Spielzeit 2015 /2016

Johann Strauss Aschenbrödel

LANDESTHEATER COBURG Kultur_Anzeige 210x148:Kultur_Anzeige_DINA6 27.04.2010 10:39 Uhr Seite 1

Wir fördern Kultur hier in der Region Die HUK-COBURG wünscht beste Unterhaltung KULT R ASCHENBRÖDEL

Ballett von Mark McClain Musik von Johann Strauss jr. in der Fassung der posthumen musikalischen Einrichtung von Josef Bayer von 1901 herausgegeben von Michael Rot

Uraufführung am 2. Mai 1901 im Königlichen Opernhaus Berlin

Dauer der Aufführung ca. 2 Stunden mit einer Pause

Premiere am 16. April 2015 im Großen Haus 2 BESETZUNG

BESETZUNG

Aschenbrödel Natalie Holzinger / Eun Kyung Chung* Prinz Federico Frigo / Mariusz Czochrowski* Tante Po-Sheng Yeh / Takashi Yamamoto* Schwestern Mireia Martinez Pineda & Yuriya Nakahata / Chih-Lin Chan* Fee Eun Kyung Chung / Natalie Holzinger* Fuchs Mariusz Czochrowski / Federico Frigo* Ratte Chih-Lin Chan / Mireia Martinez Pineda* Freund des Prinzen Takashi Yamamoto / Po-Sheng Yeh* König / Modeschöpfer Jaume Costa i Guerrero

Es tanzt das Ballett Coburg Statisterie und Kinderballett des Landestheaters

Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

Aufführungsrechte 2015 Strauss Edition Wien – Verlagsgruppe Hermann GmbH, Wien Vertreten durch Schott Music GmbH & Co. KG

* Doppelbesetzungen stehen in alphabetischer Reihenfolge, die Abendbesetzung entnehmen Sie bitte dem Aushang BESETZUNG 3

Musikalische Leitung Alexander Merzyn Choreografie Mark McClain Bühnenbild und Kostüme Andreas Becker Dramaturgie Renate Liedtke

Choreografische Assistenz und Abendspielleitung Tara Yipp Inspi­zienz Eva Lehner Technische Leitung Daniel Kaiser Leitung der Beleuchtungsabteilung André Fischer Beleuchtungseinrichtung Thilo Schneider, Markus Stretz Ton Constantin Eckhart/Volker Engelhardt/Erich Geutner Bühne Thomas Hartan Chefmaskenbildnerin Carola ElfleinRequisite Mathias Stöcklein Leitung der Kostümabteilung Margareta Gulich, Anna Rudi Kostümassistenz Susanne Ijebuonwu Ausstattungsassistenz Susanne Wilczek Werkstätten­leitung und Schreinerei Thomas Müller Malersaal Rainer Schirmer Schlosserei Thomas Grund

Wir danken Herrn Ralph Braun für die Bereitstellung von bisher unzugänglichem Quellenmaterial und für seine um- fangreichen Informationen bezüglich der Genese des Werkes, wodurch Musik von Johann Strauss jr. für „Aschenbrödel“ in dieser Aufführung erstmals erklingen kann.

Wir danken allen Theaterbegeisterten, die so großzügig für unseren „Wäscheberg“ gespendet haben.

Wir danken dem Freistaat Bayern und der Stadt Coburg für die großzügige Förderung unseres Hauses. Ebenso danken wir dem Bezirk Oberfranken.

Aus rechtlichen Gründen sind Bild- und Tonträgeraufnahmen während der Aufführung nicht gestattet. www.hoernlein-feyler.de

Wir setzen auf Spezialisierung. Wolfgang Hörnlein Frank Sitte Dr. Thomas Kunze Fachanwalt Medizinrecht Fachanwalt Miet- und Fachanwalt Verkehrsrecht Fachanwalt Versicherungsrecht Wohnungseigentumsrecht ADAC-Vertragsanwalt Maren Feyler Lutz Lindner Heidi Schüler Fachanwältin Familienrecht Fachanwalt Arbeitsrecht Fachanwältin Fachanwältin Erbrecht Fachanwalt Verkehrsrecht Verwaltungsrecht Kasernenstraße 14 • 96450 Coburg Mediatorin (univ.) Zert. Testamentsvollstreckerin Volker Albrecht Karoline Hartwig Fachanwalt Sozialrecht Rechtsanwältin T. 09561/ 80110 Diese Kanzlei ist nach Dr. Wolfgang Hacker Fachanwalt Strafrecht Umgangs- und Sorgerecht ISO 9001:2008 zertifiziert für anwaltliches Dienstleistungs- www. hoernlein-feyler.de Fachanwalt Medizinrecht Rentenberatung und Kanzleimanagement. Fort mit ihr, in die Küche, wenn sie essen will, soll sie unsere Magd sein. 6 HANDLUNG

DIE HANDLUNG

Aschenbrödel hat der plötzliche Tod ihrer Eltern Da steht eines Tages eine alte Bettlerin vor der Fee zu Hilfe. Täubchen sollen Aschenbrödel bei aus einem Leben geworfen, indem es ihr bisher Tür und bittet um eine milde Gabe. Die Tante der Arbeit helfen. Wie von Zauberhand be- an nichts gefehlt hatte. Die Tante, die das Erbe und die Schwestern befördern die alte Frau mit kommt Aschenbrödel ein wunderschönes Ball- antritt und Aschenbrödel aufnehmen muss, ist einem Fußtritt vor die Tür. Aschenbrödel aber kleid, neue Tanzschuhe und wird mit einer wenig begeistert über diese Auflage, denn sie hat hat Erbarmen, holt sie zurück und teilt mit ihr Kutsche zum Königspalast gefahren. Doch die schon zwei Töchter. Bereits auf der Trauerfeier das letzte Stückchen Brot. Doch die Alte war Fee hat Aschenbrödel ausdrücklich geboten, wird klar, dass Aschenbrödel nichts Gutes zu niemand anderes als die gute Fee. Sie verschwin- noch vor Mitternacht den Tanzsaal zu verlassen, erwarten hat. Ihre Patin, eine Fee, beauftragt det plötzlich und an ihrer Stelle steht der Freund denn dann hat der Zauber seine Kraft verloren. einen Fuchs und eine Ratte, Aschenbrödel auf des Prinzen, und überbringt eine Einladung zu Der Fuchs soll immer ein waches Auge auf den ihrem weiteren Lebensweg zur Seite zu stehen. einem Ball. Der König gibt ein Maskenfest, um Schlag der Stunde haben und Aschenbrödel Die beiden Tiere, nicht gerade miteinander für seinen Sohn eine passende Braut zu finden. erinnern, rechtzeitig umzukehren. befreundet, müssen nun für Aschenbrödel Die beiden Schwestern lassen sich sofort die Auf dem Kostümball langweilt sich der Prinz, Frieden miteinander schließen, um ihre Aufgabe neuesten Modeschöpfungen präsentieren, um denn keines der anwesenden Mädchen findet meistern zu können. auf dem Ball die Schönsten zu sein. Auch seinen Gefallen. Doch dann erscheint Aschen- Fortan muss Aschenbrödel niedere Dienste Aschenbrödel träumt davon, auf den Ball zu brödel und der Prinz hat nur noch Augen für sie. versehen. Sie protestiert, erntet aber nur Schläge gehen, vielleicht sogar mit dem Prinzen zu Doch die Stunden rücken unerbittlich voran und bekommt nichts zu essen. tanzen. und der Fuchs muss Aschenbrödel ermahnen, Die beiden anderen Mädchen drangsalieren Doch mit dem Auftauchen der Tante findet rechtzeitig das Fest zu verlassen. Schweren Aschenbrödel und zwingen sie, ihnen dienstbar dieser wunderschöne Traum ein abruptes Ende. Herzens eilt Aschenbrödel davon, hat aber in zu sein. Aschenbrödel muss schwer arbeiten und Aschenbrödel wird mit Arbeit zugedeckt und die der Hast ihren Tanzschuh verloren. Der Prinz erntet nichts als Hohn und Spott. Berge von Schwestern gehen mit ihrer Mutter zum Fest. eilt seiner Schönen nach, findet aber nur noch Wäsche muss sie bewältigen, doch zum Glück Fuchs und Ratte wollen helfen, geraten aber wie ihren Schuh. Gerade noch rechtzeitig kommt helfen ihr die Tiere. so oft in Streit miteinander. Schnell eilt da die Aschenbrödel vor den Schwestern und der HANDLUNG 7

