs., Landgericht Montafon 26.6.1837.

Einleitung 11

Diesem Ansuchen wurde auch seitens des Kreisamtes sowie des Guberniums entsprochen und im Rahmen der Erbhuldigung 1838 wurde Drexel die „mittlere goldene Civil-Ehrenmedaille mit dem Bande“ verliehen.6 Der 1768 in Braz im Klostertal geborene, 1772 zu Tschagguns eingebürgerte7 und im Jahr 1847 in Tschagguns verstorbene8 Mathias Drexel war als Kind mit seinen Eltern nach Tschagguns ins Montafon gezogen, hatte dort den renommierten Gasthof „Löwen“ übernommen9 und sich in weiterer Folge sehr in der Lokal- und Regionalpolitik, in der schon sein Vater Christian als Geschworener10 von Tschagguns tätig gewesen war, engagiert. Sein weiterer Lebensverlauf und die äußerst positive Charakterisierung durch den Landrichter als höchsten staatlichen Beamten in der Region verweisen darauf, dass Mathias Drexel als Angehöriger der regionalen Oberschicht durch Lebensweise, Amtstätigkeit, wirtschaftliches Verhalten, Innovationsbereitschaft und vielfältige überregionale Kontakte aus der regionalen ländlichen Gesellschaft herausragte.

Abb. 1 Mathias Drexel um 1820

6 Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung, S. 22. 7 Vorarlberger Tagblatt v. 30.4.1932. 8 MA, Montafoner Familienbuch; LORINSER: Gedenkblätter der Familie Lorinser, S. 34. 9 VONBANK: „Tafernen an Landstraß und Sömersteig…“, S. 97. 10 Die Geschworenen wurden aus den Montafoner Pfarren in ein gemeinschaftliches Gremium entsandt, welches die höchste regionale Entscheidungskompetenz innehatte. Vgl. Vgl. KASPER: Vom „Land“ Montafon zum Stand Montafon.

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Dass das Verhalten, die Werte und die Karrieren der Angehörigen der Elite Einblicke in die Wertvorstellungen und Mentalitäten, in Strukturen und Veränderungen der jeweiligen Gesellschaft und deren Wandlungsprozesse eröffnen können,11 wird am Beispiel von Mathias Drexel deutlich: In seiner Lebenszeit ereigneten sich zahlreiche Umbrüche und Wandlungsprozesse, die er teilweise selbst mitgestaltet hatte. An anderen Entwicklungen hatte er entweder aktiv partizipiert oder diese zumindest bewusst miterlebt. In seiner Biographie spiegeln sich dementsprechend die Transformationen, welche die ländliche Gesellschaft vom ausgehenden 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderten, wider. Seine verschiedenen Amtstätigkeiten verweisen etwa auf die politischen Wechsel und die sich verändernden Herrschaftsstrukturen: Noch im Ancien Régime übernahm er das Amt eines Geschworenen in der Kommune und war als Vorgesetzter des Standes Montafon auf der Ebene eines traditionellen regionalen Selbstverwaltungskörpers als höchster landschaftlicher Amtsträger tätig. In beide Ämter wurde er von Teilen der lokalen Bevölkerung gewählt. Im selben Zeitraum bis zum Jahr 1805 war er auch mehrfach in der Landesverteidigung, die noch auf dem frühneuzeitlichen System der ständischen Wehrverfassung beruhte, engagiert und avancierte in den zahlreichen Einsätzen im Zuge der Kriege zwischen der Habsburgermonarchie und Frankreich schließlich bis zum Hauptmann einer regionalen Schützenkompanie. In diesem Zusammenhang war er 1799 vom Montafoner Landammann zum Kundschafter in Graubünden ernannt worden. Dort hatte er mit drei Schützen Erkundigungen einzuziehen und bei Gefahr für das Montafon so rasch als möglich Meldung zu erstatten.12 In der nun folgenden Zeit der bayerischen Herrschaft endeten seine auf der kommunalen Selbstverwaltung aufbauenden Amtstätigkeiten als Geschworener und Vorgesetzter, da diese auf regionale Sonderverfassungen aufbauenden Ämter im Königreich Bayern abgeschafft wurden. Stattdessen wurde er in den nach dem

11 HARTUNG: Eliten in der Region, S. 14. 12 MA, ZKA, Tschagguns, Landesverteidigung 14.10.1799.

Einleitung 13 bayerischen Gemeindeedikt von 1808 neu eingerichteten und mit neuen Aufgaben bedachten Gemeindeausschuss erwählt. Nach der (Wieder)eingliederung Tirols und Vorarlbergs in das österreichische Kaiserreich stieg er schließlich nach der an den bayerischen Reformen orientierten Neuregulierung des Kommunalwesens zum Gemeindevorsteher auf.13 Auf regionaler Ebene wurde er am 12. April 183014 – im Gegensatz zu seiner Wahl zum Vorgesetzten im Jahr 1800 – nach dem Ableben Ignaz Voniers am 29. Juli 1828 zum zweiten Montafoner Standesrepräsentanten gewählt.15 In dieser Funktion sollte er 1841 dem neuen Gouverneur, Graf von Brandis, in Innsbruck seine Aufwartung machen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er jedoch auf diese Reise verzichten und es wurde der Schrunser Gemeindevorsteher Johann Josef Stemer als Mitglied der Vorarlberger Deputation entsandt.16 Rund um seinen 75. Geburtstag 1844 suchte Drexel um Entlassung aus dem Amt des Standesrepräsentanten an. Der Standeskassier Jakob Jochum wurde an seiner Stelle als Bevollmächtigter des Standes Montafon aufgestellt. Die Wahl eines Standesrepräsentanten wurde vorläufig nicht als notwendig erachtet, da es in Vorarlberg keine Landstände gab und die Vertreter der Gerichte beziehungsweise Städte des Kreisamtes Vorarlberg auch nicht in die Tiroler Landstände integriert wurden.17 Im Zeitraum von 1796 bis 1830 unterlag das Verhältnis zwischen Staat, Region und Gemeinde zahlreichen einschneidenden und weitreichenden Veränderungen, die Mathias Drexel mittragen musste, jedoch auch mitgestalten konnte. Dementsprechend ist die Funktion des aus der ländlichen Gesellschaft stammenden Amtsträgers an der Schnittstelle und an der Reibungsfläche zwischen Bevölkerung und Staat zu verorten, denn nach der Meinung des Landrichters bewiesen seine Aktivitäten den hohen Grad des Vertrauens, das seine Mitbürger u. die Regierung in ihn setzten, u. er rechtfertigte selbes auch im vollen

13 VLA, Landgericht Montafon 329/7. 14 Vorarlberger Tagblatt v. 30.4.1932. 15 VLA, Landgericht Montafon 325/49. 16 VLA, Landgericht Montafon 351/13. 17 VLA, Landgericht Montafon 356/19.

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Maß, u. bewährte sich stets als einen vernümpftigen Rathgeber, und eifrigen Vollführer gemeinnütziger Unternehmungen18.

Abb. 2 Blick auf den Ortskern von Tschagguns mit Pfarrkirche, Tanzlaube und ganz rechts dem Ill-Litzhof, Gemälde von Joseph Anton Mähr 1838

Die Mitarbeit Drexels als beratendes Mitglied des „landwirtschäftlichen Vereins von Tyrol“ verweist auf seine Rolle im Prozess der Agrarmodernisierung auf der Seite der Reformer und seine diesbezüglichen Initiativen hinsichtlich einer Verbesserung der Agrartechnik sowie insbesondere der Viehzucht im Montafon, die sich beispielsweise am Ankauf von Zuchtstieren aus dem eidgenössischen Kanton Schwyz zeigte und zur qualitativen Verbesserung der regionalen Viehrasse beitrug.19 Auch die auf seine Unternehmung hin erfolgte Kultivierung von Teilen der bis dato ungenutzten Aulandschaft entlang des Illflusses im Schrunser Becken und die Errichtung eines gemeindeeigenen Wirtschaftshofes mit Stall, Stadel und

18 VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Präs., Landgericht Montafon 26.6.1837. 19 VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Präs., Landgericht Montafon 26.6.1837; TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmanns Ebner, S. 138f.

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Holzmagazin20 - dem Ill-Litzhof – sowie die Einführung verbesserter Wasserschutzbauten, welche statt aus Holz nunmehr vor allem aus Stein ausgeführt wurden21, sind in diesem Zusammenhang zu sehen.

Abb. 3 Anton Drexel, der Sohn von Mathias Drexel, Wirt und Landtagsabgeordneter, um 1860

Die über das für die ländliche Gesellschaft übliche Maß hinausgehende Ausbildung seiner Söhne, die in der Staatsverwaltung und in der regionalen Politik Karriere machten22, sowie die Teilhabe am entstehenden Vereinswesen auf überregionaler Ebene verweisen auf neue kulturelle Horizonte und auch den Abschied von

20 VLA, Landgericht Montafon 320/1. 21 Vorarlberger Tagblatt v. 30.4.1932. 22 http://suche.vorarlberg.at/vlr/vlr_gov.nsf/0/45825CE70D4F5341C125757700489570/$FILE/ fromDocFile-9F02FA72B41F3EDEC1257482003E5EA0.pdf am 7.6.2017.

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traditionellen Orientierungen und Werthaltungen. Andererseits zeigt sich an seinem Engagement für den Umbau der Pfarr- und Wallfahrtskirche Tschagguns die Wertschätzung althergebrachter Werte und der Ausformungen der Volksreligiosität.23 Überdies heiratete Mathias Drexel am 9. Februar 1794 21-jährig die 17-jährige Anna Maria Ganahlin (geb. 9. Oktober 1779 in Bartholomäberg, gest. 7. August 1806 in Tschagguns).24 Dieses Heiratsalter lag weit unter dem regionalen Durchschnitt und verweist darauf, dass die beiden Partner bereits in jungen Jahren über ein Vermögen verfügten, das die Gründung einer Familie zuließ.

An Drexels Lebenslauf lässt sich einleitend exemplarisch die Beteiligung der ländlichen Eliten an den Wandlungsprozessen innerhalb der bäuerlich geprägten ländlichen Gesellschaft im zentralalpinen Raum am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert nachvollziehen.25 Sowohl die Veränderungen der Ämter, die er bekleidete, wie auch sein Engagement für die Agrarmodernisierung und die Karrieren seiner Söhne stehen idealtypisch für viele Angehörige der ländlichen Oberschicht in diesem Zeitraum und verweisen unmittelbar auf die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit. Auch Michael Pfurtscheller aus dem Stubaital, dessen Leben und Wirken im Zeitraum zwischen 1750 und 1850 umfassend aufgearbeitet vorliegt, steht beispielhaft für einen Vertreter der ländlichen Oberschicht in Tirol.26

23 Vgl. ULMER: Dekanatsbeschreibung Montafon, S. 377. 24 VLA, Tauf-, Trauungs-, Sterbe- und Firmbuch Tschagguns 1784-1866; Tauf-, Trauungs-, Sterbe- und Firmbuch Bartholomäberg 1719-1784. 25 Vgl. MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 1-3. 26 SPAN: Ein Bürger unter Bauern?

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Begriffsklärungen

„Eliten nennen Eliten Eliten.“27

Dass diese Aussage des Schweizer Soziologen Urs Jaeggi nicht nur für die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „Eliten“ in öffentlichen Diskussionen zutrifft, sondern teilweise auch für den historiographischen Diskurs Gültigkeit beanspruchen kann, belegen gewisse Irritationen, welche die Verwendung des Begriffs auf Angehörige der ländlichen Gesellschaft des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts bei jenen eher dem Adel, dem Bürgertum oder der Geistlichkeit zugewandten Historikerinnen und Historiker mitunter auslösen. Diese Bedenken erfordern eine ausgeprägtere Reflexionsbereitschaft über die Elitenfähigkeit der Untersuchungssubjekte als das bei einem Forschungsinteresse für andere gesellschaftliche Gruppen, die aus verschiedensten, wenn auch nicht immer zwingenden, Gründen als Eliten angesehen werden, als notwendig erachtet wird. Um einer wirtschaftlich, kulturell oder machtpolitisch hervorgehobenen Gruppe der ländlichen Gesellschaft einer Region Elitenstatus zuzusprechen, ist es daher nötig, dass begriffliche Vorentscheidungen getroffen werden.28

Für die Bezeichnung der „oberen Ränge“ der Gesellschaft gibt es mehrere unterschiedliche Benennungen. Der Begriff der Elite ist diesbezüglich mittlerweile sehr gebräuchlich, hat jedoch eine problematische, weil politisch und ideengeschichtlich vorbelastete Geschichte.29 „Elite“ kann aber auch als Instrument zur empirischen Untersuchung der Oberschichten einer Gesellschaft eingesetzt werden, um damit bessere Erkenntnisse über deren Wandel zu erhalten.30 Eliten versteht man im Allgemeinen Individuen oder soziale

27 Urs Jaeggi, zitiert nach: MAHLERWEIN: Ländliche Elite in Rheinhessen, S. S. 24. 28 MAHLERWEIN: Ländliche Elite in Rheinhessen, S. 24f. 29 Vgl. KRAIS: Begriffliche und theoretische Zugänge zu den 'oberen Rängen' der Gesellschaft, S. 36. 30 STIMMER: Kontinuität und Wandel regionaler Eliten, S. 16.

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Gruppierungen, die sich durch eine gewisse gesellschaftliche Überlegenheit, durch Reichtum, Leistung oder ihre rechtliche Stellung von der übrigen Gesellschaft abheben. Aus dieser sozialen Distanz kann in der Folge ein von der Mehrheit abweichendes Wertesystem entstehen. Damit steht ferner ein höheres Sozialprestige in engem Zusammenhang, das sich wiederum in einem besonderen Lebensstil äußern kann.31

Eine bedeutende Rolle bei der Definition von lokalen oder regionalen Eliten spielt immer die Frage nach der Machtverteilung in der jeweiligen regionalen ländlichen Gesellschaft. Zur Oberschicht können jeweils jene Personen gezählt werden, welche die zentralen gesellschaftlichen Bereiche prägen und deren Entwicklung maßgeblich mitbestimmen.32 In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig zu erwähnen, dass nicht immer die Gesamtgesellschaft als primäre Bezugsgruppe gelten muss, sondern kleinere soziale Einheiten gleichermaßen als solche herangezogen werden können.33 In diesem Sinne beziehe ich mich in dieser Arbeit auf ländliche Gebiete im zentralen Alpenraum, die in Bezug auf die Quellen exemplarisch anhand der Regionen Westtirol und Vorarlberg beziehungsweise den zeitgenössischen Verwaltungseinheiten der Kreise Vorarlberg (Kreisamt Bregenz) und Oberinntal (Kreisamt Imst) sowie vertiefend am Beispiel der Talschaft Montafon dargestellt werden, und die dort in den Dörfern lebende bäuerlich geprägte Bevölkerung, die auch als „peasant society“ bezeichnet werden kann.34 Auf den Adel, das Bürgertum oder andere Angehörige der Stadtbevölkerung – also die zumeist auf die Gesamtgesellschaft bezogen als Eliten bezeichneten Teilgruppen35 – sowie auf das Beamtentum und die Geistlichkeit wird, obwohl vor allem die beiden letztgenannten Gruppen in der ländlichen

31 HARTUNG: Eliten in der Region, S. 13. 32 Vgl. HARTMANN, Kontinuitäten oder revolutionärer Umbruch? 33 SCHLICK: Eine jüdische Elite in Frankfurt am Main im Spannungsfeld von ständischer und bürgerlicher Gesellschaft, S. 19. 34 WUNDER: „Agrargesellschaft“ als Grundbegriff der frühneuzeitlichen Sozialgeschichte, S. 5–14. 35 KELLER: Eliten, Sp. 218; vgl. etwa auch CHAUSSINAND-NOGARET: une histoire des élites 1700–1848; HOFMANN: Eliten und Elitentransformation in Deutschland zwischen der Französischen Revolution und der Deutschen Revolution; REIF: Adel und Bürgertum in Deutschland I.

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Gesellschaft eine nicht unbedeutende Rolle spielten, nicht näher oder nur am Rande eingegangen. Auch die agrarisch wirtschaftende Bevölkerung der Kleinstädte im Untersuchungsraum, die mitunter in engem Austausch der Bevölkerung im Umland stand, wird nicht näher zum Thema gemacht werden. Es soll dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass es auch in dieser ländlichen Gesellschaft einen Elitenpluralismus gab: Das bedeutet, dass es selten eine einzige, einheitliche, alle Lebensbereiche umfassende Führungsschicht gab, sondern zumeist mehrere nebeneinander bestehende, mitunter in Konkurrenz befindliche Eliten existierten.36 Außerdem darf nicht übersehen werden, dass nur Personen am oberen oder unteren Rand der Gesamtgesellschaft ausschließlich Patron oder ausschließlich Klient zu sein vermochten. In den meisten Fällen – insbesondere auch bei den hier untersuchten Angehörigen der ländlichen Eliten – war je nach Bezugsrahmen die gleichzeitige Existenz in beiden Rollen der Regelfall.37

Es wäre zu einfach, die ländliche Gesellschaft dieser Zeit lediglich als Gegenbild zur bürgerlichen oder städtischen Gesellschaft zu definieren, denn die Übergänge zwischen urbanem und ländlichem Raum verliefen fließend und quantitative Kriterien, wie Bebauungs- und Bevölkerungsdichte, Wirtschaftskraft, typische Bau- und Siedlungsformen müssen letztlich Hilfskonstruktionen bleiben. Eine allgemeingültige Definition des Dorfes – oder im alpinen Raum häufig auch des Tales – als sozialem Raum muss daher wohl auch daran scheitern, dass es das „typische Dorf“ nicht gegeben hat und sich nicht einmal das typisch Westtiroler oder Vorarlberger Dorf ausmachen lässt. Vielmehr bestanden unterschiedliche soziale Landschaften, die sich durch Variationen der ökonomischen, naturräumlichen, rechtlichen und sozialen Umstände voneinander unterschieden. Dennoch spricht auch die neueste Forschung weiterhin von einer bestimmten Eigentümlichkeit des ländlichen Raumes, denn es bestanden bestimmte

36 SCHIEDER: Theorie, S. 16. 37 MORAW: Soziale Verflechtungen im Reich.

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Gleichförmigkeiten in der Kleinräumigkeit dörflicher Lebenswelten und in den Ähnlichkeiten dörflichen Lebens, die sich etwa ganz besonders in den Gleichzeitigkeiten der landwirtschaftlichen Produktionsweise durch den Jahreskreis sowie die Strukturierung des Jahresablaufes durch das Kirchenjahr hindurch manifestierten. Die Dörfer waren vergleichsweise kleine Gemeinschaften, sogenannte „small-scale-societies“, innerhalb derer „face-to- face-Beziehungen“ vorherrschten. Jeder und jede kannte zumindest potenziell jeden und konnte sie oder ihn einer bestimmten Familie, einem bestimmten Hof zuordnen.38 Das Wesensmerkmal des ländlichen Raumes war demnach seine räumliche und soziale Überschaubarkeit sowie seine Prägung durch die Landwirtschaft. Das Dorf, beziehungsweise im alpinen Raum zumeist die Talschaft, bildeten einen engen Erlebens- und Erfahrensraum, der, geprägt durch die personalen und informellen Kommunikationsstrukturen seiner Mitglieder, auch eine gewisse Übereinstimmung der Einstellungen und der Weltsicht mit sich brachte.39

Es gilt dabei nicht außer Acht zu lassen, dass gerade in Bezug auf die Geschichte der ländlichen Gesellschaft im deutschsprachigen Raum ein dichtes Netz an Stereotypen und Klischees vorhanden ist. Es handelt sich dabei vor allem um die Metaphern vom „dörflichen als dem bäuerlichen, traditionsverwurzelten, dem zwar kargen, immer jedoch beheimateten Leben“. In erster Linie hat eine häufig ideologisch geprägte Heimat- und Dorfgeschichtsschreibung im 20. Jahrhundert derartige Traditionen verfestigt.40 Tatsächlich zeigt sich aber gerade im alpinen Raum eine hohe Mobilität der ländlichen Bevölkerung sowie eine ausgeprägte Anpassungs- und Innovationsbereitschaft derselben.41 Insbesondere im Randbereich des Dauersiedlungsraumes war eine gewisse Flexibilität und

38 HEIDEGGER: Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf, S. 62f. 39 PAHL: Die Kirche im Dorf, S. 15-17. 40 KASCHUBA: Volkskultur zwischen feudaler und bürgerlicher Gesellschaft, S. 209. 41 Vgl. BUSSET, MATHIEU: Mobilité spatiale et frontières.

Einleitung 21

Offenheit notwendig, um sich mit den Gegebenheiten des Naturraumes sowie den strukturellen Rahmenbedingungen zu arrangieren. In keinem Stadium seiner seit Jahrhunderten belegten Existenz deckte sich die Realität der „bäuerlichen Gemeinde“ mit jener Idylle ländlicher Homogenität und Harmonie, die in den romantisierenden Bildern der Heimatkunde und Regionalhistoriographie teilweise bis in die 1980er-Jahre des 20. Jahrhunderts42 auf der Basis eines diffusen Lokalpatriotismus gemalt wurden. Ländliche Siedlungsverbände bildeten vielmehr immer eine „Gemeinschaft von Ungleichen“43, die rechtlich und vor allem sozial abgestufte Personengruppen umfassten. Die meiste Zeit über führte dieser Umstand aber nicht zu tiefgreifenden inneren Unstimmigkeiten, da die jeweiligen Rangverhältnisse den ständisch-korporativen Ordnungsvorstellungen entsprachen und sich diese durch die sozio-ökonomischen Kontakte innerhalb der regionalen Gesellschaft in einem für die Bevölkerungsmehrheit erträglichen Maße im Alltag bewährten. Außerdem trugen verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungsgeflechte auch über Schichtgrenzen hinweg zur Deeskalation aufkeimender gesellschaftlicher Spannungen bei. Die Politik in der regionalen Gesellschaft war daher über weite Strecken eher über Reibungen mit äußeren Machthabern wie etwa dem Landesherrn beziehungsweise dessen Beamten bestimmt. Im Untersuchungsraum kann diesbezüglich auf den sich über Jahrhunderte hinziehenden Konflikt des Montafons mit der Stadt verwiesen werden.44 Interne Konflikte flammten zumeist nur in Phasen beschleunigten demographischen Wachstums und damit in Zusammenhang stehender materieller Ressourcenverknappung auf.45 So geschah es etwa auch im Montafon am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert, als von dort aus die sogenannte Bewegung des „Gemeinen Mannes“, ein

42 Vgl. BILGERI: Vorarlberger Demokratie vor 1861; Montafoner Heimatbuch. 43 TROßBACH: „Das Dorf“ im 18. Jahrhundert. 44 Vgl. NIEDERSTÄTTER: Die Vorarlberger Städte und ihr Land bis zum Dreißigjährigen Krieg; TIEFENTHALER: Über die Montafoner Freiheiten; TSCHAIKNER: Die auswärtige Verschuldung des Montafons. 45 GRÜNE: Kommunalistische Rhetorik zwischen sozialer Differenzierung und obrigkeitlichem Zugriff, S. 357f.

22 Ländliche Eliten im Wandel

sozialrevolutionärer Aufstand der unteren Bevölkerungsschichten gegen die lokalen Eliten und die Obrigkeit, ihren Ausgang nahm, jedoch schlussendlich nur geringfügige Erfolge verzeichnen konnte.46

Methodik

In der vorliegenden Arbeit soll bei der Analyse der Eliten vor allem der von Max Weber inspirierte Schichtungs- und Ungleichheitsansatz Anwendung finden. Die Besonderheit dieses Ansatzes liegt in seiner gesamtgesellschaftlichen Perspektive. Die Eliten werden immer in Relation zu den anderen Bevölkerungsgruppen betrachtet, denn Elitenformationen bedürfen immer einer sozialen Bezugsgruppe, die ihren privilegierten Status akzeptiert oder in Frage stellt. Auch das strukturelle Umfeld, das um 1800 von Brüchen, Verschiebungen und fließenden Übergängen geprägt war, wird in die Betrachtung mit einbezogen, denn institutionelle und wirtschaftliche Strukturen sowie kulturelle Elemente und deren jeweilige Veränderungen waren als distinguierende, konsolidierende aber auch verändernde Faktoren von wesentlicher Bedeutung für die ländliche Elite. Ein wichtiger Aspekt ist die damit in Zusammenhang stehende soziale Ungleichheit, die zu den anthropologischen Grundkonstanten zählt.47 Bei dieser handelt es sich um Privilegien und Benachteiligungen im hierarchischen Gefüge der Gesellschaft. Die zentralen Dimensionen der Ungleichheit sind ökonomische Ressourcen wie etwa das Vermögen, kulturelle Ressourcen wie zum Beispiel Bildung, politische Ressourcen wie der Zugang zu öffentlichen Ämtern und soziales Kapital. Sieht man die genannten Faktoren sozialer Ungleichheit als konstituierende Grundelemente der Elitenpositionen, so ist vornehmlich nach den politischen, den wirtschaftlichen und den kulturellen beziehungsweise Reputationseliten zu fragen.

46 Vgl. BILGERI: Die demokratische Bewegung Vorarlbergs. 47 WEHLER: Sozialgeschichte und Gesellschaftsgeschichte, S. 45.

Einleitung 23

Die Vorteile dieses Forschungsansatzes zeigen sich auch in der weiten Perspektive, die Habitus, Mentalitäten und Handlungsweisen der Eliten nach Möglichkeit immer mit denen der anderen gesellschaftlichen Gruppierungen in Verbindung bringt, der Offenheit für mehrdimensionale Ressourcen, um eine einseitige Fixierung auf Politik oder Ökonomie zu vermeiden und der Berücksichtigung der sozialen Rekrutierung und Zirkulation, der sozialen Öffnung beziehungsweise Schließung der Eliten für die anderen gesellschaftlichen Schichten sowie die gegenseitigen Beeinflussungen, die von den Bewegungen in der vertikalen Sozialstruktur ausgehen.48 Konkret bedeutet dies einen mehrdimensionalen Zugang zur Erfassung der Eliten im Untersuchungsraum. Es stehen daher die institutionellen und strukturellen Dimensionen der Elitenformation im Zentrum der Untersuchung, doch auch symbolische Repräsentationen sozialer Abgrenzung sowie – wenn möglich – Selbst- und Fremdbilder der ländlichen Eliten sollen eine genauere Betrachtung erfahren. Die Analyse der sozialen Vernetzungen und personellen Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Elitetypen stellt eine geeignete methodische Vorgehensweise zur Annäherung an die soziale Struktur ländlicher Eliten dar. Die umfassende Betrachtung der Eliten und ihres Umfeldes ermöglicht nähere Aussagen über Kontinuitäten oder Transformationsprozesse der im Fokus der Untersuchung stehenden sozialen Formationen. Zudem ermöglicht diese Herangehensweise die Beantwortung von Fragen nach der Rolle der Eliten als systemverändernde oder systemerhaltende Akteure.49 Die lokalen und regionalen Führungsschichten des ländlichen Raumes lassen sich in erster Linie auf Basis der ökonomischen Situationen – einerseits der Vermögensverhältnisse sowie andererseits der beruflichen Hintergründe – der politischen Funktionen und Amtstätigkeiten sowie der Lebensstile rekonstruieren. Zwischen diesen Faktoren bestanden oft besonders enge Zusammenhänge, denn ausreichende finanzielle Mittel bildeten häufig eine wichtige Grundlage für den

48 GEIßLER: Der Ungleichheitsansatz in der Elitenforschung, S. 119-121. 49 HUBER: „de Heren von Botzen… une espèce de noblesse subalterne“, S. 242f.

24 Ländliche Eliten im Wandel

Zugang zu öffentlichen Ämtern. Auch die beruflichen Tätigkeiten konnten von Bedeutung sein, denn es ist wohl kein Zufall, dass besonders oft Händler beziehungsweise Kaufleute und vor allem Wirtsleute im ländlichen Raum der Oberschicht angehörten. In den Wirtshäusern, den „gesellig-öffentlichen Mittelpunkt[en]“ der Dörfer,50 spielte sich über Jahrhunderte ein großer Teil des gesellschaftlichen, politischen und auch wirtschaftlichen Lebens ab.51 Westtirol und Vorarlberg wurden gemeinsam als Untersuchungsregion ausgewählt, da es um 1800 zahlreiche Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Territorien gab. So wurden beide Regionen, die sowohl sehr ähnliche naturräumliche als auch sozioökonomische Strukturen aufwiesen und jeweils Vertreter des Bauernstandes in ihren Landtag entsandten, vor und nach der Zeit der bayerischen Herrschaft zwischen 1806 und 1814 vom Gubernium in Innsbruck aus verwaltet. Während der verwaltungsmäßigen Trennung der habsburgischen Herrschaften vor dem Arlberg von Tirol zwischen 1752 und 1782 forderten die Vorarlberger Landstände wiederholt die „Incorporation“ mit Tirol.52 Auch seitens des Kaisers wurde 1782 eine Vereinigung von Tirol und Vorarlberg gewünscht.53 Beim Näherrücken der französischen Heere im Jahr 1796 wurde dann in Bozen sogar von Vertretern beider Landtage über eine gemeinsame Landesverteidigung verhandelt.54 Auch im Zuge der verwaltungstechnischen Trennung Vorarlbergs von Tirol während der bayerischen Herrschaft wünschten die Vorarlberger Landstände ausdrücklich einen Verbleib in der Verbindung mit Tirol.55 Einige ständische Abgeordnete waren im Jahr 1806 jedoch bereit, der Zuordnung Vorarlbergs an die Provinz Schwaben zuzustimmen, wenn im Gegenzug dazu die althergebrachte Verfassung ihrer Gerichte

50 DÜLMEN: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. 2. Band, S. 131. 51 HEISS: Zentralraum Wirtshaus, S. 12; HUTER: Bäuerliche Führungsschichten in Tirol im 16. – 18. Jahrhundert, S. 51, 58. 52 BARNAY: Die Erfindung des Vorarlbergers, S. 68f. 53 STOLZ: Die verwaltungsrechtliche Zugehörigkeit Vorarlbergs im 18. und 19. Jahrhundert, S. 117. 54 BITSCHNAU: Darstellung der merkwürdigen Begebenheiten der letzten französischen Kriege von den Jahren 1796, 1800 bis 1805, in Hinsicht auf das Land Vorarlberg, S. 36. 55 HIRN: Vorarlbergs Erhebung im Jahr 1809, S. 19, 21.

Einleitung 25 beibehalten würde.56 Nach der Wiedereingliederung Tirols und Vorarlbergs in das österreichische Kaiserreich im Jahr 1814 wurden die bis 1805 bestehenden Verbindungen im Bereich der Administration wieder hergestellt und bis 1848 beibehalten. Im Rahmen der Erbhuldigung 1838 in Innsbruck sprach der Vorarlberger Kreishauptmann von der „dem Schwesterlande Tirol eng verbundenen Provinz Vorarlberg […]. Die Vorsehung hat seit langen Jahren über Tirol und Vorarlberg gleiche Prüfungen verhängt. […] Darum vereinigen sich heute die Deputirten Vorarlbergs mit ihren Brüdern in Tirol zu demselben Eidschwur […].“57 Zwischen 1849 und 1861 wurden schließlich sogar die beiden Landtage vereinigt, sodass im 84 Abgeordnete zählenden Tiroler Landtag elf Vorarlberger saßen.58 Für eine flächendeckende und vor allem in die Tiefe gehende Untersuchung ist der gesamte Untersuchungsraum Westtirols und Vorarlbergs zu umfangreich. Deshalb war es notwendig exemplarisch eine Region herauszugreifen. Aufgrund der günstigen Quellenlage sowie der räumlichen Situierung im Grenzbereich zwischen Tirol und Vorarlbergs wurde als Beispielregion das Montafon im Süden Vorarlbergs ausgewählt.

Fragestellungen

In den Biographien der Angehörigen der ländlichen Elite spiegeln sich die meisten der Transformationsprozesse, welche die ländliche Gesellschaft Westtirols und Vorarlbergs am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert veränderten, wider. Die unterschiedlichen Amtstätigkeiten von den traditionellen frühneuzeitlichen Selbstverwaltungskörpern über verschiedene Reformen der Strukturen bis hin zum zentralen Verwaltungsstaat verweisen auf die vielfältigen politischen Umbrüche und die innere Staatsbildung in den Jahren um 1800. Das Verhältnis

56 VLA, Nachlass Bitschnau Johann Josef und Bitschnau Georg, 18.03.1806. 57 Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung, S. 16. 58 NIEDERSTÄTTER: Der Vorarlberger Landtag.

26 Ländliche Eliten im Wandel

zwischen Staat, Region und Gemeinde unterlag im Untersuchungszeitraum zahlreichen Veränderungen, die von den Angehörigen der ländlichen Oberschicht mitgetragen und mitgestaltet werden konnten oder mussten. Auch im Bereich der Wirtschaft und des Lebensstils kam es zu entsprechenden Wandlungsprozessen, die durch Forschungsbegriffe wie „Agrarmodernisierung“, „Marktorientierung“ und „Verbürgerlichung“ beschrieben werden, deren Ablauf und tatsächliche Durchdringungskraft jedoch für den ländlichen alpinen Raum nur unzureichend geklärt sind. In der Untersuchung dieser Konzepte am Beispiel der ländlichen Gesellschaft im westlichen Tirol und in Vorarlberg am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert sieht die vorliegende Arbeit ihre Forschungsrelevanz. Im Vordergrund steht dabei die Rolle der Angehörigen der ländlichen Oberschicht als mutmaßliche Betroffene dieser Entwicklungen.59 Die Fragekomplexe der Arbeit kreisen um folgende Schwerpunkte:

 Wie war die ländliche Gesellschaft in Westtirol und Vorarlberg strukturiert und wer zählte zur bäuerlichen Oberschicht?  Wie unterschied sich die Gruppe der ländlichen Elite in Bezug auf Lebensweise, ökonomisches Verhalten und kommunalpolitische Partizipation von ihrem Umfeld?  Inwiefern waren die genannten Kategorien in der Zeit um 1800 für den Verbleib einer Familie in der Oberschicht von Relevanz und wie wirkten sich die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen der staatlichen Reformen auf die Eliten aus?  Welchen Anteil hatte die ländliche Führungsschicht an den in diesen Bereichen stattfindenden Wandlungs- oder Systemerhaltungsprozessen?  Kam es infolgedessen zu einem Wandel der ländlichen Eliten und ihrer Funktionen?

59 MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 2f.

Einleitung 27

Quellen

Die vorliegende Arbeit konnte sich auf zahlreiche landes- sowie regionalgeschichtliche Arbeiten stützen. Insbesondere Studien zur Sozialgeschichte der Regionen wurden verwendet. Allerdings fehlen vor allem für den bearbeiteten Zeitraum einschlägige Arbeiten. Häufig enden Darstellungen zur Frühen Neuzeit im ausgehenden 18. Jahrhundert, während jene zur neueren Geschichte erst im 19. Jahrhundert ansetzen. Dementsprechend galt es zu versuchen die Lücke zwischen den Epochen mit dieser Arbeit zu schließen beziehungsweise zu überbrücken. Als Quellen wurden hauptsächlich solche staatlicher Provenienz in den Landesarchiven herangezogen. Neben den Akten des Guberniums sowie der Kreisämter wurde für die vertiefenden Untersuchungen zur Region Montafon die Bestände des Landgerichtes und der Talschaft sowie das Montafon Archiv mit den einzelnen Gemeindearchiven herangezogen. Exemplarisch wurden für das Montafon auch serielle Quellen wie die Steuerbücher sowie die Matriken ausgewertet. Trotz der Versuche auch Selbstzeugnisse der ländlichen Eliten zur Sprache zu bringen, blieb die Analyse häufig auf den Blick von außen oder von oben beschränkt. Wertvolle ergänzende Materialien aus der Perspektive der Zentrale in Wien konnten im Österreichischen Staatsarchiv erhoben werden. Einzelne Dokumente zu bestimmten Region und Personen fanden sich schließlich in der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.

Zitate aus der Literatur werden in der vorliegenden Arbeit unter Anführungszeichen gesetzt, während Quellenzitate kursiv angeführt werden. Kursive Zitate unter Anführungszeichen wurden aus der Sekundärliteratur übernommen.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 29

1. REGIONALE STRUKTURBEDINGUNGEN AN DER WENDE

VOM 18. ZUM 19. JAHRHUNDERT

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kam es in Tirol und Vorarlberg zu grundlegenden gesellschaftlichen Umgestaltungen. Zahlreiche Neuerungen, die zumeist unter dem Begriff „Josephinismus“ subsumiert werden, sollten den „Übergang vom feudalen Personenverbandsstaat zum modernen Zentralstaat“60 zustande bringen. Die „verspätete österreichische Staatswerdung“61 sollte vorangetrieben werden, weil man am Wiener Hof die Ursache für die Niederlage im Österreichischen Erbfolgekrieg unter anderem in der dezentralen Verwaltung und der zu starken Position der einzelnen habsburgischen Länder sah. Im Zuge dieses Ausbaus des zentralen Verwaltungsstaates, in den Tirol und Vorarlberg als Provinz zu integrieren waren, verstärkte sich aufgrund der zunehmenden Einschränkungen ihrer Aktionsbereiche die Kritik der ländlichen Amtsträger an der steigenden Zahl der Beamten sowie an deren wachsendem Macht- und Einflussbereich.62 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts erfolgte im Rahmen des Übergangs vom feudalen Personenverbandsstaat zum modernen Zentralstaat eine schrittweise Aushöhlung der traditionellen Landesverfassungen bis diese im Jahr 1808 schließlich von der bayerischen Regierung offiziell aufgehoben wurde. Die Landstände mit ihrem ausgeprägten Partikularismus, denen bisher neben dem Landesfürsten „die entscheidende Herrschaftskompetenz“ zugekommen war63, unterlagen im Kräftemessen mit den aus dem aufgeklärten Absolutismus erwachsenen Reformbestrebungen.64

60 VOCELKA: Glanz und Untergang der höfischen Welt, S. 354f. 61 MAZOHL-WALLNIG: Zeitenwende 1806, S. 204. 62 FRIEDRICH: Die Verfassung des Landes Tirol, S. 234. 63 MAZOHL-WALLNIG: Zeitenwende 1806, S. 205. 64 HAMM: Die bayrische Integrationspolitik in Tirol, S. 30.

30 Ländliche Eliten im Wandel

So waren etwa die Maßnahmen zur Entmachtung der Vorarlberger Stände und zur Errichtung einer modernen zentralisierten Verwaltung in den habsburgischen Herrschaften vor dem Arlberg, welche die Verwaltungswege beschleunigen und die Strukturen vereinfachen sollte, bereits schrittweise seit 1726 erfolgt: In diesem Jahr erhielt das neu eingerichtete Landesdirektorium in Bregenz ein Aufsichtsrecht über die Stände. Zur Mitte des Jahrhunderts wurde dann dem eben errichteten Bregenzer Oberamt die Aufsicht über die ständische Finanzverwaltung zugesprochen, 1771 erzwang Österreich mit Militärgewalt die Rekrutenstellung und setzte sich über das bisherige Wehrsystem hinweg und durch die Einrichtung eines Kreisamtes in Bregenz erhielt der Staat ab 1786 den direkten Zugriff auf alle Bereiche der Verwaltung, für die bisher die Stände zuständig gewesen waren.65 Bereits 1771 war dem Bregenzer Landvogt der Vorsitz über die ständische Versammlung zugesprochen worden und ab 1786 wirkte der jeweilige Kreishauptmann als Präses des ständischen Plenarkongresses.66 Schließlich durften sich die Landstände mit ihren Anliegen auch nicht mehr direkt an den Hof wenden.67 Die Verrechtlichung und Durchdringung der Bräuche und Gewohnheiten der einzelnen Stände durch die Prinzipien des modernen Staates nahm im Laufe des 18. Jahrhunderts rapide zu, Effizienz und Einheitlichkeit in der Verwaltung waren dabei gefragter als althergebrachte, traditionelle Verfasstheiten.68 Die folgende Phase der europäischen Kriege zwischen 1792 und 1814/15 stellte einschneidende Jahre für den mittleren Alpenraum dar. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren kam es zu einer Verlagerung des „Feindbildes“ von der Zentrale in Wien auf den äußeren Gegner: Frankreich. Der bis dahin vornehmlich von den ständischen Eliten getragene Diskurs erreichte nunmehr breite Bevölkerungskreise, da es zu einer massiven antifranzösischen Propaganda kam und zugleich der Reformdruck aus Wien während der militärischen Aktivitäten

65 SCHEFFKNECHT: Beharrung und Reform, S. 98. 66 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 662. 67 SCHEFFKNECHT: Beharrung und Reform, S. 98. 68 MOOSBRUGGER: Jenseits von Bauernrepublik und Bezegg, S. 18.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 31 zurückging.69 Während der Koalitionskriege waren Tirol und Vorarlberg zwar kaum von unmittelbaren Kampfhandlungen, jedoch häufig von Truppendurchmärschen, Einquartierungen und Okkupationen betroffen. Zudem mussten immer wieder für beträchtliche Zeiträume Aufgebote zur Landesverteidigung gestellt werden.70 Nach dem Ende des letzten Koalitionskrieges erhielt das auf französischer Seite in den Krieg eingetretene Bayern 1805 als Entschädigung unter anderem die vorarlbergischen Herrschaften, die Grafschaft sowie die Grafschaft Tirol einschließlich der 1803 mediatisierten Hochstifte Brixen und Trient.71

1.1. Räumliche Einordnung des Untersuchungsraumes

Die Untersuchungsregion, die sich aus den Territorien der beiden historischen Kreisämter Bregenz (Kreis Vorarlberg) und Imst (Kreis Oberinntal) zusammensetzt, befand sich in den Jahren um 1800 im nordwestlichen Teil des Amtsbereiches der Provinzialbehörden in Innsbruck. Die zeitgenössischen Kreise wurden unter anderem deshalb als Untersuchungsterritorien ausgewählt, da sich der Zeitraum ihres Bestands von 1754 bis 1860 im Großen und Ganzen mit der Sattelzeit am Übergang vom Ancien Régime zur Moderne deckt und die Institution der Kreisämter exemplarisch die Zentralisierung der Verwaltung vor Ort repräsentiert. Da in den Jahren zwischen 1780 und 1830 zahlreiche Modifikationen der Herrschafts- und Behördenstrukturen stattfanden, die dementsprechend zu wiederholten Sprengel- und Zuständigkeitsänderungen führten, wird der engere Untersuchungsraum auf die österreichischen Kreise Oberinntal und Vorarlberg in den ab 1816 gültigen Grenzen festgelegt, aber in Einzelfällen auch auf umliegende Regionen beziehungsweise den beiden Verwaltungseinheiten temporär zugeordnete Gebiete ausgedehnt.

69 SCHENNACH: 1792 bis 1814, S. 1f. 70 SCHENNACH: 1792 bis 1814, S. 5. 71 SCHENNACH: 1792 bis 1814, S. 6f.

32 Ländliche Eliten im Wandel

Ab der Neuregulierung der den Kreisämtern untergeordneten Landgerichte im Jahr 1817 bestanden im Kreis Oberinntal auf der mittleren Verwaltungsebene zwischen dem Kreisamt und den Gemeinden die neun Landgerichte Glurns-Mals, Imst, Ischgl-Galtür, Landeck, Nauders, Reutte (Ehrenberg), Ried (Laudeck), Silz (Petersberg) und Telfs (Hörtenberg). Der Kreis Vorarlberg setzte sich zur selben Zeit aus den sechs Landgerichten (Innerbregenzerwald), Bludenz (Sonnenberg), Bregenz, , Feldkirch und Schruns (Montafon) zusammen.72 Aus heutiger Sicht berührt der Untersuchungsraum somit den westlichen Teil des österreichischen Bundeslandes Tirol mit den Bezirken Imst, Landeck, Reutte und Teilen des Bezirkes Innsbruck-Land, das gesamte Bundesland Vorarlberg mit den Bezirken Bludenz, Bregenz, Dornbirn und Feldkirch sowie den nordwestlichsten Bereich der italienischen Provinz Bozen mit Teilen der Bezirksgemeinschaft Vinschgau.

Abb. 4 Die Kreise Oberinntal und Vorarlberg auf Zoller’s Post- und Reise-Karte von Tirol und Vorarlberg, um 1840

72 Vgl. DÖRRER: Die Verwaltungskreise in Tirol und Vorarlberg (1754-1860).

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 33

Die erste Kreiseinteilung für Tirol war am 1. Juni 1754 verordnet worden. Der Amtssprengel des zu dieser Zeit neu eingerichteten Guberniums in Innsbruck wurde in die sechs Kreise Oberinntal, Unterinntal, Pustertal, Etsch und Eisack, Burggrafenamt und Vinschgau sowie an Welschen Konfinen eingeteilt. Der Kreis Oberinntal umfasste zu dieser Zeit die Gerichte Laudeck (mit Pfunds), Landeck, Imst, Ehrenberg (Aschau), Vils, Petersberg (mit Stams) und Hörtenberg (mit Schloßberg). Im Kreis Burggrafenamt und Vinschgau befanden sich unter anderem die im Untersuchungsraum situierten Gerichte Naudersberg (mit Ischgl-Galtür) und Glurns-Mals (mit Marienberg).73 Auf Vorarlberg, das zwischen 1752 und 1782 von den vorderösterreichischen Provinzialbehörden in Konstanz beziehungsweise Freiburg im Breisgau verwaltet wurde, fand das neue Verwaltungssystem der Kreise vorerst noch keine Anwendung. Allerdings bestanden in den landesfürstlichen Ober- und Vogteiämtern Bludenz, Bregenz und Feldkirch bereits drei in ihrer Rechtsstellung und Zielsetzung den Kreisämtern ähnliche Institutionen.74 Am Jahresende 1783 war in Tirol eine Verminderung der Zahl der Kreise von sechs auf fünf verfügt worden. Dies bedeutete, dass der Kreis Burggrafenamt und Vinschgau aufgelöst wurde und der Großteil seines Territoriums – mit Gebieten im Vinschgau (Glurns-Mals, Marienberg) und etwa auch Vent im hinteren Ötztal – dem Kreisamt in Bozen unterstellt wurde. Der nordwestlichste Teil des ehemaligen Kreises mit Nauders, Ischgl-Galtür und Tarasp wurde dem Kreis Oberinntal, der sich nun erstmals über den Reschenpass nach Süden erstreckte, angegliedert. Außerdem wurde zur gleichen Zeit das Verwaltungsgebiet des Kreisamtes in Imst auf das Sellraintal und das Gericht Axams, das zuvor dem Kreis Unterinntal zugeordnet war, ausgedehnt. Am Jahresbeginn 1789 trat in Tirol neuerlich eine veränderte Kreiseinteilung in Kraft, da sich die 1783 vorgenommenen Grenzziehungen nicht überall als zweckmäßig herausgestellt hatten. So wurde unter anderem der obere Vinschgau

73 DÖRRER: Die Verwaltungskreise in Tirol und Vorarlberg (1754-1860). 74 STOLZ: Die verwaltungsrechtliche Zugehörigkeit Vorarlbergs im 18. und 19. Jahrhundert.

34 Ländliche Eliten im Wandel

mit Glurns-Mals, Marienberg und Matsch vom Kreis an der Etsch abgetrennt und dem Kreis Oberinntal zugeschlagen.

Abb. 5 Die Vorarlberger Gerichte und Herrschaften, um 1783

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 35

Im April 1782 waren nach dreißigjähriger Zugehörigkeit zu Vorderösterreich die habsburgischen Herrschaften vor dem Arlberg wieder der Verwaltung in Innsbruck unterstellt worden. Im Bereich des heutigen Bundeslandes Vorarlberg befanden sich jedoch auch mehrere nicht von den Habsburgern beherrschte Territorien. So war die Herrschaft Blumenegg dem Reichsstift Weingarten zugehörig, die Propstei St. Gerold dem Reichsstift Einsiedeln. Auch der Reichshof unterstand nicht habsburgischer Landeshoheit.

Durch ein Dekret vom 16. März 1786 wurde das habsburgische Vorarlberg zu einem neuen, dem Gubernium in Innsbruck unterstellten, Kreis zusammengefasst und das vormalige Oberamt in Bregenz zu einem Kreisamt umgewandelt. Dem Kreisamt unterstanden die 24 Gerichte Höchst und Fußach, , Dornbirn, Neuburg, Feldkirch, , Jagdberg, Damüls, Bludenz, Montafon, Sonnenberg, Tannberg, Bregenz, Hofrieden, Altenburg, Kellhof, Simmerberg, Grünbach, Hohenegg, Sulzberg, , , Innerbregenzerwald und Hofsteig.75 Im Jahr 1804 kam dann im Zuge der Säkularisierung nach dem Reichsdeputationshauptschluß das Große Walsertal (die Herrschaften Blumenegg und St. Gerold) und zwei Jahre später auch der Reichshof Lustenau zum Verwaltungsbereich des Kreisamtes in Bregenz. Am 24. August 1804 wurde Vorarlberg neuerlich verwaltungsmäßig von Tirol getrennt und der schwäbisch- österreichischen Regierung in Günzburg unterstellt.

Als im Februar 1806 das Königreich Bayern die Zivilverwaltung in Tirol und Vorarlberg übernahm, beließ es vorerst die bestehenden Kreisämter in ihren Grenzen und Funktionen. Durch die Einführung der bayerischen Landgerichtsverfassung im Herbst 1806 kam es jedoch im Laufe des Jahres zu geringfügigen Gebietsänderungen. Im Kreis Oberinntal bestanden seither die Landgerichte Fürstenburg, Landeck, Reutte und Telfs. Erstgenanntem mit Sitz in Nauders wurden zusätzlich die Gerichte Schlanders und Montani unterstellt,

75 STOLZ: Die verwaltungsrechtliche Zugehörigkeit Vorarlbergs im 18. und 19. Jahrhundert, S. 119.

36 Ländliche Eliten im Wandel

sodass damit etwa die Hälfte des Vinschgaus zum Kreis Oberinntal gehörte. Das Gericht Axams wurde hingegen wiederum vom Verwaltungsbereich des Kreisamtes in Imst abgetrennt und dem Landgericht Innsbruck, das dem Kreis Unterinntal zugehörte, eingegliedert.

Als im Jahr 1808 mit der Abschaffung jeglicher Sonderverfassungen im Königreich Bayern das gesamte Land in 15 neue Kreise gegliedert wurde, endeten die österreichischen Kreise vorübergehend bis zum Jahr 1814/15. Die nunmehrigen bayerischen Kreise, die zumeist nach Flüssen benannt wurden, umfassten nunmehr deutlich größere Territorien und entsprachen demnach vielmehr Provinzen. Das Verwaltungsgebiet des ehemaligen österreichischen Guberniums in Innsbruck teilte sich auf den Innkreis (Innsbruck), den Eisackkreis (Brixen), den Etschkreis (Trient) und den Illerkreis (Kempten) auf. Das Gebiet des ehemaligen Kreises Oberinntal wurde Teil des Innkreises, während Vorarlberg sowie Vils dem Illerkreis inkorporiert wurden.

Im Jahr 1809 kam es zu zahlreichen oft nur für kurze Zeiträume gültigen Änderungen in der Verwaltungsstruktur der behandelten Gebiete, die hier nicht im Detail nachgezeichnet werden sollen. Als 1810 der Süden und Südosten Tirols von Bayern an die Illyrischen Provinzen sowie das Königreich Italien übergeben werden musste, kam es zu einer Reorganisation der bayerischen Kreise. Unter anderem wurde das Außerfern mit dem Landgericht Reutte dem Illerkreis angegliedert, während die bei Bayern verbleibenden Teile des ehemaligen Eisackkreises dem Innkreis zugeordnet wurden. Das übergroße Landgericht Fürstenburg wurde im Zuge dieser Reform in die drei Landgerichte Glurns, Nauders und Schlanders zerlegt.76

76 DÖRRER: Die bayerischen Verwaltungssprengel in Tirol 1806-1814.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 37

Abb. 6 Der Illerkreis 1809

Parallel zur Wiederherstellung der österreichischen Verwaltung in den Jahren 1814/15 wurden auch die alten österreichischen Kreisämter, wie sie bis 1805 bestanden hatten, wieder eingerichtet. Am 1. Mai 1815 trat das entsprechende Dekret in Kraft. Generell blieben die Kreise in den Grenzen wie sie bis Ende 1805 gegolten hatten. Es ergaben sich jedoch durch Verschiebungen der Landesgrenzen sowie Neuerungen im Gerichtswesen einige kleinere Veränderungen. So verblieb etwa der nördlichste Teil Vorarlbergs mit dem Landgericht Weiler beim Königreich Bayern.

1.2. Die Landschaft – Natur und Kulturraum

Johann Jakob Stafflers ausführliche statistisch-topographische Beschreibung Tirols und Vorarlbergs aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts diente in erster Linie amtlichen Zwecken und beruhte vor allem in Bezug auf den Kreis Vorarlberg auf

38 Ländliche Eliten im Wandel

den Informationen aus den Landesbereisungen des dortigen Kreishauptmannes Johann Nepomuk Ebner. Er interessierte sich in seinem umfassenden Werk vornehmlich für staatsrelevante und volkswirtschaftlich bedeutende Themen77 und charakterisierte die beiden Kreise Oberinntal und Vorarlberg im Jahr 1840 folgendermaßen:

„I. Kreis Vorarlberg. Der Kreis Vorarlberg, d. i. Das Land vor dem Arlberge (mons Arula), welcher in den großen Alpengurt der rhätischen Hochgebirge eingreifend, wie eine gewaltige Scheidewand gegen Tirol aufgestellt ist, hat seinen Namen von diesem Berge entlehnt. Als eine eigene Provinz betrachtet, ist sie die kleinste des großen österreichischen Kaiserstaates. [...] Die an den Bodensee [...] gränzende Gegend Vorarlbergs ist seine niedrigste. Von da steigt das Terrain sehr mäßig bis Feldkirch, [...]. Auch von Feldkirch bis Bludenz bemerkt man nur eine geringe Steigung; die aber bis zum Arlberg, wo die Alfenz; dann von Bludenz bis zum Albuinkopf, wo die Ill entspringt, sehr bedeutend zunimmt. - An den westlichen und zum Theil nördlichen Gränzen, wo sich beträchtliche Ebenen entfalten, ist Vorarlberg ein ganz offenes Land, dagegen im Osten und Süden gebirgig, und theilweise von mächtigen Gebirgsreihen scharf abgeschlossen. [...] Reich ist das Land Vorarlberg an Naturschönheiten aller Art. Im wundersamsten Kontraste reiht sich hier Großes und Anmuthiges, Wildes und Sanftes an einander zum harmonischen Bilde. Erhaben und großartig sind seine Alpen und Hochgebirge, anmuthig und lieblich seine Thalflächen, umkränzt von terrassenförmigen Anhöhen, oder sanften Hügelreihen; freundlich einladend seine wohlgeformten Halbgebirge mit ihren unermeßlichen, entzückenden Fernsichten; - gegenüber finstern Waldstrichen, wilden Schluchten und furchtbaren Abgründen; [...] - Ausgestattet mit einem großentheils fruchtbaren Boden erzeugt dieß Land unter dem wohlthätigen Einflusse eines gemäßigten Klima alle Arten von Früchten, mit Ausnahme der dem heißen Süden allein eigenen. Im Besitze

77 BARNAY: Die Erfindung des Vorarlbergers, S. 132.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 39

der vortrefflichen Alpenweiden ist es mit einer blühenden Viehzucht und mit reichen Milchprodukten gesegnet. Der sinnreichste Erfindungsgeist, die emsigste Industrie und die großartigsten Fabriksunternehmungen, wie sie kein anderes Land der österreichischen Monarchie im Verhältnisse zu diesem Umfange aufzuweisen hat, geben dem vorarlbergischen Volke mit Recht den Namen des 'Gewerbsfleißigen', und alle diese Eigenheiten bezeichnen Vorarlberg als einen er vorzüglichsten Kreise der gesammten Provinz.“78

7 Partenen im Montafon, um 1880

„II. Kreis Oberinnthal und Vinschgau. Der Kreis Oberinnthal und Vinschgau, im Nordwest des Landes, [...]. Dieser Kreis hat [...] unter allen Kreisen den größten Umfang. Er dehnt sich auf zwei Hauptthäler des Landes aus, indem er den obersten Theil des Etschthales oder Vinschgaues und die obere, größere Hälfte des langen Innthales einschließt. [...]

78 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 1-3.

40 Ländliche Eliten im Wandel

Diese ansehnlichen Hauptthäler, schön und reich von der Natur ausgestattet, verzweigen sich in mehrere Seitenthäler, deren einige wegen ihrer Größe, oder wegen anderer Vorzüge der besonderen Aufmerksamkeit werth sind. Dahin sind zu zählen im Obervinschgau: das Suldenthal, das Taufersthal, das Matschthal und das Thal Langtaufers; im Oberinnthale: das Patznaunthal, das Stanzerthal, as Kaunserthal, das Pitzthal und das Oetzthal, dann das Gurglthal bei Imst, alle im Inngebiethe, endlich die unabhängigen Thäler: Zwischenthoren im Bezirk von Reutte, das Lechthal, Thannheim, und im Gebiethe der Isar, Scharnitz und Leutasch. Mit zahlreichen Gebirgen von allen Seiten umgeben, und auch in seinem Innern allenthalben durchschnitten und durchkreuzt ist der Kreis Oberinnthal und Vinschgau der am meisten gebirgige, aber auch der am wenigsten bevölkerte im ganzen Lande. Ihm gehören die ersten Bergfirsten der tirolischen Gebirgswelt an, die ersten sowohl in Ansehung der Höhe, als in der Pracht der Formen. [...] - Die Oberinnthaler-Gebirge erheben sich meistens von ihrer Wurzel an sehr steil und mächtig, schroff und in scharfe Zacken zerklüftet, von ihrem Scheitel weit herab ein kahles Gestein, besonders jene in der Kalkgebirgskette dürr und trocken, öfter auch in ihren tiefern Lagen nur spärliche Gewächse nährend; an der Sonnenseite noch unfruchtbarer, weil der Feuchtigkeit noch mehr beraubt. Sehr ungünstig sind die obersten Gegenden des Kreises gehalten, die wegen ihrer hohen Lage zugleich auch mit den feindseligen Einflüssen des rauhesten Klima zu kämpfen haben. Der Oberinnthaler und Obervinschgauer setzt indessen dieser natürlichen Ungunst des Bodens und des Klima einen verständigen und unermüdlichen Fleiß mit siegreichem Erfolge entgegen. Das Bewässerungssystem ist fast aller Orten, oft mit kostspieligem Aufwande, eingeführt, und die Düngerbefruchtung wird so weit als möglich gesteigert. Daher kommt es, daß auch in diesem Kreise, wo nicht unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen, viele schön bestellte Fruchtgründe das Auge ergötzen, hier weit gedehnte Maisäcker und Baumgärten mit reicher Fülle nicht selten des edelsten Obstes, dort wuchernde Flachsfelder und fette Wiesenpläne im Thalgelände und auf dem Bergesabhange. Manche Gegend unterhält einen vortrefflichen Viehstand, der selbst ferne ausländische Käufer anlockt. Ueberhaupt ist und bleibt die Viehzucht die Hauptnahrungsquelle des Oberinnthalers und

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 41

Obervinschgauers. [...] Wer in der Heimath nicht Beschäftigung findet, sucht sie auswärts, und wohl auch in den fernsten Himmelsstrichen Europas. Die Zahl dieser wandernden Arbeiter [...] übertrifft jene der übrigen deutschen Kreise, und bedeutend ist die Geldsumme, mit der dieselben im Herbste heimkehren. [...] Dessenungeachtet ist Oberinnthal der dürftigste Kreis, weil der beschränkte Raum des kulturfähigen Bodens der Menge der Bevölkerung bei weitem nicht genügt, und derselbe überdieß in vielen Gegenden eine sehr geringe Fruchtbarkeit entwickelt. - Der Haupt-Charakter dieses Kreises in physikalischer Beziehung ist ernst, erhaben, majestätisch, manchmal furchtbargroß, holder Anmuth und liebliche Heiterkeit vielfältig entbehrend. Er enthüllt da und dort Scenen, bei deren Anblick das Gemüth tief erschüttert wird. Diese charakteristische Eigenheit tritt bei keinem andern Kreise so scharf ausgeprägt hervor.“79

Abb. 8 Elbigenalp im Lechtal, um 1800

79 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 144-147.

