Historische Sonderband 2020 Archäologie

Harald Stadler und Philipp Lehar Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert am Fall der sogenannten Kosakentragödie in Lienz, Osttirol

Abstract

In 1945, when World War II ended, East Tyrol and faced ten thousands of retreating Axis Forces and . Among them were Russians, Ukrainians, , Slovenians and Croatians. They all hoped that the Southern would be a safe haven for them. They hoped that the British Forces would treat them as Prisoners of War and as Displaced Persons and not hand them over to Yugoslavia and the . Among these people were Surrendered Enemy Forces, refugees, liberated Prisoners of War and forced labourers. From May to July 1945, the British handed over Cossacks, Caucasians, Yugoslavs, Croatians, Slo- venians and others to the Soviet Union and to Socialist Yugoslavia. Lo- cals and different authors interpreted the forced from the British Sector in Austria as an “allied ” and as a “crime against humanity”. This interpretation helped some to deal with their own in- volvement in Nazi crimes and dictatorship. From an anthropological, historical and archaeological perspective, the project deals with the events in East Tyrol in 1945 and the remembrance culture linked to the “Lienz Cossacks”. What archaeological evidence remains from 25 000 humans? How can the results of archaeological investigations be used in educational projects and also be linked to the results of the research of other discipline like history, English and Slavic literature? The present paper discusses the central role of archaeology in the projects, presents archaeological finds and discusses challenges. The text also includes an introduction to the archaeology of World War II in Austria and the work of the Austrian War Graves Commission “Austrian Black Cross”.

Zusammenfassung Zitation:/cite as: H. Stadler/P. Lehar, Archäologische As- Bei Kriegsende 1945 entwickelten sich die Regionen Kärnten und Ost- pekte zur Erforschung einer Zwangs- tirol zum Rückzugsort für die sich nach Norden fluchtartig zurückzie- deportation im 20. Jahrhundert am Fall henden deutschen Truppenverbände und ihre Verbündeten aus Italien der sogenannen Kosakentragödie in Lienz, Osttirol. In: F. Jürgens/U. Müller und dem Balkan. Den Truppenverbänden schlossen sich auch zahlrei- (Hrsg.), Archäologie der Moderne. che zivile Flüchtlinge an. Unter deutschem Oberbefehl befanden sich Standpunkte und Perspektiven. Son- kollaborierende jugoslawische Verbände ebenso wie Russen, Ukrainer derband Historische Archäologie 2020 (Onlineversion), 195–217 und Kaukasier. Während sie alle hofften, in der zukünftigen britischen ‹doi 10.18440/ha.2020.114› Besatzungszone das Kriegsende in westalliierter Gefangenschaft und Sicherheit beenden zu können, warteten zehntausende Kriegsgefan- gene, Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge auf den Einmarsch al- liierter Truppen und die damit verbundene Befreiung. In den Wochen nach dem Kriegsende war die Heimkehr für viele ein zentrales Thema. Doch viele Menschen aus Südost- bzw. Osteuropa und der Sowjetuni- on wollten nicht in ihre ursprünglichen Heimatländer zurückkehren. Nicht nur Kollaborateure wie die kaukasischen und kosakischen Ver- bände wurden aus Osttirol und Kärnten gewaltsam in die Sowjetunion zwangsrepatriiert. Die Zwangsrepatriierungen in die Sowjetunion und nach Jugoslawien prägen als „Gräueltaten“ und „Siegerwillkür“ die loka- le Erinnerungskultur und dienten lange Zeit der Abwehr eigener Schuld und der Verdrängung der eigenen Verstrickungen in NS-Terror und Krieg. Beispielhaft soll im Rahmen des Projekts „Kosaken in Osttirol“ das Kriegsende im Lienzer Talboden multiperspektivisch wissenschaftlich aufgearbeitet werden und so der Raum für eine differenzierte gesell- schaftliche Auseinandersetzung geschaffen werden. Es soll beispielhaft dargestellt werden, wie Gewalt, Verdrängung und Verstrickung in einer Region wirken. Zentral ist auch die Frage, was bleibt, wenn sich rund 25 000 Menschen für kurze Zeit als Flüchtlinge in der Region aufhalten? Daher geht der Aufsatz auf den zentralen Beitrag der Archäologie im Projekt ein. Neben Funden und Funderwartungsgebieten kommen auch Herausforderungen und Probleme zur Sprache.

Einleitung

Kosaken sind eng verbunden mit der Geschichte Russlands, der Ukrai- ne und Polens unter anderem als Eroberer Sibiriens, durch Aufstände und als loyale Kavallerie des Zaren (Longworth 1973; Kappeler 2013). Im Westen hinterließen sie bleibenden Eindruck mit ihren Reiterkunstgrup- pen und Chören. Besonders bekannt ist der von Serge Jaroff 1921 in der Emigration gegründete Donkosakenchor (Kappeler 2013, 78). Vor allem auf verschiedene Gruppen der deutschen Jugendbewegung übten Ko- saken und ihre Chöre eine große Faszination aus. Ihre Konzerte waren während der Zeit, als die freien Jugendbünde in der NS-Zeit verboten waren, Treffpunkte, und ihre Art zu singen inspirierten das Liedschaffen und Singen in den Gruppen und Bünden (DPB JS Schwarzer Adler 1999, 70–73; 76 ff.; Werheid u. a. 2019, 80 ff.). In der russischen und ukraini- schen Literatur und Historiographie waren die Kosaken ebenso wie in den Gruppen der Jugendbewegung Projektionsfläche für sich wider- sprechende Inhalte und Sehnsüchte (Kappeler 2013, 7–10). Mit Lienz und Osttirol verbinden die meisten eine beeindruckende Bergwelt, den Nationalpark Hohe Tauern und den Skiweltcup, und Kunstinteressierten fällt vielleicht noch Albin Egger-Lienz, ein Maler und bekannter Sohn der Dolomitenstadt, ein. Der Aufenthalt von Kosa- ken in diesem Talkessel im Südosten Österreichs ist erklärungsbedürftig und hat vielleicht auch den einen oder anderen James-Bond-Fan schon irritiert. Die Stadt mit etwas weniger als 12 000 Einwohnern ist einer der wenigen österreichischen Orte, die in den bekannten Agentenfil- men vorkommen. Im 1995 erschienenen James Bond-Film „Goldeneye“ gibt sich James Bonds einstiger Weggefährte und nun Gegner Alec Trevelyan (bisher Agent 006) als Sohn von „Lienzer Kosaken“ zu erken- nen und schildert die Ereignisse von 19451. Seine Eltern entkamen der 1 Leider hat sich in die deutschsprachige Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion, Stalins Verfolgungsmaßnah- Synchronisation des Filmes ein Fehler eingeschlichen, und aus „Lienz“ wur- men und den Hinrichtungen. Durchaus anschlussfähig an Diskurse im de „Linz“, die Landeshauptstadt von revisionistischen und rechtsextremen Milieu spricht Alec Trevelyan im Oberösterreich. Film vom „britischen Verrat“ und von Hinrichtungen in der Sowjetunion.

196 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Die Ereignisse rund um die etwa 25 000 Kosaken und Kaukasier im Lienzer Talboden sind leider auch für Rechtsextreme ein Bezugs- punkt (Scheidl 1968, 50–60; Lutton 1980), ähnlich wie die „Rheinwie- senlager“ und andere alliierte Kriegsgefangenenlager (Manthe 2015). Wie der Waldfriedhof in Halbe (Rautenberg/Rautenberg 2006; Schul- ze 2015) kann das Thema nicht Revisionisten und anderen Rechtsextre- men überlassen werden. Vielmehr ist eine Einbettung in die Ereignisse des Frühjahrs und Sommers 1945 nötig. Dieser Beitrag stellt das inter- disziplinäre Forschungsprojekt „Kosaken in Osttirol“ vor. Dabei wird ein Einblick in den Forschungsstand, erinnerungskulturelle Praktiken, Ver- mittlungsprojekte, Funde und Funderwartung gegeben. Lienz soll als ein Ort des transnationalen und interdisziplinären wissenschaftlichen Aus- tausches sowie als Lern- und Begegnungsort für Menschen verschiede- ner Herkunft, Religion, unterschiedlichen Geschlechts und Alters erleb- bar werden (Abb. 1). Zeitgeschichte und Erinnerungskultur sollen durch das Projekt interdisziplinär begleitet und reflektiert werden.