Tante heim, die von dem Ball erzählen und gar ein Auge auf den verwitweten König. Doch angeben. Der Prinz, sein Freund und der König erst einmal müsste sie zeigen, dass sie auch ein machen sich auf die Suche nach dem geheim- Herz für andere Menschen und für Tiere hat, nisvollen Mädchen. Sie ziehen durch die ganze und Fuchs und Ratte füttern und streicheln, Welt und lassen die jungen Mädchen den Tanz- dann, wer weiß … Johann Strauß ist von allen Gottbegnade- schuh probieren, doch keiner passt der Schuh. ten für mich der liebenswürdigste Freuden- Auch in das Haus der Tante kommen sie. spender. Dieser erste, allgemeine Satz mag Die beiden Schwestern versuchen vergeblich, etwas als das Motto der Gefühle gelten, die ihre Füße in den Schuh zu zwängen. Der Fuchs ich für diese wunderbare Erscheinung hege. drängt Aschenbrödel, doch auch zu probieren. Insbesondere verehre ich in Johann Strauss Aber sie möchte gar nicht. Wenn der Prinz ihr die Ursprünglichkeit, die Urbegabung. Herz erkennt, braucht er keine Schuhprobe. In einer Zeit, wo sich schon alle ringsum Der Prinz hat aber Aschenbrödel längt entdeckt mehr dem Komplizierten und Gedachten und ein Blick in ihre Augen sagt ihm, dass sie zugewandt hatten, erschien dieses Natur- die Richtige ist. Den Schuh benötigt er eigent- talent mit der Fähigkeit, aus dem Vollen zu lich gar nicht mehr, aber er passt! schöpfen. Er gilt mir als einer der letzten, Die Fee ist mit dem Ausgang der Geschichte die primäre Einfälle hatten. zufrieden, Aschenbrödel und der Prinz sind Richard Strauss glücklich, Ratte und Fuchs vertragen sich für den Rest ihres Lebens, und die beiden Schwes- tern? Sie machen sich nun an den Freund des Prinzen heran, um vielleicht doch noch einen Bräutigam zu bekommen und die Tante wirft 8 JOHANN STRAUSS SOHN – COBURGER BÜRGER

JOHANN STRAUSS SOHN – COBURGER BÜRGER

Am 25. Oktober 1825 wurde morgens gegen verlor und mit zwölf den Vater, der sich, hoch- So setzte er sich in Wien frühzeitig für Richard 7 Uhr 30 in der Wiener westlichen Vorstadt verschuldet, in der Donau ertränkte, einst einer Wagner ein und dirigierte Auszüge aus dessen St. Ulrich Nr. 76 Johann Strauss, genannt der größten deutschen Tanzkomponisten wer- Opern. „Schani“, geboren. den sollte. Zur Zeit der Geburt von Johann Wagner nannte ihn einmal den „musikalischsten Die meisten Vorfahren von Johann waren Strauss junior war Johann Strauss senior als Schädel“, der ihm untergekommen sei. Angehörige sozial niedriger Schichten und Komponist und Dirigent des von ihm gegründe- 1862 ging er die Ehe mit der ehemaligen Opern- vornehmlich Wirt, Bauer oder Kutscher. ten Orchesters eine Berühmtheit und der Abgott sängerin Henriette Treff ein. Johanns Mutter Nur drei von über 30 ermittelten Ahnen erlang- Wiens. war nicht gerade beglückt über die Wahl ihres ten das Bürgerrecht, einer von ihnen war der Schani hatte es später nicht leicht, sich aus den Ältesten, hatte die sieben Jahre ältere Jetty doch bürgerliche Bierwirt Franz Borgias Strauss, Fußstapfen des Vaters zu lösen. Bereits im Alter bereits sieben uneheliche Kinder im Alter ältester Sohn des Juden Johann Michael Strauss, von sieben Jahren spielte er die väterlichen zwischen 10 und 21 Jahren, die sie dann alle- mit dem die meisten Biografien von Johann Walzer-Melodien auf dem Klavier nach, und samt deren Vätern zur weiteren Erziehung Strauss jr. starten. seine Improvisationen über Walzer-Floskeln überließ. Jetty aber wurde Johann eine lebens- Johanns Bruder Eduard hat sich um die Chronik bilden den Beginn seiner Komponistenkarriere. kluge Gefährtin und seine beste künstlerische der Familie verdient gemacht. Aber das Einzige, Gegen den Willen des Vaters hatte er später den Beraterin, sie schuf ihm ein behagliches Heim was die Familie über die Kindheit von Johann Musikerberuf gewählt und trat gar an der Spitze und schaffte es, ihn, Johann, aus seiner starken Strauss senior weiß, ist, dass der „Knabe Johann, einer eigenen Kapelle als Konkurrent des Vaters Mutterbindung zu lösen und sein künstlerisches wenn in der größeren der beiden Räumlichkei- auf. Selbstbewusstsein zu stärken. Sie war es, die ihn ten des Wirtshauses Musikanten spielten, unter Die Zeit von 1850 bis 1870 erfüllte ihn mit auf den Pfad der Operette führte und ohne einen Tisch kroch, um ungesehen von Vater Dirigieraufgaben im In- und Ausland, wobei er ihren Einfluss wäre er vielleicht nicht der „Ope- und Mutter den Musikanten zuhören zu kön- sich nicht nur der Tanzmusik widmete, sondern rettenkönig“ geworden, als der er in die Musik- nen.“ Keiner ahnte, dass der Junge, der bereits in seinen Konzerten auch klassische und zeit­ geschichte einging. Seinen ersten Erfolg errang mit sieben Jahren durch Krankheit seine Mutter genössische Werke aufführte. Johann 1871 mit „Indigo“. Seinen größten JOHANN STRAUSS SOHN – COBURGER BÜRGER 9

Operetten-Erfolg aber fuhr Strauss jr. im Jahr bürgerschaft entgehen. So machte Strauss kurz Der Coburger Oberbürgermeister Rudolph 1874 mit „“ ein. nach seiner Premiere des „Zigeunerbarons“ den Muther übernahm die standesamtliche Trauung Nach dem Tod von Henriette 1878 heiratete wohl spektakulärsten Schritt seines Lebens. Er und Hofprediger Dr. Johannes Georg Hansen Strauss noch im selben Jahr die 24 Jahre jüngere beantragte den Austritt aus dem österreichi- vollzog die kirchliche Trauung in der Hofkirche Sängerin Ernestine Henriette Angelika Dietrich schen Staatsverband. Schloss Ehrenburg. – genannt Lily. Nur zwölf Tage nach Jettys Tod Über Erzherzog Johann trat Strauss im Mai So bekam Coburg für Johann Strauss jr. eine hatte Lily die Eheerlaubnis beantragt. Doch die 1886 an Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg- ganz besondere Bedeutung, war er doch für Ehe, von der sich Lily offenbar mehr erhofft Gotha heran, der, selbst Komponist von Operet- Adele 1886 Coburger Bürger geworden und ist hatte, verlief recht unglücklich und wurde ten und Opern, die Einbürgerung befürwortete. 1899 in Wien als Coburger Bürger gestorben. bereits 1883 wieder geschieden. So konnte Lily Das deutsche Reichsbürgerrecht erwarb dann Damit hat die Vestestadt neben der Donau­ den Theaterdirektor Franz Steiner heiraten, was Strauss mit dem Antrag, „sich für die Zukunft in metropole Wien als einzige Stadt weltweit auch ihren Ambitionen auf eine Theaterkarriere der freundlichen Stadt Coburg unter der Regie- ein „Bürgerrecht“ an Johann Strauss, dem förderlicher vorkam. Nur kurze Zeit nach Lilys rung des kunstsinnigen Herzogs Ernst niederzu- „personifizierten Österreich“. Auszug „erinnerte“ sich Strauss an eine junge lassen, von hier aus meine Kunstreisen in die Witwe – noch jünger als Lily – Adele mit einer größeren Städte des In- und Auslands zu unter- zweijährigen Tochter Alice. nehmen und von Zeit zu Zeit zum Zwecke Und hier kommt nun Coburg ins Spiel der musikalischer Compositionen sowie zu meiner Geschichte um Johann Strauss jr. Erholung hierher zurückzukehren.“ Strauss Denn im streng katholischen Wien gab es keine logierte zunächst im Hotel „Weißer Schwan“ Chance auf eine Ehe mit Adele, da die staatlich in der Spitalgasse, nahm dann Wohnsitz in der getrennte Ehe dennoch bis zum Tode eines der Villa Bruhns in Pilgramsroth 1 und wohnte früheren Partner fortbestand. Dem konnte man zu­letzt in der Alexandrinenstraße 13. Am 15. nur mit Religionswechsel und anderer Staats- August 1887 konnte endlich geheiratet werden. 10 ARBEITSWEISE

