Darwins Theorie und der deutsche Vulgärmaterialismus im Urteil deutscher katholischer Zeitschriften zwischen 1854 und 1914

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br.

vorgelegt von Hermann Josef Dörpinghaus aus Wipperfürth/Rheinland

Freiburg 1969

MEINER MUTTER Referent: Prof.Dr. Hans-Günter Zmarzlik Korreferent: Prof.Dr. Erich Hassinger Dekan: Prof.Dr. Dieter Oberndörfer Tag der Schlußsitzung: 7.11.1969

Gedruckt in der Universitätsbibliothek FREIBURG i. Br. - V -

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkungen und Abkürzungsverzeichnis VIII Kapitel I: Zur Einführung 1

1) Die geistesgeschichtliche Ausgangsposition 1 2) Forschungsstand und Untersuchungsziel 10 3) Die Quellenbasis 17 a) Begrenzung und statistische Auswertung 17 b) Zu Bedeutung und Geschichte der ausgewählten Zeitschriften 21 aa) Gruppe I: Allgemeine Zeitschriften 22 bb) Gruppe II:Naturwissenschaftliche Zeitschriften 31

Kapitel II: Katholische Autoren in der Spannung zwischen naturwissenschaftlicher Empirie und atheisti- schem Materialismus 40

1) Von 1854 bis zur Jahrhundertwende: Weitgehende Identifika- tion von Naturwissenschaft und Materialismus 40 a) Historische Entwicklung des Verhältnisses zu Naturwis- senschaft und Materialismus 40 b) Typologie der Reaktionsformen katholischer Autoren auf den methodischen Positivismus oder Atheismus der Naturwissenschaft 49 aa) Die "ungläubige", "moderne" oder "tendenziöse" Wissenschaft 49 bb) Die "gläubige", "wahre" und "vorurteilslose" Wissenschaft 55

2) Von der Jahrhundertwende bis 1914: Unterscheidung zwischen Naturwissenschaft und Materialismus 65 a) Die zweite Phase im Kampf gegen den Vulgärmaterialismus 65 b) Neue Aspekte im Verhältnis zur Naturwissenschaft 76

EXKURS: Führende Naturwissenschaftler im Urteil katholischer Autoren 82 3) Zusammenfassung des II. Kapitels 91 - VI -

Kapitel III: Zentren der Diskussion 94 1) Das Sechstagewerk - Göttliche Belehrung über naturwis- senschaftliche Fragen oder formale Einkleidung religiöser Aussagen 94 a) Problemlage und Stellungnahme des kirchlichen Lehramts 94 b) Das Sechstagewerk als Offenbarungsquelle in natürlichen Dingen 97 c) Versuche einer Harmonisierung zwischen biblischen und naturwissenschaftlichen Aussagen 103 d) Das Sechstagewerk als Offenbarungsquelle allein religiöser Heilswahrheiten. Verzicht auf wörtliche Auslegung der naturkundlichen Angaben 106 e) Zusammenfassung des ersten Abschnitts 116 2) Die subhumane Evolution 118 a) Einführung in die Problemlage 118 b) Biblische Aussage und Evolutionstheorie: Stellung, nahmen zwischen 1854 und 1914 119 c) Zur Faktizität der Evolutionstheorie: Beurteilungen bis zur Jahrhundertwende 124 d) Die Entwicklung des Wasmannschen Standpunktes 131 e) Zur Faktizität der Evolutionstheorie: Beurteilungen nach der Jahrhundertwende 137 f) Zusammenfassung des zweiten Abschnittes 142 3) Die humane Evolution 143 a) Problemlage und Stellungnahme des kirchlichen Lehramts 143 b) Zur Möglichkeit der humanen Evolution aus theologisch- philosophischer Sicht: Stellungnahmen bis 1900 147 c) Zur Frage der empirischen Erweisbarkeit der humanen Evolution: Stellungnahmen bis 1900 153 d) Die Situation nach 1900 158 EXKURS Das Alter des Menschengeschlechts und sein ein- heitlicher Ursprung 169 e) Zusammenfassung des dritten Abschnitts 176 4) Umstrittene Grenzprobleme 178 a) Der Streit um den Ursprung des Lebens 179 b) Der Streit um Mechanismus oder Vitalismus, um Selektion oder Teleologie 184 c) Der Streit um den qualitativen oder quantitativen Unterschied zwischen tierischer und menschlicher Psyche 192 d) Zusammenfassung des vierten Abschnitts 202

Kapitel IV: Darwinistische Ethik und Gesellschaftstheorie 206

1) Zur Einführung 206 2) Zur Kritik an Darwin, Spencer u.a., vornehmlich in ethischer Hinsicht 208 3) Die Beurteilung der darwinistischen Gesellschaftslehre und der Rassenfrage 215 4) Praktischer Materialismus und politische Anarchie als Folgen darwinistischer Ethik und Gesellschaftslehre 228 5) Zusammenfassung des IV. Kapitels 238

V. Rückblick 240

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 249

ANHANG I : Daten zur Geschichte der ausgewerteten Zeitschriften 264 ANHANG II • : Biogramme und Register der wichtigeren in Text und Anmerkungen genannten Autoren 270

LEBENSLAUF -VIII-

Methodische Vorbemerkungen und Abkürzungsverzeichnis

Die Art des Quellenmaterials (Zeitschriftenaufsätze, Rezensionen und Miszellen) macht einige technische Hinweise unerläßlich: In Zitaten wird die Rechtschreibung der heute gebräuchlichen angeglichen. Auf die Wiedergqbe der im Quellenmaterial häufigen Unterstreichungen, Sperrungen und Fettdrucke wird verzichtet, sofern ihnen nicht eine zum Verständnis wesentliche oder zusätzlich illustrierende Bedeutung bei- kommt. In den Zitatnachweisen und den sonstigen Belegen werden Autor (soweit in der Quelle genannt oder an Hand des Signums ermittelbar, andernfalls Fragezeichen), Zeitschrift, Bandzahl, Jahr und Seite angegeben, nicht dagegen der Titel des jeweiligen Beitrags. Bei den nicht wenigen Bei- trägen, die als Fortsetzungsartikel vorliegen, werden die einzelnen Fortsetzungen grundsätzlich nicht aufgeführt. Existieren von einer Zeit- schrift unter einer Jahrgangszahl zwei Bände mit gesonderter Seitenzäh- lung, so wird zur Kennzeichnung des ersten Bandes die Chiffre a, zur Kennzeichnung des zweiten die Chiffre b verwandt. Diese Chiffre erscheint hinter der Jahrgangsangabe. Um die Anmerkungen nicht zu sehr anschwellen zu lassen, werden immer nur die aussagekräftigsten Belege geboten (meist für jede Zeitschrift je- weils einer). Das Vorhandensein weiterer Belegstellen wird mit den Ab- kürzungen u.a. . bis zu drei weitere Belege, bzw. u.v.a. . weit über drei weitere Belege vermerkt. Im übrigen gelten folgende Abkürzungen: Anm. = Anmerkung bes. = besonders DR = Denzinger-Rahner, Enchiridion symbolorum ... aa0 ebda = ebenda Erg.Heft = Ergänzungsheft der Stimmen aus Maria Laach F = Folge Handweiser = Literarischer Handweiser... für das kathol.Deutschland ..... aa0 Hochl = Hochland HPB = Historisch-Politische Blätter JNW m Jahrbuch der Naturwissenschaften Kath = Der Katholik Lit = Literatur LThK = Lexikon für Theologie und Kirche NF = Neue Folge NuGI = Natur und Glaube NuK = Natur und Kultur NuO = Natur und Offenbarung o.S. = ohne Seitenangabe PB1 = Periodische Blätter Rez. = Rezension RGG = Religion in Geschichte und Gegenwart s. = siehe S. = Seite —IX-

Schö . Die Schöpfung S.O. = siehe oben StdZ = Stimmen der Zeit Seil . Stimmen aus Maria Laach S.U. = siehe unten u.a. = und andere (bis zu drei weitere Belege) u.v.a. = und viele andere (weit über drei weitere Belege) ? = Namentlich nicht bekannter Autor - 1 -

Kapitel I

Zur Einführung

1) Die geistesgeschichtliche Ausgangsposition

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit einem Abschnitt deut- scher Geistesgeschichte, in dem die Naturwissenschaften im Verein mit

Technik und Industrie an die Stelle alter theologisch-philosophischer

Weltdeutung ein neues Weltbild setzen. Dieser mit dem zweiten Drittel des vergangenen Jahrhunderts rasch voranschreitende naturwissenschaft- liche Emanzipierungsprozeß von philosophischen wie religiösen Prämissen hatte in Kürze den Zusammenbruch der naturphilosophischen Systeme eines

Hegel, Schelling u.a. zur Folge, deren idealistische Naturauffassung den realen Verhältnissen zu offenkundig widersprach, um noch ernst ge- nommen werden zu können. An die Stelle aprioristischer Naturkonstruk- tion trat für eine jüngere Generation das Ideal exakter induktiver

Forschung. Unter dem Einfluß des Comteschen Positivismus wollte man nun allein das durch Erfahrung und Experiment Nachgewiesene als gesi- chert gelten lassen, fest überzeugt von der Deckungsgleichheit zwi- schen objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis und absoluter Seinswahr- heit. Diese Erkenntnishaltung begünstigte notwendig die Entwicklung antichristlicher Denkformen, denn die energische Opposition gegen die

Metaphysik, der man die Bedeutung des Unbeweisbaren beilegte, hieß nichts anderes, als die bisher auch und gerade im Rahmen naturwissen- schaftlicher Forschung gestellte Frage nach Gott als dem Urheber des

Seienden methodisch auszuschalten, weil es sich bei ihr um eine philo- sophische Frage handelte. Die von hierher datierende methodisch be- dingte Inaktivität der Naturwissenschaften in bezug auf die Gottesfra- 1 ge darf nun keineswegs etwa mit Atheismus gleichgesetzt werden und ist von heute her gesehen absolut legitim. Sie konnte aber von einer Zeit, in der die Physikotheologie noch eine durchaus große Rolle spielte , so verstanden werden und dann je nach Standpunkt entweder radikal ab- gelehnt oder umgekehrt tatsächlich zur Basis atheistischer Spekulatio- nen gemacht werden. Was letztere angeht, so lagen sie für eine ober-

1) Vgl. dazu Meurers aa0 229 f -2-

flächliche Interpretation umso näher, je mehr es der Naturwissenschaft gelang, Bereiche zu erschließen, die man zuvor nur durch das recht un- mittelbar gedachte Wirken metaphysischer Faktoren zu begreifen wußte, die nun aber durch natürliche, innerweltliche Ursachen ihre völlig be- friedigende Erklärung fanden. Damit mußte die bisher enge Durchdringung der Natur mit religiösen Vorstellungen unterschiedlichster Art zuneh- mend an Oberzeugungskraft verlieren und die Annahme von Wundern, die die Naturgesetze durchbrachen, der immer präziseren Kenntnis von der die Natur durchwaltenden eisernen Gesetzmäßigkeit weichen.

Seit dem Ende der 40er Jahre mehrten sich die Versuche, die kausalme- chanische Naturerklärung zu einer atheistisch-materialistischen Welt- anschauung auszuweiten. In diesem Sinne betätigten sich namentlich der Zoologe Karl Vogt (1817-95), der Physiologe Jakob Moleschott (1822-93) und der Mediziner Ludwig Büchner (1824-99). Des letzteren Hauptwerk Kraft und Stoff, erstmals 1855 erschienen, zog die Summe der materia- listischen Daseinsdeutung: Oberflächlich und widerspruchsvoll, aber doch auch packend und leichtfaßlich geschrieben, vertrat es unter steter Be- rufung auf die Erfahrungswissenschaften die Auffassung, daß die Welt in ihrem Werden und Sein nichts anderes als Kraft und Stoff sei, wie das Demokrit schon gelehrt habe. Die Annahme eines außerweltlichen Schöpfers wurde als überflüssig abgelehnt, da die Materie schon von Ewigkeit her existiere und bereits im Urnebel alle künftigen Bildungen mit Einschluß vernünftiger Wesen enthalten gewesen seien. Ein qualitativer Unterschied zwischen Leben und Leblosem bestehe nicht, das Leben habe als kompli- ziertes System der Mechanik zu gelten. Das Seelisch-Geistige sei nichts alt Gehirnfunktion, weshalb die Existenz einer substantiellen, geistigen, unsterblichen Seele als religiöses Vorurteil abgetan werden könne.

Der Streit um die Existenz einer Seele war schon ein Jahr vor Erschei- nen des Büchnerschen Werkes in voller Schärfe auf der Göttinger Natur- forscherversammlung zwischen Vogt und dem Göttinger Physiologen Rudolf Wagner (1805-64), einem freilich unzulänglichen Verteidiger der christ- -3- 2 lichen Auffassung von der Seele, ausgebrochen . Zeigte dieser sogenannte Materialismusstreit einerseits die naive Ontologisierung naturwissen- schaftlicher Erkenntnisse seitens der Materialisten, so machte er ande- rerseits ebenso deutlich, daß ein großer Teil der sich allein auf ihre exakte Methode beschränkenden Naturwissenschaftler kein Verständnis mehr für religiöse oder philosophische Fragestellungen aufbrachte. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung zwischen Vogt und Wagner als Fanal einer umfassenderen Religions- und Glaubenskrise gelten, die sich nicht nur auf den eigentlich naturwissenschaftlichen Bereich beschränkte, ob- wohl sie von dorther ihre entscheidendsten Impulse bezog.

Denn Kritik an tradiertem religiösen Gedankengut leistete zu gleicher Zeit auch schon die aufblühende Geschichtswissenschaft, indem sie zahl- reiche bisher für wahr gehaltene Legenden über Christentum und Papsttum, über Heilige und Wunder zerstörte. Damit wurde zwar nicht die Glaubens- substanz angegriffen, wohl aber ein Beiwerk, dem im praktischen religiö- sen Leben große Bedeutung zukam.

Folgenreicher hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das Glaubensbewußtsein mußte es erscheinen, daß sich auch die Theologie selbst dem Historis- mus erschloß. Hier machte die protestantische Tübinger Schule Ferdinand Christian Baurs (1792-1860), unbekümmert um dogmatische und religiöse Voraussetzungen, den Anfang mit einer quellenkritischen Untersuchung der neutestamentlichen Schriften, die diese erstmals als selbst der Geschichte angehörende, geschichtliche Urkunden begriff. Weit über Baur hinaus ging sein Schüler David Friedrich Strauß (1808-72). Er erklärte 1835 in seinem Leben Jesu das biblische Christusbild als Mythos, d.h. als Erzeugnis der absichtslos wirkenden Gemeindedichtung und erregte da- mit einen Sturm der Entrüstung, nicht nur in der theologischen Fachwelt. Zu radikal enthüllte sich hier für die Zeitgenossen eine letztlich wi- derchristliche Kritik, die mit der Verabschiedung alles Obernatürlichen, mit der Zerstörung der Offenbarungsgrundlage nur als Vernichtungsangriff

2) Vgl. ausführlich Hirsch aa0 583 ff; Meyer aa0 21 f, dazu außerdem Hermelink aa0, passim, die auch für die folgenden Darstellungen be- nutzt wurden. -4-

auf den christlichen Glauben schlechthin empfunden werden konnte. Und was Strauß historisch kritisch zu entwurzeln suchte, das leistete zu gleicher Zeit der wie Strauß von Hegel beeinflußte Philosoph und ehe- malige Theologiekandidat Ludwig Feuerbach (1804-72) auf philosophischem Boden. Feuerbach, Schrittmacher für Karl Marx, bezeichnete die überlie- ferte christliche Religion als eine Illusion des nach Glück suchenden menschlichen Geistes. Er wollte Religionslehre als Anthropologie ver- standen wissen, indem er den Menschen in den Mittelpunkt alles Erkennens stellte. Sein atheistischer Anthropologismus begrenzte das Erkennen auf das Diesseitig-Menschliche und kam damit ganz den positivistisch-materia- listischen Tendenzen in der Naturwissenschaft entgegen.