Abb. 1. Kosaken aus Lublin/Polen bei der Gedenkfeier am Kosakenfriedhof in Lienz, Mai 2017 (Foto: Verein zum Gedenken an die Lienzer Kosakentra- gödie vom 1.6.1945/Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

Archäologie des Zweiten Weltkriegs in Österreich

Wichtige Akteure der Archäologie des Zweiten Weltkriegs in Öster- reich sind der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK) und das Österreichische Schwarze Kreuz. Diese Kriegsgräberdienste su- chen Kriegstote, führen Umbettungen durch, klären Schicksale, pflegen Friedhöfe und tragen zu einer lebendigen Erinnerungskultur bei. Um die Kriegstoten Großbritanniens, der Dominions und der bri- tischen Kolonien kümmert sich die 1917 gegründete Commonwealth War Graves Commission. In den USA entstand 1923 die American Battle Monuments Commission. Diese beiden staatlichen Einrichtungen leg- ten neue Friedhöfe an und pflegen Kriegsgräber bis in die Gegenwart. Bis heute investieren die Vereinigten Staaten und mehrere Länder des Commonwealth Ressourcen in den Erhalt dieser Grabstätten und in die Klärung von Schicksalen. Waren es also auf der Seite der Siegerstaa- ten staatliche Behörden, die nach dem Ersten Weltkrieg die Aufgaben der Kriegsgräberfürsorge übernahmen, so waren es in Österreich und Deutschland aufgrund fehlender staatlichen Möglichkeiten nach der Kriegsniederlage Vereine.

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 197 In Österreich hatte bis 1918 die „Kriegsgräberabteilung im k. u. k. Kriegsministerium“ viele Aufgaben als zentrale Behörde erledigt. Nach Kriegsende war offiziell niemand mehr zuständig. Private Initiativen schufen Abhilfe. 1919 gründeten Dr. Hans Bablik, Bruno Dittrich und Dr. Erwin Waihs das „Österreichische Schwarze Kreuz“. Im Laufe der folgen- den Jahre schlossen sich die selbstständig entstandenen Landesverbän- de aus Salzburg, der Steiermark, Tirol, Kärnten und Oberösterreich dem Verband an, und eine bundesweite Organisation entstand. Nach dem „“ 1938 wurde das „Österreichische Schwarze Kreuz“ stillge- legt, und der mehr und mehr gleichgeschaltete „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ übernahm einige Angestellte und seine Aufga- ben. Während der NS-Zeit änderten sich die Ausrichtung und Motiva- tion der Arbeit: Aus dem „Volkstrauertag“ wurde im Deutschen Reich der „Heldengedenktag“ (Reichl 2007). Ab 1945 wurde das „Österreichi- sche Schwarze Kreuz“ wieder aktiv. An der Spitze standen als Präsident und Vizepräsidenten Staatsekretär a.D. Erwin Waihs, Linienschiffkapi- tän Bruno Dittrich und Notar Dr. Hans Bablik. Das Bundesgesetz vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg schuf eine weitere Rechtsgrundlage für die Arbeit. Das Österreichische Schwarze Kreuz engagiert sich für Frieden und eine transnationale Erinnerung an die Kriegstoten. Ein Ausdruck davon sind die italienisch-österreichischen Freundschaftstreffen. Die Organi- sation betreut Grabstätten von Menschen verschiedener Nationalitäten, Religionen, Zivil- und Militärpersonen. Zeitlich decken die Grabstätten und Denkmäler einen Zeitraum von 1446 bis 1974 ab. Geographisch erstreckt sich die Arbeit von Österreich aus bis in den Pazifik. Haupt- augenmerke bilden die Gräber der beiden Weltkriege. Geographische Schwerpunkte sind neben Österreich vor allem Italien, Osteuropa und Russland. Seit 1989 werden verstärkt Friedhöfe in Polen, Russland, der und anderen osteuropäischen Ländern instand gesetzt und neu angelegt. Das Österreichische Schwarze Kreuz kümmert sich im Ausland vorwiegend um Gräber aus dem Ersten Weltkrieg. Die Gräber österreichischer Angehöriger der deutschen und der Waf- fen-SS werden vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreut. Zwischen dem Österreichischen Schwarzen Kreuz und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie weiteren Kriegsgräberdiensten besteht eine enge Zusammenarbeit (ÖSK 2012). Das Bemühen, Schick- sale zu klären, Angehörigen zu helfen, Trauer zu bewältigen und Gräber dauerhaft zu erhalten, erforderte zwischen verschiedenen europäi- schen Kriegsgräberorganisationen inhaltliche und organisatorische Zu- sammenarbeit. Im Februar 1926 vereinbarten Frankreich und Deutsch- land eine engere Zusammenarbeit (Bulitta/Bulitta 2009, 13). In Deutschland gründeten Bürger*innen 1919 den Volksbund Deut- sche Kriegsgräberfürsorge. Der Verein hatte die Aufgabe, Gräber zu finden, anzulegen und instand zu halten. 1921 erschien die erste Num- mer der Zeitschrift „Kriegsgräberfürsorge“. Die Arbeit des Vereins entsprach dem Bedürfnis vieler. 1921 umfasste er 30 000 Mitglieder. 1926 zählte der Verein bereits 82 847 Mitglieder, und drei Jahre später konnten 128 495 Mitglieder gezählt werden. In der Zeit des National- sozialismus vereinnahmte das Regime die Kriegsgräberfürsorge. Die Erinnerung an 12 000 deutsche jüdische gefallene Soldaten wurde ausgelöscht und die Straßensammlungen verboten. Ab 1947 begann in Westdeutschland der Wiederaufbau des Verbandes. Die Arbeit mit und von Jugendlichen entwickelte sich ab 1952 zu einem wichtigen Be- standteil der Arbeit der Organisation (Bulitta/Bulitta 2009, 10–13). 1967 zählte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge fast 700 000 Mit- glieder, im Jahr 2000 nur mehr 246 176 Mitglieder. Blickt man nur auf die