Geliebtes Herz! ARBEITSWEISE Was tut man nicht alles für ein Weib! – Was ich an einem Tag ausgestanden, können andere nicht in Jahren! Ich bin zwar sehr, sehr müde, von den heute durchgemachten Aufregungen, doch will ich nicht zu Bette gehen, ohne Deinem Wunsch gemäß zu erzählen, was sich zugetragen. Trutter (Rechtsanwalt Strauss arbeitet „fieberhaft“: Er komponiert mit und Freund von Strauss) erwartete mich auf dem Bahnhof; zufällig war der hiesige Hofkapellmeister derselben Nervosität, mit der er das Orchester am Bahnhof, der mich erkannt, und sofort ward durch Trutter die Bekanntschaft mit ihm gemacht. Der dirigiert. Sein Arbeitskabinett ist überall. In Mensch entgeht seinem Schicksal nicht; es bedarf nichts, als die Nase in irgend ein Loch zu stecken, einem Sammetanzug, mit Stulpenstiefeln, die bums – die Geschichte ist fertig. Davon erzählte mir Dr. Trutter, welcher mit seiner Frau im S a l o n Haare in Unordnung, so läuft er durch die Ap- (nach hiesigen Begriffen) in meinem Hotel mit mir soupierte, nachdem er sich vergeblich bemüht, mich partements. Fällt ihm im Salon nichts ein, so rafft vorher durch einen Spaziergang in höhern Regionen, wogegen sich meine Natur sträubt, zu zerstreuen. er seine Papiere zusammen und wandert in sein Gleich nach meiner Ankunft war ich mit Trutter beim O b e r bürgermeister ferner beim O b e r justiz- Schlafzimmer oder in das Boudoir seiner Gattin, rat, und schließlich bei dem O b e r magistratsbeamten, welch letzterer meine schriftliche Bestätigung abnahm, dass ich in Coburg Wohnung genommen, und als Coburger Bürger daselbst verbleiben werde. und so manchen in seinem Arbeitskabinett Du kannst Dir vorstellen, wie es mir schwergefallen, g l e i c h n a c h A n k u n f t, und rasch gewech- be­gonnenen Walzer vollendet er in der Küche. selter Toilette, diesen Obliegenheiten zu folgen. Protokolle wurden mir vorgelesen und sind unterzeich- Madame Strauss, welche die Angewohnheiten net worden, – freundliche Worte musst ich für jeden einzelnen finden – Kratzfüße hinten und vorne des aufgeregten Künstlers kennt, sorgt dafür, dass waren an der Tagesordnung, bis der Abend heranbrach. Dr. Trutter habe ich eindringlich bitten müssen, er in jedem Zimmer einen Tisch mit Schreibgerät zu meiner Erholung doch nicht eine Fußpromenade in Höhen zu wählen, die meine Nerven nicht ver- vorfindet, so dass Gott Strauss sich überall hei- tragen, umso weniger als ich bereits auf der Reise schon viel dergleichen genossen hatte. misch fühlt. … Ob Strauss eine Operette oder Glücklicherweise fing es zu regnen an, und der Weg ins Hotel zurück eingeschlagen. Peter (sein Diener) eine komponiert, er gerät in einen unbe- kann nicht unmittelbar neben mir sein, da die Zimmer nebenan vermietet sind. Ich wohne im 1. Stock schreiblichen Zustand nervöser Aufregung. – da das Gebäude nur einen solchen besitzt – es ist mehr ein Wirtshaus als ein Hotel! Doch kein Besseres Nach zwei oder drei Stunden solcher Arbeit ist in Coburg, daher das Erste! er ermüdet wie ein Lastträger … Strauss glaubt Da ich weiß, dass Du von mir und Trutter morgen alles andere erfahren kannst, schließe ich diese Zei- immer, hinter dem, was er schon geleistet, zu- len, mit dem Wunsch, Du mögest Dich in Lichtenfels behaglicher fühlen, als Dein, von Dir verlassener rückzubleiben. Er gehört zu jener Rasse von Armer, der Dir im Geiste Millionen Küsse sendet, und sich freut, Dich morgen ½ 3 Uhr umarmen zu können. Dein JEAN Künstlern, welche ihr Leben damit verbringen, an sich selbst zu zweifeln…“ Albert Wolff ASCHENBRÖDEL – EIN FRAGMENT 11

ASCHENBRÖDEL – EIN FRAGMENT

Seine Frau Adele war es, die Strauss immer rott und erschoss sich. Fünf Jahre später wurde sche Ballett durchdacht, durch welches moder- wieder ermunterte, die Pläne, ein Ballett zu „“ am begeis- nes Leben und Schicksal charakterisiert wird.“ schreiben, erneut aufzunehmen. Die Idee fiel tert aufgenommen. (Johann Strauss jr.) Den ersten Preis erhielt dann bei Strauss erst einmal auf fruchtbaren Boden, Strauss war froh, dass Adolf Müller die Zusam- eine moderne Fassung von „Aschenbrödel“, wenngleich er sich bis dato weder durch Hans- menstellung von „Wiener Blut“ vorgenommen verfasst von einem gewissen A. Kollmann aus lick, noch Kalbeck oder Paul Lindau dazu hatte hatte, denn er wollte nun endlich sein abend­ Salzburg. Der Preis von 4000 Kronen wurde bewegen lassen. Auch der Generalintendant des füllendes Ballett komponieren. über einen Rechtsanwalt ausgezahlt: So konnte Wiener Hoftheaters, Freiherr von Hofmann, war Für die Libretto-Findung war am 5. März 1898 das Pseudonym des Gewinners gelüftet werden. 1880 bereits mit einem Ballettprojekt an Johann in der Wiener Wochenzeitschrift „Die Waage“ Es handelte sich um den früheren Direktor der Strauss jr. herangetreten. Ballett-Einlagen hatte ein Preisausschreiben veröffentlicht worden: Gesellschaft für Graphische Industrie in Wien, Strauss jr. ja bereits für einige Operetten und „Seit vielen Jahren bemühen sich die Freunde um Karl Colbert. auch seine Oper „Ritter Pásmán“ geschrieben. des Meisters Johann Strauss, ihn zur Komposi­ In diesem Libretto ist der „Prinz“ namens Gustav Er zog also ernsthaft eine Ballettproduktion in tion eines Balletts zu bewegen. Er hat sich der Inhaber eines Modeateliers. Seine Geschäfts- Erwägung, doch dann kam wieder eine Ope- nunmehr entschlossen, dieses Verlangen zu führerin Madame Leontine ist die Stiefmutter der rette – „Die Göttin der Vernunft“ – sozusagen erfüllen, und hofft, ein geeignetes Textbuch zu dazwischen. Es sollte seine letzte eigens kom- erlangen.“ In der Jury waren neben Strauss und ponierte Operette werden. Die Operette dem Herausgeber der Zeitschrift auch Eduard „Wiener Blut“ wurde später von Adolf Müller, Hanslick und Gustav Mahler. 718 Einsendungen Der Mann trieft ja von Musik, dem Chefdirigenten des Theaters an der Wien, trafen bis zum Mai 1898 ein. „Achthundert dem fällt immer etwas ein. aus verschiedenen Werken von Johann Strauss Arbeiten sind bisher eingegangen, aber von den Johannes Brahms jr. zusammengestellt. Doch „Wiener Blut“ Hunderten von Büchern, die ich bis jetzt durch- bescherte dem Direktor des Carl-Theaters gelesen habe, ist nicht eines, das mich wirklich Franz Jauner keinen Erfolg. Er machte Bank- voll befriedigte … Am dürftigsten ist das realisti- 12 ASCHENBRÖDEL – EIN FRAGMENT

bei ihr angestellten Grete, dem Aschenbrödel. Im Spätherbst 1898 soll Strauss die Rohfassung Der Ballettdirektor der Wiener Hofoper, Josef Doch erst flirtet Grete hier noch mit Franz, dem für „Aschenbrödel“ fertiggestellt haben. Doch: Bayer, hatte nach dem Tod von Johann Strauss jüngeren Bruder von Gustav, doch im Traum hat „Ich habe mit dem Ballett vollauf zu tun, schreibe unter Nutzung von vorhandenem Skizzenmate- sie bereits die Vision, dass sie mit Gustav vor dem mir die Finger wund und komme dabei nicht rial eine aufführungsfähige Fassung gemacht. Traualtar stehen wird. Auf dem Ball wird dann vom Fleck. Ich bin auf der 40. Seite (Partitur) Das in seiner ersten Fassung aus vielen Puzzle- dieses Aschenbrödel sehr aktiv, in einem ägypti- und habe erst 2 Szenen erreicht“, so schrieb er im teilen zusammengesetzte Mosaik hat er in einer schen Tanz verzaubert sie Gustav und es endet Mai 1899 an seinen Bruder Eduard. Er gab sein zweiten Bearbeitungsfassung noch einmal letztlich wie es enden muss, Gustav reicht Grete Bestes, denn immerhin sollte dieses Ballett an der neugestaltet. Gustav Mahler war offensichtlich die Hand zum Ehebund. Wiener Hofoper herauskommen und Hofopern- der Meinung, dass „Aschenbrödel“ so nichts Nach Aussage von Ralph Braun, 2006 zum direktor Gustav Mahler wollte die Uraufführung mehr mit Johann Strauss zu tun habe, und 1. Vorsitzenden der Strauss-Gesellschaft ge- des prämierten Balletts garantieren. verweigerte eine Aufführung. wählt und Konzertmeister im Philharmoni- Pfingstmontag 1899 dirigierte Strauss in der schen Orchester Coburg, gilt das Urlibretto als Hofoper zum 25-jährigen Jubiläum der „Fle- verschollen. Josef Bayer soll handschriftlich in dermaus“ deren Ouvertüre. Vier Tage darauf dem von ihm zusammengestellten Klavieraus- gibt er Autogramme auf einem Modefest im zug ein Libretto eingetragen haben, was aller Prater. Am nächsten Tag arbeitet er an Ich habe so viele ungedruckte Kompo­si­ Wahrscheinlichkeit vom Urlibretto abweichen „Aschenbrödel“, musste aber vorzeitig zu Bett, tionen, dass ich daraus mehrere Ballette soll und dies noch einmal verändert in seiner da Fieber im Anzug war. Eine doppelseitige machen könnte. Übrigens werde ich auch zweiten Vollendungsfassung. In unserer Auf- Lungenentzündung war es, die Strauss in den ein paar neue Nummern dazu schreiben. führung hat Mark McClain ein eigenes Libret- Armen seiner Gattin Adele am 3. Juni 1899 (Johann Strauss jr.) to entwickelt, welches sich an der Fassung der von dieser Welt gehen ließ. Sein viel zu früher Brüder Grimm und Perrault orientiert, aber Tod mitten in der Arbeit ließ sein einziges auch Elemente der Fassung von Bayer einflicht. Ballett unvollendet zurück. ASCHENBRÖDEL – EIN FRAGMENT 13