So liefen hier Anschauungen zusammen, deren gemeinsame Basis die Über- zeugung von der Widerlegung der Religion - oder doch wenigstens ihrer traditionellen Formen - durch die kritische Wissenschaft bildete. Von zwei Seiten her, vom mechanistisch-naturwissenschaftlichen Vulgärmateria- lismus eines BUchner, Vogt und Moleschott und von der bürgerlich-anti- kirchlichen und antireligiösen Bewegung aus, wie sie sich exemplarisch in Strauß und Feuerbach verkörpert, war damit dem Christentum um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine unerbittliche Kampfansage gemacht. Sie mußte umso ernster genommen werden, als die exakte Wissenschaft ei-

nen Glauben erweckt hatte, ein gläubiges Vertrauen auf den Fortschritt, dessen unmittelbare Rechtfertigung im stürmischen Aufschwung von Technik und Wirtschaft lag. Dieser Aufschwung, der für viele eine Vervollkomm- nung der Lebenshaltung, für alle eine Verlängerung der Lebenserwartung mit sich brachte, mußte auch zu einer Veränderung der Lebenspraxis füh- ren, mußte das Interesse an transzendenten Fragen zugunsten sehr realer, diesseitiger, materieller Ziele notwendig verkümmern lassen. Nicht erst der Himmel, der, wie Heine es spöttisch formuliert hatte, den Engeln und den Spatzen überlassen bleiben konnte, sondern schon der technische und wirtschaftliche Fortschritt bot die Aussicht, auch ohne die in ihren Lehren so offensichtlich widerlegte Kirche ein besseres, menschenwürdi- geres Dasein führen zu können. In diese durch Wissenschaftsgläubigkeit, religiösen Indifferentismus - 5 -

und praktischen Materialismus weithin bestimmte Zeit griff Darwins Buch über die Entstehung der Arten mit starken Wirkungen ein. Seine Veröffent- lichung im Jahre 1859 kam einer echten Sensation gleich. Das beruhte we- niger auf der Behauptung des Verfassers, daß alle organischen Wesen in einem genetischen Zusammenhang ständen, denn der Entwicklungsgedanke fand sich bereits vor 1859 vielfach vertreten, wenngleich erst Darwin ihm zum Siege verhalf, indem er ihn mit einer Fülle von Beweismaterial versah. Von sehr viel weitreichenderer Bedeutung war die kausale Erklä- rung, die Darwin mit der Selektionstheorie dem Evolutionsprozeß gab. Die Theorie von der dem Zufall überlassenen Auslese des Stärkeren im Kampfe ums Dasein, von der stetig wirkenden Zuchtwahl ließ das Zustande- kommen sinnvoller Gebilde auf rein mechanischem Wege verständlich werden, ohne daß man eine Intervention Gottes in den Naturprozeß zu Hilfe nehmen mußte. Gerade die Zweckmäßigkeit, die immer den Einsatz eines intelligen- ten, transzendenten Prinzips zu fordern schien, ließ sich nun auf eine rein mechanische Bedingtheit zurückführen. Der in der Natur herrschende Mechanismus erwies sich als omnipotent, die Behauptung vom Nichtvorhan- densein eines weisen und vorsorgenden Gottes erhielt ihre letzte Fundie- rung. Damit kamen Darwins Gedankengänge dem materialistischen und anti- christlichen Weltbild der Zeit in unerhörtem Maße entgegen. Mit einem Schlage rückten nun die Probleme des Lebens und des Lebendigen in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, wie aber auch in die Mit- te der weltanschaulichen Diskussion.

Die Oberzeugung, mit Hilfe von Darwins Theorie endgültig die grundlegen- de kirchliche Lehre von Schöpfung und Vorsehung widerlegen zu können, eine Oberzeugung, die bei den damaligen Vorstellungen in orthodoxen kirchlichen Kreisen gar nicht so abwegig war, ließ den Darwinismus zu einem - wie es schien - untrennbaren Bestandteil der materialistischen Weltanschauung werden. Und wer immer in den politisch und sozial progres- siven Kreisen, vom Liberalismus bis hin zum Sozialismus, in der, bzw.den Kirchen die Verkörperung von Reaktion und Fortschrittsfeindlichkeit er- blickte, der mochte glauben, mit Darwins Gedankengut, mit der Möglich- keit, die Welt evolutionär und mechanisch erklären zu können, die ent- -6-

scheidende, wissenschaftlich begründete Gegenposition bezogen zu haben. Ludwig Büchner jedenfalls beschloß seine Vorlesungen zu Darwins Theo- rie mit der bezeichnenden Prognose: "Daß der alte religiöse oder Kirchen-Glaube dem Geiste der Zeit und der Massen nicht mehr genügt und durch etwas Anderes er- 3 setzt werden muß, dürfte klar und kaum mehr zu bestreiten sein" Der Ersatz, den Büchner seinen Hörern bzw. Lesern anbot, war "die ma- terialistische oder realistische Philosophie", doch wurde weniger er als vielmehr der junge Jenenser Professor für Zoologie, Ernst Haeckel (1834-1919), die eigentliche Triebkraft für die Weiterentwicklung des Materialismus als Weltanschauung.

Haeckel übernahm Darwins Gedankengut nicht nur, um es als Wissenschaft- ler zum Nachweis der speziellen Entwicklung einzelner Tier- und Pflan- zenformen zu benutzen. Vielmehr machte er in der Folge die Darwinsche Entwicklungs- und Selektionslehre zur Grundlage eines weltanschaulichen Systems, das unter die philosophische Kategorie Monismus fällt. Monis- mus meint die Weltanschauung, die im Gegensatz zum Dualismus "als Grund des Wirklichen nur ein Prinzip annimmt, das den Charakter der Absolut- - 4 heit an sich tragt" . Das absolute Prinzip dieses Monismus, die durch die mechanistische Evolution bestimmte universale Substanz, hatte zwei fundamentale Attribute, nämlich die Materie und den mit der Materie gleichgesetzten Geist. Haeckels Monismus war ein auf die Spitze getrie- bener Materialismus, dessen Spezifikum in der atheistisch-evolutionisti- schen, naturalistischen Auffassung des gesamten Seienden lag. Der Dar- winsche Entwicklungsgedanke wurde von ihm nach zwei Seiten hin ausge- baut: Einmal wurde das von Darwin selbst nicht ausgeschlossene schöpferi- sche Eingreifen Gottes an der Basis des organischen Entwicklungsprozesses verneint und durch das Postulat der per Zufall erfolgten Urzeugung aus Materie ersetzt, so daß ein kontinuierlicher Obergang zwischen belebter

3) L.Büchner, Die Darwinsche Theorie...in sechs Vorlesungen allgemein verständlich dargestellt. Zitat nach der "vierten verbesserten und mit Hülfe der neuesten Forschungen ergänzten Auflage" S.438 4) LThK, 2. Aufl. Artikel Monismus - 7 -

und unbelebter Materie bestand. Zum Zweiten wurde der Entwicklungsgedan- ke auch auf den Menschen angewandt, eine logische Konsequenz, die Dar- win noch vermieden hatte. Haeckel behauptete sowohl die leibliche Ab- stammung der Menschen aus dem Tierreich als auch die Entwicklung des menschlichen Geistes "durch stufenweise Hervorbildung aus der Wirbel- tierseele", wobei "das Geistesleben der wilden Naturvölker" ihm und an- 5 - deren als Beweis diente . Für ihn bestand kein Wesensunterschied zwi- schen Geist und Materie. Die Wirklichkeit war völlig einheitlicher Natur, durchwaltet von einer geschlossenen Naturkausalität. Die als ewig und unerschaffen angenommene Materie entwickelte sich mechanisch in unend- lich unbegrenztem Raum und in unendlich unbegrenzter Zeit über die Ent- faltung des Universums, Erdentwicklung, Urzeugung bis hin zum menschli- chen Geist, dessen Wirken als "eine Summe von physiologischen Bewegungs- 6 erscheinungen der Gehirnteilchen" verstanden wurde . Auf einen extramun- danen Gott konnte Haeckel demnach verzichten. An seiner Stelle statuierte er als säkularisiertes Surrogat eine monistische Religion mit pantheisti- schen Zügen, die in der Verehrung ethischer Ideale gipfelte und später mit der Gründung des deutschen Monistenbundes (1906) auch ihren organi- satorischen Unterbau erhielt. Haeckel besaß ein ausgeprägtes Sendungsbe- wußtsein, das sich in ungemein aggressiver und vulgärer Weise insbeson- dere gegen die Institutionen und Lehranschauungen des Katholizismus rich- tete. Sein sehr selbstsicher vorgetragener metaphysischer Materialismus verband sich mit legitimen Forschungsansätzen und echten Forschungsergeb- nissen und gab damit seiner darwinistischen Weltanschauung, die er "mit 7 der Emphase eines vom Scheiterhaufen bedrohten Galilei vertrat" , den Nimbus der naturwissenschaftlichen Beweisbarkeit.

Die Resonanz, auf die Haeckels zahlreiche Schriften stießen, und mit ihnen auch die Schriften derjenigen, die seiner widerchristlichen Pro- paganda den Boden bereitet hatten, war ungeheuer. Deutlicher als Worte

5) Haeckel, Natürl. Schöpfungsgesch., aa0 652 f 6) Haeckel, Natürl. Schöpfungsgesch., aa0 161 7) Benz aa0 116 -8-

vermögen hier Zahlen zu sprechen: Das Leben Jesu von Strauß wurde noch 70 Jahre nach seinem ersten Erscheinen in der 13.Auflage herausgegeben, eine populäre Volksausgabe, die 1864 auf den Markt kam, brachte es bis 1902 auf weitere 12 Auflagen. Eine größere Wirkung konnte auch Straußens Alterswerk mit dem charakteristischen Titel Der alte und der neue Glau- be verbuchen, in dem sich der Verfasser ganz auf den Boden der darwini- stisch-materialistischen Weltanschauung gestellt hatte: Es lag, erstmals 8 - 1872 erschienen, 1904 in•der 16.Auflage vor . Buchners Hauptwerk Kraft 9 und Stoff erlebte binnen 50 Jahren nicht weniger als 21 Auflagen . Haeckels Natürliche Schöpfungsgeschichte von 1868, sein erster großer Wurf, der schon im Titel den bewußten Kontrast zur biblischen Schöpfungs- geschichte anklingen läiß, steigerte sich nach stürmischen Anfangserfol- 6 gen ( 1875) auf insgesamt 11 Vorkriegsauflagen. Geradezu sensationell wa- ren, um das letzte aber auch wichtigste Beispiel anzuführen, die Zahlen, die die 1899 veröffentlichten Welträtsel erreichten, in denen Haeckel im Wesentlichen eine populäre Zusammenfassung seiner alten Thesen bot: Mit 11 Auflagen in weniger als 20 Jahren, die einer Gesamtzahl von fast 10 400 000 Exemplaren entsprachen , gehörte dieses Werk zu den meistgele- sensten Büchern der Jahrhundertwende.

Zu diesen Spitzenprodukten der atheistisch-darwinistischen Literatur hat man nun noch eine nicht übersehbare Flut weiterer Bücher, Broschü- ren, Zeitschriftenartikel und Vorträge in den vielerorts entstehenden Bildungsvereinen zu rechnen, die sämtlich das Ziel verfolgten, im Namen der alles entschleiernden Naturwissenschaft den Kirchen und ihrem "durch die neuere Forschung überholten" Lehrgut auf den Leib zu rücken. Für die hier angestrebte Zielsetzung mag diese allgemeine Orientierung zunächst

8) Nach einer Schätzung in den HPB 72 (1873) 524 belief sich die Zahl der Leser bereits ein Jahr nach dem Erscheinen auf "200 000 Menschen". 9) Nach Bolle aa0 237, der ferner noch 32 ausländische Auflagen in 17 fremdsprachigen Obersetzungen angibt. 10) Nach Oesterreich aa0 321. Bolle aa0 257 verzeichnet außerdem noch Obersetzungen in etwa 30 Sprachen. - 9 -

genügen, um einen ersten Eindruck von der Intensität zu vermitteln, mit der versucht wurde, eine atheistische Bildung zu popularisieren. Im Ur- teil des Religionshistorikers Hirsch wird "das Menschenalter nach Er- scheinen von Darwins Entstehen der Arten die Zeit ... in welcher für weite Schichten des deutschen Volkes der Glaube an Gott und Unsterblich- keit, der bis dahin trotz den Zweifeln der Gebildeten im Wesentlichen 11 ein gemeinsames, geistiges Gut geblieben war, zusammengebrochen st"i .

Für die katholische Kirche, - die hier allein interessieren soll, - kam diese Entwicklung zunächst unerwartet. Spannungen zwischen Naturwissen- schaft und Glaube datierten zwar schon von der Zeit her, in der Galilei vor der römischen Inquisition stand, und eine materialistische Naturauf- fassung hatte bereits das 18.Jahrhundert mit den Systemen der französi- schen Enzyklopädisten kennengelernt. Aber noch niemals vorher war ver- sucht worden, unter Berufung auf die Naturwissenschaft den Glauben an Gott als Schöpfer und Erhalter der Welt so radikal in Frage zu stellen. Noch niemals vorher war versucht worden, in so breitem Maße große Teile der Öffentlichkeit mit den ständig fortschreitenden Ergebnissen der Na- turwissenschaft in einer Weise vertraut zu machen, die den Materialis- mus und Atheismus - mindestens aber den Agnostizismus - als die einzig möglichen und daher notwendig zu ziehenden Konsequenzen erscheinen lie- ßen. Hier wurde nicht lediglich zur Revision eines religiösen Weltbildes aufgefordert, das seine naturwissenschaftlichen Kategorien noch in be- trächtlichem Maße aus den Angaben der Bibel, namentlich der Genesis, be- zog, ein Umformungsprozeß, von dem es denkbar wäre, daß ihn die Theolo- gen auch in ruhiger Auseinandersetzung mit den neuen Erkenntnissen hät- ten leisten können. Hier wurde vielmehr die Tatsache, daß sich ein sol- cher Umformungsprozeß überhaupt als notwendig erwies, bereits als Be- weismittel benutzt, um der Religion schlechthin ihre Daseinsberechti- gung abzustreiten. Wie weit die Haltung damaliger Apologeten diese Auf- fassung noch provozierte, wird zu untersuchen sein. So ging es hier schließlich und letztlich um die Glaubwürdigkeit der Kirche, um ihre Fähigkeit, in einer Zeit, in der eine durchgängige Säkularisierung des

11) Hirsch oa0 593 f. - 10 -

Weltbildes erfolgte, den formenden Einfluß auf die zu ihr Gehörenden nicht zu verlieren.

2) Forschungsstand und Untersuchungsziel

Das Verhältnis des Katholizismus zur Naturwissenschaft, und hier nament- lich zum Thema "Darwin und die Folgen", ist Gegenstand einer sehr um- fangreichen Literatur, deren Anfänge bis in die 60er Jahre des vergan- genen Jahrhunderts reichen. Kennzeichen dieser Literatur ist im allge- meinen das unmittelbare Sachinteresse, d.h. die selbstverständliche Fort- entwicklung von Naturwissenschaft, wie aber auch von Theologie als Wis- senschaft, lassen es immer wieder erneut als dringlich erscheinen, vom Standpunkt des jeweiligen Autors her das gegenseitige Verhältnis beider Disziplinen neu zu formulieren, sich in bestimmten Punkten voneinander abzugrenzen, oder aber auch sich einander anzunähern. Trotz dieser nun schon über 100 Jahre dauernden Auseinandersetzung sind bisher nur selten Versuche unternommen worden, die Stellungnahmen katholischer Autoren selbst zum Gegenstand geschichtlicher Darstellung werden zu lassen, ob- wohl es auf der Hand liegt, daß eine derartige Rekapitulation auch für heute noch bestehende strittige Grenzprobleme im Verhältnis beider Wis- senschaften, - man denke beispielsweise an den Monogenismus oder die Geburtenkontrolle -, von prophylaktischem Wert sein dürfte.

Zwar liegen bereits kurz nach Beginn der um Darwins Theorie einsetzen- den Diskussion die umfangreichen Werke von Zöckler, Draper und White 12 vor , die sich sämtlich bemühen, die Haltung der Vertreter beider Kir- chen zu Darwin im Rahmen der schon Jahrhunderte währenden und von ihnen ausführlich behandelten Bezüge zwischen Theologie und Naturwissenschaft zu sehen und zu bewerten. Dabei breitet vor allem Zöckler in seiner Geschichte der Beziehungen ... reiches Material für den deutschen Sprachraum aus, während White und Draper sich demgegenüber mehr den

12) Für die genauen bibliographischen Angaben der hier und im folgenden annotierten Literatur sei aus Platzersparnisgründen grundsätzlich auf das Literaturverzeichnis verwiesen. anglo-amerikanischen Gegebenheiten zuwenden. Doch stehen alle drei Auto- ren als Zeitgenossen Darwins und Haeckels verständlicherweise noch selbst zu sehr im Streit der Meinungen, als daß es ihnen bereits möglich wäre, zu einer heutigen Anforderungen genügenden Urteilsbildung zu kommen: Zöckler als enragierter, eine gemildert-fundamentalistische Anschauung vertretender Protestant, Draper als ebenso enragierter Kirchengegner, dessen Werk sich daher auch schon bald auf dem Index Roms wiederfand, und White schließlich als zwar gemäßigterer, aber im Grunde doch auch verständnisloser Kritiker der traditionellen Theologie. Lediglich der Vollständigkeit halber ist ferner der 1919 von Richard Rahner veröffent- lichte Überblick über die Geschichte der Abstammungslehre im Kampf mit der Schöpfungsgeschichte zu erwähnen, bei dem es sich um ein wertloses, im Faktischen auch fehlerhaftes, populär-monistisches Pamphlet handelt.

Eine eigentlich wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema setzt erst mit den 20er Jahren ein. Sie geht - soweit ersichtlich - überwiegend von protestantischen Autoren aus und behandelt dementsprechend stark die Re- aktion der protestantischen Kirchen, während die katholische historische Haltung überhaupt nicht oder nur ansatzweise in den Blick kommt.

Den Anfang machen in dieser Beziehung Elerts Kampf um das Christen- 13 tum... und Lütgerts Ende des Idealismus.... Beide Autoren bieten im Rahmen einer umfassenderen Thematik einen kritischen Abriß der hier in Frage stehenden Problementwicklung. Elert geht darüber hinaus bereits dezidiert auf die Haltung einzelner evangelischer Theologen ein. In den folgenden Jahrzehnten, zwischen 1930 und 1960, hat sich das Forschungs- interesse ganz auf den außerdeutschen Bereich verlagert: So beschäftigt sich Roberts mit der Reaktion der amerikanischen protestantischen Kir- chen, Simonsson in gleicher Weise mit der der schwedischen Kirchen, wäh- rend Ellegard, Himmelfarb und eingeschränkt Dillenberger der Situation in England ihr Augenmerk zuwenden. Ellegard macht erstmals in der Lite- ratur den interessanten Versuch, die Stellungnahmen zu Darwins Theorie an Hand der periodischen Presse auszuwerten, wobei auch vier römisch-

13) Zu Elerts eigener Haltung vgl. Hübner aa0 29 f u. 107 f. - 12 -

katholische Zeitschriften herangezogen werden. Leider geht der Verfasser nicht über das Jahr 1872 hinaus. Insgesamt gesehen zeigt die Lektüre der eben genannten Arbeiten, daß die Lage im außerdeutschen Bereich doch nur sehr begrenzt mit deutschen und hier namentlich katholischen Stellung- nahmen in Parallele gesetzt werden kann, wohl nicht zuletzt deshalb, weil dort ein Mann vom Zuschnitt Haeckels fehlte und die Diskussion da- mit schon früher in ein ruhigeres Fahrwasser geriet.