198 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Entwicklung der Mitgliederzahlen, scheint die Erinnerung an die Toten der Weltkriege an bestimmte Generationen gebunden zu sein. Auch die Schul- und Jugendarbeit sollte helfen, gesellschaftlich relevant zu bleiben und über die Kriegs- und Erlebnisgeneration hinaus Mitglieder und Förderer zu erreichen (Eilers 2001, 12–13). Die Einbindung Jüngerer und die Vermittlung der Kriegsgräberfürsorge auch mehr als 100 Jahre nach dem Ersten und 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt relevant und ist auch für das Österreichische Schwarze Kreuz eine Aufgabe. Im „Österreichischen Schwarzen Kreuz – Kriegsgräberfürsorge“ en- gagieren sich Menschen mit verschiedenen beruflichen und privaten Hintergründen. Neben dem wissenschaftlichen Zugang sind auch Sicht- weisen und Anliegen der Traditionspflege und des religiös-kirchlichen Totengedenkens zu berücksichtigen. Die Zeitschrift des Österreichi- schen Schwarzen Kreuzes ist eine Plattform, um den archäologischen Zugang zu Kriegstoten einer Öffentlichkeit näher zu bringen (Stadler 2012). Die Umbettungen werden allerdings nur fallweise von Archäo- log*innen durchgeführt. Häufig werden hier engagierte Ehrenamtliche tätig, z. B. 2016 im Burgenland in Zusammenarbeit mit dem „Verein zur Klärung von Schicksalen Vermisster und Gefallener“ (ÖSK 2016). Die in Zusammenarbeit des „Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-For- schung“ und des Österreichischen Schwarzen Kreuzes durchgeführten Projekte können als Leuchtturmprojekte für eine wissenschaftliche Aus- einandersetzung und Bearbeitung genannt werden. So liegt für die vom Österreichischen Schwarzen Kreuz betreuten Kriegsgräberstätten eine namentliche Erfassung aller sowjetischen Kriegstoten vor (Sixl 2010). Auch sowjetische Kriegstote vom Soldatenfriedhof in Lienz sind dort erfasst. Gerade in Tirol entwickelt sich eine gute Zusammenarbeit zwi- schen dem Institut für Archäologien der Universität Innsbruck und der Landesgeschäftsstelle Tirol des Österreichischen Schwarzen Kreuzes. In den letzten Jahren arbeiteten vermehrt österreichische Archäolog*innen mit der „Defense POW/MIA Accounting Agency“ (DPAA), einer staatli- chen Einrichtung aus den USA, zusammen um amerikanische Kriegsto- te, meist Flugzeugbesatzungen, zu bergen. Zu nennen sind hier Projekte von Claudia Theune von der Universität Wien z. B. im Burgenland (ORF 2019) und in Oberösterreich (Theune 2018). Ebenso anzuführen sind Ko- operationsprojekte der University of New Orleans, des National World War II Museum in New Orleans, der DPAA und der Universität Innsbruck. 2017 konnte in Hohenthurn in Kärnten im Rahmen dieser Kooperation ein afro-amerikanischer Angehöriger der US-Luftwaffe geborgen wer- den. 2019 wurden die sterblichen Überreste in Arlington feierlich beige- setzt (Dawsey 2018; Fraser 2019). An einer wissenschaftlichen Publikati- on über die Ausgrabung in Hohenthurn wird aktuell gearbeitet. Ebenfalls 2019 wurde das Kooperationsprojekt mit einer gemeinsamen Grabung an einer Absturzstelle in Bayern fortgesetzt. Weitere archäologische Projekte zur Untersuchung von Flugzeugab- stürzen wurden und werden von der Universität Innsbruck in Prägraten, Nussdorf und Volders durchgeführt. Die Projekte binden meist Beiträge zur Erinnerungskultur und Versöhnung mit ein. So konnten in Volders im Rahmen einer Ausstellung und mit Beiträgen in der Gemeindezeitung die Ereignisse 1943/1944 nähergebracht werden. Aus den Vereinigten Staaten angereiste Angehörige eines beim Absturz umgekommenen US-Luftwaf- fenangehörigen gedachten gemeinsam mit Einheimischen und Forschern an der Absturzstelle der Toten. Flugzeugarchäologie wird in mehreren Lehrveranstaltungen und Vermittlungsprojekten mit verschiedenen Ziel- gruppen behandelt: Dabei werden Studierende der Archäologie, ameri- kanische Studierende der „UNO-Innsbruck International Summer School“

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 199 oder beim Aktionstag „Junge Uni“ Schüler*innen verschiedener Schulstu- fen eingebunden. Ein Hotspot der zeitgeschichtlichen Archäologie in Österreich sind das Konzentrationslager Mauthausen mit seinen Außenlagern (Theu- ne 2009; 2012; Mitchell 2014) und der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, ein Tötungsort im Rahmen der NS-Euthanasie. In Hartheim flossen Erkenntnisse der Bauarchäologie in die Gestaltung der Gedenk- stätte mit ein (Kepplinger/Reese 2003, 5–10). Ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur war die Erforschung der Hinrichtungsstätte der Deut- schen Wehrmacht am Paschberg in Zusammenarbeit mit dem Landes- verband Tirol des „Bundes der sozialdemokratischen Freiheitskämpfer und Antifaschisten“ im Jahr 2013 (Stadler/Staud 2014a; 2014b; Müller, C. 2013). Ein archäologischer Beitrag zur Aufarbeitung des National- sozialismus und zur Erinnerungskultur in Tirol war die Untersuchung des Anstaltsfriedhofes in Hall in Tirol (Perz u. a. 2014; Seifert 2011, 237– 243). Ein Forschungsbericht aus Vorarlberg behandelte das ehemalige NS-Zwangsarbeitslager Suggadin (Hausmair/Greußing 2015). Weitere Forschungsprojekte in Tirol gab es unter anderem rund um das Zwangs- arbeitslager Haiming (Pöll i. Dr.; Flatscher/Waldhart i. Dr.; Sutterlüti i. Dr.) sowie über Bunker und Flakstellungen in Lans, Innsbruck und Vill. Leider kann nicht wie für Wien auf eine bauarchäologische Publikation (La Spe- ranza 2012) verwiesen werden, obwohl eine historische Arbeit über die Bunker der Zeit in Tirol gedruckt vorliegt (Arnold 2002). Besonders für Tirol, Kärnten und Vorarlberg gilt, dass Forschungsergeb- nisse oft nur sehr vereinzelt und verstreut publiziert sind. Über zahlreiche Forschungen gibt es leider nur Presseberichte und Seminararbeiten. Mit einschlägigen Lehrveranstaltungen und im Rahmen der Einführungslehr- veranstaltungen wird am Institut für Archäologien in Innsbruck versucht, bei den Studierenden das Interesse für zeitgeschichtliche Archäologie zu wecken. Zuletzt hat eine Bachelorarbeit eine Handwerksarbeit aus dem Lager Haiming, die im weitesten Sinne als Trench-Art bezeichnet werden kann, behandelt (Sutterlüti 2020). Weitere Abschlussarbeiten entste- hen gerade oder sind für die Zukunft zu Hort- und Fluchtbefunden aus Schwendt, Wenns und Pfaffenhofen geplant. Als ein größeres Projekt mit internationaler Vernetzung und öffentli- cher Wirksamkeit ist schließlich das interdisziplinäre Projekt „Kosaken in Osttirol“ zu nennen.

Kosaken in Osttirol – Ein kurzer historischer Überblick

800 000–1 500 000 Menschen aus der Sowjetunion kämpften im Zwei- ten Weltkrieg auf deutscher Seite (Krikunov 2008, 119). Anfangs war eine Einbeziehung der einheimischen Bevölkerung in den Krieg gegen die Sowjetunion nicht vorgesehen, und gegen eine Bewaffnung von Russen wehrte sich Hitler kategorisch. Am 22. August 1941 lief jedoch das sowjetische 436. Infanterieregiment unter Befehl von Major Iwan N. Konosow fast geschlossen zur Wehrmacht über und wurde von der Heeresgruppe Mitte als „Kosaken-Abteilung 600“ in der Partisanenbe- kämpfung und für Sicherungsaufgaben verwendet. Nur die wenigsten waren „echte“ Kosaken, aber die perfekte „Mogelpackung“, um Russen als Kampfgefährten anzuwerben, war geschaffen. Ende 1941 genehmig- te das Oberkommando der Wehrmacht die Aufstellung von Kosaken- einheiten zum Kampf auf deutscher Seite. Weitere Einheiten und eine Zusammenfassung folgten. 1944 diente der Großteil der Kosaken in der 1. Kosakenkavalleriedivision (Ende 1944 in XV. Kosaken-Kavallerie-Korps umbenannt), im „Kasatschij Stan“ oder in der Kosakeninfanterie. Das