So wird er gern als einer der Verhinderer einer einem ‚Prof. Heinrich Müller‘ … zumindest „Uraufführung“ genannt, denn er zog sein zwei potentiellen Interessierten direkt offeriert: Mittwoch, nachts 1 Uhr Angebot einer Aufführung zurück. 40 Blatt im Jahr 2007 der Theatermusikalien- Was Du mir im Leben warst, wirst Du erst So kam „Aschenbrödel“ erst am 4. Oktober sammlung der Landesbibliothek Coburg, dann erfahren können, wenn Dein Jean nicht 1908 in Wien unter Hofoperndirektor Felix im Zuge von Nachfragen dem Vorsitzenden der mehr sein wird. Die Poesie der Ehe, sei sie Weingartner, der Mahlers Nachfolger wurde, Deutschen Johann Strauss Gesellschaft, Ralph katholisch, protestantisch oder jüdisch, auf die Bühne. Braun … Braun sollte 2008 für 61 handschrift­ besteht in einem innigen seelenhaften In den 1990er-Jahren sind in der Wienbibliothek liche Strauss-Seiten 30 000 € bezahlen und Zusammenleben – freundschaftlichen? – Autographe „verschwunden“, darunter auch erhielt Kopien der Ware. kann ich mir nicht vorstellen –, weil ich der Manuskripte von Johann Strauss. Durch glück­ Er wollte diesen Betrag nicht investieren … und irdischen Liebe Adieu zu sagen noch nicht lichen Zufall oder Dummheit der Täter tauch- informierte die Wien­bibliothek … Anfang 2010 in dieser trostlosen Lage angelangt bin. In ten da dann doch ein Teil der „Beute“, einige wurden jene 61 Seiten, deren Verkauf an Braun dieser Beziehung dulde ich von keiner Seite Part­it­urskizzen zum unvollendeten „Aschenbrö- nicht zustande kam, zur Frühjahrsversteigerung Vorwurf. Natürlich meine ich nur Dich! del“ mit dem Stempel „Nachlass Johann Strauß“ von Venator & Hanstein in Köln öffentlich Denn – ich kann’s beschwören, ich bin Dir wieder auf. Der Absender gab an, die sogenann- feilgeboten … In Köln wurden die Original­ bis zu dieser Minute treu – ja treu geblie- ten Autographen auf einem Flohmarkt erstan- seiten von der Hand des ‚Walzerkönigs‘ im März ben. – Ich staune über mich selbst, aber es den zu haben. „Diese Materialien stammten aus aus dem Verkehr gezogen – von der Staats­ ist kein Wunder, denn die Adele ist mir ein der Sammlung Strauss-Meyszner, die im Kon- anwaltschaft.“ ins Herz gewachsenes Wesen. text der 6. Reichstheater-Festwoche in Wien Juni (Frieder Reininghaus, „Johann Strauss auf Irrfahrt“) Millionen Umarmungen umschlingen Dich 1939 und der mit diesem Festival betriebenen von Deinem Jean ‚Arisierung‘ von Johann Strauss ‚abgenötigt‘ und Diesen Brief überließ Adele nach dem Krieg Gegenstand von Restitutions- dem Strauss-Biographen Decsey zum Abdruck. verhandlungen wurde … Jedenfalls wurden von 14 ASCHENBRÖDEL – NACHRUF

ASCHENBRÖDEL – NACHRUF

Gegen Ende seiner Laufbahn fühlte sich Strauss etwas Unerwartetes: eine prächtige Ballettmusik, Anzahl seiner halbvergessenen schönsten Tänze von dem sehr begreiflichen, aber unheilvollen die weithin glänzende Perle des Ganzen! Mit zu neuem, erhöhtem Leben zu erwecken. Ver- Ehrgeiz gestachelt, ein größeres Werk für die den ersten Takten des Balletts scheinen Strauss dankt doch das überaus siegreiche Ballett „Wie- Wiener Hofoper zu schaffen. Er nahm einen plötzlich die Flügel zu wachsen; … Diese köstli- ner Walzer“ seinen Erfolg zumeist den einge- gewaltsamen Anschwung und komponierte den che Ballettmusik erneuerte in mir einen alten, flochtenen alten Walzern von Lanner und den dreiaktigen „Ritter Pasman“. Des Wiener Publi- wiederholt öffentlich ausgesprochenen Wunsch: beiden Strauss … Ich denke, dass Strauss, mit kums war er sicher, und auf die lustigsten seiner Strauss möchte ein vollständiges Ballett für die dem ich in Ischl und zuletzt in Wien eingehend Operetten durfte er stolz sein. Aber jede Macht Hofoper schreiben, er, der einzige deutsche über das neue Ballett sprach, schließlich seine ist an eine Ohnmacht gebunden. Seine Macht Komponist, der dies mit starker Wirkung und Skrupel wegen solcher Auffrischungen überwun- lag in den kleinen Formen, den Tanzrhythmen, spielender Leichtigkeit vermochte. Lange wollte den hätte. Fröhlich machte er sich an den dem Frohsinn; seine Ohnmacht in den breiten er nichts davon hören. Da, wenige Monate vor Anfang seines letzten, lustigsten Werkes – da Ensembles, der dramatischen Charakteristik, seinem Tode, schien er sich plötzlich mit dem klopfte ihm, wie man auf alten Bildern sieht, der dem leidenschaftlichen Gefühlsausdruck. Gedanken zu befreunden. Fast, als wolle er sich Tod mit dem Fiedelbogen auf die Schulter. Das Merklich reagierte seine Natur gegen die matte, selbst jede Umkehr abschneiden, schrieb er Leben ein Tanz – das Leben ein Traum. konventionelle Handlung … Unser Johann einen bedeutenden Preis aus für das beste Mit Johann Strauss ist nicht bloss ein glänzendes Strauss musste sich verleugnen, sich umzwingen Libretto zu einem heiteren Ballett. Eine Sintflut Talent, ein Herold des Wiener musikalischen – und das führt selten zu einem guten Ende. … von sieben- achthundert Ballett-Entwürfen Ruhmes von uns geschieden, sondern auch ein Man bewunderte die Geschicklichkeit, womit ergoss sich verheerend in die Igelgasse. Aus den überaus liebenswerter, wahrhafter und wohlwol- Strauss in diesen ihm bisher ganz fremden Stil relativ besten wählte Strauss ein ins Moderne lender Mensch. Es ist nicht möglich, bescheide- und fremden Ton sich hineingearbeitet hatte. übertragenes „Aschenbrödel“, das wenigstens im ner von sich selbst zu sprechen und zu denken, „Aber das ist nicht unser Strauss!“ hörte man letzten Akt (einem Ballfest) seiner glänzenden als Strauss es tat. … während der zwei ersten Akte im Publikum Spezialität entgegenkam. Hier, glaubte ich, hätte Nachruf von Hanslick auf Johann Strauss Sohn murmeln. Da kam gegen Ende des dritten Aktes Strauss den Anlass und das Recht gehabt, eine