In den letzten Jahren hat nun auch das Interesse an der historischen wie

aktuellen Situation in Deutschland wieder merklich Regentibmen, wesent- lich beeinflußt durch die von Teilhard de Chardin neu belebte Diskussion. Die 1964 vorgelegte, ungedruckte Freiburger Zulassungsarbeit zum Staats- examen von W.Breuer beschränkt sich auf die Zusammenstellung der Äuße- rungen protestantischer Autoren in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhun- derts, wobei, dem methodischen Vorgang Ellegards folgend, die perio- dische Presse als Quellenbasis dient. Historische Einblicke in die pro- testantische Theologie vermitteln ebenso die 1965 erschienenen Monogra- 14 phien von Altner und Benz. Benz berührt ansatzweise (S.116 ff.) auch die katholischen lehramtlichen Äußerungen zur Evolutionsfrage, inter- pretiert sie aber mißverständlich infolge einer merkwürdigen Verwechs- lung des durch das Lehramt verurteilten pantheistischen Evolutionismus mit der naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie als solcher.

Als der wertvollste Beitrag für einen größeren Teilbereich der hier in Frage stehenden Thematik ist weiterhin die 1966 veröffentlichte, ansehn- liche Monographie Theologie und biologische Entwicklungslehre von J.Hübner anzuführen. Hübner wird allerdings seinem Anspruch, "einen möglichst umfassenden Oberblick" (S.XIV) über die Situation seit 1859 zu bieten, im Hinblick auf die katholische Position keineswegs gerecht. Zwar behandelt er ausführlich die gegenwärtigen katholischen Stellung- nahmen und grenzt sie von den evangelischen Autoren, denen seine eigent-

14) Zu Altner, der in Auseinandersetzung mit Haeckel, Beth, N.Hartmann u.a. die These ausarbeitet: "Nur wer von Schöpfung weiß, kann kon- sequent Entwicklung sagen", vgl. Hübner aa0 307 ff. - 13 - liche Aufmerksamkeit gilt, ab. Wenig Beachtung finden dagegen die katho- lischen Auffassungen bis 1914, für die der Verfasser sich auf die Vor- führung von nur sechs Autoren beschränkt 15 . Damit aber dürfte in der sonst vorzügliche Einblicke vermittelnden Arbeit Hübners der katholi- sche Standpunkt gerade auch für die entscheidende Zeit um die Jahrhun- dertwende wohl kaum zureichend umrissen sein, wie denn auch schon hier gegen dessen generelle Charakterisierung "konservativ-dogmatisch" (5.43) Bedenken angemeldet werden sollen. - Den katholischen Autoren der Jetzt- zeit wendet sich auch das Interesse einer 1964 in Halle vorgelegten Dis- sertation von S.Kirschke zu. Der Verfasser, damals Oberassistent beim dortigen Lehrstuhl für wissenschaftlichen Atheismus, spezialisiert sich auf das Anthropogeneseproblem und möchte den Nachweis erbringen, "daß der offizielle Katholizismus die Wissenschaft in seinen Aussagen defor- miert" (S.5). Daß von atheistisch-marxistischer Grundlage aus ein Ver- ständnis für und eine Verständigung mit der katholischen Haltung in die- ser Frage a priori nicht mehr vorhanden sein kann, leuchtet ein, ohne daß es notwendig wäre, auf die Einzelargumentation der Arbeit, der die polemischen Akzente nicht ganz fehlen, an dieser Stelle näher einzuge- hen. Immerhin vermag Kirschke jedoch mit dem kritischen Blick des welt- anschaulichen Gegners einige Schwächen hinsichtlich des Reaktionsstils und des methodischen Verhältnisses gegenüber den-Naturwissenschaften bei den von ihm behandelten Wortführern des westdeutschen Katholizismus (vor allem Overhage) aufzudecken.

Wenn mit den letztgenannten Arbeiten die gegenwärtige Beziehung zwischen Katholizismus und Naturwissenschaft stärker diskutiert wird, so wird doch die Situation bis 1914 - wie gezeigt werden konnte - praktisch nicht einbezogen. Diese Sachlage gilt nun auch in weitem Umfange für das katholische Schrifttum selbst. Zwar existiert natürlich und gerade in der älteren Literatur eine ganze Anzahl von Einzelhinweisen, die sich mit diesem oder jenem Aspekt des hier in Frage stehenden Themas in histo- rischer Sicht befassen oder die Haltung einzelner bedeutender Apologeten

15) Abgesehen von der Haltung des kirchl. Lehramts geht Hübner näher auf Reusch, Michelis u. Wasmann, ferner auf Baltzer, Frohschammer u. Bolsmann ein. - 14 -

näher beleuchten. Doch fehlt eine zusammenfassende Darstellung, etwa im Rahmen einer ebenfalls nicht vorhandenen Geschichte der Apologetik seit 1859. Die kirchen- und theologiegeschichtlichen Darstellungen von Wer- ner ( 1 1866) bis hin zu Bihlmeyer-Tüchle ( 171961) und Kolping (1964) schweigen sich entweder ganz aus oder begnügen sich mit kurzen Anspie- lungen, wobei die Aufzählung einiger meist lobend hervorgehobener älte- rer Apologien nicht fehlt. Die augenblicklich vorliegenden Lehrbücher der Dogmatik beschränken sich im allgemeinen auf einen historischen Ab- riß der in Frage kommenden Äußerungen des kirchlichen Lehramts 16 . Zu- sätzlich werden gelegentlich (z.B. bei Schmaus 17 ) diejenigen führenden Theologen genannt, die sich im Laufe der Zeit zur Möglichkeit der huma- nen Evolution pro oder contra ausgesprochen haben. Für dieses wichtige Spezialproblem muß auch auf den theologiegeschichtlichen Rückblick auf- merksam gemacht werden, den A.Bodem 1965 in Aufsatzform veröffentlicht hat. Bodem wertet die Stellungnahmen der dogmatischen Lehrbücher sowie einiger anderer einschlägiger Monographien bis etwa 1918 aus und kann damit gerade für die von Hübner nur dürftig belegte Zeit um die Jahr- hundertwende wertvolle Ergebnisse beisteuern, die, wie sich zeigen wird, durch die hier angestellte Untersuchung von einer anderen Quellenbasis 18 her eine weitere Ergänzung erfahren .

Nun hat die humane Evolution zwar einen sehr wesentlichen, aber doch nicht den einzigen Bestandteil der Auseinandersetzung gebildet, in die sich der Katholizismus im vorigen Jahrhundert durch die Naturwissenschaft und den ebenso mächtig aufblühenden Materialismus verwickelt sah. Wie in den einleitenden Bemerkungen zu skizzieren versucht wurde, ging es um die Glaubwürdigkeit der gesamten auf die Natur bezogenen Angaben des biblischen Schöpfungsberichts, womit eine Vielzahl von Problemen aufge-

16) Besonders erwähnenswert jedoch der kritische, wenn auch nur knappe Einblick, den neuerdings Scheffczyk (Schöpfung u. Vorsehung aa0 149- 151) an Hand einiger gut ausgewählter Beispiele in die Kontroverse zur Genesisinterpretation bietet; vgl.noch allgemeiner Hocedez 000 124 ff. 17) aa0 269; ähnlich bei Overhage-Rahner, Problem der Hominisation aa0 27 ff. 18) s.u.Kap. III, Abschn.3 - 15 -

worfen wurde, die einer Beantwortung harrten. Es ging zugleich um den Kampf gegen den sich als Religionsersatz anbietenden Materialismus.

Vor diesem Hintergrund gesehen, muß eine Lücke in der bisher erschiene- nen Literatur konstatiert werden, die geschlossen werden könnte, um da- mit zu einer Verdichtung wie Differenzierung der bisher vielfach pau- schalierten Urteile über die Haltung des deutschen Katholizismus beizu- tragen. Doch geht es der vorliegenden Untersuchung gar nicht darum, die Zahl der oben genannten zumeist ganz eindeutig theologiegeschichtlich orientierten Arbeiten um eine weitere zu vermehren. Dem Verlauf der in- nertheologischen Diskussion zu folgen, wie sie sich in den dogmatischen Lehrbüchern und der sonstigen für Theologen bestimmten Literatur, in die ein Laie wohl nur selten Einblick nahm, abgespielt hat, mag weiterhin dem dafir zuständigen kompetenten Urteil der Theologen überlassen blei- ben.

Hier wird ein anderes Ziel angestrebt, das im Rahmen der allgemeinen Geistesgeschichte auch von einem Nichttheologen anvisiert werden kann. Es läßt sich ganz allgemein mit der Frage nach der Öffentlichkeitsarbeit umschreiben, die die katholische Kirche, bzw. ihre Vertreter zur Bewäl- tigung der auf sie einströmenden naturwissenschaftlichen Postulate und weltanschaulichen Angriffe geleistet haben. Was wurde getan, um dem mit der naturwissenschaftlichen Aufklärung einsetzenden Entfremdungsprozeß von der Kirche zu begegnen? In welcher Weise wurde auf den durch die Fortschritte der Naturwissenschaften beeindruckten und vielleicht schon von ernsten Glaubenszweifeln geplagten Laien eingewirkt, der eventuell genügend Bildung besaß, um das Für und Wider der seelsorglichen Hilfe- stellung abzuwägen?

Konkret schälen sich damit etwa folgende Einzelfragen heraus: Welche Probleme wurden auf katholischer Seite überhaupt für diskussionswürdig gehalten, insbesondere, wo fühlte man sich weltanschaulich angegriffen? In welcher Breite wurden diese Probleme vor einem Laienpublikum behan- delt und welche Argumente wurden bei ihrer Debatte verwandt? Kam es beim Auftauchen neuer Gesichtspunkte, gleich welcher Art, eventuell zu - 16 -

Änderungen in der bisher eingenommenen Haltung? In welcher Weise wurde überhaupt der Problemkreis angegangen: wissenschaftlich oder populär? Sachlich oder polemisch? Inwieweit bestimmten weltanschauliche Vorent- scheidungen die Diskussion? Wie weit durfte auf eine vollständige Infor- mation gerechnet werden, oder neigte man zur Verzerrung, Diskreditie- rung, Außerachtlassung von gewissen, unbequem scheinenden Sachverhalten? Und schließlich: Wer gehörte zu den Wortführern auf katholischer Seite, und besaßen diese auf Grund ihrer Vorbildung genügend Kompetenz, um ein naturwissenschaftliches, theologisches oder philospphisches Urteil ab- zugeben, das fUr die Augen vieler vielleicht schon einen gewissen ver- pflichtenden Charakter besaß?

Eine derartige Analyse hat nicht nur historistisch-antiquarisches Inter- esse. Sie kannte mit der Aufbereitung eines schon in der Vergangenheit liegenden Materials auf Strukturen, Methoden und Tendenzen aufmerksam machen, von denen gefragt werden muß, ob und inwieweit sie nicht - auch in anderen Sachzusammenhängen - noch heute wirksam sein können. Die Fra- ge, ob und inwieweit es möglich ist, typische Verhaltensweisen aufzu- decken, wird daher zu den wesentlichen Anliegen dieser Arbeit gehören.

Ein Wort muß endlich noch zu dem ausgewählten Zeitabschnitt gesagt wer- den: An sich läge es nahe, als Terminus a quo das Jahr 1859 zu wählen, das Jahr, in dem Darwins revolutionierendes Werk über den Ursprung der Arten erschien. Um jedoch einen besseren .E blick in die bereits vor diesem Termin existierende Auseinandersetzung mit Naturwissenschaft und Materialismus zu ermöglichen und um zugleich prüfen zu können, ob und in welcher Weise sich mit Darwin die Situation verschärft, empfiehlt sich die Wahl eines früher gelegenen Zeitpunktes, wobei das Jahr 1854 mit dem Materialismusstreit einen naheliegenden Auftakt anbietet. Den Terminus ad quem soll das Jahr 1914 bilden, nicht nur, weil sich damit eine wünschenswerte Materialbeschränkung ergibt, sondern auch, weil ge- rade im geistigen Leben dieses Jahr des Kriegsausbruchs eine Wende be- deutete, die bereits von den Zeitgenossen empfunden wurde. - 17 -

3) Die Quellenbasis a) Begrenzung und statistische Auswertung

Die Ebene, auf der der Laie angesprochen werden konnte, dürfte neben der Predigt, deren Worte im Kirchenraum - auch für den Historiker nicht mehr reproduzierbar - verhallten, das Gebiet der Publizistik, und hier nament- lich die konfessionellen Zeitschriften gewesen sein. Ihre Auswertung drängt sich auch deshalb geradezu auf, weil sie eine Menge methodischer Vorteile bietet: Auf leicht greifbare Weise kann an Hand der Meinungen einer Vielzahl von Autoren die Entwicklung einer _bestimmten Problemstel- lung über längere Zeit hinweg verfolgt werden. Der Intensitätsgrad, mit dem man sich einem Thema zuwendet, läßt sich an der Quantität der dazu _ erfolgenden Stellungnahmen ablesen. Bei der normalerweise vorauszuset- zenden Bereitschaft der Zeitschriften, die jeweils aktuellen Fragen auf- zugreifen und mit dem augenblicklichen Stand der Diskussion vertraut zu machen, dürften das Auftauchen neuer Gesichtspunkte und daraus eventuell resultierende Haltungsänderungen nicht unbemerkt bleiben.

Somit gibt eine Zeitschriftendurchsicht die Gewähr, nicht nur für eine Vielzahl verschiedenartiger Belege, sondern auch für eine relative Voll- ständigkeit aller im Untersuchungszeitraum vorgebrachten Argumente und Meinungen. Indirekt wird nämlich auch das selbständig erschienene Schrifttum einbezogen: Einmal handelt es sich bei Zeitschriftenartikeln oft um Vorabdrucke, Auszüge oder Zusammenfassungen später separat er- scheinender Schriften. Zum anderen ist selbstverständlich auch der Re- zensionsteil bei der Auswertung zu berücksichtigen. Etwaige von der Hal- tung der Zeitschrift abweichende Meinungen dürften hier mit Sicherheit zur Sprache kommen.

Zeitschriften erreichen einen Leserkreis, der über die Höhe ihrer Auf- lage hinausgeht, haben also beträchtliche Breitenwirkung. Sie stehen vielfach nicht nur im Dienste der Wissensvermittlung. Als meinungsbil- dende Faktoren sind sie von erheblichem Einfluß auf ihre Leser, beson- ders dann, wenn sie wie hier weltanschaulich gebunden sind und sich da- mit an einen Bezieherkreis wenden, der dem angebotenen Programm a priori - 18 -

aufgeschlossen gegenübersteht. Die Bedeutsamkeit der mittels Zeitschrif- ten möglichen Meinungsbildung und Meinungsbeeinflussung erhellt vor al- lem aus der wohl kaum zu bezweifelnden Tatsache, daß der Bezieher einer weltanschaulichen Zeitschrift im 19.Jahrhundert, der eben durch den Be- zug seine enge Bindung an die Weltanschauung dokumentierte, ungleich mehr als heute geneigt war, sich vertrauensvoll und selbstverständlich dem in seiner Zeitschrift geäußerten Urteil anzuschließen.