200 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne XV. Kosaken-Kavallerie-Korps unter Befehl von kämpfte in Jugoslawien gegen Partisanen, der „Kasatschij Stan“ in Nor- ditalien und die Kosakeninfanterie am Atlantikwall in Frankreich. 1944 kämpfte die „1. Russische Nationalarmee“ auf deutscher Seite, und die „Russische Befreiungsarmee“ (ROA), ebenfalls in deutschen Uniformen, befand sich in der Aufstellungsphase (Müller, R.-D. 2007, 206–222). Die guten Kontakte der exilkosakischen Führung, vor allem von Pjotr Nikolajewitsch Krasnov, zur Wehrmacht hatten sich 1941 ausgezahlt (Mül- ler, R.-D. 2007, 207). Aus Belgrad, Paris, Sofia, Prag und Berlin schlossen sich Kosaken an, die die Chance sahen, den verlorenen Bürgerkrieg fort- zusetzen. Neben Emigranten der Revolutionsära wie Mitgliedern der Fa- milie Krasnov und Schkuro sowie Kindern von diesen dienten in den Ko- sakenverbänden in Kriegsgefangenenlagern Angeworbene, Überläufer und Freiwillige aus eroberten Gebieten. Weltanschauliche Gegensätze waren daher groß. Während das Herz der einen für den Zaren schlug, waren andere dem Kommunismus nicht abgeneigt (Schwarz 1976, 83 f.). Auch religiös herrschte eine große Vielfalt vor: „In meinem Korps sind ca. 30 000 gläubige Protestanten, Römische Katholiken und Griechisch-Or- thodoxe, Muslime, Shintoisten und Buddhisten“, wobei sich in dieser Aufzählung das deutsche Rahmenpersonal ebenso niederschlägt wie ein Kavallerieregiment der Kalmücken (Müller, R.-D. 2007, 238). Nach der Niederlage von Stalingrad folgten Kosakenverbände dem Rückzug der deutschen Truppen. Auch die Familienangehörigen folgten der kämpfenden Truppe. Es galt, diese Menschenmasse zu organisieren und zu sammeln. 1943 wurde in Mława unter Helmuth von Pannwitz die 1. Kosakenkavalleriedivision aufgestellt, dazu wurden Kosakenverbände von der ganzen Ostfront zusammengezogen. Daneben gab es andere Sammelpunkte: In Lugansk und Kirowograd versammelten sich je rund 3 000 Personen. In Lugansk begann S. W. Pawlow mit der Aufstellung von zwei Regimentern, und der „Kasatschij Stan“ bildete sich heraus. Diesen Begriff kann man am besten als „Mobiles Kosakenlager“ übersetzen. Am 10. November 1943 bestimmten die Deutschen den Bezirk Balino in der Ukraine als Standort. Anfang Juni 1944 wurde der „Kasatschij Stan“ nach Weißrussland verlegt und Anfang Juli 1944 in die Region Białystok/Po- len. Ende Juli/Anfang August wurden bereits die ersten Mitglieder nach Norditalien zur Partisanenbekämpfung verlegt. Am 27.4.1945 zählte der „Kasatschij Stan“ „mehr als 31 500 Personen, darunter 18 060 Gemei- ne, Unteroffiziere und Offiziere, sowie 13 570 Zivilisten“ (Schkarowskij 2006/2007, 14 f.). Neben Seelsorgern gab es Personal für die kulturelle Betreuung der Kosaken und Kalmücken, eine eigene Zeitung erschien, Festtage wur- den gefeiert, Chöre gegründet und Traditionen gepflegt. Eine Form der Traditionspflege waren die Traditionsuniformen mit Tscherkesska, als Kopfbedeckung Kubanka oder Papacha, der Peitsche Nagaika und den Kosakensäbeln. Daneben wurden deutsche und sowjetische Uniform- teile getragen (Schuster/Tiede 1999). Im XV. Kosaken-Kavallerie-Korps waren die Regimenter nach den traditionellen Siedlungsgebieten Don, Kuban, Terek und Sibir organisiert. Im „Kasatschij Stan“ in Norditali- en verschwammen die Grenzen zwischen militärischem Verband und Flüchtlingstreck. Dort hatte die nationalsozialistische Führung den Ko- saken eine neue Heimat versprochen und setzte sie erfolgreich in der Partisanenbekämpfung ein. Rücksichtslos verteidigten sie ihre neue zukünftige Heimstätte sowie die zum Stan gehörenden Frauen, Kinder und Alten. In Norditalien lebten Kosaken aus den Stanizen der alten Heimat zusammen, und die Dörfer trugen oft die Namen der Dörfer in Russland. Schulen und Kindergärten, Kirchen, Theater, Tanzschulen und ein Kriegsversehrtenheim entstanden dort. Pjotr Nikolajewitsch

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 201 Krasnov mit seiner „Hauptverwaltung der Kosakenheere“ war die inte- grierende Symbolfigur. Kurz vor Kriegsende stand die zum XV. Kosaken-Kavallerie-Korps (Le- har 2017c) umbenannte 1. Kosakenkavalleriedivision am Balkan, der „Kasatschij Stan“ in Norditalien, und auch die „Hauptverwaltung der Kosakenheere“ wurde dorthin aus Berlin evakuiert. Um sich nicht den Partisanen oder der Roten Armee ergeben zu müssen, zogen die Kosa- ken nach Norden und konnten die Grenze nach Österreich überschrei- ten. Der „Kasatschij Stan“ und kaukasische Truppenverbände lagerten im Lienzer Talboden, das XV. Kosaken-Kavallerie-Korps und das „Rus- sisches Schutzkorps Serbien“ in Kärnten. Hier wähnten sich die Kosaken in Sicherheit: Kriegsgefangene an andere Staaten auszuliefern verstieß gegen das Völkerrecht, und unter den Kosaken befanden sich viele Emigranten, die nie Sowjetbürger gewesen waren. Außerdem hofften sie auf ihr symbolisches Kapital. Dazu zählten Schkuros britischer Or- den, die alten zaristischen Uniformen und der Umstand, dass die in der Vergangenheit für die US-amerikanische Firma Standard Oil arbeitende Olga Rotova fließend Englisch sprach. Einige Kosaken erwarteten, den Kampf gegen die Sowjetunion bald auf Seiten der Westmächte fortzu- setzen. Andere Hoffnungen richteten sich auf eine Zukunft in Übersee. Während in Oberkärnten tendenziell mehr Männer und organisier- te militärische Einheiten lagerten, bestanden die Kosakenverbände in und um Lienz zu einem hohen Anteil aus Frauen, Kindern und Zivilisten. An der Seite der Kosaken hatten Kaukausier und Kalmücken gekämpft, auch sie befanden sich mit den Kosaken in Österreich. Russische Flüchtlinge, das Russische Schutzkorps und ehemalige Zwangsarbei- ter*innen schlossen sich den Kosakenlagern in Osttirol und Oberkärn- ten an. Besonders die Lager der Kosaken in und um Lienz wurden zu einem Anziehungspunkt für russische und ukrainische Flüchtlinge so- wie Zwangsarbeiter*innen. Das Gros der „Kosaken“ hielt sich bis zur Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion 45 Tage von Ende April bis Juni 1945 im Lienzer Talboden auf. Die militärische Lage war bei Eintreffen der Kosaken und Kaukasier im Lienzer Talboden unüberschaubar. Deutsche Truppen auf dem Rückzug aus Italien zogen durch Osttirol, überall in Osttirol und Kärnten waren Flüchtlinge, Vertriebene, Evakuierte, und die Zukunft war unsicher. Erst am 8. Mai 1945 marschierten britische Truppen in Lienz ein. Das alles verbunden mit den von den Kosaken mitgeführten Waffen, Pferden und Ochsen trug zur Verängstigung der Bevölkerung bei. Zwischen den Kosakenlagern im Talboden wurden Reiterstraßen durch die Felder eingerichtet, was ebenfalls nicht auf Gegenliebe stieß. „Sie hatten ca. 6 000 Pferde bei sich und diese vielen Pferde fraßen die Wiesen in kur- zer Zeit derart ab, daß die hiesigen Bauern keine Heuernte hatten“, heißt es zudem in der Gendarmeriepostenchronik von Nikolsdorf (Kofler 2005b, 23). Die Angst um die eigene Sicherheit und vor einer Lebensmit- telknappheit hielt die Osttiroler aber nicht davon ab, mit den Kosaken in einen regen Tauschhandel einzutreten. Neben bald wertlosen Reichs- 2 Einige dieser Objekte haben sich mark und Lire wechselten Schmuck, Kochgeschirre, Porzellan, Waffen, bis heute in der Region erhalten. Sie Schreibmaschinen und Teppiche die Besitzer2. konnten 2005 und 2015 in Ausstellun- gen in Lienz gezeigt werden. Osttiroler, die sich während des Ersten Weltkriegs in russischer Kriegs- 3 Für Josef Huber ergab sich ein uner- gefangenschaft befunden hatten, konnten mit ihren Sprachkenntnissen wartetes Wiedersehen, da sich unter helfen. Einer von ihnen, Josef Huber in Nörsach3, betonte beispielswei- den Kosaken ein Mitglied der Gutsbe- se immer wieder, „vor den Kosaken müsst ihr keine Angst haben“ , und sitzerfamilie des Landguts befand, auf von seinen Vorräten unterstützte er Kosaken in der Gegend. Bei Huber dem er als Kriegsgefangener im Ersten Weltkrieg gearbeitet hatte (Interview waren Briten einquartiert, und auch die Zwangsarbeiter waren noch am vom Herbst 2019 in Lienz mit seinem Hof geblieben. Ein friedliches Mit- und Nebeneinander prägte das Bild Sohn Hermann Huber, geb. 1938). in den Wochen nach dem britischen Einmarsch. Ein Treffpunkt war die