„WOHLKLANG“ UND „NACHKLANG“ 23

„WOHLKLANG“ UND „NACHKLANG“

Immer wieder beweist seine Musik, welches die der von ihr herausgegebenen Briefe „pietätvoll“ en fertig zu werden. Strauss, der nirgendwo unverzichtbaren Kriterien einer „guten Musik“ zu bearbeiten – ganz zu schweigen von Ignatz – auch nicht in seinen Operetten – den Tanz- sind: Einfallsreichtum, erlesene Harmonisierung, Schnitzer, der uns keinen an ihn gerichteten komponisten verleugnen konnte, und damit stets rhythmischer Elan, sangbare Melodik, adäquate Brief unredigiert überlassen hat. Strauss war ein auf die Zweckgebundenheit seiner Musik hin- Formgebung und faszinierende Instrumentation. zuweilen recht fantasievoller Fabulierer, dessen deutete, schrieb im Grunde immer „absolute Um dieser Kriterien willen war Anton Bruckner Aussagen man nicht immer ernst nehmen kann. Musik“. Er, dem die Massen der Tänzer und sogar bereit, das Werk von Johann Strauss höher An seinen eklatantesten Übertreibungen laben Hörer zujubelten und der den Erfolg scheinbar einzustufen als das von Johannes Brahms. sich noch heute die Strauss-Biografen. So ist es tagtäglich zu erzwingen suchte, war am glück- Brahms wiederum „konnte nicht genug den an der Zeit, ein möglichst unretuschiertes Bild lichsten in der Einsamkeit seines Studios und Geist und den Wohlklang der Straussschen von Strauss der Öffentlichkeit zu präsentieren, enger Häuslichkeit“. Wenn Strauss schlechthin Orchestrierung rühmen“. Beider Freund Edu- zumal es außer Robert Schumann kaum einen der „musikalische Repräsentant des „Öster- ard Hanslick verbreitete ähnlich in einer Kritik weiteren Komponisten gibt, der über den Zu- reichsthums“ genannt wird, so darf man ande- des „“ die Behauptung, im Orches- sammenklang von Kunst und Leben mehr zu rerseits nicht seine Wirkung in der Welt verken- ter von Strauß herrsche „Mozartischer Wohl- sagen hat als Johann Strauss. Adele hat das so nen. Aus dem Wiener Vorstadt-Komponisten klang“. umschrieben: „Über den Künstler Johann „Schani“ wurde der musikalische Weltbürger Ein „Nachklang“ der Straussschen Existenz Strauss ist viel geschrieben worden – den Men- „Jean“. scheint indessen vernachlässigt worden zu sein: schen kennen nur wenige. Und doch hat dessen Norbert Linke seine ganz persönliche Erfahrung als Künstler. persönliche Wesensart vielleicht mehr als sonst Noch immer sind uns bestimmte Zeugnisse und auch die künstlerische bestimmt.“ Zuweilen Briefe unzugänglich. In psychologisierender „naiv wie ein Kind, war er doch ernst und Weise haben zahlreiche Romanschriftsteller bedacht in Fragen seiner Kunst“. Sein unver- versucht, diese Lücken fantasievoll auszufüllen. gleichlicher Einfallsreichtum hat uns in die Selbst Adele hat es für richtig befunden, einige Verlegenheit versetzt, mit zahlreichen Paradoxi- 24 ASCHENPUTTEL ODER: VON EINEM VERTRAUEN, DAS DIE ANGST BESIEGT

ASCHENPUTTEL ODER: VON EINEM VERTRAUEN, DAS DIE ANGST BESIEGT

Was ein „Aschenputtel“ ist, weiß scheinbar jeder, darin, mitten im Elend niemals das Gefühl für Ausstrahlung bietet eher das Bild von grauen und viele, auch erwachsene Frauen (und Män- seine eigene Würde zu verlieren und gegen die Mäusen, die nichts sind und nichts haben, außer, ner), fühlen sich Zeit ihres Lebens so. scheinbar erdrückende Macht der Widerstände dass sie den Mund zu halten und sich in „Be- Was also ist ein „Aschenputtel“? Die Antwort der gesamten äußeren Welt den Traum nicht scheidenheit“ zu üben haben. darauf fällt trotz allem merkwürdig schwer. aufzugeben, im Grunde zu etwas Königlichem Und das tun sie denn auch. Vermeintlich! Nach Dem Namen nach ist ein „Aschenputtel“ „die in bestimmt zu sein. außen hin! – unter der Asche aber, mitten in der Asche wühlende, sich wälzende Küchen- Dieser Kontrast: Zwischen äußerer Erniedri- dem Ruß eines scheinbar ausgeglühten Lebens magd, ein geringfügiges unreines Mägdlein“ – gung und innerer Berufung, zwischen Ausgangs- glimmt doch die erstickte Glut eines verborgenen „pusseln“ oder „pöseln“ im Sinne von „mühsam bedingung und Ziel, zwischen Schicksalsgunst Verlangens nach einem ganz anderen, wahren suchen“ und „sölen“ = sudeln, „im Schmutz und Herzenssehnsucht bestimmt den Kern der Sein, zu dem es im Augenblick zwar keinen verderben“ steckt in dem Wort. Eine andere Aschenputtelgestalt. Zugang gibt, das aber dennoch eines Tages Vermutung möchte den Namen aus dem Grie- Wer die Geschichte vom „Aschenputtel“ inter- unfehlbar anheben wird. „Aschenputtel“ – das ist chischen ableiten: aus den Namen achylia = pretieren will, kommt folglich nicht umhin, sich die Geschichte von einem unbeugsamen Stolz Asche und puttos = weibliche Scham; Aschen- in die Seele von Menschen hinein zu fühlen, die entgegen aller Erniedrigung, das ist ein zähes, puttel wäre dann ein Mädchen, das mit der den äußeren Lebensumständen nach chancen- geduldiges Hoffen wider alle äußere Entbehrung; Scham in der Asche sitzt. So oder so ist der los auf die unteren Ränge verbannt sind: Allzu „Aschenputtel“ – das ist ein Leben in hundert Name mehr als ungenau, denn er beschreibt nur arm, ja armselig muten die Verhältnisse ihres Stunden unerhörter Einsamkeit, das ist ein die Außenseite, das, was man sieht: Viel wichti- Elternhauses an, als dass man ihnen einen unbemerktes Weinen unter der nach außen zur ger aber für das Wesen eines „Aschenputtels“ ist großen sozialen Aufstieg zutrauen möchte – Schau getragenen Maske von Gehorsam, Folg- die Innenseite, das, was man nicht sieht, doch sie haben, in unseren Tagen, womöglich keinen samkeit und womöglich von Frohsinn; das ist ein unbedingt sehen muss, um das Wesen eines „höheren“ Schulabschluss, sie sind keine „Stu- stummes Klages in äußerem Schweigen – oder solchen Menschen zu verstehen. Das Geheimnis, dierten“, sie sind, zumindest in ihren eigenen in äußerer Redseligkeit; „Aschenputtel“ – das ist das Wunder seines Lebens nämlich besteht Augen, nicht einmal besonders attraktiv, ihre das brennende Gefühl eines chronischen Un- ASCHENPUTTEL ODER: VON EINEM VERTRAUEN, DAS DIE ANGST BESIEGT 25

rechts, das es zwar jetzt zu durchleiden gilt, mit Du kannst, wie Rockefeller, vom Schuhputzer zu begreifen. Das eigentliche Geschenk aber dem aber jemals sich einverstanden zu erklären zum Millionär aufsteigen, wie Leon Spinks vom besteht in dem Wunder einer Verwandlung, die ein Rest verbliebenen Wertgefühls sich ein für Prügelknaben der Slums zum gefeierten Profi­ sichtbar werden lässt, was immer schon war und alle Mal weigert. „Aschenputtel“ – das ist das boxer, vom Niemand in den Straßen New Yorks unter der „Asche“ verborgen lag. Märchen von dem Mysterium des Menschen, zum Präsidenten der vereinigten Staaten – du Einen anderen Menschen mit den Augen Gottes der selbst dann noch an seine Größe glaubt, musst nur wollen und unbeirrt an deiner Karrie- zu sehen – dafür setzen die Märchen den Erfah- wenn man in einer Kette nicht endender Demü- re basteln. Gemessen an solchen Träumen der rungsraum der Liebe; und sie hoffen und glau- tigungen ihm seinen „vermessentlichen Hoch- pragmatischen Äußerlichkeit weist das Aschen- ben, dass die Liebe dazu wirklich befähigt: in mut“ mit schikanöser Gewalt auszutreiben sucht. puttel-Märchen in all seinen Varianten einen einer armseligen Dorfmagd eine Königin zu „Aschenputtel“,, das ist in der Sprache des charakteristischen Unterschied auf: Es erzählt entdecken, in einem Lumpenmädchen eine Märchens ein Dokument für die noch unent- nicht von einem Aufstieg zu Ruhm, Geld und strahlende Schönheit, in einem „Aschenputtel“ deckte Würde des Menschen im Unscheinbaren, Macht durch zielstrebiges Handeln und berech- die wunderbarste und zauberhafteste Frau eine Chiffre für das Nichtzerbrechen eines nendes Auftreten, es schildert vielmehr den der Welt. geheimen Adels, der seine Herkunft nicht kennt Durchbruch des wahren Ichs in aller seiner Eugen Drewermann und doch umso inständiger eine Zukunft er- Schönheit und Größe durch die bestätigende sehnt. „Aschenputtel“ ereignet sich überall und Entdeckung eines anderen Menschen. Gerade immer wieder, wenn und wo Menschen nicht nicht der narzisstische Traum von der eigenen davon lassen, an die Berufung ihres Wesens trotz Unüberwindlichkeit oder Unwiderstehlichkeit Gott sieht nicht auf das, worauf der allem zu glauben. spricht sich hier aus, sondern die ganze Schilde- Mensch sieht. Was aber ist die Alternative dazu? rung des Märchens gilt einer zögernden, war- Der Mensch sieht den äußeren Schein, Bekannt ist der „amerikanische Traum“: tenden, mutigen Hoffnung auf die hellsichtige der Herr aber sieht auf das Herz. Du kannst alles werden, was du willst, besagt er, Liebe und Zuneigung eines anderen, der im- 1. Sam. 16.7 wenn du nur willst und an dich glaubst. stande ist, den Wert der eigenen Person wirklich 26 ZUR COBURGER AUFFÜHRUNG 2016