42 Ländliche Eliten im Wandel

Die Naturlandschaft der beiden Kreise ist stark von Gebirgsräumen geprägt, lediglich im Westen und Norden Vorarlbergs finden sich im Rheintal sowie im Bodenseegebiet größere Ebenen auf recht niederer Seehöhe. Der südliche und östliche Teil Vorarlbergs, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kreis Oberinntal befand, ist demgegenüber sehr gebirgig und von den angrenzenden Territorien durch hohe Gebirgsketten abgeschlossen. Der Kreis Oberinntal, der sich hauptsächlich aus dem oberen Inntal und dem obersten Etschtal sowie zahlreichen größeren Seitentälern der beiden Hauptflüsse Etsch und Inn wie etwa dem Ötztal oder dem Paznaun sowie dem Außerfern und einigen weiteren kleinen Gebieten zusammensetzte, ist gänzlich von der Gebirgslandschaft dominiert. Die Flüsse nahmen in den Talniederungen große Flächen ein und veränderten immer wieder ihren Verlauf. Die Talsohlenbereiche waren daher bis ins späte 19. Jahrhundert immer wieder von großflächigen Überschwemmungen betroffen und daher zu einem Gutteil nicht bewirtschaftet, weil das Gelände als sumpfiger oder allenfalls mit Segge bestandener Boden häufig lediglich als Allmende genutzt wurde.80

Im Gegensatz zum eher ozeanisch geprägten feucht-gemäßigten Klima in Vorarlberg und im Außerfern ist der übrige Teil des Kreises Oberinntal tendenziell trockener und in den zahlreichen hoch gelegenen Bereichen sowie den inneralpinen Trockenregionen auch von markanten Temperaturschwankungen geprägt. Aus diesem Grund finden sich im westlichen Tirol und teilweise auch im südlichsten Vorarlberg zahlreiche Bewässerungssysteme, die in der Berglandwirtschaft den Mangel an Niederschlägen ausgleichen sollten. Eine besondere Form von Dorfbrunnen findet sich im Tiroler Oberland, wo so genannte „Fasslbrunnen“ als Viehtränken, zum Wäschewaschen oder einfach als Kinderspielplatz dienten. Gerade im niederschlagsarmen Tiroler Oberland war die Wasserversorgung des Dorfes und der Felder mit kleinen künstlichen Wasserläufen („Waalen“) oder Brunnen, die aus Bächen, Quellen und Weihern

80 LEONARDI: 1809 - 2009, S. 10.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 43 gespeist wurden, eine wichtige Einrichtung. Die dichter werdende Besiedlung der Region, das Wachstum der Dorfgemeinschaften, die Hofteilungen und die Intensivierung der Landwirtschaft machten es im Lauf der Zeit notwendig, in den Dörfern mehrere Brunnenanlagen zu errichten.

Abb. 9 Bewässerungskanal „Lätera“ bei Gargellen im südlichen Montafon

In wirtschaftlicher Hinsicht herrschte in beiden Kreisen die Viehwirtschaft vor, sodass die Kulturlandschaft in den meisten Gebieten von eher geringfügigeren Ackerflächen und Obstgärten für die Subsistenzwirtschaft in den Tal- und Gunstlagen sowie großen, für die Viehwirtschaft genutzten Grünflächenarealen sowie Wäldern in den höher gelegenen Bereichen dominiert wurde. In einem Bericht über die Kommerzial-Verhältnisse in Vorarlberg aus dem Jahr 1810 wurde die naturräumliche Ausstattung folgendermaßen geschildert:

44 Ländliche Eliten im Wandel

„Vorarlberg wurde in Hinsicht des Erdreichs von der Natur wahrhaft stiefmütterlich behandelt, seine bergige Lage, seine großen, nichts ertragenden sumpfige Gegenden, sein meistens rauhes Klima sichert dem Einwohner das lange nicht zu, was er zu seinem Unterhalte wesentlich bedarf, in ihm gedeihen nur die rauhesten Fruchgattungen [sic!], an den wenigsten Orten können bessere und edlere Gattungen erzeugt werden.“81

Im Gegensatz zu den ausgedehnten Wald- und Weidegründen in überwiegend höheren Lagen waren die Kulturgründe im engeren Sinne in den tieferen Hanglagen und auf den Schwemmkegeln ausgesprochen kleinstrukturiert.

Abb. 10 Streusiedlung, kleinstrukturierte Fluren und gemischte Nutzung. Katastermappe See im Paznaun, 1856

Diese aufgrund der Realteilung äußerst kleinräumig strukturierten Fluren, die zumeist aus einem bunten Mosaik aus Äckern, Wiesen und Obstgärten bestanden, sind auch in den Katastermappen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und auf den

81 NIEDERSTÄTTER: Ein Memorandum zur Situation der Vorarlberger Wirtschaft, S. 78.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 45

ältesten Landschaftsphotographien klar zu erkennen. Der Besitz der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe lag weit verstreut in den Dorffluren und die einzelnen Parzellen befanden sich häufig im Gemenge mit dem Besitz anderer Bauern.

Abb. 11 Streusiedlung, kleinstrukturierte Fluren und gemischte Nutzung in Gaschurn im Montafon, um 1910

Ein damit zusammenhängendes Hindernis, das einer generellen Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion im Wege stand, war das zersplitterte Eigentum in Verbindung mit den klein(st)betrieblichen Strukturen:

„Die liegenden Gründe sind übrigens grösstentheils ungebunden, und oft in so kleine Theile zerstückt, dass ein Acker kaum den Werth von 20 – 50 Gulden erreicht. Der Grundbesitz, dergestalt zersplittert, wechselt unaufhörlich, und in einigen Theilen des Landes [Vorarlberg] ist es keine Seltenheit, dass er in einem Jahre in die dritte Hand übergeht.“82

82 WEBER: Das Land Tirol, S. 596. Im Montafon gab es laut seinen Angaben 9.338 mit eigenen Katasternummern geführte Grundstücke.

46 Ländliche Eliten im Wandel

Zu den Gemeindefluren gehörten auch die in höheren Lagen befindlichen genossenschaftlich genutzten Liegenschaften. Die als Kulturgründe im engeren Sinne genutzten Flächen machten einen wesentlich geringeren Anteil des Untersuchungsraumes aus als jene in hohen Lagen. Strukturell unterschieden sich die intensiv bewirtschafteten Flächen nicht von denen anderer alpiner Regionen. Das bedeutet, dass die zumeist kleinen Parzellen oft mehreren Eigentümern gehörten. Diese Verteilung des Grundeigentums entsprach einer einfachen Logik der Bodennutzung, denn unter einem rein landwirtschaftlichen Gesichtspunkt war Besitzzersplitterung zwar in Ballungsräumen auf geringer Meereshöhe tragbar, in höheren Lagen aber ausgesprochen ungünstig. Dagegen hatte sich die kollektive Bewirtschaftung von Wäldern und Weiden als Methode zur Verbesserung der Erträge, welche die Bauern auf ihrem Grundbesitz in unmittelbarer Nähe der Ortschaften erwirtschafteten, bewährt. Da sich die Siedlungen auf einer nicht nur knapp bemessenen, sondern zudem nicht sonderlich fruchtbaren Kulturfläche konzentrierten, kam es zu einer erheblichen Besitzzersplitterung sowohl im höher gelegenen Berggebiet als auch in den tieferen Hanglagen. Das Ertragsniveau dieser Areale konnte lediglich mit intensivem Arbeitsaufwand einigermaßen zufrieden stellend ausfallen.83

83 LEONARDI: 1809 - 2009, S. 10.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 47

Abb. 12 Streusiedlung und kleinstrukturierte Fluren und gemischte Nutzung. Katastermappe St. Anton im Montafon, 1857

Hinsichtlich der historischen Flurformen zeigt sich eine bunte Mischung aus „Gemengeblock- und Einödblockfluren mit Streifenfluren in Tallage“, „Mischtypen von Klein- und Sonderformen mit Streifen- und Blockfluren“ sowie „Waldhufen- mit Einödblock- und Streifenfluren“.84 Aufgrund der kleinbäuerlichen Struktur herrschten in erster Linie Nebenerwerbslandwirtschaften vor, die nur durch Einnahmen aus anderen Tätigkeiten überlebensfähig waren.85

84 SEGER, KOFLER: Historische und rezente Flurformen, S. 66f. 85 PENZ: Vom Vollerwerb zur Nebenbeschäftigung, S. 82f.

48 Ländliche Eliten im Wandel

Abb. 13 Streusiedlungen im hinteren Bregenzerwald. Au-, Spezialkarte 1823

Abb. 14 Geschlossene Siedlungsstrukturen im oberen Vinschgau. Burgeis-Mals-Laatsch, Spezialkarte 1823

Die Siedlungsstruktur der Untersuchungsregion stellte sich sehr differenziert dar und war von den jeweiligen naturräumlichen Voraussetzungen sowie den unterschiedlichen Wirtschaftsweisen geprägt. Während sich der Großteil

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 49

Vorarlbergs86 und mehrere Talschaften Westtirols wie etwa das Paznaun, das Lechtal oder das Kaunertal vornehmlich aus Streusiedlungen, Weilern und Einzelhöfen zusammensetzten, bestanden in den südlichen und südwestlichen Bereichen Westtirols wie beispielsweise im Oberen Gericht87 und im oberen Vinschgau dicht verbaute Ortschaften mit geschlossenen Siedlungsstrukturen, in denen sich die Häuser um zentrale Gassen und Plätze gruppierten.

Abb. 15 Geschlossene Siedlung und kleinstrukturierte Fluren mit getrennter Nutzung, Katastermappe Ladis 1856

86 Vgl. KASPER: Kulturlandschaftsentwicklung und gesellschaftlicher Wandel im südlichen Vorarlberg vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. 87 Vgl. WOPFNER: Das oberste tirolische Inntal als Kulturlandschaft, S. 239-241.

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Abb. 16 Streusiedlungen im Lechtal. Elbigenalp-Stockach, Spezialkarte 1823

Im Montafon zeigte sich die besonders stark ausgeprägte Zerstreuung der Siedlungen unter anderem darin, dass die bayerischen Beamten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer statistischen Übersicht über die Siedlungstypen in Vorarlberg für das Montafon 1.835 Einöden (einzeln gelegene Höfe) und die nahezu gleiche Anzahl von 2.071 Häusern anführten,88 es demnach kaum geschlossene dorfartige Strukturen gab. Wie schwer es den Beamten fiel, die Siedlungsstrukturen zu fassen und zu beschreiben, zeigt sich an einer anderen Quelle, in der für das Montafon „1 Marktflecken, 110 Dörfer, 924 Einöden und überhaupt 1951 Häuser“ angegeben wurden.89 Für den Reiseschriftsteller Ludwig Steub entstand dadurch der Eindruck eines „fortlaufenden Dorfes“ ohne klar erkennbare Siedlungsverdichtungen:

„Die hölzernen Häuser stehen in kleinen Zwischenräumen an einander am Wege, in den Wiesen zerstreut, an den Halden hinauf. Darunter möchte zwar bei näherem Einsehen manche unbewohnte Scheune zu finden seyn – allein

88 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 66. 89 K. baierische Organisation der vorhin österreichischen Provinz Tirol und Vorarlberg, S. 40.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 51

auch so tragen sie bei dem ganzen Gelände das Ansehen eines fortlaufenden Dorfes zu geben.“90

Abb. 17 Streusiedlung St. Gallenkirch im Montafon, um 1890

1.3. Klimaschwankungen und deren Auswirkungen

Im Zeitraum zwischen 1770 und 182091 kam es in ganz Mitteleuropa zum negativen Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ – einer Klimaschwankung, die zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert vermehrt zu kühlen und feuchten Witterungslagen im Alpenraum führte. Die Ursachen für diese Klimaoszillation im Zeitraum um 1800 liegen zum Teil in Umstellungen der allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre, die mit der verstärkten Zufuhr kühlerer Luftmassen aus Nordosteuropa und einem eher schwach entwickelten Azorenhoch in den

90 STEUB: Drei Sommer in Tirol, S. 120. 91 Vgl. PFEIFER: Klimageschichtliche Auslegung extremen Fichtenwachstums im Montafon, S. 219.

52 Ländliche Eliten im Wandel

Sommermonaten zusammenhängen.92 Außerdem bedingte die längerfristige Abschwächung der Sonnenaktivität während des sogenannten „Dalton- Minimums“93 zwischen 1790 und 1830 eine Reduktion der solaren Energiezufuhr auf die Erde. So steht am Beginn des Untersuchungszeitraumes die Hungerkrise 1770/71, in der eine Agrarkrise des „type ancien“ samt ihren Folgen wie Missernte, Teuerung, Hungersnot, Mangelkrankheiten und Tod den Alpenraum erfasste.94 Insbesondere der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im April 1815 verursachte weltweit eine mehrjährige Abkühlung um bis zu drei bis vier Grad Celsius, da infolge der gewaltigen vulkanischen Eruption große Mengen Asche und Aerosole in die höhere Atmosphäre gelangt waren. Durch diese wurde einerseits die globale Sonneneinstrahlung weiter reduziert und andererseits die Wolkenbildung begünstigt. Das dem Ausbruch folgende Jahr 1816 war das kälteste Jahr der „Kleinen Eiszeit“95 und wurde in Europa und Nordamerika als das „Jahr ohne Sommer“ bekannt.96 Die globalen Auswirkungen dieses vermutlich stärksten Vulkanausbruchs der vergangenen 10.000 Jahre waren unterschiedlichste Himmelserscheinungen wie etwa „lang anhaltende Sonnenuntergänge in außerordentlichen Orange-, Rot- und Rosatönen“97, Hungerkrisen in großen Teilen Europas und dadurch bedingte Auswanderungswellen, sowie Missernten in Indien, im südlichen Afrika und in den Vereinigten Staaten von Amerika.98

92 FISCHER: Das Hungerjahr 1816/17 in Tirol, S. 8. 93 Vgl. BÖHM: Klimawandel und Extremwerte – ein Zusammenhang?, S. 81f. 94 GRABER: Wohlstandswahrung für wenige oder Nahrungssicherung für alle?, S. 196. 95 RIEKEN: Wütendes Wasser, bedrohliche Berge, S. 113. 96 GLASER: Klimageschichte – Spiegel des Klimas?, S. 13. 97 WALTER: Katastrophen, S. 95. 98 BEHRINGER: Kulturgeschichte des Klimas, S. 155.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 53

Abb. 18 Turner: Ausbruch des Vesuv, um 1817

Die durch die angeführten Umstände entstandene Hungerkrise war in gewisser Weise die „Urkatastrophe“ des 19. Jahrhunderts, denn die Erfahrung von extremer Not und lebensbedrohendem Hunger, die in jenen Jahren nicht nur die Armen, sondern auch den Großteil der ländlichen Mittelschicht bedrohte, prägte bis über die Jahrhundertmitte hinaus das Verhalten von Individuen und Gesellschaften. Das besondere Ausmaß dieser Katastrophe kam durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren zustande. Die klimatischen Umstände und die daraus resultierenden verheerenden Missernten in den Jahren 1810 bis 1817 sowie die allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Strukturprobleme der Zeit nach den napoleonischen Kriegen führten dazu, dass die Hungerkrise derartige Ausmaße annehmen konnte.99 Das zu dieser Zeit noch königlich bayerische Landgericht Montafon vermerkte in seinem Bericht für die Jahre 1812/13:

99 GESTRICH: Religion in der Hungerkrise von 1816/17, S. 275.

54 Ländliche Eliten im Wandel

Durch dass im July 1813 stattgehabte Regenwetter brachen die vielen im Gerichtsbezirke befindlichen Töbel aus, überfüllten zum Theil die unterliegenden Güter mit Stein und Sand, theils wurden hiedurch Stücke von Gütern weggerissen, und giengen den Besitzern unwiderbringlich verloren. Diese Tobelausbrüche hatten in allen Gemeinden statt[gefunden], und der Schaden, der den diesseitigen Bewohnern nur durch gänzlich unwiderbringliche verlohren Grundstücke zugieng, kann wenigstens auf 5000 fl angenohmen werden, ohne den Schaden in Anschlag zu bringen, der durch Verwüstung von Feldfrüchten den beschädigten Gerichtsangehörigen zugieng.100

Im Frühjahr 1814 verursachte die milde Witterung eine frühe Blüte der Pflanzen: „seit Menschengedenken sollen die Obstgärten noch nie in solcher Pracht gestanden haben.“ Doch Ende April vernichtete ein Frost den Großteil der Blüten: „kopfhängend stand die Bevölkerung vor einem dritten Mißjahre.“101 Ein verregneter Sommer prägte in weiterer Folge das Jahr 1814. Es kam neuerlich zu massiven Ernteeinbußen.102 Die Innsbrucker Zeitung berichtete:

„Seit längerer Zeit haben wir sehr ungünstige regnerische und dabei so kalte Witterung, daß in den Hochgebirgen Schnee fiel. Das gemähte Frühheu fängt auf den Wiesen an zu faulen, und der Türken ist noch so weit zurück, daß ein außerordentlich warmer Sommer und Herbst erfolgen müßte, wenn Nutzen davon gezogen werden soll.“103

Auch im Jahr darauf führten ein niederschlagsreicher Winter und ein nasskalter Sommer zu einer äußerst mageren Ernte.104 Im Tiroler Oberinntal kam es im Juli zu zahlreichen Überschwemmungen und Murenabgängen.105 In der Ostschweiz bedingten mehrere sommerliche Schneefälle frühzeitige Alpabfahrten und geringe

100 VLA, Vorlass Hubert Weitensfelder, Sch. 2, Kopien Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Jahresberichte vorarlbergischer Landgerichte, Landgericht Montafon Jahresbericht 1812/13. 101 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 11. 102 KOLER: Die Wiedereinrichtung der österreichischen Verwaltung, S. 272. 103 Innsbrucker Zeitung, 22.06.1814. 104 JÄGER: Fernerluft und Kaaswasser, S. 25. 105 KLEEWEIN: Naturkatastrophen in Tirol von 1801 bis 1820, S. 42.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 55

Getreideerträge.106 Die nunmehr wieder österreichische Innsbrucker Administration vermerkte diesbezüglich in einem Bericht vom August 1815 an die Regierung in Wien, dass

im Gerichte Montafon […] auf einer Alpe ein Viehhirt erfroren gefunden [wurde]. Die kalte Witterung hat das Hochgebirge mit Schnee bedeckt und so wurde dieser verirrte Knecht eingeschneit und erfroren gefunden. Die ungewöhnliche schlechte Witterung hat überhaupt unendlich grossen Schaden bewirkt, vorzüglich über die Regengüsse; Überschwemmungen, Einreissungen der Archen107, Dämme und Strassen fand häufig statt.108

Der daraufhin folgende Sommer des Jahres 1816 war im nordalpinen Raum vom Wechsel zwischen langen Regenperioden und starker Bewölkung geprägt. Während im Juni kühle Polarluft nach Mitteleuropa strömte, bedeckte im Juli ein Tiefdruckgebiet weite Teile Europas und führte zu einer feucht-kalten Nordwestströmung. Im auf 1.803 Metern Seehöhe gelegenen Dorf Sils im Oberengadin fiel während dieses Sommers an 19 Tagen Schnee. Die durchgehende Nässe und Kälte dieser Sommermonate bedeutete für die Berglandwirtschaft verregnete Heuernten, eine geringere Milchleistung des Viehs auf den Alpen und unreifes oder verschimmeltes Getreide.109 In Teilen der Schweizer Alpen schneite es mehrfach bis etwa 1.000 Meter herab, sodass viele Alpen wiederum frühzeitig verlassen werden mussten und die Getreideernte neuerlich sehr schlecht ausfiel.110 Im oberen Vinschgau verfasste der Priester Christian Renner aus Glurns im Jahr 1816 eine Reimchronik, in der es heißt:

„Doch eines muß ich euch noch klagen Von Kält‘ und Schnee zur Sommerszeit. Helt dies so fort, so kann man sagen:

106 FLIRI: Naturchronik von Tirol, S. 55. 107 Archen = Wasserschutzbauten. 108 TLA, Jüngeren Gubernium, Geheime Präsidialakten Fasz. 4, X1, Stimmungsbericht 2.8.1815. 109 PFISTER: Wetternachhersage, S. 153f. 110 FLIRI: Naturchronik von Tirol, S. 56.

56 Ländliche Eliten im Wandel

Die Gegend ist zur Alp bereit. Getreid und Wein will nicht mehr reifen, Das Vieh im Berge schreit um Speis‘. Wir können nur auf Gott uns steifen, Der Speis und Trank zu schaffen weiß.“111

Im Juni 1816 berichtete der Bregenzer Kreishauptmann über die in Vorarlberg herrschende schwierige Lage an das Gubernium in Innsbruck, dass

die Getreidepreise aller Art seit kurzer Zeit auf eine außerordentliche Höhe gestiegen sind. [Seiner Meinung nach dürfte eine] Mitursache […] in der auffallend späteren Vegetazion liegen, denn es gibt hierlandes noch lange weder Garten- noch Baum- noch Halmfrüchte, wie z.B. Gerste, auf welche nun [um] diese Jahreszeit in einem gewönlichen Jahre schon bald gerechnet worden wäre. Vom Türkischen Waizen befürchtet man so gar, daß solcher nicht mehr zur Reife kommen dürfte, daher diese Frucht an manchen Orten ausgezogen wird, und dafür Erdäpfel eingelegt werden, die man nun zum Sammeln dergestalt suchet, daß das Viertl hiervon, das im Spätjahre um 28 bis 30 kr gekauft wird, gegenwärtig wirklich über 1 f - und bis 1 f 12 kr kostet. […] Ueberhaupt ist dringendst nöthig, daß nach 3 vollen Mißjahren nicht auch heuer wieder das gleiche Unglück eintrette, wodurch ein grosser Theil der hierländigen Einwohner ganz außer Kontribuzions-Fähigkeit gesetzt werden würde. Denn die Noth ist schon jetzt überaus groß, und in Gebirgsgegenden, wo man leider schon den Genuß des Brotes nicht mehr kennt, muß den armen Landmann bis zur neuen Fechsung nur elendes Habergritz mit Molkenerzeugniß nähren. Einige sollen ihr Leben selbst nur mit Abkochung der Grüsche in Milch fristen müßen. Außerdem haben in dem Bezirke des Landgerichts Dornbirn zwey, in jenem des inneren Bregenzer Waldes ebenfalls zwey, und in jenem von Feldkirch und Montafon eine der schweren Polizeyübertrettungen und überhaupt mehrere häusliche Dienstähle sich ergeben, welche letzteren vorzüglich in Mangel und Noth ihren Grund haben mögen. Ferner habe sich der Unglücksfall sich [sic!] ergeben, daß am 8. und 9. dieses Monaths [Juni] auf der Alpe Vermund, auf welche gerade damahls und kaum ein paar Tage zuvor mehrere hundert Schaafe aufgetrieben worden waren, ein zimlich grosser Schnee fiel, und hierdurch mehr als 200 Stück Schaafe

111 ANSTEIN/RENNER: „Da kannst du späte Nachwelt lesen“, S. 19.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 57

dergestalt zu Grunde gerichtet wurden, daß man sie herdenweis beysammen todt unter dem Schnee fand.112

Im Herbst konstatierte das Kreisamt über die kritische Situation nach der äußerst ungünstig ausgefallenen Ernte, dass es

hierlands bereits das vierte und in einigen [Gebieten] gar das fünfte Mißjahr sei. Alles ist an Lebensmitteln ganz erschöpft. Auch der Landmann, der bei guten Jahren Früchte für sich pflanzte muß jetzt einen grossen Theil kaufen, wodurch selbst sonst wohlhabende Landleute ins Stocken kommen, Geld dazu aufzubringen, indem keiner dem andern mehr helfen kann. Ganten und Pfändungen sind an der Tagesordnung. Wucher, Eigennützig- und Lieblosigkeit werfen sich drohend dazwischen, und dieser Zustand verdient wirklich alle Aufmerksamkeit der Regierung. So war es z. B. selbst dahier so weit gekommen, daß an einem Sonntage in der ganzen Stadt [Bregenz] den ganzen Tag hindurch bei keinem Bäcker ein Brot zu bekommen war, und sogar die Gäste in den öffentlichen Gasthäusern mit Kommißbrot sich begnügen mußten. Im Landgericht Montafon haben sieben schwere Polizeyübertrettungen und zwar sowohl gegen die Sicherheit des Eigenthums, als gegen die körperliche Sicherheit sich ergeben, unter welchen ersteren auch zwey Feld- nahmentlich Erdäpfel-Diebstähle begriffen sind. Zudem sei das Molkerzeugniß auf den Alpen und Berggütern […] wegen außerordentlich schlechter Witterung während der ganzen Sommerszeit sehr schlecht ausgefallen.113

In Tschagguns wurde in diesem Herbst das Korn am 27. Oktober unreif eingebracht.114 Im benachbarten Ischgl gefroren die Erdäpfel in den Äckern und die anderen Früchte kamen ebenso nicht zur Reife.115 In vielen höher gelegenen Orten des Oberinntals missriet diese „Nahrung der Armen“, die Kartoffel. Der Imster Kreishauptmann erklärte am 4. Jänner 1817, „die Erdäpfel seien nicht

112 TLA, Jüngeren Gubernium, Geheime Präsidialakten Fasz. 4, X2, Stimmungsbericht 21.6.1816. 113 TLA, Jüngeren Gubernium, Geheime Präsidialakten Fasz. 4, X2, Stimmungsbericht 23.9.1816. 114 BILGERI: Der Getreidebau im Lande Vorarlberg 4 (1949), S. 108. 115 TLMF, W20548-50, S. 179.

58 Ländliche Eliten im Wandel

größer als Kirschen geworden und weder zum Anbauen noch zum Essen geeignet gewesen.“116 In der Stadt Bludenz versuchten im Winter 1816/17 zahlreiche Menschen an der Klosterpforte der Kapuziner Küchenabfälle wie etwa die Häute der Erdäpfel zu erbetteln.117 Einer der wohlhabendsten Montafoner, der Altvorgesetzte Oswald Tschohl, suchte kurz darauf für seine Familie und seine Dienstboten um einen Fastendispens – um die Erlaubnis in der Fastenzeit Fleisch zu essen – an.118 Vermutlich war es auch für einen Angehörigen der Oberschicht aufgrund der schlechten Versorgungslage nicht mehr möglich im Montafon Getreide zu erwerben. Ein zeitgenössischer Beobachter aus Wien beurteilte zur Jahreswende 1816/17 die Ernte in Tirol und Vorarlberg als „schlecht“ und meinte, dass das Land dort selbst in guten Jahren kaum den Bedarf der Bevölkerung decken könne und deshalb auch „äusserste Sparsamkeit und die thätigste Emsigkeit“ allein die herrschende Not nicht lindern würden.119 Auch in den ersten Monaten des Jahres 1817 zeigten sich keine Anzeichen, die auf eine Besserung der Situation hindeuten würden. Vielmehr wurde die Lage durch einen kalten und schneereichen Winter noch zusätzlich verschlimmert. In den Monaten Februar, März und April des Jahres 1817 kam es aufgrund der extrem hohen Niederschlagsmengen im Montafon und vielen anderen alpinen Regionen zu zahlreichen folgenschweren Lawinenabgängen.

„Selten zieht ein Unglück vereinzelt über die Völker dahin“, stellte der Priester Johann Konrad Zellweger im Rückblick auf das Jahr 1817 fest.120 Im weiteren Verlauf des Frühjahres, in dem dann – wie im Bericht von Bartholomä Marlin erwähnt – eine recht günstige Witterung vorherrschte, führte das Abschmelzen der großen Schneemengen in Verbindung mit einzelnen Starkregenereignissen wiederholt zu Überschwemmungen. So trat die Ill etwa am 15. Juni bei St. Anton

116 PENZ: „Die Hungerjahre“ 1814 – 1817 in Tirol, S. 5. 117 NUSSBAUMER: Vergessene Zeiten, S. 64. 118 MA, ZKA, Schruns 11/8.4. 119 KRONES: Freiherr Anton von Baldacci, S. 77. 120 ZELLWEGER: Der Kanton Appenzell, S. 582.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 59

über die Ufer.121 Am 2. Juli kam es zu einem neuerlichen Hochwasserereignis und zahlreichen Dammbrüchen.122 Beim Hochwassereinsatz verunglückte in diesem Sommer der Tschaggunser Gemeindevorsteher Johann Josef Versell.123 Im Juli stieg der Bodensee zum höchsten bekannten Stand, der rund 2,26 Meter über dem mittleren sommerlichen Wasserstand lag, an. Vor diesem Hintergrund folgte im Jahr 1817 „auf fünf vorausgegangene Mißjahre eine unerhörte Teuerung und Hungersnot“. Der Höhepunkt der Not war im Frühjahr 1817 erreicht. Zu dieser Zeit war es sogar nötig Getreide über Triest aus Ägypten zu importieren. Während sich in vielen Regionen dann ab Ende Juni mit der neuen Ernte die Situation entspannte, wurden einige Gebiete von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Hagel heimgesucht. Dort dauerte die Not oft noch weiter an.124 Als sich die Situation im Winter 1816/17 verschlimmerte und immer mehr Menschen unter der Hungersnot litten, rief der Vorarlberger Kreishauptmann als Präses des ständischen Plenarkongresses die Repräsentanten der einzelnen Stände des Landes im Jänner 1817 zu einer Versammlung nach Feldkirch. Bei dieser Zusammenkunft sollten die Abgeordneten zwey allgemeines Zutrauen besitzende Deputirte wählen, um diese dann zu Verhandlungen über günstigere Salzpreise für die Vorarlberger Bevölkerung nach Innsbruck zu entsenden.125 Bei der am 4. Jänner dennoch stattfindenden Sitzung wurde ein engerer Ausschuss aus Repräsentanten der sechs Stände Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg, Innerbregenzerwald, Montafon und Dornbirn bestimmt, der sich wegen der Hungerkrise regelmäßig zu Beratungen über die weitere Vorgehensweise treffen sollte.126 Weitere Zusammenkünfte dieser Abgeordneten und die Ergebnisse der Verhandlungen der beiden Abgesandten in Innsbruck sind nicht dokumentiert.

121 WERNER: Klima und Wetter im Montafon, S. 90. 122 SCHEFFKNECHT: Rheinüberschwemmungen, S. 101. 123 MA, ZKA, Schruns 1/1.1. 124 ROHRER: Die topographische, historische und statistische Beschreibung von Bludenz, S. 34. 125 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D. 126 Die Vertreter der einzelnen Stände waren: Feldkirch: Jenj, Bregenz: Gmeinder, Sonnenberg: Greber, Innerbregenzerwald: Metzler, Montafon: Vonier, Dornbirn: Danner.

60 Ländliche Eliten im Wandel

Möglicherweise handelte es sich bei den Sitzungen am Jahresbeginn 1817 um ein singuläres Ereignis ohne weitere Auswirkungen. Im Montafon organisierten die Gemeinden bis ins Frühjahr 1817 selbständig und ohne staatliche Unterstützung die Versorgung der Armen. Das dortige Landgericht ordnete deswegen an

bestimmte Armendeputation in jeder Gemeinde zu constituiren, die vorkommende Fälle einer würklich nothwendigen Unterstützung gehörig zu würdigen, mittels der Gemeinden hierwegen die nöthige Vorkehrungen zu treffen, um den würklich Nothleidenden auf der Stelle Hilfe leisten zu können, und nur in jenen Fällen sich an das Landgericht zur weiteren Einschreitung bey der Wohllöbl. Kreisamtsvorstehung um einen Vorschuß zu wenden, in welchen es der armen Deputation und der Gemeinde unmöglich wird, für die eigene Arme zu sorgen. Bisher ist es auch würklich den Gemeinden gelungen, ohne Ergreifung ausserordentlicher Mittel für sämmtliche Arme ihrer Bezirke zu sorgen, und das Landgericht hoffet, bey der getroffenen Eintheilung und bey den im Falle der Noth noch vorhandenen Mittel würklich im Stande zu seyn, die höhere Unterstützung noch lange nicht [in] Anspruch nemen zu müssen. Bey der einzigen Gemeinde St. Gallenkirch dörfte dieses zuerst der Fall seyn.127

Zu diesen privaten und kommunalen Hilfsaktionen (Armendeputationen) kamen schließlich auch staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die besonders vom Frühjahr bis zum Sommer 1817 die schlimmste Not verhindern sollten. In ganz Vorarlberg wurden von der Regierung in diesem Zeitraum 12.000 Gulden für die Versorgung Notleidender zur Verfügung gestellt. Die Stadt Feldkirch steuerte zudem 1.000 Gulden für die Armen in der Stadt bei.128 Das Landgericht Montafon erhielt vom Kreisamt erstmals im April 600 Gulden, um Getreidesamen anzukaufen. Vermutlich hatten die notleidenden Menschen das üblicherweise für die neue Aussaat reservierte Getreide aufgrund der prekären Situation bereits aufgebraucht oder konnten sich den Ankauf nicht mehr leisten

127 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D. 128 SCHEITLIN: Meine Armenreise in den Kanton Glarus, S. 443f.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 61 und waren nunmehr auf diese Unterstützungsleistungen dringend angewiesen. Ignaz Vonier und Johann Ulrich Rudigier – die beiden Bevollmächtigten des Standes Montafon – kauften mit dem Geld in Bregenz 85 ¾ Viertel Weizen. Das Getreide wurde unter der Bedingung es für die Aussaat zu verwenden an die Gemeinden verteilt. Die Gemeinden Schruns und St. Gallenkirch erhielten je 24 Viertel, Tschagguns und je 16 Viertel und die Gemeinde Bartholomäberg 5 ¾ Viertel des angekauften Weizensaatgutes.129 Im Mai erhielt der Stand Montafon weitere 35 Gulden130 und im Juni einen Unterstützungsbetrag von 400 Gulden zuerkannt.131 Neben den Ankäufen mithilfe der staatlichen Subventionen wurde von den Standesvertretern Vonier und Rudigier Getreide erworben, um die Not in der Region zu lindern. Die Finanzierung dieser standesinternen Maßnahmen erfolgte zum Großteil über Anleihen und Kreditaufnahmen:

Die Deputirten Vonier und Rudigier haben durch den Handelsmann Getzner von Bludenz bey 70 Malter132 Waitzen und Türkenkorn in Tyrol aufkaufen lassen, wovon einiges schon hier eintraf. Dieselbe zahlen dem Handelsmann Gezner nur den Ankaufpreiß, Fuhrlohn und geben ihm einen bestimmten Kauferlohn. Wie hoch diese Getreidsorten zu stehen kommen, läßt sich erst nach vollendeter Lieferung berechnen. Die hiezu benöthigte Summen mußten dieselbe jedoch nur mit auserordentl. Anstrengung und seltener Thätigkeit durch Anlehen, Kreditscheine gröstentheils zusammen bringen. Der weitere Einkauf von Getreid ist unterm 17ten d. M. angezeigt, auch bereits eingeleitet, und so wird durch die rastlose Thätigkeit dieser zwey Männer dem Ausbruche einer Hungersnoth in diesem Amtsbezirke möglichst vorgebeugt. Schruns am 28ten May 1817133

129 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D. 130 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D. 131 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D. 132 1 Malter = ca. 200 Liter. 133 VLA, Kreisamt I, Sch. 309, Präs. D.

62 Ländliche Eliten im Wandel

Die Entsiedelung des inneren Kaunertales fällt mit dem Gletscherhochstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen. Die aufgelassenen Höfe lagen zu dieser Zeit vier bis fünf Stunden vom nächsten Gerichtssitz in Ried entfernt.134

Abb. 19 Der nahezu bis zu den Gampenhöfen vorstoßende Suldener Ferner 1818

In den 1840er-Jahren kam es schließlich zu einer der letzten großen Hungersnöte, die auf naturräumliche Entwicklungen zurückzuführen war. Um 1845 verursachte die Erdäpfelfäulnis massive Ernteeinbußen und führte dazu, dass vor allem die ärmere Bevölkerung Hunger litt.135

1.4. Herrschaftsverfassung als Herrschaft vor Ort

Der Begriff „Herrschaft“ bezeichnet in erster Linie Machtbeziehungen, ist jedoch darüber hinaus ein historisch äußerst vielfältiger Ausdruck. Hier wird „Herrschaft“ vornehmlich als soziale Praxis verstanden, deren institutionalisierte Formen die

134 HEIDEGGER: Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf, S. 62. 135 VLA, Landgericht Montafon 435/159, 437/121, 441/222.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 63

Gerichts- und Landesherrschaft darstellten.136 Die konkrete Teilhabe der (männlichen und ansässigen) Untertanen an der Gestaltung des Rechts- und Soziallebens vollzog sich auf der Ebene kommunalen Selbstverwaltungskörper, der Gerichts- und Ortsgemeinden, die maßgebliche Funktionen für die Ordnung des Zusammenlebens vor Ort hatten.137 Die Gerichte als regionale Selbstverwaltungskörper, die oft auch ein eigenes Landrecht besaßen und von den Bewohnern als „Land“ bezeichnet wurden, stellten vor allem in Vorarlberg die Referenzgröße für die Herrschaft vor Ort dar. Für die Bevölkerung, aber insbesondere für die aus der Region stammenden Amtsträger, die mitunter als „Landesdeputierte“138 das eigene Gericht auf dem Landtag vertraten, war dieses „Land“ und die dazugehörige Verfassung der entscheidende rechtlich-politische Bezugsrahmen. So stellte das bayerische Landgericht Bezau 1808 über das zähe Festhalten der Bregenzerwälder Bevölkerung an ihrer Verfassung fest:

„Dieser Stolz hat mit seiner Ursache auch die Wirkung, daß der Wälder seinen Patriotismus, dem jedoch ein vollkommener Gemeingeist fehlt, nur auf seine Berge einschränkt. Außer denselben kennt er kein Vaterland, keine Mitbrüder, keine Pflichten, keine Liebe, keine Aufrichtigkeit. Alles, was er dort erblikt, was sich auser seinen Bergen ereignet, was nicht unter seinem Himmelsstück zur Welt kam, ist ihm Gegenstand der Gleichgiltigkeit, oder der – Verachtung, die er nicht selten laut werden läßt.“139

Derartige Beurteilungen finden sich in Vorarlberg vorwiegend in Bezug auf die Bewohner der gebirgigen Landgerichte Bezau, Bludenz und Montafon. Sie verweisen auf die dort eher traditionell eingestellte Bevölkerung mit

136 HEIDEGGER: Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf, S. 58. 137 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 267. 138 MA, ZKA, Montafon 14, 1796. 139 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Ministerium des Inneren 27190/1, Landgericht Bezau an Generallandeskommissariat, 10.1.1808, zitiert nach: WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 64f.

64 Ländliche Eliten im Wandel

ausgeprägten Elementen ständischer und genossenschaftlicher Selbstverwaltung sowie konservativer politischer Kultur.140

Abb. 20 „Bezegg-Sul“, die an der Stelle des ehemaligen Bregenzerwälder Rathauses, das unter der bayerischen Regierung abgerissen worden war, errichtet worden ist.

1.4.1. Orts- und Gerichtsherrschaft im Ancien Régime

Das grundlegende Element der lokalen Herrschaft stellte die Ausübung der niederen und hohen Gerichtsbarkeit über die Bevölkerung eines Dorfes oder einer Region dar. Weitere Merkmale der Herrschaftsintensivierung waren das Recht der Gesetzgebung sowie der Bezug von Diensten und Abgaben.141 Der historische Begriff „Gericht“ bezeichnete in Tirol und Vorarlberg zugleich den territorialen Sprengel einer Art Verwaltungs- und Justizbehörde in erster Instanz,

140 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 65. 141 MAHLERWEIN: Herren im Dorf, S. 18.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 65 eine Gebietsherrschaft, sowie einen genossenschaftlichen Verband der Gerichtsinsassen.142 Somit war das Gericht nicht nur ein herrschaftliches Instrument der Jurisdiktion und der Verwaltung, sondern als „Gerichtsgemeinde“ auch eine kommunale Institution. Als Gerichtsgenossen oder Gerichtsinsassen galten in der Praxis lediglich die freien, „wehrhaften“, männlichen Haushaltsvorstände oder Hofbesitzer. Jede Gerichtsgemeinde eines landesfürstlichen Gerichts war berechtigt, einen Vertreter in die Versammlung der Landstände zu entsenden.143 Die Organe des Gerichts als Selbstverwaltungskörper waren die Versammlung aller ansässigen, volljährigen, männlichen Gerichtsinsassen sowie der für die Gerichtsgemeinde handelnde Gerichtsausschuss, der in personeller Hinsicht zumeist dem Gremium der Gerichtsgeschworenen entsprach.144 Die Masse der Gerichte in Tirol und Vorarlberg war landesfürstlich, während nur wenige Gerichte im Eigentum von Adelsfamilien und geistlichen Institutionen standen. Im späten 18. Jahrhundert wurden die Gerichte häufig als „Ortsgerichte“ bezeichnet. Sie führten dabei die unterschiedlichsten Titel wie etwa Land-, Pfleg-, Stadt-, Markt- oder Hofgericht.145 Im Laufe der Zeit verpfändeten die Landesherren die landesfürstlichen Gerichte häufig an Adelige. Diese „Privatisierung“ der lokalen Verwaltung und Justiz nahm bis ins 18. Jahrhundert größte Ausmaße an und oft wurden nur noch ganz wenige Gerichte unmittelbar vom Staat verwaltet.146 Im Jahr 1805 zählte Tirol insgesamt 171 Gerichte erster Instanz, von denen etwas mehr als die Hälfte auch Hochgerichte waren. Von diesen 171 Gerichten befanden sich 31 im Eigentum von Adeligen, 36 hatte der Landesfürst zu Pfand, 47 zu erblichen Lehen ausgegeben und nur 57 wurden direkt vom Staat verwaltet.147

142 BIERBRAUER: Ländliche Gemeinde im oberdeutsch-schweizerischen Raum, S. 171. 143 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 56f. 144 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 267. 145 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 53. 146 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 62. 147 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 78.

66 Ländliche Eliten im Wandel

Die Funktionen der Gerichte waren im Bereich der Verwaltung vornehmlich auf die Wahrnehmung der Sicherheits- und Gewerbepolizei, auf die Aufsicht über das Vermögen kirchlicher Einrichtungen sowie auf die Hilfestellung bei der Umlage und Einhebung der Steuern und der Rekrutierung der wehrfähigen Mannschaft beschränkt. Außerdem verwalteten die Pfleger und Richter die Urbare, in denen die aus verschiedenen Rechtstiteln fließenden Abgaben verzeichnet waren. Zur Assistenz bei bestimmten Verwaltungsmaßnahmen wurden die Organe der Gerichtsgemeinden oder die der einzelnen Gemeinden herangezogen.148 Eine größere Bedeutung hatten die Gerichte im Bereich der Rechtsprechung als Erstinstanz der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Die sogenannten „Landgerichte“ verfügten über hochgerichtliche Kompetenzen, indem durch den Richter und die Geschworenen ein Delinquent zum Tode verurteilt werden konnte, während die übrigen Gerichte die Niedergerichtsbarkeit praktizierten.149

Das Montafon besaß mit dem „Hofbrief“150 aus dem Jahr 1382 und vor allem mit seinem „Landsbrauch“151 seit dem 16. Jahrhundert ein eigenes Landrecht152 und stellte somit bereits seit dem frühen 15. Jahrhundert einen korporativen Zusammenschluss mehrerer Personenverbände innerhalb der Talschaft dar, der sich als „Land“ betitelte.153 Dementsprechend trug das Montafoner Wappen bereits seit dem 15. Jahrhundert die Umschrift: „GEMAINS LANDTS INSIGL IM MONTAVON“154 und in verschiedensten Dokumenten bezeichneten die Angehörigen des Standes diesen ausdrücklich als „Land“.155 Auch auf diplomatischer Ebene war der Stand Montafon mitunter recht erfolgreich, wie das

148 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 53. 149 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 54. 150 NIEDERSTÄTTER: Das Mittelalter, S. 112f. 151 Vgl.: BURMEISTER: Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung. 152 BURMEISTER: Zu der geplanten Ausgabe der Vorarlberger Weistümer; BURMEISTER: Vorarlberger Weistümer I, S. 53–161; TIEFENTHALER: Die Montafoner Landsordnung. 153 NIEDERSTÄTTER: Bäuerliche „Länder“ im alemannischen Südwesten, S. 490. 154 SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 7. 155 Bei den Wahlen der Vorgesetzten des Standes bedankten sich die abtretenden Amtsträger jedes Mal dafür, daß man ihnen auf zwey Jahr das Vaterland [sic!] anvertrauet. Vgl. VLA, Talschaft Montafon, Handschrift 1, Landprotokolle 1780-1806.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 67

Bemühen der Montafoner um die päpstliche und kaiserliche Bestätigung ihres Wappens zu Beginn des 18. Jahrhunderts illustriert.156 Das Montafon, das den Großteil der Herrschaft Bludenz und den flächenmäßig größten Stand innerhalb der habsburgischen Herrschaften vor dem Arlberg bildete, war im Rahmen des komplexen Systems der Ständegesellschaft und der territorialen und institutionellen Zersplitterung, die dem Ancien Régime eigen waren157, eine eher ungewöhnliche Erscheinung, denn obwohl die Talschaft in Bezug auf Bevölkerung und Fläche zu den größten Ständen zählte, konnte sie bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts keine eigene Gerichtsbarkeit ausbilden, während etwa das ähnlich peripher gelegene und bevölkerungsmäßig ungefähr gleich große Gericht Innerbregenzerwald seit dem Spätmittelalter die volle Hochgerichtsbarkeit samt dem Begnadigungsrecht besaß.158 Das Jahr 1775 stellte im Montafon einen markanten Einschnitt dar, denn mit kaiserlicher Entschließung vom 19. Dezember 1775 wurde dem Thal Montafon ein eigenes Gericht mit Sitz vor Ort gewährt. Die bisherige traditionelle Gerichtsbarkeit war dadurch abgeschafft worden.159 Am 17. Februar 1776 ordnete auch der Inhaber der Pfandschaft Bludenz, Freiherr von Sternbach, an, dass die Inwohner des Thal Montafon gerichtlich in Zukunft allein vor dem dortigen Gericht oder dem herrschaftlichen Obervogteiamt belangt werden sollten.160 Allerdings war diese Gerichtsbarkeit weit von einer Autonomie entfernt. Das Gericht war vielmehr sogar stärker herrschaftlich kontrolliert als zuvor. Dies war auch der eigentliche Grund für die Einrichtung des Gerichts durch den Landesfürsten gewesen.161 Das „Land“ beziehungsweise der Stand Montafon war bis zur Aufhebung der ständischen Verfassung im Jahr 1808 der rechtlich-politische Bezugsrahmen für die Einwohnerschaft der gleichnamigen Talschaft im Süden Vorarlbergs. Die

156 BURMEISTER: Die Verfassung der ländlichen Gerichte Vorarlbergs, S. 38. 157 BIGARAN: Lokale Eliten und Stadtregierung, S. 300. 158 NIEDERSTÄTTER: Die Stände der Herrschaften vor dem Arlberg, S. 41; vgl. MOOSBRUGGER: Jenseits von Bauernrepublik und Bezegg. 159 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358. 160 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358. 161 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902, unsigniertes Schreiben vom 11. Juli 1773.

68 Ländliche Eliten im Wandel

Bezeichnung „Land“ wurde häufig angewendet und wurde beispielsweise in einem Landprotokoll aus dem Jahr 1794 mehrfach vermerkt: Die Landpfächter, also die Eichmeister, welche die regionalen Maße und Gewichte zu verwalten hatten, waren neu bestellt worden und das entsprechende Geschirr sollte mit dem Landwappen bezeichnet werden.162 Die Institution des Standes spielte zudem auf überregionaler Ebene im Rahmen der Vorarlberger Landstände163 eine bedeutende Rolle. In der „Sattelzeit“164, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, erfuhr der Stand als traditioneller Selbstverwaltungskörper, der die konkrete Teilhabe der männlichen und „angesessenen“ Bevölkerung an der Gestaltung des Rechts- und Soziallebens ermöglichte, eine weitgehende Umgestaltung sowie einen massiven Bedeutungsverlust. Während die meisten ehemaligen Stände Vorarlbergs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Institutionen verschwanden, blieb der Stand Montafon als Gemeindeverband bestehen und konnte durch den Erwerb großer Waldungen sogar wieder an Bedeutung gewinnen.

1.4.2. Kriegseinwirkungen bis 1805

Das Ende des 18. und der Beginn des 19. Jahrhunderts waren von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Die Gemeinden des Untersuchungsgebietes waren von den Kriegsereignissen unterschiedlich hart betroffen. Im Jahr 1796 wurde der Raum Westtirol-Vorarlberg erstmals unmittelbar zum Kriegsgebiet. Obwohl der Bregenzer Bürgermeister Weber und der Montafoner Landammann Battlogg von der Vorarlberger Ständen entsandt wurden, um der Tiroler Landschaft eine gemeinsame Landesverteidigung vorzuschlagen, kam es nicht

162 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 29.12.1794. 163 Vgl. BURMEISTER: Die Vorarlberger Landesverfassungen bis 1919; KLAGIAN: Die Geschichte der Vorarlberger Stände; NIEDERSTÄTTER: Ständische Mitbestimmung und Landtage; NIEDERSTÄTTER: Die Stände der Herrschaften vor dem Arlberg; NIEDERSTÄTTER: Bürger und; NIEDERSTÄTTER, Bürger und Bauern – die Vorarlberger Stände zwischen Anspruch und Realität. 164 KOSELLECK: Einleitung, S. XV.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 69 dazu.165 Im Zuge der Organisation der Landesverteidigung hatte in Vorarlberg „die Erwählung der Anführer aufwärts bis zum Hauptmanne […] nach alter Verfassung der betreffenden Mannschaft überlassen“ zu sein. Die Leitung der Landmiliz wurde dem Kreishauptmann von Indermauer als Präsident des Landtags übertragen.166 Vor den ersten Kampfhandlungen war die Stimmung in der Bevölkerung durchaus positiv. Ein „Kriegslied des muthvollen Montafuners gegen die feindlichen Franzosen zur Vertheidigung der Religion und des Vaterlandes“, das der Tschaggunser Pfarrer Durig nach Bregenz sandte, verdeutlicht die Stimmung, welche die Geistlichkeit und wohl auch die Beamtenschaft zu verbreiten suchten.167 Auch wenn es in der Folge 1796/97, 1799/1800 und 1805 immer wieder zu Kampfhandlungen und in diesem Zusammenhang auch zum Verlust von Menschenleben kam, so waren es doch vielmehr Truppendurchzüge, Ausschreitungen der Soldaten, Plünderungen, Einquartierungen und Kontributionen, welche die Kriegserfahrungen für große Teile der Bevölkerung prägten. In allen drei Koalitionskriegen erforderten diese Maßnahmen erhebliche Opfer.168

1.4.3. Die bayerische Zeit

Nach dem Frieden von Preßburg, 26. Dezember 1805, fielen Tirol und Vorarlberg an Bayern. Auf der anderen Seite kam Salzburg an den habsburgischen Kaiserstaat.169 Es kam in weiterer Folge zu einer „Durchstaatlichung“ großer Teile Europas. Hierarchisch-zentralistische Verwaltungssysteme und unterschiedlichste „Modernisierungen“ führten immer wieder zu Konflikten bis hin zu Aufständen wie etwa jenem 1809 in Tirol und Vorarlberg.170 Diese Unruhen wurden zumeist

165 Vorarlberg 1796. 166 Vorarlberg 1796. 167 KIRISITS: Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen, S. 21-23. 168 SCHENNACH: 1792 bis 1814, S. 3-5. 169 Vgl. STAUBER: Das Jahr 1809 und seine Vorgeschichte im napoleonischen Europa. 170 STAUBER: Widerstand gegen Napoleon, S. 9f.

70 Ländliche Eliten im Wandel

von den Stützen des Ancien Régime getragen und hatten die Restauration früherer Zustände zum Ziel. Oft spielte auch die Religion – insbesondere die traditionelle Volksfrömmigkeit – eine wesentliche Rolle bei der Legitimierung der Revolten.171 Im Zuge der Zugehörigkeit zum Königreich Bayern zwischen 1805 und 1814 wurde im Jahr 1808 mit dem Erlass der „Konstitution für das Königreich Bayern“172 die landständische Verfassung aufgehoben173 und die landesfürstlichen Gerichte zu neuen königlich bayerischen Landgerichten zusammengefasst.174 Vorerst wurden in Tirol 24 und in Vorarlberg sieben Landgerichte geschaffen, ihre Zahl musste aber in Tirol laufend erhöht werden, da ihre jeweiligen Sprengel zumeist zu groß ausgefallen waren. Die Patrimonialgerichte wurden schließlich im Jahr 1810 gänzlich aufgehoben, nachdem sie zuvor schon den Landgerichten unterstellt worden waren.175 Die Funktion eines Landrichters durften von nun an nur noch von juristisch ausgebildeten Beamte übernommen werden.176 Die bayerische Verfassung entsprach dabei einerseits dem Zweck nach innen eine „einigende Rechtsklammer“ des staatlichen Modernisierungsprozesses zu schaffen und diente zugleich der Souveränitätswahrung nach außen.177 Im Jahr 1809 kam es im Zuge eines weiteren Krieges zwischen Österreich und Frankreich, den Staatskanzler Stadion seit 1806 vorbereitet hatte178, auch zu einem Aufstand in Tirol.179 Es handelt sich dabei um einen sogenannten „traditionalistischen Aufstand“, der sich gegen die Politik des revolutionären Frankreich beziehungsweise seines Verbündeten Bayern richtete. Wie andere vergleichbare Aufstände entstand auch dieser an der Peripherie, im ländlichen Raum und richtete sich gegen die Zentren einschließlich dessen Repräsentanten

171 PLANERT: Die Aufstände von 1808/09, S. 21f, 27-29. 172 WENZEL: Bayerische Verfassungsurkunden, S. 11-17. 173 Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1808, S. 961-962. 174 Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1806, S. 433-441. 175 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 75. 176 STOLZ: Verfassungsgeschichte des Landes Vorarlberg, S. 75. 177 PRUTSCH: Souveränitätswahrung, Herrschaftskonsolidierung und Nationsbildung, S. 79f. 178 Vgl. RUMPLER: Eine Chance für Mitteleuropa, S. 69-104. 179 Vgl. HIRN: Tirols Erhebung im Jahre 1809; SCHEMFIL: Der Tiroler Freiheitskrieg von 1809.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 71 vor Ort. Der Wertekanon des Ancien Régime wurde verabsolutiert und sollte wiederhergestellt werden. „Man postulierte die Bewahrung traditioneller Formen der Religionsausübung und tradierter Formen der Wirtschaftsführung, man reklamierte die Einhaltung alter ‚Rechte und Freiheiten‘, auf die man sich beispielsweise zur Delegitimation höherer oder neuer Steuern und Abgaben berief und die man bei der Ablehnung sämtlicher obrigkeitlich-staatlicher Eingriffe in die überlieferte Wehrverfassung (‚Wehrfreiheit‘) ins Treffen führte.“ Die Basis für diese Aufstände bildete ein ausgeprägter Kommunalismus, denn die Eingriffe in die kommunalen und regionalen Selbstverwaltungen wirkten sich unmittelbar auf die Lebenswelt der Betroffenen aus. Der relativ autonome Raum an der Peripherie wehrte sich damit gegen den in dieser Zeit verstärkten Zugriff der Zentrale.180 Auch die Konskription, die aufgrund des steigenden Bedarfs an Soldaten eingeführt wurde, stellte einen wesentlichen Grund für den Ausbruch des Aufstandes dar.181 Allerdings wäre dieser ohne Aufmunterung durch die Wiener Politik nicht denkbar gewesen.182 Insbesondere Erzherzog Johann hatte sich seit 1805 für eine breitere Volksbewaffnung nach dem Vorbild Frankreichs ausgesprochen.183 Dementsprechend hatten Erzherzog Johann und Philipp Stadion gegen die Meinung Erzherzog Karls auf einen deutschen „Nazionalkrieg“ gegen Napoleon gesetzt.184 Wenige Jahre später wurden die zahlreichen vorarlbergischen Stellungsflüchtigen in der Ostschweiz „willige Werkzeuge“ zur Vorbereitung einer neuerlichen Rebellion in den südwestlichen Gebieten des Illerkreises. So wirkte etwa im August 1813 der einstige Frastanzer Kronenwirt Johann Frick, von einer Tochter des ehemaligen Montafoner Landammannes Battlogg begleitet, in Vorarlberg gegen Bayern. Der einstige Hauptmann Berkmann von Reichezer aus sammelte die Stellungsflüchtigen und warb diese für Österreich und die

180 Vgl. MAZOHL: Zwischen Reichsverfassung und Staatsabsolutismus. 181 SCHENNACH, 1792 bis 1814, S. 9f. 182 STAUBER: Das Jahr 1809 und seine Vorgeschichte im napoleonischen Europa, S. 23. 183 MAZOHL: Die Wiener Politik und Tirol, S. 46. 184 MAZOHL: Die Wiener Politik und Tirol, S. 47.

72 Ländliche Eliten im Wandel

verbündeten Staaten an.185 Eine Schließung der Grenze war nahezu unmöglich. Der Verkehr über die Gebirgspässe, häufig als Wallfahrten nach Einsiedeln getarnte Unternehmungen und die seit geraumer Zeit bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen Vorarlberg und Graubünden boten mannigfache Gelegenheiten zu heimlicher Verständigung.186

1.4.4. Reorganisation unter Österreich

Am 7. Juli 1814 erfolgte in Bregenz die offizielle Übergabe der „Vorarlbergischen Lande an das Haus Oesterreich“. Folgende Sätze sind der Rede des bayerischen Hof- und General-Kommissars von Stichaner entnommen:

Die königl. [bayerische] Regierung hat dieses Pfand mit mütterlicher Sorgfalt bewahrt, sie hat das Land wie ein Schiff im Sturme geleitet, und sicher wieder in seinen Hafen zurückgeführt. Nur mit innigster Wehmuth konnte sie sehen, welche Wunden der Krieg auch diesem Lande geschlagen hat, wie sehr Handel und die Industrie seiner fleissigen Bewohner gelitten, und der Wohlstand derselben abgenommen hat. War sie auch nicht im Stande alles Unglück von dem Lande abzuwenden, so war sie doch ununterbrochen bemüht, dasselbe von den Kriegslasten […] möglichst zu schonen, Religion und Gerechtigkeit aufrecht zu halten, die Gemeinden vor Überschuldung zu bewahren, die öffentlichen Institute und Unterrichts-Anstalten zu verbessern, und immer die sorgfältigste Wahl der geistlichen und weltlichen Vorsteher zu treffen. […] Das letzte Geschäft meiner Verwaltung sey dem Danke für die Dienste der getreuen und guten Beamten des Landes, und einem ehrenvollen Zeugnisse für seine Vorsteher und Bewohner gewidmet.187

Nachdem Österreich zunächst die ehemaligen Einrichtungen der vorherigen Regierung provisorisch beibehielt, erfolgten im Dezember 1814 die ersten Verwaltungsänderungen. Tirol und Vorarlberg wurden zu einer Provinz des

185 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 2f. 186 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 4. 187 Wiener Zeitung v. 28.7.1814, S. 1.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 73

Kaiserstaates zusammengefasst und in Innsbruck wurde das zuständige Gubernium eingerichtet.

„Bezeichnend ist, daß Tirol jetzt nicht mehr als ‚Land Tirol‘ angesprochen wurde, sondern als ‚Provinz‘, womit die Unterordnung unter die Wiener Zentralstellen bzw. die Gleichstellung mit den übrigen Territorien des Kaiserstaates ausgedrückt war.“188

Unterhalb des Guberniums wurden sieben Kreisämter eingerichtet und nochmals eine Stufe tiefer blieben die bayerischen Landgerichte im Wesentlichen bestehen und umfassten auch den unter bayerischen Regierung übertragenen Aufgabenbereich als Verwaltungs-, Aufsichts- und Justizbehörden. Als 1817 die neue Organisationsstruktur der örtlichen Gerichte verlautbart wurde, war deren Zahl auf 99 (mit Vorarlberg 106) gesunken.189 Das Gemeindewesen wurde auf die bayerischen Vorarbeiten aufbauend nunmehr vollkommen der staatlichen Aufsicht unterworfen.190

1.5. Demographische Entwicklungen

Im alpinen ländlichen Raum Westtirols und Vorarlbergs wuchs die Bevölkerung im 18. und 19. Jahrhundert – im Gegensatz zu den Anerbengebieten im Tiroler Unterland und dem Großteil des deutschsprachigen Ostalpenraumes – etwas rascher an, obwohl es auch innerhalb dieses Bereichs große regionale Unterschiede gab.191 Insgesamt ist in den Gebirgsräumen Tirols und Vorarlbergs eine vergleichsweise langsame Bevölkerungszunahme zu beobachten, während in den Industriegebieten wie etwa dem Rheintal die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner starke Zuwachsraten aufwies.192 So stagnierte oder schrumpfte die

188 HAMM: Die bayerische Integrationspolitik, S. 345. 189 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 78. 190 BUNDSMANN: Die Entwicklung der politischen Verwaltung, S. 211-223. 191 MATHIEU: Geschichte der Alpen 1500-1900, S. 29. 192 DIETRICH: Die Bevölkerungsentwicklung Tirols, S. 125.