202 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Stube bei Josef Huber. Er übersetzte dort aus dem Russischen ins Deut- sche und ein Dolmetscher ins Englische. Der britische Verbindungsoffizier „Rusty“ Davies konnte das Vertrau- en der Kosaken gewinnen, und am 28. Mai luden die Briten zu einer fin- gierten Offizierskonferenz nach Spittal an der Drau. Das Kosakenlager war somit ohne Führung. Als die Männer nicht zurückkehrten, brach Panik aus, die sich nach der Ankündigung der Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion verstärkte. Die Kosaken traten in den Hungerstreik und skandierten „Besser tot als in der UdSSR“. Einige versuchten ver- geblich, sich als Bürger anderer Länder und als Staatenlose auszuwei- sen. Am 1. Juni trieben die Briten die Kosaken auf LKWs und in Zug- waggons. Zwischen dem 28. Mai und dem 7. Juni übergaben die Briten sowjetischen Truppen in 42 258 Russen und 655 Deut- sche, darunter Frauen, Kinder, Emigranten der Revolutionsära sowie deutsche und österreichische Soldaten des Rahmenpersonals (Kofler 2005a, 18). Erst am 4. Juni begannen die Briten mit der Überprüfung der Staatsangehörigkeit. Dadurch wurden einige vor der Auslieferung gerettet, aber durch die Maßnahmen in den Vortagen waren Familien bereits zerrissen (Kofler 2005b, 24). Die Übergabe von Kollaborateuren, befreiten Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen erfolgte im Rahmen eines bei der Konferenz von Jalta geschlossenen Abkommen. Bei Kriegsende sollten alle alliierten Bürger wieder in ihre Heimat zurückkehren. Viele Menschen aus Ost- und Südosteuropa und der Sowjetunion wollten aber nicht in ihre alte Heimat zurück. Daher wurden in den britischen und amerikanischen Besatzungszonen Zwangsrepatriierungen durchgeführt – oft gegen den Willen der eigenen Soldaten. Neben den Herausforderungen hinsicht- lich Versorgung, Unterbringung und Bewachung war die Sorge um die eigenen westlichen Kriegsgefangenen in der Hand der Sowjets das Hauptmotiv für das Handeln der westlichen Alliierten (Wyman 1998, 61–85; Goeken-Haidl 2006). Die Auslieferungen waren mit viel Gewalt verbunden. Menschen spran- gen in die Drau, brachten sich und ihre Kinder um oder versuchten, Kin- der an Einheimische zu übergeben. Die Befehle zur notfalls gewaltsamen Auslieferung stellten die Gewissen von Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Militärregierung auf eine harte Probe. „We have fought and defeated Hitler and object to being ordered to behave like his “, überliefert William Denis Conolly, damals Mitarbeiter des British Red Cross Civilian Branch, die Aussage eines schottischen Offiziers. In demselben Brief er- wähnt Conolly die Proteste des British Red Cross, die mit der Drohung ver- bunden waren, Österreich zu verlassen, falls die gewaltsamen Ausliefe- rungen nicht gestoppt würden (Lehar 2017c, 106 f.). Am 16. Juni 1945 teilte Major-General Sir Harry Floyd dem höchsten britischen Rot-Kreuz-Offi- zier in der Region, John Selby-Bigge, schriftlich mit, dass der Armeekom- mandant die Anwendung von Gewalt bei zukünftigen Auslieferungen verboten habe und dass es wichtig sei, dass niemand in die Sowjetunion repatriiert werden dürfe, von dem nicht feststehe, dass er Sowjetbürger sei. Die Mitarbeiter*innen der Hilfsorganisationen versuchten vor und nach dem 16. Juni 1945 durch passiven Widerstand wie das Aushändigen gefälschter Dokumente, weitere Zwangsauslieferungen in die Sowjetuni- on zu verhindern. Es ist auch überliefert, dass einzelne Soldaten Kosaken entkommen ließen (ebd.). Somit endete die Zwangsrepatriierung nicht für alle Kosaken tödlich, wie von Teilnehmenden der Gedenkfeier am Ko- sakenfriedhof häufig angenommen. Es gibt Beispiele von Überlebenden der sowjetischen Lager. Andere konnten entfliehen oder sich durch den Nachweis bzw. die Behauptung, keine Sowjetbürger zu sein, der Zwangs- repatriierung in die Sowjetunion entziehen.

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 203 Von Juni 1945 bis zum Jahreswechsel 1946/1947 lebten Kosaken, Slo- wenen, andere Displaced Persons, Flüchtlinge und Entwurzelte im Lager Peggetz in Lienz. Viele der in Osttirol nach dem Juni 1945 Zurückgeb- liebenen wanderten in andere Länder aus (Abb. 2). Zu den Gedenkfei- ern kamen sie und später ihre Angehörigen regelmäßig nach Lienz. Nur wenige Kosaken blieben dort. Einige von ihnen pflegten den „Kosaken- friedhof“ in der Peggetz, wo die Todesopfer der Zwangsrepatriierung bestattet sind, und legten den Grundstein für die kleine russisch-ortho- doxe Gemeinde in Lienz.

Abb. 2. Familie Shevenko im Win- ter 1945/1946 im Lager Peggetz in Lienz. Die Familie wanderte später nach Übersee aus. Die Familie über- gab dem Projekt „Kosaken in Osttirol“ mehrere Familienfotos (Foto: Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Inns- bruck).