ZUR COBURGER AUFFÜHRUNG 2016

Wie die 2007 und 2008 in Coburg aufgetauch- Libretto bestimmten Abschnitt - komponiert 103 Seiten von ihnen sind derzeit weltweit ten vor 1994 aus der Musiksammlung der Wien- hatte. Es handelt sich dabei allerdings nur um immer noch nur über mich zu erreichen (Foto- bibliothek im Rathaus gestohlenen 103 Seiten auto- 15 Minuten Musik: Diese beginnt im ersten Akt kopien), da sich die bisher nicht zugänglichen graphe „Aschenbrödel“-Skizzen beweisen, war unmittelbar nach dem Vorspiel. Diese Musik ist in 2009 und 2011 nach Wien zurückgeholten 1899 die Empfindung des Direktors der Wiener ihrer originalen Gestalt noch nie erklungen. Originale dort in der Restitution befinden. Die Hofoper Gustav Mahler zutreffend, dass die In der Beweismöglichkeit dieser Fakten lag of- wiederaufgetauchten Seiten belegen, dass Bayer Musik der ihm im handschriftlichen Klavieraus- fensichtlich der eine der zwei tieferen Gründe seine Vollendung 1899 größtenteils nur aus zug Josef Bayers vorliegenden „Aschenbrödel“- für das ab 2007 in der Deutschen Johann Strauss- Strauss’schen Motiven und Melodien zusam- Vollendung so nicht von Johann Strauss Stadt Coburg begonnene Auftauchen der aus menstückelte. Dieser Beweis widerlegt die bis war. Dieser Klavierauszug wird heute in der der Wienbibliothek gestohlenen „Aschenbrödel“- heute von der Strauss-Forschung vertretene Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt Autographe. Ansicht, Strauss habe den ersten Akt und den und ist die einzige Quelle der „Aschenbrödel“- Die bis vor wenigen Jahren verschollen ge- dritten Akt zur Hälfte vollendet in einer or- Vollendung des Ballettkapellmeisters der Wiener glaubten Strauss’schen Skizzen aus der seit ihrer chestrierten Partitur hinterlassen. Neben dem Hofoper. Adele Strauss hatte den sehr erfolg- Abnötigung im Juni 1939 in der Wienbibliothek von ihm in seine Vollendung 1:1 übertragenen reichen Ballett-Komponisten im September verwahrten „Aschenbrödel“-Mappe lagen ersten und der Hälfte des dritten Aktes habe 1899 beauftragt, „Aschenbrödel“ zu vollenden. Bayer 1899 für seine Vollendung vor. Diese Bayer unter den übrigen Skizzen noch so viel Angebliche vertraglich festgelegte Bedingung: Mappe beinhaltete ursprünglich 611 Seiten Material für die restlichen eineinhalb Akte ge- „Es darf ohnedies nicht eine fremde Note hin- „Aschenbrödel“-Skizzen. Nach Bayer 1899 stan- funden, dass er nur die Verbindungen zwischen einkommen.“ (Brief von Adele an Johann Batka den erst mir diese Autographe wieder, begin- diesen Teilen herzustellen brauchte. Bayers vom 20.8.1999) nend ab 2007 – von 42 bis 2010 auf schließlich Vollendung enthält also einen viel höheren eige- Wir erleben in der Coburger Aufführung die 555 Seiten zunehmend –, für Forschungen zu nen Kompositionsanteil als bis heute behauptet. Musik, die Johann Strauss wirklich für „Aschen- „Aschenbrödel“ zur Verfügung. Diese Autogra- Da Bayers Vollendungsfassung von Mahler, der brödel“ – d.h. für einen vom verschollenen phe erleben bis heute ein bewegtes Schicksal. ursprünglich die Uraufführung an der Wiener ZUR COBURGER AUFFÜHRUNG 2016 27

Hofoper ­unter seiner Leitung versprochen hatte, verbliebenen 32 Teile wurden ausgeschieden. abgelehnt wurde, weil Mahler ja diese Musik Diese von Bayers Vollendung extrem abwei- so für nicht von Strauss komponiert hielt, kam chende Uraufführungsfassung liegt der Cobur- es schließlich zur Uraufführung im Königlichen ger Produktion 2016 zugrunde. Das Publikum Opernhaus Berlin am 2. Mai 1901 in Anwesenheit erlebt die in der unvollständigen Partitur­reinschrift des deutschen Kaiserpaares. Das Urauffüh- autorisierte nachgewiesene originale Strauss’sche rungs-Publikum erlebte aber – was nicht mitge- Musik und die bis heute unrichtiger­weise weitge- teilt wurde – nicht Bayers Vollendung von 1899. hend als originale Strauss’sche „Aschenbrödel“- Frau Johann Strauss, wie sich Adele nannte, hatte Musik geltende restliche der Uraufführungs­ am Tag vor der Uraufführung auf einer von ihr fassung. anberaumten Pressekonferenz im Berliner Cen- Ralph Braun tralhotel beweisen wollen, dass das am folgenden Tag uraufgeführte Aschenbrödel bis auf nötige Überleitungen zur Gänze von ihrem verstorbe- nen Mann komponiert worden war. Da der Berliner Ballettdirektor Emil Graeb das Ich habe nichts dazu getan, angeblich von Strauss so weitgehend vertonte dass Sie mich, wofür ich nichts kann, Libretto für nicht aufführbar hielt, war das neue einen Künstler nennen. erarbeitet worden, was wiederum eine Umar- Die Harmonie, die alle Menschen in beitung der musikalischen Vollendung verlangte. Freude vereint, war mein einziges Ziel. Bayer zerschnitt hierbei seine Vollendung in Johann Strauss 95 Teile und setzte 63 von diesen anschließend in anderer Reihenfolge wieder zusammen. Die 28 ASCHENPUTTEL IN WANDLUNG