74 Ländliche Eliten im Wandel

Bevölkerung in den Randgebieten des Dauersiedlungsraumes in den hochgelegenen Seitentälern, während in den Haupttälern ein bedeutendes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen war. Die Bevölkerung im Montafon wuchs von 7.442 Einwohnern im Jahr 1754 nur langsam auf 8.669 im Jahr 1837 an und ging in den folgenden Jahrzehnten sogar wieder auf den Stand der 1750er Jahre zurück.193

Gemeinde 1754 1823 1837 1869 Bartholomäberg 1208 1359 1316 1197 Gaschurn 1010 1136 1093 1101 Lorüns 129 (inkl. ) 98 108 106 St. Anton 71 120 104 95 St. Gallenkirch 1351 1535 1560 1316 Schruns 1236 1511 1561 1394 Silbertal 578 628 708 646 Stallehr 81 102 66 Tschagguns 1155 1219 1207 1006 704 933 910 711

Bevölkerungsentwicklung in den Montafoner Gemeinden 1754-1869194

Zwischen 1809 und 1828 war das Bevölkerungswachstum in Tirol im Jahresschnitt vergleichbar hoch mit jenem anderer Regionen Europas. In den darauf folgenden zwei Jahrzehnten hingegen nahm die Einwohnerzahl zwar weiter zu, den Jahresdurchschnitt von 1 %, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts europaweit im Durchschnitt verzeichnet wurde, erreichte Tirol aber bei weitem nicht.195 Die Daten in den folgenden Tabellen beziehen sich auf das jeweilige Territorium zum Zeitpunkt der Zählung und können dementsprechend variieren. So gehörten etwa im Jahr 1754 das Gericht Axams sowie die Gemeinden Reschen,

193 KLEIN: Die Bevölkerung Vorarlbergs, S. 167. 1786: 8115, 1808: 8156, 1823: 8620 194 KLEIN: Bevölkerung Vorarlbergs 1754, S. 168. 195 LEONARDI: 1809-2009, S. 36.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 75

Graun, Haid und Langtaufers im Gericht Nauders zum Kreis Oberinntal. Nach der Neustrukturierung des Gerichtswesens im Jahr 1815 wurde das Gericht Glurns im Etschtal dem Oberinntaler Kreis eingegliedert, das Gericht Axams wurde hingegen abgetrennt und dem Kreis Unterinntal zugeschlagen. Auch der Kreis Vorarlberg, der erst im Jahr 1786 in dieser Form eingerichtet wurde, veränderte seine Grenzen mehrfach, die Angaben aus dem Jahr 1754 beziehen sich auf die Gebiete der später installierten Kreisämter.196 Jahr Bevölkerung absolut Familien 1754 63.874 9.035 1785 76.860 10.772 1802 88.123 - 1828 89.980 - 1835 92.752 - 1840 93.797 - 1848 95.705 -

Bevölkerungsentwicklung im Kreis Oberinntal 1754-1848197

Jahr Bevölkerung absolut Familien 1754 58.500 11.000 1786 71.700 14.570 1800 76.500 - 1811 79.892 15.729 1818 80.600 - 1825 86.600 - 1834 95.656 16.858 1840 100.252 17.203 1846 105.062 17.727

Bevölkerungsentwicklung im Kreis Vorarlberg 1754-1848198

196 KLEIN: Historisches Ortslexikon Tirol, S. 2. 197 KLEIN: Historisches Ortslexikon Tirol, S. 2. 198 KLEIN: Historisches Ortslexikon Vorarlberg, S. 2.

76 Ländliche Eliten im Wandel

Im gesamten Untersuchungsraum lebten demnach in den Jahren um 1800 durchschnittlich 160.000 Menschen. Die Bevölkerungsdichte war in den alpinen Regionen besonders hoch, da der Dauersiedlungsraum nur sehr geringe Flächen einnahm und große hochgelegene Flächen nur temporär und extensiv genutzt werden konnten, sich also einer dauerhaften Besiedlung entzogen. Außerdem ist das Verhältnis der Anzahl der Familien beziehungsweise Haushalte zur Anzahl der Häuser, das deutlich über dem Wert 1 lag, vor dem Hintergrund der in der Region praktizierten Realteilung im Erbrecht zu sehen. Dies zeigt sich auch an der durchschnittlichen Familiengröße sowie an der durchschnittlichen Personenzahl pro Wohnhaus in den Kreisen Oberinntal und Vorarlberg:199

Landgericht Familiengröße Familiengröße Personen/Haus Personen/Haus 1811/12 1835 1811/12 1835 Glurns 4,1 4,4 6,6 7,8 Nauders 4,4 4,7 8,8 10,2 Ried (Ladis) 4,2 4,6 8,2 8,1 Landeck 4,2 4,8 8,1 8,6 Imst 4,7 4,9 7,9 8,2 Reutte 4,3 4,7 5,3 5,6 Silz (Ötz) 4,5 4,9 6,7 6,7 Telfs 5,4 5,4 8,2 8,6

199 GÜNTHER: Südbayern und Westösterreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts, S. 71f.

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 77

Landgericht Familiengröße Familiengröße Personen/Haus Personen/Haus 1811/12 1835 1811/12 1835 Bregenz 4,4 5,7 5,6 6,6 Bregenzer- 4,7 4,7 4,5 5,0 wald Dornbirn 4,4 5,4 5,4 6,4 Feldkirch 4,3 4,8 5,4 6,4 Sonnenberg 4,3 4,6 5,1 6,0 Montafon 3,8 4,0 4,1 4,2

Die absoluten Zahlen zur Bevölkerung sowie zum Häuserbestand sahen im Jahr 1840 im Landgericht Montafon200 sowie im Landgericht Ischgl und Galtür201 folgendermaßen aus:

Gemeinde Bewohner männliche weibliche Familien Häuser Schruns 1561 765 796 399 340 Bartolomäberg 1316 637 679 322 320 St. Antoni 104 39 65 26 23 Lorüns 108 55 53 24 22 Vandans 910 436 474 240 210 Tschagguns 1207 573 634 291 297 St. Gallenkirch 1560 736 824 376 381 Gaschurn 1093 533 560 274 273 Silberthal 708 334 374 167 167 Stallehr 102 47 55 25 18 Zusammen 8669 4155 4514 2144 2051

200 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 7. 201 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 149.

78 Ländliche Eliten im Wandel

Ischgl 599 263 336 164 112 Mathon 245 133 112 62 48 Galtür 388 192 196 103 75 Zusammen 1232 588 644 329 235

Die Bevölkerungsdichte in Bezug auf den Dauersiedlungsraum stellte sich wie folgt dar:

Gemeinde Bewohner Fläche Dauersiedlungs Bevölkerungs Bevölkerungsdichte (2008) raum (2008)202 dichte Dauersiedlungsraum Schruns 1561 18,06 4,71 86,43 331,42 Bartholomäberg 1316 27,19 9,2 48,40 143,04 St. Anton 104 3,39 0,96 30,68 108,33 Lorüns 108 8,35 1,09 12,93 99,08 Vandans 910 53,74 3,44 16,93 264,53 Tschagguns 1207 57,56 6,34 20,97 190,38 St. Gallenkirch 1560 127,99 7,74 12,19 201,55 Gaschurn 1093 175,28 5,23 6,24 208,99 Silbertal 708 88,65 3,6 7,99 196,67 Stallehr 102 1,64 0,52 62,20 196,15 Summe 8669 561,85 42,83 15,43 202,40

Ischgl m. Mathon 844 103,01 4,47 8,19 188,81 Galtür 388 122,06 1,76 3,18 220,45 Summe 1232 225,07 6,23 5,47 197,75

Die Bevölkerungsentwicklung wurde im Zeitraum zwischen 1770 und 1830 auch durch verschiedene Lebensraumkrisen beeinflusst. Immer wieder verursachten katastrophenartige Einbrüche durch Blattern, Masern, Scharlach, Typhus, Cholera, Ruhr, Keuchhusten, Diphterie und „Croup“ bedeutsame Schwankungen der Mortalitätsziffern verursacht. Durchschnittlich ein Drittel der insgesamt an akuten Infektionskrankheiten Verstorbenen fielen den Blattern, Masern und Scharlach

202 Statistik : https://www.statistik.at/web_de/klassifikationen/regionale_gliederungen/dauersiedlungsraum/in dex.html

Regionale Strukturbedingungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 79 zum Opfer. Säuglinge und Kleinkinder waren am stärksten betroffen.203 In den Kriegsjahren 1796/97 und 1800/01 war etwa das Stanzertal von Blatternepidemien betroffen. Im Jahr 1800/01 fielen dort zumindest 180 Kinder der Seuche zum Opfer.204 In Bezug auf eine Ungleichheit der Sterblichkeit lässt sich vorsichtig feststellen, dass Angehörige der Oberschicht vornehmlich vom Ausbau sowie der Weiterentwicklung medizinischer und hygienischer Maßnahmen und der Stabilisierung der Nahrungsmittelversorgung profitierten und dementsprechend etwas weniger von der Mortalität betroffen war.205

203 DIETRICH: Die Bevölkerungsentwicklung Tirols, S. 127. 204 SPISS: Saisonwanderer, Schwabenkinder und Landfahrer, S. 27. 205 RIESER: Sterben, Tod und Trauer, S. 72.

Die ländliche Oberschicht 81

2. DIE LÄNDLICHE OBERSCHICHT

2.1. Die Sozialstruktur der ländlichen Gesellschaft

Der ländliche Raum in Westtirol und Vorarlberg war zwar stark von der Landwirtschaft geprägt, stellte jedoch nicht ausschließlich eine Welt von Bauern dar.206 Ein großer Teil der Bevölkerung in der Untersuchungsregion war einerseits persönlich frei und bewirtschaftete bäuerliche Kleinstbetriebe, erwarb zusätzlich durch Nebenerwerbshandwerk oder saisonale Arbeitsmigration einen bedeutenden Teil des Haushaltseinkommens. Insbesondere im 18. Jahrhundert arbeiteten tausende Männer aus Westtirol und Vorarlberg im Baugewerbe in den umliegenden Ländern. Die Männer exportierten dabei ihre Arbeitskraft als Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen. Im Frühjahr wanderten die Arbeitsmigranten nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz. Die meisten dieser mobilen Arbeiter kehrten nach der sommerlichen Erwerbstätigkeit wieder in ihre Heimatdörfer zu ihren Familien zurück. Die zurückgebliebenen Frauen und Kinder hatten während der Abwesenheit der Männer die Höfe bewirtschaftet. Die temporäre Auswanderung beschränkte sich jedoch nicht nur auf die erwachsene männliche Bevölkerung. Auch Kinder und Jugendliche wurden als billige Arbeitskräfte in den südwestdeutschen Raum vermittelt und verbrachten dort bereits in der Kindheit intensive Arbeitsaufenthalte in der Fremde.207

„Das Tal Montafon ist übrigens eines der ärmsten von Vorarlberg. [...] Fast alle Bauerngüter sind so klein, daß darauf in der Regel nur 2 bis 3 Kühe, einige Ziegen und Schafe gehalten werden können.“208 Dieser Auszug aus einem Bericht des Vorarlberger Kreishauptmannes Johann Ebner aus dem Jahr 1835 beschreibt kurz

206Vgl. BECK: Unterfinning, S. 220f. 207 KASPER: Vorarlberg und Tirol, S. 37. 208 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmannes Ebner, S. 94.

82 Ländliche Eliten im Wandel

und prägnant die wirtschaftliche Situation des Montafons am Beginn des 19. Jahrhunderts. Viele Männer wanderten den Sommer über als Bauarbeiter ins Ausland, zahlreiche Frauen verdingten sich im Herbst als Erntehelferinnen im süddeutschen Raum oder in der Schweiz und bis zu 700 Montafoner „Schwabenkinder“ wurden alljährlich auf Märkten in Südwestdeutschland als Hütebuben oder Kindermädchen von wohlhabenden Bauern „ersteigert“.209 In Bezug auf die Einkommensverhältnisse des Großteils der Montafoner Haushalte hielten die Beamten der bayerischen Verwaltung in einem Bericht aus dem Jahr 1807 daher auch folgendes fest:

Die meisten Familien könnten gar nicht leben, wenn nicht ein oder zwei hievon sich mit der Maurer-Schreinerprofession – oder dem Sensenhandel Verdienst im Ausland erwerbeten, denn von diesen bringet einer im Herbst bis 100 f auch noch mehr zurück.210

Im Gegensatz zu dieser letzten Angabe wurde der jährliche Verdienst der im Ausland arbeitenden Maurer, Tischler oder Zimmerer für das Jahr 1839 im Durchschnitt mit lediglich 31 Gulden und 33 Kreuzern berechnet. Die Bandbreite der Einkommen schwankte dabei zwischen 20 und 80 Gulden.211 Die Saisonarbeit hatte jedoch in Bezug auf den Lebensstil mancher Arbeitsmigranten auch zwiespältige Auswirkungen, wie die berühmte Predigt des Kappler Kuraten vom 21. Oktober 1825 verdeutlicht:

„Wo bin ich heute? Bin ich wohl bei den Kapplern im Paznaun? Ich zweifle gar sehr; mir kommt alles so spanisch vor. Bin ich am Ende gar in London oder in Potsdam, in Prag oder Amsterdam, in Berlin, in Paris oder in Wien? Sapperlot, wo bin ich denn? Ich sehe nämlich heute lauter Herren, und zwar flott und nobel gekleidete Herren vor mir, daß mir da oben auf der Kanzel der Schwindel kommt vor lauter Ehrfurcht und Respekt. Aber – sagt mir

209 UHLIG: Vorarlberger Schwabenkinder, S. 158. 210 VLA, Vorlass Hubert Weitensfelder, Sch. 2, Kopien Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Jahresbericht Landgericht Montafon 1806. 211 STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, S. 374.

Die ländliche Oberschicht 83

doch, wer sind denn eigentlich die schönen und nobel aufgeputzten Herren? Ah, so! Jetzt kenne ich einige davon: Es ist ein eingefleischter Paznauner Klötz! Doch, beileibe, sei fein höflich; sie nennen sich jetzt im Winter ‚Herren‘: sie sind Herren Maurer, Herren Steinmetz, Herren Kalkrührer, aber Herren sind sie bloß im Winter. Im Langes sind sie Drahtzieher, Schnallendrücker – zu deutsch Bettler. Und nachher im Sommer? Da sind sie gestreckt voll Läus. Also sehet: diese noblen herausgeputzten Herren, jetzt andächtig in der Kirche versammelt sind: I. Winterherren, II. Langesbettler, III. Sommerläuser.“212

Die Landwirtschaft wurde dadurch oft zum Nebenerwerb reduziert und statistisch gesehen kamen auf jede Person lediglich 0,53 Rinder – ein etwa im Vergleich zum Tannberg mit 1,05 Rindern pro Kopf recht niedriger Wert.213 Dementsprechend berichtete etwa der Tschaggunser Gemeindevorsteher Johann Joseph Grold 1838, dass in seiner Gemeinde kein Bauerngut so gross [ist], dass sich eine Familie nur allein vom Gutsertrag, ohne andere Erwerbsquellen, ernähren kann.214 Nach der Auffassung des Ischgler Chronisten Johann Christian Zangerl befanden sich 1840 jedoch nur wenige Arme in der Gemeinde.215 In den Jahren 1812/13 schätzten die Montafoner Landgerichtsbeamten hingegen die Zahl der Armen im Tal auf mindestens 350.216

Armut und Reichtum sind daher immer als relative Begriffe anzusehen, die zu jeder Zeit andere Bedeutungen hatten und – eingebettet in den jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen und geistigen Kontext – mehrere Abstufungen kannten.217 Die Zeit um 1800 erscheint aus heutiger Perspektive als

212 SPISS: Saisonwanderer, Schwabenkinder und Landfahrer, S. 79. 213 NIEDERSTÄTTER: Bemerkungen zur Rinderhaltung, S. 123. 214 MA, ZKA, Gemeindevorstehung Tschagguns an Landgericht Montafon, 4.7.1838. 215 TLMF, W20548-50. 216 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 77. 217 Im Rahmen dieser Arbeit kann und soll keine Darstellung zur Begriffsgeschichte der beiden Phänomene unternommen werden. Als mögliche Ansätze zur zeitgenössischen Definition können jedoch die im 18. Jahrhundert verfassten Artikel im Zedler’schen Universallexicon herangezogen werden: „Armuth, wird in verschiedenen Verstande genommen. Uberhaupt nennet man denjenigen arm, welchem die Kräffte mangeln. Also spricht man von einem krancken Menschen, er sey ein armer Mensch, und ein Sünder heißt ein armer Sünder. […] Ins besondere aber wird derjenige arm genennet, welcher kein äusserliches Vermögen hat, es mag nun entweder in Gelde,

84 Ländliche Eliten im Wandel

eine „Sattelzeit“ zwischen zwei großen historischen Epochen, als eine Zeit des Umbruchs zwischen der alten traditionell-ständischen Gesellschaft und der neuen bürgerlichen Lebensweise.218 Der Bregenzer Kreishauptmann Franz Anton von Daubrawa stellte 1819 in seinem Kreisbereisungsbericht über das Montafon in Bezug auf die dort herrschende Armut fest: „Gassenbettel besteht keiner mehr. Ich fand auch diesfalls einen erfreulichen Unterschied gegen das Jahr 1815, wo ich schon im ersten Orte von einer Menge Kinder angebettelt wurde.“219 Diese Feststellung verweist auf die problematische Lage weiter Bevölkerungskreise in den Jahren zwischen 1792 und 1815, als nahezu ununterbrochen Kriege, politische Umwälzungen sowie damit in Zusammenhang stehende soziale und wirtschaftliche Komplikationen weitreichende Verarmungsprozesse in Gang setzten oder verstärkten, aber auf der anderen Seite auch vereinzelt die Akkumulation großer Vermögen ermöglichten. Dabei ist insbesondere der enge Zusammenhang zwischen Reichtum und Armut zu beachten, denn die strukturellen Bedingungen der Gesellschaft, die den Rahmen für Armut und Verarmen markierten, ermöglichten, begünstigten oder förderten auch die Entstehung materiellen Reichtums und die auf ihm beruhende Macht.220 Armut war und ist auch ein geschlechtsspezifisches Problem, von dem Frauen stärker betroffen waren und sind als Männer.221 Im Montafon zeigte sich dieses Phänomen unter anderem daran, dass für Frauen kaum Möglichkeiten bestanden, einer qualifizierten Arbeit nachzugehen, während für die Männer immerhin in der

oder in Sachen, die Geldes werth sind bestehen. […]“ Armuth, in: Grosses vollständiges Universallexicon Aller Wissenschaften und Künste, […], Band 2, Halle/Leipzig 1732, S. 1555. „Reichthum, […] ist ein solcher Vorrath von zeitlichen Gütern, daß man mehr hat, als man brauchet. Man braucht Vermögen zu seiner Norhdurfft, Bequemlichkeit und zum Wohlstande, so wohl auf die gegenwärtige, als künfftige Zeit. Wer nun mehr hat, als er wahrscheinlich braucht, der ist reich, folglich bestehet der Reichthum in einem Uberflusse. […]“ Reichthum, in: Grosses vollständiges Universallexicon Aller Wissenschaften und Künste, […], Band 31, Halle/Leipzig 1742, S. 198. Beide Begriffe kennzeichnen eine große semantische Spannweite und ein entsprechend umfangreiches Interpretationspotenzial in verschiedenste Richtungen. Vgl. MELICHAR: Alter, neuer und verlorener Reichtum, S. 166. 218 KASCHUBA: Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten, S. 5. 219 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmannes Ebner, S. 38. 220 BRÄUER: Armut in Mitteleuropa 1600 bis 1800, S. 17f. 221 VEITS-FALK: Armut an der Wende zum Industriezeitalter, S. 93f.

Die ländliche Oberschicht 85

Arbeitsmigration dementsprechende Chancen bestanden. Viele Frauen aus der Unterschicht waren außerdem Mütter illegitimer Kinder. So beklagten die Montafoner Priester in ihren „Moralitätsberichten“ insbesondere die hohe Zahl unehelich geborener Kinder, als deren Mütter häufig junge Frauen benannt wurden, die auswärts in Diensten gewesen und schwanger nach Hause zurückgekehrt waren. 1838 berichtete etwa der St. Gallenkircher Pfarrer Klehenz über die Situation in seiner Pfarre:

„Unter den Geburten ist, wie unter den Trauungen, eine militärische, und zwar ehelich 13 männliche, 11 weibliche; uneheliche 3 männliche und 3 weibliche. Einige dieser Mütter kamen vom Verdienste aus der Schweiz und benachbarten Gebieten in diesem Zustande heim. Der Notfall, das Brot im Ausland verdienen zu müssen, bringt keinen moralischen Segen. Gassenbettel, … Nachtschwärmerei und Rauferei ist noch nicht ganz verschwunden …“.222

Auch der Silbertaler Priester verfasste diesbezüglich im Jahr 1842 einen ähnlichen Bericht:

„Von einer solchen Person wurde ein uneheliches Kind hoc anno aus der Fremde gebracht; dessen Mutter nun physisch und moralisch krank ist. Die Bettelei hatte seit langem so tief gewurzelt, daß sie bei den Alten fast unmöglich, bei den Jungen sehr schwer auszurotten ist.“223

Die soziale Schichtung der Gesellschaft einer Region hängt eng mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen, denn über das Bevölkerungswachstum werden die sozialen und ökonomischen Wandlungsvorgänge durch die Verfügbarkeit von Ressourcen stark beeinflusst. Eine zunehmende Bevölkerungsdichte wirkt sich in einer agrarischen Gesellschaft, in der

222 DAF, Moralitätsberichte Sch. XI, Moralische Übersicht der Pfarre St. Gallenkirch im Solarjahr 1838, zitiert nach: KIERMAYR-EGGER: Zwischen Kommen und Gehen, S. 38. 223 DAF, Moralitätsberichte Sch. XI, Status Moralitatis in Parochia Silberthal, 31.12.1842, Pfarrer Gmeiner an das Generalvikariat, zitiert nach: KIERMAYR-EGGER: Zwischen Kommen und Gehen, S. 38f.

86 Ländliche Eliten im Wandel

Lebenschancen vor allem über den Zugriff auf landwirtschaftlich nutzbare Flächen abhängen, in erheblichem Maß auf die Sozialstruktur der ländlichen Gesellschaft aus. Obwohl sich das System der sozialen Ungleichheit als Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie Macht- und Herrschaftsverteilung, ökonomischer Lage und kulturellen Entwürfen der Weltdeutung darstellt,224 soll vorerst nur die wirtschaftliche Position im dörflichen Sozialgefüge Beachtung finden. Diese Reduktion der Faktoren, die soziale Schichtung definieren können, hängt neben der grundlegenden Bedeutung, welche wirtschaftliche Ressourcen für das Zusammenleben in der lokalen Gesellschaft hatten, auch mit dem Problem der Verfügbarkeit von Quellen zusammen. Da nämlich keine den Steuerverzeichnissen adäquate Quellen, nach denen außerökonomische Schichtungsdimensionen messbar wären225, gefunden werden können, soziales und kulturelles Kapital demnach nicht quantifizierbar sind, können Verschiebungen im sozialen Gefüge nicht so dargestellt werden, wie das bei ökonomischen Bewegungen der Fall ist.226

Zur Rekonstruktion der dörflichen Vermögensverhältnisse und darauf aufbauend der sozialen Schichtung im ländlichen Raum können unter anderem Steuerbücher beziehungsweise Steuerlisten herangezogen werden. Unter der Annahme, dass das Steueraufkommen eng mit der tatsächlichen Wirtschaftskraft zusammenhing, lässt sich durch die Auswertung der Steuerverzeichnisse die wirtschaftliche Führungsschicht der jeweiligen Dörfer oder Steuerdistrikte eruieren. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Art der Steuererhebung sowie die Besteuerung

224 WEHLER: Gesellschaftsgeschichte I, S. 11; vgl. KOCKA: Theorien in der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte; KOCKA: Stand – Klasse – Organisation; WEHLER: Vorüberlegungen zur historischen Analyse sozialer Ungleichheit. 225 Auch die Erfassung der Inhaber von politischen Ämtern auf kommunaler Ebene stellt hierbei keine Alternative dar, da zumeist die Kriterien, nach denen zu ermessen wäre, ob und wie Ämter nach anderen als ökonomischen Gesichtspunkten vergeben wurden, fehlen. Vgl. MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 77. 226 MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 76; die Problematik findet sich auch bei zahlreichen anderen Untersuchungen zum Thema: SCHISSLER: Preußische Agrargesellschaft im Wandel, S. 43-47, 72-104; MOOSER: Ländliche Klassengesellschaft, S. 22-28, 182-245, 298-316; KASCHUBA: Bauern und, S. 87- 94; FRANK: Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität; SABEAN: Property, S. 22-24, 61-65; MEDICK: Weben, S. 183-205.

Die ländliche Oberschicht 87 verschiedener Berufsgruppen sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und sich auch deutlich verändern konnte. So wurde etwa unter der bayerischen Regierung in Tirol und Vorarlberg in den Jahren zwischen 1807 und 1811 ein völlig neues Steuersystem eingeführt, das auf einem neuen Kataster basierte, dementsprechend auf anderen Bemessungsgrundlagen beruhte und sich aus der Dominikal-, Grund-, Haus- und Gewerbesteuer zusammensetze.227 Durch diese einschneidende fiskalische Reform wurde am Beginn des 19. Jahrhunderts das alte ständische Steuerwesen, das über Jahrhunderte die ländlichen Gerichte gegenüber den anderen Ständen stark benachteiligt hatte,228 abgelöst. Die mitunter recht willkürliche Steuereinhebung der Stände wurde durch eine steuerliche Gleichstellung aller Bewohner ersetzt.229 Der Widerstand gegen diese Neuerungen ging verständlicherweise hauptsächlich von denjenigen aus, deren Einkünfte hoch genug waren, um die neue Steuerordnung empfindlich zu spüren, beziehungsweise von denjenigen, die das alte System administriert und davon selbst beträchtlich profitiert hatten.

227 Das Allgemeine Steuer-Provisorium für die Provinz Baiern betreffend, in: Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1808, Sp. 1089–1196. 228 FRIEDRICH: Die Verfassung des Landes Tirol, S. 241f. 229 Vgl. GNAIGER: Vorarlberg zur Bayernzeit, S. 95–98; HAMM: Die bayerische Integrationspolitik, S. 265.

88 Ländliche Eliten im Wandel

Abb. 21 Auszug aus dem Steuerbuch Tschagguns 1800

So hob auch der Stand Montafon von Stallehr bis Partenen nahezu alle öffentlichen Abgaben ein und leitete diese an die landständische Kasse oder das herrschaftliche Vogteiamt weiter. Da es sich um eine reine Vermögenssteuer handelte, kann von der jeweiligen Steuerleistung unmittelbar auf das Vermögen des oder der Steuerpflichtigen geschlossen werden. Die Steuerzahlenden – in den Steuerakten häufig Kontribuenten genannt – mussten an einem festgesetzten Tag ihr gesamtes Vermögen vor einer lokalen Steuerkommission, die sich aus einem kommunalen Amtsträger wie etwa einem Gemeindevorsteher und zwei gewählten Gemeindeangehörigen zusammensetzte, bekanntgeben und darauf schwören, daß sie all ihr Gut – liegend u. fahrend – Geld und Geldwerth dargegeben hatten. Das Vermögen der meisten Steuerpflichtigen bestand in erster Linie aus Realitäten, setzte sich aber zudem aus verliehenen Kapitalien, zumeist recht kleinen Summen an Bargeld, Vieh und allen

Die ländliche Oberschicht 89 vorhandenen Mobiliaren zusammen. Die Kommission überprüfte die Angaben des jeweiligen Kontribuenten und zog von den vorhandenen Werten die auf dem oder der Steuerzahlenden lastenden Schulden ab, um das tatsächliche Vermögen zu ermitteln. Erst dieser Wert fand für die Festsetzung der Besteuerung Anwendung. Wenn jemand Vermögenswerte verschwieg und dieser Straftat überführt wurde, war die Steuerkommission befugt das verschwiegene Vermögen entweder gänzlich beziehungsweise zum Teil zu konfiszieren oder nach ihrem Gutdünken [mit einem höheren Steuersatz] zu belegen.230 Aufgrund dieser Kontrolle durch die Mitglieder der Steuerdeputation, welche die Vermögensverhältnisse der Gemeindeangehörigen gewöhnlich recht genau einschätzen konnten, wagte es nicht leicht ein Steuerpflichtiger, unrichtige Aussagen über sein Vermögen zu tätigen, weil er die Entdeckung der falschen Angaben bereits mit Gewißheit voraus sehen konnte. Oefter trat der umgekehrte Fall ein, daß mancher Kontribuent theils um sich grössern Kredit zu erwerben, theils auch aus Eitelkeit sein Vermögen weit höher [angab], als es sich in der Wirklichkeit belief.231 Im Montafon wurde jedoch ohnehin in den meisten Fällen auf die Angaben durch die einzelnen Steuerpflichtigen verzichtet und das Vermögen allein von der Steuerkommission geschätzt. Zumeist war der Vermögensstand, der ja zum Großteil in immobilen Werten – also Haus- und Grundbesitz – bestand,232 auch kaum vor der Öffentlichkeit zu verbergen und dementsprechend der Steuerdeputation ziemlich genau bekannt. Die Vermögensschätzung durch die Steuerkommission, die auch als „Augsteuer“ bezeichnet wurde, war tendenziell eher niedrig angesetzt, sodass nur etwa zwei Drittel des wahren Vermögens als Steuerkapital angenommen wurden. Ein Vermögen von hundert Gulden wurde mit dem terminus technicus einer „Marke“233 bezeichnet. Aus der Zusammenstellung aller Vermögensschätzungen kam man schließlich auf die Summe aller Marken im Ort beziehungsweise im Steuerdistrikt. Entsprechend der

230 VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Landgericht Montafon an Kreisamt Bregenz 16.8.1833. 231 TLMF, FB 2076, Nr. 156, Bericht des Kreisamtes Vorarlberg die Vermögenssteuer in Vorarlberg betreffend, 1835. 232 FITZ: Die Frühindustrialisierung Vorarlbergs, S. 40. 233 Die „Marken“ waren auch die Recheneinheit in den Steuerbüchern und Steuerprotokollen.

90 Ländliche Eliten im Wandel

Höhe der von der jeweiligen Institution geforderten Steuern, die sich sowohl aus Gemeinde- und Gerichtsumlagen, als auch aus ständischen und staatlichen Abgaben zusammensetzten, wurde berechnet, welcher Geldbetrag von jeder Marke eingefordert werden musste, um die gesamte von der Talschaft zu leistende Summe aufzubringen. Der von Jahr zu Jahr variierende Geldbetrag wurde anschließend ausgeschrieben und von den Steuereinnehmern eingehoben.234 Die sogenannten „Steuerwaibel“ durften dabei manchmal pro Steuerzahlendem einen bestimmten Betrag als Entlohnung für sich selbst einnehmen. In den ereignisreichen Jahren um 1800 schwankten die pro Marke zu bezahlenden Geldbeträge erheblich. Während etwa 1770 lediglich 30 Kreuzer und 1771 gar nur 24 Kreuzer entrichtet werden mussten235, wurden 1798 bereits 2 Gulden 30 Kreuzer, 1799236 und 1801 sogar 4 Gulden237, 1802 2 Gulden 54 Kreuzer, 1803 2 Gulden 48 Kreuzer238 und 1806 2 Gulden 42 Kreuzer239 pro Marke eingehoben. In den Jahren 1798/99 hob der Stand Montafon auf der Basis dieser Berechnungsweise insgesamt 44.573 Gulden 45 Kreuzer240 und im Jahr 1806 17.716 Gulden 9 Kreuzer241 von der steuerpflichtigen Bevölkerung ein. Die Montafonerinnen und Montafoner hatten demnach im Jahr 1801 ungewöhnlich hohe Abgaben zu leisten. Der reichste Montafoner, Anthony Maklot aus Tschagguns, musste in diesem Jahr beispielsweise die immense Summe von 1.152 Gulden an Steuern entrichten.242 Die Hauptursachen für die außergewöhnlich hohen Abgaben in den Jahren um 1800 bestanden wohl in der Organisation der Landesverteidigung sowie in der Einquartierung und Verpflegung von

234 TLMF, FB 2076, Nr. 156, Bericht des Kreisamtes Vorarlberg die Vermögenssteuer in Vorarlberg betreffend, 1835. 235 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 20. 236 KASPER: Armut und Reichtum im alpinen Raum, S. 167f. 237 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 12. 238 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 22. 239 KASPER: Armut und Reichtum im alpinen Raum, S. 167f. 240 KASPER: Armut und Reichtum im alpinen Raum, S. 167f. 241 KASPER: Armut und Reichtum im alpinen Raum, S. 167f. 242 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 82/15.

Die ländliche Oberschicht 91

österreichischen und französischen Soldaten im Zuge und als Folge des Zweiten Koalitionskrieges, der auch Vorarlberg und das Montafon unmittelbar betraf.243

2.1.1. Vermögensstruktur am Beispiel der Region Montafon

Die Steuerbücher des Vorarlberger Marktortes und Gerichtssitzes Schruns aus den Jahren 1780/81244, 1800/01245, 1809/10246 und 1829/30247 ermöglichen eine exemplarische Rekonstruktion der Entwicklung der lokalen Vermögensverhältnisse und lassen auch die Erstellung eines Sozialprofils für dieses Dorf zu, da in allen Verzeichnissen das Vermögen die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung darstellte. Die Steuerbücher können wohl als „Rustikalsteuerregister“ bezeichnet werden, da sie weitgehend auf immobilem Vermögen – also Haus- und Grundbesitz – beruhten.248 Das gilt vor allem deswegen, weil größere Vermögen an Bargeld eine Ausnahme darstellten und etwa die Landgerichtsbeamten in Schruns berichteten, dass man in den „nächsten besten zehn Häusern zusammen nicht zehn fünf Gulden baares Geld finden würde“.249 Für die Auswertung der vier Steuerbücher wurden diese zunächst komplett erfasst, bezüglich des Durchschnittswertes, des Medianwertes250 und der reichsten Dezile251 ausgewertet und anschließend ein dreistufiges Steuerparteienmodell erstellt: Steuerpflichtige, die weniger als die Hälfte der durchschnittlichen Steuersumme aller Haushalte leisteten, wurden einer unteren Steuerklasse zugeordnet, während diejenigen, die mehr als das Doppelte der dörflichen Durchschnittssteuer entrichteten, in eine obere Steuerklasse eingereiht

243 KIRISITS: Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen, S. 66-75. 244 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 77/5. 245 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 77/13. 246 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 77/16. 247 VLA, Talschaft Montafon, Hds. u. Cod. 77/21. 248 Vgl. FITZ: Die Frühindustrialisierung Vorarlbergs, S. 40. 249 UHLIG: Die Schwabenkinder aus Tirol und Vorarlberg, S. 46. 250 Der Median bezeichnet eine Grenze zwischen zwei Hälften, er halbiert die Verteilung. 251 Dezile = zehn Prozent.

92 Ländliche Eliten im Wandel

wurden.252 Ferner wurde noch der Anteil, den die reichste Dezile entsprechend ihres Vermögens zum gesamten Steueraufkommen beitrug, berechnet. Auf der Basis der Vermögenssteuer kann daraus auf ihren Anteil an den gesamten im Dorf vorhandenen Werten geschlossen werden. Der prozentuale Anteil der Steuergruppen253 an der Gesamtbevölkerung stellte sich auf Grund dieser Berechnungen folgendermaßen dar:

1780/81 1800/01 1809/10 1829/30 Oberschicht 11,31 % 10,88 % 11,30 % 12,59 % Mittelschicht 24,46 % 31,18 % 27,97 % 24,43 % Unterschicht 64,22 % 57,94 % 60,73 % 62,97 % Steuerparteien 326 340 354 397 Durchschnitt 8,06 Mk254 10 Mk 8,69 Mk 7,91 Mk Median 2 Mk 3 Mk 2,5 Mk 2 Mk

Der Anteil der Oberschicht blieb demnach über den Untersuchungszeitraum hinweg relativ konstant. In den eher als stabil zu bezeichnenden Phasen um 1780 beziehungsweise 1830 war er sogar etwas stärker ausgeprägt. Parallel dazu war jedoch in diesen Jahren auch der Anteil der Unterschicht etwas erhöht und der durchschnittliche sowie der mediane Markenwert am niedrigsten. In den wechselvollen Jahren um 1800 und 1810 stieg im Gegensatz dazu der Anteil der mittleren Klasse, während sich sowohl jener der oberen als auch jener der unteren Steuerklasse ein wenig verringerte. Dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen. Bei genauerer Betrachtung der Steuerlisten zeigt sich jedoch, dass sich 1800/01 und 1809/10 der Anteil der Oberschicht verkleinert hatte, weil zahlreiche Wohlhabende in die mittlere Klasse abgerutscht waren und nur noch einige wenige besonders Reiche mit großem Abstand an der Spitze der

252 GREWE: Lokale Eliten im Vergleich, S. 99. 253 Die Bezeichnung „Schicht“ ist hier zunächst nicht als sozialwissenschaftlich definierter Begriff zu verstehen, sondern lediglich als Mittel zur Klassifizierung. 254 Mk = Marken.

Die ländliche Oberschicht 93

Steuerzahlerinnen und Steuerzahler standen. Durch diese abgestiegenen, aber immer noch sehr vermögenden Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner erhöhte sich gleichzeitig der Anteil der mittleren Steuerklasse. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Analyse der Steuerleistung der obersten Steuerpflichtigen-Dezile, denn 1780/81 und 1829/30 lag der Anteil, den sie erbrachte, bei ungefähr 60 Prozent, während er 1800/01 und 1809/10 lediglich knapp über 55 Prozent lag. Zu betonen ist ferner, dass es innerhalb der obersten Steuerklasse eine äußerst große Spannweite gab. Der reichste Schrunser Steuerzahler hatte 1809 beispielsweise ein mehr als doppelt so großes Vermögen als der Drittreichste. Der prozentuale Anteil der reichsten Dezile an der gesamten Steuerleistung betrug:

1780/81 1800/01 1809/10 1829/30 Marken 1.575,5 1.909,5 1.705,5 1.940,5 Anteil am 59,78 % 56,17 % 55,45 % 61,8 % gesamten Steueraufkommen

Bei einem Vergleich der Steuerbücher aller Montafoner Gemeinden aus den Jahren 1800/1801 (ausgenommen Lorüns/Stallehr 1790/1791)255 zeigen sich jedoch gewisse regionale Unterschiede in der Verteilung des Wohlstandes, denn die eher zentral gelegenen Gemeinden Bartholomäberg, Schruns, Silbertal und Tschagguns weisen deutlich höhere Steuerleistungen auf als die übrigen Ortschaften. Die ärmsten Dörfer befinden sich dagegen im inneren Montafon (Partenen, Gortipohl, Galgenuel, Gaschurn) sowie am Talbeginn im Einzugsgebiet der Stadt Bludenz (Lorüns, Stallehr, St. Anton).

255 VLA, Talschaft Montafon Hds. u. Cod. 77/13, 78/8, 79/10, 80/8, 81/12, 82/15, 83/10, 84/9.

94 Ländliche Eliten im Wandel

Steuerpflichtige und Steuerleistung 4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0 Gaschurn St. Anton Schruns Tschagguns Bartholomäberg Lorüns / Stallehr St. Gallenkirch Silbertal Vandans

Steuerpf lichtige Marken

Die durchschnittliche Steuerleistung pro Steuerhof war in St. Gallenkirch- Außerziggam und Schruns sowie in Bartholomäberg, Silbertal und Tschagguns am höchsten, während Partenen, Lorüns / Stallehr und Gortipohl mit Abstand die niedrigsten Mittelwerte aufwiesen. Der Median, der die Verteilung halbiert, liegt in Bartholomäberg und Silbertal am höchsten. Schruns und vor allem Tschagguns weisen hierbei einen deutlich niedrigeren Wert auf. Dies deutet darauf hin, dass die Vermögensverteilung in Bartholomäberg und Silbertal eher ausgewogen, in Schruns und vor allem Tschagguns aber recht ungleich war.

Gemeinde/Ortsteil Steuerpflichtige Marken Mittelwert Medianwert Bartholomäberg 313 2.472,5 7,9 3,5 Gaschurn 304 1.470 4,84 2,5 Außerbach 46 275,5 5,99 2,5 Gosta 83 515 6,2 2,5 Gundalatscher 49 234,5 4,79 3 Berg Partenen 54 161,5 2,99 2 Trantraues 60 261,5 4,36 2

Die ländliche Oberschicht 95

Lorüns / Stallehr 50 178,5 3,57 3 St. Anton 29 150,5 5,19 2,5 St. Gallenkirch 405 2.338,5 5,77 2,5 Außerziggam 82 902 11 2 Galgenuel 108 522 4,83 2 Gortipohl 119 429 3,61 2 Innerziggam 96 485,5 5,06 2,5 Schruns 340 3.399,5 9,99 3 Silbertal 151 1.082 7,17 3,5 Tschagguns 310 2.213 7,14 2,5 Vandans 201 1.080 5,37 2,5 Montafon 2.103 14.384,5 6,84 3

Die prozentuelle Verteilung der Steuerpflichtigen auf die drei Schichten wurde anhand des Durchschnittswertes für das gesamte Montafon berechnet. In der Tabelle bestätigen sich die bisherigen Ergebnisse, denn St. Gallenkirch- Außerziggam, Bartholomäberg, Gaschurn-Außerbach und Schruns weisen die höchsten Anteile der Oberschicht auf. In Partenen, Lorüns / Stallehr und Gortipohl finden sich hingegen kaum Angehörige der vermögenden Oberschicht. Der Anteil der Unterschicht liegt in eben diesen Orten sowie in Gaschurn, St. Anton und Tschagguns bei über sechzig Prozent.

Gemeinde / Ortsteil Unterschicht Mittelschicht Oberschicht Bartholomäberg 51,12 % 29,07 % 19,81 % Gaschurn 63,82 % 27,3 % 8,88 % Außerbach 58,7 % 21,74 % 19,57 % Gosta 57,83 % 28,92 % 13,25 % Gundalatscher Berg 57,14 % 36,73 % 6,12 % Partenen 77,78 % 20,37 % 1,85 % Trantraues 65 % 30 % 5 %

96 Ländliche Eliten im Wandel

Lorüns / Stallehr 68 % 30 % 2 % St. Anton 62,07 % 24,14 % 13,7 %9 St. Gallenkirch 58,27 % 31,36 % 10,37 % Außerziggam 50 % 23,17 % 26,83 % Galgenuel 59,26 % 32,41 % 8,33 % Gortipohl 64,71 % 31,93 % 3,36 % Innerziggam 59,38 % 33,33 % 7,29 % Schruns 52,65 % 29,71 % 17,65 % Silbertal 49,67 % 37,09 % 13,25 % Tschagguns 60,32 % 26,45 % 13,23 % Vandans 59,7 % 30,35 % 9,95 % Montafon 57,35 % 29,43 % 13,22 %

Der Anteil der reichsten Dezile entspricht im Großen und Ganzen den Durchschnittswerten und der prozentuellen Verteilung auf die drei Schichten. Allerdings zeigt sich, dass das Vermögen in den Gemeinden Schruns und Tschagguns besonders ungleich verteilt war, da dort die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung über die Hälfte des zu versteuernden Vermögens besaßen. In den ebenfalls relativ wohlhabenden Orten Bartholomäberg und Silbertal verteilte sich der Wohlstand hingegen auf einen größeren Teil der Bevölkerung, da die reichste Dezile dort nur einen Anteil von 41,46 beziehungsweise 47,18 Prozent des gesamten Steueraufkommens leistete. Die geringsten Anteile wies die reichste Dezile in Lorüns / Stallehr, Gortipohl, Gundalatscher Berg und Partenen auf.

Gemeinde / Ortsteil Marken Prozent am gesamten Steueraufkommen Bartholomäberg 1025 41,46 % Gaschurn 623 42,38 % Außerbach 107 38,84 % Gosta 220,5 42,82 %

Die ländliche Oberschicht 97

Gundalatscher Berg 80 34,12 % Partenen 58,5 36,22 % Trantraues 110,5 42,26 % Lorüns / Stallehr 53,5 29,97 % St. Anton 67,5 44,85 % St. Gallenkirch 1069 45,71 % Außerziggam 422 46,78 % Galgenuel 214 41 % Gortipohl 141 32,87 % Innerziggam 195 40,16 % Schruns 1909,5 56,17 % Silbertal 510,5 47,18 % Tschagguns 1190 53,77 % Vandans 475,5 44,03 % Montafon 7103,5 49,38 %

Auch die absoluten Zahlen der Angehörigen pro Schicht unterstreichen die bisherigen Ergebnisse. Besonders viele Angehörige der Oberschicht stammten demnach aus Bartholomäberg und Schruns. In den ungefähr gleich großen Gemeinden Gaschurn und Tschagguns wohnten deutlich weniger Angehörige der Oberschicht und die größte Gemeinde des Tales, St. Gallenkirch, lag in Bezug auf die Zahl der der Oberschicht Zugehörigen nur an dritter Stelle.

Gemeinde / Ortsteil Unterschicht Mittelschicht Oberschicht Bartholomäberg 160 91 62 Gaschurn 194 83 27 Ausserbach 27 10 9 Gosta 48 24 11 Gundalatscher Berg 28 18 3 Partenen 42 11 1

98 Ländliche Eliten im Wandel

Trantraues 39 18 3 Lorüns / Stallehr 34 15 1 St. Anton 18 7 4 St. Gallenkirch 236 127 42 Ausserziggam 41 19 22 Galgenuel 64 35 9 Gortipohl 77 38 4 Innerziggam 57 32 7 Schruns 179 101 60 Silbertal 75 56 20 Tschagguns 187 82 41 Vandans 120 61 20 Montafon 1.206 619 278

Entsprechend den bisherigen Ergebnissen war das reichste Prozent der Montafoner Steuerpflichtigen vornehmlich in Schruns wohnhaft. Eine Auswertung der Vermögenssummen einzelner Steuerpflichtiger der Gemeinde Schruns, deren Haupterwerb in den Steuerbüchern angegeben wurde, zeigt die folgenden Entwicklungen für den Zeitraum zwischen 1780 und 1830:256

Name Beruf 1780 1800 1809 1819 1829 Oswald Tschohl Wundarzt 21.000 fl 38.550 fl 40.500 fl 34.200 fl 34.950 fl Ignaz Vonier Wirt 8.100 fl 6.900 fl 8.100 fl 8.100 fl 10.200 fl Franz Josef Fritz Händler 7.050 fl 12.000 fl 6.450 fl 3.900 fl - Jakob Jochum Bauer 6.000 fl 18.150 fl 25.050 fl 10.200 fl - Johann Josef Fuhrmann 600 fl 1.200 fl 1.950 fl 750 fl 150 fl Bitschnau

256 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 77/5, 77/13, 77/16, 77/17, 77/21.

Die ländliche Oberschicht 99

Franz Anton Gerber 1.950 fl 1.650 fl 2.400 fl 900 fl - Hueber Johann Josef Kürschner 450 fl 2.400 fl 1.500 fl 1.200 fl 300 fl Juen Johann Martin Hutmacher 225 fl 1.200 fl 1.200 fl 1.050 fl 600 fl Vallaster

Auf der Basis der bekannten Markenwerte und einzelner bekannter Vermögen können auch die Vermögen anderer Steuerpflichtiger berechnet werden. Mit dieser Berechnungsweise ist festzustellen, dass im Jahr 1800 mindestens 63 Montafoner Steuerpflichtige über ein Vermögen von mehr als 5.000 Gulden Gesamtwert verfügten. Die mit Abstand reichsten Talbewohner waren der Altvorgesetzte Anthony Maklot aus Tschagguns mit einem Vermögen von 43.200 Gulden und der Altvorgesetzte Oswald Tscholl aus Schruns mit einem Vermögen von etwa 38.500 Gulden. Die Schrunser Ignaz Sander, Jakob Jochum und Johann Ulrich Rudigier verfügten über Vermögen von 23.400, 18.100 beziehungsweise 16.600 Gulden.

Name Wohnort Marken Vermögen Herr Altvorgesetzter Anthony Maklot Tschagguns 288 43.200 fl Tit. Herr Oschwald Tscholl Schruns 257 38.550 fl Geschworener Ignaz Sander Schruns 156 23.400 fl Herr Jakob Jochum Schruns 121 18.150 fl Johann Ulrich Rudigier Schruns 111 16.650 fl Geschworener Johann Georg Bargehr St. Gallenkirch 97 14.550 fl Altgeschworener Andreas Marent Silbertal 93 13.950 fl Christian Manal, Hironimus Sohn Schruns 82 12.300 fl Gregorius Bitschnau Bartholomäberg 80 12.000 fl Altgerichtsgeschworener Franz Josef Friz Schruns 80 12.000 fl

100 Ländliche Eliten im Wandel

Magdalena und Franziska Tscholl, Fidelis Schruns 76 11.400 fl Tscholl 2 ledige Töchter Herr Landschreiber Kraft sel. St. Gallenkirch 74 11.100 fl Felix Schwarzhans Schruns 70 10.500 fl Florinus Würbel Schruns 68,5 10.275 fl Altgeschworener Franz Joseph Lorez sel. 3 Silbertal 65 9.750 fl ledige Kinder Johann Christian Würbel Bartholomäberg 64,5 9.675 fl Hans Christian Marent Tschagguns 58 8.700 fl Tscholl Franz seel. Tochter Schruns 54 8.100 fl Altgeschworener Ludovikus Lorez Silbertal 53,5 8.025 fl Johann Georg Gantner Schruns 53 7.950 fl Altgeschworener Christian Drexel Tschagguns 51 7.650 fl

In der Berufsstruktur der Reichen des Montafons dominierten Handel und Gastgewerbe. Es zeigt sich jedoch, dass der Großteil der Wohlhabendsten mehreren Tätigkeiten nachging. Die ungewöhnlich großen Vermögen hatten somit immer verschiedene Quellen. Überdies lassen sich große Übereinstimmungen zwischen den vermögendsten Gemeindebewohnern und dem Pferdebesitz im Tal feststellen. Von den sechs Pferden, die 1794 in Tschagguns gehalten wurden, gehörten vier Tiere Männern, die im Jahr 1800 zu den zwanzig reichsten Einwohnern zählten.257

257 MA, ZKA, Gemeinde Tschagguns an Kreisamt, 11.3.1794.

Die ländliche Oberschicht 101

2.2. „Wucherische Spekulazionen“ und andere ökonomische Tätigkeiten der Oberschicht

Wie waren die Angehörigen der dörflichen Wirtschafts-Elite – außer durch Erbschaft – zu ihrem Vermögen gekommen und wie versuchten sie es zu erhalten und zu vermehren? Die untersuchten Vertreter der Oberschicht waren beruflich – wie zuvor am Beispiel des Montafons ausgeführt –zumeist in mehreren Bereichen gleichzeitig tätig und bestritten somit ihren Lebensunterhalt aus verschiedenen Quellen.258 Diese auffallende Multiprofessionalität bot den Vorteil einer guten Absicherung des Vermögens in Krisenzeiten oder bei einer großen Kinder- und damit in den Realteilungsgebieten auch Erbenzahl. Eine große Anzahl an Kindern führte nämlich immer wieder zum gesellschaftlichen Abstieg einzelner Familien. Der Großteil der Angehörigen der Elite betrieb neben einer Landwirtschaft, die größtenteils von Familienangehörigen und Knechten bewirtschaftet wurde, überregionalen Handel mit Vieh und/oder alkoholischen Getränken. Häufig führten sie zudem noch ein Wirtshaus oder eine Weinstube. Außerdem befanden sich vereinzelt Ärzte, Tierärzte oder Apotheker unter den wohlhabendsten Bewohnern des ländlichen Raumes. Auch diese Angehörigen eines eher als bürgerlich zu bezeichnenden Milieus führten in den allermeisten Fällen eine eigene Landwirtschaft und waren somit stark in die agrarische Gesellschaft integriert. Auch sie traten gelegentlich als Händler in Erscheinung. Besonders im Lechtal und im Paznaun – etwa in Ischgl – wurden mehrfach zahlreiche „Handelsherren“, die im ausgehenden 18. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa259 tätig waren, hervorgehoben.260 Der 1791 geborene Lechtaler Chronist Anton Falger hinterließ etwa 1876 ein Vermögen von beinahe 100.000

258 Der Ischgler Chronist Johann Christian Zangerle wurde beispielsweise als Richter, Zolleinnehmer, Gastwirt und Gutsbesitzer bezeichnet. TLMF, W20548, S. I. 259 TLMF, W20548, S. 11: Die genannten Händler waren in Augsburg, Berlin, Laibach, Luxemburg, Nassau, den Niederlanden, Prag, Ulm, Venedig und Wien tätig. 260 MEYER: Die Handelsherren aus Ischgl; JOHLER: Bäuerliches Kreditwesen im Alpenraum, S. 151.

102 Ländliche Eliten im Wandel

Gulden.261 Das vielseitige wirtschaftliche Engagement der Angehörigen der obersten Schicht lässt sich an mehreren Beispielen illustrieren: Als der Vorgesetzte Johann Anton Kessler aus St. Gallenkirch im Dezember 1798 den Vogteiamtsverwalter in Bludenz um die Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern bat, begründete er diesen Wunsch unter anderem mit seinen vielfältigen ökonomischen Tätigkeiten: So besitze er viele zu bewirtschaftende Güter, müsse sich um eine große Gastwirtschaft samt Krämerei kümmern und habe einen so wohl beträchtlichen als beschwerlichen [Schulden-]Einzug für die Herrn von Salis und Lavieren in Kur unter sich.262 Neben der Führung eines Wirtshauses, einer Krämerei und einer großen Landwirtschaft war er demnach für die Aristokratenfamilie von Salis aus Graubünden, die im Montafon bedeutende Geldbeträge verliehen hatte, als Schuldeneintreiber tätig. Überdies führte er gelegentlich Wein aus dem Veltlin ins Montafon ein.263 Auch der letzte Montafoner Landammann Ignaz Vonier aus Schruns betrieb neben seinem Wirtshaus regen Handel mit Baumwolle, Branntwein, Wein und vor allem Vieh. Zudem initiierte er zusammen mit mehreren Mitgesellschaftern wie etwa Oswald Tschohl und Johann Ulrich Rudigier die Herstellung von Baumwollstoffen im Montafon.264

261 SCHNELLER: Anton Falger und das Lechthal, S. 21. 262 VLA, Vogteiamt Bludenz, Nr. 1098, 16.12.1798. 263 VLA, Vogteiamt Bludenz, Nr. 564, 23.10.1795. 264 KASPER: Modernisierungsverlierer?, S. 189.

Die ländliche Oberschicht 103

Abb. 22 Ischgl um 1820

Wohlhabenden Personen wurde ihr Vermögen allerdings manchmal auch vorgeworfen. So wurde der Montafoner Vorgesetzte Thomas Sander in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als „Goldknöpfli“ bezeichnet.265 Noch Jahrzehnte später beschwerte sich dessen Nachfahre Ignaz Sander über seine Magd Regina Fleisch aus Silbertal, die ihn beim Austritt aus seinen Diensten „Goldstange“ genannt hatte. Damit hätte sie zum Ausdruck bringen wollen seine Vorfahren hätten Güter auf ungerechte Weise an sich gebracht.266

265 SANDER: 600 Jahre Sander im Montafon, S. 10. 266 VLA, Landgericht Montafon 426/91.

104 Ländliche Eliten im Wandel

Abb. 23 Portrait des Vorgesetzten Thomas Sander aus St. Gallenkirch, um 1780

2.2.1. Der Klassiker: Wirte als Tonangeber in der ländlichen Gesellschaft

Viele Wirte zählten nicht nur zu den vermögendsten Personen in den Regionen, sie verfügten zumeist auch über großen politischen Einfluss, bildeten ihre Häuser doch vielfach die „gesellig-öffentlichen Mittelpunkte“ der Orte.267 Seit der Frühen Neuzeit standen die Wirtshäuser Tirols und Vorarlbergs im Zentrum der ökonomischen Kreisläufe, des sozialen Lebens und der politischen Kultur der Orte

267 DÜLMEN: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. 2. Band, S. 131.

Die ländliche Oberschicht 105 und Regionen. In jenen Gebieten, in denen der Durchzugshandel eine bedeutende Rolle spielte, markierten sie die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Transportgewerbe. Neben dieser Mittlerfunktion zwischen der regionalen Landwirtschaft und dem überregionalen Verkehrswesen vermittelte das Gastgewerbe auch zwischen unterschiedlichen sozialen Räumen: Stadt, Dorf und Region, lokale und überregionale Akteure traten über die Wirtshäuser und häufig insbesondere über deren Besitzerfamilien miteinander in Kontakt.268 Trotz ihrer sozialen Integrationswirkung schieden Typologie und innere Binnendifferenzierung von Wirtshäusern soziale Schichten und gesellschaftliche Gruppen voneinander. Aufgrund dieser Gleichzeitigkeit der sozialen Integration und Segregation in den Wirtshäusern erfuhren deren Gäste dort konkrete Vorstellungen sozialer Ordnungen, sozialer Macht und Hierarchie.269 Außerdem ist die herausragende Bedeutung der Wirtshäuser als Räume der Öffentlichkeit zu betonen, denn in vielen Dörfern fungierten sie als Ersatz für ein Gemeindehaus oder als Tagungsort des Gerichts. Der geschäftliche Verkehr in ihren Räumen war ebenso von Bedeutung und in den ländlichen Gebieten konzentrierte sich ein erheblicher Teil des Bargeldumlaufs auf die Wirtshäuser. Das bedeutete, dass sich Wirte häufig in Geschäftsbeziehungen, die über ihr engeres Berufsfeld ausgriffen, engagierten. Neben dem Wirtsgewerbe standen sie zumeist in ökonomischen Mehrfachorientierungen, etwa als Vieh-, Wein- oder Holzhändler. Aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit und ihrer vielfältigen Aktivitäten, die ihnen zusätzliche Kompetenzen verschafften, wuchsen Wirte gleichsam von selbst in die Rolle autoritativer Honoratioren hinein: Als Dorfsvorsteher, Mitglieder in Genossenschaften oder Kirchenverwalter bestritten sie in vielen Fällen kommunale Agenden und auf regionaler Ebene repräsentierten zahlreiche Gastwirte ihre Gerichte auf dem Landtag. Im Zusammenhang mit der Landesverteidigung dienten Wirtshäuser häufig als Sammelpunkte zur Aufstellung der Kompanien, zur Abhaltung von Besprechungen

268 HEISS: Zentralraum Wirtshaus, S. 12. 269 HEISS: Zentralraum Wirtshaus, S. 24f.

106 Ländliche Eliten im Wandel

und zum Umtrunk nach den Schießübungen. Auf der anderen Seite fiel den Wirtshäusern häufig die gravierende Last der Einquartierung durchmarschierender Truppen zu. Ganz besonders litten sie daher während des „Zwanzigjährigen Krieges“ der napoleonischen Ära zwischen 1796 und 1814, als Tirol und Vorarlberg durch viele Jahre nahezu ununterbrochen von Truppen überschwemmt wurden. Die Wirte konnten aber neben dieser Belastung durch das Militärquartier auch manchen Vorteil daraus schlagen. So konnten die Unterstützung und Befehlsgewalt von Offizieren manches Versorgungsproblem lösen. Zudem konnten die Wirte durch die Entlastung der Allgemeinheit vom Quartier an sozialem Prestige und Einfluss ihrer Gemeinde gewinnen. Ihre Position wurde mitunter gestärkt und ihre Anliegen ließen sich dank erhöhter Autorität in Ausschüssen oder vor den Landgerichten leichter durchsetzen. Die regionale Nachfrage und der fortlaufende Umgang mit den einheimischen Gästen und die Funktion ihrer Gasthöfe als öffentliche Treffpunkte verbanden die Inhaberfamilien eng mit den lokalen und regionalen Gesellschaften der Talschaften und Dörfer. Das professionelle Profil der „Wirtsleute“ war vorwiegend einer traditionell geprägten Lebensweise und innerfamiliärer Arbeitsteilung verpflichtet, in die jedoch zunehmend innovative Elemente einrückten. Grundlage erfolgreicher Aktivitäten war neben gastgewerblichen Grundtechniken die Fähigkeit zu Integration, Improvisation und Moderation. Die familiale Arbeitsteilung in den größeren Wirtschaften zeigten mitunter folgende Formen: Die Wirte traten stark in der Öffentlichkeit in Erscheinung, besonders dann, wenn sie zu den lokalen oder regionalen Honoratioren zählten. Auch wenn sie im Haus wichtige Funktionen als Gastgeber, in den Bereichen Wareneinkauf und Rechnungsführung wahrnahmen, so vollzogen sich dennoch wesentliche Anteile ihres Engagements außer Haus. Da sie im ländlichen Raum über erhebliche Finanzmittel verfügten, entwickelten sie oft ein großes Interesse an Handel und Finanzwesen. Viele waren im gewinnträchtigen Getreide-, Vieh-, Wein- und Holzhandel tätig, bewirtschafteten darüber hinaus aber auch agrarische Anbauflächen, um den Nahrungs- und Futtermittelbedarf ihrer Gastwirtschaften

Die ländliche Oberschicht 107 zu decken und die Reit- und Zugtiere der Gäste sowie den eigenen Viehstand zu versorgen. Wirte waren klassische Vertreter des sogenannten Zwischenmilieus, als Vermittlerfiguren zwischen Bauern und Bürgern, zwischen Stadt und Land, zwischen Beharrung und Fortschritt und wirkten als „personale Mitte“ an der Nahtstelle zwischen eigenem Hof, Ortsgemeinde und größeren Einzugsgebieten. Die Wirtinnen behaupteten vor allem innerhalb der familiären Arbeitsteilung eine starke Position. Sie führten die Aufsicht über die vorwiegend weiblichen Dienstboten und betreuten weitgehend eigenständig die Küche und die Vorratswirtschaft, zwei Kernbereiche der Gastwirtschaft. Auch die Einrichtung und Ausstattung der Räumlichkeiten sowie die Reinlichkeit der Lokale unterlagen der Kompetenz der Wirtinnen. Die den Frauen im Haushalt oft zugeschriebene Aufgabe der Kontingenzbewältigung, der alltäglich auftretenden Zwischen- und Zufälle, führte im Gasthof, dem Inbegriff des „Ganzen Hauses“, zu maximaler Kompetenzausweitung. Mit den außerhäuslichen Aktivitäten der Ehemänner, die mitunter tage- oder wochenlang abwesend sein konnten, erweiterten sich ihre Handlungsspielräume. In solchen Fällen übernahmen dann oft die Wirtinnen die Leitung der Gastwirtschaft und trafen gegebenenfalls auch Entscheidungen von großer Tragweite. Stärker als im Bereich der Landwirtschaft oder des Handwerks übernahmen Wirtinnen ein umfassendes Aufgabenfeld sozialer und kommunikativer Betreuung. Auch innerbetriebliche Innovationen wurden vielfach von Wirtinnen angeregt, indem sie etwa Neuerungen in der Küche und auf dem Speiseplan sowie verbesserten Komfort in den Gästezimmern anregten. Rascher sozialer Aufstieg als Wirt war unter besonderen Umständen wie etwa den Kriegsjahren am Ende des 18. Jahrhunderts möglich. Beispielsweise hinterließ der Brixner Buschenwirt Michael Friz, der mit bescheidenen Mitteln den Betrieb aufgenommen hatte und im Mai 1797 am grassierenden, durch das Militär eingeschleppten Typhus starb, seiner Witwe allein an Bargeld den bedeutenden Betrag von 2.200 Gulden. Dieser Aufstieg war wohl das Resultat der Konjunktur

108 Ländliche Eliten im Wandel

des Krieges, dessen Begleitumstände wie Truppeneinquartierungen dem Aufsteiger schließlich auch das Leben kosteten.270 Wirte, die aufgrund des durch Truppendurchzüge erhöhten Ausschankes über hohe Rücklagen an Bargeld verfügten, betätigten sich in diesen Umbruchsjahren auch als Vorkäufer und Spekulanten. Manche bauten etwa auch den Kornwucher zum Kerngeschäft aus. Derartige Kriegsgewinnler traten zwischen 1793 und 1818 verstärkt auf und wurden in diesem Zeitraum zu Vermittlern zwischen Stadt und Land, waren mit beiden Milieus vertraut, überwanden und nutzten die Differenzen und Gräben der Asymmetrie, die sich zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten auftaten.271

2.2.2. Soziale Praxis des Kredits im ländlichen Raum

Kreditbeziehungen bilden in einer Gesellschaft ein kulturspezifisches System von bestimmten Handlungen und Normen, das neben wirtschaftlichen Bedürfnissen auch soziale Funktionen erfüllt und damit das Verhalten der Akteurinnen und Akteure im Alltag kalkulierbar macht.272 Mehrere mikrohistorische Untersuchungen273 belegen, dass die Gesellschaft des Ancien Régime von Kreditbeziehungen durchzogen war und dass für die beteiligten Schuldner und Gläubiger soziale Verpflichtungen in vielen Fällen wichtiger waren als der monetäre Profit274. Selbst die so genannten 'kleinen Leute', die nur über ein geringes oder manchmal gar kein Vermögen verfügten,

270 HEISS: Zentralraum Wirtshaus, S. 28-33. 271 HEISS: Differenzen zwischen Stadt und Land in Tirol 1809, S. 165. 272 LIPP: Aspekte der mikrohistorischen und kulturanthropologischen Kreditforschung, S. 15. 273 BOULTON: Neighbourhood and society; CASTAN: Honneteté et relations sociales en Languedoc; DINGES: Der Maurermeister und der Finanzrichter; FENSKE: Marktkultur in der Frühen Neuzeit; FREY: Industrious households; LORENZEN-SCHMIDT: Geld und Kredit in der Geschichte Norddeutschlands; MULDREW: The economy of obligation; SCZESNY: Zwischen Kontinuität und Wandel. 274 Zum kanonischen Zinsverbot und seinen Ausnahmen im Kreditwesen vgl. SEIDER: Und ist ihme dargelichen worden, S. 42-47. Im Jüngsten Reichsabschied von 1654 wurde ein fünfprozentiger Zins auf Darlehen erlaubt. Diese Verzinsung findet sich zumeist bei den Krediten im ländlichen Raum wider.