Nun können bei dem sprunghaften Wachstum des katholischen Zeitschriften- wesens in dieser Epoche - allein im Untersuchungszeitraum sind rund 225 19 Blätter verschiedenster Art begründet worden - nicht alle Zeitschrif- ten gleichermaßen Berücksichtigung finden. Das ist, ganz abgesehen da- von, daß es sich bei einem Großteil dieser Blätter um Spezialorgane han- delt, in denen kaum Material zu finden sein dürfte, auch gar nicht erfor- derlich. Da allein der meinungsbildende Einfluß interessiert, der von kirchlicher Seite aus vornehmlich auf ein für derartige Probleme aufge- schlossenes Laienpublikum ausgeübt wurde, kommt es darauf an, Zeitschrif- ten auszuwählen, die erstens als die angesehensten und bekanntesten im katholischen Raum weniger für den Theologen als vielmehr für den gebil- deten Laien gedacht waren und deren Stellungnahmen damit eine gewisse Verbindlichkeit zukam, oder die sich zweitens auf die in Frage stehen- den Probleme spezialisiert hatten, so daß in ihnen eine besonders breite Information erwartet werden darf. Damit reduziert sich die Zahl der heranzuziehenden Zeitschriften auf zwei Gruppen:

1) Zeitschriften, die sich an ein anspruchsvolles, gebildetes Publikum

wenden, ohne im engeren Sinn theologische Fachzeitschriften zu sein. Dazu zahlen

19) Zeitungen nicht inbegriffen; Zählung nach dEster, aa0 267 20) Die an sich noch hierhin gehörende, 1904 von Armin Kausen begründe- te Wochenschrift Allgemeine Rundschau hat sich nur sehr spora- disch den mit Evolutionstheorie u.Materialismus zusammenhängenden Fragen gewidmet und außerdem Autoren zu Wort kommen lassen, deren Stellungnahmen bereits mit den oben genannten Blättern erfaßt wer- den. Ihre Auswertung erübrigte sich deshalb. - Ferner wurde von der Aufnahme regional begrenzter oder nur kurzfristig (d.h. weniger als 10 Jahre) existierender Blätter abgesehen. - 19 -

"Der Katholik" (zitiert: Kath) "Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland" (zitiert: HPB) "Stimmen aus Maria Laach" (zitiert: StML oder Stimmen) "Periodische Blätter zur wissenschaftlichen Besprechung der großen religiösen Fragen der Gegenwart" (zitiert: PB1) "Hochland" (zitiert: Hochl)

2) Sämtliche naturwissenschaftlichen Zeitschriften, die von katholi- scher Seite herausgegeben wurden, unabhängig von ihrer Qualität und der Dauer ihres Erscheinens. Hierzu gehören: "Natur und Offenbarung" (zitiert: NuO) "Jahrbuch der Naturwissenschaften" (zitiert: JNW) "Natur und Glaube" (zitiert: NuG1) "Natur und Kultur" (zitiert: NuK) "Die Schöpfung" (zitiert: Schö)

Auf eine Einbeziehung der großen Masse der volkstümlichen Blätter konnte umso eher verzichtet werden, als durch die Auswertung der mehr oder minder populär gehaltenen naturwissenschaftlichen Organe ohnehin ein Einblick auch in diesen Bereich der katholischen Publizistik ver- 21 mittelt wird . Ein Vergleich mit dem Glaschen auch Zeitschriftenarti- . kel aufführenden Repertorium 22 zeigt, daß trotz der genannten Einschrän- kungen mit den ausgewählten Periodika immerhin diejenigen erfaßt sind, die sich relativ am intensivsten mit den anstehenden Fragen beschäftigt 23 haben . Zieht man weiterhin Gla zu Hilfe und vergleicht die Titel der

21) Zudem ergab eine kursorische Durchsicht einiger derartiger Blätter, darunter die Katholische Bewegung (1868 ff), dasMagazin für volkstümliche Apologetik (1902 ff) u. die Apologetische Rundschau (1903 ff), daß mit ihrer Einbeziehung sich höchstens eine quantita- tive Erweiterung, nicht aber eine inhaltliche Bereicherung ergeben würde. 22) D.Gla, Repertorium der kathol.-theol.Literatur, aa0 23) Insgesamt kommen 1418 Beiträge in Betracht: 596 z.Teil in langen Fortsetzungen erscheinende Aufsätze, 630 Rezensionen u.192 Miszel- len. Methodisches Arbeitsziel war die Erfassung nicht nur der Schwerpunkt setzenden Stellungnahmen, sondern auch der oft charakte- - 20 -

in den Zeitschriften thematisch werdenden Rezensionen mit dem von ihm bis zur Jahrhundertwende angeführten katholisch-apologetischen Schrift- tum, so ergibt sich, daß über 80 % der von ihm angegebenen Titel minde- 24 stens eine Rezension erholten haben .

Die Gesamtzahl der Autoren, die im Untersuchungszeitraum in irgendeiner Weise auf die hier zu behandelnden Fragen eingegangen sind, dürfte bei etwas über 300 liegen. Sie läßt sich nicht exakt ermitteln 25 , namentlich 26 erfaßbar sind aber immerhin noch 240 Autoren . Neben Männern, die in der Geschichte des deutschen Katholizismus einen hervorragenden Platz einnehmen, neben anderen, die im Rahmen ihrer engeren Tätigkeit ein ge- wisses Ansehen beanspruchen dürfen, trifft man gerade in den naturwis- senschaftlichen Organen auf Mitarbeiter, deren biographische Daten zu eruieren, sich wegen ihrer Bedeutungslosigkeit als schwierig, zum Teil 27 als unmöglich erwies. Soweit unter Berücksichtigung der genannten Ein- schränkungen nachprüfbar, kommen mit annähernd 70 % erwartungsgemäß die Kleriker stark zu Wort, wobei sich das Verhältnis zwischen Klerikern und Laien bei den Zeitschriften im Einzelnen natürlich noch verschieben kann. So stammen beispielsweise die Beiträge der Stimmen ausschließlich von Jesuiten. Es würde nicht weiterführen, an dieser Stelle schon über die sonstige berufliche Aufschlüsselung, insbesondere über die Frage, wie weit die einzelnen Autoren eine naturwissenschaftliche Vorbildung be-

... ristischen, versteckten Gelegenheitsbemerkungen, um dem materialen Gesamtumfang der Diskussion möglichst nahezukommen. 24) Damit dürfte der Beweis für die Behauptung, daß mit einer Zeit- schriftenuntersuchung indirekt auch das selbständige Schrifttum in den Blick komme, wohl erbracht sein. 25) 42 Beiträge sind nur mit nicht aufschlüsselbaren Chiffren oder Pseu- donymen gekennzeichnet und bei weiteren 130 Beiträgen vor allem in Kath und HPB fehlt die Verfasserangabe ganz. 26) Etwas mehr als die Hälfte von ihnen hat allerdings nur einmal zwi- schen 1854 u. 1914 Stellung bezogen, wohingegen weitere 15 % ihre Mitarbeit gleich auf mehrere Zeitschriften ausdehnten. 27) Das gilt für etwa 2o % der Autoren. - 21 -

saßen, detaillierte Angaben7zu machen. Summarisch kann zwar festgehal- ten werden, daß ein rundes Drittel den biographischen Angaben zufolge einem oder gleich mehreren Zweigen der Naturwissenschaft mit intensive- rem Interesse begegnet ist. Doch will das nicht viel besagen. Schon der Umstand, daß die Art dieses Interesses von privaten Studien bis hin zur Universitätsgelehrsamkeit reicht, verbietet weitergehende Schlüsse. Vor allem aber darf nicht außeracht gelassen werden, daß es sich bei der hier angeschnittenen Thematik vielfach um Probleme handelt, bei denen Stellungnahmen nicht nur aus naturwissenschaftlicher, sondern auch aus philosophischer und theologischer Sicht möglich und berechtigt sind. Es kommt also bei jedem einzelnen Autor auf die Art der jeweiligen Stellungnahme an, namentlich auf die Frage, ob und wo Grenzüberschrei- tungen erfolgen und damit eine Sachkompetenz in Anspruch genommen wird, die auf Grund der Vorbildung gar nicht vorhanden sein konnte. Soweit diese Frage in der folgenden Untersuchung nicht schon explizit beant- wortet wird, sei der daran interessierte Leser auf den Anhang II ver- wiesen, der über die berufliche Stellung der wichtigeren im Text ge- nannten Autoren Auskunft gibt.

b) Zu Bedeutung und Geschichte der ausgewählten Zeitschriften

Eine moderne Darstellung der Geschichte der katholischen Zeitschriften existiert nicht. Die neueren Geschichten des deutschen Zeitschriften- 28 wesens stellen den ohnehin nur in Auswahl erwähnten katholischen Blättern einen sehr geringen Raum zur Verfügung. Die 1924 von Löffler veröffentlichte Geschichte der katholischen Presse Deutschlands ge- nügt heutigen Anforderungen nicht mehr, ist ebenfalls unvollständig 29 und vor allen Dingen höchst unkritisch . Dagegen liegt, abgesehen von

28) Genannt seien Kirchner aa0 u. für die Zeit zwischen 1890 u. 1918 Rieger aa0. 29) Ihr Material hat sie, wie ein Vergleich ergab, z.Teil wörtlich aus den Zeitschriftenrezensionen, die in dem von Hülskamp seit 1862 herausgegebenen Litterarischen Handweiser ... aa0 gegeben wurden. Pesch aa0 2 gibt als Quelle auch flachem aa0 an, "der mitunter still- schweigend ausgeschrieben war". -22-

den schon vor Löffler erschienenen statistischen Handbüchern verschie- dener Herausgeber, eine ganze Reihe von Spezialstudien vor, die entwe- der die Geschichte einzelner Zeitschriften, bzw. Zeitschriftengruppen oder bestimmte Problemstellungen an Hand des Materials einzelner Zeit- 30 schriften abhandeln . Mit ihrer Hilfe ist es möglich, sich einen ein- gehenden überblick über Geschichte und Bedeutung namentlich der in der ersten Gruppe genannten Zeitschriften zu verschaffen, so daß an dieser Stelle nur das Allernötigste gesagt werden soll. Ober die technischen Details der einzelnen Blätter informieren die im Anhang I gemachten Angaben.

aa) Gruppe I: Allgemeine Zeitschriften

Als älteste in den Kreis dieser Untersuchung einzubeziehende Zeitschrift

konnte "Der Katholik" zu Beginn des hier behandelten Zeitraums bereits auf ein Alter von 33 Jahren zurückschauen. Gegründet 1821 durch die Mainzer Professoren A.Röß und N.Weis als "religiöse Zeitschrift zur Belehrung und Warnung" - so der Untertitel -, hatte Kath an führender, maßstabsetzender Stelle innerhalb der Kirchenblattbewegung gestanden, die mit der Erteilung der Pressefreiheit 1848 im Wesentlichen ihren Ab- schluß gefunden hatte. Der sehr wechselvollen, durch mehrfache Verbote in den einzelnen deutschen Bundesstaaten gekennzeichneten Frühgeschich- 31 te folgte nun in den 50er Jahren unter den Mainzer Professoren und Domherren J.B.Heinrich und Chr.Moufang eine Periode der Konsolidierung und Umgestaltung, die den Akzent von der kirchenpolitischen Aktivität wieder stärker auf das eigentlich theologische Gebiet verlegte. Seit 1859 kam die bisher alle zwei Wochen erscheinende Zeitschrift nur noch einmal monatlich heraus mit dem neuen Untertitel: "Zeitschrift für ka- tholische Wissenschaft und kirchliches Leben". Sie verstand sich als "theologisch-kirchliche Revue" keineswegs nur für den Klerus, sondern

30) s. die einschlägigen Titel im Literaturverzeichnis. 31) s. dazu u. zur Kirchenblattbewegung Pesch aa0 140 ff, vgl. Kirch- ner ao0 26 f -23- auch für "das gebildete katholische Publikum überhaupt" bestimmt32 . Das Programm berücksichtigte allerdings stärker die Bedürfnisse des Klerus. Die einzelnen Hefte zerfielen in einen "wissenschaftlich theoretischen Teil", der der "Erörterung der wichtigsten theologischen und jener phi- losophischen Fragen gewidmet (war), die in unmittelbarer Beziehung zur Theologie und zu bedeutsamen geistigen ... Bewegungen der Zeit stehen" und in einen "praktischen Teil", der neben der Schilderung des kirch- lich-aktuellen Lebens den Problemen theologischer Einzeldisziplinen 33 seine Aufmerksamkeit zuwandte . Bemerkenswert ist der Nachdruck, den die Herausgeber auf die Behandlung der "in Deutschland noch allzuwenig kultivierten Apologetik" legten, die eine "vorzügliche Berücksichti- 34 gung" finden solle . Als 30 Jahre später die wachsende Konkurrenz an- 35 derer Blätter eine erneute Umgestaltung und Präzisierung des Pro- gramms ratsam erscheinen ließ, wurde wiederum _die! so wichtige Apolo- getik" hervorgehoben, weshalb "... die mit Bibel und Christentum zu- sammenhingenden archäologischen Forschungen, die naturwissenschaftli- chen Angriffe auf die übernatürlichen und natürlichen Wahrheiten der 36 Religion" bevorzugt behandelt werden sollten . Trotz dieser Zielset- zung kann in der Rückschau gesagt werden, daß zumindest der hier in- teressierende Themenkreis nie im Vordergrund des Programms gestanden hat, wenn er auch mit 80 Beiträgen verschiedenster Art im gesamten Un- tersuchungszeitraum nicht ganz unwesentlich geblieben ist. Je mehr sich "Der Katholik" in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens - er ging 1918 ein - unter neuer Redaktionsführung in eine rein theologische Fachzeitschrift wandelte, umso mehr ließ das Interesse an diesen Fragen nach. Seine Bedeutung für die geistige Entwicklung des deutschen Ka- tholizismus bleibt davon freilich unberührt. Als erstes deutsches Zen- tralorgan der katholischen Interessen, als Sprachrohr der sogenannten

32) Woerl I, 15 33) Kath 39 (1859) a, 5 f 34) ebda 35) So Pastor aa0 31 36) Kath 69 (1889) b, 670 - 24 -

"Mainzer Richtung", mit ihrer streng kirchlich-kurialen Haltung, als

Zeitschrift, in der sich führende Vertreter der Neuscholastik zu Wort meldeten, durften die Stellungnahmen dieses Blattes trotz relativ ge- ringer Auflage auf eine breite Resonanz im katholischen Raum rechnen. In dieser Hinsicht überboten wurde Kath nur durch die "Historisch-Poli- tischen Blätter fair das katholische Deutschland", ebenfalls eine Zeit- schrift, deren Gründungsdatum bereits vor Beginn des hier in Frage ste- henden Zeitraumes lag. Sie entstand 1838 im Kreis um Gärres als Reak- tion auf das Kölner Ereignis und entwickelte sich unter der Führung von Gärres Sohn Guido und dem Münchner Kirchenrechtler Georg Philipps binnen küreesee Frist zur "wirkungsvollsten", aber auch "bestgehaßten 37 katholischen Zeitschrift vor 1848" . Das einmal gewonnene Ansehen ha- ben sich die "Blätter" auch in den folgenden Jahrzehnten, als Edmund Jörg und Franz Binder als Herausgeber zeichneten (1852/58 - 1901/14), zu bewahren gewußt. Schriftsteller und Wissenschaftler, die zur gei- stigen Elite des deutschen Katholizismus gehörten, zahlten zu ihren ständigen Mitarbeitern und gaben den halbmonatlich erscheinenden Hef- ten ihr in der zeitgenössischen Publizistik vielfach gerühmtes, an- spruchvolles Niveau. Das Interessengebiet der Zeitschrift ließ der Gründungsanlaß wie der Titel gleichermaßen deutlich werden: Beiträge 38 zur Geschichte und Politik und frühzeitig schon zur sozialen Frage nahmen einen Großteil des zur Verfügung stehenden Raumes ein. Ein kämpferischer Katholizismus konservativer Grundhaltung, großdeutsch gesinnt, jedem Zentralismus abhold, beseelt von der Idee einer stän- dischen Gesellschaftsordnung fand in den"Blättern" weit über die Zeit der Reichsgründung hinaus seine Plattform. Auf historischem Gebiet standen, in scharfer Abgrenzung von der liberalen protestantischen Ge- schichtsschreibung, Themen aus der allgemeinen deutschen wie aus der 39 Kirchengeschichte im Vordergrund . Dennoch wäre es verfehlt, die Zeit- schrift allein auf das historisch-politische Gebiet einschränken zu

37) Pesch aa0 167 38) s. dazu eingehend Stegmann aa0 39) Vgl. Hausmann aa0 95 ff -25- wollen. Sie hat sich durchaus als universelles Organ verstanden und in ihren Spalten, wenn auch nicht mit der gleichen Intensität, Fragen aus allen Wissensgebieten einschließlich Kunst und Literatur behandelt.

Die hier besonders interessierende Auseinandersetzung mit Darwins Theo- rie und dem von ihr beeinflußten Vulgärmaterialismus läßt sich in im- merhin 87 Beitrögen, zum überwiegenden Teil allerdings Rezensionen, er- fassen und ist somit gleichstark wie im Kath vertreten. Es wird noch zu erweisen sein, ob und inwieweit der konservative Grundzug der Zeit- schrift auch für diese Auseinandersetzung den Maßstab abgegeben hat.

Kein Zweifel kann daran bestehen, daß die "Blätter" dank ihres Konser- vativismus, der auch nach der Jahrhundertwende unter dem auf Jörg fol- genden Herausgeber Georg Jochner beibehalten wurde, schließlich nur noch das Sprachrohr einer bestimmten Gruppe innbrhalb des deutschen 40 Katholizismus waren . Der Habitus der Gelehrtenzeitschrift sicherte zwar weiterhin das alte Ansehen, bis 1923 das letzte Heft erschien.

Den Aufbruch aus dem Ghetto aber, der die kulturelle Situation der deutschen Katholiken in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg bestimmte, hat die Zeitschrift nicht mehr mitvollzogen. Indem sie den Kulturkampf 41 mit unverminderter Heftigkeit fortsetzte , stand sie nicht mehr im

Einklang, sondern im Gegensatz zur herrschenden Strömung. Um den An- spruch auf geistige Führung der deutschen Katholiken stritten sich zu dieser Zeit bereits die schon älteren "Stimmen aus Maria Laach" mit dem gerade von Carl Muth begründeten neuen Blatt: dem "Hochland".

"Stimmen aus Maria Laach" war ursprünglich der Titel zweier unregel- mäßig erscheinender Broschürenreihen gewesen, die zwischen 1865 und

1871 von Professoren der gerade eingerichteten Studienanstalt der Je- suiten in Maria Laach/Eifel herausgegeben wurden. Die erste Serie kom-

40) Keiter aa0 (4.Aufl.) gibt allerdings für 1909 eine Auflage von 3000 an. Diese hätte sich damit binnen 8 Jahren nicht nui mehr als verdoppelt (1900: 1480), sondern auch ihren absolut höchsten Stand in der ganzen Geschichte der Zeitschrift erreicht. Das aber dürfte unwahrscheinlich sein.