Eine genaue Anzahl der Toten in den Massengräbern im „Kosaken- friedhof“ (Abb. 3) ist nicht bekannt. Spätestens seit den 1950er Jahren finden dort jährliche Gedenkfeiern statt, bei denen langjährige Freund- schaften und Bekanntschaften entstanden sind (Lehar 2017a; 2017b). Folkloristische Elemente, Verklärungen und Verdrängungen unter den Teilnehmenden der Gedenkfeiern aus der Region und dem Ausland

204 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Abb. 3. Der Kosakenfriedhof mit der 2015 errichteten Kapelle (Foto: Ver- ein zum Gedenken an die Lienzer Ko- sakentragödie vom 1.6.1945/Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Inns- bruck).

sind allerdings nicht zu leugnen (Berger 2008). So wird in der Literatur, von Zeitzeug*innen und Interessierten häufig unreflektiert von „Kosa- ken“ gesprochen und dabei angenommen, dass der Großteil christlich geprägt war und Russisch sprach. Eine kritische Begleitung der Akteu- re und die Reflexion der Erinnerungskultur sind daher unerlässlich. Die Archäologie kann helfen, die häufig vergessenen oder an den Rand der Erinnerung gedrängten, teilweise auch muslimischen Kaukasier durch materielle Quellen wieder sichtbar zu machen. Diese Begleitung und Reflexion möchte das Forschungsprojekt leisten und eine reflektierte Erinnerungskultur mitgestalten.

Das Forschungsprojekt „Kosaken in Osttirol“

Lange Jahrzehnte dominierten die Erinnerungen von Angehörigen der Kosakenverbände (Vierkorn 1994; Kübler 1990) und journalistisch oft

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 205 wenig differenzierte Publikationen (Wenzel 1976) die publizistische und gesellschaftliche Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum. Re- gional prägten Gedenkfeiern, Reden und Zeitungsartikel das Bild der Ereignisse im Frühjahr 1945. Die Autor*innen waren häufig Veteranen oder in der NS-Zeit Funktionsträger wie der frühere Lienzer Bürgermeis- ter Emil Winkler (1938–1945). Neben dem Roman „Die Tragödie an der Drau“ des exilpolnischen Schriftstellers Józef Mackiewicz beeinflussten vor allem die Arbeiten von NikolaiTolstoy (1977; 1983; 1986) das schwarz-weiße Bild der Er- eignisse in der Region. Die von einer die Briten anklagenden Agenda geprägten Publikationen von Tolstoy basieren auf der Auseinanderset- zung mit vor allem britischen Quellendokumenten und Zeitzeugenin- terviews und wurden von Veteranen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS wie der Kameradschaft des XV. Kosaken-Kavallerie-Korps beworben und propagiert. Ein eigens einberufener Ausschuss (Cowgill u. a. 1988; 1990) stellt zentrale Thesen und Aussagen von Tolstoy in Fra- ge oder widerlegt sie ganz. Mehrere Publikationen Tolstoys waren in Großbritannien Gegenstand von Prozessen wegen Verleumdung und übler Nachrede. In den Prozessen unterlag Tolstoy und wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt (Brooker 1997). Die Tolstoy und seinen Er- gebnissen kritisch gegenüberstehenden Publikationen des Ausschus- ses (Cowgill u. a. 1988; 1990) wurden in Österreich nicht rezipiert, so dass er dort weiter in einschlägigen Sammelbänden publizieren konn- te (Tolstoy 2002). In Österreich tauchten die Ereignisse in Lienz im Frühjahr 1945 zwar in Ausstellungskatalogen sowie Überblickswerken auf (Ferdinandeum 1995, 69–71; Kofler 1996), und es erschienen Untersuchungen zu ein- zelnen Aspekten (Karner 1994), jedoch fehlten eine Gesamtdarstellung und Untersuchungen zur Situation in Osttirol. Deshalb initiierte Harald Stadler gemeinsam mit den aus Osttirol stammenden Historiker Mar- tin Kofler und dem Ethnologen Karl Berger ein interdisziplinäres For- schungsprojekt, um sich dem in ihrer Heimatregion wissenschaftlich lange vernachlässigten Thema zu widmen. Gemeinsam organisierte Lehrveranstaltungen waren der Startschuss für das Projekt „Kosaken in Osttirol“, das bis heute am Institut für Archäologien an der Universi- tät Innsbruck unter der Leitung von Harald Stadler angesiedelt ist. Erst- mals förderten Ausgrabungen im Lienzer Talboden in größerer Zahl Sachquellen zu Tage, und Interviews wurden wissenschaftlich geführt. 2005 wurde gemeinsam eine Ausstellung (Stadler u. a. 2005) und 2007 eine Tagung organisiert. Die Tagung und der daraus resultierende Ta- gungsband (Stadler u. a. 2008) fassten Erkenntnisse und Perspektiven zusammen und boten auch kritischen Fragen und Anmerkungen Platz. Darüber hinaus führten sie zur Vernetzung und zum Austausch mit Wissenschaftler*innen, aber auch mit Zeitzeug*innen und deren An- gehörigen. Ebenso konnte ein großes Medieninteresse erreicht wer- den. So berichtete etwa „Der Spiegel“, und das ZDF produzierte eine Fernsehdokumentation mit dem Titel „Der Todesritt der Kosaken“. Durch Sachquellen kombiniert mit Archiv- und Literaturrecherchen konnte aus verschiedenen britischen Perspektiven erstmals ein umfas- sendes Bild rekonstruiert und mit Sachquellen, Zeitzeug*inneninter- views und anderen Aufzeichnungen verknüpft werden. Damit ist nun nach und nach die Erarbeitung eines objektiveren Bilds der Ereignisse möglich. Handlungsspielräume, verschiedene nationale Prägungen, Abhängigkeiten und geopolitische Umstände sollen in dieses neue objektivere Bild einfließen. Individuen sollen sichtbar werden. Die Zweiteilung in „die Briten“ und „die Kosaken“ soll durch den Blick auf Individuen dekonstruiert werden. Erste Publikationen (Schleha 2009)

206 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne und Beiträge in Sammelbänden (Lehar 2019) zu einzelnen Kosaken und Briten konnten bereits vorgelegt werden. Durch Bildungsarbeit, Ausstellungen, Vorträge und viele persönliche Gespräche fließt dieses neue umfassendere Bild allmählich in die Erin- nerungskultur und in das lokale Bewusstsein ein. Beispiele für diese Ver- mittlungsarbeit sind Vorträge, Stadtführungen sowie eine internationale Jugendbegegnung in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge im Sommer 2019. Eine Graphic Novel über die „Li- enzer Kosakentragödie“ von belgischen Künstlern, die schon auf Fran- zösisch (Lemaire/Neuray 2017) und Italienisch (Lemaire/Neuray 2018) vorliegt, soll für den Schulunterricht ins Deutsche übersetzt werden. Mit diesem graphischen Medium soll für Jugendliche ein Zugang zur regiona- len Zeitgeschichte geschaffen werden. Bereits 2018 hat eine Lehrerfortbil- dung stattgefunden, und aktuell wird Unterrichtsmaterial für Lehrperso- nen aus der Region vorbereitet. In Kooperation mit dem österreichischen Bundesheer sollen Vorträge und Workshops zum Kriegsende 1945 und zu den Zwangsrepatriierungen der Kosaken mit Soldat*innen im Rahmen der historisch-politischen Bildung stattfinden. Inhalte, Erfahrungen und Ergebnisse des Forschungsprojektes fließen in die Lehre am Institut für Archäologien in Innsbruck ein. Die Ausstellungen 2005, 2010 und 2015 (Abb. 4) stießen besonders in der Region weitere Diskussionen an und schufen ein Bewusstsein für das Thema. Darauf aufbauend, soll die weitere museale Präsentation so- wohl im virtuellen Raum über eine Webseite als auch in Form von Son- derausstellungen erfolgen. Eine erstmals digitale Sonderausstellung mit dem Titel „Sie teilten ihr Schicksal! Frauen und die Kosakentragödie von Lienz 1945“ beinhaltet bisher vernachlässigte Aspekte wie Frauenbiogra- fien und soll dem Gedenken 75 Jahre nach den Ereignissen neue Impulse geben (Ausstellung 2020). Um dem internationalen Publikum gerecht zu werden, ist diese digitale Präsentation in mehreren Sprachen (Deutsch, Englisch, Russisch und Italienisch) zugänglich.