Die ländliche Oberschicht 109 hatten Kredite und regelten ihr Leben und Überleben durch Verleihen und Borgen.275 Neben dem rein finanziellen Aspekt von Darlehen hatten Kreditbeziehungen oft eine soziale oder sogar politische Dimension. Während der Kreditgeber seinen Klienten Geld und Sachleistungen vorstreckte, um sich ihrer treuen Dienste und ihrer politischen Gefolgschaft auf Dauer zu versichern, wandten sich diese an mehrere Gläubiger, um nicht einem einzigen alle Macht über sie beziehungsweise alle Informationen über ihre Lage zu überlassen und damit ihr Risiko zu minimieren. Nach einem derartigen Muster von Bindungs- und Lösungsstrategien interagierten die wohlhabenden Kreditgeber auf der einen mit den Kleinbauern, Tagelöhnern und Wanderarbeitern auf der anderen Seite.276 Im ländlichen Raum waren die nahe gelegenen Städte und die dortigen Privatleute, Kirchen, Klöster, Spitäler sowie andere Institutionen bedeutende Geldanleger. Von einer vorherrschenden Durchdringung des ländlichen Raumes mit städtischem Kapital kann aber nicht die Rede sein. Die Städte wurden diesbezüglich nämlich vom ländlichen Raum übertroffen. Landbewohner und im ländlichen Bereich angesiedelte kirchliche und weltliche Einrichtungen brachten die Mehrheit des gesamten Kreditkapitals auf. Zumeist stammte ein beträchtlicher Teil aus der unmittelbaren Region selbst.277 Da die kirchlichen Kassen von der ländlichen Bevölkerung gefüllt wurden, betrachtete sie diese als ihre „Sparkasse“, deren Administration, Kontrolle und Geldvergabe den aus ihrer Mitte gewählten Kirchenpflegern oblag. Bruderschaften waren freiwillige Zusammenschlüsse, deren Zwecke religiöser und karitativer Natur waren und deren Mitglieder durch Spenden und Stiftungen zum Erhalt der Korporationen beitrugen.278 Viele der Kreditgeber waren Gläubiger und Schuldner in einer Person. Oft hatten reichere Haushalte proportional zu ihrem Gesamtvermögen viel höhere Darlehen

275 SCHLUMBOHM: Zur Einführung, S. 8. 276 SCHLUMBOHM: Zur Einführung, S. 10; vgl. JOHLER: Bäuerliches Kreditwesen im Alpenraum, S. 151; PFISTER: Le petit crédit rural en Suisse, S. 1349f; SCZESNY: Zwischen Kontinuität und Wandel, S. 298, 327. 277 INEICHEN: Bäuerliche Verschuldung im Ancien Régime, S. 78. 278 SCZESNY: Zwischen Kontinuität und Wandel, S. 296.

110 Ländliche Eliten im Wandel

aufgenommen als weniger bemittelte Haushalte.279 Tendenziell kamen die Kredite aus dem urbanen Raum vor allem den wohlhabenden Bauern zugute, während die Mittel- und Kleinbauern an ländlichen oder innerdörflichen Kreditnetzen partizipierten.280 Als einer der Hauptfaktoren, der die relativ breite Streuung des verliehenen Kapitals unter den Landbewohnern steuerte, kann zweifellos die Erbpraxis gelten. Um einer allzu starken Zerstückelung der Grundstücke entgegenzuwirken, wurde besonders im Realteilungsgebiet danach gestrebt, die Güter möglichst geschlossen an einen einzigen oder nur einen Teil der Nachkommen weiterzugeben. Die von der Hofübernahme ausgeschlossenen Geschwister mussten ausgekauft werden. Die Auskaufsummen schlug derjenige, der den Hof erbte, in Form von Hypotheken auf seine Liegenschaften. Auf diese Art wurden Geschwister zu einer wichtigen Gläubigergruppe im ländlichen Raum. Ein Indiz dafür, dass ein wesentlicher Teil der Verschuldung unter den Landbewohnern mit erbbedingten Auskäufen direkt oder indirekt zusammenhing, liefert die Verteilung des Gläubigerkapitals auf die Geschlechter. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Kreditkapitals befand sich – ganz im Gegensatz zum Grundbesitz – in Frauenhänden. Die Geldanlagen in Form grundpfandgesicherter Forderungen schienen eine für die weibliche Bevölkerung typische Vermögensform gewesen zu sein, während der Grundbesitz, allerdings in viel größerer Ausschließlichkeit, als Domäne der Männer bezeichnet werden kann. In der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit war der Besitz von Grund und Boden jedoch von grundsätzlich anderer Qualität als der Besitz von Geldanlagen. Wer über Land verfügte, besaß oft auch politische Rechte und Nutzungsrechte innerhalb der Dorfgemeinschaft, ganz abgesehen von der gesellschaftlichen Wertschätzung, die mit dem Grundbesitz verbunden war.281 In einer traditionalen Gesellschaft war die Saisonalität von Geldbedarf und Abrechnung von Krediten ein wesentliches Element der Geldwirtschaft. Dies

279 LIPP: Aspekte der mikrohistorischen und kulturanthropologischen Kreditforschung, S. 22. 280 PFISTER: Le petit crédit rural en Suisse. 281 INEICHEN: Bäuerliche Verschuldung im Ancien Régime, S. 81f.

Die ländliche Oberschicht 111 betraf sowohl die an agrarischen Festtagen orientierten Zeiten der Abrechnung von Darlehen und Zinsen, als auch Kreditziele und -einsatz. Beispielsweise wurden für die jährliche Bezahlung der staatlichen Steuern Kredite benötigt.282 Zudem entstand die Verschuldung der bäuerlichen Bevölkerung durch wirtschaftliche Krisenerscheinungen und den unterschiedlichen Kapitalbedarf im Verlauf des familiären Lebenszyklus.283 Die Verwendungsmöglichkeiten von Krediten waren insgesamt äußerst vielfältiger Natur: Grunderwerb und Kauf von Häusern, Bautätigkeit und Instandhaltungsmaßnahmen, Kauf von Vieh sowie Investitionen in agrarische oder gewerbliche Unternehmungen.284 Verbindlichkeiten konnten sich ferner aus Steuer- und Abgabenrückständen sowie kurzfristigen Hilfen von Verwandten und Nachbarn in Notlagen speisen.285

Nahezu alle Vertreter der dörflichen Oberschicht im Untersuchungsraum verdankten einen bedeutenden Teil ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung dem ländlichen Kreditwesen. Neben den Kirchen sowie diversen religiösen Bruderschaften oder Stiftungen kamen nämlich in erster Linie nur noch die wohlhabenden Dorfbewohner als Geldverleiher in Frage.286 Um diese Monopolstellung nicht zu verlieren, intrigierten die Eliten im Kreditbereich massiv gegen mögliche Konkurrenten. Beispielsweise agitierten sie in Vorarlberg mehrfach über das Gremium der Landstände, dem nur Vertreter des Bauern- und Bürgerstandes angehörten, gegen die in der Region ansässigen Juden, die ebenfalls als Kreditgeber und Händler tätig waren.287 Dass aber sogar die Stände auf Kredite von Angehörigen der jüdischen Gemeinde in Hohenems angewiesen waren zeigt sich an der Tatsache, dass im Jahr 1811 die Vorgesetzten des Montafons vom Landgericht aufgefordert wurden ihre 1809 im Zuge der

282 LIPP: Aspekte der mikrohistorischen und kulturanthropologischen Kreditforschung, S. 23. 283 PFISTER: Le petit crédit rural en Suisse. 284 HÄBERLEIN: Kreditbeziehungen und Kapitalmärkte, S. 47. 285 SCZESNY: Zwischen Kontinuität und Wandel, S. 295. 286 NIEDERSTÄTTER: Gesellschaftliche Strukturen und soziale Verhältnisse im vorindustriellen Vorarlberg, S. 7f. 287 BURMEISTER: „… daß die Judenschaft auf ewige Zeiten aus unseren Vorarlbergischen Herrschaften abgeschafft und ausgerottet bleibe …“, S. 57.

112 Ländliche Eliten im Wandel

Insurrektion bei der jüdischen Gemeinde aufgenommenen Darlehen über 300 Gulden zurückzuzahlen.288 Auch im Jahr 1814 waren diese Forderungen immer noch offen und nicht zurückgezahlt.289 Schließlich wurde 1817 entschieden, dass der Stand einen Anteil von 320 Gulden dieses Darlehens zu tilgen hat.290 Aber noch 1834 bat Ignaz Rosenthal aus Hohenems das Landgericht Montafon um Abklärung der ständischen Obligationen, die er ersteigert hatte.291 Vor allem die Vorfinanzierung der ständischen Abgaben an den Landesherrn war für die ländliche Oberschicht ein profitables Geschäft, denn in den meisten Fällen nahmen sie die dafür nötigen Kredite in den eigenen Reihen auf und profitierten dementsprechend über die Zinsgewinne selbst vom ständischen Steuersystem, das sie gleichzeitig auch selbst administrierten.292 Der Stand Montafon schuldete etwa 1796 dem Schrunser Arzt und Alt-Vorgesetzten Oswald Tschohl 500 Gulden in Silber. Die Summe musste mit den üblichen fünf Prozent Verzinsung zurückgezahlt werden.293 Im Jahr 1804 schuldete ihm der Stand sogar 2.520 Gulden294 und in den Jahren 1806/07 hatte er gegenüber dem Stand Obligationen im Wert von 1.150 Gulden in Händen.295 Auch in Fußach hatten Gemeindeangehörige dem Gericht zwischen 1748 und 1778 24.745 Gulden geliehen. Die größten Gläubiger waren dort der Mailänder Bote Jakob Spehler mit 3.346 Gulden und die Kirche mit 1.977 Gulden. Der Großteil dieses Geldes ging nach den Koalitionskriegen und der Auflösung des Gerichts unter der bayerischen Regierung verloren.296

Während die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung in Tirol und Vorarlberg spätestens seit der starken Bevölkerungszunahme im 18. Jahrhundert permanent

288 VLA, Stadtarchiv Bludenz, 384/258. 289 VLA, Landgericht Montafon 271. 290 VLA, Landgericht Montafon 294. 291 VLA, Landgericht Montafon 344/50. 292 KLAGIAN: Die Geschichte der Vorarlberger Stände, S. 150. 293 MA, ZKA, Montafon 14/0.0. 294 KASPER: Lokale Oberschichten in Westtirol und Vorarlberg, S. 273. 295 VLA, Talschaft Montafon, 3/2/1. 296 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 174f.

Die ländliche Oberschicht 113 in Armut oder zumindest an der Armutsgrenze lebte, steigerte die Oberschicht ihr Vermögen und ihre Macht zu einem wesentlichen Teil durch die Kreditvergabe. Besonders in Krisenzeiten, etwa in den 1790er-Kriegsjahren oder in den Hungerjahren zwischen 1815 und 1818, erhöhten zudem hohe Zinsen die Gewinne der Reichen aus dem Verleihgeschäft und verfestigten dadurch gleichzeitig ihre wirtschaftliche – und oft auch politische – Vormachtstellung im Dorf oder in der Region, während parallel dazu die ärmeren Schichten gegenüber ihren potenten Gläubigern in noch größere Abhängigkeit gerieten. Die übliche Höchstzinsgrenze von fünf Prozent wurde dabei ganz einfach umgangen, indem die Schuldbriefe bis zu 200 Prozent über dem aushaftenden Kapital ausgestellt wurden und sich dadurch auch die jährlichen Zinsen verdoppelten.297 Im Bregenzerwald beliefen sich 1808 etwa allein die privaten Schulden gegenüber Gläubigern außerhalb des eigenen Landgerichts auf 600.000 Gulden. Ein erheblicher Teil dieser auswärtigen Forderungen ging nach Graubünden und in andere Schweizer Kantone. Als sich durch den Preisverfall von Gütern und Häusern in der Folge Exekutionen, Konkurse und Vergantungen häuften, wurden den Schuldnern die Kapitalien aufgekündigt und sie mussten sich an Wucherer und jüdische Geldgeber wenden.298 Das dichte Netz aus Schuldforderungen und Schulden, welches um 1800 den ländlichen Raum überspannte, führte zudem zur Ausbildung von regelrechten Klientelsystemen, da die lokalen Eliten mit dem Mittel günstiger Kredite oder dem Nachlass von Schuldforderungen versuchten Loyalität und Gefolgschaft ihrer Debitoren zu erlangen. Das dadurch entstehende Klientelsystem war von der Konkurrenz der patronalen Kreditgeber und einem gezielten Einsatz von Krediten als Medien politischer Loyalität geprägt indem Personen durch Zuwendungen bevorzugt, Kredite storniert oder trotz Zahlungsverzug verlängert wurden.299 Der Vorarlberger Kreishauptmann Franz Anton von Daubrawa berichtete bezüglich des Kreditwesens im Jahr 1817, nach einer seit geraumer Zeit

297 GIESINGER: Geld-, Kredit- und Versicherungswesen in Vorarlberg. 298 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 70. 299 LIPP: Aspekte der mikrohistorischen und kulturanthropologischen Kreditforschung, S. 27.

114 Ländliche Eliten im Wandel

andauernden Phase der Missernten und des Hungers, an das Gubernium in Innsbruck:

Dagegen aber wird die öffentliche Sittlichkeit durch die jetztigen Zeitumstände in der anderweiten Hinsicht sehr verdorben, daß dieselben wucherischen Spekulazionen offenes Feld biethen. Der Notleidende muß auch die härtesten Bedingungen sich gefallen lassen. Die gerichtliche oder anderweite Entdeckung ist um so schwerer, weil der Schuldner nichts sagen darf, und dieser Gegenstand ohnehin unter allerley Arten von Masken verhüllt wird.300

Eine Vermögensaufstellung der zwischen 1780 und 1810 wohlhabendsten Schrunser, des Wundarztes Oswald Tschohl und seiner kurz zuvor verstorbenen Frau Maria Christine Greberin aus dem Jahr 1810301 zeigt eindrucksvoll die Bedeutung des Kreditwesens für die wirtschaftliche Vormachtstellung der Oberschicht, denn der absolut größte Teil ihres Vermögens bestand aus verliehenen Krediten:

Haus, Guth, Majenses, Weiden und ein Stükl im 4.389 fl Ried sind taxiert 763 fl Hausmobilien, Esswahren und Vieh ist taxiert

An einnehmenten Schuldbosten auf Martiny 1809 39.211 fl sowohl Zins als Kapital 1.300 fl An Geld 2.000 fl An Aussteuerung des Sohns Franz 47.663 fl] [Summe

300 TLA, Jüngeres Gubernium, Geheime Präsidialakten X3, Stimmungsbericht für den Kreis Vorarlberg für das erste Quartal 1817. 301 VLA, Talschaft Montafon, 11/1.

Die ländliche Oberschicht 115

Beim Bregenzerwälder Landammann Franz Anton Meusburger bestand im Jahr 1813 etwa die Hälfte seines Vermögens aus verliehenem Geld:302

800 fl 1. Das Haus Nr. 1 in Großdorf 1200 fl 2. Das Haus Nr. 4 daselbst

An Landgütern: 1323 fl 3. Zettplatz und Garten beim oberen Grund 21 Fuß á 63 fl 276 fl 4. Die rauhe Wiese 6 Fuß á 46 fl 308 fl 5. Beim Steinmügeren 7 Fuß á 44 fl 494 fl 6. Einen Acker 13 Fuß á 38 fl 240 fl 7. Der höple Platz 6 Fuß á 40 fl 64 fl 8. Im Galgen 2 Fuß á 34 fl 46 fl 9. Unter der Gaß ein Fuß 392 fl 10. Der obere Zettplatz 7 Fuß á 56 fl 205 fl 11. Die Heid 5 Fuß 175 fl 12. Im Gringfell 5 Fuß á 35 fl 432 fl 13. Arisau 12 Fuß á 36 fl 660 fl 14. Das Hofstattgut beim untern Haus samt Garten und Viehweid 1736 fl Weiden in andern Gemeinden 941 fl Holzmarken 9000 fl Alpgüter Ochsenhof 1070 fl Fahrnisse 1600 fl Mobilar 20962 fl Summe 17368 fl Aktive Kapitalien (Geld ausgelehnt) 6154 fl Summe der Passiven 32176 fl Reinvermögen

302 MEUSBURGER: Landammänner, S. 277.

116 Ländliche Eliten im Wandel

Auch bei der Auswertung von Testamenten und Verlassenschaften weiterer Angehöriger der regionalen Oberschicht zeigt sich ein ähnliches Bild: Der ehemalige Montafoner Vorgesetzte Peter Fleisch aus Tschagguns hinterließ seiner Tochter 1793 eine Summe von 5.563 fl 5 kr in Form von ausständigen Krediten. Zwölf Schulderinnen und Schuldner standen mit einer durchschnittlichen Summe von 463,5 fl bei ihm in der Kreide. Den höchsten Kreditbetrag von 2.849 fl 40 kr hatten Johann Joseph Stampfer und seine Frau Maria Katharina Steuin geborgt. Fleisch selbst schuldete der Landschaft Montafon 350 fl.303 Im Inventar, das 1811 nach dem Tod von Franz Anton Ammann erstellt wurde, wurden 93 Schuldnerinnen und Schuldner aufgelistet, die ihm insgesamt 22.048 fl 56 kr geschuldet hatten. Der durchschnittliche Kreditbetrag belief sich auf 237 fl. Johann Joseph Marent, Georgs Sohn, aus Schruns schuldete ihm sogar einen Betrag von 1.041 fl sowie 52 fl 3 kr an ausständigen Zinsen. Wie auch bei Oswald Tschohl und Maria Christine Greberin machten die ausständigen Kredite den absolut größten Teil des gesamten hinterlassenen Vermögens von 29.041 fl 14,5 kr aus: Der Wert der Liegenschaften machte mit 6.790 fl einen weiteren großen Teil aus, während die beweglichen Güter lediglich 1.081 fl 39 kr wert waren. An Bargeld waren 318 fl 26 kr vorhanden.304 Als der spätere Gemeindevorsteher von Schruns Johann Ulrich Rudigier im Jahr 1788 von seinen Eltern Johann Ulrich Rudigier und Johana Flörin eine Summe von 3.000 fl erhielt, bestand der gesamte Betrag aus verliehenen Krediten. 33 Schuldnerinnen und Schuldner schuldeten Rudigier zwischen 424 fl 42 kr und 7 fl.305 Beim Schrunser Chyrurg Alois Tagwercher standen besonders viele Menschen in der Kreide. 541 Schuldnerinnen und Schuldner fanden Eingang in das Verzeichnis, das nach seinem Ableben erstellt wurde. Es ist anzunehmen, dass der Großteil dieser Personen nicht direkt Geld geliehen hatte, sondern eine Stundung der

303 VLA, Stadtarchiv Bludenz 92/10. 304 VLA, LG Montafon, Hds. u. Cod. 5, fol. 371ff. 305 VLA, Stadtarchiv Bludenz 382/97.

Die ländliche Oberschicht 117

Bezahlung ihrer medizinischen Behandlung erhalten hatte. Dies zeigt sich auch am Umstand, dass sich die durchschnittliche Kreditsumme auf lediglich 22 fl belief und ihm sogar viele Personen nur Beträge im Kreuzerbereich schuldeten. Die Gesamtsumme der offenen Kredite betrug 11.768 fl 14,5 kr. Tagwercher selbst schuldete anderen Angehörigen der Oberschicht jedoch selbst 3.449 fl 14,5 kr. Unter seinen Gläubigern befanden sich Oswald Tschohl mit 423 fl 51 kr, der Dornbirner Landrichter von Ganahl mit 383 fl, Johann Joseph Ganahl aus Feldkirch mit 421 fl 13 kr, Ignaz Sander mit 54 fl 50 kr, Landammann Ignaz Vonier mit 38 fl 33 kr und Paul Buol aus Davos mit 528 fl.306 Es zeigt sich, dass die Verschuldung mit steigendem Vermögen zunahm. Dies verweist auf den deutlich größeren Kreditspielraum der Oberschicht.307 Ähnlich verhielt es sich bei dem Nenzinger Wundarzt Johann Christian Hummel, der sowohl als Geldgeber wie auch als Kreditnehmer auftritt.308

Im Bereich des Finanzwesens kam es auch wegen der Zwangsumwechslung des österreichischen Papiergeldes in bayerisches Silbergeld zu Problemen, da deshalb die seit 1797 in Papiergeld aufgenommenen Kredite nun nach ihrem Nennwert in Silber zurückgezahlt werden mussten, was eine schwere Krise im ländlichen Kreditsystem verursachte, da viele Kreditnehmer diese höheren Summen nicht zurückzahlen konnten.309 Wer vor 1806 Geld geliehen hatte und dafür österreichisches Papiergeld bekommen hatte, war nun gezwungen die Zinsen sowie die Tilgungen in Münzgeld oder in Reichswährung zu leisten. Neben den Schuldnern gehörten auch jene zu den Verlierern, die ihr Kapital in österreichischem Papiergeld angelegt hatten, da sie durch die Abwertung mehr als ein Drittel ihres Kapitals verloren.310 In den Jahren 1808 und 1809 kam es deswegen auch zu zahlreichen Verhandlungen vor dem Landgericht Montafon, bei denen Angehörige der Oberschicht als Gläubiger die Zwangsexekution ihrer

306 VLA, LG Montafon, Hds. u. Cod. 7, fol. 345ff. 307 SCZESNY: Zwischen Kontinuität und Wandel, S. 303. 308 GSTACH: Christian Hummel, S. 112f. 309 PFAUNDLER, KÖFLER: Der Tiroler Freiheitskampf 1809, S. 10. 310 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 174f.

118 Ländliche Eliten im Wandel

Schuldner einforderten und diese in nahezu allen Fällen auch zugesprochen bekamen, jedoch trotzdem immer wieder Verluste hinnehmen mussten, wenn die Kreditausfälle die Erlöse der Zwangsversteigerungen überstiegen.311

Mathias Peter Lorenz Ignaz Sander, Alois Johann Ignaz Drexel, Keßler, St. Schruns Tagwerker, Joseph Vonier, Tschagguns Gallenkirch Schruns Versell, Schruns Tschagguns Johann Franz Anton Johann Kristian Aloys Flöri Joseph Joseph Scheibler Michel Sudrel Valaster 5fl 86fl 31kr Tschoffen Brugger 35fl 136fl 58fl 34kr 54kr 17fl 53kr 45kr Johann Anton Christian Kristian Johann Fritz Aloys Flöri Joseph Vonier Düngler seel. Gavatz 56fl Fritzen seel. 14fl 35kr 280fl 46kr 47fl 20 kr Erben 55fl 6kr Wittib 257fl 44kr

Kristian Johannes Johann Johann Tschugen Schallner 17fl Joseph Georg Kinder 71fl Wittwer 51fl Bruckmüller 52kr 38fl 2 kr

Joseph Fiellen Johann Christian Söhn 139fl Joseph Fitsch 34fl Mathieß 40fl 32kr

Kristian Kristian Fitsch Johann Kaspers seel. 77fl Georg Sohn 21fl Fitsch 25fl

Joseph Sebastian Salzgeber 22fl Ganahl 69fl

Christian Christian Fitsch 36fl Durig 52fl 33kr Von sechs Angehörigen der Montafoner Oberschicht beantragte Exekutionsprozesse vor dem k.b. Landgericht Montafon 1808/09.

311 VLA, Landgericht Montafon, Hds. 2f.

Die ländliche Oberschicht 119

Auch im Vormärz änderte sich das Kreditwesen nicht wesentlich. Als 1840 Anna Susana Sander, die Tochter des Vorgesetzten Thomas Sander, aus St. Gallenkirch verstarb, hinterließ sie ein beträchtliches Vermögen von 26.493 fl 37¾ kr, das ausschließlich aus vergebenen Krediten bestand. Insgesamt 87 Personen standen in ihrer Schuld.312 Im Lechtal war es jedoch in den Jahren nach 1815 zu einer Neuerung gekommen. Die ehemaligen Händler, die bis in die Zeit um 1800 im Ausland große Gewinne gemacht hatten, konnten ihre Handelstätigkeit kaum mehr erfolgreich fortsetzen und versuchten nun ihr Geld zinsbringend in der Umgebung anzulegen. Insbesondere im benachbarten Bregenzerwald wurden die wohlhabenden Lechtalerinnen und Lechtaler als Geldverleihende tätig. Diesem Umstand setzte der Dichter Franz Michael Felder 1861 mit den folgenden Versen ein Denkmal:

Tag des Schreckens und der Trauer, Der so manchen Schoppernauer Und auch andre füllt mit Schauer.

Fünfundzwanzigster November! Dem schon mancher im September Buße tat als wärs Quatember.

Denn an den Kathrinentagen Werden Bücher aufgeschlagen, Wo die Schulden eingetragen. -

Was die Väter einst verbrochen, Wird an Kindern nun gerochen, Fünf Prozente sind versprochen. -

Hilf mir Himmel, helft mir Engel, Denn beim Adler sitzt der Dengel313 Und enthüllet meine Mängel.

312 Privatarchiv Friedrich Juen, Gerichtliche Theilung über die Verlassenschafts Masse der am 14ten Dezember 1840 verstorbenen Anna Susana Sander geehlichten Joh. Georg Bargehr von St. Gallenkirch, 13.1.1846. 313 Dengel war ein verbreiteter Nachname im Lechtal und Felder hatte etwa bei Johann Dengel aus Steeg 300 fl entlehnt. MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 58.

120 Ländliche Eliten im Wandel

Ach was soll ich Armer sagen, Wenn selbst Martins Jok zu zagen Angefangen und zu klagen? -

Dokus mit den teuren Gulden Kommt von , und die Schulden Wollen nicht mehr länger dulden.

Welche Freude wird entstehen, Wenn wir Gallus314 kommen sehen, Wir mit ihm ins Gaden gehen.

Keinem wird er Trost versagen, Der in schönen Maientagen Seine Milch ihm zugetragen.

Alle hat er aufgeschrieben, Denen gute Werke blieben Für den Tag, den tränentrüben.

Alle, die sein Buch erquicket, Eilen froh und hochbeglücket, Wo kein Dengel sie erblicket.315

Ähnlich lautet ein Eintrag in der Schoppernauer Pfarrchronik aus dem Jahr 1858:

Was im ganzen genommen den Wohlstand der Gemeinde beeinträchtigt und mancher Familie nicht gestattet, sich etwas ersparen zu können, sind die alljährlich bedeutend zu bezahlenden Zinse, indem die meisten Güter und Häuser, nur mit sehr wenigen Ausnahmen, hypotezirt sind; zum größten Teile an die Lechtaler.“316

Die Menschen im Bregenzerwald schienen Kredite aus größerer Entfernung bevorzugt zu haben, da dort das Risiko, dass die Finanzierung fällig gestellt wurde, geringer war. Einige Gläubiger aus dem Lechtal kassierten im Herbst nicht nur die

314 Gallus Moosbrugger war Käsehändler aus im Bregenzerwald und ebenso als Geldverleiher tätig. 315 Franz Michael Felder an Kaspar Moosbrugger, 30.11.1861, http://www.felderbriefe.at/brief/franz-michael-felder-kaspar-moosbrugger-29/ am 27.7.2017. 316 Zitiert nach: STROLZ: Umwelt und Persönlichkeit Franz Michael Felders, S. 207.

Die ländliche Oberschicht 121 eigenen Zinsen, sondern zogen das Geld auch für andere ein. Manche beauftragten überhaupt externe Zinseinnehmer mit dieser Aufgabe.317

Auf der Basis des Schnepfauer Hypothekenbuches lassen sich die Kreditverhältnisse zwischen dem Lechtal und dem Bregenzerwald am Beispiel dieser Ortschaft detailliert nachvollziehen. Johann Georg Dengel aus Steeg war der erste Lechtaler, der in Schnepfau Kapital anlegte. Zu Lebzeiten vergab er zwischen 1786 und 1790 fünf Darlehen, in Summe 800 fl, dorthin. Seine Witwe und seine Kinder setzten diese Tradition ab 1802 fort und blieben bis weit in den Vormärz als Kreditgeber im Bregenzerwald tätig.318

Zeitraum Kapital Hypotheken Durchschnitt/Hypothek Gläubiger Durchschnittlicher Betrag/Gläubiger 1777-99 2.625 12 218,7 9 292,. 1800-09 11.578 40 289 24 482 1810-19 17.540 69 254 40 438 1820-29 18.160 55 330 33 550 1830-39 4.600 19 242 12 383 1840-49 13.625 35 389 26 524 Hypotheken in Schnepfau 1777-1849

Vor allem in den Jahren 1810 bis 1829 machten die Lechtaler Gläubiger mit rund 60 bis 75 Prozent einen besonders hohen Anteil an der gesamten Summe der Darlehen aus. Zeitraum Lechtal Kirchl. Andere Summe Anteil Stiftungen Geldgeber Lechtal 1777-99 2.625 3.948 7.376 13.949 18,8 1800-09 11.278 1.013 10.780 23.071 49 1810-19 17.540 1.270 5.407 24.217 72,4 1820-29 18.160 1.082 9.834 29.076 62,4 1830-39 4.600 184 5.992 10.776 42,7 1840-49 13.625 274 9.937 23.836 57,2 Neuverschuldung an auswärtige Geldgeber in Schnepfau319

317 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 65-67. 318 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 73f. 319 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 78.

122 Ländliche Eliten im Wandel

Zinsbücher von vermögenden Lechtalern ermöglichen Einblicke in die veranlagten Kapitalien einzelner Geldgeber. In dem 1831 erstellten Zinsbuch der Elisabeth Maldoner aus Holzgau finden sich insgesamt 240 Hypotheken, die in Summe ein Kapital von 147.786 fl umfassen. In einem späteren Zinsbuch aus den Jahren 1846/47 hatte sie bereits 361 Kredite mit einer Gesamtsumme von 260.650 fl vergeben. Wie sie das Kapital so rasch erhöhen konnte, ist nicht direkt nachvollziehbar. Entweder reinvestierte sie das Geld aus ihren Zinsgewinnen, oder sie erhielt zusätzliches Geld aus Erbschaften oder den Anteilen am Handelsgeschäft der Familie. Neben dem Bregenzerwald waren auch Schuldner aus dem Allgäu, vom Tannerg, aus dem Paznaun, dem Stanzertal, dem Klostertal sowie aus dem Lechtal selbst vertreten:

Region Hypotheken Summe Allgäu 60 39.930 Bregenzerwald 119 64.963 Tannberg 17 11.066 Klostertal 1 200 Paznaun 18 7.585 Stanzertal 7 8.650 Lechtal 18 15.392 Gesamt 240 147.786 Darlehen im Zinsbuch der Elisabeth Maldoner 1831320

Abb. 24 Die wohlhabende Elisabeth Maldoner rettete die einstige Pestkapelle in Holzgau vor dem Verfall, finanzierte 1835 einen neuen Sakralbau mit neuromanischem Altar und stiftete ein eigenes Grundstück zur Erhaltung der Kapelle.

320 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 80f.

Die ländliche Oberschicht 123

2.2.3. Die ländlichen Eliten und die (Proto)-Industrialisierung

Für den größten Teil der ländlichen Bevölkerung in den Realteilungsgebieten waren mehrere Einkommensquellen nötig, um den Lebensunterhalt zu sichern, da nur Wenige über genügend große landwirtschaftliche Bewirtschaftungsflächen verfügten, um als Vollerwerbslandwirte ihr Auskommen zu finden. Die Menschen in Westtirol und Vorarlberg mussten sich daher neben der Subsistenz- Landwirtschaft nach gewerblichen Tätigkeiten umsehen und fanden diese in vielen Fällen im textilen Handwerk in der Weberei, Spinnerei oder Spitzenklöppelei.321 Joseph Rohrer schilderte in Bezug auf Vorarlberg die starke Einbindung der gesamten Bevölkerung in den textilen Produktionsprozess der Heimarbeitenden:

„Am meisten aber zeichnen sich die Vorarlberger in der Menge und Güte ihrer baumwollenen Erzeugnisse aus. Gleich bey dem Eintritte in die Bauernstuben am Tannberg, in Simmer- und Mittelberg wird man angenehm überrascht. Man findet um den Tisch so viele Schweitzerräder in Bewegung, als Weibspersonen im Hause sind. Wendet man seinen Blick in die andern Ecken der Kammer, so wird man bald hier einen jungen Mann auf der Streichbank sitzen, bald da einen Greis Fliedenlocken machen, jetzt einen dritten rüstigen Purschen mit den Mädchen in die Wette spinnen, und einen Vierten das baumwollene Garn um die Haspel winden sehen.“322

In einem „Ausweis über die Manufakturerzeugnisse“ wurde 1762 über die in Tirol befindliche Textilproduktion berichtet, dass sich besonders im Ötztal und im Pitztal zahlreiche Weber, die jährlich beträchtliche Mengen an Leinwand erzeugten, befanden. Auch in den Pfarren Breitenberg, in Aschau sowie besonders

321 DIPPER: Übergangsgesellschaft, S. 77f. 322 ROHRER: Uiber die Tiroler, zitiert nach: HELBOK: Vorarlberg in den Schriften von Joseph Rohrer, S. 220.

124 Ländliche Eliten im Wandel

im Lechtal und in Tannheim wurde viel Garn, das weiter ins Allgäu verkauft wurde, versponnen.323 Durch diese Lohnarbeiten wurden die Menschen mehr und mehr in die neuen Märkte eingebunden, in denen ausschließlich das Geld den Austausch regelte und die von innovativen Unternehmern dominiert wurden. Vor diesem Hintergrund ist die Rolle der Eliten auch im ökonomischen Modernisierungsprozess zu sehen. Die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung vor allem in Vorarlberg als neue Elite auftretende Gruppe finanzstarker Textil- Unternehmer rekrutierte sich nur zu einem kleineren Teil aus den traditionellen lokalen Oberschichten.324 Der spätere Textilindustrielle Johann Josef Ganahl stammte etwa aus einer Tschaggunser Familie, die sowohl ein Gast- wie eine Landwirtschaft betrieb und zusätzlich noch einen Kolonialwarenhandel führte. 1820 schloss er sich mit anderen zur Errichtung einer Spinnerei in Bludenz zusammen und erbaute schließlich 1833 jene Baumwollspinnerei, die er in weiterer Folge zur ersten großen mechanischen Weberei der Habsburgermonarchie ausbaute.325 Sein Vater, der Wirt, Bauer und Kaufmann Hans Ulrich Ganahl, hatte noch mit Salz, Schmalz, Käse, Wein, Vieh und Sensen gehandelt.326

2.2.3.1. Ländliche Eliten als Verleger und Manufakturbetreiber

In Teilen Tirols und Vorarlbergs arbeiteten viele Menschen schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im textilen Verlagswesen. Beispielsweise war in fast jeder Familie der Gerichte Imst und Landeck im ausgehenden 18. Jahrhundert ein Familienmitglied im protoindustriellen Produktionsprozess engagiert. 1786

323 SCHWINGSHACKEL: Geschichte der Streleschen Compagnie zu Imst, S. 15f. 324 NIEDERSTÄTTER: Das 19. Jahrhundert, S. 68; vgl. WANNER: Die politische Rolle der Vorarlberger Industrie-Unternehmerschaft. 325 OTRUBA: Ganahl, Johann Josef, S. 59. 326 WEITENSFELDER: »Textilbaron«, S. 10f.

Die ländliche Oberschicht 125 arbeiteten fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung dieser Regionen für die Strele’sche Leinen- und Baumwollfabrik in Imst.327 Besonders in den bevölkerungsreichen Berggebieten des oberen Inntals, des Außerferns, des Vinschgaus und Vorarlbergs waren Verleger gewerbsmäßig tätig, indem sie die bäuerliche Bevölkerung mit Rohstoffen und zum Teil auch Werkzeugen versorgten und für den Absatz des gesponnenen Produkte wie etwa Garn und Tuch sorgten. Auch andere ländliche Produkte wie Strohhüte, Horn- und Lederwaren wurden auf diese Art und Weise erzeugt und vertrieben. Dabei spezialisierten sich einzelne Regionen auf bestimmte Produktionszweige.328 Die Initiatoren dieser Gewerbe und zumeist gleichzeitig die Verleger oder später gar Manufaktur-Besitzer waren zu Beginn zu einem guten Teil finanzkräftige Angehörige der traditionellen Oberschicht, die genügend Startkapital für derartige Investitionen zur Verfügung hatten. Im Bregenzerwald ließen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts der Landrichter Johann Franz von Steiger und dessen Schwager Jodok Albrecht Mousseline weben. Außerdem ließen sie auch feine Kottontücher sowie glatte, gestreifte und gestickte Indiennes anfertigen und erhielten für ihre Produkte Zollbegünstigungen. Auch der Bregenzerwälder Landammann Josef Anton Metzler war um 1790 als Verleger aktiv.329 Nachdem er 1786 in sein Amt gewählt worden war, nutzte er dieses auch, um private Geschäfte zu betreiben, was ihm schließlich das Misstrauen vieler Bewohnerinnen und Bewohner der Region einbrachte. Metzler handelte zudem mit Käse, betrieb eine Sägemühle und galt als einer der reichsten Männer der Gegend. Im Jahr 1792 verlegte er 116 Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter, denen er 26.700 Gulden an Löhnen bezahlte.330 1795 ließ er 140 Zentner Fettkäse nach Wien transportieren. Er bevorzugte dabei eine Route über Ulm, denn während des Transports über den Arlberg im Sommer oder Winter könne die Ware leicht verderben. Auch seine Erben waren weiterhin in

327 MANTL: Heiratsverhalten und Fruchtbarkeit, S. 29. 328 MEIXNER: Handwerk und Gewerbe im 19. Jahrhundert, S. 159f. 329 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 24. 330 MEUSBURGER: Landammänner, S. 267-271.

126 Ländliche Eliten im Wandel

denselben Metiers tätig und ersuchten etwa 1806 um die Einfuhrerlaubnis für zehn Kisten Kottone in die Erblande an.331 In Dornbirn beabsichtigte der Altlandammann Franz Martin Rhomberg mit anderen Teilhabern eine Manufaktur für Baumwollwaren zu errichten. Der dafür vorgesehene Bauplatz lag auf einem Grundstück, das Teil der im Kommunalbesitz stehenden Allmende war und als Viehweide genutzt wurde. Das vorbeifließende Gewässer ermöglichte zudem die Errichtung einer Bleiche. Rhomberg befürchtete, dass im Falle des Bekanntwerdens seines Vorhabens das Grundstück entweder zu teuer oder gar nicht verkauft würde. Deshalb ersuchte er den Kreishauptmann zu verfügen, dass der Grund den Gesellschaftern ohne Entgelt beziehungsweise zu günstigen Konditionen überlassen werde. Das Kreisamt wurde daraufhin angewiesen dieses Ansuchen zu unterstützen. Zwischen 1792 und 1806 vervierfachte sich die Zahl der Verleger in Dornbirn von neun auf 35. Josef Anton Herrburger und Josef Anton Rhomberg betrieben den Verlag sogar über die Landesgrenzen hinaus und ließen im Tannheimer Tal im Gericht Ehrenberg heimarbeiten.332 Der Dornbirner Handelsmann und Verleger Marx Alois Luoger schaffte im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts einen außerordentlichen wirtschaftlichen Aufstieg. Um dies zu dokumentieren ließ er 1798/99 im Ortszentrum ein prachtvolles, dreigeschossiges Bürgerhaus errichten. Kurz darauf geriet er jedoch in einen spektakulären Konkurs. Er besaß zu diesem Zeitpunkt zwar ein Vermögen von 70.000 Gulden, wobei sein Haus allein auf 15.000 Gulden geschätzt wurde, dem standen jedoch Schulden von über 170.000 Gulden gegenüber. Von diesem Schlag vermochte sich Luoger nie mehr zu erholen.333 Seit 1793 ließ der spätere Montafoner Landammann Ignaz Vonier zusammen mit den zwei Mitgesellschaftern Johann Nepomuk Mark und Peter Vallentin Gantner im Raum Schruns „feinen als groben Baumwollschneller“ und grobes und feines

331 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 25. 332 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 31f. 333 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 324.

Die ländliche Oberschicht 127

Tuch herstellen334 und beschäftigte 1801/02 in seiner Gesellschaft „Vonier + Comp.“, der weiters die Vorgesetzten Oswald Tschohl und Johann Ulrich Rudigier aus Schruns, Peter Lorenz Kessler und Johann Georg Bargehr aus St. Gallenkirch sowie Anton Vonbun aus Bludenz beigetreten waren, über 90 Heimweber sowie ungefähr 4.000 Spinnerinnen.335 Im selben Jahr ließen sie 617 Kottonstücke stempeln.336 Im Jahr 1802/03 reduzierte sich der Geschäftsumfang der Gesellschaft auf 40 Weber und 1.200 Spinnerinnen, die in Heimarbeit nur noch 322 Cottonstücke verlegten.337 Im Frühjahr 1803 erhielt der Mitgesellschafter Rudigier einen Reisepass, um in München und Wien Baumwollstücke zu verkaufen.338 Die Aktivitäten unterlagen in diesen Jahren erheblichen Schwankungen, wie der Chronist Bitschnau über das Jahr 1796 berichtete:

„Alle Lebensmittel waren sehr hoch im Preise gestiegen, und die Erwerbsquellen dagegen vermindert: die gehemte Baumwolle-Spinnerey und Weberey, so wie die beschränkte Viehausfuhr brachte wenig ein, und die jungen Leute, die sonst in dem benachbarten Auslande als Handwerker jährlich einen bedeutenden Erwerb fanden, waren schon in der Mitte des Sommers zur Landesvertheidigung einberufen; […].“339

In Reutte errichtete um 1768 der Kaufmann Karl Josef Falger eine Leinwandmanufaktur und eine Bleiche. 1776 führte die Compagnie Lang und Katrein ebendort die Stickerei auf Baumwollwaren ein und experimentierte mit Spinnmaschinen.340 Im Jahr 1785 erhielten zwei protestantische Schweizer Kaufleute namens Schmid und Schindler die Genehmigung in Tirol Spinnerinnen und Weber zu beschäftigen. Im Jahr darauf entschlossen sie sich in Tannheim eine Kottonmanufaktur einzurichten, doch ihr Versuch in Tirol Fuß zu fassen erregte einerseits

334 VOLAUCNIK, Vorindustrielles Textilgewerbe, S. 99. 335 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 35; VLA, Talschaft Montafon 6/12. 336 VOLAUCNIK: Aspekte des vorindustriellen Wirtschaftslebens, S. 48. 337 VOLAUCNIK: Vorindustrielles Textilgewerbe, S. 100. 338 VLA, Stadtarchiv Bludenz, Fasz. 386/165. 339 BITSCHNAU: Darstellung der merkwürdigen Begebenheiten, S. 128. 340 ENGSTFELD: Industrie im Außerfern, S. 408f, 102f.

128 Ländliche Eliten im Wandel

„Eifersucht“ in der Schweiz und andererseits stießen die beiden auf Probleme bei der Anwerbung von Arbeitskräften, da sie nicht katholisch waren. Schließlich kaufte ihnen der wohlhabende Handelsmann Jakob Alois von Strele aus Reutte den Betrieb ab.341 Im Zuge der Ausweitung und Verdichtung des Textilverlages entwickelten sich seit den 1780er Jahren zusehends Verflechtungen zwischen Tirol und Vorarlberg. Ein Hauptfaktor dieser Entwicklung war die Strele’sche Compagnie in Imst, denn diese betrieb nicht nur Faktoreien in Elbigenalp und Tannheim im Lechtal, in Mals im Vinschgau und in Galtür im Paznaun, sondern auch in Wald am Arlberg sowie in Schruns und St. Gallenkirch im Montafon. In diesen Einrichtungen konnten die Heimarbeitenden die Rohwaren abholen und sie versponnen zurückbringen.342 Die Gründer der Strel’schen Compagnie waren der aus Berwang im Außerfern stammende Anton Strele, der sich als Wanderhändler mit Federn und Barchent in der Schweiz mit der Baumwollherstellung vertraut gemacht hatte, sowie Andrä Perktold, der die Gesellschaft jedoch kurz darauf wieder verließ. An seine Stelle traten Antons Bruder Joseph und sein Vetter des gleichen Namens. Sie alle stammten nicht aus besonders vermögenden Kreisen und Joseph Rohrer bemerkte wohl etwas übertrieben, dass sich die Gebrüder Anton und Joseph Strele „nie schämten, es offen zu sagen, daß sie als Knaben in die Schweiz gegangen waren und dort Ziegenhirten gemacht hatten“.343 Immerhin hatten sie sich aber, „nachdem sie ihre in der Schweiz durch 16 Jahre mit bestem Fortgang betriebene Handlung“344 aufgegeben hatten, in Imst niedergelassen. Dort gründeten sie 1756 eine Leinwarenmanufaktur und verlegten vornehmlich im Oberinntal, im Raum westlich von Innsbruck, im oberen Vinschgau und im Engadin. In den 1790er Jahren beschäftigten sie dann bis zu 9.000 Spinnerinnen und Spinner, Weber, Färber, Drucker, Modelschneider und viele mehr. Der Flachs kam aus dem Oberinntal und die Baumwolle wurde größtenteils aus Italien

341 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 50f. 342 SCHWINGSHACKL: Geschichte der Streleschen Compagnie zu Imst, S. 94. 343 ROHRER: Versuch über die deutschen Bewohner der österreichischen Monarchie, S. 185f. 344 HKA, Komm. I.-Oe. r.Nr. 444, 1791 Sept 15. Nr. 6. Zitiert nach: SCHWINGSHACKL: Geschichte der Streleschen Compagnie zu Imst, S. 20.

Die ländliche Oberschicht 129 importiert. Während der bayerischen Herrschaft in Tirol übersiedelten die Strele nach Niederösterreich, nahmen nach 1814 den Betrieb in Imst wieder auf, der jedoch nicht mehr in Schwung kam, sodass die Inhaber 1821 Konkurs anmelden mussten.

Um 1800 hatten die Manufakturen in Westtirol und Vorarlberg mit den englischen Spinnmaschinen zu kämpfen, da die einheimischen Verleger mit den niedrigen Preisen der Importware nicht mehr mithalten konnten.345 Beispielsweise war im Bregenzerwald die Erzeugung von Kotton und Mousseline, die früher pro Jahr mindestens 45.000 Gulden in die Region gebracht hatte, nach 1805 gänzlich versiegt.346 Kurz darauf mussten aufgrund der Kontinentalsperre und dem Fehlen von Rohmaterialien erhebliche Einbußen hingenommen werden:

„In dem Augenblicke, in dem Napoleon mit dem zweischneidigen Schwerte der Kontinentalsperre England zu treffen suchte, in seinen Ländern überdies die Einfuhr aller ausländischen Erzeugnisse verbot [1806], ja selbst die Durchfuhr der nach anderen Staaten bestimmten Waren zu erschweren wußte, war nicht allein die blühende Baumwollindustrie Westtirols und Vorarlbergs vernichtet, sondern auch dem Handelsverkehr über den Brenner der Todesstoß versetzt.“347

Auch nach der Vereinigung Tirols und Vorarlbergs mit Österreich 1814/15 erfuhr die Heimarbeit keinen Aufschwung mehr, denn durch den Bau erster mechanischer Spinnereien kam die marktorientierte Handspinnerei binnen kürzester Zeit völlig zum Erliegen. Die Stickerei und Weberei in den Haushalten blieben jedoch weit verbreitet.348 Wiederum waren Verleger, die in den Quellen häufig als „Fabrikanten“ aufscheinen, als Zwischenhändler tätig, da sie Garn ankauften und dieses an die Weber weitergaben. Mit diesen vereinbarten sie einen bestimmten Lohn und

345 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 55. 346 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 69. 347 HIRN: Geschichte Tirols von 1809-1814, S. 221. 348 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 128.

130 Ländliche Eliten im Wandel

erhielten dafür die veredelte Ware zurück. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zählte die Gemeinde Höchst im Rheintal die meisten Verleger, die auch einige Gemeindeämter bekleideten. Nicht alle Mitbewohner waren mit ihrer Art, Geschäfte zu machen, einverstanden, denn 1829 beschimpfte etwa der Adlerwirt Heinrich Blum die Verleger als „lauter ausgemachte Lumpen, - Schelmen, und Spitzbuben“. Die beiden Verleger Jakob und Karl Schneider, die sich auch als Stickfergger betätigten, zählten zu den begütertsten Bewohnern von Höchst. Letzterer wurde bei den Wahlen 1831 zum stellvertretenden Ammann gewählt. Vier Jahre später beschwerte er sich in seiner Eigenschaft als Gemeindevorsteher über Georg Schneider, der alle Fabrikanten des Ortes mit einer Ausnahme als „Sch…kerle“ tituliert hatte.349 Einige Verleger übernahmen das Gewerbe von ihrem Vater, andere waren im Zweitberuf als Händler tätig, sodass sie das Geld aus den Handelsgeschäften in die Vergrößerung der Fabrikation investieren konnten. Das Betriebskapital war sehr unterschiedlich und während manche mit lediglich 100-200 Gulden starteten, investierten andere bis zu 8.000 Gulden.350 Der spätere Unternehmer Franz Martin Hämmerle aus Dornbirn war 1815 zur Welt gekommen. Sein Großvater väterlicherseits war Lehrer, Organist, Gemeindekassier und Verleger, seine Mutter war die Tochter eines Gerichtsammanns und Gastwirts. Hämmerle absolvierte eine Ausbildung in der Bleiche und Weberei Johann Baptist Salzmanns, wo er auch in der Kanzlei tätig war und neben seinem Lohn freie Kost und Logis erhielt. Als er 1836 heiratete machte er sich mit der Mitgift seiner Frau, der Tochter eines Ortsammann- Stellvertreters selbständig. Anfangs bezog er Garn von Salzmann und gab es an Handweber weiter, um dann die Tücher auf verschiedenen Märkten zu verkaufen. Nach einigen Jahren beschäftigte er 20 bis 30 Handweber und zählte somit zu den größeren Verlegern. Nachdem er in den 1840er-Jahren sein Geschäft weiter ausgebaut hatte, errichtete er zuerst ein Garn- und Stückefärberei, ferner eine

349 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 133f. 350 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 135.

Die ländliche Oberschicht 131

Hand-Buntweberei und schließlich 1864 eine Spinnerei mit 11.000 Spindeln, die bereits 1868 um weitere 10.000 Spindeln erweitert wurde. In Hämmerles Todesjahr 1878 arbeiteten rund 600 Personen in seinen Betrieben. Der Unternehmer hatte noch zwei weitere Male geheiratet und war dabei mit der Tochter des Dornbirner Landrichters und anschließend mit deren Schwester in den Stand der Ehe getreten.351 Die Vermögen der Textilunternehmer erreichten teilweise enorme Summen. Johann Michael Lenz, Teilhaber an der ersten Spinnerei Vorarlbergs in Dornbirn, hinterließ 1859 ein Aktivvermögen von fast 275.310 Gulden. Sein Anteil an der Spinnerei machte knapp ein Drittel dieser Summe aus, ein weiteres Drittel hatte er in Aktien der österreichischen Nationalbank angelegt. Das Vermögen Melchior Jennys aus Hard belief sich 1863 auf gut 696.000 Gulden, jenes Karl Ganahls 1887 auf nicht weniger als 1.086.000 Gulden, wobei mehr als die Hälfte Realitäten ausmachten.352

2.2.3.2. Widerstand gegen die Industrialisierung

Der ökonomische Modernisierungsprozess der beginnenden Industrialisierung trat in den Berggebieten nur sporadisch auf und verebbte in Jahren nach 1815 in den meisten peripheren Regionen wieder. Über das Montafon schrieb der Vorarlberger Kreishauptmann Johann Ebner im Jahr 1837 diesbezüglich: „Von Fabriken wollen die Montafoner nichts wißen. Sie verhinderten heuer die Errichtung einer Fabrik in Schruns […].“353 Ein auswärtiger Kapitalbesitzer wollte dabei eine Mühle erwerben, um die dazugehörige Wasserkraft für eine Spinnerei und Weberei zu nutzen. Als die lokale Bevölkerung ihm jedoch jede Abgabe von Holz zum Bau und Betrieb der geplanten Fabrik verweigerte und anhaltend Widerstand leistete, ließ der Unternehmer schließlich von seinem Vorhaben ab.

351 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 206f. 352 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 326. 353 Ebner-Tagebuch 1837, S. 94.

132 Ländliche Eliten im Wandel

„Mit lachendem Munde und als ob dadurch von seiner Gemeinde ein großes Unglück abgewendet worden wäre, erzählte [… dies] der sonst gescheite Vorsteher von Schruns [dem Kreishauptmann Ebner].“ Der Grund für diese Ablehnung war die Meinung, dass die Fabriken nur wenigen zu Reichtum verhelfen, hingegen „die Zahl der Armen vermehrt werde“. Diese Haltung wurde durch Erfahrungen in jenen Gebieten, in denen Fabriken entstanden oder betrieben wurden, bestätigt.354 Eine wettbewerbs-, unternehmens- und risikoorientierte Leistungselite vermochte sich somit in Teilen des ländlichen Raumes auf Dauer kaum zu etablieren.

2.2.4. Arbeitsmigration und überregionale Handelsbeziehungen

Die Wirtschaft in Westtirol und Vorarlberg stützte sich in der Frühen Neuzeit vorwiegend auf die Landwirtschaft und den Handel. Im Zuge des kontinuierlichen Bevölkerungswachstums wurden immer mehr Menschen zur saisonalen, periodischen oder episodischen Abwanderung gezwungen. Als Handwerker, Händler oder Taglöhner verdienten sich zahlreiche Frauen, Männer und Kinder außerhalb ihrer Landesgrenzen in Bayern, Schwaben, der Schweiz und Frankreich ein zusätzliches Einkommen, um sich und ihre Angehörigen über das restliche Jahr zu bringen, bis sie zur neuerlichen arbeitsmäßigen Wanderung aufbrachen.355 Da viele Paznauner emigrierten und manchmal in der Ferne ein Unternehmen betrieben, „geschieht es manchmal, daß durch Erbschaften und Schenkungen bedeutende Summen Geldes wieder in die nie vergessene Heimath zurückfließen“.356 In mehreren Regionen Westtirols entwickelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts Handelshäuser, die über weite Teile Europas hinweg ihr Geschäft betrieben und zu erheblichem Reichtum kamen. Ischgler „Handelsherren“ wirkten etwa zu

354 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmannes Ebner, S. 147f. 355 MEIXNER: Handwerk und Gewerbe im 19. Jahrhundert, S. 156. 356 ZANGERL: Historisch-topographische Notizen, S. 68.

Die ländliche Oberschicht 133

Wien, Venedig, Prag (Lechleitner), Laibach, Augsburg (Lechleitner), Berlin, Nastätten in Nassau (Ferdinand Kathrein u. sein Bruder Franz), Oberkirchberg bei Ulm (Johann Zängerle), in Luxemburg-Diekirchen (Tschuderer). [...] Einige gingen in die Niederlande (Moritz). Alle machten gute Geschäfte.

Jene, die in ihre Herkunftsregion zurückkehrten, konnten ihren Wohlstand jedoch nicht halten und so blieb davon nichts anderes, als einige schöne Häuser, Hoffart und Luxus übrig.357 Die vermögendsten Ischgler Handelsmänner um 1800 waren Eberhard Lechleitner, Franz Adam Mayer, Johann Heiß und Paul Zängerl, „vor allen glänzte jedoch das Handlungshaus Mayer und Lechleitner“.358 Auch aus dem Lechtal gingen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts über 300 Hausierer, Händler und Kaufleute nach Deutschland, in die Schweiz, vor allem in die Niederlande und sogar in die Vereinigten Staaten von Amerika.359

„Noch müßen hier die reisenden Männer aus dem Lechthale angemerkt werden. Jene aus dem oberen Lechthale sind fast einzig Handelsleute, sowie die aus dem unteren meistens Professionisten sind. Die Lechthaler Handelsleute hausirten mit kleinen Spielereyen, als da sind die Nürnberger Quincaillereywaaren, ehevor vornähmlich in Holland, und schlugen selbst Buden im Haag, in Amsterdam u. s. w. auf. Oefters sind die Lechthaler zwey Jahre nacheinander vom Hause entfernt. Ja, fast sollte man behaupten, es sey kein einziger Greis, zumahl in der sogenannten oberen Anwaldschaft, (der Elme) der nicht wenigstens zehn Jahre von seiner ganzen Lebenszeit außerhalb Tirol zugebracht hätte.“360

Die von diesen erwirtschafteten Vermögen waren beträchtlich. So hinterließ 1841 die Kaufmannstochter Maria Anna Huber ein Vermögen von 259.000 Gulden.361 Oft kooperierten ganze Verwandtschaftsnetzwerke in Gesellschaften miteinander

357 TLMF, W20548-50, S. 11f. 358 ZANGERL: Historisch-topographische Notizen, S. 73. 359 SCHNELLER: Anton Falger, S. 45. 360 ROHRER: Uiber die Tiroler, S. 50f. 361 SCHNELLER: Anton Falger, S. 50.