ASCHENPUTTEL IN WANDLUNG

Man hat das Märchen „Aschenputtel“ den drückt wurden und sich unterdrücken ließen verschieden auffassen und interpretieren. Glückstraum der sozial Entrechteten genannt, und auf etwas „von außen“ hoffen, damit sich Dieses Märchen will – glaube ich – keine Kritik und nicht zu zählen sind die Mädchen und ihr Leben ändert. Dieses Verhalten ist von an der patriarchalischen Gesellschaft sein, wenn- Frauen, die sich mit dieser Gestalt identifizieren. Psychologen als „Cinderella-Komplex“ bezeich- gleich diese Kritik in bestimmten Fällen durch- Doch bei der näheren Beschäftigung mit dem net wurden – nach Colette Dowling, die 1982 aus berechtigt ist. Märchen gerät man in einen ganzen Wust von diesbezüglich ein Buch veröffentlichte, in dem Es ist eher ein Märchen, bei dem das Mädchen Deutungen, einer Anhäufung von psychologi- sie über die regelrecht antrainierte weibliche auf der Suche nach der eigenen Identität ist und schen, religiösen und esotherischen Varianten, Angst vor der Unabhängigkeit schreibt. Auch sie ist dies durchaus nicht passiv. Sie macht sich bis dahin, dass die Erbsen und Linsen, die der Autor Robert Moore hebt die negativen gegen den Willen der Stiefmutter (oder in Aschenputtel vorgeworfen werden, als Symbole Momente des märchenhaften Frauenbildes sehr unserer Version der Tante) auf den Weg zum des männlichen Hodens gedeutet werden und deutlich hervor: „1. Frauen sind arme Mädchen Schloss, sie führt den Prinzen an der Nase die Stiefmutter und die Stiefschwestern das oder schöne Prinzessinnen, die alle belohnt herum und lässt ihn recht lange nach sich junge Mädchen den Männern vorwerfen: werden, wenn sie passiv, gehorsam und opferbe- suchen. Das Aschenputtel als „Aschen-Zwangs-Hure“– reit sind; 2. Stiefmütter sind ausnahmslos böse; Dieses Märchen lehrt uns vielleicht, an die Liebe schmutzig und beschmutzt. Nun, dies holt Klaus 3. die beste Frau ist die Hausfrau; 4. Schönheit zu glauben, an sich selbst zu glauben und nicht Koeppe in seinem Buch „Sexueller Missbrauch bedeutet alles; 5. Männer sollen dagegen aggres- zu früh zu verzagen. Hier geht es eher um die als Thema im Volksmärchen“ vielleicht etwas siv und schlau sein; 6. Geld und Reichtum sind erlösende Kraft der Liebe – und Liebe ist mit weit her. die erstrebenswerten Ziele im Leben; 7. man soll Herrschaft in einer Partnerschaft nun einmal Es ist aber kein Wunder, dass Feministinnen sich auf Zauber und Wunder verlassen, um nicht vereinbar. diejenigen anklagen, die Aschenputtel und Probleme zu lösen usw.“ Natürlich ist da auch die Sehnsucht nach Aner- ähnliche Märchen dazu benutzen, um Frauen Am Ende würde, wenn man nur so an die kennung mitten in der Schande, nach Bestäti- zu sozialisieren. Immerhin schildern die Mär- Märchen herangeht, wenig Gutes übrigbleiben. gung inmitten einer feindseligen Welt, nach chen auf den ersten Blick, wie Frauen unter- Aber zum Glück kann man Märchen ganz Belohnung für die Fülle erlittenen Unrechts. ASCHENPUTTEL IN WANDLUNG 29

Sitzen in der Asche war schon in der Antike ein schmerzhaften‚ inneren Verbrennungsvorgang‘, für die Selbstfindung Aschenputtels, ein Symbol Ausdruck von Schande. Es ist ein Bild für nicht in dem alte Strukturen und (Lebens-) Formen für die Liebe als solche. Das wäre doch schön. endende Schmach und Nichtigkeit. Man ist losgelassen und zerstört werden, damit die darin Das Aschenputtel scheint in abgewandelter nichts als Staub, und ist nicht in der Lage, sich gebundenen Energien frei werden können und Form in allen Ländern der Erde zu Hause zu aus dem Schmutz zu erheben. Aber Asche hat somit einer tief greifenden Veränderung wieder sein und bis heute tauchen immer wieder neue noch weitaus mehr Symbolcharakter. Sie steht zur Verfügung stehen können. Im mythischen Varianten auf. für Tod und Vergänglichkeit und damit für Vogel Phönix finden wir die archetypische Wir Deutschen kennen das „Aschenbrödel“ oder Trauer, aber auch für Reinigung. „Asche zu Entsprechung dieser Wandlungs- und Erlösungs- „Aschenputtel“, bei den Franzosen ist es „Cendril- Asche“ ist nicht der einzige Spruch, der den idee, der sich periodisch verbrennt und jeweils lion“ oder „Finette Cendron“, für die Italiener Zusammenhang zwischen Tod und Asche verjüngt wieder aus der Asche emporsteigt.“ „Cenerentola“ und bei den Serben heißt das herstellt. So kann Aschenbrödels Hocken in (Christa Henzler) Mädchen „Pepeljuscha“. Nur die Angelsachsen der Asche auch als Trauer um den Verlust der Auch in Aschenputtel kann diese Asche ein kommen seit dem 18. Jahrhundert mit dem Mutter, der Eltern, gesehen werden. Sich mit Wandlungs- und Erlösungssymbol sein, denn Lehnwort „Cinderella“ aus – was so viel heißt wie Asche bestreuen, ist sowohl ein Symbol der Aschenputtel legt ihr Aschegewand letztlich ab. „Stocherin in der Asche“. Und mit „Cinderella“ Reue als auch der Trauer und es bedeutet Und vielleicht ist ja auch der Königssohn sym- ist man gleich beim größten Walt Disney Kinohit. Umkehr und Verzicht. Das Christentum kennt bolisch mehr als nur der Prinzgemahl. Welcher Unter den etwa 400 kursierenden Aschenputtel- die Verwendung von Asche in Bezug auf die „Königssohn“ hat je in der Geschichte ein Fest Märchen ragen zwei in der Vergangenheit Buß- und Reinigungssymbolik u. a. am Ascher- veranstaltet, um Jungfrauen aus dem ganzen heraus: das von Charles Perrault, welches etwa mittwoch. Der Aschermittwoch führt in die Land einzuladen und so eine nicht standesgemä- vor 300 Jahren verfasst wurde und das, welches Fastenzeit als eine Zeit der Neubesinnung und ße Braut zu suchen. Da gab es eher das Recht die Brüder Grimm 1812 in ihren Märchen- letztlich ist er ein Wendepunkt in ein neues der ersten Nacht, als einer Nichtadeligen die schatz aufgenommen haben. Perraults Märchen Leben. „Eine tiefere Wandlung im Seelischen Ehe zu versprechen. Vielleicht steht der Königs- ist eher höfisch und prächtig ausgeschmückt, das vollzieht sich oft erst durch einen oftmals sehr sohn für die Seele des Menschen, ist ein Symbol der Grimm wird inniger erzählt. 30 ASCHENPUTTEL IN WANDLUNG

Eine erste Opernvariante hatte bereits 1760 in Rom ihre Uraufführung, von Niccolo Piccini und einem Libretto von Carlo Goldoni. In Paris kam 1810 Nicolo Isouards Oper „Cendrillon“ heraus, natürlich dann – wohl am bekanntesten – Giacomo Rossinis „La Cenerentola“ (1817), Wir haben nur eine wirkliche Chance zur „Befreiung“ – wir müssen uns von innen heraus Jules Massenet schrieb eine wunderschöne Oper emanzipieren. Die persönliche, psychologische Abhängigkeit – der tiefverwurzelte Wunsch, von „Cendrillon“ (Paris 1899) und Johann Strauss anderen versorgt zu werden, ist die stärkste Kraft, die Frauen heute unterdrückt. Ich bezeichne war vielleicht einer der ersten, der an ein sie als den „Cinderella-Komplex“ – ein Netzt aus weitgehend unterdrückten Haltungen und Aschenbrödel-Ballett dachte. Diesbezüglich Ängsten, das die Frauen in einer Art Halbdunkel gefangen hält. Es verhindert die Entfaltung hervorzuheben ist dann noch Sergej Prokofjews ihrer vollen geistigen und kreativen Kräfte. Wie Cinderella warten die Frauen noch immer auf Ballett „Soluschka“, UA Moskau 1945. ein äußeres Ereignis, das ihr Leben grundsätzlich verändert. Am schönsten waren die Augenblicke, in denen ich mir vorstellte, dass ich mich eines Tages wirk- lich durchsetzen würde. „Man“ würde mich entdecken, „man“ würde meinen eigentlichen Cha- rakter entdecken, meine verborgenen Talente und mich aus dieser großen, leeren, leblosen Woh- nung herausholen, und „man“ würde mich in das aufregende Scheinwerferlicht stellen, wo eine unbekannte Erfüllung auf mich wartet. Colette Dowling DAS TEAM 31

MUSIKALISCHE LEITUNG Alexander Merzyn ist seit dieser Spielzeit 1. Kapellmeister am Landestheater Coburg und seit 2008 künstlerischer Leiter der Kammerphilharmonie Hamburg. Von 2011 bis 2013 war er außerdem Chefdirigent des Harvestehuder Sinfonieorchesters. In der Saison 2014/15 debütierte er mit dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich im Wiener Musikverein sowie mit dem Orchester des Jungen Ensembles Berlin in der Berliner Philharmonie. Daneben standen Konzerte unter anderem mit der Jenaer Philharmonie, der Neuen Philharmonie Westfalen, dem Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz, sowie der Elbland Philharmonie an. Seit dem Gewinn des MDR-Dirigierwettbewerbes 2010 ist ­Merzyn international als Dirigent tätig. In der Saison 2010/11 war er als „conductor in progress“ des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie engagiert, leitete die vielbeachtete Israel-Tournee des Young Philharmonic Orchestra Jerusa- lem Weimar und dirigierte Beethovens 7. Sinfonie für eine Rundfunkübertragung des MDR-Sinfonieorchesters. 2012 wurde Merzyn Assistent von Sebastian Weigle und Michael Sanderling und konzertierte unter anderem mit dem ­Bundesjungendorchester, mit Strauss’ „Alpensinfonie“. Sein Debüt in Asien hatte er 2014 mit dem Ho Chi Minh City Orchestra in Vietnam. Die Zusammenarbeit mit Orches- tern umfasst unter anderem die Dresdner Philharmonie, das Niedersächsische Staatsorchester Hannover, die Kammer- akademie Potsdam, die Nürnberger Symphoniker, die Nordwestdeutsche Philharmonie, die Meininger Hofkapelle, die Nordböhmische Philharmonie Teplice, das Westböhmische Symphonieorchester Marienbad, das Orchester des Theaters Tartu/Estland sowie die Jenaer Philharmonie. Alexander Merzyn studierte Violoncello in Berlin bei Jens Peter Maintz und spielte zunächst beim Deutschen Symphonie-­Orchester Berlin unter Kent Nagano sowie beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski. Ab 2009 folgte ein Dirigierstudium in Weimar bei Nicolás Pasquet, Gunter Kahlert und Anthony Bramall. Zahlreiche Meisterkurse unter anderem bei Herbert Blomstedt, Kurt Masur, Peter Gülke, Heinrich Schiff und dem Alban Berg Quartett rundeten seine Ausbildung ab. Merzyn ist Stipendiat der Charlotte-Krupp-Stiftung, der Hermann-Hilde- brandt-Stiftung sowie der Neuen Liszt-Stiftung Weimar. 2010 folgte die Aufnahme in das Dirigentenforum des ­Deutschen Musikrates, seit 2014 ist er in der Künstlerliste „Maestros von Morgen“ des Deutschen Musikrates. 32 DAS TEAM