41) Vgl. Lochner aa0 76 ff -26-

mentierte die Enzyklika Quanta cura und den Syllabus errorum Pius

IX., die zweite Serie befaßte sich mit der Berichterstattung über das Vaticanum I und war in ihrer äußeren Gestaltung schon dem Stile einer Zeitschrift angenähert. Der Entschluß, diesen Serien eine Monatsschrift 42 folgen zu lassen, beruhte auf einem schon länger gefaßten Plan und entsprach einem echten Bedürfnis. Denn es fehlte bislang eine Zeit- schrift, die aus katholischer Sicht alle Wissensgebiete gleichermaßen berücksichtigte, ohne dabei weder zu populär noch zu anspruchsvoll zu sein. Dieser Zielsetzung konnten Kath und HPB als die einzigen beiden wirklich großen Zeitschriften, die nicht nur für den Klerus bestimmt waren, bei ihrer Schwerpunktbildung auf religiös-kirchlichem, bzw. hi- storisch-politischem Gebiet doch nur in dem oben schon angedeuteten be- grenzten Maße entsprechen 43 . Ober die innere Rechtfertigung des neuen Blattes gab das dem ersten Heft beigegebene Programm Auskunft: Gegen- über dem Liberalismus, der darauf ausgehe, "die ganze christliche Grundlage der menschlichen Gesellschaft zu untergraben, das Obernatür- liche zu ignorieren oder zu leugnen, und den Menschen, die Familie, den Staat, die Wissenschaft ohne Gott hinzustellen", gelte es "im Ver- trauen auf Gott und seine hl. Sache die katholischen Grundsätze auf der ganzen Linie, auf welcher sie von den Gegnern befehdet sind, im kirchlichen, staatlichen und sozialen Leben sowie auf dem wissenschaft- 44 lichen Gebiet zu verteidigen" . Apologetik war von Anfang an das er- klärte Ziel der "Stimmen", deren erstes Heft im Juli 1871 die Druck- 45 pressen verließ. Ausschließlich von Jesuiten redigiert und mit Bei- 46 trägen versehen , gehörten sie in die Reihe der jesuitischen Zeit- schriftengründungen größeren Stils, die zu dieser Zeit in Anlehnung an die seit 1850 bestehende italienische Zeitschrift Civilta Cattolica

42) Vgl. dazu StdZ 175 (1965) 401 ff 43) Mit Recht konnte daher "ausdrücklich betont" werden, daß man für Kath "keine Konkurrenz werden wolle". StdZ 175 (1965) 401 44) Zitiert nach Sierp aa0 244 f 45) Der verhältnismäßig häufige Redaktionswechsel (s.Anhang I) hatte auf die Haltung der Zeitschrift keinen erkennbaren Einfluß. 46) Eine Erweiterung des Mitarbeiterstabes erfolgte erst 1928. - 27 -

in vielen Sprachgebieten erfolgten. Trotz der Behinderung durch den 47 - Kulturkampf übertraf die Auflage schon nach wenigen Jahren die von Kath und HPB um mehr als das Doppelte und konnte auch in den folgen- den Jahrzehnten beibehalten werden. Diesen Erfolg verdankte die Zeit- schrift zunächst der Schärfe, mit der sie in der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche Stellung bezog, dann aber auch einer wach- senden Vielfalt von Beiträgen, die ihr den Charakter einer angesehe- nen, vornehmlich für Akademiker bestimmten Kulturzeitschrift gaben. Be- sonders brennende Probleme, bzw. mehr oder weniger wissenschaftliche Spezialfragen wurden ausführlicher, als es im Rahmen einer Zeitschrift möglich gewesen wäre, in einer seit 1876 aufgelegten Broschürenreihe, den sogenannten "Ergänzungsheften" behandelt, deren Zahl bis 1915 auf 119 abschwoll. Als Mitarbeiter fungierten zumeist Dozenten der Ordens- hochschulen und Studienanstalten, darunter Namen, die auf wissenschaft- lichem Gebiet auch in nichtkatholischen Kreisen Geltung besaßen. - Schon in den Vorberatungen über die Gründung der Zeitschrift war man sich einig gewesen, daß man den Naturwissenschaften, und zwar mit der aufschlußreichen Einschränkung: "insofern ... sie gegen die Offenba- rung mißbraucht werden", eine vorzügliche Aufmerksamkeit schenken wol- 48 le . Diese spezielle Zielsetzung ist dann auch in die Tat umgesetzt worden. Mit 320 Beiträgen, darunter zum Teil sehr ausgedehnten Abhand- lungen, die zwischen 1871 und 1914 veröffentlicht wurden, bilden die Stimmen geradezu einen Grundpfeiler für das hier zu behandelnde The- 49 ma .

47) Das Jesuitengesetz vom 4.Juli 1872 hob alle Niederlassungen des Or- dens auf deutschem Boden auf u. belegte die Ordensmitglieder mit Aufenthaltsbeschränkungen. Seil mußte in der Folgezeit von Belgien, Holland u. Luxemburg aus redigiert werden. Kurioserweise trugen die "Stimmen aus Maria Laach" ihren Namen also nur ein einziges Jahr zu Recht, doch erst 1915, als die Schriftleitung nach München übersie- delte, nahm man die längst fällige Namensänderung in "Stimmen der Zeit" vor, zumal Maria Laach seit 1892 wieder von Benediktinern be- zogen war. 48) Zitiert nach StdZ 175 (1965) 402 49) Der Verfasser des 1965 in StdZ erschienenen Jubiläumsartikel unter- schätzt nicht nur die Intensität, mit der man sich dem Verhältnis zwischen Offenbarung und Naturwissenschaft zuwandte, sondern ver- -28-

Weniger bekannt als die "Stimmen", obwohl in mehrfacher Hinsicht ein Konkurrenzunternehmen, sind die "Periodischen Blätter zur wissenschaft- lichen Besprechung der großen religiösen Fragen der Gegenwart", die zur gleichen Zeit in Regensburg begründet wurden, sich aber auf längere Zeit hin nicht durchsetzen konnten. Ähnlich wie bei den Seil machte den Anfang eine Art Konzilszeitschrift, die es zwischen 1869 und 1871 in unregelmäßiger Folge auf jährlich 11 - 14 Hefte brachte. Mit der be- achtlichen Zahl von 5000 Abonnenten durfte der junge Kölner Dogmatiker Matthias Scheeben, der hinter dieser Zeitschrift als Herausgeber und 50 als alleiniger Verfasser stand , zufrieden sein. Sein Entschluß, das Blatt von 1872 an, unter Hinzuziehung anderer Mitarbeiter und mit Er- weiterung des Programms, in eine Monatsschrift umzuwandeln, barg daher kein Risiko und schien gerechtfertigt durch die bedrohliche Situation, die der beginnende Kulturkampf für die Katholiken heraufbeschworen hat- te. Auch hierin ähnlich den Herausgebern der "Stimmen" kam es Scheeben darauf an, die katholischen Grundsätze auf der ganzen Linie zu vertei- digen. Das Hauptinteresse der durchweg polemisch gehaltenen Zeitschrift galt in den folgenden Jahren der aktuellen Entwicklung des Kulturkam- pfes sowie besonders der Bekämpfung des Altkatholizismus. Dazu gesellte sich die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Liberalismus und später auch dem Sozialismus. Das gestörte Verhältnis zu den Naturwis- senschaften blieb dagegen mit nur 11 hier zu berücksichtigenden Stel- lungnahmen merkwürdig im Hintergrund. - Mit dem Abflauen des Kultur- kampfes scheint Scheeben dann das rechte Interesse an seiner Gründung verloren zu haben. Er unternahm - vielleicht auch infolge mangels an geeigneten Mitarbeitern und sinkenden Auflageziffern - keinen Versuch mehr, die Zeitschrift in eine allgemeine Revue umzugestalten, sondern

... harmlost auch den Anspruch auf Kompetenz in naturwiss. Fragen, mit dem die damaligen Autoren auftraten. Von einer "klugen Selbstbe- scheidung" (5.410) kann gerade in der ersten Periode der Zeit- schrift keine Rede sein. 50) Nur für die allerersten Hefte scheint ein anderer Herausgeber ver- antwortlich zu sein. Handweiser 69 (1870) 98 gibt "Dr.Aloys Ritt- ker" an. Zur Verfasserschaft von Scheeben vgl. Handweiser 110 (1871) 819 - 29 -

kündigte Ende 1882 das ganze Unternehmen wegen anderweitiger Arbeits- 51 belastung und Krankheit auf .

Mit dem Fortfall von Pal blieben als die angesehensten allgemeinen Or- gane des deutschen Katholizismus auf dem Zeitschriftenmarkt Kath, HPB und Sel übrig. Mehr oder weniger vertraten sie einen Konservativis- mus, der um die Jahrhundertwende fortschrittlicheren Geistern vielfach Anlaß zu Kritik bot. Die schon vor Ausbruch des Kulturkampfes verur- sachte und dann durch Jahrzehnte hindurch beibehaltene polemische und apologetische Kampfstellung gegen den modernen Unglauben hatte zu einer Entfremdung von der modernen Welt und ihren ohne Mitwirkung des katho- lischen Volksteils entstandenen Bildungsgütern geführt. Exemplarisch ließ sich das etwa an der Literatur - und Kunstkritik der genannten Zeitschriften zeigen. Die katholische Abkapselung vom kulturellen Le- ben der Nation, das Zurückbleiben der deutschen Katholiken auf dem Gebiete der Wissenschaft war unübersehbar geworden, eben deshalb auch Gegenstand lebhafter Diskussion, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen werden kann.

Das Bemühen aber, die Spannung zu überwinden, der Wille, ohne Aufgabe der Glaubensüberzeugung das Ghetto aufzubrechen, in das sich der Katho- lizismus in fruchtloser Opposition zu seiner Umwelt zurückgezogen hat- te, das Wagnis, sich "voll und ganz in unser gegenwärtiges Leben, mit- 52 ten in unsere moderne Kultur" zu stellen , sollten die charakteristi- schen Züge der neuen Zeitschrift "Hochland" werden, die, von Karl Muth redigiert, seit Oktober 1903 in München erschien. Zu oft schon ist die Geschichte dieser Zeitschrift und die geistige Entwicklung ihres Be- gründers Gegenstand gerade auch von Dissertationen gewesen, als daß es notwendig wäre, vielfach Gesagtes hier erneut zu variieren. Für den Zusammenhang dieser Untersuchung dürfte nur folgendes wichtig sein: Ausgangspunkt Muths war die schöne Literatur, seine Zeitschrift aber sollte "das ganze heutige Kulturleben in all den zu seiner Erkenntnis

51) Scheeben in PB1 11 (1882) 567 52) Vorwort zu Hochl in 1 (1903 f) a, 4 -30-

wesentlichen, für seinen Fortschritt wirksamen Änderungen und Ausstrah- lungen ... überschauen, ... begleiten ... (und) beeinflussen" 53 . Gegen- über dem Schwergewicht, das auf Kunst, Literatur und Geisteswissen- 54 schaften lag , kamen die hier interessierenden naturwissenschaftlieh- weitanschaulichen Probleme etwas kurz. Muth selbst bedauerte schon im ersten Jahrgang, daß ihm gerade auf diesem Gebiet "so wenig der Aufga- 55 be völlig gewachsene Mitarbeiter" zur Verfügung ständen . So setzt sich auch der übergroße Teil der bis 1914 in Frage kommenden 67 Bei- träge aus Miszellen und Rezensionen zusammen, deren Auswertung sich allerdings ungeachtet der quantitativen Beschränkung als ertragreich herausstellen wird. - Im Urteil der Zeitgenossen galt die Zeitschrift vielfach als avantgardistisch. Das konservative Lager verdächtigte sie 56 zeitweise des Modernismus . Zu den bereits bestehenden Organen, na- mentlich zu den "Stimmen", entwickelte sich ein kühles, ja feindseli- ges Verhältnis. Muths wiederholte Versuche, auch Jesuiten zur Mitarbeit zu gewinnen, schlugen fehl. Schon bald sah er sich veranlaßt, gegen die "VerdGchtigungs- und Verleumdungssucht" der StMI zu Felde zu ziehen und fand bestätigt, "was schon lange öffentliches Geheimnis ist: ein still- gärendes Mißvergnügen über die Existenz, Tätigkeit und den Erfolg Hochlands überhaupt, ohne daß man im einzelnen ausreichende Hand- 57 haben zum Vorgehen gegen dasselbe hätte" . Derartige Anfeindungen konnten freilich den Erfolg der Zeitschrift nicht aufhalten. "Hoch- land" eroberte sich den Platz an der Spitze aller katholischen Zeit- schriften. Wie sehr es einem echten Bedürfnis entgegenkam, erhellt nicht zuletzt aus der konstanten Auflage von 10 000 Exemplaren, mit der es alle vergleichbaren Blätter weit hinter sich ließ.

53) ebda 2 54) Nach einer Auswertung von Lochner aa0 33 rund 90 % in jedem Band. 55) Muth in Hochl 1 (1903 f) b, 128 56) Unmittelbarer Anlaß war der Abdruck von Foggazaros Roman Il Santo. der abgebrochen werden mußte, Berner die Verbindung zu Herman Schell. 57) Muth in Hochl 4 (1907 f) b, 508 f u. 756 ff -31 - bb) Gruppe II: Naturwissenschaftliche Zeitschriften

Anders als die bisher angeführten Blätter hat die Gruppe der aus- schließlich naturwissenschaftliche Fragen behandelnden Organe des deutschen Katholizismus in der Literatur bisher kaum Beachtung ge- funden. Daß es überhaupt zur Gründung solcher Periodika kam, mag zu- nächst verwundern, erklärt sich aber eben aus dem wirklichen oder ver- meintlichen Gegensatz, der den Zeitgenossen zwischen Naturwissenschaft und Theologie aufzubrechen schien. So haben sich diese Blätter denn auch sämtlich, wenngleich mit unterschiedlichen Zielsetzungen, als Re- aktion auf den mit naturwissenschaftlichen Argumenten arbeitenden Vul- gärmaterialismus verstanden, demgegenüber das katholische Publikum

über die wahre Beziehung zwischen Naturwissenschaft und Religion auf- geklärt werden müsse.

Das gilt insbesondere von der ältesten und lange Zeit einzigen Zeit- schrift auf diesem Gebiete: "Natur und Offenbarung, Organ zur Vermitt- lung zwischen Naturforschung und Glauben für Gebildete aller Stände" erschien erstmals im Februar 1855, nur wenige Monate nachdem der Mate- rialismusstreit die Gemüter erhitzt hatte. So nahm denn auch das Ge- leitwort der Zeitschrift auf die "unchristlichen, alle sittlichen und religiösen Prinzipien aufhebenden Grundsätze und Ansichten" von Vogt und anderen ausdrücklich Bezug und bezeichnete "den wissenschaftlichen

Kampf gegen Materialismus und Atheismus" als die eigentliche Aufgabe

Näherhin wurde ausgeführt, dieser Kampf solle sich "nicht vorzugsweise auf dem Boden religiöser Beziehungen und Reflexionen" bewegen, viel- mehr "(ist) unser Standpunkt wesentlich der der unbefangenen, auf die reine Tatsache gerichteten Naturforschung". Aber andererseits hieß es im gleichen Atemzug, daß diese Tatsachen "nicht im Sinne eines den Men- schen in seinem höheren Bewußtsein vernichtenden Materialismus, sondern 59 im Lichte der ewigen Wahrheit" betrachtet werden sollten . Damit war die apologetische Zielsetzung der Zeitschrift klar umschrieben. Gegen

58) Heis u.a. in NuO 1 (1855) "Zum Geleit" o.S.