134 Ländliche Eliten im Wandel

und handelten mit Manufakturwaren, Seide und Tuch. Ein typisches Beispiel einer solchen „Händlerkarriere“ schildert Falger aus seinem familiären Umfeld in Bezug auf seinen Schwiegervater Seep:

„Anfangs war er Hirt, dann Maurerjunge, später lernte er die Gärberei. Noch immer zu wenig Verdienst; endlich kam er in die Gegend bei Pickenburg (in Hannover) zu seinem Vetter Thomas als Knecht bei der Handlung, erwarb sich einiges Geld und bekam von Hause etwa 400-500 fl. (Vermögen). Bei der Nacht lernte er erst das, was er mit 12 Jahren schon hätte können sollen, nämlich lesen, schreiben und rechnen. Jetzt wagte er selbst eine Handlung zu gründen, trug Waaren von Markt zu Markt, dann kaufte er einen grossen Hund, der die Waare zog, bis er sich so viel erwarb, dass er die Waare konnte fahren lassen. Er handelte etwa 25 Jahre und erwarb sich ein Vermögen von 45.000 Gulden. Besonders in Holland war die Fortuna freigebig, mehrere Tausend Gulden gewonnen.“362

Abb. 25 Straßenansicht von Elbigenalp nach einem Gemälde von Johann Anton Falger (1791-1876)

Nach den napoleonischen Kriegen konnten sich zahlreiche Handelsgeschäfte nicht mehr erholen und Falger bemerkte Mitte des 19. Jahrhunderts den Niedergang des Handels und die wieder aufkommende Armut in der Region:

362 SCHNELLER: Anton Falger, S. 56f.

Die ländliche Oberschicht 135

Die Händler sein alt oder schon längst tod, welche Lechtal mit Geld belebten. […] Auch kommt immer mehr vermögen durch heirathen und auswandern etc. aus dem Thale, und somit wird das Thal ärmer.363

Auch im Stubaital entwickelten sich im Zuge des 18. Jahrhunderts Handelskompanien für Metallwaren, die Filialen im In- und Ausland errichteten und betrieben.364

In Fußach am Bodensee verweist eine Steuerliste aus dem Jahr 1836 auf die Bedeutung des Transportgewerbes und des Verkehrs: Hier im Rheintal war der Transitverkehr wie an anderen Nord-Süd-Achsen dafür verantwortlich, dass neben Textilfabrikanten vor allem zwei Spediteure, Gebrüder Weiß und Carl Blum, sowie Wirte und Händler zu den größten Erwerbssteuerzahlern gehörten.365

Einer der wichtigsten auswärtigen Gläubiger im Montafon, Paul Buol, verweist auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen, welche Vorarlberg und Westtirol mit Graubünden und insbesondere das Montafon mit dem Prättigau verbanden. Einerseits hatten viele Graubündner im Montafon Geld verliehen, andererseits gab es zwischen den beiden Territorien einen ausgeprägten Handel mit Branntwein, Vieh und Wein. In den Jahren zwischen 1792 und 1809 kam es jedoch aufgrund der rasch wechselnden politischen Umstände und wiederkehrender Seuchen immer wieder zu Grenzsperren, die diese Verbindungen unterbrachen und im Montafon zu Beschwerden und Unruhen führten, weil ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung auf den Viehexport nach Graubünden und Oberitalien angewiesen war.366 Insbesondere die Angehörigen der ländlichen Oberschicht betätigten sich als Viehhändler und organisierten den Viehtrieb nach Süden. Im September 1799 suchte etwa Ignaz Vonier um einen Gesundheitspass für 119

363 TLMF, FB 2709, S. 68. 364 SPAN: Ein Bürger unter Bauern?, S. 391-394. 365 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 120. 366 KIRISITS: Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen, S. 14f.

136 Ländliche Eliten im Wandel

Stiere an, die er vom Schrunser Markt für Herrn Pagani von Rigazzo in die italienische Schweiz zu treiben beabsichtigte.367

Abb. 26 Schrunser Markt, um 1920

Aufgrund der häufigen Ausfuhrsperren und dem zunehmenden obrigkeitlichen Zugriff des Staates lebten in diesen unruhigen Jahren auch die Viehausschwärzungen auf. An diesen waren besonders oft die wohlhabenderen Händler als Hintermänner beteiligt. Ignaz Vonier, der im Jahr 1794 mehrere Montafoner, die Pferde und Rinder in die Schweiz geschmuggelt hatten, denunziert hatte368, wurde seinerseits vier Jahre später selbst beschuldigt, illegal Vieh ins benachbarte Prättigau verkauft zu haben.369 Auch im Passeiertal kam es um 1800 immer wieder zu illegalen Aktivitäten. Der Wirt und Säumer Georg Pfitscher kam etwa 1790 wegen Vorweisens eines gefälschten Ladescheins vor

367 VLA, Vogteiamt Bludenz, Fasz. IX, Nr. 769. 368 VLA, Vogteiamt Bludenz, Fasz. XII, Nr. 804. 369 KASPER: Der Kampf um Macht und Geld?, S. 57f.

Die ländliche Oberschicht 137

Gericht.370 Bereits 1788 war es zu größeren Untersuchungen zu den Umtrieben der Branntweinschmuggler gekommen: Der Spezereihändler Sebastian Kneißl, der Säumer Anton Etschmann aus Passeier und Josef Meister aus Imst gaben bei einem Verhör an, dass in Meran und Umgebung in großem Stil Wein und Branntwein aufgekauft und ohne Zoll- oder Umgeldentrichtung durch Träger über die Joche teilweise bis nach Imst gebracht wurden.371 Besonders nach dem Herrschaftswechsel im Jahr 1806 herrschte bei weiten Teilen der Bevölkerung Unsicherheit über die gültigen Grenz- und Zollrechtsverhältnisse. Zudem wurde das rechtswidrige Verhalten teils aus Gleichgültigkeit und teils aus Trotz gegenüber dem geltenden Recht sowie aus „Rebellion“ gegen die Obrigkeit beibehalten oder sogar ausgeweitet.372 Auch in den Jahren nach 1809 blieb die Lage für den Viehhandel unsicher und wechselhaft, denn während der neue Montafoner Landrichter von Kaler 1810 berichtete, dass

„der Viehhandel […] in diesem Jahre gut ausgefallen [ist], obwohl der Kanton Graubündten die Viehsperre anordnete, so erhielt sich das Vieh doch immer im Preise, und fand guten Absatz, weil von den meisten Gegenden des ehemaligen Tirols, wo das Vieh zur Verpflegung des Militärs geschlachtet werden mußte, sich viele Käufer einfanden und im Kanton St. Gallen viel Vieh ausgeführt worden ist“ 373,

musste er zwei Jahre später feststellen, dass

„der Handel mit Rindvieh und Schaafen […] aber in diesem Jahre schlecht ausgefallen [ist], weil sowohl aus Italien, als aus der Schweitz nicht so viele Käufer sich einfanden, als andere Jahre, der Absatz kann daher wenigstens um ein Drittheil geringer angenohmen werden, als im Jahre 1810/11.“374

370 OBERHOFER: Andreas Hofer und die Schwärzer, S. 286f. 371 OBERHOFER: Andreas Hofer und die Schwärzer, S. 288. 372 Vgl. OBERHOFER: Andreas Hofer und die Schwärzer. 373 Bay. Hsta., Ministerium des Innern 27190/1, Landgericht Montafon Jahresbericht 1809/10. 374 Bay. Hsta., Ministerium des Innern 27190/1, Landgericht Montafon Jahresbericht 1811/12.

138 Ländliche Eliten im Wandel

Vom Viehstand, der 1840 im Montafon 3.200 Stück Hornvieh, 2.000 Rinder, 14.000 Schafe, 3.000 Lämmer, 3.600 Ziegen und 1.500 Schweine umfasste, wurden jährlich rund 1.500 Stück Hornvieh sowie 1.500 Stück Schafe auf Vorarlbergs größtem Viehmarkt in Schruns am 21. und 22. September verkauft.375

In Vorarlberg gab es nur wenige größere Grundbesitzer aus der ländlichen Bevölkerung. Zu ihnen zählten etwa die Käsehändler Gallus, Josef Ambros und Leopold Moosbrugger aus Schnepfau im Bregenzerwald. Sie erwarben 1843 die ehemalige Herrschaft Blumenegg im Walgau und im Großen Walsertal um 42.126 Gulden und zählten damit zu den größten Grundbesitzern des Kreises Bregenz.376

Abb. 27 Der Käsehändler Gallus Moosbrugger (1811-1886), um 1860 in Mailand

375 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmanns Ebner, S. 239. 376 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 325.

Die ländliche Oberschicht 139

Zu ihrem großen Vermögen waren sie durch den Käseexport gekommen. Franz Xaver Steiger, Appellationsrat aus Bezau, hatte schon in den 1790er-Jahren den Landammann Josef Anton Metzler aus Schwarzenberg (1753-1796) auf Absatzmöglichkeiten in Wien aufmerksam gemacht. Etwa zur selben Zeit belieferte Peter Ratz aus Bezau (1781-1840) die österreichischen Niederlande und Norddeutschland mit Käse. Nach 1814 kam es zu einer Neuorientierung des Käsehandels, der nunmehr aufgrund von Zollbegünstigungen vor allem Lombardo- Venetien im Visier hatte. Vor diesem Hintergrund gelang es den Gebrüdern Moosbrugger um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine führende Stellung in dieser Branche einzunehmen.377

Im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung konnten es sich die Angehörigen der Oberschicht leisten, Gesinde zu beschäftigen.378 Die meisten der um 1800 in Schruns lebenden und quellenmäßig greifbaren Dienstbotinnen und Dienstboten lassen sich den Haushalten der reichsten Dorfbewohner zuordnen.379 Auch der Nenzinger Wundarzt beschäftigte in seinem Haus eine Magd und einen Knecht.380 Für den gesamten Untersuchungsraum ist jedoch zu konstatieren, dass der Anteil der Dienstboten an der Gesamtbevölkerung deutlich niedriger als etwa im Tiroler Unterland war. Vor allem in kleinen und sehr peripheren Ortschaften – etwa in , Pfafflar oder Spiß – gab es nahezu gar keine Dienstboten.381

2.2.5. Die ländlichen Eliten im Prozess der Agrarmodernisierung

Die Agrarquote lag im Durchschnitt der österreichischen Monarchie im Jahr 1850 bei knapp 72 Prozent, in Tirol und Vorarlberg hingegen bei über 78 Prozent der

377 MEUSBURGER: „Die Käsgrafen“, S. 5f. 378 MA, ZKA, Schruns 11/8.4. 379 MA, ZKA, Schruns 11/8.4. 380 GSTACH: Christian Hummel, S. 111. 381 ZÖRNER: Die Besitzstruktur der nordtiroler Dörfer, S. 99.

140 Ländliche Eliten im Wandel

Bevölkerung. Das Kronland Tirol und Vorarlberg hatte somit den höchsten Anteil an landwirtschaftlicher Bevölkerung innerhalb der Alpenländer.382 Größeren Grundbesitz gab es im ländlichen Raum nur selten. In der Gemeinde Fußach im Rheintal verfügten die drei größten Grundeigentümer über Flächen zwischen 15,8 und 7,1 Hektar. Die drei genannten zählten zugleich zu den wichtigsten Steuerzahlern der Gemeinde.383 Hinsichtlich des Viehbesitzes lassen sich dementsprechend keine größeren Differenzierungen zwischen den Angehörigen der Oberschicht und den anderen sozialen Schichten ausmachen. Als im Juni 1795 etwa eine Viehbeschreibung für die Pfarre Vandans verfasst wurde, verteilen sich die insgesamt 216 Kühe, 156 Rinder und 190 Kälber ziemlich gleichmäßig auf 123 Viehbesitzer. Jeder Bauernhof verfügte über durchschnittlich 4,6 Tiere. Ein einziger Landwirt, Hans Jacob Batlog, besaß fünf Kühe.384 Im Montafon wurden um 1840 nur 2 % des Bodens für den Ackerbau genutzt, 24 % waren Gärten, Wiesen und Bergmähder zur Heugewinnung, 15 % Waldflächen und die übrigen 59 % Weiden, Alpen und Ödland.385

Altlandammann Ignaz Vonier aus Schruns vereinbarte im Jahr 1811 mit den Eigentümern der Alpe Valzifenz aus auf der Alpe eine neue Hütte zu errichten. Das Gebäude sollte aus Mauerwerk gebaut werden, ein Sengemach, zwei Keller und ein Schlafgemach für das Alpvolk beinhalten. Als Gegenleistung dafür erhielt er das Recht acht Jahre lang jährlich 400 Schafe in der Alpe zu sömmern.386 Er erwirkte somit auf der einen Seite eine Verbesserung der Infrastruktur der Alpe, genoss aber zugleich auch einen erheblichen persönlichen Vorteil, denn es war im Montafon anderswo kaum möglich eine so große Zahl an Schafen auf einer fremden Alpe unterzubringen. Die Schafe wurden im Herbst

382 DIETRICH: Die Bevölkerungsentwicklung Tirols, S. 129. 383 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 145. 384 VLA, Talschaft Montafon 11/4, Viehbeschreibung Vandans v. 8.6.1795. 385 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmanns Ebner, S. 239. 386 MA, ZKA, Alpe Valzifenz 20.8.1811.

Die ländliche Oberschicht 141 dann entweder verkauft, oder für die regionale Versorgung geschlachtet. Auch die Wolle war ein nicht unerhebliches Exportprodukt der Region.

Abb. 28 Alpe Valzifenz, um 1905

Im Realteilungsgebiet dagegen spielte die Allmende eine wesentliche Rolle, da die landwirtschaftliche Tätigkeit zwar weiterhin in erheblichem Umfang betrieben wurde, die kleinen Familienbetriebe wegen ihrer geringen Produktivität aber nur bei zusätzlicher Nutzung von Gemeinschaftsgütern einen für den Lebensunterhalt ausreichenden Ertrag erzielten. Was also den Einen die Vielfalt der Bewirtschaftung des geschlossenen Hofes einbrachte, das gewährleistete den Anderen die wechselseitige Ergänzung zweier Ertragsquellen: des kleinbäuerlichen Eigentums und der großen Allmende.387 Häufig wurde nach 1816/17 die Allmende aufgeteilt.388 Einerseits ging es darum die Gemeindeschulden durch den Verkauf

387 LEONARDI: 1809-2009, S. 11f. 388 BOSO: 1816 – das Jahr ohne Sommer, S. 41.

142 Ländliche Eliten im Wandel

dieses öffentlichen Besitzes zu reduzieren389, andererseits sollte diese Privatisierung weniger Besitzenden eine neue Anbaufläche erschließen.390

Erst 1838 wurde in Tirol ein landwirtschaftlicher Verein gegründet391, weil Tirol keine anderen Ressourcen habe als die Landwirtschaft, vor allem die Viehwirtschaft und den Weinbau. Da diese zwei Bereiche eindeutig vernachlässigt würden und weil die bäuerliche Bevölkerung erhebliche Vorurteile gegenüber fortschrittlichen agronomischen Ideen hege und diese daher systematisch boykottiere, sollten alle, die an den Fortschritt in der Landwirtschaft glaubten, sich in einer Landwirtschaftsgesellschaft zusammenschließen. Die Gründungsversammlung der Gesellschaft, um dessen Einrichtung sich insbesondere Erzherzog Johann und Gouverneur Wilczek verdient gemacht hatten, fand am 10. Mai 1838 an der Universität Innsbruck statt. Die in der Satzung der Landwirtschaftsgesellschaft festgeschriebene Hauptaufgabe war die Verbreitung „landwirtschaftlicher Kenntnisse jeglicher Art“ in ganz Tirol und „die bestmögliche Förderung der Agrarwirtschaft“. Die gesteckten Ziele sollten durch eine breit ausgelegte Tätigkeit erreicht werden, die von der Erhebung der Ausgangslage über Bildungstätigkeiten, Versuchswesen bis hin zu einer Vielzahl an Maßnahmen reichte, die Anreize zur Rationalisierung der Landwirtschaft bieten sollten. Bereits zwei Jahre nach der Gründung zählte die Vereinigung 818 Mitglieder.392 Die Landwirtschaftsgesellschaft wollte von Anfang an landesweit tätig werden, hatte daher Zweige in Nord- und Südtirol und eröffnete eine italienische Sektion mit Sitzen in Trient und Rovereto sowie eine weitere in Vorarlberg. Durch dezentrales Wirken in den verschiedenen Landesteilen beabsichtigte die Gesellschaft, unmittelbarer als früher eine größtmögliche Zahl von Bauern zu erreichen. Unter den Mitgliedern dieser neuen „Agentur für die Landwirtschaft“

389 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 232. 390 WEITENSFELDER: Agrarreform und Sozialkonflikt. 391 LAIMBÖCK: Zur Situation der Tiroler Bauern, S. 88. 392 WOPFNER: Bergbauernbuch, S. 39.

Die ländliche Oberschicht 143 fehlten allerdings wiederum, wie bereits in der Ackerbaugesellschaft zu Zeiten Maria Theresias, die Kleinbauern. Dieses Mal gab es aber eine Neuheit: Neben den adligen und anderen Grundherren, die ihr Land traditionsgemäß nicht selbst bebauten, waren auch zahlreiche Volksschullehrer und vor allem Priester Mitglieder der Landwirtschaftsgesellschaft. Durch das Mitwirken des Klerus und durch dessen agrarwissenschaftliche Schulung, die von der Landwirtschaftsgesellschaft entschlossen betrieben wurde, war man bestrebt, einige grundlegende Kenntnisse der Agrarwissenschaft auch weiten Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung zu vermitteln, die sich, wie bereits betont, ihrer Geistlichkeit traditionell stark verbunden fühlte.393

Die Bedeutung der Viehzucht in Westtirol und Vorarlberg war generell sehr hoch. Die Bedingungen derselben waren jedoch häufig sehr ungünstig und es herrschten ungenügende hygienische Zustände sowie Mangel an Stallungen und Futter. In einem Bericht über die Pflege der Alpen im Oberinntal sowie die dortige Milchwirtschaft wurde etwa festgestellt, dass ein Mangel an Stallungen und Futtervorrat dazu führte, dass das Vieh dem schädlichen Einwirken der Witterung ausgesetzt war. Überdies seien die besten Weidenflächen oft mit Steinen oder Schutt bedeckt, auf ertragreichen Wiesen wucherte für das Vieh ungenießbares Unkraut und im Umfeld der Sennhütten verwandelten Schlamm und Kot die Flächen in unzugänglichen „Moorgrund“.394 1835 erwarb der Stand Montafon zur Verbesserung der Rinderzucht acht Zuchtstiere aus der Schweiz.395 In den folgenden Jahren stand die Entwicklung einer eigenen Viehrasse stark im Fokus der regionalen Landwirtschaft.396 So wurde beispielsweise 1845 vom landwirtschaftlichen Verein eine Prämie von 50 Gulden für die besten Zuchtstiere ausgeschrieben. 397 Im Jahr darauf erhielten die Halter der besten Zuchtstiere auch aus der Montafoner Standeskasse

393 LEONARDI: 1809-2009, S. 33-35. 394 LAIMBÖCK: Zur Situation der Tiroler Bauern, S. 104f. 395 VLA, Landgericht Montafon 345/40. 396 VLA, Landgericht Montafon 354/38. 397 VLA, Landgericht Montafon 357/12, 357/31.

144 Ländliche Eliten im Wandel

Prämien.398 1847 wurden derartige Prämien an Christian Jochum aus Schruns und Franz Josef Kessler aus St. Gallenkirch ausgezahlt.399 Von den Mitgliedern des landwirtschaftlichen Vereins im Montafon können alle 28 im weitesten Sinne der regionalen Oberschicht zugeordnet werden: 400 Ignaz Barbisch (Landarzt), St. Gallenkirch; Joseph Barbisch (Pfarrer), Tschagguns; Rudolph Bargehr (Kurat), Stallehr; Franz Bertel (Landgerichtsaktuar), Schruns; Ferdinand Biedermann (Taubenwirt), Schruns; Kristian Bitschnau (Tierarzt), Vandans; Kristian Brunolt (Gemeindevorsteher), St. Gallenkirch; Josef Dörler (Frühmesser), Silbertal; Mathias Drexel (Standesrepräsentant), Tschagguns; Jakob Dumpfer (Wundarzt), Gaschurn; Anton Fitsch (Organist), Schruns; Rudolph Frik (Pfarrer), Schruns; Georg Gmeiner (Pfarrer), Silbertal; Martin Gunz (k.k. Adjunkt), Schruns; Josef Huber (Doktor med.), Schruns; Kristian Jochum (Tierarzt und Sternenwirt), Schruns; Jakob Jochum (Standeskassier), Schruns; Franz Joseph Juen (Kirchprobst), Schruns; Franz Joseph Keßler (Wirt und Gemeinderat), St. Gallenkirch; Peter Keßler (Pfarrer), Vandans; Anton Maklott (Wundarzt), Schruns; Peter Maklott (Gemeinderat), Schruns; Johann Ulrich Mangard (Pfarrer), St. Anton; Martin Meßner (Landrichter), Schruns; Praxmarer (Pfarrer), Bartholomäberg; Kristian Sander (Kurat), Innerberg; Theodor Vogt (k.k. Landgerichtskanzlist), Schruns; Alois Würbel (Pfarrer), Gaschurn.

398 VLA, Landgericht Montafon 358/24. 399 VLA, Landgericht Montafon 360/20. 400 VLA, Landgericht Montafon 357/12.

Die ländliche Oberschicht 145

Abb. 29 Montafoner Braunvieh

Der Vorarlberger Kreishauptmann Johann Ebner engagierte sich ebenso für die Modernisierung und Marktorientierung der Landwirtschaft:

„Für die Käserei interessierte er sich ganz besonders und versuchte die Einführung in Gegenden, die weitab vom Verkehr lagen, um der Bevölkerung größere wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Auf seine Nachforschungen, warum im Montafon die Einführung der Käserei nicht gelang, stellte es sich heraus, daß die Montafoner Hausfrauen nicht auf die gute Milch und auf die frische Butter verzichten wollten und daß die Männer um des häuslichen Friedens willen nachgaben. So ist das Tal Montafon bezüglich des Sennereiwesens für die kommenden Jahrzehnte im Rückstand geblieben.“401

401 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmanns Ebner, S. 257.

146 Ländliche Eliten im Wandel

Außerdem wurden im Montafon nach 1815 zahlreiche neue Viehmärkte eingeführt. Bis dahin gab es im Oberland nur die Märkte in Bludenz und Schruns. Nunmehr konnte das Vieh am 20. Jänner in Gaschurn, am 21. Jänner und am Dienstag nach dem Gallustag in St. Gallenkirch, am Donnerstag vor Lätare, am 2. April, 21. und 22. September sowie am 11. November und am Donnerstag vor dem 13. Dezember in Schruns verkauft werden.402

2.2.6. Die Ausnahmen: Ärzte

Die Ärzteschaft im ländlichen Raum bestand in erster Linie aus den Wundärzten. Akademisch gebildete Ärzte gab es nur wenige. Diese fungierten als Kreis- oder Distriktsärzte, ließen sich aber häufiger in urbanen Räumen nieder. Es kann daher für das 19. Jahrhundert sogar von einer „Landflucht“ der Ärzte gesprochen werden, die in erster Linie aus einem Mangel zahlungskräftiger an Klientel im ländlichen Raum resultierte. Im gesamten deutschsprachigen Raum kamen um 1830 durchschnittlich 60.000 Menschen auf einen Arzt.403 Die Zahl der Wundärzte, die im ländlichen Raum vorherrschten, war in Württemberg um 1850 doppelt so hoch wie jene der akademischen Ärzte.404 Christian Hummel aus , der später auch als „Leibchirurg“405 Andreas Hofers wirkte, kann als Vertreter der Berufsgruppe der Wundärzte exemplarisch herangezogen werden. Er begleitete 1815 Kaiser Franz I. bei seinem Besuch in Vorarlberg, war jahrzehntelang Mitglied der Nenzinger Gemeindevertretung und übernahm das Amt des Sonnenberger Standesrepräsentanten.406 Er kam am 24. März 1787 in Bürs zur Welt. Von seinen zwölf Geschwistern überlebten nur drei das Kleinkindalter. Mit 14 Jahren begann er im Spätherbst 1801 beim Schrunser Chirurgen Alois Tagwercher die Ausbildung zum Wundarzt.407 Möglicherweise

402 VLA, Landgericht Montafon 340/21. 403 OBERHOFER: Eine Landarztpraxis im 19. Jahrhundert, S. 168. 404 DREES: Die Ärzte auf dem Weg, S. 47. 405 GSTACH: Christian Hummel, S. 8. 406 GSTACH: Christian Hummel, S. 9. 407 GSTACH: Christian Hummel, S. 10.

Die ländliche Oberschicht 147 erhielt er in dieser Zeit bei einem Priester in Schruns Privatunterricht in Latein. Für die dreijährige Ausbildung waren jährlich 130 Gulden an den Lehrherrn zu entrichten. Hummel kann also nicht ganz unvermögenden Verhältnissen entstammen.408 Darauf verweist auch der Umstand, dass er anschließend in St. Gallen ein Studium aufnahm. 1808 musste er allerdings aus politischen Gründen St. Gallen verlassen. Er setzte seine Studien in Innsbruck fort, kehrte aber kurz darauf in seinen Heimatort zurück und begann dort mit 21 Jahren als Wundarzt zu arbeiten.409 Im Zuge der Revolte des Jahres 1809 kam Hummel wieder nach Innsbruck und wirkte als Wundarzt bei verschiedenen Gefechten. Außerdem bestätigten ihm mehrere Professoren der Universität das Gewerberecht des Wundarztes und Geburtshelfers, jedoch nicht den akademischen Titel eines Doktors der Medizin.410 Im weiteren Verlauf der Revolte kam er mit Andreas Hofer in Kontakt. Er erhielt ein Anstellungsdekret:

„Wenn dieser von der Obercommandantschaft sollte für die Landesvertheidigung zum Ausrücken bestimmt werden, so solle der Obgenannte als Leibchirurg oder als erster Wundarzt bei der unterzeichneten Obercommandantschaft aufgenommen werden, und ihm die in diesem Range gehörige Solldung zugesichert sein.“411

Im folgenden Jahr nahm Hummel den Unterricht an der bayerischen Schule für Landärzte in München auf und schloss dieses im Jahr 1812 erfolgreich ab.412 Im selben Jahr besetzte er die Stelle eines Gemeindearztes in Nenzing, die mit jährlich 60 Gulden dotiert ist.413 Bei Streitigkeiten mit der Gemeinde stellt sich der Großteil der Oberschicht hinter ihn: So erhielt er Empfehlungsschreiben von Pfarrer Karl Johann Gunz, dem Standesrepräsentanten Joseph Greber sowie dem ehemaligen Amtsträger Johann Christian Jutz.414 Letzterer, zugleich Sonnenwirt,

408 GSTACH: Christian Hummel, S. 11. 409 GSTACH: Christian Hummel, S. 12f. 410 GSTACH: Christian Hummel, S. 13. 411 GSTACH: Christian Hummel, S. 14. 412 GSTACH: Christian Hummel, S. 19, 24. 413 GSTACH: Christian Hummel, S. 26f. 414 GSTACH: Christian Hummel, S. 28.

148 Ländliche Eliten im Wandel

Gemeindevorsteher und Standesrepräsentant, wurde 1814 dann Hummels Schwiegervater, da dieser Maria Magdalena Jutz ehelichte.415 Nachdem seine Ehefrau 1819 und sein Schwiegervater 1820 verstarben waren, erbte Hummels Sohn Meinrad das Wirtshaus zur Sonne, das für 8.800 Gulden versteigert wurde.416 Im Jahr 1826 ging Hummel eine neue Ehe mit der Adoptivtochter des Kreuzwirtes von Nenzing, Anna Maria Merkle, ein. Sie entstammte wie seine erste Frau einer Oberschichtfamilie, denn ihr Adoptivvater Johann Ignaz Greber war nicht nur Wirt, sondern auch Landammann und Standesrepräsentant von Sonnenberg. Er zählte zu den wohlhabendsten Bürgern von Nenzing. Nach dem Tod des Schwiegervaters 1833, übersiedelte Hummel mit seiner Familie in das Gasthaus Kreuz.417 Er führte die Gastwirtschaft weiter und hat das

„Gräber’sche Haus […] verschönert, teilweise umgebaut und für Landleute und Städter (Noblesse) gut eingerichtet. […] Im Kreuz zu Nenzing waren vor 1848 Geistl. Weltl. Charaktere, Bürger, Bauern in der Gastwirtschaft beisammen […].“418

Als 1848 die Vorarlberger Landstände nach 32 Jahren erstmals wieder tagen sollten, waren von den 19 Abgeordneten nur noch vier am Leben. In allen anderen Distrikten mussten daher Neuwahlen abgehalten werden. Der Stand Sonnenberg wählte den Nenzinger Arzt Johann Christian Hummel.419 Er übte die Funktion jedoch nur in den Jahren 1848/49 aktiv aus. Er starb zwanzig Jahre später am 5. März 1868.420

415 GSTACH: Christian Hummel, S. 30. 416 GSTACH: Christian Hummel, S. 35. 417 GSTACH: Christian Hummel, S. 41. 418 GSTACH: Christian Hummel, S. 43. 419 GSTACH: Christian Hummel, S. 48. 420 GSTACH: Christian Hummel, S. 52.

Die ländliche Oberschicht 149

Abb. 30 Landarzt Christian Hummel

Im Montafon wirkte um die Mitte des 19. Jahrhunderts Franz Josef Vonbun als Standesarzt. Er war 1824 in Laz bei Nüziders zur Welt gekommen und hatte das Gymnasium in Feldkirch besucht. Anschließend studierte er in Innsbruck, München und Wien Medizin. 1850 übersiedelte der junge Arzt mit seiner Familie nach Schruns. Dort wirkte er fortan als „Landdöcterle“ und widmete sich nebenbei der Sammlung und Veröffentlichung von Sagen. Der Reise- und Landschaftsschilderer Otto Melter erinnerte sich an ihn:

„Neben Felder fand ich auch die Schriften von Dr. Vonbun über Vorarlberg und speciell Montafon und besser als das, lernte bald ihn selber kennen und in längerem Umgang wie einen älteren Freund hoch halten und werthschätzen. Er war Arzt für den Gerichtsbezirk Schruns, ein Sohn des Thales und von früh auf vertraut mit Geschichte und Sage der Heimath. In seinem mühseligen, wenig gewinnbringenden Amt war ihm das Studium die einzige Erholung […]. […] Aber unvergeßlich ist mir der gute und brave Mann, unvergeßlich die vielen vergnügten Stunden im traulichten Hinterstübchen des Löwen in Schruns. Neben ihm fand sich Abends‘ noch andere und lustige Gesellschaft zusammen, an geistiger Bedeutung unendlich unter ihm stehend, mit denen er aber in dem gleichen, liebenswürdigen Tone

150 Ländliche Eliten im Wandel

verkehrte. Es waren ein Paar Studenten und ältere Leute des Ortes, die aber alle die Welt gesehen hatten.“421

Vonbuns Einkommen war nicht sehr hoch. Trotzdem wirkte er als Vorsitzender des Ortsschulrates und war Mitglied im Vorarlberger Landwirtschaftsverein. Auch fungierte er im Vorarlberger Landesmuseumsverein als Mandatar des Bezirkes Montafon. Ein volksaufklärerisches Wirken oder Bestreben ist ihm daher nicht abzusprechen.422

2.3. Ländliche Eliten und lokale/regionale Herrschaft

Lokale Herrschaft soll – im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Staates, der Gemeinde, der Dorfgesellschaft und den Eigeninteressen der Amtsträger – vordergründig als Ausübung von Herrschaft durch Gemeindeangehörige über andere Gemeindeangehörige verstanden werden.423 Den von außen kommenden, nicht der Gemeinde angehörenden herrschaftlichen Beamten, die natürlich aufgrund ihrer Anwesenheit vor Ort und durch ihre Zuständigkeit für kleine territoriale Einheiten ebenfalls als lokale Herrschaftsträger anzusehen sind, gilt nur mittelbar das Interesse. Sie werden jedoch als Gegenüber der Gemeinde und der aus der Gemeinde stammenden Amtsträger immer wieder in das Blickfeld der Untersuchung geraten. Wichtig für das Verständnis von Herrschaft durch lokale Amtsträger ist, dass der Herrschaftsträger nicht nur Übermittler von Anordnungen einer übergeordneten Instanz ist, sondern selbst über vielfältige Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten in der Ausübung von Herrschaft verfügt.424

421 MELTER: Stilleben im Montafon, S. 113. 422 STRASSER: „Ein Sohn des Thales“, S. 19-30. 423 MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 427f. 424 MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 267f.

Die ländliche Oberschicht 151

Um lokale oder regionale Ämter bekleiden zu können, waren oft ausreichende finanzielle Mittel nötig, da die Amtstätigkeiten häufig nur gering oder gar nicht bezahlt wurden und trotzdem einen erheblichen Zeit- und Geldaufwand in Anspruch nahmen. So verwundert es kaum, dass die meisten Angehörigen der wirtschaftlichen Eliten auch die politischen Ämter in den Regionen bekleideten, es also eine eindeutige Wechselwirkung zwischen sozialökonomischer Vorrangstellung und dem Zugang zu „öffentlichen“ Ämtern gab. Die Männer aus der Oberschicht konnten entweder unmittelbar in ihren Heimatdörfern bestimmte Ämter übernehmen, oder aber innerhalb des Gerichts oder sogar überregional im Rahmen der Landstände als Funktionsträger in Erscheinung treten.425

2.3.1. Kommunal- und Regionalverfassungen: Ämter im ländlichen Raum

Die Ortsgemeinden fungierten unterhalb der Gerichtsgemeinden als genossenschaftliche Selbstverwaltungskörper, deren wesentliche Aufgaben in der normativen Regelung und Administration einer Vielzahl von Materien des lokalen Zusammenlebens bestanden. Der Aufbau und die Kompetenzen der Landgemeinden bildeten seit dem Spätmittelalter eine Kontinuität und waren von den josephinischen Reformen nicht betroffen. Die dörflichen Strukturen, die verschiedenen kommunalen Ämter und die normativen Regelungsbedürfnisse variierten massiv zwischen großflächigen, aus einer Vielzahl von Einzelhöfen und Weilern zusammengesetzten Talgemeinden und dicht besiedelten, kleinräumigen, mitunter stärker vom engen Zusammenleben und vielfältigerer wirtschaftlicher und sozialer Differenzierung betroffenen Märkten. Als Organe der Gemeinden fungierten hauptsächlich der Dorfvorsteher und der Gemeindeausschuss.426 Es

425 Vgl. BURMEISTER: Die Vorarlberger Abgeordneten auf dem Ausschuss-Landtag; vgl. MOCEK: Kommunale Repräsentation auf den Landtagen. 426 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 267f.

152 Ländliche Eliten im Wandel

gab jedoch noch einige weitere Gemeindeämter, sodass der bayerische Generallandeskommissär Arco im Jahr 1807 in Bezug auf die Gemeindeorganisation feststellte, dass die

„Gemeinde Verfassungen auf dem platten Lande […] ihrem Zweck […] entsprechen, da überall besondere Vorsteher für die Besorgung der Polizey, und andere für die Besorgung des Steuerwesens und der oekonomischen Verhältnisse aufgestellt sind“.427

Von besonderer Relevanz für die Wahl in den Gemeindeausschuss waren wohl das Vermögen und die soziale Stellung.428 Die kommunale Normierungskompetenz umfasste insbesondere die Regelung folgender Angelegenheiten: die Festlegung der Gemeindeorgane, ihrer Wahl, ihrer Aufgabenbereiche und die Verantwortung derselben gegenüber der Gemeindeversammlung; die Bewirtschaftung und Nutzung des Gemeindevermögens; das Bauwesen sowie die Erhaltung und Errichtung öffentlicher Einrichtungen; den Zuzug und die Aufnahme von Zuwanderern im Ort; örtliche Sicherheitspolicey; Wald-, Feld- und Flurpolicey; Feuerpolicey. Die kommunale Rechtssetzungskompetenz fand in den Dorfordnungen, aber auch vielen Sonderordnungen für bestimmte Teilbereiche wie etwa Alp-, Archen-, Wald- und Handwerkerordnungen, ihren Niederschlag. Beispielsweise wurde in der Gemeinde Fiss 1792 eine Dorfordnung429, die in knapp zwei Dutzend Bestimmungen das Zusammenleben im Ort unter wirtschaftlichen und policeylichen Aspekten regelte, „aufgerichtet […] durch die gemeinvorsteher und gewaldhaber […] auch mit consens der ganze gemeinde“.430 Die Dynamik der genossenschaftlichen Rechtssetzung wird dadurch verdeutlicht, dass etwa noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts kommunale Rechtsetzungsakte Vorrang vor staatlichen Gesetzen hatten: Beispielsweise stand die von den

427 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Ministerium des Inneren 27192, Generalbericht vom 12.12.1807, zitiert nach: HAMM: Die bayerische Integrationspolitik in Tirol, S.123. 428 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 55. 429 Tiroler Weistümer VII, S. 252-257. 430 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 269.

Die ländliche Oberschicht 153

Gerichtsausschüssen von Ischgl und Galtür 1680 erlassene Gerichtstaxen- und Sportularordnung, die die für Tätigkeiten des Gerichts zu bezahlenden Gebühren festlegte, in etwas abgewandelter Form bis zum Beginn der bayerischen Herrschaft in Verwendung und hatte damit Vorrang gegenüber den einschlägigen territorialen, höhere Gebührensätze vorsehenden Regelungen bis hin zur Sportularordnung von 1781. Nach dem Übergang an Bayern suchten die Gerichtsinsassen dementsprechend wie üblich um die Konfirmation ihrer „Rechte und Freiheiten“ einschließlich ihrer Gerichtstaxenordnung an. Während die vornehmlich die Aspekte der Gerichtsorganisation betreffenden Regelungen der beiden Gemeinden „wegen der weiten Entlegenheit“ von Ischgl und Galtür als angemessen bestätigt wurden, kam es bezüglich der lokalen Gerichtstaxenordnung zu Problemen. Sowohl durch das Kreisamt Imst als auch durch das Generallandeskommissariat wurde in der Folge diese lokale, auf dem Wege der „Willkür“ erlassene Regelung verworfen. Die Folgen dieser obrigkeitlichen Entscheidung bekamen die Betroffenen in Form eines beträchtlichen Anstiegs der Gerichtsgebühren unmittelbar zu spüren.431 Auf der lokalen Ebene waren in erster Linie die Ämter des Vorstehers, eines Geschworenen, des Kirchenpflegers, eines Steuereinnehmers oder eines Alpmeisters erstrebenswert und zugleich mit höherem Ansehen verbunden.432 Zusätzlich gab es noch zahlreiche weitere Gemeindeämter wie Dorfwaibel433, Bannwart434, Brudermeister, Messner, Spendmeister, Bettelvogt, Waldvogt, Brückenvogt, Lehrer oder Schreiber. Diese Vielzahl an Ämtern bedeutete auch, dass eine große Anzahl an Dorfbewohnern das Prestige einer Amtstätigkeit genießen konnte.435 Eine ausgeprägte Ämterhierarchie sorgte jedoch für klare Verhältnisse, denn die wichtigen und prestigeträchtigen Ämter waren zwar offiziell für jeden zugänglich, in der Realität aber nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln sowie bedeutenden Zeitressourcen ausübbar.

431 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 269f. 432 Vgl. BURMEISTER: Vorarlberger Weistümer, S. 136–142. 433 Dorfwaibel = Nachtwächter, Gemeindediener. 434 Bannwart = Aufsichtsperon für Fluren, Wälder und Weinberge. 435 BURMEISTER: Die ländliche Gemeinde in Vorarlberg, S. 149f.

154 Ländliche Eliten im Wandel

Gemeindevorsteher, Gerichtsammänner oder Landtagsabgeordnete mussten mitunter sowohl häufige und weite Reisen unternehmen, als auch einen umfangreichen Schriftverkehr führen. Die Exklusivität bestimmter Ämter zeigt sich auch an der Titulierung „Herr“436, die häufig neben den Priestern nur den Inhabern der jeweils höchsten regionalen Ämter zustand. Analog dazu wurden in Vorarlberg die Frauen aus der oberen Gesellschaftsschicht in vielen Fällen nicht als weib oder wib, sondern als „Hausfrau“ bezeichnet.437 Die Posten auf der regionalen Ebene standen zumeist mit dem Gerichtswesen in engem Zusammenhang und bestanden aus Richtern, Geschworenen, Schreibern und wiederum Steuereinnehmern.438 Außerdem wurde in Tirol und Vorarlberg je ein Vertreter der landesherrlichen Gerichte auf die Landtage entsandt und stand auf dieser Ebene direkt mit dem Landesherrn beziehungsweise zumeist mit dessen Vertretern in Kontakt.439 Auf legislativer Ebene war die Organisation der Gerichte in sogenannten Weistümern, im Montafon etwa dem schon erwähnten Landsbrauch, geregelt. Die Selbstverwaltung, die Verwaltung im Auftrag der Landstände und die Verwaltung im Auftrag der Herrschaft gehörten zu den Hauptaufgabenbereichen der Gerichte und ihrer Amtsträger.440 Aufgrund der Wahl der Amtsträger durch eine Gruppe von Abgeordneten aus den verschiedenen Dörfern kann man von ihnen wohl kaum als demokratisch gewählten Vertretern der Bevölkerung sprechen. Aber nicht einmal an den allgemeinen Gemeindeversammlungen war das gesamte „Volk“ beteiligt, da dort lediglich Männer, die ein Haus oder Bauerngut besaßen und unbescholten waren, stimmberechtigt waren.441 Die entsprechende Landstandschaft besaßen somit „nicht die Bauern an sich, sondern die sich überwiegend aus landesherrlichen Bauern (= Untertanen) zusammensetzenden Gerichte (Ämter oder Vogteien)“.442 Gerade in Bezug auf die Wahrnehmung der

436 TSCHAIKNER: Lukas Tschofen von Gaschurn, S. 12. 437 KASPER: Montafoner Steuerbücher, S. 220. 438 ZINGERLE, INAMA-STERNEGG: Die Tirolischen Weisthümer II., S. 185f. 439 WALLNÖFER: Die Bauern in der Tiroler „Landschaft“, S. 168. 440 BURMEISTER: Die Verfassung der ländlichen Gerichte Vorarlbergs, S. 36f. 441 BRUNNER: Die Vorarlberger Landstände, S. 16. 442 BLICKLE: Ständische Repräsentation, S. 158, 160.

Die ländliche Oberschicht 155 vormodernen Stände als Repräsentanten eines Landes oder dessen Bevölkerung ist daher Vorsicht angebracht, denn der Repräsentationsbegriff suggeriert – wie etwa auch im Falle des Montafons – eine überzeitliche Kontinuität und legt damit eine politische Traditionsstiftung nahe.443 So wird beispielsweise immer noch auf der Homepage des Vorarlberger Landtages von den Landständen als „Vertreter[n] des Volkes“ und dem „demokratische[n] Vorarlberg“ gesprochen, das auf den Landtagen „dem Landesfürsten und seiner vom Adel dominierten Verwaltung gegenüber[stand]“.444 Auch auf der Internetpräsenz des Standes Montafon werden die Stände als „die allgemeine Volksvertretung des Landes [Vorarlberg]“ bezeichnet.445 Das „Vaterland“, der eigene Stand, war für die ständischen Vertreter, die auch als „Landesdeputierte“ bezeichnet wurden446, im Gegensatz zum bis ins 18. Jahrhundert namenlosen Land Vorarlberg das eigentlich Bedeutende. Für viele Amtsträger der regionalen Selbstverwaltungskörper galt das Sprichwort, „eine weite Obrigkeit und ein naher Krautgarten ist das Beste“, wie der Feldkircher Vogteiverwalter 1767 gegenüber der Hofkanzlei in Wien erläuterte.447 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass für die Deputierten der Stände, die sich auf den gemeinsamen Landtagen trafen, nicht unbedingt die Vertretung der gesamten Herrschaften vor dem Arlberg von Interesse war. Ihr „Land“ oder ihre eigenen (Verwandtschafts-)Netzwerke waren wohl zumeist der Maßstab für ihre Entscheidungen.448 Ein besonders wichtiges politisches Gremium der Talschaft Montafon stellte die Versammlung der sogenannten „Geschworenen“, die gelegentlich auch als Gemeindevorsteher bezeichnet wurden449, dar. Sie wurden jährlich im Mai durch

443 STOLLBERG-RILINGER: Vormünder des Volkes?, S. 5f. 444 http://www.vorarlberg.at/landtag/landtag/derlandtag/weitereinformationen/historie/dielandstae nde.htm 21.5.2011. 445 http://stand-montafon.at/stand/sample-about/geschichte 2.6.2011. 446 MA, ZKA, Montafon 14, 1796. 447 BURMEISTER: Geschichte Vorarlbergs, S. 140. 448 BRUNNER: Die Vorarlberger Landstände, S. 33. 449 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 2, Protokoll vom 29.12.1794.

156 Ländliche Eliten im Wandel

die Obrigkeit, welche durch den habsburgischen Vogt oder später den Lehensinhaber in Bludenz repräsentiert wurde, erneuert. Beim Tod oder Ausscheiden eines solchen Amtsträgers, wurden von der Gemeindeversammlung des betreffenden Kirchspiels450 zwei bis drei Männer vorgeschlagen, aus denen die Obrigkeit dann auf vier Jahre einen neuen Geschworenen wählte. Bereits die Tatsache, dass die Geschworenen vor der Obrigkeit den Eid ablegen mussten, verweist auf die auch in der frühen Neuzeit bestehenden Einflussnahmen des Staates auf die kommunalen Institutionen. Es ist jedoch zu betonen, dass diese Eingriffsmöglichkeiten im Montafon im Vergleich zu weiten Teilen Vorarlbergs eher gering waren. Dementsprechend musste sich 1715 in Lustenau Jos Hemmerlin vor Gericht verantworten, weil er öffentlich geäußert hatte, „… die Ammänner [in Lustenau, Anm. d. Verf.] halten es mit der Obrigkeit; wan dergleichen Sachen im Montafun geschehen, man würde es einem zaigen“451.452 Jede Pfarrgemeinde war mit einer bestimmten Anzahl von Deputierten453 im Rat der Geschworenen vertreten. Dieser Ausschuss traf sich je nach Bedarf mehrmals jährlich um die inneren und äußeren Angelegenheiten des Standes zu besprechen und diesbezügliche Entscheidungen zu treffen. Die Organisation der Steuereinhebung und die Festlegung des pro Steuermarke einzuziehenden Geldbetrages war beispielsweise ein jährlich wiederkehrender Fixtermin. Bei manchen Entscheidungen, wie etwa einer außergewöhnlichen Erhöhung der Steuerlast, mussten die Geschworenen zuerst mit den Gemeindeversammlungen ihrer Herkunftsdörfer Rücksprache halten bevor sie diese im Gremium der Geschworenen absegnen konnten.454 Aus dem Gremium der Geschworenen wurden im Zweijahresrhythmus im September oder Oktober „zwei ehrbare Biedermänner“ gewählt, die dem

450 Kirchspiel = Gemeinde, Pfarre; vgl. TSCHAIKNER: Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft, Kirchspiel und Gemeinde, S. 281 451 BILGERI: Das Vorarlberger Unterland, S. 34. 452 BURMEISTER: Die ländliche Gemeinde in Vorarlberg, S. 148. 453 Bartholomäberg 8, Gaschurn 5, Lorüns 1, St. Anton 1, St. Gallenkirch 8, Schruns 6, Silbertal 4, Stallehr 1, Tschagguns 8, Vandans 4. VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Bericht Landgericht Montafon über die Wahl in Schruns am 23.5.1816. 454 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 16.06.1797

Die ländliche Oberschicht 157

Untervogt in Bludenz geloben mussten, „nach bestem Verstande und Vermögen des Tales Nutzen zu fördern und Schaden zu wenden, damit sie vor Gott und der Obrigkeit sich darüber verantworten könnten“.455 Diese beiden Verwaltungsorgane, die „Vorgesetzte“456 genannt wurden, führten die Geschäfte der Talschaft, vertraten ursprünglich gemeinsam mit dem Landschreiber den Stand Montafon auf den Landtagen und wurden für eine Amtsperiode von zwei Jahren, die nicht verlängert werden durfte, gewählt.457 Nach einem Landtag oder anderen ständischen Versammlungen kehrten die Deputierten in ihre Heimatregion zurück, berichteten im Gremium der Geschworenen von den Verhandlungen und rechneten mit dem Stand ihre Reisespesen ab. Die Bezahlung der Gesandten setzte sich dabei zumeist aus Spesen, Fuhrgeld und Diäten zusammen.458 Die relativ geringe Entlohnung verweist darauf, dass diese Ämter nur von finanziell gut situierten und zeitlich flexiblen Personen ausgeübt werden konnten. Darüber hinaus sollten die Amtsträger des Lesens und Schreibens Wohlkundige Männer459 sein, denn neben den häufigen Reisen hatten die Vorgesetzten auch einen umfangreichen Schriftverkehr zu führen. Bereits 1704 war festgelegt worden, dass die Vorgesetzten aus verschiedenen Kirchspielen stammen mussten und nicht zu nahe Verwandte oder Verschwägerte sein durften.460 Immer wieder war es nämlich zu Beschwerden wegen der vorherrschenden Cliquenherrschaft mit einer stark verwandtschaftlichen Komponente gekommen.461 Die seit 1704 gültigen Bestimmungen, die zu nahe Verwandtschaften oder Verschwägerungen unter den Vorgesetzten untersagten, wirkten nur bedingt. Es wurde zudem festgelegt, dass den Vorgesetzten ein Gegenschreiber als Rechnungsprüfer zur Seite gestellt werden musste.462

455 BARBISCH: Vandans, S. 112. 456 LEUPRECHT: Die Vorgesetzten in Montafon, S. 169. 457 PFEFFERKORN: Der Stand Montafon,S. 339. 458 KASPER: Vom Land Montafon zum Stand Montafon, S. 83. 459 MA, ZKA, Montafon 13/2.2. 460 SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 15. 461 Vgl. NIEDERSTÄTTER: Die Ammänner – lokale Amtsträger; SCHEFFKNECHT: Die Hofammänner von Lustenau; SCHEFFKNECHT: Dörfliche Eliten am Beispiel der Hofammänner von Lustenau; SCHNEIDER: Die Landammänner von Blumenegg. 462 SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 15.

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Im Montafon war die regionale Oberschicht nach der Einrichtung eines Gerichts 1775/76 wenig erfreut, denn dieses war gänzlich dem Lehensinhaber der Herrschaft Bludenz, zu der auch das Montafon gehörte, unterstellt. Der Lehensinhaber oder ein von ihm entsandter Beamter führten bei Gericht den Vorsitz. Jedes der sieben Montafoner Kirchspiele stellte zwei Beisitzer, wovon neben den amtierenden Vorgesetzten des Tales jeweils einer an den Gerichtssitzungen teilnehmen sollte. Diese Beisitzer wurden vom „gemeinen Mann“ in den Dörfern als Dreiervorschlag gewählt. Die Obrigkeit vereidigte aus diesem Vorschlag je einen auf vier Jahre. Als Landschreiber wählte der Lehensinhaber ebenso aus einem Dreiervorschlag der Talschaftsbewohner aus. Aufgrund dieser stark obrigkeitlich geprägten Gerichtsverfassung suchten die Montafoner Vorgesetzten und Geschworenen beim Kaiser um eine Neuregulierung an. Insbesondere sollte das Amt eines Landammannes als Gerichtsvorsteher geschaffen werden und der Landschreiber im Tal selbst gewählt werden können. Tatsächlich wurde das Gericht in Schruns am 30. August 1786 in ein „allgemeines Ortsgericht“ umgewandelt. Im Jahr darauf war es daher mit einem Richter – zugleich Landammann –, einem rechtskundigen Ratsmann, zwei Beisitzern „aus der Gemeinde“, einem Kanzlisten und einem Gerichtsdiener besetzt. Die Besoldung des Ratsmanns, des Kanzlisten und des Gerichtsdieners lag beim Lehensherrn. Doch diese recht autonome Gerichtsverfassung wurde 1790 reduziert. Der herrschaftliche Vogteiverwalter übernahm nunmehr wieder den Gerichtsvorsitz und der Ammann durfte nur dann als Richter amtieren, wenn der Vogteiverwalter nicht anwesend war. So blieb die regionale Unzufriedenheit mit dem Gericht erheblich und bereits 1793 wurde wiederum um eine Regulierung angesucht. Bis zur bayerischen Zeit wurden jedoch keine Änderungen mehr vorgenommen.463 Trotzdem befand sich das Tal Montafon in diesen Jahren „auf dem Höhepunkt politischer Eigenständigkeit“.464 So kaufte sich der Stand Montafon im Jahr 1801 um 10.000 fl vom Zehent an das Bistum Chur frei.465 Bei

463 TSCHAIKNER: Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft (= VV65), S. 12f. 464 BURMEISTER: Die Lage in Vorarlberg um 1811, S. 14. 465 AM STEIN: Bemerkungen auf einer Wanderung durch das Vorarlberg, S. 370.

Die ländliche Oberschicht 159 der Vorgesetztenwahl im September 1798 wurde etwa das folgende Protokoll über die Vereidigung der Amtsträger angefertigt:

In Beisein des Amtstragenden Landamann Johann Joseph Battlogg die Pflichten, welche ihrem Amte nach der höchsten Hofresolution vom 10ten 7ber 1790 sowohl als nach der mit Kreisämtlicher Genehmhaltung bisher gepflogenen Observanz in pünktlicher und getreuer Besorgung der Thalkassiers, Oekonomie und andere betreffende einschlagenden ständischen politischen Geschäften ankleben, vorgehalten, erläutert und erkläret und hierauf von besagten neuen Herren Vorgesetzten die genaue Erfüllung derselben mittels des mit aufgehobenen drey Schwörfingern nach behörig erhaltener Erinnerung über die Wichtigkeit des Eides zu Gott feyerlich abgelegten körperlichen Eides zugerichnet [?] und gegenwärtiges Prothokoll eigenhändig unterschrieben.466

Zusätzlich wirkten die Angehörigen der Oberschicht häufig als Anführer der Schützenkompanien, die jedes Dorf oder Gericht im Falle der Landesverteidigung zu stellen hatte.467

Der 1751 geborene Johann Josef Batlogg entstammte einer angesehenen, jedoch wenig vermögenden Familie aus Vandans. Nach seiner Heirat mit Maria Josefa Bitschnauin übersiedelte er im Jahr der Eheschließung468 1779 in deren Elternhaus in das Nachbardorf St. Anton. Dort begann er sich neben der Landwirtschaft mehr und mehr einer juristischen Weiterbildung und dem Beruf eines Rechtsvertreters zu widmen. Schließlich wurde er 1788 provisorischer, 1790 ordentlicher Richter im Montafon und nachdem er überdies 1792 vor dem Kreishauptmann eine Prüfung über das bürgerliche Recht abgelegt hatte, wurde ihm im Jahr darauf vom Appellationsgericht offiziell die Wahlfähigkeit für eine „mit dem Criminali nicht verbundene Ortsrichterstelle“ zuerkannt. 1794 drohte er mit seinem Rücktritt, konnte jedoch mit einer höheren Entlohnung zum Bleiben bewegt werden.469

466 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 845/1798. 467 KIRISITS: Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen, S. 78. 468 VLA, Tauf-, Trauungs-, Firm- und Sterbebuch St. Anton 1677-1789. 469 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 18.09.1794.

160 Ländliche Eliten im Wandel

Unter anderem aufgrund seiner Intervention fiel in den 1790er-Jahren gegen die Stimme der mächtigen Städte Bregenz und Feldkirch, die traditionellerweise die Landtage dominierten, wiederholt der Entschluss der ständischen Versammlung, eine umfassende Landesverteidigung zu organisieren und in einigen Situationen sogar den Landsturm zur Verteidigung aufzubieten.470 Nach der erfolgreichen Abwehr des Gegners im Jahr 1796 schlugen der Landammann sowie die beiden Vorgesetzten vor, jedes Jahr in Tschagguns auf Landeskosten Messen für die Rettung vor der französischen Nation lesen zu lassen, da aufgrund der Fürbitte der Gottesmutter Maria die Errettung erfolgt sei.471 Der Vorschlag wurde angenommen und ab 1797 fand jeweils am Montag vor dem Maria Magdalena Tag472 dieser Gedenktag statt.473 Dabei zeigen sich Parallelen zur beinahe gleichzeitig von den Tiroler Ständen institutionalisierten Herz-Jesu-Verehrung: Gottesdienst wurde mit Verteidigungsbereitschaft und militärischer Erfolg mit der Gewissheit göttlichen Beistandes verbunden.474 Obwohl sich Batlogg bereits im Zuge des ersten Koalitionskrieges sehr für die Landesverteidigung engagiert hatte, wurde er 1797 wegen den im Jahr zuvor im Kloster St. Peter bei Bludenz erfolgten Morden an Kreishauptmann Ignaz Anton von Indermauer, dem Bregenzer Bürgermeister Weber und dem Oberamtsrat von Franzin als Anstifter dieser Verbrechen angeklagt und mehrere Monate inhaftiert.475 Vermutlich standen hinter dieser Anklage einige Angehörige der Montafoner Oberschicht, die von Ignaz Vonier angeführt wurden. Dieser wollte für sich und andere Mitglieder der Talprominenz das Landammannamt übernehmen und dementsprechend Einfluss und Macht zurückgewinnen. Jedenfalls trugen unter anderem das Viehausfuhrverbot und die Einquartierung von Sperrkommandos zum Unmut weiter Bevölkerungskreise bei, sodass die Ereignisse im Koster St. Peter auch in Anbetracht der angespannten

470 BERNHARD: Vorarlberg im Brennpunkt, S. 168. 471 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 3.11.1796. 472 22. Juli. 473 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 30.5.1797. 474 SIEBENROCK: Bis zum letzten Blutstropfen, S. 349; vgl. SIEBENROCK: Im Vertrauen auf Gott für Religion, Kaiser und Vaterland. 475 Vgl. SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns.

Die ländliche Oberschicht 161

ökonomischen Situation in der Region gesehen werden müssen.476 Der aus dem Montafon stammende Dornbirner Gerichtsschreiber Dr. Joseph Ganahl berichtete 1796 über die Lage in seiner Herkunftsregion:

„Indessen giebts auch im Montafon wie in andern Gerichten viele ausgehauste Lumpen, welche den Franzosen mit offenen Armen, um etwas zu erhaschen, entgegenliefen. Der schlechteste Ort in diesem Stück ist St. Gallenkirch. […] Zur Vertheidigung des Landes […] ist fast alles bereit, nur würde man sich schwerlich unter das Kommando eines Militaristen schmiegen, weil diese bei Gelegenheit des Sperrkordons das Zutrauen verloren zu haben scheinen. Auch wurde es, soviel ich merkte, schwerer lassen, die Montafoner zu einer Defension bis etwa Bregenz zu bereden.“477

Bezüglich der Viehausfuhrsperre waren bereits Anfang September 1797 Ignaz Vonier und der Sonnenberger Landschreiber Vonbun von den Vorarlberger Landständen zu Erzherzog Karl abgeordnet worden, um dort wegen der Abhaltung der herbstlichen Viehmärkte vorzusprechen.478 Sie erhielten die Erlaubnis die Märkte abzuhalten, durften auf diesen jedoch nur Land Vieh verkaufen.479 Ungefähr zur selben Zeit wurde Joseph [sic!] Anton Kessler von den Ständen nach Meran entsandt, um dort die Verhältnisse in Tirol zu erkunden und dem ständischen Ausschuss darüber Bericht zu erstatten.480 Bei einem Großteil der Bevölkerung war Landammann Batlogg recht beliebt, denn er hatte sich mehrfach für die Interessen der Mehrheit der Menschen im Tal eingesetzt. So stellte er sich mitunter gegen die Obrigkeit und beschwerte sich beim Kreisamt über Ausschreitungen der als Grenzwache einquartierten österreichischen Militärkompanien481, oder verzichtete auf die Veröffentlichung mancher – seiner Meinung nach kleinlicher – kreisämtlicher Verordnungen vor

476 Vgl. BERNHARD: Einiges zur Vorgeschichte des Falles „Ignaz Anton von Indermauer. 477 VLA, Kreis- und Oberamt Bregenz, Sch. 148/24, 6, Ganahl an Kreisamt 27.05.1796; zitiert nach: BERNHARD: Einiges zur Vorgeschichte des Falles „Ignaz Anton von Indermauer“, S. 74. 478 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 1.9.1797. 479 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 29.9.1797. 480 BITSCHNAU: Darstellung der merkwürdigen Begebenheiten, S. 143. Vermutlich handelte es sich um Johann [sic!] Anton Kessler. 481 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 148f.