Abb. 4. Eindrücke aus der Ausstellung „Einst Flüchtling – Heute Tourist. 70 Jahre Kosakentragödie in Lienz“ 2015 im Südbahnheizhaus Lienz. Die Ausstellung fand vorwiegend in Waggons statt, von dem jeder einer Perspektive gewidmet war. Der ge- zeigte Waggon thematisierte die Perspektive der Kosaken, aber auch das Thema Archäologie (Foto: Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universi- tät Innsbruck).

Die Rolle der Archäologie im interdisziplinären Forschungsprojekt

Innerhalb des Projektes „Kosaken in Osttirol“ kommt der Archäologie eine zentrale Rolle zu. Archäologie kann mündliche und schriftliche Überlieferungen auf die Probe stellen. Sie kann auch Vergessenes und Verdrängtes wieder sichtbar machen. Ebenso kann sie Verstecktes wie- der auffinden. Sachquellen können helfen, die zeitliche Distanz zu den Ereignissen zu überwinden, Interesse zu wecken und zum Nachdenken

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 207 anzuregen. Sie sind daher für Vermittlungsvorhaben wie Ausstellun- gen zentral. Im Zusammenspiel mündlicher, schriftlicher und bildlicher Quellen bietet die Archäologie ein enormes Interpretationspotential für die Alltags-, Individual-, Ereignis- und damit Zwangsrepatriierungsge- schichte von Lienz. Ziele und Fragestellung der Archäologie in Hinblick auf die Kosakentragödie sind:

• Wie sehen archäologische Befunde und Funde von Gewaltphäno- menen aus? • Wie aussagekräftig sind die archäologischen Befunde und Funde über und unter Tage von Akteuren, die nur einige Wochen lang im Lienzer Talboden lagerten? • Bis zu welchem Detailgrad lässt sich das Geschehnis mit archäo- logischen Methoden erschließen? • Worin besteht der Mehrwert eines Beitrags der Archäologie?

Folgende Quellengruppen liegen vor: • Hort- und Einzelfunde unter der Erde • Hort- und Einzelfunde in Gebäuden • Flussfunde • Gräber und Leichenbefunde • Luftbilder • Zeitzeug*innen • Fotos-, Zeichnungen, Gemälde und Filmmaterial • Schriftliche Unterlagen (Tagebücher, persönliche Dokumente etc.)

Zu berücksichtigen ist eine Reduktion von Schrift- und Sachquellen durch folgende Umstände: 1 Vergraben, Verstecken vor der Auslieferung 2 Abnahme durch englische Soldaten (Uhren, Geld, Wertsachen) 3 Abnahme durch Sowjetsoldaten nach der Übergabe in Judenburg 4 Verbrennen von Objekten ohne materiellen Wert nach Leibes- visitationen in Lienz und Judenburg 5 Plünderung/Zusammenräumung und Entsorgung durch die einheimische Bevölkerung in Osttirol 6 Entsorgung durch spätere Generationen

Schriftliche Quellen, Zeitzeugenberichte und Luftbilder weisen auf Funderwartungsgebiete hin. Über Luftbilder aus dem Jahr 1945 sind eine detaillierte nichtinvasive Ausweisung, Quantifizierung und Quali- fizierung möglicher Funderwartungsgebiete möglich. Rund um die Ost- tiroler Gemeinde Dölsach befinden sich beispielsweise zwei Funder- wartungsgebiete: Ein Grab von 200 Pferden und sechs Kamelen, die an einer Pferdekrankheit verstorben sind, sowie Hunderte Panjewägen in mit britischen Schubraupen ausgehobenen Gräben. Auch 2019 konn- ten erneut erfolgreiche Surveys in Funderwartungsgebieten durchge- führt werden. Durch die Identifikation von Funderwartungsgebieten können Unter- schutzstellungsmaßnahmen wie der Eintrag in die Landesdenkmalamts- liste erreicht werden. Auch die Prospektion mit Hilfe von Magnetik und Georadar birgt große Chancen. Die Identifikation von Funderwartungs- gebieten schafft gemeinsam mit mehr Sach- und Schriftquellen neue Grundlagen für ein größeres Forschungsprojekt und hilft, vorhandene und neu zu findende Forschungsfragen zu stellen und zu beantworten. Archäologische Funde zu der sogenannten Kosakentragödie aus der Region haben ein großes Potential: Hortfunde und Hufschmiedbefun- de wie die „Kosakenschmiede“ (Abb. 5) erlauben Auskünfte über den

208 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Beruf der Akteure (meist „Kosaken“) und Rückschlüsse über Flucht- bewegungen bis hin zur Identifizierung von Individuen (z. B. über Er- kennungsmarken). Lagerplätze und Höhlen geben Einblicke über das Versteckverhalten und Fluchtbewegungen. Leichenbefunde im Hoch- gebirge belegen erfolglose Fluchtversuche. Archäologische Funde er- möglichen eine Quantifizierung und Qualifizierung der Überlieferung materieller Kultur nach 75 Jahren. Über archäologische und schriftliche Quellen bekommen Menschen wieder ein Gesicht, und einzelne Indi- viduen können aus der Masse der 25 000 „Kosaken“, deren Aufenthalt für Osttirol überliefert ist, herausgehoben werden.

Abb. 5. Archäologischer Nachweis der sogenannten „Kosakenschmiede“ in Lavant. Mündliche und schriftliche Überlieferungen konnten 2005 über archäologische Ausgrabungen be- stätigt werden (Foto: Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

Schlaglichtartig zeigt dies ein in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhun- derts gemachter Hortfund in der Zwischenwand eines Heuschobers in Untergaimberg (Lehar in Vorb.). Er besteht aus einem Buchmanuskript in russischer Sprache, offiziellen Dokumenten in russischer und deut- scher Sprache sowie weiteren Papierstücken. Der Fund lässt sich mit Elizabeth Lermolo in Verbindung bringen, die als Frau eines Weißgar- disten im Gulag interniert war, 1945 der Zwangsrepatriierung in die So- wjetunion entging und später in den USA lebte. Dort veröffentlichte sie 1955 das in Untergaimberg gefundene Manuskript unter dem Titel „Face of a victim“ in englischer Sprache. Darin schildert sie ihre Haft im Gulag in Sibirien und im Ural. Das Buch stieß damals im Kalten Krieg auf gro- ßes Interesse und wurde in der New York Times und in der Zeitschrift Foreign Affairs besprochen. In den 1950er Jahren verliert sich aber die Spur von Lermolo in den USA. Die Unterlagen aus dem Hortfund sind gut erhalten und können daher größtenteils gut gelesen und übersetzt werden. Der Hortfund weist auf zwei Frauen und zwei Männer – Vasile Lazarew, Elisabeth Hanshekow, Michael Jakowenkow und Elisawjeta Germailejeva – hin. Elisawjeta Ger- mailejeva verwendete später in den USA den Namen Elisabeth Lermolo und publizierte das erwähnte Buch. Ihre Biographie wirft aktuell noch viele Fragen auf: Wo und wie lebte sie zwischen ihrem Aufenthalt in Li- enz und ihrer Ausreise in die USA? Warum verliert sich ihre Spur nach der Veröffentlichung des Buches? Eine Anfrage bei den „Arolsen Archi- ves – International Center on Nazi Persecution“ erbrachte leider keine Ergebnisse. Ein Vergleich des Manuskriptes mit dem publizierten Buch ist ein Zugang zur Auswertung dieses Hortfundes. Dieser ermöglicht

