Kotzebue Und Die Kolonien
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Kotzebue und die Kolonien Konfigurationen des Fremden und Exotischen in der deutschen Unterhaltungsdramatik um 1800 am Beispiel von August von Kotzebue Dissertation zur Erlangung der Wu rde einer Doktorin der Philosophie vorgelegt der Philosophisch-Historischen Fakulta t der Universita t Basel von Martina Klemm von Basel Basel 2014 Buchbinderei Bommer GmbH Originaldokument gespeichert auf dem Dokumentenserver der Universität Basel edoc.unibas.ch 1 Genehmigt von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel, auf Antrag von Prof. Dr. Alexander Honold und Prof. Dr. Nicola Gess. Basel, den 11. Dezember 2013 Die Dekanin Prof. Dr. Barbara Schellewald 2 „What a charming amusement for young people this is, Mr. Darcy!–There is nothing like dancing after all.–I consider it as one of the first refinements of polished societies.“ „Certainly, Sir;–and it has the advantage also of being in vogue amongst the less polished societies of the world.–Every savage can dance.“ Jane Austen: Pride and Prejudice 3 Danksagung Diese Arbeit wurde am 11. Dezember 2013 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel als Promotionsschrift angenommen. Die Referenten waren Prof. Dr. Alexander Honold und Prof. Dr. Nicola Gess. Finanzielle Unterstützung erhielt das Dissertationsprojekt von der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft in Basel, vom Schweizerischen Nationalfonds und vom Forschungsfonds der Universität Basel. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Meinem Betreuer, Alexander Honold, und meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen danke ich für den fachlichen und kollegialen Austausch. Meinen Eltern, die mir immer den Rücken frei gehalten und mich bestärkt haben, danke ich ganz herzlich für die kontinuierliche Unterstützung während meiner Ausbildung bis zur Fertigstellung der Dissertation. Schliesslich danke ich meinen Freundinnen und Freunden sowie meinem Lebensgefährten für die geduldige, tatkräftige und krisenfeste Begleitung durch die Höhen und Tiefen meiner Doktorandenzeit. 4 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................................................................................................................ 7 1.1 Deutschland um 1800, die Kolonien und die Postcolonial Studies ................................................................. 8 1.2 Kotzebue, der Kosmopolit ................................................................................................................................................ 13 1.3 Die behandelten Stu cke ..................................................................................................................................................... 19 1.4 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit .................................................................................................... 29 2 Die Figur des ‚Wilden‘ .................................................................................................................................................................. 34 2.1 Der ‚Wilde‘ zwischen Beschreibung und Inszenierung....................................................................................... 35 2.1.1 Das „Eigene“, das „Andere“ und der „Wilde“ – Eine Begriffsbestimmung ......................................... 37 2.1.2 Christopher Kolumbus und die Einwohner der Bahamas – Die europa ische Perspektive ........ 44 2.1.3 James Cook und die Einwohner von Hawaii – Quellenkritik .................................................................. 51 2.1.4 Paul Theroux und Mr. Lishi – Das Genre des Reiseberichts..................................................................... 57 2.2 Kotzebues ‚Wilde‘ ................................................................................................................................................................ 66 2.2.1 Su dsee: Vor der Kolonisierung ............................................................................................................................. 67 2.2.2 Peru: Wa hrend der Kolonisierung ...................................................................................................................... 77 2.2.3 England: Nach der Kolonisierung ....................................................................................................................... 88 2.3 Sich anpassen, um zu u berleben ................................................................................................................................... 94 3 Die interkulturelle Familie ..................................................................................................................................................... 101 3.1 Von Kolonialem und Theatralem ............................................................................................................................... 102 3.1.1 Das Theater um 1800 – Bildung oder Unterhaltung? ............................................................................. 103 3.1.2 Exoten im Theater – ‚Wilde‘ versus ‚Tu rken‘ ............................................................................................... 108 3.1.3 Stoffgeschichte – Yarico, Cora und Pocahontas .......................................................................................... 111 3.1.4 Koloniale Phantasien – Die Kolonialromanze............................................................................................. 118 3.2 Kotzebues Liebesdreiecke ............................................................................................................................................ 121 3.2.1 Su dsee: Familiengru ndung durch Annahme an Kindes statt ............................................................... 122 3.2.2 Peru: Familiengru ndung mit Opfer ................................................................................................................. 130 3.2.3 England: Familiengru ndung mit Happy End ............................................................................................... 138 3.3 Erst siegt die Kolonialmacht, dann die Liebe ....................................................................................................... 144 4 (Un)zivilisierte Gesellschaften ............................................................................................................................................. 150 4.1 Aspekte einer Gesellschaft ............................................................................................................................................ 151 4.1.1 Der Urzustand einer Gesellschaft – Menschenbild und Staatsgru ndung ....................................... 152 4.1.2 Der Erhalt einer Gesellschaft – Su ndenbock und Todesstrafe ............................................................ 162 5 4.1.3 Die Ethik der Eroberung – Menschlichkeit, Barbarei und Zivilisation ............................................ 169 4.1.4 Versuchsanordnungen – Exotische Experimente als Zivilisationskritik......................................... 175 4.2 Kotzebues Gesellschaften .............................................................................................................................................. 179 4.2.1 Deutschland: Aufbruch ins Paradies ............................................................................................................... 180 4.2.2 Su dsee: Leben vor dem Gesetz .......................................................................................................................... 186 4.2.3 Peru: Auflo sung eines Staatsapparats ............................................................................................................ 191 4.2.4 England: Integration des Fremden .................................................................................................................. 203 4.3 Das Scheitern des Eskapismus .................................................................................................................................... 208 5 Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................................................................................... 214 Literaturverzeichnis .......................................................................................................................................................................... 224 6 1 Einleitung Ein Theaterstu ck mit einem exotischen Schauplatz ist im doppelten Sinne ein fremder Ort. Zum einen ist das Theater ein Ort, wo Phantasien visualisiert werden. Es ist ein Ort am Rande der Wirklichkeit, an der Grenze zur Imagination. Dasselbe gilt fu r einen exoti- schen Ort in der Su dsee. Er liegt am Rande unserer allta glichen Wahrnehmung und Vor- stellungskraft und ist eng mit Phantasien und Tra umen verbunden. Die Randlage dieser Orte ermo glicht es, dass die bewussten und unbewussten Regeln, die unseren Alltag be- stimmen, fu r eine bestimmte Zeit ausser Kraft gesetzt werden ko nnen. So wird es schliesslich mo glich, dass sich durch den Ort des Geschehens die Diskursbedingungen verschieben, das Unmo gliche geschieht und das Unsagbare sagbar wird. Diese Verschie- bungen der Diskursbedingungen in den exotischen Theaterstu cken von August von Kot- zebue (1761–1819) bilden den Hauptgegenstand dieser Dissertation. Auf der Suche nach dem kolonialen Diskurs wird der These nachgegangen, dass es spezi- fische Diskursregeln fu r koloniale Settings gibt, und dass sich diese Regeln mit dem Fort- schreiten der Kolonisierung vera