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dem Gerichtsgebäude in Schruns.482 Das hohe Ansehen Batloggs in weiten Kreisen der Bevölkerung zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich einige Vorarlberger Bauern den Montafoner Landammann nach dem gewaltsamen Tod des Kreishauptmannes von Indermauer als dessen Nachfolger wünschten.483 Im Herbst 1797 wurde dementsprechend eine Abordnung des Tales, der jedoch keine Persönlichkeiten aus dem Nahbereich Ignaz Voniers angehörten, an den Freiherr von Sternbach entsandt, um für die Entlassung der wegen dem vor einem Jahr im Koster St. Peter passierten Unglück unschuldig Inhaftierten zu bitten.484 Im Frühjahr 1798 wurde Batlogg schließlich aufgrund mangelnder Beweise für unschuldig erklärt, rehabilitiert und wieder in sein Amt eingesetzt.485 Finanziell hatten ihn die Monate in Untersuchungshaft jedoch in schwere Bedrängnis gebracht, da ihm zahlreiche Gläubiger die Kredite aufgekündigt hatten und seine Kreditwürdigkeit von seinen Gegnern schwer in Verruf gebracht worden war. So stand Batlogg 1797 unter anderem bei den Amtsträgern Johann Anton Kessler, Ignaz Vonier, Oswald Tschohl und Franz Joseph Fritz mit bis zu 550 Gulden in der Kreide.486 Nach seinem bald folgenden Tod waren seine Hinterbliebenen auch aufgrund dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation gezwungen nach Wien auszuwandern.487 Zuvor wurde Batlogg im Herbst des Jahres 1798 „in Anbetracht seiner großen Verdienste um die Vertheidigung des Vaterlandes als Zeichen besonderer Gnade und Zufriedenheit“ und wohl auch als Entschädigung für die monatelange Haft eine goldene Münze verliehen.488 Zur selben Zeit führte er mehrere Prozesse gegen andere Amtsträger des Standes Montafon, die er der Verleumdung bezichtigte. Unter anderem verklagte er den ehemaligen Gerichtsbeisitzer Franz Joseph Fritz, der ihn während der Monate in Untersuchungshaft als provisorischer

482 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 207. 483 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 106. 484 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 29.9.1797. 485 BURTSCHER: Die Ermordung des Kreishauptmannes, S. 178f; vgl. SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns. 486 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 834/1797. 487 SANDER: Johann Josef Batlogg, S. 37f. 488 FISCHER: Joh. Jos. Battlogg, S. 22.

Die ländliche Oberschicht 163

Landammann vertreten hatte, sowie dessen Sohn Theodor. Diese benötigten in den folgenden Verhandlungen keinen Rechtsbeistand, da Franz Joseph Fritz über 20 Jahre als Gerichtsassessore und letztverschidenen Winter als provisorischer Landaman gedienet habe, mithin offenkundiger Dingen ein rechtserfahrener Mann seyn müße, und der zweit beklagte H. Theodor Fritz ein absolvierter Jurist seye.489

Im Zuge des zweiten Koalitionskrieges engagierte sich Batlogg wiederum als Schützenhauptmann einer der drei Montafoner Kompanien und wirkte bei der Abwehr des französischen Angriffs auf Feldkirch 1799 sowie bei der Wiedereroberung Graubündens im Frühjahr 1800 mit.490 Zur Organisation der Landesverteidigung war im Jahr 1799 im Montafon eine eigene ständische Schutzdeputation aufgestellt worden.491 Im Zuge dieser militärischen Einsätze zog sich Batlogg möglicherweise eine schwere Erkrankung zu und verstarb noch im Oktober 1800 im Alter von 49 Jahren an Auszehrung492.493 Nach seinem Ableben stellten ihm im November die Gerichts-, Landes- und Gemeinds-Vorsteher des Thales Montafon, die teilweise seit einem Jahrzehnt seine Gegner gewesen waren, ein überraschend positives Zeugnis aus:

Endes Unterzeichnete Gericht, Vorgesetzte und Gemeindsvorsteher des Thales Montafon finden sich bei ihrem abhabenden Pflichten verbunden, das ämtliche Zeugniß auszustellen, daß Herr Landamann Johann Joseph Batlogg selig nicht nur das ihm anvertraute Landamannamt während den 13 Jahren, als er dasselbe bekleidete zur allgemeinen Zufriedenheit des Landes, mit der genauesten Pünktlich- Rechtschaffen- und Geschicklichkeit verwaltet habe, daß er ein ausgezeichneter eiserner für Religion, den Landesfürsten und Vaterland war, daß er in dieser heiligen Absicht allen seinen Kräften und seinem Ansehen aufgebothen, um den Ausschuß zu reguliren, daß er als durch die allgemeinen Stimme gewählter Schützenhauptmann sich den augenscheinlichsten Gefahren bei jeden gefährlichen Treffen ausgesetzt, sich

489 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 950/1798. 490 BENZER, TIEFENTHALER: Vorarlberg 1809, S. 16; KIRISITS: Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen, S. 75–78. 491 BITSCHNAU: Darstellung der merkwürdigen Begebenheiten, S. 229f. 492 VLA, Trauungs- und Sterbebuch St. Anton 1785–1943. 493 SANDER: Johann Josef Batlogg, S. 35.

164 Ländliche Eliten im Wandel

immer an die Spitze seiner Leute gestellt, und durch seine ausserordentliche Anstrengung auf allen Gebirgen und Alpen sich ganz wahrscheinlich jene abzehrende Krankheit zugezogen habe, die seinen so lebenswürdigen Anstrengungen zum größten Leidwesen seiner hinterlassenen Wittwe und 6 unversorgten Kinder, durch den frühzeitigen Tod in seinen beßten Jahren endigte. Gerichts- Landes- und Gemeinds-Vorsteher des Thales Montafon. Schruns am 29.ten November 1800. Ignatz Vonier Landammannsverweser, Johann Theodor Fritz Mont. Landschreiber, Mathias Drexel Vorgesetzter, Johann Bartholome Staimer als Gerichts-Beisitzer, Johann Marty Marende Geschworener, Johann Joseph Mangeng Geschworener, Johann Georg Bahrger Geschworener, Johann Joseph Versell Geschworener, Franz Joseph Stemmer Geschworener, Johann Joseph Salzgeber Geschworener.

Batlogg ist mit seiner grundlegenden juristischen Ausbildung und seiner Nicht- Zugehörigkeit zur wirtschaftlichen Oberschicht des Tales als ein Vertreter einer neu entstehenden und sich auch im ländlichen Raum professionalisierenden Beamtenschaft zu sehen, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts ansatzweise im Landtag und den regionalen Ämtern vertreten war. Sein Sohn absolvierte dementsprechend auch ein Studium und avancierte bis zum Gubernialsekretär in Triest.494

2.3.2. Lokale Herrschaft als Familientradition

Durch stichprobenartige Vergleiche der Namen von Amtsträgern aus verschiedenen Zeitabschnitten zeigt sich, auch ohne eine im Rahmen dieser Arbeit nicht realisierbare prosopographische Untersuchung der Funktionsträger der gesamten Region, das Vorhandensein von Familien, in denen sich Amtstätigkeiten häuften. Da häufig schon die jeweiligen Vorfahren der Amtsinhaber dieselben Ämter bekleidet hatten, konnte Ferdinand Hirn in Bezug auf Vorarlberg bereits 1909

494 VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz, Akten Sch. 160, 946/18.

Die ländliche Oberschicht 165 konstatieren, dass bis zum Ende des 18. Jahrhunderts „in den Dörfern des Landes einzelne bäuerliche Patriziergeschlechter [vorherrschten], die fast mit periodischer Regelmäßigkeit die wenigen Ämter des Sprengels sich teilten“.495 Auch im Tiroler Oberland lassen sich derartige Familiendynastien nachweisen. So war das Amt des Dorfrichters in Ischgl über mehrere Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts in der Hand der Familie Zangerl, während sich in Galtür die Familien Kathrein und Schueler diese Funktion im selben Zeitraum nahezu exklusiv teilten.496 So war in Ischgl 1759 Johann Christian Zangerl als Sohn eines Gastwirtes497 geboren worden. Er machte mehrere Reisen, „widmete sich in der Fremde dem Kanzleifache“ und amtierte dann 37 Jahre lang in seinem Herkunftsort als Zolleinnehmer. Er wurde neun Mal auf drei Jahre zum Gemeinderichter gewählt und erwirkte nach der Auflösung des Gerichts in bayerischer Zeit die Errichtung eines Landgerichtes 1817.498 Das Landgericht Laudegg wurde seit 1796 von Johann Chrysostomus Linser verwaltet. Bereits sein Vater Franz Josef hatte zuvor das Amt eines Gerichtskassiers und Urbarverwalters in Landeck, sein Großvater Ludwig jenes eines Gerichtsschreibers und Pflegers und sein Urgroßvaters das eines Gerichtsschreibers und Gastgeb in Landeck inne gehabt.499 Schon bei der Entwicklung des Ständewesens im späten Mittelalter war diese Entwicklung grundgelegt worden, da die damalige habsburgische Politik auf die Ersetzung herkömmlicher kleinadeliger Eliten durch bäuerliche Oberschichten abgezielt hatte und diese dann „in schöner Kontinuität bis zur Industrialisierung [...] loyale Diener Habsburgs“ blieben.500 So war auch Ignaz Voniers Vater Joseph bereits Inhaber mehrerer hoher Funktionen im Montafon gewesen.501 Nach dem

495 HIRN: Vorarlbergs Erhebung im Jahr 1809, S. 36. 496 TLMF, W20548, S. 32f., 35f. 497 Chronik von Ischgl, S. 10. 498 ZANGERL: Historisch-topographische Notizen, S. 77. 499 www.landeck.tirol.gv.at%2Fsystem%2Fweb%2FGetDocument.ashx% 3Ffileurl%3D%252Fgemeindeamt%252Fdownload%252F220340352_1.pdf am 16.9.2017. 500 NIEDERSTÄTTER: Die Stände der Herrschaften vor dem Arlberg, S. 36, 39. 501 QUARTHAL, WIELAND: Die Behördenorganisation Vorderösterreichs, S. 420; Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU Christi 1780, S. 73; Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU

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Tod Landammann Batloggs wurde Johann Ignaz Vonier, der in der heimatkundlichen und regionalhistorischen Literatur immer wieder als Gegenspieler Batloggs dargestellt wurde und dementsprechend auch in mehreren dem „Volkshelden“ Batlogg gewidmeten Theaterstücken den Intriganten und „Bösewicht“ spielte502, zum letzten Montafoner Landammann gewählt.503 Ende Oktober des Jahres 1800 hatten sich die Geschworenen darauf geeinigt, dass Vonier die Eigenschaft und die Geschäfte eines Montafonischen Landamann Amts Verweser inzwischen aufhaben und tragen solle. Inzwischen bleibe das amt des Vorgesetzten[das er zugleich innehatte] in Rücksicht der gerichtlichen Geschäften suspendiret. Das Amt konnte aber nicht ohne höhere Behörde besetzt werden, sodass der Vogteiverwalter um raschen Ersatz ersucht wurde.504 Ein halbes Jahr später betonte das Vogteiamt, das Recht einen Landamman zur Wahl vorzuschlagen stehe einzig dem Lehens- und Gerichtsinhaber zu, die im Herbst erfolgte Wahl sei daher als ungültig anzusehen.505 Vonier wurde jedoch trotzdem vom Vogteiamt zur Wahl aufgestellt und auch von den Geschworenen in das Landammannamt gewählt. Er war im Jahr 1764 in Schruns zur Welt gekommen und stammte im Gegensatz zu Batlogg aus einer wohlhabenden Familie und schon sein Vater – der Krämer, Wirt und „Baukünstler“ Joseph Vonier – hatte diverse Ämter auf regionaler Ebene innegehabt.506 Auch Vonier hatte in den Koalitionskriegen sehr engagiert als Offizier der Montafoner Schützenkompanien gewirkt und erhielt dafür 1802 eine goldene Denkmünze verliehen. Er ließ sich damit ebenso wie schon sein Vorgänger Batlogg portraitieren.507 In die Amtszeit Voniers fiel auch der erste

Christi 1781, S. 73; Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU Christi 1782, S. 73. 502 GULBRANSSON-JEHLY: Batlogg.; SCHREGENBERGER: Joh. Josef Batlogg. 503 SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 15. 504 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 29.10.1800. 505 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 2.3.1801. 506 QUARTHAL, WIELAND: Die Behördenorganisation Vorderösterreichs, S. 420. 507 Gemälde Vonier: Montafoner Heimatmuseum Schruns, Gemälde Batlogg: Vorarlberger Landesmuseum Bregenz.

Die ländliche Oberschicht 167

Besuch Erzherzog Johanns im Montafon, dessen Kosten vom Stand Montafon getragen wurden.508 Im Frühjahr 1805 reichte Vonier ein Rückrittsgesuch vom Amt des Landammannes ein, konnte jedoch im Rahmen einer durch den Vorgesetzten Alois Tagwercher rasch einberufenen Landeszusammenkunft nach Gewährung höherer Diäten zur Weiterführung des Amtes überredet werden.509 Auch der Landschreiber Theodor Fritz konnte nur durch die Genehmigung einer zusätzlichen Entlohnung von 120 Gulden zur Beibehaltung des Amtes überredet werden. Beide, Vonier und Fritz, erhielten überdies als Dussör je 20 Loisdor aus der Standeskasse.510 Im August 1805 ordnete das Appellationsgericht in Innsbruck an, dass der Bludenzer Vogteiamtsverwalter unter Beiziehung des Montafoner Ammanns einen bestimmten Wochentag, an dem das Gericht zu tagen habe, festlegen solle. Das Montafoner Gerichtspersonal wollte jedoch unabhängig agieren und verschwieg dem Vogteiamt die Termine der Gerichtssitzungen, um „ganz republikanisch, seine Liebkinder begünstigen und die in seine Ungnade Gefallenen tyrannisieren zu können“. Der Bludenzer Vogteiamtsverwalter Platzer bemerkte dazu: „Montafon schnappt mit Sehnsucht nach Unabhängigkeit. Das Vogteiamt ist ihm ein Dorn im Auge. Es trachtet alle Jurisdiktion an sich zu bringen, nur das onerose (beschwerliche) und odiose (verhaßte) Criminale will es dem Vogteiamte überlassen.“511 Erst in dieser letzten Phase kurz vor der dem Übergang an Bayern konnte sich das Montafon – insbesondere die aus der regionalen Oberschicht stammenden Amtsträger –einer gewissen Selbständigkeit in Bezug auf das Gerichtswesen erfreuen. Hinsichtlich dieser Ämtertraditionen wurde bereits für das frühe 18. Jahrhundert festgestellt, dass „aus dem ganzen Wahlvorgang [der Vorgesetzten hervorgeht], daß es sich hier ausschließlich um ein Spiel bevorrechteter Kreise handelte und daß von einer Volkswahl gar keine Rede war“. Das Wahlrecht stellte den Einfluss

508 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 21.06.1802. 509 MA, ZKA, Montafon 13/2.2. III, 1805. 510 VLA, Talschaft Montafon, Hds. 12, Protokoll vom 03.04.1805. 511 WELTI: Gericht und Verwaltung, S. 485.

168 Ländliche Eliten im Wandel

herrschender Kreise sicher. In der Folge suchte man dieses Problem zu lösen und das

„System der Cordialitäten aufzugeben und zu nahe Verwandte unter den Vorgesetzten nicht mehr zu dulden. Es sollten nicht, wie bisher, Vater und Söhne, Stiefväter und Stiefsöhne, ein- oder zweihändige Brüder, Schwiegerväter und Tochtermänner, Gegenschwäher und Schwäher zugleich amtieren können. Die Geschworenen wurden nicht mehr von den Vorgesetzten, sondern von den Gemeinden jedes Kirchspiels ausgeschossen und jedesmal drei Personen der Herrschaft vorgeschlagen und von dieser daraus ein Geschworener erwählt. Kein Geschworener durfte nunmehr sein Amt beständig behalten, sondern es mußte alle vier Jahre ein Wechsel erfolgen. Zieht man in betracht, daß dieser Umstand nicht nur im Montafon, sondern im ganzen Lande mehr oder weniger herrschte und bis zum Untergang des alten Reiches überall, so weiß man auch, welche Kreise bei uns im Lande jene große Klage ertönen ließen, als in der Zeit der baierischen Herrschaft die alten Gerichte und autonomen Einrichtungen aufgehoben wurden.“512

Allerdings gab es auch eine nicht unerhebliche Fluktuation unter den ständischen Funktionsträgern, die mit dem Wechsel der Amtsträger innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung einherging und wohl auch mit der Größe des Standes Montafon zusammenhing. Bei den Vorgesetztenwahlen stand oft ein Ausgleich zwischen den mächtigen Familien der verschiedenen Orte im Vordergrund. Deshalb kam es auch kaum über einen längeren Zeitraum hinweg zu Monopolisierungen der Positionen innerhalb des Standes. Immer wieder versuchten zwar einzelne Familien über mehrere Jahrzehnte hinweg ein Vorgesetztenamt zu besetzen, doch gelang dies nie nachhaltig. Die Vertretung im Landtag bedeutete für die meisten auch kaum einen konkreten politischen Machtgewinn, sodass sich keine dezidierte Abgeordnetenelite herausbilden

512 BARBISCH: Vandans, S. 112-114.

Die ländliche Oberschicht 169 konnte. Im Gegensatz dazu hatte in den Städten Bludenz, Bregenz und Feldkirch ein überschaubarer Kreis von Honoratiorengeschlechtern die politische Macht inne.513 Die Karrieren der ständischen Funktionsträger wurden durch die Teilnahme an den Landtagen kaum beeinflusst, denn wie das Ämterspektrum innerhalb des Montafons verdeutlicht, übten die meisten ständischen Abgesandten bereits vor ihrer Bestimmung zur Vertretung auf überregionaler Ebene Funktionen innerhalb der politischen Führungselite der Dörfer und des Landes aus.514 Es gab für sie vor Ort außerdem kaum Möglichkeiten des weiteren Aufstiegs, da dies nur im Dienste des Landesherrn möglich gewesen wäre. Es liegt vielmehr nahe, dass ein Aufstieg bereits vor der Auswahl als Abgeordnete stattgefunden hatte, denn die meisten hatten ihre Position in der regionalen Ämterhierarchie vor einem Landtagsbesuch bereits mehrfach verbessert. Die verwandtschaftlichen Vernetzungen und ein am sozialen Aufstieg ausgerichteter Lebensstil lassen sich bei zahlreichen Amtsträgern rekonstruieren: Ein Bruder des Großvater des Montafoner Landammannes Johann Joseph Batloggs war etwa bereits Landeshauptmann515 und Vorgesetzter gewesen. Batlogg selbst legte juristische Prüfungen ab516 und sein ältester Sohn studierte später in Wien und machte im höheren Verwaltungsdienst Karriere. Er wurde schließlich Gubernialsekretär in Triest und heiratete die Tochter des dortigen Polizeipräsidenten.517 Ein Sohn von Mathias Drexel wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Vorarlberger Landtagsabgeordneter und Gemeindevorsteher während ein anderer Sohn als Landgerichtsschreiber in Tirol tätig war.518 Der Vater des Landschreibers Theodor Fritz war Gerichtsbeisitzer und vorübergehend

513 NIEDERSTÄTTER: »Unterjochung« und »aufgeklärte Tyrannei«?, S. 261. 514 Vgl. DILLINGER, MOCEK: Ständewesen und Repräsentation in Schwäbisch-Österreich, S. 207. 515 Als „Landeshauptmann“ wurde der Oberkommandant der Montafoner Landesverteidigungsmannschaft bezeichnet. 516 VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz, Sch. 160, „Die Untersuchung, Vertheidigung u. Freisprechung des Herrn Landammans Joseph Batlogg v. Montafon, aus seiner eigenen Handschrift und den Thatbestands Acten entnommen.“ S. 4. 517 VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz, Sch. 160, 946/18; MA, Montafoner Familienbuch, Batlogg. 518 LORINSER: Gedenkblätter der Familie Lorinser, S. 29.

170 Ländliche Eliten im Wandel

sogar Landammann in Schruns und mit Elisabeth, der Schwester des Vorgesetzten Christian Vogt, verehelicht.519 Theodors Schwester Benedikta heiratete den Vorgesetzten und Schrunser Gemeindevorsteher Ulrich Rudigier.520 Nach der Ermordung des langjährigen Vorgesetzten, Landschreibers und Notars Valentin Kraft übernahm sein Sohn Johann Anton provisorisch dieses Amt und später auch jenes des Vorstehers in St. Gallenkirch.521 Ignaz Sander, dessen Vater Thomas bereits mehrfach Vorgesetzter gewesen war, heiratete Magdalena Marent, eine Nachfahrin der Landeshauptmänner und Vorgesetzten Hans Ulrich und Johann Josef Marent. Seine Mutter Sabine Kessler stammte aus derselben Familie wie die Vorgesetzten Johann Anton und Peter Lorenz Kessler aus St. Gallenkirch. Sanders Sohn Bonifaz absolvierte ein Studium und wurde Bezirkhauptmann in Bludenz und Kitzbühel.522

2.3.3. Herrschaftspraxis im Ancien Régime: Zwischen Bürde und sozialem Prestige

Im Bereich der Gerichte war die personelle Ausstattung zumeist recht gering. Die Hauptarbeit lastete auf dem Richter, dem in manchen Fällen ein Pfleger zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte zur Seite stand, sowie dem Gerichtsschreiber. Die Amtsträger, die häufig vom Landesfürsten eingesetzt wurden, waren nur teilweise fix besoldet und bestritten ihr Einkommen daher aus anderen Quellen wie etwa Gerichtsgebühren. Für die Besetzung der verschiedenen Ämter auf den drei Ebenen Kommune, Region und Land gab es unterschiedlichste Regelungen. Gelegentlich wurden von den Genossenschaftsverbänden Gemeinde- oder Gerichtsvollversammlungen abgehalten, in denen die männlichen Vorstände der Haushalte stimmberechtigt waren. Teilweise oblag es aber auch der Obrigkeit die Amtsinhaber zu bestimmen.

519 MA, Montafoner Familienbuch, Fritz. 520 MA, Montafoner Familienbuch, Fritz. 521 BURMEISTER: Eine Notarernennungsurkunde der Innsbrucker Juristenfakultät, S. 27. 522 SANDER: 600 Jahre Sander im Montafon, S. 42–44. MA, Montafoner Familienbuch, Sander.

Die ländliche Oberschicht 171

Häufig wurden die Funktionen jedoch in gemischten Verfahren besetzt. Beispielsweise schlug die Gerichtsversammlung Landeck der Obrigkeit mehrere Kandidaten vor und diese wählte dann nach freiem Ermessen einen davon aus und ernannte ihn zum Amtsinhaber.523 Im Bereich der Jurisdiktion herrschte das Geschworenensystem vor. Dabei fällten die zwölf Geschworenen, die aus dem Kreis der Gerichtsinsassen, Bürger und Bauern, stammten, die Urteile. Die Rolle des Richters beschränkte sich weithin darauf, die Verhandlung zu leiten.524 Auf einer unteren Ebene bestanden territoriale Sprengel, die die freiwillige Gerichtsbarkeit praktizierten. Beispielsweise gliederte sich das Gericht Ehrenberg in mehrere Anwaltschaften. Dort lag die freiwillige Gerichtsbarkeit weitgehend in den Händen lokaler Gerichtsfunktionäre, sogenannter „Anwälte“, auch „Gerichtsverpflichtete“ genannt.525

Immer wieder war es trotz der Wahlmöglichkeiten in verschiedenen Gebieten aufgrund der vorherrschenden Cliquenherrschaft mit einer starken verwandtschaftlichen Komponente zu Beschwerden der Untertanen gegen die Amtsträger gekommen.526 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts mündete die Unzufriedenheit über diese Missstände in den Herrschaften vor dem Arlberg beispielsweise in die Aufstandsbewegung des „Gemeinen Mannes“, die im Montafon ihren Ausgang nahm, aber nach anfänglichen Erfolgen von der oligarchisch strukturierten Elite und mit Hilfe der Obrigkeit sowie des Militärs niedergeschlagen wurde.527

523 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 57f. 524 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 59. 525 BEIMROHR: Mit Brief und Siegel, S. 59f. 526 Vgl. NACHBAUR, VOGT: Gerichtsammänner im Großwalsertal; NIEDERSTÄTTER: Die Ammänner – lokale Amtsträger; SCHEFFKNECHT: Die Hofammänner von Lustenau; SCHEFFKNECHT, Dörfliche Eliten am Beispiel der Hofammänner von Lustenau; SCHNEIDER: Die Landammänner von Blumenegg; WELTI: Von den Landammännern des Bregenzerwaldes. 527 BILGERI: Die demokratische Bewegung Vorarlbergs, S. 6–9.

172 Ländliche Eliten im Wandel

Hinweise auf diese Missstände sind auch die regelmäßig wiederkehrenden Verbote der Besetzung von Ämtern mit eng verwandten Personen, Beschränkungen der Amtszeiten sowie Verbote der Wiederwahl.528 In vielen Fällen wurden diese Verbote jedoch durch regelmäßigen wechselseitigen Ämtertausch umgangen,529 denn die „Vetternwirtschaft“ stellte insgesamt eine äußerst wichtige Machterhaltungsstrategie der in der Minderheit befindlichen Sozialgruppe der Oberschicht dar.530

Die Amtstätigkeit und die daraus resultierende Nähe zur Herrschaft bedeuteten für die Angehörigen der Führungsschicht häufig nicht nur ein größeres Sozialprestige, sondern auch ganz konkrete Karriere- und Verdienstmöglichkeiten für die eigene Familie. So erhielt etwa 1789 und 1820 der schon genannte Montafoner Vorgesetzte und Standesrepräsentant Ignaz Vonier von der Herrschaft die Alpe Mareu als Lehen verliehen. Vor ihm waren schon seit dem 16. Jahrhundert Angehörige der Montafoner Oberschicht mit dieser herrschaftlichen Alpe belehnt worden.531 Unter ihnen waren zuletzt die Amtsträger Adrian Fritz (1740/41), Christian Mangeng (1761), Franz Joseph Fritz (1762) und Johann Joseph Barthold (1787).532

Bei einem Vergleich zwischen den wirtschaftlichen und politischen Führungsgruppen zeigen sich deutliche Überschneidungen. Von den 1780/81, 1800/01 und 1809/10 aktiven Schrunser Amtsträgern533 waren alle in der obersten Klasse der Steuerpflichtigen vertreten:

528 NIEDERSTÄTTER: Ständische Mitbestimmung und Landtage, S. 46. 529 So hatten etwa die schon genannten Montafoner Oswald Tschohl (1770–72, 74–76, 78–80, 82– 84, 90–92) und Ignaz Vonier (1792–94, 96–98, 1800–01) im Zweijahres-Rhythmus das Amt eines Vorgesetzten des Tales inne. Vgl. QUARTHAL, WIELAND: Die Behördenorganisation Vorderösterreichs, S. 419; SANDER, Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 14; VLA, Talschaft Montafon, Hds. 2, 9, 11, 12. 530 WUNDER: Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, S. 83. 531 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Tirol Urkunden 263-265; MA, ZKA, Montafon 3/1.0; VALLASTER: Alpen Mareu und Albona, S. 538f. 532 MA, ZKA, Montafon 3/1.0; VALLASTER: Alpen Mareu und Albona, S. 538f. 533 Für diese Untersuchung wurden lediglich die regionalen Ämter des Richters beziehungsweise Landammannes sowie der sogenannten Vorgesetzten erhoben. Letztere führten die Geschäfte des

Die ländliche Oberschicht 173

Amtsdauer als Vorgesetzter und/oder Landammann Ulrich Rudigier 1802-1804, 1806-1812 Ignaz Sander 1801-1802 Alois Tagwerker 1798-1800, 1804-1807 Oswald Tschohl 1770-1772, 1774-1776, 1778-1780, 1782-1784, 1790-1792 Christian Vogt 1784-1786 Ignaz Vonier 1792-1794, 1796-1798, 1800-1808, 1809

Die Amtsträger des Standes Montafon – Landammänner, Landschreiber, Vorgesetzte und Standesrepräsentanten – zwischen 1750 bis 1850:534

Landammann Wohnort Amtsdauer Johann Joseph Nayer Tschagguns -1787/88 Johann Joseph Batlogg St. Anton 1788-97; 1798-1800 Franz Joseph Fritz Schruns 1797/98 Ignaz Vonier Schruns 1800/01-08/10

Landschreiber Wohnort Amtsdauer Valentin Kraft St. Gallenkirch -1794 Johann Anton Kraft St. Gallenkirch 1794-98 Johann Theodor Fritz Schruns 1799-1806 Vorgesetzter Wohnort Amtsdauer Adrian Friz Schruns 1750-52 Peter Nayer Tschagguns 1750-52 Zeno Mangein Schruns 1752-54

Standes Montafon und vertraten das Tal zusammen mit dem Landammann auf den Landtagen, während der Richter und/oder Landammann für die rechtlichen und politischen Geschäfte allein zuständig war. SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens; LEUPRECHT: Die Vorgesetzten in Montafon; VLA, Talschaft Montafon, Hds. 2, 9, 11, 12. 534 MA, Bruno Hueber, Die Vorgesetzten von Montafon; VLA, Talschaft Montafon, Hds. 9, 11, 12; LEUPRECHT: Die Vorgesetzten in Montafon, S. 174-176; SANDER: Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens, S. 14f; http://stand-montafon.at/stand/sample-about/die-standes- repraesentanten-seit-1830 (28.7.2017).

174 Ländliche Eliten im Wandel

Christian Keßler St. Gallenkirch 1752-54 Peter Nayer Tschagguns 1754-56 Thomas Sander St. Gallenkirch 1754-56 Christian Keßler St. Gallenkirch 1756-58 Johann Georg Stemer Schruns 1756-58 Thomas Sander St. Gallenkirch 1758-60 Peter Nayer Tschagguns 1758-60 Johann Georg Stemer Schruns 1760-62 Valentin Kraft St. Gallenkirch 1760-62 Johann Ulrich Tschofen Gaschurn 1762-64 Peter Nayer Tschagguns 1762-64 Peter Nayer Tschagguns 1764-66 Valentin Kraft St. Gallenkirch 1764-66 Peter Nayer Tschagguns 1766-68 Thomas Sander St. Gallenkirch 1766-68 Peter Nayer Tschagguns 1768-70 Valentin Kraft St. Gallenkirch 1768-70 Thomas Sander St. Gallenkirch 1770-72 Oswald Tschohl Schruns 1770-72 Peter Nayer Tschagguns 1772-74 Valentin Kraft St. Gallenkirch 1772-74 Oswald Tschohl Schruns 1774-76 Christian Mangeng Bartholomäberg 1774-76 Johann Joseph Nayer Tschagguns 1776-78 Johann Ulrich Tschofen Gaschurn 1776-78 Oswald Tschohl Schruns 1778-80 Christian Mangeng Bartholomäberg 1778-80 Johann Joseph Nayer Tschagguns 1780-82 Johann Ulrich Tschofen Gaschurn 1780-82 Oswald Tschohl Schruns 1782-84

Die ländliche Oberschicht 175

Christian Mangeng Bartholomäberg 1782-84 Johann Joseph Nayer Tschagguns 1784-86 Christian Vogt Schruns 1784-86 Johann Ulrich Tschofen Gaschurn 1786-88 Johann Joseph Bartold St. Anton 1786-88 Anton Makloth Tschagguns 1788-90 Johann Anton Kessler St. Gallenkirch 1788-90 Oswald Tschohl Schruns 1790-92 Peter Fleisch Tschagguns 1790-92 Johann Anton Kessler St. Gallenkirch 1792-94 Johann Ignaz Vonier Schruns 1792-94 Anton Makloth Tschagguns 1794-96 Johann Ulrich Tschofen Gaschurn 1794-96 Johann Ignaz Vonier Schruns 1796-98 Johann Anton Kessler St. Gallenkirch 1796-98 Peter Lorenz Kessler St. Gallenkirch 1798-1800 Alois Tagwercher Schruns 1798-1800 Ignaz Vonier Schruns 1800-01 Mathias Drexel Tschagguns 1800-01 Matthias Drexel Tschagguns 1801-02 Ignaz Sander Schruns 1801-02 Peter Lorenz Kessler St. Gallenkirch 1802-04 Johann Ulrich Rudigier Schruns 1802-04 Alois Tagwercher Schruns 1804-06 Johann Joseph Versell Tschagguns 1804-06 Johann Ulrich Rudigier Schruns 1806-08/10 Matthias Drexel Tschagguns 1806-08/10

Standesrepräsentant Wohnort Amtsdauer Ignaz Vonier Schruns 1816-28

176 Ländliche Eliten im Wandel

Matthias Drexel Tschagguns 1830-47 Jakob Jochum Schruns 1847/48-67

2.3.3.1. Kompetenzkonflikte und Anpassungsstrategien im politischen Bereich

Bereits im frühen 18. Jahrhundert war es im Zuge der sogenannten Bewegung des „Gemeinen Mannes“ zu sozialrevolutionären Auseinandersetzungen zwischen den traditionellen Eliten einerseits und breiten Kreisen der von diesen abhängigen Bevölkerung andererseits gekommen. Erst mit Hilfe des Militärs konnten die Unruhen beendet werden.

„Zu einer grundsätzlichen Veränderung der politischen Verhältnisse konnte es jedoch aufgrund der Zeitumstände noch nicht kommen. Es blieb dem Gedankengut der Aufklärung und den Reformen Maria Theresias und Josephs II. sowie vor allem der bayerischen Regierung vorbehalten, nach und nach die Macht der Etablierten in einigen Bereichen zurückzudrängen.“535

Als die Regierung 1771 von den Ständen der vorarlbergischen Herrschaften die Stellung von 47 Rekruten verlangte, äußerte der Landvogt in Bregenz mehrfach Bedenken gegen dieses Ansinnen. Er begründete dies damit, dass die Gerichte entsprechend ihrer Landesverfassung keine Jurisdiktion über die Gerichtsangehörigen hätten und somit keinen mit Gewalt ausheben dürften. Dazu käme der Umstand, dass „kein Vorsteher dazu die Hand bieten würde, aus Furcht vor seinen Untergebenen. Lieber würden die Vorsteher vom Amte zurücktreten, als etwas derartiges begünstigen“.536 Insbesondere in den gebirgigen Gerichten „wie Bregenzerwald, Sonnenberg und Montafon, wo die Leute sozusagen ganz verwildert seien, von Vorurteilen völlig eingenommen und, da sie alles von der üblen Seite aus betrachten, zu den schlimmsten Ausschreitungen fähig seien“,

535 NIEDERSTÄTTER: Die Bewegung des „Gemeinen Mannes“, S. 46f. 536 TIEFENTHALER: Die erste Natural-Rekrutenstellung, S. 1f.

Die ländliche Oberschicht 177 rechnete er mit Widerstand gegen die Aushebung von Rekruten. Nach einem Treffen mit dem Landammann des Bregenzerwaldes stellte Landvogt Ramschwag konsterniert fest:

„… Allein dieser eisgraue und sonsten verehrliche Mann entschuldigte sich immerdar, daß dieses ein für allemal weder in seiner noch anderer Landesvorgesetzten Gewalt noch Mächten stehe. Er bezog sich unter mitleidenswürdigen Tränen auf seine allschon so vielfältig, jedoch furchtlos an dortiges Bauernvolk verschwendete …“ mündliche und schriftliche Vorstellungen. Weder er, noch andere Mitglieder des Rates trauten sich die Sache in einer Versammlung anzusprechen. Der Landammann hätte sich durch seine positive Haltung zur Frage der Rekrutenstellung bereits zahlreiche Feinde zugezogen, „daß er im Land selbsten auf Stegen und Wegen nicht sicher sei und alle Nacht nicht wissen könne, ob nicht seine wenige Habschaft mit Feuer angesteckt werde“. Vor kurzem seien etwa nach der Veröffentlichung der Reduktion von Feiertagen dem Landschreiber nächtens die Fenster eingebrochen worden.537 Einige Jahre später wurde zu Jahresbeginn 1786 in Bartholomäberg im Montafon die Aushebung der Rekruten mit Gewalt verhindert.538

Der Widerstand gegen derartige Veränderungen äußerte sich in unterschiedlichen Zusammenhängen und konnte besonders im religiösen Bereich breite Bevölkerungskreise mobilisieren. Im Jahr 1789 war es bezüglich der josephinischen Reformen im Bereich der Religion, insbesondere wegen der Beschränkung der Prozessionen und des Verbots des Wetterläutens, im Montafon zu Tumulten gegenüber der Obrigkeit gekommen. In einem Bericht der Regierung in Innsbruck an die Zentralbehörde in Wien glaubten die zuständigen Beamten jedoch den eigentlichen Grund für die Unruhen gefunden zu haben: Die politische

537 TIEFENTHALER: Die erste Natural-Rekrutenstellung, S. 1-3. 538 TIEFENTHALER: Die erste Natural-Rekrutenstellung, S. 1-3.

178 Ländliche Eliten im Wandel

Verfassung der Region liege demnach der öffentlichen Gährung zugrunde. Zudem seien die Vorsteher […] dumme und stolze Leute, welche einen starken Anhang haben, und also in allen Stücken den gemeinen Mann dahin führen, wo sie wollen.539 Im Zuge der in den nächsten Jahren durchgeführten Untersuchung schrieb der Innsbrucker Gubernialrat Karl von Schmidt den Vorarlberger Ammännern zudem das Attribut „Verschlagenheit“540 zu und beklagte, dass die meisten von ihnen Gastwirte seien und keinerlei juristische Ausbildung besäßen.541 Es wurde ihnen zudem vorgeworfen, dass die Steuereinhebung nicht ganz korrekt ablaufe:

„Die ursach dißer ärgerlichen ohnordnung komet daher daß gemeiniglich […] die ammänner und steyrer in denen gerichteren das umbgeld einziechen und zu gleicher zeit weinschäzer seind und dabey selbsten wein außschenckhen, ja gemeininglich die beste würth seind. Daß sich also nicht zu verwundern, wann daß umbgeld ohnrichtig eingezogen und dabey vile verbottene vortheilhafftigkeiten zu schaden des publici gebraucht werden.“542

Die „lokalen Despoten“543, deren Rechte durch die Reformen beeinträchtigt wurden, instrumentalisierten die scheinbar religiös motivierten Unruhen für ihre persönlichen Interessen. Im Montafon kam es wegen der Reformen, die von der eher konservativ eingestellten ländlichen Bevölkerung nicht gutgeheißen wurden, immer wieder zu Unruhen: Im November 1789 regte sich beispielsweise in Schruns unter der Führung der dörflichen Oberschicht Widerstand gegen die neue Schule, sodass der

539 Östa, AVA, Hofkanzlei, Karton 1351, Tirol 1771–1791 (Anstalten gegen Tumulte), Bericht des Guberniums an die Hofkanzlei vom 9.12.1789. 540 TLA, Cod. 378, Geogr., pol. u. ök. Landes – dann Individuale Domainen-Beschreibung des Kreises Vorarlberg. Aufgenommen durch die zur Untersuchung des Domainenstandes dahin abgeordnete Gubernial-Kommission. Verfaßt von Gub.-Rat Karl v. Schmidt. Im Jahre 1792, fol. 105, zitiert nach: BERNHARD: Einiges zur Vorgeschichte des Falles „Ignaz Anton von Indermauer, S. 69. 541 STOLZ: Verfassungsgeschichte des Landes Vorarlberg, S. 72. 542 KLEINER: Die Beschreibung der vorarlbergischen Herrschaften, S. 142f. 543 WANNER: Frühindustrialisierung und gesellschaftspolitischer Wandel, S. 29.

Die ländliche Oberschicht 179

Lehrer sich vor der aufgebrachten Menge verstecken und schließlich nach Bludenz fliehen musste:544

„Als in Schruns die Schule eröffnet werden sollte, hatten die dortigen Geschworenen die Bänke und die Tafel aus dem Schullokal wegschaffen und dafür wieder einen langen Tisch aufstellen lassen, an dem die Kinder beidseits Platz zu nehmen und der Lehrer nach der alten Methode zu unterrichten haben sollte. Das Vogteiamt Bludenz erließ hiergegen eine nachdrückliche Verwarnung; die Geschworenen aber beriefen den Lehrer Alois Tschol vor sich, fuhren ihn hart an und bei einem nächtlichen Zechgelage erklärten sie ihm, wenn er keine Anzeige mehr an die Behörde machen und nach ihrem Verlangen Schule zu halten verspreche, dann könne er, jedoch nur gegen Annahme von Woche zu Woche, Lehrer bleiben.“

Der damalige Schulkommissär berichtete zur allgemeinen Situation, dass in Schruns weniger als die Hälfte der Kinder die Schule besuchten und es wegen der großen Armut vielen wenig vermögenden Kindern an Schuhen fehlte und in Gaschurn wegen der – wie er es nannte – „harten Winterszeit“ nicht genug warme Kleidung für die Schülerinnen und Schüler vorhanden war.545 Ebenso war in Bartholomäberg schon 1783 von den Geschworenen gegen die josefinische Normalschule opponiert worden.546 Von drei Schulen in der Gemeinde waren zwei gar nicht in Betrieb und in einer wurde noch nach dem alten Herkommen unterrichtet. Besonders bey der weit von der Pfarrkirchen entlegenen Jugend eine grose Unwissenheit in christlichen Wahrheiten herrschet.547

544 ULMER: Die Volksbewegung gegen die kirchenpolitischen Neuerungen, S. 105f. 545 HÖLZL: Vorarlbergs Pflichtschulwesen vor 200 Jahren, S. 117. 546 VLA, Talschaft Montafon 11/7, Promemoria betrefend die Normalschul auf St. Bartholomäsberg 1783. 547 B[EITL]: Josef II. und die Bartholomäberger, S. 4; VLA, Talschaft Montafon 11/7, Actum St. Barthlomes in der Pfarr Behausung den 16.1.1786.

180 Ländliche Eliten im Wandel

Man kann also konstatieren, dass die Aufstände auch politische und soziale Bruchlinien zwischen Beamten und lokalen Eliten offen legten. Die unterschiedlichen Auffassungen von Religiosität und Frömmigkeit stellten jedoch gerade in diesem Bereich eine kaum zu überbrückende Diskrepanz zwischen den Beamten und großen Teilen der Bevölkerung dar. Höchst betroffen meldete diesbezüglich das Landgericht in Schruns 1809, dass die katholische Religion im Montafon unter sehr dunklen Begriffen bestehe und dass der Aberglaube auch durch die Geistlichen nicht zu bekämpfen sei.548 Kurz darauf wurde diesbezüglich eine Verordnung gegen sogenannte „geistliche Mittel“ zur Heilung verschiedener Krankheiten bei Mensch und Tier erlassen, welche die Priester zu unterzeichnen hatten.549

Im Verlauf der bayerischen Herrschaft über Tirol und Vorarlberg wurden dann die teilweise seit dem Mittelalter bestehenden Gerichtsprengel aufgelöst und durch neue königliche Landgerichte ersetzt.550 Dies bedeutete einen empfindlichen Machtverlust für die bisherigen Gerichtsvorsteher. Im Zuge dieser Umgestaltung der Verwaltung wurden auch häufig neue Landgerichtsgebäude errichtet, da bisher oft Wirts- oder Privathäuser als „Amtssitze“ der Richter gedient hatten.

548 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 64. 549 VLA, Landgericht Montafon 141. 550 BURMEISTER: Die bayerische Verwaltung in Vorarlberg.

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Abb. 31 Das ehemalige Marentische Wirtshaus in Schruns wurde 1807 zum Montafoner Landgericht umgebaut. Gerichtsschild aus dem Jahr 1849.

Auch die Institution der Gemeinde als unterste Ebene der staatlichen Verwaltung wurde 1808 von Bayern eingeführt.551 In diesem Zusammenhang wurden in vielen Regionen die Ämter des Gemeindevorstehers und der Gemeinderäte als unterste Organe der staatlichen Verwaltung neu geschaffen. Im Montafon war der Verlust der Gemeindefreiheit besonders dramatisch, da diese hier stark ausgeprägt gewesen war, weil es nahezu die gesamte frühe Neuzeit hindurch kein eigenes Gericht gegeben hatte. Kompetenzen, die anderswo beim Gericht lagen, waren im Montafon bei den Kirchspielen, die größtenteils seit dem frühen 17. Jahrhundert eigene Kirchspielsordnungen besaßen. „Die neue Regierung schuf sich damit von Anfang an Feinde, indem sie sich gerade jene Leute, die das Vertrauen der Bevölkerung hatten, zu Gegnern gemacht hat.“552

551 Organisches Edikt über die Bildung der Gemeinden vom 28. Juli 1808, in: Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1808, Sp. 2789–2798; NACHBAUR: Von den Ständen zu den Gemeinden, S. 6. 552 BURMEISTER: Die Lage in Vorarlberg um 1811, S. 14.

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Auch die Neuregelung der allgemeinen Wehrpflicht bedeutete einen Eingriff in die alten Machtsysteme der Oberschicht. Diese hatte nämlich bisher mitunter die Rekrutierungen genutzt, um unliebsame Gemeindegenossen abzuschieben, da die Durchführung der Musterungen den Gerichtsvorstehern überlassen war. Unter der bayerischen Herrschaft wurde die Rekrutierung den neuen Landgerichten übertragen und somit dem Einflussbereich der Stände entzogen. Nunmehr konnten auch die Angehörigen der Oberschicht vermehrt zum Militär eingezogen werden.553 Obwohl diese neuen Einteilungen und Einrichtungen auch nach 1814 größtenteils beibehalten wurden, fand 1816 offiziell eine Wiedererrichtung der Tiroler Stände statt, während die Vorarlberger Landstände nur mehr auf dem Papier wieder hergestellt wurden.554 Da in Vorarlberg auch die von Bayern installierten Landgerichte bestehen blieben und weiterhin von juristisch ausgebildeten Beamten verwaltet wurden, konnten die Angehörigen der regionalen Oberschicht die Funktion des Richters oder Landammannes mit allen politischen und juridischen Kompetenzen nicht zurückerlangen und blieben zumeist auf die „Ehrenämter“ wie beispielsweise das eines Standesrepräsentanten beschränkt.555 Auch in Tirol wurden trotz der 1817 erfolgten Wiederherstellung der alten Gerichtseinteilung556 nur noch ausgebildete Beamte als Funktionsträger auf der Ebene der Gerichte eingesetzt.

In Bezug auf die Verwaltungsreformen gab es innerhalb der ländlichen Oberschicht unterschiedliche politische Strömungen, denn während viele wegen des eben genannten Verlustes an Einfluss vehement für die alte ständische Verfassung eintraten, plädierten andere auf der Basis revolutionär geprägter Ideen für eine demokratische Reform derselben. Besonders in Tirol wurden Stimmen laut, die eine verhältnismäßige Repräsentation der ländlichen Gerichte

553 SCHEFFKNECHT: Beharrung und Reform, S. 108, 112. 554 BURMEISTER: Die Vorarlberger Landesverfassungen, S. 115. 555 VLA, Kreisamt I, Sch. 312, Bericht des Landgerichts über die Wahl in Schruns am 23.5.1816. 556 BEIMROHR: Die ländliche Gemeinde in Tirol, S. 162f.

Die ländliche Oberschicht 183 im Gremium der Landstände forderten, die sowohl der Steuerleistung als auch dem Anteil an der Landesverteidigung entsprechen sollte.557 Ein führender Vertreter dieser Haltung war der Franz Michael Senn, Richter in Pfunds. Er war 1759 in Flirsch zur Welt gekommen und wurde schon mit 28 Jahren landesfürstlicher Richter in Pfunds. Als er 1790 in den Tiroler Landtag gewählt wurde, zählte er zu den engagiertesten Vertretern des Bauerstandes. Die Charakterisierung als Wortführer der „konservativen, antijosefinischen und antiaufklärerischen Partei“558 greift dabei wohl zu kurz. So stand er etwa Neuerungen im Unterrichtsbereich auch positiv gegenüber, ging aber mit seinen Forderungen nach einer gleichberechtigten Beteiligung der Bauern an der ständischen Vertretung wohl zu weit.559 Die Obrigkeit sah die Ursache für dieses aufrührerische Gedankengut in den arbeitsbedingten Wanderungen vieler Einwohnerinnen und Einwohner Westtirols und Vorarlbergs, die als Saisonniers in Frankreich, den Niederlanden, Süddeutschland und der Schweiz arbeiteten.560

557 KÖFLER: Land, Landschaft, Landtag, S. 558. 558 KRAMER: Senn, S. 137. 559 PFAUNDLER: Tirol Lexikon, S. 394; DÖRRER: Landrichter Franz Michael Senn, S. 46-51; www.landeck.tirol.gv.at%2Fsystem%2Fweb%2FGetDocument.ashx%3Ffileurl%3D%252Fgemeindea mt%252Fdownload%252F220340352_1.pdf am 16.9.2017. 560 Östa, AVA, Hofkanzlei IV M 3 Tirol, Schreiben von Gouverneur Sauer an Kanzler Kollowrat vom 6.1.1790, zitiert nach: REINALTER: Aufklärung – Absolutismus – Reaktion, S. 268.

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Abb. 32 Darstellungen von Tiroler Wanderhändlern aus der Zeit um 1800

Im Zuge der Neuordnung der Verwaltung nahmen die Vertreter der Herrschaft vor Ort eine wichtige exponierte Stellung ein. Die Kreishauptleute und Landrichter hatten in ihrer heiklen Position nicht nur zwischen Herrscher und Untertan zu vermitteln, sondern mussten gleichzeitig Rücksicht auf die Interessen der lokalen Eliten nehmen. Untertanen wie lokale Führungsschichten handelten den Geltungsbereich staatlicher Herrschaft mit den Beamten im Alltag immer wieder neu aus.561 In der bayerischen Zeit übernahm die zwiespältige Rolle des Vermittlers häufig der Gemeindevorsteher, der als direkter Vertreter des Staates vor Ort vom Landgericht ernannt wurde, jedoch zugleich aus der dörflichen Gesellschaft stammte.

Für die in der Sattelzeit um 1800 in Tirol und Vorarlberg vermehrt stattfindenden Revolten, die schließlich in der Erhebung des Jahres 1809 zumindest in Bezug auf das Ausmaß der von allen Beteiligten ausgeübten Gewalt einen Höhepunkt

561 RUBLACK: Frühneuzeitliche Staatlichkeit, S. 349.

Die ländliche Oberschicht 185 erreichten, wurden in der bisherigen Historiographie traditionellerweise die ausgeprägte Religiosität, die im Montafon aus der Perspektive der bayerischen Beamten im Jahr 1807 „unter sehr dunklen Begriffen“ stand562, sowie ein auf die habsburgische Dynastie oder die jeweiligen Länder beziehungsweise Talschaften fokussierter Patriotismus als primäre Motivationen der Aufständischen dargestellt.563 Diese Begründungen sind jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung von überdurchschnittlicher Relevanz, da sie in erster Linie der Rechtfertigung der Revoltierenden dienten, allerdings nicht unbedingt mit den wirklichen Beweggründen der einzelnen aufständischen Individuen zu tun hatten. Vielmehr spielten die sozioökonomischen Rahmenbedingungen und die daraus resultierende soziale Stellung des Einzelnen eine weitaus bedeutendere Rolle bei der Entscheidung für oder gegen die Teilnahme an einem der Aufstände in dieser Zeit. Ein Angehöriger der ländlichen Oberschicht hatte diesbezüglich mitunter völlig andere Interessen und Motive als ein der unteren Gesellschaftsschicht zuzuordnender Taglöhner, Knecht oder als Saisonarbeiter tätiger Kleinstbauer.564 Allgemein kann bezüglich der ökonomischen Faktoren darauf hingewiesen werden, dass sich der ländliche Raum in Tirol und Vorarlberg seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in einer schweren langfristigen Krisensituation, die aus einem relativ raschen Bevölkerungswachstum und den begrenzten landwirtschaftlichen Ressourcen resultierte, befand und es dazu noch zwischen 1770 und 1820 zu einer Reihe schwerer Missernten und Hungerkrisen gekommen war565, die im Zusammenhang mit den langwierigen kriegerischen Auseinandersetzungen zu einem hohen Verschuldungsgrad der Bevölkerung führten.566 Auch die stark tendenziösen zeitgenössischen Erklärungsversuche für die immer wieder ausbrechenden Unruhen, wie etwa die des Innsbrucker Gubernialrats Joseph Karl Schmid, der die Montafoner Talbewohner 1792 sehr einseitig als

562 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 64. 563 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 236. 564 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 241. 565 ABEL: Massenarmut und Hungerkrisen, S. 191-266, 302-343. Zum regionalen Kontext vgl. KASPER: „Achtzehnhundertundzutodegefroren“. 566 COLE: »Für Gott, Kaiser und Vaterland, S. 229f.

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„leichtsinnig, geschwätzig und dem Trunk äußerst ergeben und daher auch zu Komplotten und Aufruhr geneigt“ 567 darstellte, treffen wohl nicht die tatsächlichen Ursachen der Unruhen, die bereits 1789 im Zusammenhang mit den josephinischen Reformen568 um sich gegriffen hatten. Ob die Vorsteher als Vertreter der ländlichen Oberschicht tatsächlich die Initiatoren der in den Jahren um 1800 stattfindenden Aufstände waren, von welchen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen sie besonders betroffen waren und wie sie jeweils darauf reagierten, soll nun am Beispiel des Montafons sowie der Ereignisse im und im Umkreis des Jahres „1809“ näher erläutert werden.569

1. Einschränkungen der politischen Partizipationsmöglichkeiten In den regionalen Selbstverwaltungskörpern der Gerichte und Gemeinden wirkten die Angehörigen der ländlichen Oberschicht seit dem späten Mittelalter als kommunale Amtsträger. Die Organe der Gerichte waren beispielsweise die Vertreter der Stände auf den Landtagen – im Montafon Vorgesetzte genannt – sowie die Gerichtsgeschworenen. Als Organe auf der Ebene der Kirchspiele fungierten Gemeindevorsteher und Dorfgeschworene sowie eine ganze Reihe weiterer Funktionsträger wie etwa Kirchenpfleger, Bettel-, Wuhr-, Maisäßvögte, Alpmeister und viele mehr. Bereits im Zuge der habsburgischen Zentralisierungstendenzen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren durch die Einrichtung eines Montafoner Gerichtes 1775/76, die Installierung eines Kreis- und Oberamtes in Bregenz sowie die Umwandlung des Montafoner Gerichtes in ein allgemeines Ortsgericht im Jahr 1786570 die lokalen Honoratioren, die bisher die traditionellen lokalen und regionalen Ämter bekleidet hatten, in Bezug auf ihre bisherigen Kompetenzen und Befugnisse gegenüber den nunmehr auf der Ebene des Kreisamtes und des

567 WALSER: Vom aufrührerischen Montafoner, S. 26. 568 Vgl. REINALTER: Aufklärung – Absolutismus – Reaktion, S. 82-95. SOMWEBER: Die Reformen Maria Theresias. 569 Vgl. KASPER: Ländliche Eliten im Wandel?. 570 TSCHAIKNER: Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft, S. 287f.

Die ländliche Oberschicht 187

Gerichtes tätigen Beamten stark eingeschränkt worden.571 Die letzten Reste der gerichtlichen Selbstverwaltung fanden 1806 mit der Installierung des königlich- bayerischen Landgerichts Montafon572, das räumliche „die bisherige Landammannschaft Montafon“ umfasste573, sowie 1808 im Zuge der Aufhebung jeglicher Sonderverfassungen im Königreich Bayern ein Ende574. Die gänzliche Beseitigung der kommunalen Selbstverwaltung und die Einrichtung der Gemeinde als unterste Ebene der staatlichen Behörden im Jahr 1808 markierten schließlich für den Großteil der ländlichen Bevölkerung einen entscheidenden Bruch, da aus den früheren Selbstverwaltungsorganen nunmehr Hilfsorgane der staatlichen Behörden geworden waren.575 Gegen diese strukturelle Neuordnung regte sich in der Folge immer wieder Widerstand, da etwa durch die Gemeindeedikte völlig veränderte Anforderungen an die kommunalen Funktionsträger gestellt wurden und diese nunmehr Gesetze kundzumachen, Weisungen des Landgerichts als seiner übergeordnete Behörde zu erfüllen oder Berichte, deren Nutzen ihnen mitunter nicht ganz einsichtig war, zu erstatten hatten.576 Der Historiker Ferdinand Hirn konstatierte deshalb bereits vor hundert Jahren in seinem Werk „Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809“ etwas pointiert, dass die Gemeindevorstehungen

„im allgemeinen […] zu machtlosen Polizeiorganen der Landgerichte herabgedrückt [wurden], deren wichtigste Aufgabe darin bestand, die in den Regierungsblättern enthaltenen königlichen Erlässe zu verlautbaren, monatlich der vorgesetzten Behörde Rapport zu erstatten, ihr schleunigst von jedem Verbrechen und jedem außerordentlichen Ereignis Kunde zu geben, während sie jedoch in allen wichtigen Entscheidungen an die ausdrückliche Zustimmung der Landgerichte gebunden waren“.

571 KASPER: Modernisierungsverlierer?, S. 192. 572 WELTI: Bludenz als österreichischer Vogteisitz, S. 205, 208. 573 TSCHAIKNER: Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft (= VV 65), S. 9. 574 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 279. 575 NACHBAUR: Auswirkungen der bayerischen Reformen, S.412. 576 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 273.

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Nach der Meinung der Montafoner Vorsteher führte diese Neustrukturierung der kommunalen Verwaltung häufig zu schwerwiegenden Nachteilen, wie sie in einer Beschwerdeschrift im Jahr 1813 ausführlich darlegten.577 Als Folge dieser Entwicklung versuchten die Geschworenen der Gemeinde Schruns, die alle der dörflichen Oberschicht zugeordnet werden können, sich im Jahr 1810 ihrer Ämter, die sie bereits seit der letzten Wahl nach althergebrachtem Modus im Jahr 1802 innegehabt hatten, mit der Begründung, dass die Amtsausübung für sie und ihre Familien zu beschwerlich sei, zu entledigen.578 Auch die Gemeindevorstehungen der Gemeinden Bartholomäberg und St. Gallenkirch schlossen sich diesem Ansuchen an.579 Tatsächlich dürften die nunmehrigen Tätigkeiten in der Gemeindeverwaltung nicht ganz ihren Vorstellungen entsprochen haben, sodass sie es vorzogen den Dienst zu quittieren und sich anderen Beschäftigungen zu widmen. Da die kommunalen Amtsträger ihren Gestaltungsspielraum aus der Zeit der weitgehenden Selbstverwaltung verloren hatten, richteten sie ihr Augenmerk nunmehr vermehrt darauf, ihren Nachkommen eine Ausbildung für den mittleren Verwaltungsdienst zukommen zu lassen, sowie ihre wirtschaftliche Position in der Region abzusichern.

2. Wahrung ökonomischer Interessen Neben diesen machtpolitischen Motiven spielten auch finanzielle und ökonomische Überlegungen eine wichtige Rolle für die Befürwortung beziehungsweise Teilnahme an den Aufständen. Die Erhöhung der Steuern und Abgaben sowie die Einführung ungewohnter persönlicher Anforderungen wie

577 HIRN: Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809, S. 40. 578 VLA, Bayerische Akten, Sch. 7, Nr. 577, Bitte von Johann Ulrich Rudigier, Aloysius Tagwercher, Johann Ignatz Fitsch, Johan Martj Marenth, Johannes Stemmer und Johan Ignatz Sander an das k. b. Landgericht Montafon vom 25.10.1810. 579 VLA, Bayerische Akten, Sch. 7, Nr. 577, Bitte von Johan Bartlome Stemer, Johann Joseph Tschaffen, Johann Josep Mangeng, Johann Joseph Gannahl, Johann Christian Lorez, Johann Dominikus Mall, Johann Joseph Thönny (Bartholomäberg) an das k. b. Landgericht Montafon vom 15.11.1810; Bitte von Petter Lorenz Kessler, Johann Joseph Sander, Johann Joseph [...], Johann Burger, Andrä Mangard, Johan Jocob Satler, Peter Netzer, Johan Joseph Nezer, Joh. Georg Bargehr (St. Gallenkirch) an das k. b. Landgericht Montafon vom 1.12.1810.

Die ländliche Oberschicht 189 etwa der Konskription stellten demnach wesentliche Motive für die Revoltierenden dar.580 Bereits im Jahr 1807, als es im Bregenzerwald zum „Aufstand der Frauen“ in Krumbach gekommen war, stieß die Aushebung der Rekruten auch im Montafon auf Schwierigkeiten, sodass bayerische Truppen bis nach Partenen vorrücken mussten, um die Aushebung der Wehrpflichtigen durchzusetzen.581 Trotz dieser Maßnahme waren jedoch viele der Montafoner Stellungspflichtigen über die nahe Grenze nach Graubünden entwichen.582

Abb. 33 Aufstand der Frauen in Krumbach 18907(Fresko an der Volksschule in Krumbach)

580 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 276. 581 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 47. 582 KASPER: Grenzgeschichte, S. 42.

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Nach der Beendigung der Ausschreitungen erhielt der Montafoner Landammann Ignaz Vonier im Jahr 1808 eine goldene Verdienstmedaille verliehen. Der bayerische König teilte ihm dazu mit, dass

„wir [...] mit Wohlgefallen die wiederholten Beweise von Vaterlandsliebe und Unterthanstreue vernommen [haben], wodurch sich der Landammann Ignaz Vonier zu Schruns ... bei verschiedenen Gelegenheiten und besonders zur Zeit der daselbst vorgewesenen Unruhen ausgezeichnet und um die Erhaltung der Ordnung sich verdient gemacht hat.“583

Abb. 34 Ignaz Vonier als Montafoner Landammann im Jahr 1803

583 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 278-280.