59) Ebda -32-

die unchristliche Deutung naturwissenschaftlicher Tatsachen durch den Materialismus sollte die christliche gesetzt werden und das geschah dann auch in der Folge in einem Ausmaß, das die Zeitschrift zur quan- titativ wichtigsten Quelle dieser Untersuchung werden läßt. Mit 542 in Betracht kommenden Beiträgen, die sich etwa zur Hälfte aus Aufsätzen, zur anderen Hälfte aus Rezensionen und Miszellen zusammensetzen, hat die apologetische Auseinandersetzung mit dem "verderblichen und unbe- rechtigten Übergreifen der Naturforschung auf das Gebiet der religiä- 60 sen und sittlichen Wahrheit" zweifellos einen erstrangigen Programm- punkt der Zeitschrift gebildet, der erst nach 1900, als NuO sich von einem apologetischen mehr in ein fachwissenschaftlich referierendes Organ wandelte, an Bedeutung einbüßte. Natürlich sind die weltanschau- lich neutralen Gebiete der Naturwissenschaften schon von Anfang an ebenfalls in den Kreis der Betrachtung einbezogen worden. Eine Biblio- graphie der naturwissenschaftlichen Novitäten, periodische Überblicke über die wichtigsten Fortschritte in den einzelnen Disziplinen bewie- sen das Bemühen um Aktualität. Illustrationen sorgten verschiedentlich für eine klare Vergegenständlichung. Dennoch blieb der Zeitschrift ein durchschlagender Erfolg versagt. Die Auflage lag nur knapp über 1000 und unterschritt nach 1900 wohl infolge wachsenden Konkurrenzdruckes auch noch diese Grenze, so daß NuO im Jahre 1910 schließlich aufgege- ben werden mußte. Das relativ geringe Interesse für diese Zeitschrift auf katholischer Seite dürfte auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein: Von dem ursprünglichen Herausgeberkollegium, den Münsteraner Akademieprofessoren Heis und Karsch, dem Gewerbeschuldirektor Schellen und dem wegen Differenzen mit seinem Bischof auf eine Landpfarre ver- setzten Philosophiedozenten Michelis entwickelte sich der letztere zu dem eigentlich führenden Kopf der Zeitschrift. Michelis machte sie zum Organ seiner recht eigenwilligen platonisierenden Naturphilosophie, die in den Kreisen seiner Fachgenossen wenig Anklang fand und schon wegen ihrer schwerverständlichen Diktion manchen potentiellen Leser

60) Zitiert nach dem in Kath 1855 NF Bd. 12, 42 f veröffentlichten An- kündigungsprospekt. -33- vom Bezug der Zeitschrift abgeschreckt haben mag. Dazu kam, daß Miche- lis als entschiedener Gegner der Neuscholastik und frühzeitiger Kämp- fer gegen die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit, - er wurde nach dem Vaticanum Altkatholik -, mit der Mainzer Schule in heftige Kontro- versen geriet. Auch diese Umstände dürften dem Absatz von NuO, in der er seinen Standpunkt nicht verhehlte, kaum förderlich gewesen sein. Vielleicht waren sie auch der Grund, daß er 1867 als verantwortlicher Redakteur und 1869 auch als Mitarbeiter von der Zeitschrift Abschied 61 nahm . Jedenfalls änderte NuO mit dem Wegfall von Michelis ihr Ge- sicht. An die Stelle vieler bisheriger Mitarbeiter traten nun Jesuiten, die teilweise gleichzeitig in den "Stimmen" publizierten. Dennoch hob sich auch in den folgenden Jahrzehnten nach 1870 die Auflage nicht we- sentlich. Der Grund dafür mag darin liegen, daß es den auf Michelis folgenden Redakteuren - meist Dozenten der Akademie in Münster oder Gymnasiallehrern - nicht gelang, die Zeitschrift auf eine einheitliche Linie festzulegen. Der keineswegs homogene Mitarbeiterstab hatte zur Folge, daß sich anspruchsvolle, durchaus wissenschaftliche Artikel in buntem Wechsel mit sehr populär geschriebenen Beiträgen ablösten, so daß man es auf die Dauer wohl keinem Leserkreis hat recht machen kön- nen. Schließlich entstand dann seit 1904 mit der modern gestalteten Zeitschrift "Natur und Kultur" eine so empfindliche Konkurrenz, daß sich NuO nicht mehr zu halten vermochte.

Gut 30 Jahre nachdem das erste Heft von NuO erschienen war, unternahm man auf katholischer Seite erneut den Versuch, publizistisch auf dem Gebiet der Naturwissenschaften zu wirken. Seit 1886 erschien in Frei-

burg jeweils im Frühjahr das "Jahrbuch der Naturwissenschaften", ein 5 - 600 Seiten starker Band, redigiert von dem Realschuldirektor Dr. Max Wildermann. Formales Vorbild war das in Deutschland nicht unbe- kannte französische Jobbbuch Lannee scientifique. Wildermann wollte mit seinem Jahrbuch "einer weder gelehrten noch fachgebildeten Lese-

61)Für diese These spricht, daß die Zeitschrift bezeichnenderweise bei- de in ihre Geschichte doch tief eingreifenden Ereignisse still- schweigend überging. - 34 -

welt, die wichtigsten Errungenschaften vorführen ..., die das jedes- mal verflossene Jöhr auf dem Gesamtgebiete der Naturwissenschaften gebracht hat", und dehärte diese Obersicht bald auch auf "die hervor- ragendsten Fortschritte auf dem Gebiete der Industrie und des Verkehrs" 62 aus . Regelmäßige Berichte über die Versammlungen deutscher Naturfor- scher und Ärzte, zum Teil mit ausführlicher Wiedergabe der dort gehal- tenen Reden, und ein Nekrolog der im letzten Jahr verstorbenen Natur- wissenschaftler rundeten das Ganze ab. Eine Durchsicht der Inhaltsver- zeichnisse laßt den stark populären Charakter der durchweg knappen, zu einem geringen Teil illustrierten und in Fachgruppen zusammengefaßten Beiträge spürbar werden. Das Jahrbuch sollte jedoch nicht nur Infor- mationsquelle sein, sondern, - und hier lag unausgesprochen die eigent- liche Intention für seine Begründung -, darüber hinaus ein einheitli- ches Weltbild durch die katholische Haltung der Mitarbeiter vermit- 63 teln , um dadurch ein Gegengewicht zur populär-wissenschaftlichen Li- teratur der Materialisten zu bilden. Schon an dieser Stelle darf ge- sagt werden, daß die Meinungsbildung gegenüber der reinen Informations- vermittlung stark im Hintergrund gestanden hat. Daher ist die Zahl der hier in Frage kommenden Beiträge mit 39 Kurzaufsätzen, in denen direkt oder indirekt wertend Stellung bezogen wird, auch nur gering. Wilder- mann hatte gleich bei der Gründung seines Jahrbuchs erklärt, es sei "ein Fehler unserer Zeit, daß sich die Spekulation der naturwissen- 64 schaftlichen Entdeckungen gar zu eilig bemächtigt habe" , und um die- sen "Fehler" auszuschließen, sind weltanschaulich brennende Fragestel- lungen, wie z.B. das Urzeugungsproblem oder die These von der geisti- gen Entwicklung des Menschen aus tierischen Vorstufen gar nicht erst oder nur sehr sporadisch behandelt worden. Dort aber, wo sich infolge neuerer Entdeckungen eine Beschäftigung mit "verfänglichen" Themen nicht vermeiden ließ, wie z.B. im Fachgebiet Anthropologie und Urge- schichte, hat eine geschickte Materialauswahl gewaltet. Davon wird

62) Einführung zu JNW 1 (1886) VI 63) Scherer aa0 237, vgl. Handweiser 408 (1886) 300 64) Einführung zu JNW 1 (1886) VI -35-

jedoch später noch zu sprechen sein.

Als Berichterstatter für das Fachgebiet Botanik hatte Wildermann seit 65 1902 den Professor der Botanik am kgl. Lyzeum zu Freising , Johann Ev.Weiß, gewonnen. Weiß war eine merkwürdige Persönlichkeit. Als Schü- ler und langjähriger Assistent des Münchener Botanikers von Nägeli hat- te er eine gediegene naturwissenschaftliche Ausbildung genossen, die er 1883 mit der Habilitation abschloß. Seit 1896 in Freising tätig, gab er hier seit 1897 die Zeitschrift "Natur und Glaube" heraus, deren Unter- titel "Naturwissenschaftliche Monatsschrift zur Belehrung und Unter- haltung auf positiv-gläubiger Grundlage" das Anliegen des neuen Blattes noch eindeutiger umriß. Wenn sich Weiß in Wildermanns Jahrbuch auf den knappen neutralen Bericht über sein Fachgebiet beschränken mußte, so sah er umso mehr in seiner eigenen Zeitschrift das geeignete Instru- ment für seine persönlichen Überzeugungen. "Der Grundgedanke", so führ- te er aus, "welcher mich bei der Gründung meiner Zeitschrift leitete, war der, die tatsächlichen Ergebnisse exakt wissenschaftlicher For- 66. schung ... mit den Grundlehren des Glaubens in Einklang zu bringen... Unmißverständlicher hieß es einige Jahre später: "Unsere Zeitschrift ist bekanntlich ... zu dem Zwecke gegründet, die Schöpfungsidee gegen 67 - die Entwicklungshypothese zu verteidigen" . Für einen Schüler Nägelis war das eine erstaunliche Zielsetzung, der sich Weiß indes mit solchem Eifer verschrieb, daß namentlich in den ersten Jahrgängen bis zu 50 % der Aufsätze ausschließlich diesem Thema gewidmet sind und in den we- nigen Jahren, in denen die Zeitschrift existierte, insgesamt 107 Bei- träge für diese Untersuchung in Frage kommen. Darüber hinaus gibt "Na- tur und Glaube" geradezu einen Paradefall ab für die Möglichkeit, selbst bei entlegensten Themen, - man denke etwa an Geflügelzucht u. ä. -, nach Art des ceterum censeo einen religiösen Bezug einzuflechten, meist im Sinne einer teleologischen Betrachtung. Wenn diese Zeitschrift

65) In Bayern damals kein Gymnasium, sondern katholische, der theolog. Univ.-Fakultät entsprechende u. dieser gleichgestellte Bildungs- anstalten. 66) Weiß in NuG1 3 (1900) 2 67) Weiß in NuG1 7 (1904) 17 - 36 -

auch, auf Grund ihres Anspruches, aus katholischer Sicht das Verhält- nis zu den Naturwissenschaften zu beschreiben und zu beurteilen, hier einbezogen werden mußte, so sollte man ihre Bedeutung doch nicht über- schätzen. Wohl nicht ohne Grund übergeht Löffler sie völlig, und der sonst immer gut orientierte und an Neuerscheinungen stets interessierte Handweiser erwähnt sie erstmals im Jahre 1905 mit einer knappen, aller- 68 dings positiven Notiz . Die bei Keiter angegebene vergleichsweise hohe Auflage von 2000 Exemplaren paßt auch schlecht zu den ständigen Klagen von Weiß über mangelnden Absatz. Auf billigstem Papier gedruckt, wandte sich die Zeitschrift, - wie sich aus dem Themenkreis erschließen läßt -, vornehmlich an die Landbevölkerung. Die Mitarbeiter, meist Namen, über die sich trotz eingehender Recherchen nichts Näheres ermitteln ließ, vielfach auch unter Chiffre schreibend, wechselten häufig. Weiß sah sich wiederholt gezwungen, die Leser zur Mitarbeit aufzurufen. Auch eine 1904 erfolgende drastische Verringerung der bisher dominierenden religiös-naturwissenschaftlichen Themen zugunsten von Beiträgen, die den praktischen Interessen einfacher Naturliebhaber wohl mehr entgegen- kamen, konnte ebensowenig wie die Einführung von Illustrationen und die Erhöhung der Seitenzahl den schließlichen Untergang aufhalten. Ähn- lich wie wenige Jahre später für NuO wurde auch für "Natur und Glaube" der Konkurrenzdruck der jüngeren Zeitschrift "Natur und Kultur" so stark, daß Weiß mit dem Jahre 1907 seine Rechte an deren Verlag ver- kaufte.

"Natur und Kultur" erschien erstmals im Oktober 1903 und damit zum glei- chen Zeitpunkt wie "Hochland" und auch am gleichen Ort. Nicht nur diese äußeren Umstände verbanden beide Zeitschriften. Wie Muth im "Hochland" eine Regeneration des kulturellen Lebens der deutschen Katholiken, eine

68) "Weniger hochwissenschaftlich, aber immerhin gediegen und zuver- lässig" Handweiser Heft 20 (1905) 771. Bemerkenswert auch die Klage von Weiß selbst, daß "wenn gelegentlich katholische, auf positiv- gläubigem Boden stehende Zeitschriften empfohlen werden, Natur u. Glaube eigentümlicherweise sich nicht dabei befinde", NuGl 5 (1902) 353. - 37 69 "Wiederbegegnung von Kirche und Kultur" anstrebte, so bemühte sich der erst 27 Jahre alte Dr.phil. Franz Josef Väller als Herausgeber von "Natur und Kultur" um eine Neugestaltung des Verhältnisses zu den Natur- wissenschaften, um eine Wiederbegegnung von Kirche und Natur. Er hoff- te, durch eine möglichst breite, leichtfaßliche Information aus allen mit Naturwissenschaft zusammenhängenden Gebieten eventuell vorhandene Vorurteile abzubauen und bisher vielleicht schlummernde Interessen zu beleben. Anders als Muth wandte er sich nicht an die geistig führende Schicht, sondern, darin ähnlich dem Wildermannschen Jahrbuch, an Ju- gend und Volk. Ihnen wollte er "eine wahre, gediegene Bildung ... ver- mitteln und die weitesten Kreise vertraut ... machen mit den fe gt be- gründeten Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung, um sie so ge- feit zu machen gegen die Gefahr unwahrer oder halbwahrer Hypothesen 70 ..." . Auch hier klang also noch das apologetische Moment an. Der Kampf gegen den Monismus Haeckels war zu dieser Zeit gerade auf einem Höhepunkt angelangt, und Völler hat die da hineinspielenden Probleme bis zum Jahre 1914 mit immerhin 140 Beiträgen, davon allerdings 2/3 Rezensionen, in das Blickfeld der Leser seines Blattes gebracht. Aber es war doch, wie die nachfolgende Untersuchung noch im Einzelnen zu zeigen haben wird, vielfach eine neue Form der Beurteilung, die Völ- lers Zeitschrift von den apologetischen Methoden und Stellungnahmen der bisher genannten Blätter unterschied. Neu war ferner die sonst nur noch von "Hochland" geübte Praxis, auch evangelische Mitarbeiter heranzuziehen, von denen namentlich der Kieler Botaniker Reinke und 71 der Vorsitzende des Keplerbundes , Dennert, zu nennen sind. Im übri- gen setzte sich der Mitarbeiterstab ziemlich einheitlich aus Hoch- schulprofessoren und Gymnasiallehrern zusammen, wobei Kleriker stark in der Minderzahl blieben. - "Natur und Kultur" hatte im Vergleich zu Nu0 und NuG1 Erfolg. Dafür sorgten ein reichhaltiges Angebot, eine

69) So der Titel der Muth-Festschrift von 1927, s. Lit.Verz. unter Fuchs. 70) Zitiert nach dem Programm auf dem Umschlagblatt von Heft 8, Jahr- gang 1.

71) Zum Keplerbund s.u. S. 74 f. - 38 -

moderne Gestaltung, die z.B. an die Stelle der noch für NuO charakte- ristischen altertümlichen Fortsetzungsbeiträge knappe Artikel setzte, und zahlreiche Illustrationen. Bereits wenige Monate nach ihrer Grün- dung wurde die Zeitschrift von der bayrischen und der sächsischen Re- gierung offiziell als Unterrichtsmittel für Schulen anerkannt und zu- gelassen. So konnte nach wenigen Jahren eine Auflage von 4000 erreicht werden, und nachdem NuO und NuG1 ausgeschaltet waren, blieb nur noch das JNW als ernsthafter Rivale übrig, dem Völler aber dadurch, daß seine Zeitschrift 2 x monatlich erschien, einen gewichtigen Vorteil voraus hatte. Erst 1913 sollte es zu einer neuen und stark angefein- deten Konkurrenz kommen.

Zu diesem Zeitpunkt begründete der Kleriker Johannes Thöne, damals Landpfarrer in der Rheinprovinz, ein neues Blatt: "Die Schöpfung", das zugleich als "amtliches Organ" des ebenfalls neu geschaffenen 72 - "Albert-Bundes" fungieren sollte . Thones Antrieb bildete die Be- sorgnis über das kontinuierliche Anwachsen des mit Haeckel als Vor- sitzendem schon seit einigen Jahren bestehenden "Deutschen Monisten- bundes". Um dessen Einfluß entgegenzuwirken,beabsichtigte "Die Schöp- fung" "... das gesamte Gebiet der Naturwissenschaften (zu) behandeln, namentlich das für die Weltanschauungsfragen wichtigere Gebiet der Biologie". Die "meist vernachlässigten, oft auch absichtlich umgan- genen naturphilosophischen Fragen" sollten "eingehende Berücksichti- 73 gung finden" . Die primär apologetische Zielsetzung dieses Programms hat sich jedoch nicht so stark, wie eigentlich zu erwarten wäre, aus- gewirkt. Mit nur 25 Beiträgen, davon über die Hälfte lediglich Mis- zellen, hat sie im Vergleich zu den Sachbeiträgen über weltanschaulich nicht relevante naturwissenschaftliche Themen nur einen Programmpunkt neben anderen gebildet. Immerhin kommt es aber zu sehr interessanten Stellungnahmen, die die Berücksichtigung der Zeitschrift trotz ihrer äußerst kurzen Lebensdauer, - mit Kriegsausbruch wurde sie sistiert -, lohnenswert erscheinen ließen. Thöne, von dem auch die Mehrzahl der

72) Zum Albert-Bund s.u. S. 75 f. 73) Thöne in Schä 1 (1913) 2 - 39 -

einschlägigen Beiträge stammt, wandte sich ebenso wie die anderen in dieser Gruppe genannten Organe an den naturwissenschaftlich nicht vor- 74 gebildeten, aber interessierten Laien . War das Niveau demnach nicht gerade anspruchsvoll, so ließ es doch andererseits die Primitivität vermissen, die für die Argumentation in NuGl charakteristisch war, zu- mal die meisten Mitarbeiter akademische Vorbildung besaßen. Mit NuK, in der das Erscheinen der Zeitschrift als "eine ebenso überflüssige wie ungerechte Neugründung auf naturwissenschaftlichem Gebiete" kom- mentiert wurde, denn "für zwei naturwissenschaftliche Organe (sei) auf 75 katholischer Seite noch auf Jahre hinaus kein Platz" , kam es zu einer heftigen, von gegenseitigem Konkurrenzneid getragenen Auseinanderset- zung. Ob die Auflage tatsächlich bereits im ersten Jahr die 10 000er

Grenze erreichte, wie Sperling aa0 angibt, darf bezweifelt werden, da solch spektakulärer Erfolg nicht nur in keinem Verhältnis mehr zu den Auflageziffern der anderen naturwissenschaftlichen Organe des deutschen Katholizismus steht, sondern auch in der sonstigen Literatur keine Be- achtung gefunden hat.