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 209 eine Auseinandersetzung mit dem literarischen Lebenszeugnis „Face of a victim“, wie sie leider bei anderen Autobiographien, die mit der „Lien- zer Kosakentragödie“ in Zusammenhang stehen, nicht möglich ist. Dies gilt etwa für die Autobiographie von Zoe Polanska-Palmer (1988). Sie trat in Großbritannien als Zeitzeugin auf und war eine Zeugin der Verteidigung für Tolstoy während dessen Prozessen. Wie bei Elisabeth Lermolo wirft auch die Biographie von Zoe Polanska-Palmer Fragen auf: Wie hieß sie vor ihrer Emigration nach Großbritannien? Ist ihre Schilderung in allen Einzelheiten korrekt? Die Schilderung der nach ei- genen Angaben aus Dachau bzw. von einem Transport Entkommenen, die schließlich in Lienz im Kosakenlager landet und bei der Zwangs- repatriierung im Lager Peggetz schwer verletzt wurde, klingt eben- so filmreif wie Teile der Autobiographie von Elisabeth Lermolo. Auch für Zoe Polanska-Palmer verlief eine Anfrage in Bad Arolsen erfolglos. Anhand von über 750 regionsfremden Objekten und gesicherten Ob- jektbiografien konnte ein guter Einblick in 45 Tage Alltagsgeschichte, d. h. Arbeits- und Lebensumstände, gewonnen werden. Die Kombi- nation von Bild-, Text- und Sachquellen erlaubt neue Erkenntnisse und trägt zur Bestimmung von Objekten und der Klärung ihrer Verwendung bei. So konnte der Zweck eines Flussfundstückes mit Hilfe historischer und aktueller Fotos bestimmt werden. Es handelt sich um einen kosaki- schen Leibgurt, den sogenannten „pojas“ (Schuster/Tiede 1999, 54). Auf einer der handgemachten Gürtelzungen war in kyrillischen Buchstaben die „Anzahlung 400 L.“ (Lire?) eingeritzt. Ein dingliches Indiz, dass das Geschäft während des Transportes von den Herkunftsgebieten bis nach Kärnten/Osttirol abgeschlossen wurde. Zu den Einzelobjekten zählen auch Blank- und Schusswaffen. Ein ver- mutlich 1945 verstecktes russisches Gewehr des Typs Nagant Mosin M44 wurde in Nußdorf-Debant von einem Bauern eingewachsen im Stamm einer Weide entdeckt, als er diese fällen wollte. Der Fund konnte 2015 im Rahmen der vom Projekt durchgeführten Ausstellung der interessier- ten Öffentlichkeit präsentiert werden. Ebenso befinden sich Schmuckstücke mit einer überlieferten Objekt- geschichte unter den Funden. Einige, wie das Amulett bei Sonja Walder, gelangten zusammen mit Säuglingen in die Hände einheimischer Fami- lien (Abb. 6). Sie waren als Unterpfand für den Unterhalt und die Erzie- hung dieser Kinder gedacht, wobei auch ein Ausweis die einzige Erinne- rung an die leibliche Familie sein konnte (Abb. 7).

Abb. 6. Sonja Walder (gest. 2018), Zeitzeugin und „Kosakenkind“, be- richtet 2007. Das auf dem Buch liegende Amulett befand sich bei ihr, als sie als Kleinkind von Einhei- mischen aufgenommen wurde (Foto: St. Dietrich/Projekt „Kosaken in Ost- tirol“, Universität Innsbruck).

210 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne Abb. 7. Michael Rainer, Zeitzeuge und „Kosakenkind“, mit dem Ausweis sei- ner Mutter aus in Lienz 2007. Der Ausweis ist das einzige Erinne- rungsstück an seine Herkunftsfamilie (Foto: St. Dietrich/Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

Ein Münzhortfund aus Lavant mit 31 Münzen erlaubt über die Identi- Abb. 8. Ausgewählte Beispiele aus fizierung der Orte, in denen die Kosaken sich bei ihrem gemeinsamen dem Münzhort aus Lavant: a Zaristi- Rückzug mit den deutschen Streitkräften aufhielten, die Rekonstruktion sches Russland; b Sowjetunion; ihrer Route (Abb. 8). c Italien (Fotos: Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

a b c

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 211 Eine Herausforderung stellt die zeitliche Distanz dar: Zeitzeug*in- nen sterben, in den Familien existiert kein Bewusstsein für den Wert der in den Familien vorhandenen Gegenstände. Die Objekte sind von der zweiten und dritten Generation nicht mehr „lesbar“ – der Be- zug zu diesen historischen Objekten, der in der Erlebnisgeneration noch selbstverständlich vorhanden war, fehlt. Weil der Wert nicht er- kannt wird, werden wichtige Sachquellen entsorgt. Es gilt, klare Sam- melkriterien für Sachquellen zu definieren und die Konservierung

Abb. 9. Exemplar einer „Tapferkeits- und Verdienstauszeichnung für An- gehörige der Ostvölker“ aus einem Hortfund (Montage: A. Blaickner/Pro- jekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

212 Historische Archäologie 2020 | Archäologie der Moderne sicherzustellen. Unterstützt vom Land Tirol ist deshalb eine Datenbank von archäologischen Funden und mit den Ereignissen verbundenen Ge- genständen im Privatbesitz in Vorbereitung. Neben den oft unklaren Besitzverhältnissen ist es vor allem Scham, die ein Gespräch mit Projekt- mitarbeiter*innen verhindert. Diese Scham rührt wiederum von den in Vergessenheit geratenen Objektbiographien her, weil die Gegenstände eventuell aus den Plünderungen im Juni 1945 stammen könnten oder mit dem nationalsozialistischen Deutschland assoziiert sind (Abb. 9).

Ausblick

Der inter- und transdisziplinäre Zugang im Projekt soll weiter verstärkt werden, und das Projektteam versucht, ebenso mit Angehörigen der Kosaken in aller Welt, zuletzt z. B. aus Kanada und den USA (Abb. 10), wie mit Kulturschaffenden und Forschenden im In- und Ausland ins Ge- spräch zu kommen. Dadurch soll Lienz als transnationaler Begegnungs- und Erinnerungsort erlebbar sein und werden. Für die zukünftige For- schung und Vermittlungsarbeit wird eine Einordnung der sogenannten „Lienzer Kosakentragödie“ in die Zeitgeschichte des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit mit den verschiedenen Aspekten (Kriegsgefan- genschaft, Zwangsarbeit, Bombenkrieg, …) sowie eine Einbettung der Regionalgeschichte in die Globalgeschichte unter Berücksichtigung ak- tueller Forschungsthemen wie Displaced Persons (Boehling u. a. 2014; Borggräfe u. a. 2017) unerlässlich sein. Der Blick auf individuelle Biogra- phien und die Berücksichtigung der zivilen Flüchtlinge sowie der ehe- maligen Zwangsarbeiter*innen ist dabei unerlässlich. Die sogenannte „Lienzer Kosakenträgodie“ hat das Potential, ein wichtiger Forschungsge- genstand für Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen zu sein, der von Forschenden aus verschiedenen Ländern gemeinsam bearbei- tet werden sollte.

Abb. 10. Harald Stadler mit dem Über- lebenden Alexander Pevnev im Kosakenmuseum in New Jersey im Dezember 2017. Im Hintergrund zu sehen ist das Originalgemälde von Sergej G. Korolkoff über die Zwangs- repatriierung der „Lienzer Kosaken“. Dieses Bild nimmt in der Erinnerungs- kultur einen großen Stellenwert ein (Foto: Projekt „Kosaken in Osttirol“, Universität Innsbruck).

Harald Stadler & Philipp Lehar | Archäologische Aspekte zur Erforschung einer Zwangsdeportation im 20. Jahrhundert 213 Literaturverzeichnis

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Harald Stadler und Philipp Lehar Projekt „Kosaken in Osttirol“ Institut für Archäologien, Fachbereich Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie Universität Innsbruck Langer Weg 11 A-6020 Innsbruck [email protected] [email protected]

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