Die ländliche Oberschicht 191

Die Neuregelung der Wehrpflicht bedeutete zudem einen Eingriff in die alten Machtsysteme der Oberschicht. Diese hatte nämlich bisher die Rekrutierungen gelegentlich dazu nutzen können, um unliebsame Gemeindegenossen abzuschieben, da die Durchführung der Musterungen den Vorstehern überlassen worden war. Unter der bayerischen Herrschaft wurden die Rekrutierungen den Landgerichten übertragen und somit dem Einflussbereich der ländlichen Eliten entzogen.584 Nunmehr konnten in der Theorie auch die Angehörigen der Oberschicht vermehrt zum Militär eingezogen werden, obschon es immer noch zahlreiche Ausnahmeregelungen gab und beispielsweise im Jahr 1806 im Montafon auf 8.156 Einwohner lediglich zwölf zu stellende Rekruten entfielen.585 Als unter der bayerischen Regierung in Tirol und Vorarlberg ein neues Steuersystem eingeführt wurde, wurde das traditionelle ständische Steuerwesen, das über Jahrhunderte die ländliche Bevölkerung gegenüber den Bewohnern der Städte benachteiligt hatte,586 abgelöst. Der Widerstand gegen diese Neuerungen ging verständlicherweise hauptsächlich von denjenigen aus, deren Einkünfte hoch genug waren, um die neue Steuerordnung empfindlich zu spüren, beziehungsweise denjenigen, die das althergebrachte System administriert und davon selbst nicht unbeträchtlich profitiert hatten. Die Montafoner Vorsteher führten diesbezüglich – besonders im Sinne ihrer eigenen Interessen – in einer Beschwerdeschrift an, dass das neue bayerische Steuerprovisorium die direkten staatlichen Steuern im Vergleich zum alten Steuerpostulat um volle zwei Drittel erhöht hätte.587 Bezeichnenderweise berichtete im Jahr 1809 der Montafoner Landrichter Maximilian von Gugger, dass er „keine Stunde sicher gewesen [sei], daß die Insurgenten die Kanzlei stürmen und aus selber die ihnen gehässigen Akten rauben; unter diese gehörten die Musterrollen, die Gewerbskataster sowie die Klassen- und Gewerbs-Zollpatente und endlich die Häuser- und

584 SCHEFFKNECHT: Beharrung und Reform, S. 108, 112. 585 VLA, Landstände, Sch. 83, D. 40. 586 FRIEDRICH: Die Verfassung des Landes Tirol, S. 241f. 587 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 54.

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Rustikalkataster, da sie dem Volke vorgaben, daß dieses Aktenstücke seien, welche die Freiheit und das Interesse derselben verletzen“.588 Als die allgemeine politische Situation im Frühjahr 1814 immer ungewisser und unübersichtlicher wurde und teilweise beinahe anarchische Zustände herrschten, beschlossen die Montafoner Vorsteher bis zur Klärung der Lage jegliche Zahlungen an den Staat zu verhindern.589 Von Bedeutung war zudem der Kontakt zu oppositionellen Gruppen im benachbarten Ausland:

„Ein weiterer Unruheherd war Graubünden, das aufgrund seiner labilen innenpolitischen Situation auch für Vorarlberg einen gewissen Unsicherheitsfaktor darstellte. Auseinandersetzungen zwischen einzelnen großen Familien erschütterten das Land, und die führende Familie der Salis wurde in den achtziger Jahren durch eine Oppositionspartei der Patrioten gestürzt, was zur Folge hatte, daß sie ins Lager der Österreicher überwechselte. [...] Gefährlich war in den Augen der höchsten Beamten, daß Vorarlberger ohne Schwierigkeiten den für jedermann zugänglichen Kovent in Chur besuchen konnten, wobei Kronthal, der Geschäftträger in Bünden, sogar die Vermutung äußerte, daß Graubündner Bauern Vorarlberger dazu anregten, mit den revolutionären Ideen vertraut zu werden.“590

Auch nach 1815 blieben die Kontakte zwischen dem nunmehrigen Schweizer Kanton Graubünden und den umliegenden österreichischen Gebieten recht eng. Der ehemalige Montafoner Landammann Ignaz Vonier stand beispielsweise bis in die 1820er-Jahre brieflich mit der Graubündner Oberschicht in Kontakt.591

Die unruhigen Jahre zwischen 1790 und 1820 bedeuteten für viele Angehörige der Oberschicht eine Gefahr für ihr Vermögen. Manche von ihnen konnten diesen

588 BILGERI: Geschichte Vorarlbergs IV., S. 228. 589 BILGERI: Geschichte Vorarlbergs IV, S. 240. 590 REINALTER: Jakobiner in Vorarlberg, S. 47. 591 Staatsarchiv Graubünden, Archiv des Familienverbandes v. Salis, Familienarchiv v. Salis-Soglio, Nachlass Daniel v. Salis-Soglio [20/1] (1765-1832), A.XI.e.9.3.

Die ländliche Oberschicht 193

Zeitraum jedoch auch nutzen, um ihre wirtschaftliche Prosperität zu steigern und ihre ökonomische Situation zu stabilisieren oder gar zu verbessern. Obwohl die ländlichen Eliten in den Jahren um 1800 den Einfluss, den sie bis zum Ende des Ancien Régime besessen hatten, weitgehend einbüßten, waren sie bei den Unruhen dennoch nicht unbedingt die Rädelsführer, sondern mitunter um Beruhigung bemüht. Für sie standen als Motive für oder gegen den Aufstand weniger die Religion oder das Vaterland im Vordergrund, als ihre persönliche Situation und dementsprechend bevorzugten sie geordnete Verhältnisse auch wenn diese einschneidende Veränderungen für sie und ihre politische, soziale und wirtschaftliche Lage mit sich gebracht hatten. Es zeigt sich eine weitgehende Anpassungs- und Kooperationsbereitschaft vieler Angehöriger der Oberschicht, die sich im Interesse von Hof, Geschäft und Familie bedeckt hielten, sich nicht exponierten und versuchten aus den neuen Herrschaftsverhältnissen manchen Vorteil zu ziehen.592

2.3.4. Herrschaftspraxis in bayerischer Zeit 1806-1814

Das mit Ignaz Voniers Position als Landammann verbundene Richteramt endete 1806 mit der Einrichtung des königlich bayerischen Landgerichts Montafon und dem Amtsantritt des nunmehrigen Landrichters Maximilian von Gugger am 30. Dezember.593 Die Landrichterstelle in Schruns wurde von der bayerischen Organisationskommission als wenig attraktiv eingeschätzt. Ihrer Meinung zufolge würde sich kein älterer Beamter gerne an die Spitze des Montafoner Volkes, dessen Entlegenheit und verschlagener rachsüchtiger Charakter eine besonders kluge Behandlung erfordert, stellen.594 Der Wirkungskreis der Landammannschaft wurde auf die Verwaltung der ökonomischen Verhältnisse des Standes sowie die landständische Vertretung reduziert und schließlich 1808 im Zuge der Beseitigung

592 HEISS: Zentralraum Wirtshaus, S. 30. 593 WELTI: Bludenz als österreichischer Vogteisitz, S. 205, 208. 594 VLA, Bayerische Akten, Sch. 84, Organisationsentwurf 1806; zitiert nach: NACHBAUR: Auswirkungen der bayerischen Reformen, S. 399.

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jeglicher Sonderverfassungen im Königreich Bayern gänzlich aufgehoben.595 Zu diesem Anlass hatte der Kreiskommissär Kuttner die Abgeordneten der Stände am 16. Mai ins Feldkircher Rathaus bestellt, um ihnen dort die Auflösung der landständischen Korporation mitzuteilen.596 Zuvor waren im Jahr 1807 bereits die landständischen Kassen aufgehoben und eine Steuerreform angeordnet worden.597 Damit war den Landständen das wichtigste politische Gestaltungsinstrument bereits genommen, denn die alte Landesverteidigungsordnung war schon zuvor abgeschafft worden.598 Durch die bayerische Konstitution vom 1. Mai 1808 war zwar die landschaftliche Korporation, die Vereinigung der Landstände zu einer Selbstverwaltungskörperschaft, aufgehoben worden, jedoch nicht die einzelnen Stände. Diese verloren lediglich ihre Landstandschaft und die ihnen vom Landesherrn übertragenen Verwaltungsfunktionen, bestanden aber ansonsten als Vermögensgemeinschaften bis auf weiteres fort.599 Die Neuordnung des Gerichtswesens war eine der ersten Reformen des Königreichs Bayern in den 1806 neu hinzugekommenen Gebieten. Anhand einiger Landgerichte im heutigen Bezirk Landeck soll die Entwicklung der Jahre 1806 bis 1814 exemplarisch aufgezeigt werden: Dem landesfürstlichen Gericht Landeck wurde das Niedergericht Ischgl/Galtür eingegliedert. Ebenso kamen kurzzeitig das Gericht Laudegg sowie das Niedergericht Pfunds zu Landeck. Auch die Burgfrieden Kronburg und Wiesberg gingen 1809 im Landgericht Landeck auf. Als Landrichter übernahm die bayerische Regierung den bereits seit 1788 amtierenden Ignaz Nikolaus Stöckl. Nach den Wirren des Jahres 1809 wurde er am 21. April 1810 zwangspensioniert. Ihm folgte bis 1813 der bayerische Richter Dr. Jakob Wochinger. In den Jahren 1813 und 1814 wirkte kurzzeitig Maximilian Ott in Landeck und nach diesem wirkte von

595 SANDER: Die Ermordung des Kreishauptmannes, S. 279. 596 NACHBAUR: Auswirkungen der bayerischen Reformen, S. 401. 597 NACHBAUR: Von den Ständen zu den Gemeinden, S. 21. 598 NACHBAUR: Auswirkungen der bayerischen Reformen, S. 397f. 599 NACHBAUR: Auswirkungen der bayerischen Reformen, S. 401, 419.

Die ländliche Oberschicht 195

1814 bis 1817 Josef Rausch, der zuvor beim Landgericht Nauders tätig gewesen war. Die beiden kleinen Niedergerichte Ischgl und Galtür gehörten ursprünglich zur Gerichtsgemeinde Nauders, wurden aber 1806 aufgelöst und Landeck angegliedert. Ab 1817 wurden sie wieder neu konstituiert. Bis 1806 und ab 1817 wirkte als Richter Christian Zangerle, ein Angehöriger der regionalen Oberschicht.600

Abb. 35 Der Paznauner Richter Christian Zangerle mit seiner Frau

Die bayerische Gemeindeordnung vom 24. September 1808 brachte für die Dörfer weitreichende Veränderungen mit sich. Dorfgemeinden sollten fortan zwischen 50 und 200 Familien bzw. 250 bis 1.000 Menschen umfassen. Gemeindegrenzen sollten mit Steuerdistrikten übereinstimmen und jede Gemeinde einen eigenen Kataster führen. Die Verwaltung des Gemeindevermögens, der Einkünfte und Ausgaben sowie die Polizeiaufgaben sollten die Gemeinden selbständig besorgen.

600 www.landeck.tirol.gv.at%2Fsystem%2Fweb%2FGetDocument.ashx%3Ffileurl%3D%252F gemeindeamt%252Fdownload%252F220340352_1.pdf am 16.9.2017.

196 Ländliche Eliten im Wandel

Die Gemeinderäte und der Gemeindevorsteher wurden von der Gemeinde vorgeschlagen und vom zuständigen Landgericht bestätigt.601 Die einzelnen Punkte der Gemeindeordnung konnten die Bayern weitgehend erst nach dem Aufstand von 1809 durchsetzen.

„Die Gemeindebehörden waren nichts anderes als staatlich angestellte, aber auf Kosten der Gemeinden bezahlte niedrige Staatsorgane. Schon der ordentliche Wirkungskreis überhäufte die Vorsteher mit kaum zu bewältigenden Schreibarbeiten; im übertragenen wurden ihnen Aufgaben zugemutet, die bei der bescheidenen Vorbildung wirklich als unerfüllbar bezeichnet werden mußten.“602

Das Landgericht Feldkirch fühlte sich 1806/07 von den Gemeindevorstehern, die oft sehr vermögend seien, die Polizeiaufsicht vernachlässigten und sich mit Auskünften lange Zeit ließen, im Stich gelassen. Pfarrer und andere Geistliche seien ebenso wenig hilfreich.603 Im Polizei-Straf-Protokoll des Montafoner Landgerichts für das Jahr 1806/07 stand wiederum die Religion im Fokus. Der Großteil der verhängten Strafen steht mit Verstößen gegen abgewürdigte Feiertage, das Kerzenanzünden in der Kirche oder das sogenannte Wetterläuten in Zusammenhang. So läuteten etwa am Ostermontag 1807 zwei Schrunser Frauen zur Vesper, obwohl der Frühmesser sie darauf hinwies, dass dies zu unterlassen sei. Die beiden Weibspersonen hatten ihm daraufhin das Maul angehenkt, und gefragt, wer denn die Glocken bezahlt habe, der Frühmesser oder der König? Da sie weiter läuteten, seien die beiden Montafoner Vorgesetzten Sander und Tagwerker herbei gelaufen und haben diese 2 Weibspersonen von der Glocke weggerissen.604

601 BUNDSMANN: Die Entwicklung der politischen Verwaltung, S. 144f. 602 HIRN: Geschichte Tirols von 1809-1814, S. 160. 603 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 60. 604 MA, Polizei-Straf-Protokoll des Königl. Baiersch-Landgerichts Montafon für das Etatsjahr 1806/7, S. 1f.

Die ländliche Oberschicht 197

2.3.4.1. Die Ereignisse des Jahres 1809 aus der Perspektive der Montafoner Oberschicht605

Es ist grundlegend festzustellen, dass sowohl in Vorarlberg wie auch in Tirol die Insurrektion des Jahres 1809 kein Aufstand der gesamten Bevölkerung war, sondern in erster Linie die Aktivierung der herkömmlichen Milizstrukturen, der in Kompanien organisierten, ausgebildeten und bewaffneten Landwehr, durch die reaktivierten Selbstverwaltungsorgane.606 Andreas Hofer kann vor diesem Hintergrund als gut greifbarer Exponent jener Gruppe betrachtet werden, die den Aufstand anführte: Es handelte sich dabei um ein Kollektiv, das in erster Linie aus Wirten, Händlern, Geistlichen, Beamten, Bergknappen und Studenten bestand und aus der ländlichen Bevölkerung herausragte.607 Allerdings ist zu beachten, dass die Hauptinitiative zur Erhebung von Wien ausgegangen war und es ohne das Engagement von Erzherzog Johann sowie Staatskanzler Stadion nicht in dieser Form zum Aufstand gekommen wäre. Dementsprechend führten im Jänner 1809 Erzherzog Johann und dessen wichtigster Mitarbeiter Josef Hormayr in Wien Gespräche mit einer Schützen-Delegation aus Tirol, um einen bewaffneten Aufstand, der den regulären österreichischen Krieg gegen Frankreich begleiten sollte, vorzubereiten.608

Im Montafon wurden die Schützenkompanien im Jahr 1809 nicht mehr von den Angehörigen der alten Eliten, die noch in den ersten Koalitionskriegen als Offiziere fungiert hatten, angeführt, sondern besonders von jenen, die sehr für den Aufstand eingenommen waren. Die traditionellen Ämterstrukturen des Standes Montafon wurden zwar kurzfristig wieder eingeführt und sowohl Landammann Vonier als auch die Vorgesetzten Drexel und Rudigier nahmen als Abgeordnete an den im Frühjahr und Sommer stattfindenden Landtagen teil, doch hielt sich ihr Engagement für den Aufstand eher in Grenzen. Dementsprechend hatten die

605 Vgl. KASPER: Der Kampf um Macht und Geld?; VLA, Landgericht Montafon 38. 606 NIEDERSTÄTTER: Pulverdampf und Heldenschweiß, S. 7. 607 OBERHOFER: Andreas Hofers Briefe und Schreiben, S. 55. 608 MAZOHL: Die Wiener Politik und Tirol, S. 47f.

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Aufwiegler, die für die Revolte waren und vornehmlich mit den Kommandanten der lokalen Aufgebote – beispielsweise Peter Lorenz Keßler aus St. Gallenkirch, der auch in der oberständischen Schutzdeputation amtierte609 – ident waren, diese Amtsträger – neben den von den Bayern eingesetzten Beamten wie etwa dem Landrichter Maximilian von Gugger – besonders im Visier. Auch im Außerfern befanden sich die kommunalen Funktionsträger in einer prekären Situation, da sie sich mit der Drohung konfrontiert sahen, bei einer Nichtteilnahme am Aufstand als Feinde behandelt zu werden.610 „In dieser beklemmten Lage athmeten die Vorsteher sehr hart.“611 Auch südlich des Reschens verhielt es sich ähnlich. Der spätere Adjutant Andreas Hofers, Matthias Purtscher, berichtete etwa am 10. Juni 1809, dass auch im benachbarten Veltlin „die Stimmung vom gemeinen Volke gut“ sei, „bloß unter den Herren fehlt es, wie es bei uns der Fall ist“.612 Nach der Meinung der Revoltierenden hätten einige der Beschwichtigenden sogar als Gefangene nach Ungarn verschleppt werden sollen und in den Tagen der größten Erfolge der Aufständischen Ende Mai, als nahezu jegliche Verwaltung im Land zusammengebrochen war und man beinahe vom Vorherrschen anarchischer Zustände sprechen kann, brachten sich deshalb Landrichter von Gugger sowie die Vorgesetzten Rudigier und Versell ins nahe Liechtenstein in Sicherheit.613 Auch Landammann Vonier wurde seine Bereitschaft, mit den bayrischen Behörden zusammenzuarbeiten, von manchen Talbewohnern übel genommen und im Laufe des Jahres 1809 musste er zweimal vor seinen aufständischen Landsleuten in das benachbarte Prättigau fliehen. Die im November des Jahres in St. Gallen erschienene Zeitschrift „Der Erzähler“ berichtet außerdem, dass Vonier wenige Wochen zuvor gemeinsam mit anderen Montafoner „Geiseln“ verhaftet und

609 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 196. 610 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 340. 611 „Ereignisse im Außerfern“. Nach den Aufschreibungen von Dr. Franz Xaver Zobel, weil. Pfarrer und Dechant von Breitenwang (Reutte), hg. v. Heinrich von WÖRNDLE, in: „Aus vergilbten Blättern“. Zeitgenössische Beiträge zur Geschichte von anno Neun, Innsbruck 1909, S. 3-32, hier S. 8. Zitiert nach: SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 340. 612 SANDER: Matthias Purtscher aus Bludenz, S. 15. 613 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 170f.

Die ländliche Oberschicht 199

„nach mancher im Klosterthal von den vorarlbergischen Insurgenten erlittenen Mißhandlung“ nach Innsbruck gebracht worden war, wo er für zwei Wochen eingekerkert wurde:

„[…] Der Landammann Vonier wurde erst nach 14 Tagen vorgelassen und Hofers Gruß bestand in den Worten: ‚Ich wird‘ enk Morgen erschießen lassen, um ein Beyspiel zu statuieren.‘ Jedermann bestätete ihm diesen Entschluß des Commandanten. Tags darauf wurde er vorberufen. ‚Ich hob ghört, redete ihn Hofer an: es seyd’s a brover Mann; es könnts nach Haus, ich geb enk an Poß.‘ Auf des wackern Voniers Fürbitte […] wurden alle los; allein am Arlberge ward der Paß nicht respektiert; man schleppte sie nach Landek zurück; endlich entkamen sie bey der St. Martinsbrücke nach Bündten.“614

Wenn diese Schilderung auch vornehmlich der Charakterisierung Andreas Hofers und des Tiroler Aufstandes diente615, so weist sie dennoch auf die Situation mancher Angehöriger der ländlichen Oberschicht gerade in der Endphase des Aufstands hin, als „sich die Differenzen nicht auf einen verbalen Schlagabtausch [beschränkten], sondern […] Drohungen mit Tätlichkeiten bis hin zum Anschlagen eines Gewehrs auf Andersdenkende an der Tagesordnung [waren]“616. Neben Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss in der Region, spielten beim Vorgehen gegen innere Gegner wohl in zahlreichen Fällen auch handfeste wirtschaftliche oder persönliche Motive eine Rolle.617 Landammann Vonier und die Vorgesetzten Mathias Drexel, Ulrich Rudigier, Alois Tagwerker und Johann Joseph Versell hatten etwa 1806 zum Missfallen einiger anderer Talbewohner die Kasse des Standes Montafon, in der sich ungefähr 10.000 fl befanden, unter dem Vorwande [...] damit das Geld nicht der könig. baierischen Regierung in die Hände falle, unter sich aufgeteilt.618 Als der

614 Der Erzähler 44/1809, S. 186. 615 OBERHOFER: Der Andere Hofer, S. 324. 616 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 339f. 617 SCHENNACH: Revolte in der Region, S. 346. 618 VLA, Kreisamt I, Sch. 330, XXI/114, Gubernium an Kreisamt am 29.12.1834.

200 Ländliche Eliten im Wandel

Kreishauptmann Johann Ebner 1834 eine Klärung dieser Angelegenheit forderte, erwiderte der Montafoner Landrichter Widerin, dass

diese Männer [...] ehemals im größten Ansehen [standen] und als sogenannte Vorgesetzte [...] gleichsam eine unbeschränkte Gewalt in Vertrettung des Standes Montafon aus[übten], so daß es bei der großen Verzweigung ihrer Familien noch immer rathsam [sei], diese Geschichte aufs klügste zu behandeln.619

Die Angelegenheit wurde schließlich dadurch geregelt, dass Drexel und die Erben Voniers einen kleinen Teil des Geldes zurückzahlen mussten. Die Nachkommen der drei anderen Amtsträger wurden entlastet, da die entsprechenden Summen zwischen 1810 und 1815 entweder zurückgezahlt oder im Interesse des Standes ausgegeben worden waren.620

Obwohl das Montafon insgesamt als pro-aufständisch wahrgenommen wurde621 und etwa Hirn feststellte, dass die Klostertaler und Montafoner „tobend“ die Entscheidung über die Weiterführung des Aufstandes nach der Niederlage der österreichischen Armee bei Wagram und dem Waffenstillstand Österreichs mit Frankreich verhinderten622 oder „Hohenems, Götzis, , , Mäder, Weiler, Rankweil samt den Klostertalern und Montavonern [als] die wütendsten Orte [galten]“623, gab es auch dort zahlreiche Gegner der Erhebung, die sich zu einem großen Teil der ländlichen Führungsschicht zuordnen lassen. Als angesichts der militärischen Lage der Aufstand in Vorarlberg Anfang August vollends zusammenbrach, kehrten die zuvor teilweise geflüchteten regionalen Amtsträger nach Hause zurück und nahmen unter dem Schutz der Besatzungstruppen ihre bisherigen Geschäfte wieder auf.

619 VLA, Kreisamt I, Sch. 330, XXI/114, Landgericht an Kreisamt am 20.1.1835. 620 VLA, Kreisamt I, Sch. 330, XXI/114, Gubernium an Kreisamt am 12.8.1836. 621 GUNZ: Der Krieg der Vorarlberger im Jahre 1809, S. 350. 622 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 295. 623 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 310.

Die ländliche Oberschicht 201

Der letzte größere Vorstoß der Aufständischen auf Vorarlberger Boden fand am 31. Oktober unter der persönlichen Führung des Bludenzer Wirtes und nunmehrigen Kommandanten im Tiroler Oberinntal Bernhard Riedmillers624 in der Gegend von Schruns statt. Hirn berichtet über dieses Ereignis:

„Ungefähr 300 Mann stark waren [die Aufständischen] vermutlich über den Kristberg gestiegen und durchs Silbertal herabgerückt. Unter heftigem Gewehrfeuer überrumpelten sie den in Schruns stehenden französischen Posten und bemächtigten sich schon der ersten Häuser; jedoch ein geschlossener Bajonettangriff der regulären Truppen trieb sie nach ungefähr einer Stunde wiederum hinaus und den Weg zurück, den sie gekommen waren. Der Landrichter Max von Gugger zitterte wie Espenlaub, als der erste Schuß fiel; er wußte wohl warum; beteuert er doch selbst, zum letztenmale gelebt zu haben, falls ihn die Aufständischen in ihre Hände bekommen hätten; er flüchtete eiligst nach Tschagguns. Zwei Tage hernach, am 2. November, befürchtete man einen erneuten, noch heftigeren Vorstoß der Schützenscharen, die sich in Menge bei Bartholomäberg sehen ließen. Gugger verschanzte sich hinter den Rat des französischen Oberstleutnants Vigier, gab schleunigst zum zweitenmale Fersengeld und eilte talaus. Allein die Furcht erwies sich als unbegründet.“625

Nach diesem letzten Aufflackern des Aufstandes in Vorarlberg und dem endgültigen Zusammenbruch in Tirol wurde Gugger versetzt und Vonier im folgenden Jahr mit zwei weiteren Deputierten zum bayerischen König entsandt, um dort im Namen der Vorarlberger Stände vorzusprechen und um Nachsicht für die „Fehltritte“ des vergangenen Jahres zu bitten. Als die bayerische Regierung 1811 zu einem Kreistag nach Kempten lud, wurde Vonier wiederum als einer der beiden Repräsentanten des Montafons in dieses Gremium, das mit den alten Ständen jedoch nichts mehr zu tun hatte und in dem jedes Landgericht zwei Vertreter stellte, abgeordnet.626 Die Anführer der Aufständischen waren in den allermeisten Fällen glimpflich davongekommen, blieben jedoch unter besonderer

624 Vgl. KASPER: „Helden“ des Jahres 1809 in Vorarlberg, S. 13-16. 625 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 365f. 626 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 397.

202 Ländliche Eliten im Wandel

Beobachtung durch die Behörden. Der Landgerichtsassessor Längle aus Schruns meldete im Juni 1813, dass „Peter Lorenz Kessler […] sich seit der Abführung einiger Übelgesinnter etwas ruhiger [verhält]“, jedoch in Gaschurn gelegentlich verdächtige Unterredungen geführt würden.627 Außerdem wurden zahlreiche Aufständische als Geiseln nach Frankreich verbannt.628

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Sozialgruppe der lokalen Oberschicht in Bezug auf die Auslösung, Befürwortung und Beteiligung sowohl am Aufstand 1809 als auch an den Unruhen in den Jahren zuvor gespalten war und es innerhalb dieser Schicht ein breit gefächertes Meinungsspektrum von völliger Ablehnung bis hin zu fanatischer Befürwortung gab. Ein kleiner Teil der Angehörigen der Elite – vornehmlich diejenigen, welche in den Jahren vor 1809 schwere wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen gehabt hatten – lassen sich den „Drahtziehern“ und aktiv Kämpfenden zuordnen, während der Großteil der Oberschicht der Erhebung eher reserviert bis ablehnend gegenüberstand, vor allem in Ausnahmesituationen sowie in der Endphase des Kampfes vermittelnd und beruhigend zu wirken bestrebt war oder sogar als prononcierter Gegner der Revolte in Erscheinung trat.

Als sich die Verhältnisse in ganz Europa im Jahr 1813 änderten und die Zeichen wieder auf Krieg standen, dachte man in Wien wiederum über die Möglichkeit eines neuerlichen „Volksaufstandes“629 in Tirol nach. Doch da Bayern erneut die Seiten wechselte und nunmehr auf der Seite der Alliierten gegen Frankreich stand durfte im Norden Tirols nicht militärisch vorgegangen werden.630 Als vor diesem Hintergrund die neuerliche Revolte gegen Bayern scheiterte, lässt sich beobachten, dass die „tonangebenden Schichten der Bevölkerung gewaltsamen Schritten ebenso abgeneigt waren, wie die besitzenden Kreise […]; weitaus die Mehrzahl der Geistlichen bemühte sich, ihren ganzen Einfluß für die

627 BILGERI: Geschichte Vorarlbergs IV, S. 239. 628 Vgl. VLA, Landgericht Montafon 124; TSCHAIKNER: Die 1809/10 in Bouillon internierten Geiseln. 629 Vgl. KLIER: Der Alpenbund. 630 MAZOHL: Die Wiener Politik und Tirol, S. 57f.

Die ländliche Oberschicht 203

Erhaltung der Ruhe aufzuwenden“.631 In weiterer Folge blieb es auch zu Jahresbeginn 1814 relativ ruhig, doch wurden laut dem Feldkircher Landrichter Gugger die aktuellen Entwicklungen von der Bevölkerung im ländlichen Raum genau verfolgt: „hierzulande lesen die Bauern die Zeitungen fleißiger als die Legende.“632

2.3.5. Anarchische Zustände in der Übergangszeit 1814-1816

Im Laufe des Jahres 1814 verstärkte sich der passive Widerstand gegen die Obrigkeit zusehends. Während es an der Oberfläche scheinbar ruhig blieb, brodelte es unter der Decke bereits: So versiegten im Montafon die Abgaben nahezu vollständig. Die maßgebenden Persönlichkeiten des Tales sollen sich sogar im Haus des Schrunser Gemeindevorstehers Rudigier getroffen haben, um die Verhinderung der Abgabenleistung an den Staat zu besprechen. Pfarrer Reiser warnte den Landrichter mit folgenden Worten vor der Bevölkerung: „Sie werden sehen, das Volk sucht Rache und nirgends würden Sie bei einer Behörde Schutz finden, weil man in einem solchen Zeitmomente viel auf die Rechnung des Patriotismus schreibt und alle Exzesse passieren läßt.“633 In diesen Wochen wurden mehrfach „österreichische Adler“ im öffentlichen Raum aufgemalt oder aufgehängt.634 Zunehmend wurden im Montafon Stimmen laut, die sich dafür aussprachen sich den „rebellischen Tirolern“ anzuschließen. Pfarrer Reiser meinte gar: „Kein wahrer [bayerischer] Patriot ist in ganz Vorarlberg zu finden.“635 Die Zuversicht auf einen baldigen Herrscherwechsel steigerte sich und „der Übermut vieler Kreise schien in völlige Anarchie auszuwachsen“.636 Einige bayerisch

631 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 7f. 632 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 11. 633 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 12. 634 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 13f. 635 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 15. 636 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 17.

204 Ländliche Eliten im Wandel

gesinnte Geistliche, etwa Pfarrer Reiser, baten dringend um Versetzung, als die Übergabe Vorarlbergs auf den 26. Juni festgelegt wurde.637 Nach der Übergabe Vorarlbergs an Österreich 1814 versammelten sich kurz darauf Vertreter der ehemaligen Landstände in Feldkirch. Sie hatten demnach die Zeit ihrer Aufhebung überlebt und sahen es jetzt als ihre Aufgabe an, die Wünsche der Bevölkerung für die Zukunft zu artikulieren. Ihrer Meinung nach sollte die alte Verfassung wiederhergestellt werden, ebenso wie die alten Gerichtsverfassungen und das frühere Landesverteidigungswesen. Nach längerem Zögern fasste Kaiser Franz I. vor der Huldigungsfeier 1816 in Innsbruck, die weitgehend ihre frühere Bedeutung verloren hatte, eine Entschließung über die Wiederherstellung der Vorarlberger Landstände. Die Standesrepräsentanten der alten Stände wurden noch im selben Jahr gewählt, der Wirkungskreis der Landstände blieb jedoch ungeregelt und das Steuerbewilligungsrecht blieb den Ständen ausdrücklich untersagt. So erfolgte diese Wiederherstellung der landständischen Verfassung mehr oder weniger nur auf dem Papier. Als anlässlich der Revolution von 1848 erstmals wieder ein Vorarlberger Landtag zusammentreten sollte, waren alle Abgeordneten der ehemaligen Stände bis auf einen verstorben.638

2.3.6. Herrschaftspraxis während Restauration und Vormärz

Nach der Umbruchsphase der Jahre um 1800 war 1815 erstmals ein administrativ geschlossenes und rechtlich vereinheitlichtes Land entstanden, das die zahlreichen herrschaftlichen Partikularismen, welche die Region über Jahrhunderte geprägt hatten, ersetzte: „Tirol wurde vom frühneuzeitlichen Land zur zentral verwalteten vormärzlichen Provinz.“ Die Institutionen der Selbstverwaltung wurden zu staatlichen Hilfskörperschaften degradiert.639 Der

637 HIRN: Vorarlberg vor dem Heimfalle, S. 18. 638 Vgl. GSTEU: Ein Beitrag zur Geschichte der Vorarlberger Ständeverfassung; NIEDERSTÄTTER: Das 19. Jahrhundert; SCHNEIDER: Erinnerungen an den Ausklang des alten Ständewesens. 639 HUBER: Religiöse Ethnographien, S. 14.

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Interessensgegensatz zwischen regionaler Autonomie und gesamtstaatlichem Zentralismus wurde also nur dahingehend gelöst, dass provinzielle Sonderrechte auch nach der Wiedereingliederung nicht genehmigt wurden.640 Die Ausübung politischer Macht lässt sich für den Zeitraum bis zum Ende des Neo- Absolutismus am besten auf kommunaler Ebene veranschaulichen, denn die Landtage, die traditionellen politischen Vertretungen Tirols und Vorarlbergs, wurden zwar wieder etabliert, sie blieben aber in den Jahrzehnten nach 1815 praktisch ohne Bedeutung.

„Im Jahre 1819 wurde eine neue Gemeindeordnung erlassen: die Gemeinde wählte aus ihrer Mitte den Vorsteher, zwei Ausschüsse, den Kassier und Steuertreiber. Das Landgericht konnte aber gegen missliebige Personen ein echtes Veto einlegen. [...] Die Gemeinden und ihre Vorstehungen unterstanden den Landgerichten.“641

Zu den neuen politisch relevantesten Ämtern zählten somit über Jahrzehnte jene der Vorsteher in den größeren Gemeinden und Märkten. In Dornbirn lösten einander etwa zwischen 1818 und 1842 ein Wirt und Angehörige der Industriellenfamilie Rhomberg ab.642 Bei den Vorarlberger Gemeindewahlen 1850 verteilten sich die Berufssparten folgendermaßen auf die Gemeindefunktionäre im ländlichen Raum:

Beruf Vorsteher Räte Ausschüsse Bauer 41,0 % 74,2 % 73,4 % Wirt 21,0 % 9,6 % 6,3 % Lehrer 8,0 % 3,1 % 1,7 % Andere 30,0 % 13,1 % 18,6 % Zusammen 100 % 100 % 100 %

640 Vgl. KOLER: Die Wiedererrichtung der österreichischen Verwaltung in Tirol. 641 KLAGIAN: Die Geschichte der Vorarlberger Stände, S. 148. 642 WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 327.

206 Ländliche Eliten im Wandel

Im Jahr 1823 bemühten sich zahlreiche Montafoner Gemeindevorsteher um Befreiung von jeglichen öffentlichen Ämtern. Der Vorsteher von St. Anton im Montafon, Samuel Bertold, argumentierte damit, dass er seit acht Jahren das Amt des Gemeindevorstehers bekleide und gemeinsam mit seiner Mutter und zwei Schwestern neben einer Gastwirtschaft eine Bauernschaft zu bewirtschaften habe.643 In Gaschurn begründete der Gemeindevorsteher Johann Christian Wittwer sein Rücktrittsgesuch damit, dass er einer der größten Grundbesitzer in der Gemeinde sei und sein Hof besonders weit von der Pfarrkirche entfernt liege. Diese mache den Dienst, den er nunmehr vier Jahre hindurch ausgeübt hatte, besonders beschwerlich.644 Auch Landammann Ignaz Vonier ersuchte um Befreiung vom Dienst des Schrunser Gemeindevorstehers.645 Wenige Jahre später sollte der Gaschurner Gemeindevorsteher Johann Kaspar Kessler seines Amtes enthoben werden. Das Landgericht führte als Begründungen an, dass er sich zahlreicher Eigenmächtigkeiten zu Schulden kommen habe lassen, hochmütige und parteilich agiere, die Pflicht zum Erhalt der Straßen vernachlässige sowie insgesamt die Gemeinde schlecht verwalte. Als aber zahlreiche Gemeindebürger eine Petition mit Unterschriftenliste für die Beibehaltung Kesslers vorbrachten, beließ das Landgericht Kessler im Amt.646 Als er schließlich 1834 sein Amt an Johann Ulrich Tschanun übergab, brachte dieser eine Beschwerde über das fehlende Aktenverzeichnis seines Amtsvorgängers beim Landgericht ein.647

643 VLA, Landgericht Montafon 307/48. 644 VLA, Landgericht Montafon 307/51. 645 VLA, Landgericht Montafon 307/53. 646 VLA, Landgericht Montafon 323/32. 647 VLA, Landgericht Montafon 344/43.

Die ländliche Oberschicht 207

2.3.7. Bedeutung der Herrschaftspartizipation für die ländliche Oberschicht

Die Beteiligung an der Ausübung lokaler und regionaler Herrschaft kann mit dem Streben nach Macht und Einfluss nicht hinreichend erklärt werden. Es ist zweifellos richtig, dass sich die wirtschaftlich führenden Familien durch politische Funktionen ihren Einfluss geltend machen und im eigenen Interesse agieren konnten. Andererseits darf der Umstand, dass sich angesichts der geringen Zahl an Oberschichtfamilien in den Orten und Regionen Familienkontinuitäten nahezu zwangsläufig ergaben, nicht übersehen werden.648 Direkte materielle Entschädigungen dürften hingegen kaum Anreiz für die Übernahme von Ämtern gewesen sein. Die mit dem jeweiligen Amt einhergehenden Pflichten und die daraus resultierenden zeitlichen Belastungen führten vielmehr dazu, dass die anderweitigen beruflichen Tätigkeiten während der Zeit der Amtsausübung in den Hintergrund traten.649 Jedenfalls dürften die Möglichkeit, kommunale Angelegenheiten entsprechend der eigenen Vorstellungen zu lenken, das mit den Ämtern verbundenen Ansehen sowie erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten als ausreichende Motive für die Übernahme der Führungsämter angesehen werden.

2.4. Lebensweisen und Lebensstile der ländlichen Elite

Gab es auch in Bezug auf die Lebensweise der Angehörigen der Führungsschicht Unterschiede zu jener der übrigen Bevölkerung? In diesem Kapitel soll nach Unterschieden in der Zusammensetzung der Haushalte, in der materiellen Kultur,

648 MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 419. 649 SCHENNACH: „Weil unseren Untertanen nicht gepürt, darüber zu handlen und zu ratslagen …“, S. 204.

208 Ländliche Eliten im Wandel

nach dem Verhältnis der Gruppen untereinander und nach Veränderungen in diesem Bereich gefragt werden.650

2.4.1. Außenwahrnehmungen – Die ländliche Oberschicht in Berichten von Reisenden und Beamten

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Zusammenhang mit der Aufklärung und dem zunehmenden Aufschwung der Wissenschaft das „Volk“, sowie die bäuerlich-ländliche Gesellschaft zum besonderen Gegenstand des Interesses bürgerlicher Intellektueller.651 Neben die in diesem Zusammenhang entstandenen zahlreichen Reiseberichte mit wissenschaftlichem Anspruch und Inhalt652 trat zur selben Zeit noch eine zweite Literaturgattung: Landesbeschreibungen und statistische Arbeiten, die häufig von Beamten verfasst wurden, um durch eine bessere Kenntnis des Landes und der Untertanen die Verwaltung und die Wirtschaftspolitik zu verbessern. So wurden im Untersuchungsraum etwa 1793 Brentanos „Vorarlbergische Chronik“653 und drei Jahre später Rohrers Band „Uiber die Tiroler“654 verfasst. Auch die 1807 erschienene „Kurzgefaßte Geschichte, Statistik und Topographie von Tirol“ ist dieser Art von Literatur zuzuordnen.655 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden noch weitere, vor allem von Beamten und Forschern verfasste, Landesbeschreibungen über die peripheren Regionen Tirol und Vorarlberg veröffentlicht bis dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich der große Trend zur alpin-touristischen Literaturproduktion einsetzte.656 Die – ausschließlich männlichen657 – Autoren

650 Vgl. MAHLERWEIN: Die Herren im Dorf, S. 85. 651 HEIDEGGER: Soziale Dramen und Beziehungen im Dorf, S. 36. 652 Vgl. CATANI: Bemerkungen bei einer in Gesellschaft Herrn Pfarrer Pol durch die Montafunerberge in die Gebirge Fermunt, im Julius 1780 angestellten Bergreise, 1781. 653 Vgl. BRENTANO: Vorarlbergische Chronik, 1793. 654 Vgl. ROHRER: Uiber die Tiroler, 1796. 655 Vgl. WOLF: Kurzgefaßte Geschichte, Statistik und Topographie von Tirol, 1807. 656 Vgl. SCHMIDL: Das malerische und romantische Tirol mit Vorarlberg, 1837; WEBER: Das Land Tirol, 1837/38; WEIZENEGGER: Vorarlberg, 1839; STAFFLER: Tirol und Vorarlberg, 1839, 1841; STEUB: Drei Sommer in Tirol, 1846; WHITE: On Foot Through Tyrol, 1856. 657 Nach dem derzeitigen Forschungsstand können Publikationen von Frauen – auch unter

Die ländliche Oberschicht 209 unterschieden sich in Bezug auf ihre soziale Herkunft und ihr Bildungsniveau nur wenig voneinander, da der Großteil von ihnen dem städtischen Bildungsbürgertum zuzuordnen ist.658 Aus den urbanen Zentren berichteten sie akribisch über die Provinz, das Fremde in ihrer Nähe. Ihre Beschreibungen enthielten Betrachtungen über Gestalt und Charaktereigenschaften der Menschen, aber zumeist noch detailliertere und grundlegendere Berichte über die „natürlichen Gegebenheiten“ jeder Region: über Topographie, Boden, Klima, Vegetation und landwirtschaftliche Erträge. Das Zielpublikum dieser Berichte waren die Leserinnen und Leser in den Zentren, denen die lokalen oder regionalen Verhältnisse in der ländlichen Welt nur wenig vertraut waren.659 In diesen Reisebeschreibungen finden sich auch zahlreiche Außenwahrnehmungen der ländlichen Eliten Vorarlbergs und Westtirols durch meist liberale, städtische Autoren höherer Bildung. Für die Reiseschriftsteller protestantischer Herkunft haftete dem größtenteils katholisch geprägten Alpenraum der Geruch der Rückständigkeit und Borniertheit an. So verfasste etwa der Erstbesteiger des Piz Buins, Johann Jakob Weilenmann aus St. Gallen, im Jahr 1866 eine wenig schmeichelhafte Beschreibung eines aus der Perspektive des aufgeklärten Weltreisenden glaubensübereifrigen Wirts und Gemeindevorstehers aus Galtür im oberen Paznaun:

„Man muss nämlich wissen, und Jedem, der nicht blos momentan in Galthür weilt, sondern vielleicht auf Tage dahin gebannt wird, thut es zu wissen gut, damit er sich danach richte, dass der Wirth, der zugleich Gemeindevorsteher und als solcher omnipotent, ein Religionsfanatiker der gefährlichsten Sorte ist. Seiest du noch so wenig zu Controversen aufgelegt, er reisst jede Gelegenheit vom Zaune, eine solche anzuregen, dir sie aufzudrängen, und arbeitet sich dabei in eine blinde Wuth hinein. In seinen Augen sind die

männlichen Pseudonymen – ausgeschlossen werden. Der rein männliche Blickwinkel beeinflusst entsprechend die Themenauswahl und die daraus folgende Tradition. 658 STRASSER: Montafoner ReiseBilder, S. 10. 659 BECK: Unterfinning, S. 28.

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Protestanten das niederträchtigste Gesindel, das auf Gottes Erdboden herumläuft, und jeder Unthat fähig. Hinterrücks und offen äussert er sich dir gegenüber in diesem Sinne. Und hältst du an dich, kann sein Gebahren dir höchstens ein Lächeln abzwingen, so ist’s gerade diese Ruhe, die seinen Zelotismus zum Aeussersten bringt. Vergebens suchte ich ihm begreiflich zu machen, dass das Exemplar von Protestant, das er eben vor sich habe, ein sehr missrathenes sei, höchstens ein Taufscheinprotestant – er ist nicht zu beschwichtigen. In seiner Amtshöhe dicht an mich herantretend, die Fäuste geballt, das Gesicht wuthverzerrt kreischt er mich an: ‚A Protestant glaubt weniger als a Hund!‘ und nur dem Dazwischentreten seiner Frau und ihrem Bitten ‚Thua doch net gar so wüast!‘ habe ich’s wahrscheinlich zu danken, dass er nicht handgreiflich wurde. Freilich dauerte es nicht lange und er war wieder der seines Interesses sich erinnernde kriechende Wirt. Einige Fortschritte in der Kultur hat dieser Ex-Jugendbildner, seit ich ihn kenne, immerhin gemacht; das beweist ein Item für ‚Schuhschmirbe‘, das heuer zum ersten Mal auf meiner Rechnung figuriert.“660

Abb. 36 Galtür um 1900

660 WEILENMANN: Der Piz Buin, S. 58f.

Die ländliche Oberschicht 211

Gastwirte stellen einen klassischen „Typus“ dar, die von den reisenden Literaten einer Charakterisierung unterzogen wurden. Im Gegensatz zu anderen Angehörigen der ländlichen Bevölkerung war es recht leicht mit diesen in Kontakt zu treten. Im Gegensatz zum Galtürer Wirt, der aufgrund seines cholerischen Charakters von Weilenmann mit schlechter Nachrede bedacht wurde, blieb Ludwig Steub im Jahr 1846 sein Gesprächspartner in einem Gasthaus in St. Gallenkirch im Innermontafon in recht guter Erinnerung:

„Ins Montavon gerathen wenige Reisende, nur hie und da ein Landmann, der von Landeck nach Bludenz oder umgekehrt den Weg durch Paznaun und über den Zeinis gewählt hat, eine Linie, die wunderlicherweise ziemlich allgemein für kürzer gilt als jene über den Arlberg, obgleich diese Behauptung ein Blick auf die Landkarte siegreich niederschlägt. So fand sich auch im Wirtshause zu St. Gallenkirch kein andrer Gast außer mir, und selbst die Sonntagstrinker, die den Nachmittag da gewesen seyn mußten, waren alle schon wieder zu Hause. Am Tische saß die Mutter mit dem schwarzen Modius auf dem Haupte und las im Evangelium, die Tochter spann; - Sohn und Knecht lagen im Halbdunkel auf der Ofenbank. Der Vater war noch nicht daheim, kam aber bald darauf von einer Hochzeit zurück, fröhlichen Muthes und eines leichten Räuschchens habhaft. Er hatte sein Vergnügen an dem fremden Gaste und kam gleich mit aufgeweckten Reden zu mir heran, zur großen Beklommenheit seines Hauswesens, das diese Zutraulichkeit als respectwidrig erachtete und den aufgeräumten Hausherrn jetzt wie später durch ein allseitiges Pst, Pst in die rechte Bahn zu lenken bestrebt war. Mein Wirth aber zeigte sich als eine tüchtige Persönlichkeit, die nicht aus der Fassung zu bringen war, um so weniger, da ich schnurstracks zu erkennen gab, daß ich nicht so verletzbar sey, als die andern meinten. Uebrigens war er ein hochgewachsener Mann in seinen besten Jahren und hatte ein kluges Gesicht mit einer römischen Nase. Auch sprach er gut und richtig über alles was er behandelte, und dieß war gerade nicht wenig, denn wir hatten bis gegen Mitternacht Zeit genug eine Menge wichtiger Fragen zu erörtern. Wir bewegten uns zunächst in unsrer Zeit und besprachen unbefangen und mit Liebe den Zollverein, die türkischen Zustände, die spanischen Wirren, die

212 Ländliche Eliten im Wandel

drohende Macht der Moskowiter und die Zukunft Deutschlands. In letzterer Beziehung war auch unsre Meinung, es sey das Beste zusammenzuhalten gegen Franzosen und Russen, und ich glaube sogar, wir haben zuletzt der deutschen Einigkeit eine Gesundheit getrunken. Wie dem auch sey, wir schliefen gut und erwachten des andern Tages in angenehmer Laune, nur der Wirth mit einem leichten Kopfweh, worüber er lächelnd bemerkte: das kommt von dem zu vielen Politisiren.“661

Abb. 37 Der Ortskern von St. Gallenkirch um 1840

Über eine Hochzeitsfeier im Außerfern und die dabei herrschende Zustände berichtet Steub im Jahr 1842:

„Das Tannheimer Tal gilt in der Gegend als eine landschaftliche Liebenswürdigkeit, zu deren Besuch der Einheimische den fremden Reisenden unablässig aufzufordern pflegt. Zumal wird dann auch der

661 STEUB: Drei Sommer in Tirol, S. 116f.

Die ländliche Oberschicht 213

Bergweg über die Aschauer Alpen mit in Vorschlag gebracht, wo der rüstige Wanderer bei gutem Wetter herrliche Augenfreuden und nebenbei auch manche kleine Unterhaltung in den Sennhütten erleben kann. Bequemer ist es allerdings durch den wilden, ehedem befestigten Paß der Gacht hinaufzusteigen, durch denselben, den ich einmal mit etlichen Herren von Reutte hinaufstieg, um ins Nesselwängle zu einer Hochzeit zu gehen. Diese wurde übrigens gefeiert zwischen einem braven Handelsmann, der lange in einem angesehenen Haus des Bregenzerwaldes gearbeitet hatte, und einer vermögenden Tochter des Dorfes, die viel Anstand und Bildung zeigte. An Gästen fehlte es nicht – waren doch solche aus dem Bregenzerwald herbeigekommen und Geistlichkeit wie Beamtenschaft des Bezirkes reichlich vertreten. Der Luxus des Tafelzeug, die leckeren Speisen und die feurigen Weine erlaubten nicht daran zu denken, daß man in einem Tal bei armen Hirten weile, während der fröhliche Tanz nach dem Mahl kaum vermuten ließ, daß man schon in Tirol sei, wo, wie bekannt, jetzt sogar bei den Hochzeiten jede solche Kurzweil abgestellt ist.“662

Auf der anderen Seite unternahmen auch Menschen aus dem ländlichen Raum mitunter Reisen, die keinen wirtschaftlichen Hintergrund hatten, sondern aus einem bildungsbürgerlichen Anspruch resultierten. Als solche können etwa die Reisen des jungen Montafoners Johann Christian Mark angesehen werden.663 Sein Vater, Johann Nepomuk Mark, betrieb zusammen mit dessen Schwager Peter Valentin Gantner und dem späteren Landammann Ignaz Vonier spätestens seit 1793 eine Handels- und Gewerbegesellschaft mit dem Schwerpunkt auf der Herstellung von Baumwollwaren.664 Auch mit seinem Schwager Adam Fritz von Bartholomäberg tätigte sein Vater verschiedenste Geschäfte.665 Nach der Ermordung des Vorarlberger Kreishauptmannes Indermauer im Kloster St. Peter bei Bludenz im Jahr 1796 wurde Johann Nepomuk verhaftet, jedoch nach Stellung

662 STEUB: Drei Sommer in Tirol, S. 29f. 663 TSCHAIKNER: Ein junger Montafoner. 664 VLA, Stadtarchiv Bludenz 385/15; WEITENSFELDER: Industrie-Provinz, S. 35. 665 VLA, Stadtarchiv Bludenz 383/105+108, 384/138 u. 386/137.

214 Ländliche Eliten im Wandel

einer Bürgschaft entlassen und schließlich im Juli 1798 freigesprochen.666 Die Geschwister von Johann Christian verstarben zumeist früh und nach diesen familiären Schicksalsschlägen scheiterte die Familie auch in wirtschaftlicher Hinsicht: Johann Nepomuk hatte sich in mehrerlei Hinsicht verschuldet und ging im Jahr 1809 nach dem Neubau eines Hauses in Konkurs, da ihm seine Gläubiger Johann Georg Bargehr aus St. Gallenkirch und Johann Alois Tagwerker aus Schruns 150 beziehungsweise mehr als 700 Gulden samt Zinsen fällig stellten. Mark verließ daraufhin mit seiner Familie das Land und tauchte unter. Erst Jahrzehnte später war zu erfahren, dass er am 30. August 1812 im Alter von 42 Jahren in Rom verstorben war. Nach der Flucht des Ehemanns zog seine Gattin Maria Brigitta Fritz mit dem kleinen Johann Christian zu ihrer verwitweten Mutter und ihrem damals noch ledigen Bruder Johann Adam Fritz zurück nach Bartholomäberg 667 Dort wuchs Johann Christian Mark auf und verdingte sich als junger Mann in Frankreich als Maurer, obwohl die Familie bekanntlich nicht arm war und sein Onkel und Pflegevater in sehr guten Vermögensverhältniße[n] stand. Im Jahr 1826 unternahm Mark eine große Reise durch Deutschland und verfasste darüber auch einen schriftlichen Bericht. Neben der Reiseroute finden sich in diesem immer wieder Ausführungen über bestimmte Sehenswürdigkeiten, über die historische oder politische Bedeutung von Orten sowie gewisse naturräumliche Verhältnisse. So legte er auf die Beschaffenheit von Kirchenbauten, von Glocken und Uhren, der Anzahl der Altäre in bestimmten Gotteshäusern sowie jener der ausgestellten Reliquien besonderen Wert:

„Im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Überlingen erwähnte Mark eine im örtlichen Spital übliche Mittagsverköstigung aller Reisenden. In Freiburg im Breisgau besuchte er eine Theateraufführung. Dabei erfährt man nur den Eintrittspreis, nicht jedoch den Titel des Stücks. In Heidelberg besichtigte Mark die beiden berühmten Fässer. Lübeck galt ihm als der entfernteste Punkt seiner Reise. Von dort ging es wieder zurück. Die Stadt lag aus seiner Sicht – anders als auf genordeten Karten – „unten“, ins Montafon

666 SANDER: Die Ermordung des vorarlbergischen Kreishauptmanns, S. 233 667 TSCHAIKNER: Ein junger Montafoner, S. 60f.

Die ländliche Oberschicht 215

musste man sich „herauf“ begeben. In Berlin gefiel dem jungen Montafoner nicht nur das Brandenburger Tor; er vermerkte auch, dass es dort 7.300 Häuser gebe. Eine solche Angabe führte er sonst nur noch im Nachtrag zum Reisebericht an, wo es heißt, in Dornbirn stünden 1.500 Häuser. Bei Leipzig erwähnte Mark ohne Jahreszahl die große Schlacht der Alliierten gegen Napoleon von 1813. In Würzburg scheint er die Wallfahrtskirche auf dem Nikolausberg im Westen der Stadt (Steinbachtal) besucht zu haben. Davor schon beeindruckte ihn das Schloss Werneck und der Reichtum der Grafen von Schönborn. Des Weiteren hob Johann Christian die kunstreiche Rathausuhr mit den beweglichen Figuren in Heilbronn hervor. Auffallenderweise wanderte er von dort zum bekannten württembergischen Staatsgefängnis, der Festung Hohenasperg bei Ludwigsburg, die er wohl nur versehentlich „Arschberg“ nannte. In Augsburg erschien Mark außer Kirchen auch das Zeughaus mit 200 Kanonen davor und in Regensburg die 1.090 Fuß lange Donaubrücke aus behauenem Stein bemerkenswert. Sowohl in Bonn als auch in Landshut führte er die großen Universitäten an. Im Zuge seiner Abschiebung aus München war Johann Christian bewusst, dass er am bekannten Zuchthaus von Buchloe vorbeikam. […] Als Nächstes berichtete Mark dem Leser Näheres über die drei größten Glocken, die er gesehen hatte. Dabei handelte es sich um die Glocke in der Landshuter Martinskirche („Probstglocke“), um jene im Straßburger Münster („Heiliggeist-“ oder „Totenglocke“) und um die „Gloriosa“ im Mittelturm des Erfurter Doms, die als „die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt“ gilt. Dann zählte Mark noch auf, an welchen Flüssen die von ihm besuchten Städte lagen. Ganz zum Schluss erwähnte er, dass er während seiner Reise fast immer gewandert sei. Nur auf dem Rhein und auf der Elbe sei er einige Stunden lang auf Booten unterwegs gewesen; […] “

Neben den Reiseberichten hinterließ Johann Christian Mark zudem noch eine Abschrift des Bartholomäberger Lawinenbriefes von 1689, der ansonsten der Nachwelt wohl nicht überliefert worden wäre.668

668 TSCHAIKNER: Ein junger Montafoner.

216 Ländliche Eliten im Wandel

2.4.2. Familie und Heiratsverhalten – Verwandtschaftsnetzwerke

Das alpine Österreich ging im 18./19. Jahrhundert einen demographischen Sonderweg, der durch späte Heirat, hohe Ehelosenraten und ein gebremstes Bevölkerungswachstum geprägt war. Es gab jedoch bedeutende regionale Unterschiede, denn einerseits waren die peripheren Regionen von extrem hohem Heiratsalter und hohen Ehelosenanteilen zwischen 30 und 60 Prozent geprägt, während diese Werte in den protoindustriell geprägten Regionen im Bereich zwischen fünf und 30 Prozent lagen.669 Die ländlichen Familienstrukturen in Westtirol und Vorarlberg können dem Typ der familistischen Gesellschaften zugeordnet werden, denn von den kleinbäuerlichen Wirtschaften konnte kaum Gesinde beschäftigt werden und auch nichtverwandte Inwohner tauchen in den Quellen kaum auf. Die Gesellschaft war demnach primär durch das Zusammenleben von Verwandten geprägt und anstelle der innerlokalen Zirkulation, die für Anerbengebiete typisch war, kam es vornehmlich zu einer Zirkulation zwischen Dorf und Außenwelt, die sich in der saisonalen Wanderarbeit von vor allem Jugendlichen und erwachsenen Männern manifestierte.670 Es entwickelten sich daher atypische Familienstrukturen wie etwa die reinen Geschwisterhaushalte, die quantitativ circa zehn bis 30 Prozent der Haushalte ausmachten. Strukturell hängt dieser Haushaltstypus mit der Praxis der Realteilung und einer ökonomischen Grenzertragssituation, in der die landwirtschaftlichen Betriebe bereits so zerstückelt waren, dass sie nicht mehr geteilt werden konnten, zusammen. Dazu kam, dass zu wenig außeragrarische Ressourcen zur Verfügung standen, um eine eigene Familie zu gründen. Am Beispiel von drei unterschiedlich strukturierten Gemeinden wird dieser Zusammenhang ersichtlich: In der Gemeinde Lustenau, in der Agrarreformen bereits recht früh erfolgt waren und sich ein protoindustrielles Gewerbe etabliert

669 ORTMAYR: Späte Heirat, S. 120. 670 ORTMAYR: Späte Heirat, S. 122.

Die ländliche Oberschicht 217 hatte, war der Anteil an Geschwisterhaushalten mit 3,57 Prozent am niedrigsten, in der Bregenzerwälder Gemeinde Egg, die durch protoindustrielle Heimarbeit und eine weniger ertragreiche Berglandwirtschaft geprägt war, lag der Anteil bereits etwas höher bei 12,59 Prozent und in der 1.200 Meter hoch gelegenen Gemeinde Fließ im Oberinntal, in der es neben der extensiven Viehzucht kaum außeragrarische Ressourcen gab, war der Anteil mit 24 Prozent am höchsten.671

Bezüglich des Heiratsverhaltens gab es in der ruralen Gesellschaft schichtspezifische Unterschiede. Die ländlichen Eliten setzten zumeist die Heiraten ihrer Kinder zur Sicherung und Ausweitung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflusses ein. Im Gegensatz zu den meisten Angehörigen der Oberschicht heiratete der Großteil der Mitglieder der ländlichen Gesellschaft um 1800 erst relativ spät. Tirol und Vorarlberg zählten überhaupt zu den Regionen mit einem hohem Heiratsalter und hohen Ledigenquoten,672 da eine Heirat zumeist erst eingegangen werden konnte, wenn die ökonomischen Voraussetzungen dafür gegeben waren.673 In einem Bericht des Pflegsverwalters Josef Stöckl über das Gericht Landeck aus dem Jahr 1788 schlug der Beamte etwa vor, dass es überlegenswert wäre von Brautleuten vor der Heirat einen Nachweis zur Ernährung für sich und ihre zukünftigen Kinder zu verlangen. Es wäre wichtig, „daß Kinder nicht nur erzeugt, sondern auch erzogen und ernährt, nicht aber schon von Jugend auf zu Bettlern, oder Schurken geziegelt werden“.674 Dem entspricht auch ein Schreiben an das Montafoner Landgericht aus dem Jahr 1806, in dem der Gaschurner Geschworene Johann Peter Flöry auf einen obrigkeitlichen Befehl, der besagt, dass man erst ab dem 36. Lebensjahr heiraten dürfe, Bezug nimmt. Er sucht aber nunmehr darum an, dass die Heirat von Johan Vallatin Tschofen und Anna Maria Nany aus tringent Umstendten genehmigt werde.675

671 ORTMAYR: Späte Heirat, S. 126. 672 ORTMAYR: Sozialhistorische Skizzen zur Geschichte des ländlichen Gesindes, S. 302. 673 DÜLMEN: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, S. 134. 674 SPORER-HEIS: Landeck, S. 82. 675 VLA, Talschaft Montafon 13, Brief v. 8.10.1806.