CHOREOGRAFIE Der New Yorker Mark McClain erhielt seinen ersten Ballettunterricht bei Alfred Corvinos Dance Circle und besuch- te danach The School of American Ballet in New York. 1973 ging er an die John-Cranko Schule in Stuttgart und wurde direkt im Anschluss 1978 Mitglied des Stuttgarter Balletts. Bald tanzte er Solorollen in „Schwanensee“, „Romeo und Julia“ in der Choreografie von John Cranko, „Apollo“ von George Balanchine und „Sacre du Printemps“ in der Choreografie von Glen Tetley. Als erster Solist des Stuttgarter Balletts, 1984 wurde er dazu ernannt, arbeitete er mit den weltweit bekanntesten Choreografen, darunter Marcia Haydèe, Maurice Bèjart, William Forysthe oder Uwe Scholz, zusammen. 1985 verließ er Stuttgart und ging zum Züricher Ballett unter der Leitung von Uwe Scholz. 1987 kam er zurück nach Stuttgart und blieb dort bis zum Ende seiner tänzerischen Laufbahn 1998. In der Spielzeit 2001/2002 übernahm er die Ballettdirektion am Nationaltheater Mannheim und seit 2010/2011 ist Mark McClain Ballettdirektor am Landestheater in Coburg. Während seiner Coburger Zeit war Mark McClain auch in Barcelona als Choreograf und Coach zu Gast.

BÜHNE UND KOSTÜME Der Münchner Andreas Becker trat seinen künstlerischen Werdegang im wohl berühmtesten Marionettentheater, der „Augsburger Puppenkiste“, an. Nach ersten Arbeiten als Bühnenbildner begann er an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart sein Bühnen- und Kostümbildstudium. Im Rahmen dessen entwarf und baute Andreas Becker zahl- reiche Puppen, u. a. für die Staatsoper Stuttgart. Nach Beendigung des Studiums mit seiner Diplomarbeit zu Verdis „Macbeth“, für die er 2008 mit dem „Offenbacher Löwen“ für besonders kreative Leistungen im Bereich zeitgenössi- sches Bühnenbild ausgezeichnet wurde, arbeitete er in den folgenden Jahren als Ausstatter am Theater Freiburg u.a. mit Jarg Pataki, Calixto Bieito, Joachim Schloemer, Michael Simon, Marc Prätsch, Meret Matter, Stefan Nolte, Teresa Rotemberg und Joan Anton Rechi. Seit 2010 ist Andreas Becker als freischaffender Bühnen-, Kostümbildner und Figurenbauer tätig und arbeitet u. a. an den Theatern in Freiburg, Aachen, Naumburg, Stuttgart und Biel/Solothurn (Schweiz). Seit 2012 ist er zudem am Figurentheaterkolleg Bochum als Dozent für Figurenbau und -spiel, sowie Insze- nierung und Regie tätig. Direkt nach der Realisierung des Bühnenbildes für die Coburger „Lustige Witwe“ übernahm Andreas Becker die Ausstattung für den Ballettabend „Gefährliche Liebschaften“, entwarf das Bühnenbild und die Kostüme für „Der Vogelhändler“ und ist derzeit als Bühnenbildner für die Coburger Produktion „Lakmè“ engagiert. Strom Erdgas

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PROGRAMMVORSCHAU

FRAU MÜLLER MUSS WEG Premiere 7. Mai 2016, Reithalle Schauspiel von Lutz Hübner

LAKMÉ Premiere 8. Mai 2016, Großes Haus Oper von Léo Delibes

DIE GRÖNHOLM-METHODE Premiere 28. Mai 2016, Großes Haus Schauspiel von Jordi Galceran

WEITERE VORSTELLUNGEN „ASCHENBRÖDEL“ April: 20.04.2016, 19.30 Uhr; 29.04.2016, 19.30 Uhr Mai: 04.05.2016, 19.30 Uhr; 10.05.2016, 19.30 Uhr; 12.05.2016, 19.30 Uhr; 15.05.2016, 18.00 Uhr; 19.05. 2016, 19.30 Uhr; 29.05. 2016, 15.00 Uhr Juni: 01.06. 2016, 19.30 Uhr; 19.06. 2016, 15.00 Uhr Juli: 01.07. 2016, 19.30 Uhr 36 IMPRESSUM

IMPRESSUM Programmheft 2015/2016 GH11 ASCHENBRÖDEL

Landestheater Coburg Intendant Bodo Busse

Schlossplatz 6, 96450 Coburg Redaktion Renate Liedtke Tel. +49· (0)9561 · 89 89 00 Gestaltung Wiebke Genzmer, Berlin Fax +49· (0)9561 · 89 89 29 Satz Marlies Friedl/DCT.de E-Mail [email protected] Druck DCT GmbH, Coburg Internet www.landestheater-coburg.de Werbung contactdesign.de

Textnachweise Ralph Braun Deutsche Johann Strauss Gesellschaft e.V., Mitteilungen und Informationen 2001; Colette Dowling Der Cinderella Komplex, Die unheimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit Frankfurt am Main 1984; Eugen Drewermann Landschaften der Seele oder: Wie man die Angst überwindet Ostfildern 2015;Christa Henzler Internetverlag opus magnum Symbollexikon Stuttgart 2012; Martin Hürlimann Die Walzer-Dynastie Strauss Zürich 1976; Peter Kemp Die Familie Strauss, Geschichte einer Musikerdynastie München 1985; Ernst Krause (Hrsg.) Richard Strauss, Dokumente Leipzig 1980; Fritz Lange (Hrsg.) Johann Strauss schreibt Briefe … Mitgeteilt von Adele Strauss Berlin 1926; Norbert Linke Johann Strauß mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1982; Frieder Reininghaus Johann Strauss auf Irrfahrt, Bestände aus dem Tresor der Wienbibliothek in Köln aufgetaucht; Willi Reich (Hrsg.) Johann Strauss-Brevier Zürich 1950; Lutz Röhrich „Und weil sie nicht gestorben sind…“ Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen Köln, Weimar, Wien 2002; Otto Schneidereit Johann Strauss und die Stadt an der schönen blauen Donau Berlin 1982 Alle Texte wurden gekürzt und redaktionell eingerichtet. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechteabgeltung um Nachricht gebeten. Bildnachweise Probenfotos Henning Rosenbusch; S. 5 Natalie Holzinger; S. 15 Natalie Holzinger, Po-Sheng Yeh; S. 16 Chih-Lin Chan, Natalie Holzinger, Mariusz ­Czochrowski, Takashi Yamamoto; S. 17 Natalie Holzinger, Mariusz Czochrowski, Mireia Martinez Pineda, Po-Sheng Yeh, Chih-Lin Chan, Yuriya Nakahata; S. 18 Po-Sheng Yeh, Martinez Pineda, Yuriya Nakahata, Natalie Holzinger; S. 19 Natalie Holzinger, Federico Frigo; S. 20 Eun Kyung Chung; S. 21 Mariusz Czochrowski, Chih-Lin Chan, im Hintergrund: Natalie Holzinger; S. 22 Natalie Holzinger, Federico Frigo; Porträts Alexander Merzyn © Henning Rosenbusch; Mark McClain © Andrea Kremper; Andreas Becker © privat Kultur_Anzeige 210x148:Kultur_Anzeige_DINA6 27.04.2010 10:39 Uhr Seite 1

Wir fördern Kultur hier in der Region Die HUK-COBURG wünscht beste Unterhaltung KULT R www.landestheater-coburg.de

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