74) Thönes Werbeslogan: "Wer Die Schöpfung mehrere Jahre gelesen hat, kann sich zu den Fachleuten rechnen und die anderen als Laien be- trachten", vgl. Sch 1 (1913) 127 75) Völler in NuK 10 (1912 f) 447 f; ähnlich, wenn auch maßvoller ? in Kath 93 (1913) 4. F. Bd. 11, 308 - 40 -

Kapitel II

Katholische Autoren in der Spannung zwischen naturwissenschaftlicher

Empirie und atheistischem Materialismus

1) Von 1854 bis etwa zur Jahrhundertwende: Weitgehende Identifikation von Naturwissenschaft und Materialismus

a) Historische Entwicklung des Verhältnisses zu Naturwissenschaft und Materialismus

Am 8.Dezember 1864 ließ Pius IX. als Anhang an sein Rundschreiben Quanta cura den Syllabus errorum durch seinen Staatssekretär An- tonelli allen Bischöfen der katholischen Kirche zugehen. Das Verzeich- nis der hauptsächlichsten Irrtümer unserer Zeit, das in schroffer Form sehr unterschiedliche Thesen verurteilte, sollte in seiner Gesamtheit den Protest der Kirche "gegen Laizismus, naturalistische Auffassung der Religion und Verabsolutierung des staatlichen oder menschlichen 1 Willens als göttliches Gesetz" zum Ausdruck bringen . Mit dem 80. und letzten Satz wurde die Auffassung derjenigen abgelehnt, die der An- sicht waren: "Der römische Papst kann und soll sich mit dem Fortschritt, mit dem Liberalismus und mit der modernen Bildung aussöhnen." Heute le- gen katholische Interpreten Wert darauf, diesen Satz vom Kontext einer Rede her zu deuten, die Pius IX. im März 1861 gegen die kirchen- und religionsfeindliche Politik Cavours gehalten hatte t . Damals aber wurde die aus ihrem Zusammenhang gerissene und kommentarlos wiedergegebene päpstliche Äußerung weithin als "Absagebrief an die moderne Kultur" (LThK 1.Aufl.) verstanden und erregte ungeheures Aufsehen. Sollte und konnte über 300 Jahre nach der Verurteilung Galileis dem Fortschritt und der modernen Bildung, wie sie sich für die Zeitgenossen beispiel- haft auch und gerade in den Erkenntnissen der Naturwissenschaften ver- körperten, erneut der Prozeß gemacht werden? Die 80.These des Sylla- bus manifestierte für das Bewußtsein der großen Öffentlichkeit, was

1) Zitiert nach LThK 2.Aufl. Artikel Syllabus. 2) Schneider aa0 23; Bihlmeyer-Tüchle aa0 391. - 41 - katholische Leser schon einige Jahre früher ihren Blättern hatten ent- nehmen können: Die Existenz eines offenen Gegensatzes zwischen katho- lischer Weltanschauung und moderner laizistischer Bildung.

Seit dem Austrag des schon skizzierten Materialismusstreits zwischen Vogt und Wagner auf der Göttinger Naturforscherversammlung läßt sich in Zeitschriften wie Kath und HPB ein im Vergleich zu der Zeit davor wesentlich gesteigertes Interesse an Kontroversproblemen zwischen Na- turwissenschaft und Theologie feststellen, das sich mit energischer Polemik gegen Forschungstendenzen verbindet, die als materialistisch- atheistisch empfunden werden. Quantitativ weit übertroffen werden bei- de Zeitschriften allerdings von NuO, dem ersten katholischen Spezial- organ für derartige Fragen, in dem der Bekämpfung der Auffassungen ei- nes Büchner, Vogt und Moleschott breitester Raum zukommt: Kein Band dieser Zeitschrift, in dem nicht gleich mehrfach der Materialismus, sei es als Gesamterscheinung, sei es hinsichtlich einzelner strittiger Punkte, thematisch wird. Zahlreich sind die Empfehlungen der gegen ihn gerichteten Schriften, zahlreich aber auch die Rezensionen zur materia- 3 listischen Literatur selbst . Bei aller Schärfe, mit der man ihre The- sen verurteilt, füllt doch auf, daß man zunächst noch fähig bleibt, zwischen Person und Sache einen Unterschied zu machen. So hebt bereits der Ankündigungsprospekt der Zeitschrift hervor, bei Vogt, Moleschott u.a. handle es sich um "Männer, die unbestritten einen ... hervorra- genden Rang in der Wissenschaft einnehmen ..." 4.Gerade Vogts Verdien- ste als Wissenschaftler sind auch in den folgenden Jahren nicht über- sehen worden. Er gilt als "tüchtiger, exakter Forscher", unter den Materialisten "unbedingt der talentvollste, genialste, mit exaktem

3) Allein bis 1869 erscheinen 78 einschlägige Beiträge, darunter die Rezensionen 17 antimaterialistischer Schriften. Daneben werden fast sämtliche Werke der bekannteren Materialisten besprochen, weil man sich "nicht den Schein zuziehen möchte, etwas ignorieren zu wollen, was irgendwie in der Richtung, die wir bekämpfen, die Aufmerksam- keit des Publikums auf sich zieht". (Michelis in NuO 2 (1856) 44). Demgegenüber bleiben Kath u. HPB im gleichen Zeitraum mit 10 bzw. 16 Beiträgen stärker zurück.

4) Heis u.a. in NuO 1 (1855) "Zum Geleit" o.S. -42- 5 Wissen reichlichst begabt" . Derartige persönliche Anerkennung, die sich abgestuft auch für Moleschott nachweisen läßt, nicht dagegen für Büchner, der von Anfang an als geistloser Epigone und Charlaton charak- terisiert wird, bleibt allerdings auf NuO beschränkt und läßt sich auch hier nur bis in die 60er Jahre hinein nachweisen. Die anfänglich vorhandene Hochachtung vor dem wissenschaftlichen Verdienst - bei aller Gegnerschaft im weltanschaulichen Bereich - schmilzt rasch im stärker werdenden Bewußtsein der Gefahr, die die materialistischen Schriften für weite Volkskreise bergen. Schon 1861 werden Vogt und Büchner von Michelis, ganz im Gegensatz zur bisherigen Praxis, auf eine Stufe ge- 6 stellt und als "rohe und verliederlichte Gestalten" abgetan .

Damit schwenkt die Beurteilung von NuO auf eine Linie ein, die in Blät- tern wie HPB und Kath von Anfang an verfolgt worden ist. Hier gilt Vogt bereits zur Zeit des Materialismusstreit als "wissenschaftliche Karika- tur... und gemeiner Charlatan", die Materialisten insgesamt ganz unver- . blümt als "kotselige Schwelne n7 . Den oft vulgären Angriffen der Materia- listen auf Kirche und Religion wird mit gleicher und gröberer Münze geantwortet, und damit werden Bewertungsmaßstäbe gesetzt, die nun auf Jahrzehnte hinaus ihre Gültigkeit bewahren. Der somit erfolgende Aufbau einer weltanechaulichen Front gegen den Ma- terialismus vollzieht sich nicht ohne eine zumindest teilweise und in ihren Ursachen später zu erörternde Distanzierung von der naturwissen- schaftlichen Forschung selbst. "Ein Gott und der positiven Religion abgewandter Geist beherrscht den Fortschritt der Naturwissenschaften", klagt der NuO-Herausgeber Michelis 1860, während sein Mitarbeiter Bolsmann im Hinblick auf die "ungläubige Naturforschung", der er kei- neswegs nur die Materialisten zurechnet, zu dem noch schärfer akzen- tuierten Ergebnis kommt: "Man erforscht dort die Natur, um die Resul- tate zur Zernichtung des positiven Glaubens zu verwenden" 8 . Beide Zi- tate haben paradigmatische Bedeutung: Bis zur Jahrhundertwende lassen

5) Karsch in NuO 5 (1859) 454; u.v.a. 6) Michelis in NuO 7 (1861) 262 7) ? in Kath 14 (1856) 47; ? in HPB 37 (1856) 1260 f; u.a. 8) Michelis in NuO 6 (1860) 3; Bolsmann in NuO 5 (1859) 356 - 43 -

sich ähnliche Feststellungen in stets neuen Formulierungen, variierend zwischen vorsichtigem Mißtrauen bis hin zu offener Feindseligkeit, im- mer erneut nachweisen.

Sind es im Einzelnen zunächst Chemie, Physiologie und besonders Geolo- gie, die mit ihren Ergebnissen im Brennpunkt der Kritik stehen, so ver- lagert sich der Schwerpunkt der Angriffe etwa vom Ende der 60er Jahre an auf die Biologie, in der nun die religionsfeindlichen Tendenzen na- turwissenschaftlicher Forschung am deutlichsten zum Ausdruck zu kom- men scheinen. Veranlassung dazu bietet die Art, mit der namentlich Haeckel die Darwinsche Theorie zum Aufbau seiner Weltanschauung be- nutzt. Bereits 1863 auf der 38. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Stettin gab Haeckel seiner Oberzeugung in einem Vortrag über Dar- wins Theorie Ausdruck und sprach davon, daß durch das Entwicklungsge- setz sich auch die geheiligten Begriffe der Religion, Moral und Gesell- schaftsordnung wandeln würden. Seine Rede erregte beträchtliches Auf- sehen, ist aber von den hier untersuchten katholischen Zeitschriften nicht zur Kenntnis genommen worden. Das Gleiche gilt auch für seine drei Jahre später erscheinende Generelle Morphologie, ein dicklei- biges Kompendium, das sich vorzugsweise an die Fachwelt wandte, hier aber ebenfalls kaum Beachtung fand. Erst die Ende 1868 veröffentlichte Natürliche Schöpfungsgeschichte, im Wesentlichen auf einem kurz zu- vor gehaltenen Kolleg über Darwin beruhend und populär geschrieben, ver- half Haeckel im allgemeinen Bewußtsein zum Durchbruch, machte ihn mit

einem Schlage zum berühmten Mann. Aber auch dieses Werk, das mit demago- gischer Schärfe die "dualistische Naturanschauung und die Hypothese 9 eines persiinlichen Schöpfers" verwarf , hat auf katholischer Seite un- mittelbar noch keine Gegenmaßnahmen ausgelöst. Lediglich Michelis, der Haeckels Werk in seiner Neujahrsbetrachtung zu 1869 kurz erwähnt, ohne es zu rezensieren oder Haeckel persönlich anzugreifen, reagiert sofort. Die Einführung der Darwinschen Hypothese in die Wissenschaft

9) Haeckel, Natürl. Schöpfungsgesch. aa0 XXIX. -44-

im Haeckelschen Sinne bedeute: "reinsten Atheismus, absolutesten Materialismus, vollendetste Leugnung jeder geistigen Existenz im Menschen und außer dem Menschen ... die Religion (werde) durch diese Theorie so be- wußt und so gründlich wie nie vorher, schrittweise aus dem letzten Schlupfwinkel des Bewußtseins herausgedrängt..." 10

Darwins "sogenannte Theorie", die "einerseits die Resultate der eigent- lichen Naturforschung für sich in Anspruch nimmt" (S.8), biete anderer- seits dem Materialismus die Plattform, deren er bedürfe, um sich nun erst recht ungehindert zu entfalten. Damit ergänzen sich in der Diagno- se von Michelis ungläubige Naturwissenschaft und Materialismus zu ei- ner nicht mehr trennbaren Einheit. Sein bis dahin stets zur Schau ge- 11 tragener Optimismus bei der Bekämpfung des Materialismus weicht tie- 12 fem Pessimismus .

Was Michelis zu Anfang 1869 als erster ausspricht, wird wenig später auch für zahlreiche andere Autoren zur bitter empfundenen Wirklichkeit: Die 70er Jahre bringen den Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit den Thesen des nun durch den Entwicklungsgedanken bereicherten Materialis- mus, in dem die biologische Wissenschaft aufzugehen scheint. Sie sind zugleich durch den Ausbruch des Kulturkampfes, der vom linken, frei- sinnigen Flügel des Liberalismus unter der Losung Moderne Wissenschaft contra mittelalterliches Dogma als weltanschauliche Auseinandersetzung 13 geführt wird , die Zeit höchster äußerer Bedrohung für den Katholizis-

MUS.

10) Michelis in NuO 15 (1869) 9 f; vgl. zuvor schon Stöckl in Kath 47 (1867) o, 472, der auf das Interesse des Materialismus an Darwins Theorie hinweist, ohne Haeckel jedoch schon zu nennen. 11) Vgl. z.B. NuO 5 (1859) 570 u. NuO 12 (1866) 239 f.

12) "Wir können es nicht leugnen und wir müssen es leider konstatieren, daß ... (der) Materialismus, gegen den unser Unternehmen von An- fang an gerichtet war, in jeder Weise, theoretisch und praktisch, in seinen Prinzipien und seinen Konsequenzen im siegreichen Fort- schritte begriffen ist." NuO 15 (1869) 6. 13) Vgl. dazu Bornkamm aa0 49 ff. 300. -45-

Dementsprechend verstehen die katholischen Autoren sich als Verteidi- ger des positiven Christentums gegen die "modernen Ideen ... die die Menschheit korrumpieren bis hinab zur wissenschaftlichen Vertierung in den Materialismus". Sie sehen sich im Kampfe gegen den Zeitgeist, dem "jede Religion ein Unsinn, überflüssig, schädlich und kulturfeind- 14 lich" sei . Naturwissenschaft wird nun weithin als "Kulturwissenschaft", d.h. als Wissenschaft der "Kulturhelden und Fortschrittsfreunde, die al- les Katholische in den Kot zerren" (Nu0), verstanden, so daß es kaum einen einschlägigen Beitrag gibt, in dem nicht in höchst polemischer Form gegen "die modernen Aufklärungsheuler" (PB1), gegen die "Charla- tanerie und Marktschreierei der Naturwissenschaften" (StMl), oder doch zumindest gegen ihren "Hochmut und Dünkel" (HPB) zu Felde gezogen wird.

Noch vor Haeckel wird D.F.Strauß zum Kristallisationspunkt, in dem sich die katholische Kritik am modernen Zeitgeist wie am darwinistischen Materialismus verdichtet. In den sehr ausführlichen Rezensionen, die sein 1872 veröffentlichtes Alterswerk Der alte und der neue Glaube . 15 erhält , wird er den Lesern als der profilierteste Vertreter der mo- dernen Kultur und ihrer angeblich wissenschaftlichen Grundlage vorge- stellt. Sein Buch hat "providentielle Bedeutung" (HPB, S.448), denn "noch niemand hat bis jetzt so schonungslos den herrschenden Zeitgeist als unchristlich entlarvt", wie es Strauß "mit wahrhaft davidischer Ungeniertheit" bei dem "katholikenfressenden und doch so christlich tuenden deutschen Michel-Goliath! fertig bringt (StMl, S.285). Dies bleibt freilich Straußens einziges Verdienst, denn inhaltlich ist sein Werk "eine Kollektion Münchhausener Bohnenstangen" (StMl, S.291) oder, noch drastischer gesagt, "eine Zusammenstellung der trivialsten, ober- flächlichsten, stumpfsinnigsten ... Einfälle, wie sie jeder blasier- te Commis-voyageur vorbringen kann" (PB1, S.84). Wenn er hier ein unverhülltes Bekenntnis zum evolutionistischen Materialismus ablege

14) Löffler in StMI 8 (1875) 25; vgl. zur Verbindung zwischen Materia- lismus u. Kulturkampf noch S. 230 fdieser Arbeit. 15) Hoffner in Kath 53 (1873) a, 1 ff; ? in HPB 72 (1873) 447 ff; T. Pesch in StMl 4 (1873) 284 ff; ? in PB1 2 (1873) 27 ff. - 46 -

und Darwin als den Mann feiere, der dem Wunderglauben der Theologen den Boden entzogen habe, so verrät er nach Ansicht seiner Rezensenten den eigentlichen Grund für den Anklang, den Darwins Lehre finde. Nicht die Erklärung der Genesis der Tierarten, sondern "das negative theolo- gische Interesse" (Kath, S.23), die Vernichtung des Wunders, diene Darwin zur Empfehlung. Nur Haffner im Kath bleibt, - wie schon hier gesagt werden soll -, bei dieser Feststellung nicht stehen, sondern bemüht sich, zwischen materialistischer Weltanschauung und naturwissen- schaftlicher Entwicklungslehre zu unterscheiden. In seinen Augen ist selbst bei einem sicheren Erweis der vorläufig noch ungesicherten Darwinschen Hypothese nichts für die Lehre der Kirche zu fürchten, da durch Darwin metaphysische Fragen gar nicht berührt wurden. Von den anderen Rezensenten aber wird die von Strauß so deutlich ins Bewußt- sein gerückte Einvernahme der Entwicklungslehre in die materialisti- sche Weltanschauung als selbstverständlich empfunden.

Es verwundert, daß derjenige, der schon vor Strauß die Darwinsche Theorie im Sinne eines kausal-mechanistischen Evolutionismus atheisti- scher Prägung radikalisiert hatte, Ernst Haeckel nämlich, erst von ?873 an auf eine stärkere Resonanz in den katholischen Zeitschriften gestoßen ist, zu einer Zeit also, in der bereits die 5.Auflage der Natürlichen Schöpfungsgeschichte erschien und ein neues Werk die Anthropogenie 1874 sich speziell mit der Stammesgeschichte des Men- schen befaßte. Erst jetzt scheint man sich der wachsenden Popularität Haeckels bewußt zu werden, auf die man in den Jahren zuvor lediglich mit gelegentlichen Seitenhieben reagiert hatte. In NuO, PB1 und abge- schwächt auch in den Seil beginnt von 1873/74 an ein etwa fünf Jahre anhaltender erbitterter Kampf gegen das "unerhörte Treiben ... des 16 materialistischen und atheistischen Schreiers zu Jena" .