218 Ländliche Eliten im Wandel

Ignaz Voniers junges Heiratsalter von 22 Jahren weist ihn demnach eindeutig als Angehörigen der Oberschicht aus, denn der Großteil der Bevölkerung im Süden Vorarlbergs am Ende des 18. Jahrhunderts konnte sich eine Hochzeit und die Gründung eines eigenen Haushaltes durchschnittlich erst im Alter von etwa 28 Jahren leisten.676 Für das im benachbarten Unterengadin gelegene Dorf Tarasp wurde ein mittleres Alter zum Zeitpunkt der ersten Vermählung von 28 Jahren bei Frauen und 32 Jahren bei Männern festgestellt. Der Erhebungszeitraum erstreckt sich von 1680-1779.677 Das durchschnittliche Heiratsalter betrug beispielsweise in Ötz zwischen 1801 und 1825 bei Männern 33,1 und bei Frauen 30,3 Jahre, im folgenden Vierteljahrhundert 1826 bis 1850 stieg es auf 34,8 beziehungsweise 31,2 Jahre und in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen 1851 und 1875 lag es bei 37,1 sowie bei 33 Jahren.678 Es gibt auch mehrere Hinweise darauf, dass Männer der dörflichen Oberschicht bei der Erstehe in der Regel um zwei bis drei Jahre jüngere Bräute nahmen als Angehörige der übrigen Dorfgesellschaft. In manchen Ortschaften zeigen sich sogar lineare Beziehungen zwischen der Größe des Vermögens und dem durchschnittlichen Alter der Bräute: Je wohlhabender der Bräutigam, desto jünger die Braut. Die Ursachen für dieses Phänomen können einerseits ökonomisch begründet werden, da Frauen aus den unteren Schichten sich ihre Mitgift erst ersparen mussten, während diese Frauen aus der Oberschicht aus dem elterlichen Besitz zukam, oder andererseits familiensoziologisch erklärt werden, da sich eine jüngere Braut möglicherweise besser in die Autoritätsstruktur eines großen vermögenden Haushalts eingefügt haben mag.679 Eine Folge dieses niedrigeren Heiratsalters könnte auch eine höhere Fertilität sein.680 Als Beispiel dafür kann etwa das Schicksal von Theres Tamerl aus Zams herangezogen werde. Sie kam am 4. Oktober 1806 als jüngste Tochter des

676 SCHEFFKNECHT: Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung, S. 294. 677 MATHIEU: Bauern und Bären, S. 155. 678 ORTMAYR: Späte Heirat, S. 132. 679 PFISTER: Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, S. 84. 680 PFISTER: Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, S. 90f.

Die ländliche Oberschicht 219 dortigen Säcklermeisters und Sternwirtes Jakob Tamerl und dessen Ehefrau Maria Theresia Hofer zur Welt. Von insgesamt elf Geschwistern waren sieben im Kindesalter verstorben. Sie selbst heiratete dann am 14. Juli 1828 mit 21 Jahren den Landecker Goldadlerwirt Johann Georg Urich und in den folgenden fünfzehn Jahren gebar sie zwölf Kinder, von denen drei als Säuglinge verstarben. Sie selbst büßte „in Folge der Entbindung“ am 29. Mai 1843 bei der Geburt ihrer Tochter Maria ihr Leben ein. Trotz ihres Vermögens und ihrer beträchtlichen Mitgift – dem Gasthof Stern in Zams – stand ihr relativ kurzes Eheleben nahezu ausschließlich im Zeichen der Geburten.681

Die Heirat mit einem vermögenden Partner oder einer wohlhabenden Partnerin bildete in mehreren Fällen einen wichtigen Ansatz für die Erhaltung von wirtschaftlicher Prosperität und sozialer Macht.682 Neben Besitzerhalt oder Vermögensgewinn standen häufig bei ökonomisch vorteilhaften Heiratsverbindungen nicht nur die soziale Position des jeweiligen Paares, sondern vielmehr familiale und verwandtschaftliche Interessen im Vordergrund. Insbesondere in jenen sozialen Milieus und regionalen Kontexten, in denen der Erhalt des Familiengutes eine bedeutende Denk- und Wertkategorie darstellte.683 Um die Nachteile der Realteilung auszugleichen, war es sogar unumgänglich Eheverbindungen mit ebenfalls der Oberschicht angehörigen Familien herzustellen. Mit deren zu erwartendem Erbteil konnte der Teilungsverlust aufgewogen oder zumindest verringert werden.684 Für viele Angehörige der wirtschaftlichen Oberschicht bildeten das elterliche Erbe beziehungsweise das durch eine Heirat mit einer wohlhabenden Partnerin erworbene Kapital den Grundstock für ihre weitere Prosperität. So konnte etwa der Wundarzt Oswald Tschohl durch die 1768 erfolgte Heirat mit Maria Christine Greberin sein persönliches Vermögen von 8.444 Gulden um 18.898 Gulden, welche die Braut in

681 ZOBL: Frauenschicksale in früheren Zeiten, S. 1f. 682 TSCHAIKNER: Lukas Tschofen von Gaschurn, S. 17. 683 LANZINGER: Verwaltete Verwandtschaft, S. 272. 684 MAHLERWEIN: Ländliche Elite in Rheinhessen, S. 27.

220 Ländliche Eliten im Wandel

die Ehe mitbrachte, erweitern. Neben seinem Einkommen als Wundarzt ermöglichte ihm vor allem das Kreditgeschäft eine Verdoppelung dieses Basisvermögens auf 47.663 Gulden im Sterbejahr seiner Gattin 1810.685 Auch der aus St. Gallenkirch stammende Händler und Wirt Ignaz Sander erweiterte sein ohnehin schon bedeutendes geerbtes Vermögen durch die Heirat mit der wohlhabenden Krämertochter Maria Magdalena Marentin aus Schruns erheblich.686 Seine Schwester Anna Susanna Sanderin trug mit ihrem Erbe einen maßgeblichen Teil dazu bei, dass ihr Bräutigam Johann Georg Bargehr im Jahr 1800 der reichste Bewohner St. Gallenkirchs war. Viele der reichsten Montafonerinnen und Montafoner entstammten aber ohnehin wohlhabenden Familien wie etwa den Fritz oder den Marent, die schon seit dem 17. oder frühen 18. Jahrhundert der Oberschicht des Tales angehört hatten. Es fällt dabei auf, dass in vielen Fällen in der Zeit vor 1806 Eheverträge zwischen den Brautleuten abgeschlossen wurden. Bei diesen Kontrakten ging es um die Aufteilung von gemeinsam als Arbeitspaar „erhaustem“ und vor der Ehe vorhandenem Vermögen nach dem Tod eines der Ehepartner. Bei vereinbarter Gütertrennung fiel das Vermögen des verstorbenen Ehepartners meist, je nach Vereinbarung, an die eigene lebende Verwandtschaft oder an die Kinder, jedoch selten oder nur zu einem kleinen Teil an die Witwe oder den Witwer. Umgekehrt sah die Gütergemeinschaft meist auch die Fortführung eines gemeinsamen Geschäfts durch den überlebenden Partner vor. Es gab darüber hinaus auch Mischformen, bei denen manche Vermögensteile in der Ehe getrennt blieben, während andere gemeinschaftlich behandelt wurden. Insgesamt gesehen war in dieser Zeit vor der Einführung des ABGB, als die Eheverträge sehr häufig ausgehandelt wurden, die Stellung der Frau nicht von vornherein schlechter als die des Mannes, so wie es später der Fall war. Die Position in der Ehe war viel stärker von der wirtschaftlichen Situation der Braut und weniger vom Geschlecht abhängig.687

685 VLA, Talschaft Montafon, 11/1. 686 SANDER: 600 Jahre Sander, S. 84-89. 687 Vgl. LANZINGER, BARTH-SCALMANI, FORSTER, LANGER-OSTRAWSKY: Aushandeln von Ehe.

Die ländliche Oberschicht 221

Die enge Verschränkung von materiellen Interessen mit der „weitaus wirkungskräftigst[en] Sozialbeziehung des alten Europa“, der Verwandtschaft, wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass das Patenschaftswesen oft direkt mit hohen Kreditschulden und einer daraus resultierenden Klientel in Zusammenhang stand.688 Die künstliche Verwandtschaft schuf nämlich nicht nur zwischen Patenkind und Pate ein klientelähnliches Verhältnis, sondern auch zwischen dem Paten und den Eltern und Geschwistern des Patenkindes. Aus der Annahme zahlreicher Paten- und Vormundschaften resultierte in der Folge nicht nur eine bedeutende Klientel, sondern auch ein höheres Ansehen, denn die Vaterrolle, die in der vorindustriellen Gesellschaft eine hohe Wertschätzung genoss, wurde quasi über die eigene Familie hinaus ausgedehnt und somit das soziale Kapital der Ehre vervielfacht.689 Der hohe symbolische Wert, den die Patenschaften in der bäuerlichen Volkskultur einnahmen, zeigt sich etwa auch daran, dass beim Einmarsch der Aufständischen in Innsbruck am 12. April 1809 der Gastwirt Alois Benedikt Niederkircher von diesen hart verfolgt wurde, weil der König von Bayern die Patenschaft seiner Kinder übernommen hatte. Bei der Plünderung seines Hauses habe ihn einer der Bauern angeschrien: „Du bayer’scher Sausch… […] hast in Tirol keinen ehrlichen Menschen gefunden, der dir deine Kinder aus der Taufe gehoben hätte, hast um einen Gevatter ins Bayern hinaus schicken müssen?“ Der Umstand der Patenschaft hatte einen Bürger wie Niederkircher mehr stigmatisiert als manche andere Formen, ungleich massiverer Zusammenarbeit mit Bayern.690 Auch in Bezug auf das Heiratsverhalten kam es zu Aufbrüchen aus traditionellen Verhaltensweisen, denn vermehrt kam es ab 1815 zu Ehen zwischen Angehörigen der ländlichen Eliten und im ruralen Raum tätigen Beamten beziehungsweise deren Familienangehörigen. In Schruns heiratete etwa 1836 der aus Feldkirch stammende Gerichtsdienergehilfe Ferdinand Biedermann Viktoria Vonier – die Tochter des letzten Landammannes Ignaz Vonier. Zugleich bewarb er sich als

688 MORAW: Über Patrone und Klienten, S. 8. 689 SCHEFFKNECHT: Dörfliche Eliten am Beispiel der Hofammäner von Lustenau, S. 92. 690 HEISS: Differenzen zwischen Stadt und Land, S. 173.

222 Ländliche Eliten im Wandel

Kanzleipraktikant im Landgericht Montafon.691 Wenige Jahre später wird der nunmehr als Taubenwirt tätige Biedermann 1848 zum neuen Gemeindekassier in und 1849 zum Gemeindevorsteher Schruns gewählt.692 Auf noch höherer Ebene ist die Heirat zwischen dem Vorarlberger Kreishauptmann Johann Ebner und Johanna Schueller aus Holzgau anzusiedeln. Johann Nepomuk Ebner693, der Sohn des Landrichters von Imst, studierte an der Universität Landshut. Nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften fungierte er 1814 als Kreiskommissar in Imst und von 1817 bis 1821 in Schwaz. Im selben Jahr wurde er Kreishauptmann von Imst, aber schon 1822 wurde er zum Kreishauptmann von Vorarlberg ernannt und wirkte in dieser Funktion bis 1850.694 Am 22. April 1824 ehelichte der nunmehrige Vorarlberger Kreishauptmann Johanna, die Tochter des Kaufmannes Ignaz Schueller aus Holzgau. Dieser war einer der Erben einer in Amsterdam angesiedelten Großhandelsgesellschaft für Seide und Manufakturwaren. Ebner, der wohl prominenteste Schwiegersohn der Familie Schueller, stand in regem Briefkontakt mit der Verwandtschaft seiner Frau und korrespondierte mit Familienmitgliedern in Holzgau, Dornbirn, Bregenz, Innsbruck, Nymphenburg und New York.695 Unter anderem schrieb ihm sein Schwager Anton Schueller in Holzgau, dass der Bezauer Landrichter Hämmerle um die Hand der Schwägerin Creszenz angehalten habe. Ebner notierte dazu in sein Tagebuch: „Er ist nota bene etwas älter als ich und Witwer mit vier Kindern. Er muß viel auf sich halten, daß er glaubt, ein Mädchen von 80.000 f Vermögen werde ihm die Hand reichen.“696 Anlässlich des Todes von Ignaz Schueller am 19. September 1836 verfasste Ebner wenige Tage später folgende Persönlichkeitsdarstellung, die in seinem Tagebuch dokumentiert ist:

691 VLA, Landgericht Montafon 346/45, 346/46. 692 VLA, Landgericht Montafon 367/77, 368/44. 693 Geboren am 8. Mai 1790 in Imst, gestorben am 8. Juli 1876 in Innsbruck. 694 Ebner-Rofenstein Johann, S. 212f. 695 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 107f. 696 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 109.

Die ländliche Oberschicht 223

„Er war ein guter, großmüthiger Schwiegervater, der bei Lebzeiten wohl 5/6 seines großen Vermögens seinen Kindern vertheilte – ein Fall, der nur selten vorkommen wird. Von Jugend auf widmete er sich mit ungemeinem Fleiße der Handlung, und erwarb ein sehr bedeutendes Vermögen von wohl mehr als 400.000 f. – lediglich für seine Kinder, denn er lebte einfach, genügsam, mäßig und sparsam bis zu seinem Tode. Gott vergelte ihm alles Liebe und Gute, was er seinen Kindern und namentlich auch meiner Frau und mir erwies. Seine Frau, die gute Schwiegermutter, überlebte er nicht volle vierthalb Jahre, und wurde nicht ganz 72 Jahre alt, da sein Geburtstag der 11. November [1764] ist. Ich wollte meiner Frau, die in gesegneten Umständen sich befindet, die Trauernachricht erst morgen mittheilen. Allein der geschwäzige Veneri polterte mit der Frage heraus, was denn ich für einen schwarzgesiegelten Brief erhalten habe, - was ihr gleich verdächtig war und sie zur Vermuthung der Wahrheit führte. Darüber von ihr befragt, konnte ich wohl nicht mehr widersprechen, und ein Strom von Thränen war die Folge der Nachricht. Mit Recht vergoß sie dieselben. Sie hat einen Vater von seltener Güte und Großmuth verloren. Auch meine Mutter und Schwester weinten bitterlich, da beide den guten Schwiegervater gekannt und liebgewonnen hatten. - Als ich vor 4 Jahren das leztemal in Holzgau war und beide Schwiegereltern gesund und wohl verließ, hätte ich durchaus nicht gedacht, daß ich in einem so kurzen Zeitraume beide verlieren würde.“697

Im November besprach Ebner mit seinem Schwager Anton sowie Schwager Häusle die Verlassenschaftsangelegenheiten des Schwiegervaters und vermerkte dazu in seinem Tagebuch:

„Wir besprachen die Verlaßenschaftsangelegenheit der Schwiegereltern und andere Verhältniße in Holzgau. Schwager Anton bemerkte, daß nebst dem schon vertheilten Vermögen (wovon jedes Kind 61.000 f erhielt) noch über 80.000 f vorhanden seien. Davon wird es demnach jedem der 6 Kinder noch 13-14.000 f trefen; folglich wird das Erbtheil jedes Kinds bereits 75.000 f betragen, ein wirklich ungemein großes Vermögen, das ich nie erwartet hätte.“698

697 Ebner-Tagebuch 1836, S. 56f. 698 Ebner-Tagebuch 1836, S. 72.

224 Ländliche Eliten im Wandel

2.4.3. Religion und Repräsentation

Das religiöse Leben bot den Oberschichtfamilien eine weitere Gelegenheit zur Darstellung ihres sozialen Prestiges. Ganz konkret festgelegte Sitzordnungen in der Kirche sowie eine von der Obrigkeit angeordnete Reihenfolge bei kirchlichen Prozessionen699 sicherten den Mitgliedern der dörflichen Führungsschicht in diesem öffentlichkeitswirksamen Umfeld eine entsprechende Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Auch durch die Mitgliedschaft in exklusiven Bruderschaften und die Stiftung von Kapellen, Messgeräten, Paramenten, Epitaphen oder Votivtafeln waren die Oberschichtfamilien im sakralen Raum stark präsent.700 So gelangte etwa über Vermittlung des Händlers Anton Moriz701 aus Ischgl der silberne Reliquienarm des heiligen Stephanus im Jahr 1794 aus dem Rheinland nach Ischgl.702 Im Lechtal wurden von den ehemaligen Händlern zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche Stiftungen – etwa für die Kirche, die Armen, die Kinder, das Gesundheitswesen sowie die Schulen – eingerichtet. So entstand beispielsweise 1832/33 das „Doktor-Haus“ in Holzgau.703

Abb. 38 Prozession im Lechtal704

699 MA, ZKA, Schruns 11/0. 700 KÄLIN: Die Urner Magistratenfamilien, S. 198. 701 Chronik von Ischgl, S. 37. 702 Chronik von Ischgl, S. 22. 703 MENNEL: Tag des Schreckens und der Trauer…, S. 56. 704 Auf der Tafel ist eine Prozession dargestellt, die von einer hölzernen Kapelle in eine aus Stein gebaute führt. Alle Personen sind in die feierliche Lechtaler Tracht gekleidet. Am unteren Bildrand ist u.a. zu lesen: "N. N. vulgo Gangeler erbaute am Zaune eine Kapelle v. Holz. Später wurde diese v.

Die ländliche Oberschicht 225

Das Patrizier-Ehepaar Johann Fidel Tschohl und Anna Maria Stemer aus Schruns stiftete etwa 1844 den Kapuzinern eine Eremitage samt Kapelle auf dem Gauenstein mit einem Kapital von 6.000 Gulden. In der Einsiedelei wurden zudem Portraitbilder des Stifters und der Stifterin angebracht.705 Die wohledle Jungfer Maria Elisabeth Waldburga Marentin aus Schruns stiftete 1801 zur Erweiter- und Verschönerung des Gotteshauses und der Orgel 600 Gulden. Als Bedingung dafür sollte der Stifterin, ihrer Eltern und Geschwistern an einem bestimmten Sonntag durch Abbettung eines heil. Vaterunser und Ave Maria […] zu ewigen Weltzeiten gedacht werden. Neben dieser religiösen Stiftung, vermachte sie der Schulstiftung zu Beförderung des jugendlichen Unterrichtes ein Kapital von 400 Gulden.706

Dazu kam noch die Besetzung wichtiger geistlicher Ämter mit nahen Verwandten. Ignaz Voniers vier Jahre älterer Bruder Franz Joseph hatte beispielsweise als einer von ganz wenigen Montafonern das Gymnasium in Konstanz absolviert und anschließend von 1779 bis 1782 in Innsbruck Theologie studiert. Von 1789 bis 1810 war er dann Pfarrer in Schruns und hatte somit parallel zu seinem jüngeren Bruder, der in diesem Zeitraum Richter und ständischer Abgeordneter war, ein einflussreiches lokales Amt inne.707 Aufgrund der Unterstützung der Erhebung des Jahres 1809 wurde er dann jedoch wie die meisten anderen Montafoner Priester von den bayerischen Behörden zwangsversetzt.708 Möglicherweise stehen auch die relativ hohen Zahlen an Priestern, Mönchen und Nonnen mit den hohen Ledigenquoten in Zusammenhang, denn während in der Monarchie im 19. Jahrhundert auf tausend Einwohnerinnen und Einwohner durchschnittlich 1,5 Geistliche kamen, waren es in Tirol 5,8. Die höchsten Werte erreichten der Bezirk Landeck mit einem Anteil von 7,4 Geistlichen pro tausend

Stein erbaut u. das Christusbild durch H(re) Pf. Melson in Begleitung des Volkes hierher gebracht u. am 31. Mail 1766 die erste h. Messe gelesen ..." http://www.kulturraumtirol.at/index.php?id=160&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=77 705 SANDER: Der Gauenstein bei Schruns, S. 42-45. 706 VLA, Talschaft Montafon 8/5, Verordnung der Maria Elisabeth Waldburga Marentin von Schruns 29.8.1801. 707 BLANK: Die Vorarlberger Studenten, S. 83. 708 HIRN: Vorarlbergs Erhebung, S. 391f.

226 Ländliche Eliten im Wandel

Einwohner sowie der Bezirk Bregenz mit einem Anteil von 8,18. Ledig-Bleiben bedeutete somit keinen Statusverlust, sondern Obenbleiben oder gar sozialen Aufstieg.709

2.4.4. Bildung als Strategie zum „Obenbleiben“

Im Montafon gab es bereits vor Einführung der neuen Schulordnung unter Maria Theresia Schulen und Lehrer. In St. Gallenkirch wird 1610 ein Schulmeister genannt710, in Schruns findet sich 1663 ein urkundlicher Hinweis und in Bartholomäberg stellte der „Schuellmeister“ Johannes Bitschnau in den Jahren 1733 und 1740 Schulzeugnisse für die Schüler Hans Jörg und Rudolf Tschofen aus. Er unterrichtete sie in Lesen, Schreiben und Religionslehre.711 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts machte das Schulwesen eine große Entwicklung. Im Sinne der Aufklärung sollte die breite Masse der Bevölkerung ausgebildet und belehrt werden. Die durch Maria Theresia durchgeführten Verwaltungsreformen, wie z.B. die Kreiseinteilung, die Schaffung von staatlichen Behörden wie dem Kreis- und Oberamt, ermöglichte es die Schulreformen mit Hilfe dieses Behördenapparates auch durchzusetzen. Am 6. Dezember 1774 erließ Maria Theresia die „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in den sämmtlichen k.k. Erbländern“. In allen Städten, Märkten und Landgemeinden, in denen sich Pfarrkirchen befanden, sollten Schulen errichtet werden. In größeren Städten sollten Hauptschulen und in jeder Provinz eine Normalschule, die für die Lehrerbildung zuständig war, eingerichtet werden. Als Lehrgegenstände wurden neben Religion und Sittenlehre das Kennenlernen von Buchstaben, das Buchstabieren, das Lesen geschriebener und gedruckter Sachen, die Kurrentschrift und die Rechenkunst vorgeschrieben, also die

709 ORTMAYR: Späte Heirat, S. 129. 710 TSCHAIKNER: Das St. Gallenkircher Beichtregister von 1613, S. 83. 711 VALLASTER: Das Schulwesen, S. 452.

Die ländliche Oberschicht 227 klassischen Prinzipien der Allgemeinbildung. Ein wichtiger Grundsatz der „Allgemeinen Schulordnung“ war die Pflicht des regelmäßigen Schulbesuches. Für die Durchführung der Allgemeinen Schulordnung in Vorarlberg war das Oberamt bzw. später das Kreisamt in Bregenz zuständig. Über die Situation in den Vorarlberger Schulen nach Einführung der Allgemeinen Schulordnung wurden 1785 Erhebungen durchgeführt. Auffallend dabei ist die geringe Anzahl von schulbesuchenden Kindern. In Schruns beispielsweise besuchte nur die Hälfte der Kinder die Schule. Dies war im Vergleich zum restlichen Kreis ein sehr schlechter Wert. Die Behörden befragten die Eltern nach den Ursachen und erhielten eine reiche Palette an Ausreden: Im Silbertal wurde die weite Entfernung und der viele Schnee bei den sechs- bis siebenjährigen Kindern genannt, in Gaschurn mangelte es den armen Kindern an Schuhen, in Schruns fehlte es armen Schülern an warmer Kleidung für die Winterschule und einige Schüler besuchten heimliche Nebenschulen. Bemerkenswert ist, dass es 1785 in Schruns als einzigem Ort im Montafon auch im Sommer Unterricht gab. In den übrigen Schulen wurde nur in den Wintermonaten, zwischen Martini (11.November) und Ostern, unterrichtet. Bei diesen Schulreformen wurde das Problem der Unterbringung der Klassen nicht ausreichend bedacht. Wo sollte man die zum Schulbesuch angehaltenen Schüler unterrichten? Ein Viertel der Vorarlberger Gemeinden hatte zehn Jahre nach der Schulreform noch kein eigenes Schulgebäude. In Silbertal und St.Gallenkirch diente das Mesnerhaus als Schulgebäude, in Partenen und Gortipohl hatte man Bauernstuben angemietet. Die rigorose Durchführung des Schulunterrichtes wäre vermutlich gar nicht möglich gewesen, wenn tatsächlich alle Schüler den Unterricht besucht hätten. Immerhin gab es im Jahre 1790 schon 23 Schulen im ganzen Tal Montafon. Die ganze Talschaft war also mit einem dichten Schulnetz ganz im Sinne der Schulordnung versehen.712

Zahlreiche Angehörige der Oberschicht ließen gegen Ende des 18. Jahrhunderts vermehrt zumindest einem ihrer Söhne eine höhere Ausbildung zukommen. So

712 HÖLZL: Vorarlbergs Pflichtschulwesen vor 200 Jahren, S. 134.

228 Ländliche Eliten im Wandel

berichtet etwa Steub über Ischgl, dass „viele junge Leute zu den Studien gesandt wurden und mit verfeinerter Gesittung wieder zurückkehrten, daher auch in Ischgl einnehmende Bildung verbreiteten, welche im Bund mit der angeborenen Gutmütigkeit die Einwohner noch immer merklich auszeichne.“713 Auch der aus Ischgl stammende Arzt Joseph Zangerl stellte diesbezüglich fest:

„Überhaupt kann man hier sehen, welchen wohlthätigen Einfluß Wohlhabenheit auf die Kultur einer Gegend habe. Zur Zeit des Wohlstandes und der Blüthe des Thales wurde es vielen Familien möglich, ihre Söhne theils nach Italien oder in deutsche Länder zur Handlung, theils nach Innsbruck zu den Studien schicken. Dieser Gebrauch wurde immer allgemeiner, den Vermöglichern folgten bald auch weniger Vermögliche. Viele von ihnen kehrten zeitweise oder für immer wieder zurück und verbreiteten mehr Kultur, Andere blieben aber im Auslande, sammelten Schätze, zogen wieder Zöglinge aus ihrer Heimath an sich, und so kam es, daß aus diesem selbst vielen Tirolern noch unbekannten Thale viele tüchtige Männer hervorgingen […].“714

Zwischen 1740 und 1840 widmeten sich 23 Ischgler und weitere 20 Paznauner dem Priesterstande. Darüber hinaus studierten fünf Ischgler Medizin und wurden Ärzte.715 Aus den Montafoner Ortschaften besuchten zwischen 1777 und 1848 insgesamt 88 Studenten das Gymnasium in Feldkirch:716

1777-1805 1806-1815 1816-1848 Summe Bartholomäberg 2 2 4 8 Gaschurn 2 3 5 Gortipohl 2 2 Partenen 1 1 St. Anton 1 1 2 St. Gallenkirch 7 4 7 18

713 STEUB: Drei Sommer in Tirol 2, S. 49. 714 ZANGERL: Historisch-topographische Notizen, S. 72. 715 ZANGERL: Historisch-topographische Notizen, S. 75f. 716 SOMMERAUER: Matricula Gymnasij Feldkirchensis.

Die ländliche Oberschicht 229

Schruns 5 2 12 19 Silbertal 1 1 3 5 Tschagguns 10 4 11 25 Vandans 1 2 3 Summe 23 13 46 88

Abb. 39 Der Montafoner Land- und Gerichtsschreiber Theodor Vogt 1814

Unter anderem absolvierte der Sohn des Tschaggunser Wirtes und Händlers Hans Ulrich Ganahl, Josef (1759 – 1833), das Gymnasium in Feldkirch und studierte anschließend in Wien die Jurisprudenz. Nachdem er verschiedene Ämter in der Verwaltung in Bregenz, Dornbirn, Innsbruck und Bozen bekleidet hatte, wurde er schließlich in den Adelsstand erhoben.717 Der Maler Lazarus Stemer aus Schruns

717 Weitensfelder: »Textilbaron«, S. 11.

230 Ländliche Eliten im Wandel

studierte 1832 an der Akademie der bildenden Künste in München, ertrank dort aber während des Studiums.718 Der erste Vorarlberger Landesbedienstete, Kaspar von Ratz, der 1861 angestellt worden war, stammte aus der klassischen ländlichen Oberschicht. Sein Vater war der Politiker und Landrichter Johann Kaspar Ratz aus Bezau im Bregenzerwald.719 Insgesamt kann in ganz Westtirol und Vorarlberg von einer reichen Auslandserfahrung weiter Bevölkerungskreise ausgegangen werden, da diese durch die Arbeitsmigration oder Wanderhandel oft weit gereist waren und somit etwa auch häufig mehrerer Sprachen mächtig waren. Dazu kommt der Umstand, dass durch die Mobilität großer Teile der Bevölkerung auch die Briefkultur sehr ausgeprägt war. Im Vorarlberger Landesarchiv sind etwa zahlreiche Briefe von Angehörigen der Montafoner Oberschicht überliefert.720 So stand etwa der Montafoner Landschreiber Valentin Kraft rund um die Einrichtung eines Gerichts im Montafon mit einem Juristen in Freiburg im Breisgau in Kontakt. Dieser schrieb ihm etwa am 8. Jänner 1778, dass die stadt Bludenz Himel und Erde bewegen [werde], das Gericht wieder dahin zubringen.721 Im Paznaun stellten Angehörige der Oberschicht wie etwa der Richter Christian Zangerl in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Häuser als Schulen zur Verfügung.722 As ähnlichen Beweggründen engagierten sich Angehörige der Montafoner Oberschicht dafür, dass für die zahlreichen Arbeitsmigranten aus dem Tal eine Zeichenschule eingerichtet wurde.723 Die Gemeinden Schruns, Tschagguns, Bartholomäberg, Vandans, Silbertal, St. Anton, Stallehr und Lorüns taten sich zusammen, um gemeinsam einen Lehrer anzustellen, der den jungen Handwerkern Zeichenunterricht geben sollte. Diese zusätzliche Ausbildung, die in den Wintermonaten angeboten wurde, sollte die Erwerbsfähigkeit der

718 VLA, Landgericht Montafon 390/66. 719 NACHBAUR: Johann Kaspar von Ratz, S. 24. 720 VLA, Talschaft Montafon 13. 721 VLA, Talschaft Montafon 13, Brief v. 8.1.1778. 722 Chronik von Ischgl, S. 25. 723 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmannes Ebner, S. 37.

Die ländliche Oberschicht 231 auswandernden Handwerker erhöhen. 1825 wurde zu diesem Zweck erstmals Franz Josef Vallaster aus Schruns als Lehrer angestellt.724

Abb. 40 Montafoner Krautschneider725

2.4.5. Wohnsituation und Baukultur

Auch die Wohnsituation der Familien bieten Hinweise auf ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stand. Die Lage des Hofes oder Hauses im Dorf war nicht immer zufällig gewählt. So zeigt sich häufig eine Konzentration der Oberschicht- Haushalte in den Dorfkernen sowie in besonderen Gunstlagen.726 Darüber hinaus verwiesen das Baumaterial und die Dimension der Gebäude auf den Wohlstand der Eigentümer. So wird in diesem Zusammenhang etwa von der „Verprächtigung im ländlichen Hausbau“ gesprochen. Die Gestaltung war demnach nicht nur

724 VLA, Landgericht Montafon 314/49. 725 Vgl. KASPER: Die Wanderlust der Montafoner?, S. 284-294. 726 MA, ZKA, Schruns 0/2.0. Hausnummernverzeichnis.

232 Ländliche Eliten im Wandel

funktional oder einem leeren Formalismus unterworfen, sondern mehr oder weniger bewusst gewollte sinnträchtige Ausdrucksform.727 Während der Großteil der Wohnobjekte aus Holz errichtet war, bewohnten Angehörige der Oberschicht häufig gemauerte Wohnhäuser mit einem hohen Anteil an Stein. Ebenso finden sich bei den Wohngebäuden der Oberschicht tendenziell größere Raumhöhen, zahlreiche künstlerische Verzierungen sowie Bemalungen. Ein gewisser „Luxus“ steckt beispielsweise in den hölzernen Stubentäfelungen, die sich in den Gebäuden von der Mitte des 18. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts finden.728 Auch die Art der Dacheindeckung verweist mitunter auf den Wohlstand des Eigentümers. Während nämlich der allergrößte Teil der Häuser mit Holzschindeln gedeckt waren, leisteten sich Angehörige der Oberschicht in einigen Fällen Dachziegel.

Abb. 41 Marentische Wirtsbehausung in Schruns auf einer Schützenscheibe aus dem Jahr 1825

727 MOSER: Verprächtigung im ländlichen Hausbau. 728 Vgl. BEDAL: Prunk mit Holz, Putz und Farbe, S. 168.

Die ländliche Oberschicht 233

So war etwa in Schruns das „Marentische Gasthaus“, das später zum Landgericht umfunktioniert wurde, als eines der wenigen Gebäude im Montafon mit Dachziegeln gedeckt.729 Das in unmittelbarer Nachbarschaft situierte Wirtshaus von Ignaz Vonier hatte zwar vermutlich ein Schindeldach, wies aber ebenso wie das Gasthaus der Familie Marent drei Geschoße auf. Der allergrößte Teil der Wohnbauten im ländlichen Raum wies demgegenüber nur zwei Stockwerke auf.

Abb. 42 Schützenscheibe mit Ignaz Vonier vor seinem Wirts- und Wohnhaus in Schruns

Das 1787 errichtete Wohnhaus des ersten Montafon Richters und Landammannes Johann Joseph Nayer in Tschagguns verfügt ebenso über drei Geschoße, von denen zwei gemauert waren, obwohl es nur als privates Wohnhaus genutzt wurde. Neben einer ungewöhnlichen Symmetrie des Gebäudes verweisen auch

729 Vgl. KASPER: Gerichtswesen und Verwaltung im Montafon, S. 17f.

234 Ländliche Eliten im Wandel

zahlreiche Bemalungen und die Inschriften im Giebel auf den Wohlstand der Bauherren. Überdies verdeutlichen die außergewöhnlich großen Raumhöhen, dass beim Bau auf Repräsentation Wert gelegt wurde. Zahlreiche bauliche Verzierungen und Details illustrieren die Vielfalt der diesbezüglichen Möglichkeiten. Die Inschrift unter dem Giebel lautet:

„Der Nam des Herren sey gebrisen Zu Gottes Ehr sey alles angewent Der anfang und das mitel sambt dem End. Johannes Joseff Nayer u. sein geliebte Ehfrau Anna Maria Küentzlina / Johannes Joseff Küentzli u. sein geliebte Ehfrau Maria Eva Stemerin“730

Abb. 43 Wohnhaus der ersten Montafoner Richters Johann Joseph Nayer in Tschagguns, erbaut 1787

Im Wohnhaus des Montafoner Landschreibers Valentin Kraft befanden sich bis ins 20. Jahrhundert insgesamt sechs getäfelte Stuben. Zwei davon hatte er selbst anfertigen lassen wie die Inschriften belegen:

730 Hausinschrift, vgl. BARBISCH: Montafoner Spruchweisheiten, S. 5.

Die ländliche Oberschicht 235

„Valentin Kraft, Anna Maria Fritzin 1759“ „Valentin Kraft, Anna Maria Frizin 1780“.

Die Stubentäfelung von 1780 weist in der Deckenkartusche Rokokoschnörkel und geschnitzte, angehängte Quasten auf. Die Fensterrahmen wurden mit einem geschweiften Kranzgesimse versehen.731

Abb. 44 Stube von 1780 im Wohnhaus Landschreibers Valentin Kraft in St. Gallenkirch, heute in Schruns.

In Fußach am Bodensee gab es 1808 fast nur Holzhäuser und ein Haus aus Stein, das im Steuerkataster mit 1.200 Gulden bewertet wurde, während der Durchschnittswert der anderen Wohnhäuser bei 225 Gulden lag.732 Reisende betonten in Bezug auf die „Paznauner Kapitale“ Ischgl die „mächtigen steinernen Häusern [mit] ansehnlichem Dachwerk“, die auf den Wohlstand der

731 BEITL: Ein volkskundlicher Dokumentationsversuch, S. 142. 732 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 148.

236 Ländliche Eliten im Wandel

Bevölkerung zurückzuführen seien.733 Tatsächlich sind auf historischen Ansichten Ischgls zahlreiche durch Größe und Bauqualität herausragende Gebäude zu erkennen.

Abb. 45 Ischgl, um 1890

Im Lechtal wurden zwischen 1783 und 1834 ungefähr 50 neue Häuser errichtet. Die im Ausland tätig gewesenen Handelsleute ließen vor allem große, stattliche Wohngebäude aus Stein errichten:

„Die Anwendung des Außenputzes führte zu einer Verbesserung der Häuser, die nunmehr gegen Witterungseinflüsse und Kälte besser geschützt wurden; andererseits wurde das Verputzen der Hauswände auch zu einem Ausdruck des zunehmenden Wohlstandes.“734

Die größte Prachtentfaltung nach außen erfuhren die Häuser durch die spätbarocke Lüftlmalerei.735

733 STEUB: Drei Sommer in Tirol 2, S. 47. 734 MENARDI: Bau- und Wohnkultur im Lechtal, S. 242-247. 735 Vgl. POHL: Kunstwerke der Fassadenmaler, S. 11.

Die ländliche Oberschicht 237

Abb. 46 Dengel-Haus in Holzgau

Auf der Basis des Katasters und von vereinzelten kartographischen Darstellungen können in Verbindung mit Testamenten und Verlassenschaften die Wohnverhältnisse rekonstruiert werden. Bei zunehmender Bevölkerungszahl wurde der Wohnraum knapper. Die Angehörigen der Oberschicht nannten häufig mehrere Häuser ihr Eigen, während sich ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung das Wohnhaus sogar mit anderen Familien teilen musste.736 Der Bau eines Hauses prägte das Wohnverhalten von Generationen, denn die Gebäude wurden über lange Zeiträume genutzt. Entsprechend des Wohlstandes der Bewohnerinnen und Bewohner konnten diese Gebäude entweder laufend aus- oder umgebaut werden, oder aber auch vernachlässigt werden. Jedenfalls aber waren sie ein wesentlicher Rahmen für das Leben und Wirtschaften der dort wohnenden Personen.

2.4.6. Materielle Lebensstile – Sachkultur der Oberschicht

Hinsichtlich der Ausstattung mit Möbelstücken, Geschirr, Kleidung und Luxusutensilien lassen sich kaum signifikante Strukturunterschiede zwischen den

736 SUTTERLÜTTI: Vom Geld und den Schulden, S. 147.

238 Ländliche Eliten im Wandel

sozialen Schichten im ländlichen Raum erkennen. Vor allem die Diversifizierung von Gegenständen war gering. Die Qualität der Haushaltsutensilien lässt sich zumeist nur schwer erfassen. Nur in wenigen Fällen werden diese in den Inventaren durch Zusätze wie „alt“ oder „schlecht“ näher erläutert.737 Auf der Basis des Ordinationsbuches des Nenzinger Arztes Johann Christian Hummel können seine Ausgaben für den Haushalt rekonstruiert werden. Er kaufte den Großteil der Lebensmittel ein und variierte den Speiseplan nach Möglichkeit. So stand neben Brot und Mehl sowohl Geflügel, wie auch Kalbfleisch und Fisch auf dem Einkaufsplan. An Getränken favorisierte er regionalen Wein aus dem Rheintal gegenüber Branntwein, Bier und Most. Darüber hinaus erwarb er etwa 1817 eine Landkarte, einen Kalender, zwei Barometer, Papier und Bücher. Außerdem beauftragte er im Laufe dieses Jahres die unterschiedlichsten Handwerker, etwa Glaser, Glockengießer, Hafner, Knopfmacher, Maler, Sattler, Schneider, Schlosser oder Uhrenmacher. Zudem beschäftigte er zwei Lehrer für seinen Sohn.738

Im Lechtal trugen wohlhabende Frauen Kleidung im Wert von 400 bis 500 Gulden:

[…] war in Holzgau großer Wohlstand, kurz gesagt, ich bemerke das so wie ich es hörte, und zum Theil unsere Lechthalerinnen in ihrem Glanze sah, in Seide und vornehme Kleider, manche mit goldene Uhren und Kette, und ich möchte jetzt sagen, […] so war es, und der Zunft möge meine wenige Zeile, die hier hinterlasse doch nicht unangenehm sein, Gott gebe und erhalte es, was noch da ist.739

Angeblich leistete sich Magdalena Lumperin den größten Kleiderluxus, denn sie besaß 64 Kleider: Ein Dutzend Schuhe war wenig bei den Liebhaberinnen der Kleider.740 Falger berichtet darüber hinaus, dass seine Mutter Maria Anna Lumpert ähnlich viele Kleider besessen habe. Und wenn die Frauen der Familie Schiffer aus

737 Vgl. BREIT: Luxus und Repräsentation. 738 GSTACH: Christian Hummel, S. 106-109. 739 TLMF, FB 2709, S. 68f. 740 TLMF, FB 2710, S. 97f.

Die ländliche Oberschicht 239

Elbigenalp unterwegs waren, so hieß es hinsichtlich ihrer schweren Kleidungsstoffe heute rauschen sie wieder.741 Die Männer ergänzten ihre Kleidung durch „goldene Ketten, Ohrgehänge, Sackuhren und Ringe“.742

Abb. 47 Portrait des Landammannes Johann Joseph Batlogg

2.4.7. Vereine und Gesellschaften

Ferner bestand im Montafon zwischen 1808 und 1828 eine private Musikliebhabergesellschaft, die älteste bekannte Organisation dieser Art in Vorarlberg. 22 Personen aus dem Montafon und darüber hinaus sind als zahlende Mitglieder bekannt. Sie stellten mit ihren Beiträgen die finanziellen Mittel zur Beschäftigung eines Musiklehrers und zur Anschaffung von Noten und Musikinstrumenten zur Verfügung. Direktor der Gesellschaft war 1825 bis 1828

741 TLMF, FB 2709, S. 97f. 742 SCHNELLER: Anton Falger, S. 54.

240 Ländliche Eliten im Wandel

der Gerichtskanzlist Theodor Hueber. Die Einnahmen der Gesellschaft kamen einem Orchester zugute, das, bestehend aus Streichern und Bläsern, bei Gottesdiensten mitwirkte aber auch profane Auftritte hatte, wie zur Abendmusik am Namensfest des Landammanns Ignaz Vonier oder bei der Ankunft des Landrichters Ferdinand Katzenmayer.743

2.4.8. Kulturelle Verbürgerlichung?

Es lässt sich insgesamt eine gewisse Ausdifferenzierung unterschiedlicher Lebensstile in der dörflichen Gesellschaft feststellen.744 In der materiellen Ausstattung der Haushalte zeigen sich Entwicklungen, die Rückschlüsse auf Veränderungen der Lebenshaltung und der Wertorientierung zulassen. Vornehmlich über die Familien der Oberschicht fanden nämlich Innovationen in die ländliche Innenraumausstattung Eingang, mit denen ein Lebensstil imitiert oder angestrebt wurde, dessen Wertorientierung auf Bereiche wie Bildung, Hygiene, Mobilität oder Muße im Ansatz hinweist. Aufgrund des Engagements von Ignaz Vonier wurde etwa in Schruns 1825 eine Zeichenschule für Bauarbeiter errichtet745 sowie ein Gesangsverein ins Leben gerufen.746 Im Paznauner Ort Ischgl verfasste der Richter und Wirt Johann Christian Zangerle eine ausführliche historische Darstellung der Region.747 Schon zuvor hatte der Galtürer Richter Johannes Schueller die „denckwürdige[n] Begebenheiten alda zu Galthüren“ in einem Büchlein dokumentiert.748 Im Lechtal unternahm selbiges Johann Anton Falger. Dieser, am 9. Juli 1791 zu Elbigenalp geboren, war der Sohn von Gregor Falger, „Bäcker, Fuhrmann und Bauer“ und Maria Anna Lumpert,

743 BÖSCH-NIEDERER: Die Montafoner Musikliebhabergesellschaft. 744 MAHLERWEIN: Erinnerte Lebensläufe, S. 12. 745 MA, ZKA, Schruns 8/5; FRITZ: Berichte aus Alt-Schruns. 746 MA, ZKA, Schruns 0/1. 747 TLMF, FB 1661. 748 Galtür Büchlein aus dem Jahre 1774, fol. 3.

Die ländliche Oberschicht 241 deren Bruder 1823 bis 1837 Bürgermeister von Wien wurde.749 Außerdem hielt er dreißig Jahre lang „in seinem Hause eine freie Zeichenschule“.750

Abb. 48 Johann Anton Falger, 1861

Auch die Weltbeschreibung des Leonhard Millinger aus Waidring verweist auf den Stellenwert der Bildung und die diesbezügliche Kompetenz eines Mannes aus dem ländlichen Raum um 1800.751 Regional verbreitet waren die Gedichte des ehemaligen Montafoner Vorgesetzten und Schrunser Gemeindevorstehers Johann Ulrich Rudigier, welche dieser in Innsbruck im Kerker verfasste, nachdem er im Jahr 1819 als Anstifter und Mitwisser am Mord an seiner Ehefrau zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war:

„Traurig schwinden mir die Stunden, hier in diesen Mauren hin. Ach es bluten alle Wunden,

749 SCHNELLER: Anton Falger, S. 7. 750 SCHNELLER: Anton Falger, S. 15. 751 ANDORFER: Die Weltbeschreibung des Leonhard Millinger.

242 Ländliche Eliten im Wandel

seit ich hier gefangen bin. Traurig schwinden sie vorüber, die Minuten meiner Zeit, und die Aussicht wird stets trüber, ganz vorüber ist die Freud. Wohnend einst in schönen Tagen, im geräumig großen Haus, hatt ich nie etwas zu klagen, lebte stets in Saus und Braus. Aber alles ist vergangen, keine Hoffnung mehr für mich, nur ein ewiges Verlangen fühle tief im Herzen ich.“752

Die Anlehnung einiger Familien an die städtisch-bürgerliche Kultur ist erkennbar, sollte aber angesichts der weiterhin deutlich durch den bäuerlichen Alltag geprägten Lebensweise nicht überschätzt werden, denn kein Mitglied einer Oberschichtfamilie war von schwerer körperlicher Arbeit oder Erwerbstätigkeit freigestellt. Das familiäre Zusammenleben war von der Einbindung aller Personen in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel geprägt. Man kann also eher von einer Übernahme städtischer Kulturformen sprechen, deren materielle Ausprägung nur in Ausnahmefällen auch die bei Stadtbürgern damit verbundene Lebensweise implizierte. Die diesbezüglichen Vorreiter und Vorbilder waren in erster Linie die Haushalte der herrschaftlichen Beamten sowie die der Ärzte und Apotheker, die in manchen Fällen aufgrund ihrer Herkunft oder Ausbildung stark mit bürgerlichen Normen und Werten verbunden waren. Die grundlegenden Deutungsmuster, Wertungen und die Kultur der ländlichen Oberschicht blieben jedoch in deutlicher Distanz zur Mentalität des städtischen Bürgertums. Weder die „Hochachtung vor individueller Leistung“, noch die „positive Grundhaltung gegenüber regelmäßiger Arbeit“ waren im ländlichen

752 VALLASTER: Der grausige Mord im Löwen.

Die ländliche Oberschicht 243

Milieu verankert.753 Bildung und liberale Tugenden wie Toleranz oder Autoritätsskepsis sowie bürgerliche Verhaltensweisen wie Leistungsorientierung setzten sich nur in wenigen Fällen durch.754 Wer dennoch derartige Einstellungen vertrat, galt noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Einzelfall, Ausnahmeerscheinung oder gar Außenseiter.755 Möglicherweise stand etwa der Montafoner Notar und spätere Landschreiber Valentin Kraft der Aufklärung nahe, denn sein Wahlspruch lautete „Virtutem omnibus aeque“ und geht eindeutig in die Richtung des Gleichheitsgrundsatzes. Sein umfassendes Wirken im Montafon endete am 27. September 1794 auf dem Heimweg von Schruns nach St. Gallenkirch, als Kraft „meuchelmörderischerweise“ ermordet wurde.756 Im Zusammenhang mit der Tat waren Mutmaßungen über einen politisch motivierten Mord laut geworden. So habe der Tschaggunser Kristian Schnopp nach Bekanntwerden des Mordes geäußert,

es sey rechtgeschehen, daß mann es dem Landschreiber so gemacht habe, man sollte es mehrern so machen, es sey ein grosses Glück für daß ganze Land, der Kaiser wäre demjenigen, der den Landschreiber umgebracht habe, eine Besoldung schuldig.757

Er begründete diese Ansicht damit, dass

der Landschreiber […] manchem, der den Tod verschuldt hat aus der Luken geholfen habe, mithin sey ihm Recht geschehen. Ferner sei Landschreiber Kraft auch Schuld und Ursach geweßt, daß die Straße in Montafon habe gemacht und von vielen armen Leuten habe gearbeitet, und daran bezahlt werden müssen, so auch sey Landschreiber schuldig gewest und Ursach, daß das Gericht in Montafon gekommen sey.758

753 Vgl. KOCKA: Bürgertum und Bürgerlichkeit, S. 42f. 754 KÄLIN: Die Urner Magistratenfamilien, S. 344. 755 Vgl. WEITENSFELDER: »Textilbaron«; TSCHAIKNER: Johann Josef Zudrell. 756 BURMEISTER: Eine Notarernennungsurkunde, S. 28. 757 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 667/1794. 758 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 670/1794.

244 Ländliche Eliten im Wandel

Vier Jahre später wurden im Zusammenhang mit der mehrmonatigen Inhaftierung des Landammannes Batlogg neuerlich Vermutungen über die Tatmotive bei der Ermordung Krafts angestellt. Der Geschworene und Wirt Mathias Drexel aus Tschagguns gab zu Protokoll, dass der Schrunser Frühmesser Johann Joseph Grass zu ihm gesagt habe Ignaz Vonier habe den Landschreiber umgebracht. Auch Lorenz Sudrell äußerte gegenüber der Schrunser Wirtin Benedikta Fritzin, dass deren Vater

Franz Joseph Fritz, Ignatz Vonier und Johann Anton Kessler, Andreas Fritz auf Montejola, dann Landschreiber Johann Anton Kraft und noch zwey die er nicht nannte, an den Kösten wegen der Untersuchung des Landamanns Battlogg […] zahlen müssen. Und Vonier, setzte er hinzu, nebst dem Kessler Johann Anton seyen nach Aussage des Fruhe-messer Graß noch ärger darinnen, indem sie […] den Landschreiber Kraften sel. umgebracht haben sollen. Sudrell glaubte das Gehörte, weil er einmal in der Gerichtsstube zu Schruns gehört, dass Herr Landschreiber Kraft seel. über die Viehschwärzungen geschmäht habe, und sodann bald darauf ums Leben gekommen wäre.759

Die näheren Umstände der Tat sowie der oder die Täter konnten in der Folge jedoch nie geklärt werden.760 Er verweist jedoch auf die erheblichen Spannungen innerhalb der ländlichen Gesellschaft, die sich in den Jahren um 1800 zwischen verschiedenen Gruppierungen entwickelten.

759 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 570/1798. 760 Vgl. den umfangreichen Akt im VLA, Vogteiamt Bludenz, Registratur 167/Kriminalia 1794-1797.

Schluss – Ländliche Eliten im Wandel? 245

SCHLUSS – LÄNDLICHE ELITEN IM WANDEL?

Die Geschichte Tirols und Vorarlbergs, wie sie etwa für Vorarlberg von Benedikt Bilgeri geschrieben wurde,761 ist nach Inhalt und Selbstverständnis eine Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen den lokalen Eliten und dem „modernen“ Zentralstaat. Diese Erscheinung war jedoch keine Ausnahme, denn überall war der Kampf um regionale Autonomie gleichzeitig ein Kampf um die eigene Macht, welche die Oberschicht ihrer Position zwischen Verwaltungsstaat und lokaler Bevölkerung verdankte.762 Obwohl nach 1815 in einigen Bereichen die Zustände der Zeit vor 1805 wiederhergestellt wurden, spielten sich dennoch unumkehrbare rechtliche und sozioökonomische Wandlungsprozesse ab, die vor allem im politischen Bereich Veränderungen bewirkten. Einerseits eröffnete der Strukturwandel nämlich in manchen Fällen Aufstiegschancen für Menschen mit weniger vermögendem Hintergrund , die teilweise recht konsequent genutzt wurden, während gleichzeitig durch die Veränderungen im Verwaltungswesen kaum noch attraktive Ämter für die Angehörigen der Oberschicht zugänglich blieben. Der politische Einfluss der ländlichen Eliten blieb ab 1815 in erster Linie auf die Gemeinden beschränkt. Dort stellten weiterhin alteingesessene Honoratioren wie reiche Bauern und Gastwirte den Großteil der Vorsteher und Gemeinderäte, während sich Gewerbetreibende oder Unternehmer nur in einigen wenigen Orten durchsetzen konnten. Der Vorarlberger Kreishauptmann Ebner beklagt sich – ähnlich wie bereits 1790 der Gubernialrat Schmidt – über die als Vorsteher tätigen Wirte: „Leider ist der Vorsteher […] auch Gastwirt, weßwegen ihm die Handhabung der polizeilichen Ordnung auch wenig am Herzen liegt, die ihm seine Saufkunden verscheuchen würde.“763 Es waren demnach auch in der Zeit des Vormärz ähnliche Kreise, die

761 BILGERI: Geschichte Vorarlbergs I–V, 1974–1987. 762 BARNAY: Die Erfindung des Vorarlbergers, S. 29. 763 TIEFENTHALER: Die Berichte des Kreishauptmannes Ebner, S. 119.

246 Ländliche Eliten im Wandel

ebenso wie im Ancien Régime die politischen Funktionen im kommunalen Bereich ausübten. Insgesamt ist festzustellen, dass hinsichtlich der Zusammensetzung der Eliten im ländlichen Raum Westtirols und Vorarlbergs über alle Brüche hinweg gewisse Kontinuitäten erkennbar bleiben. Zwar ergab sich durch die Professionalisierung der Beamtenschaft ein Machtverlust im juridischen und politischen Bereich, doch stellten sich die meisten Oberschichtfamilien auf diese neuen Umstände ein und ließen ihren Nachkommen entweder eine entsprechende Ausbildung zukommen oder versuchten ihre soziale Stellung im Dorf mit wirtschaftlichen Mitteln abzusichern.764 Dementsprechend stieg die Zahl der Schüler und Studenten aus dem ländlichen Raum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich an.765 Viele Söhne aus Oberschichtfamilien durchliefen in den ersten Jahrzehnten nach 1800 Beamtenlaufbahnen oder arbeiteten im medizinischen Bereich. So absolvierten zwar beispielsweise zwei Brüder des letzten Ischgler Dorfrichters Johann Christian Zangerl ihre Studien in Freiburg und Wien und waren später in Edinburgh und in Rattenberg tätig und einer seiner Söhne avancierte gar zum k. k. Hofarzt in Schönbrunn,766 doch auf die Situation der im Paznaun verbliebenen Familie hatte dies keine größere Auswirkung. Auch der älteste Sohn des vorletzten Montafoner Landammanns Johann Joseph Batlogg studierte in Wien und machte im höheren Verwaltungsdienst Karriere. Er wurde schließlich Gubernialsekretär in Triest und heiratete die Tochter des dortigen Polizeipräsidenten.767 Ein Sohn des letzten ständischen Abgeordneten des Montafons Mathias Drexel wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Vorarlberger Landtagsabgeordneter und

764 SCHEFFKNECHT: Beharrung und Reform, S. 119f. 765 Vgl. Verzeichnis sämmtlicher Schüler der königlichen Studienschule zu Feldkirch im Illerkreise im Studienjahre 1811 bis 1812; Jahres-Bericht der königlichen Studienschule zu Feldkirch im Illerkreise 1813; Jahres-Bericht der königlichen Studienschule zu Feldkirch im Illerkreise 1814; Jahres-Bericht der k.k. Studienschule zu Feldkirch 1815; Iuventus Caesarei Regii Gymnasii Feldkirchensis censa execute anno scholastico 1816–1826. 766 MASCHLER: Johann Christian Zangerl, S. 3. 767 VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz, Sch. 160, 946/18; MA, Montafoner Familienbuch, Batlogg.

Schluss – Ländliche Eliten im Wandel? 247

Gemeindevorsteher während ein anderer Sohn als Landgerichtsschreiber in Tirol tätig war.768 Auch Bonifaz Sander, der Sohn des Montafoner Vorgesetzten Ignaz Sander, absolvierte ein Studium und wurde Bezirkhauptmann in Bludenz und Kitzbühel.769 In nahezu allen Fällen wurden die Staatsdiener oder Ärzte jedoch in weiter entfernt liegenden Territorien eingesetzt und verloren somit zunehmend die Bindung an ihre Herkunftsregion und die dort verbliebenen Verwandten.

768 LORINSER: Gedenkblätter der Familie Lorinser, S. 29. 769 SANDER: 600 Jahre Sander, S. 42–44; MA, Montafoner Familienbuch, Sander.

Literaturverzeichnis 249

LITERATURVERZEICHNIS

Literatur

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250 Ländliche Eliten im Wandel

ANGERER/Jan BORGMANN/Sabine FECHTER/Heinrich HACKER/Lothar HOFMANN/Birgit

JAUERNIG/Otto KETTEMANN/Herbert MAY/Martin ORTMEIER/Bertram POPP/Ariane

WEIDLICH (Hg.): Pracht.Prunk.Protz. Luxus auf dem Land (Schriften Süddeutscher Freilichtmuseen 4), Finsterau 2009, S. 167-182.

BEHRINGER, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München 2007.

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Periodika

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Jahres-Bericht der königlichen Studienschule zu Feldkirch im Illerkreise 1813.

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Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU Christi 1780.

Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU Christi 1781.

Neuer Katholischer Schreib-Kalender auf das Schalt-Jahr nach der Gnadenreichen Geburt JESU Christi 1782.

Verzeichnis sämmtlicher Schüler der königlichen Studienschule zu Feldkirch im Illerkreise im Studienjahre 1811 bis 1812.

Vorarlberger Tagblatt v. 30.4.1932.

Wiener Zeitung v. 28.7.1814.

288 Ländliche Eliten im Wandel

QUELLENVERZEICHNIS

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München:

Ministerium des Innern 27190/1

Tirol Urkunden 263-265

Diözesanarchiv Feldkirch

Moralitätsberichte Sch. XI

Montafon Archiv, Schruns:

Bruno Hueber-Archiv

Josef-Zurkirchen-Archiv

Montafoner Familienbuch

Polizei-Straf-Protokoll des Königl. Baiersch-Landgerichts Montafon für das Etatsjahr 1806/7

Österreichisches Staatsarchiv, Wien:

Allgemeines Verwaltungsarchiv:

Hofkanzlei IV M 3 Tirol

Hofkanzlei, Karton 1351, Tirol 1771–1791 (Anstalten gegen Tumulte)

Quellenverzeichnis 289

Privatarchiv Friedrich Juen

Staatsarchiv Graubünden

Archiv des Familienverbandes v. Salis, Familienarchiv v. Salis-Soglio, Nachlass Daniel v. Salis-Soglio [20/1] (1765-1832)

Tiroler Landesarchiv, Innsbruck:

Jüngeres Gubernium, Geheime Präsidialakten

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck:

FB 1661, FB 2076, FB 2709, FB 2710, W20548-50

Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz:

Bayerische Akten, Sch. 7, 84

Kreisamt I, Sch. 309, 312, 330

Kreis- und Oberamt Bregenz, Sch. 148, 160

Landgericht Montafon

Landstände Sch. 83

Nachlass Bitschnau Johann Josef und Bitschnau Georg

Stadtarchiv Bludenz

Talschaft Montafon

290 Ländliche Eliten im Wandel

Tauf-, Trauungs-, Sterbe- und Firmbuch Tschagguns 1784-1866 Tauf-, Trauungs-, Sterbe- und Firmbuch Bartholomäberg 1719-1784 Tauf-, Trauungs-, Firm- und Sterbebuch St. Anton 1677-1789 Trauungs- und Sterbebuch St. Anton 1785–1943

Vogteiamt Bludenz

Vorlass Hubert Weitensfelder

Abbildungsverzeichnis 291

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Arche Austria Abb. 29

Friedrich Böhringer Abb. 20

Gemeinde Galtür Abb. 36, 45

Falger-Museum Elbigenalp Abb. 25

Hotel Goldener Adler Ischgl Abb. 35

Friedrich Juen Abb. 9, 28, 37, 43

Michael Kasper Abb. 44

Annette Lehmann Tännler und Beat Tännler Abb. 46

Montafoner Museen/Montafon Archiv: Abb. 1, 2, 3, 7, 11, 17, 23, 31, 34, 39, 40, 41, 42 tiris Abb. 4, 10, 13, 14, 15, 16

Tiroler Kunstkataster Abb. 8, 38

Tiroler Landesmuseen Abb. 19, 22, 32, 48

Vogis Abb. 12 vorarlberg museum Abb. 47

Vorarlberger Landesarchiv Abb. 5, 6, 21

Vorarlberger Landesbibliothek Abb. 26

Vorarlberger Schulmedienstelle Abb. 30, 33

Wikimedia Abb. 24, 27

Yale Center for British Art Abb. 18

292 Ländliche Eliten im Wandel

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv

DAF Diözesanarchiv Feldkirch

MA Montafon Archiv

Östa Österreichisches Staatsarchiv

TLA Tiroler Landesarchiv

TLMF Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

VLA Vorarlberger Landesarchiv

ZKA Josef-Zurkirchen-Archiv