16) Scheidemacher in PB1 5 (1876) 40 u. NuO 22 (1876) 647. Scheide- macher trägt den Hauptanteil am Kampf gegen Haeckel, der in Kath u. HPB fast völlig übergangen wird. - 47 -

Von der Objektivität, mit der etwa noch NuO in den ersten Jahren ihres Bestehens zwischen den wissenschaftlichen Verdiensten und den weltan- schaulichen Ansichten eines Vogt sauber differenziert hatte, ist jetzt kein Jota mehr spürbar. In dem aggressiven und herabsetzenden Ton, mit dem sich Haeckel in seinen bisherigen Werken über Kirche und Papst- tum ausgelassen hatte, wird ihm auch geantwortet, wobei das Niveau der Polemik erschreckend primitive Formen annimmt. Ziel ist es, Haeckel, in dem die Autoren einen Vertreter der modernen atheistischen "Kultur- wissenschaft" bekämpfen, als Wissenschaftler unmöglich zu machen. Be- sondere Bedeutung gewinnen dabei die Vorwürfe, die erstmals der Basler Zoologe Rütimeyer gegen die Natürliche Schäfungsgeschichte erhoben hatte. Rütimeyer erklärte, die dort befindlichen Abbildungen seien zum Teil erfunden, zum Teil willkürlich modelliert. Er entdeckte außerdem, daß Haeckel drei Embryonenbilder von Mensch, Affe und Hund mit ein und demselben Klischee ausgeführt hatte, um die von ihm behauptete Ver- wandtschaft der drei Formenaugenfälligerdarzustellen. 1875 nahm der Leipziger Embryologe His diese Vorwürfe wieder auf und machte zudem auf weitere bildliche Ungenauigkeiten Haeckels in der 5. Auflage der Schöpfungsgeschichte aufmerksam. Obwohl Haeckel sich dafür zum Teil entschuldigt, zum Teil aber auch zur Wehr gesetzt hatte, gerät er in den katholischen Zeitschriften, die diese Vorwürfe breit aufgegriffen haben, in den Ruf eines ehr- und gewissenlosen Fälschers, der ihn nun über die nächsten Jahrzehnte hinweg stereotyp begleiten wird und nach der Jahrhundertwende sogar noch eine Neuauflage erlebt. "Haeckel ist und bleibt" nach dem mehrfach variierten Urteil Scheidemachers

"ein auf den Katheder einer deutschen,Hochschule verlaufener Charlatan, der mit seiner Renommisterei die Rohheit der Gasse und die bübische Unehrlichkeit der Bauernfänger verbindet" 17.

Erst mit dem Abflauen des Kulturkampfes entspannt sich auch hier die Situation allmählich wieder, zumal sich Haeckel in den 80er Jahren stärker rein biologischen Themen zuwandte. Taucht sein Name - natürlich

17) Scheidemacher in PB1 5 (1876) 48. - 48 -

stets in abschätziger Form - auch hin und wieder noch auf, so gilt das Interesse zu dieser Zeit doch mehr anderen im Sinne des darwinistischen Materialismus wirkenden Popularisatoren. Von ihnen sind namentlich Büch- ner und der unter dem Pseudonym Carus Sterne schreibende Ernst Krause (1839-1903) stärker beachtet worden. Daß man an ihrer Tätigkeit nichts Lobenswertes findet, wird schon deutlich, wenn man liest, welche Cha- rakterisierung ihnen zuteil wird: Gilt Büchner seinen Rezensenten wie schon in früherer Zeit als "unklarer Philosoph" und "seichter Charakter", so gilt Sterne als "Schwätzer" und "vom Jesuitenhaß beseelter Lügner". Bei einem Vergleich "mit anderen neuheidnischen Schriftstellern" finde man, so meint Boetzkes bei der Rezension von Sternes Buch Alte und neue Weltanschauung, wohl kaum einen zweiten, "dessen Publikationen einen so niedrigen Grad von wissenschaftlicher Bildung und eine so hoch- 18 gradige Anmaßung und Frivolität zur Schau tragen" .

Im Ganzen gesehen ebbt der Kampf gegen den Materialismus in dem all- mählich zur Neige gehenden Jahrhundert aber trotz der Angriffe auf

Büchner, Sterne u.a. sichtlich ab. Die streitsüchtige Polemik be-

schränkt sich auf Einzelfälle wie die eben genannten, und vor allem wird es jetzt in langsam wachsendem Maße möglich, stärker zwischen weltanschaulichem Materialismus und empirischer Naturwissenschaft zu unterscheiden.

Es erhebt sich die Frage, welche Motive eigentlich die katholischen Autoren veranlaßt haben, sich für lange Zeit mehr oder weniger stark von der biologischen Forschung zu distanzieren, bzw. sie mit dem Vul- gärmaterialismus weitgehend zu identifizieren. Die in zahlreichen Beiträgen stereotyp vorkommende Feststellung, man wende sich nur gegen die angeblich wissenschaftlichen Resultate der "ungläubigen" Naturfor-

18) Boetzkes in StMl 35 (1888) 30 (Zitat); vgl. Wasmann in NuO 37 (1891) 493 ff; u.v.a. Daß sich nach 1900 auch hier die Beurteilungsmaßstäbe wandeln, demonstriert Bruhns in NuK 3 (1905 f) 10 ff, der Sterne "eine ungemein reiche Fülle von vorzüglichem Wissen" und seine "ganz hervorragenden Verdienste" auf dem Gebiet der naturwissenschaftl. Volksaufklärung nachrühmt, wenn dies auch vielfach auf Kosten des streng wissenschaftl.Geistes erfolgt sei. Zu Büchner s.bes.Dunin-I Borkowski in StMl 55 (1898) 486 ff; u.v.a. Nach 1900 wird er kaum noch erwähnt. -49-

schung, da "wahre" Wissenschaft nicht im Gegensatz zu Religion und Offenbarung stehen könnte, liefert zwar schon den Beweis für einen vorhandenen Gegensatz, erklärt aber noch nicht, welche methodischen Vorüberlegungen solcher Differenzierung zugrunde liegen. Die hier be- nutzten Quellen sind in dieser Hinsicht jedoch sehr ergiebig. Weniger große, tiefschürfende Erörterungen als vielmehr eine Fülle von klei- 19 neren, gelegentlichen Bemerkungen und Hinweisen zeigt, daß es den Au- toren nicht nur darum gegangen ist, den Lesern der Zeitschriften eine grelle teils aggressive, teils beklommene Schilderung von Zustand und Verfahren der "ungläubigen" Wissenschaft zu vermitteln. Darüber hinaus wollte man Hilfestellung bieten, Kriterien an die Hand geben, die es ermöglichen sollten, zwischen "ungläubiger" und "gläubiger", zwischen "moderner" und "wahrer", zwischen "tendenziöser" und "vorurteilsloser" Naturforschung zu differenzieren. Die geschichtliche Entwicklung und mehr noch die Methodik der Naturwissenschaft stehen dabei im Blickfeld.

b) Typologie der Reaktionsformen katholischer Autoren auf den methodi- 20 schen Positivismus oder Atheismus der Naturwissenschaft aa) Die "ungläubige", "moderne" oder "tendenziöse" Wissenschaft

Mit der Frage, wie es überhaupt zur Entstehung einer als "ungläubig" etc. charakterisierten Wissenschaft kommen konnte, hat sich namentlich Michelis mehrfach beschäftigt und dabei vor seinen Lesern ein Bild entworfen, dem zufolge erst das Christentum "dem menschlichen Geist jene hohe Stellung und jenen kühnen Schwung gegeben (hat), der auch in

19) Die umfangreiche Diskussion um das Verhältnis von Glaube und Wis- sen wird im folgenden Abschnitt nur im Hinblick auf die Stellung- nahmen berücksichtigt, die im Zusammenhang mit Darwinismus und Vul- gärmaterialismus abgegeben wurden. 20) Der Terminus wird hier in Anlehnung an Hübner aa0 25 gebraucht: Die Naturwissenschaft verwendet die kausal-analytische Methode als menschl. Erkenntnisschema zur Erforschung u.Beherrschung d.objekti- vierbaren Wirklichkeit. Eine ontologische Intention kommt ihm nicht zu. Vgl. Meurers aa0 passim: -50- 21 den Fortschritten der Naturerkenntnisse sich kundgibt" . Was zuvor im Juden- und Heidentum an Naturbetrachtung existiert habe, könne allein durch "das weltgeschichtliche Gesetz der Antizipation des Christlichen" (5.410) erklärt werden. Der sinnlichen Naturanschauung ordnete das christliche Mittelalter jenes "höhere", d.h. auch philosophische Ge- sichtspunkte berücksichtigende Bewußtsein zu, durch das "überhaupt erst ein gesichertes Herantreten an die Natur möglich werden konnte" (5.559). Folgerichtig muß dann auch der weitere Fortschritt der Naturwissenschaf- ten in der Neuzeit von Michelis, wenigstens zum Teil, als Fehlentwick- 22 lung aufgefaßt werden , denn wenn auch "eine rein objektive Erkenntnis der Natur", wie sie sich im 18.Jahrhundert auszubilden begann, "in allen Fällen als ein Gewinn zu betrachten ist" (5.566), so erscheint doch an- dererseits die zugleich einsetzende Vernachlässigung "der höheren philo- sophischen Fragen" als beklagenswert. Konsequenz sei das Entstehen ei- 23 nes "rohen Empirismus" gewesen, der zu Pantheismus und Materialismus hindränge.

Damit nennt Michelis den wichtigsten Vorwurf, der der "modernen" Natur- wissenschaft von seiten katholischer Autoren gemacht wird, wenn auch ein wesentlicher Unterschied anzumerken ist: Anders als ihm, der sich immerhin noch trotz aller Bedenken von "dem guten Recht der exakt vor- 24 gehenden Untersuchung" prinzipiell überzeugt zeigt , ist der Masse der übrigen Autoren bereits der methodische Forschungsansatz der Naturwis- senschaften fragwürdig: Der exakte Wissenschaftsbegriff wird verdächtig, weil man hinter seiner Fassade den bewußt vertretenen Atheismus mit dem Ziel am Werke sieht, durch die mechanisch-analytische Methode der

21) s.bes. auch f.d.Folgende Michelis in NuO 2 (1856) 408 ff (Zitat 434); u.v.a. 22) Interessant in diesem Zusammenhang die verharmlosende Behandlung der Galileiaffäre, die allein unter dem Gesichtspunkt der tadelnswerten "menschlichen Keckheit" Galileis gegen die Kirche beurteilt wird, NuO 2 (1856) 563; In NuO 14 (1868) 135 wird dagegen zugestanden, hier habe es sich um "einen Mißgriff" gehandelt, "dessen Verantwortlich- keit allerdings kaum schwer genug angeschlagen werden könne." 23) Michelis in NuO 4 (1858) 394 24) Michelis in NuO 13 (1867) 4 - 51 - 25 Anerkennung Gottes zu entgehen . Im Einzelnen wird wie folgt argumen- tiert: Der Empirismus kann nur partielle, weil nur sinnliche Erkennt-

nis bringen. Die Wissenschaft darf aber nicht "lediglich ein Sammel- surium von Naturkenntnissen" sein. Die Fülle neuer Einsichten, die Untersuchung des massenhaft anschwellenden Materials haben die Natur- wissenschaftler zu Spezialgelehrten gemacht, die über "der Fettweide spezialistischer und mikroskopischer Untersuchung" vergessen, daß es allgemeine leitende Gesichtspunkte, nämlich letzte, außerempirische Ursachen gibt, denen die durch Beobachtung, Induktion und Analogie gewonnenen Einzelergebnisse unterzuordnen sind. Die Weigerung, außer- empirische Ursachen anzuerkennen, die Verzichtleistung auf alle Meta- physik, das Unterfangen, das Naturgesetz als einzige, absolute Größe zu setzen, führen zur "Negation aller Wissenschaft". So "verwandeln unsere heutigen, vom chemischen Zersetzungsdunst berauschten Naturforscher das ganze Universum in ein offenes To- tengrab, in welchem weder ein Gott, noch ein Geist zu finden ist"; so "werfen die Männer der modernen Wissenschaft das Heiligste 26 über Bord, um Platz zu gewinnen für ihre Forschungsergebnisse". Ein weiterer damit zusammenhängender Angriffspunkt für die katholi- schen Autoren ist der theoretische Anspruch der "modernen" Naturwis- senschaft, die kausale Analyse der Wirklichkeit ad infinitum fortzu- setzen, der in doppelter Hinsicht als Kompetenzüberschreitung verur- teilt wird: Einmal bleibe damit für das Wunder, dem reale, wenn auch nicht rational erfaßbare Geltung zukomme, kein Raum mehr. Zum Zweiten aber diskreditiere sich eine solche Forschung durch ihren Anspruch auf die Erklärbarkeit auch sogenannter letzter Fragen, d.h. Probleme, die nach Ansicht der Autoren naturwissenschaftlicher Erkenntnis nicht zugänglich sind, wobei übrigens, - wie später noch q .,,uszuführen sein wird -, sehr unterschiedliche Meinungen darüber bestehen, was zu die-

25) Für die nächsten drei Zitate s. Sterneberg in NuO 25 (1879) 140 u. 27 (1881) 681 f; vgl. ebenso ? in HPB 38 (1856) 683 ff u. 112 (1893) 586; ? in PB1 2 (1873) 27 ff; Pohle in Kath 63 (1883) a, 365; Dressel in StMl, Erg.Heft 22 (1883) 197 ff; u.v.a. 26) Schwartz in NuO 4 (1858) 112 u. ? in Kath 68 (1888) b, 653. -52-

sen für die Forschung undurchdringlichen Fragen zählt. Gerade in die- sem Punkt werden die Stellungnahmen in allen Zeitschriften besonders scharf, denn war es bislang die Religion, die auf diese Fragen eine Antwort zu geben vermochte, so sieht man jetzt die Naturwissenschaft mit einer ganz anderen Lösung an ihre Stelle treten. Indem sie damit "die Grenze ihrer notwendigen Beschränkung überschritten hat", werde sie "gottlos und infolgedessen von selbst feindlich gegen Gott" (HPB). Die mechanische Naturerklärung blähe sich zur mechanischen Welterklä- rung auf, werde zum Religionsersatz: "Die Naturforschung (ist) in un- 27 seren Tagen in ein Götzentum ... ausgeartet" (Nußberg) .

Besondere Bedeutung wird schließlich dem Verhältnis zwischen "moderner" Naturwissenschaft und Philosophie beigemessen. Hier schwankt die Beur- teilung zwischen dem Hinweis, daß die Naturwissenschaft philosophi- schen Fragen ganz entwöhnt und "durch einen entsetzlichen Mangel an 28 Denken" gekennzeichnet sei , und der in späteren Jahren häufiger an- zutreffenden Feststellung, daß dennoch auf ihrer Seite ein philoso- phisches Engagement spürbar werde. Der ohne religiöse Bindung unter- nommene Versuch, der empirischen Erklärung ein tieferes Fundament zu geben, kann allerdings nur zu "mißratenem spekulativem Beiwerk" füh- 29 ren . Daß der Positivismus verurteilt wird, ergibt sich als logische Konsequenz seiner Ablehnung aller Metaphysik. Er ist deshalb als "eine auf die Halb- und Scheinbildung unserer Zeit berechnete Mystifikation" 30 abzutun, die in Materialismus oder Skeptizismus ende . Nahezu das Glei- che gilt aber auch vom erkenntnistheoretischen Standpunkt des Neukan- tianismus. Kant hat nach T.Pesch, der sich ihm ausführlich widmet, ge- rade durch seine nun wieder zu Ehren gekommene Kritik dem Materia-

27) ? in HPB 87 (1881) 487; Nußberg in NuO 23 (1877) 505; vgl. Ber- thold ebda 99; Pachtler in Still 17 (1879) 241; ? in PB1 7 (1878) 93; u.v.a.

28) Micke in NuO 7 (1861) 333; vgl. Wasmann in StMl 37 (1889) 496; u.v.a. 29) Dressel in StMl 26 (1884) 515; vgl. Hettinger in Kath 69 (1889) a, 343; u.v.a. 30) Gruber in Still Erg.Heft 52 (1891) 186; u.a.; positiver Stöckl in Kath 71 (1891) b, 503. -53-

lismus den wesentlichsten Vorschub geleistet und, wenn er auch diesem gegenüber große Antipathie zur Schau getragen habe, so stehe er doch "dem Geiste desselben innerlich näher, als man ahnt" 31 . So kann das, was sich als "Philosophie des modernen Kulturzeitalters" ausgibt, kei- nen Anspruch darauf machen, sich über den herrschenden Materialismus zu erheben. Empirismus, Positivismus, Naturalismus, Materialismus aber auch der Kantianismus verschwimmen ineinander und werden gleicherweise abgelehnt.

Es ist hier nicht im einzelnen der Frage nachzugehen, inwieweit der- artige Beurteilungsnormen tatsächlich auf Kritikwürdiges zielten. Bereits einführend wurde anzudeuten versucht, daß der methodische Po- sitivismus der Forschung vielfach zu einer mechanistisch-materiali- stischen Wirklichkeitsdeutung führte. Die Philosopheme von Büchner und Haeckel, die auf den empirischen Ergebnissen eine materialistische Metaphysik aufbauten, sind auf das Denken der Zeit von großem Ein- fluß gewesen. Zweifelsohne boten sich also den katholischen Autoren Angriffsflächen.

Aber es muß stutzig machen, daß bei dieser ganzen sehr heftig geführ- ten Polemik auf die Grenze, die zwischen der Wissenschaft und ihren Ergebnissen einerseits und den materialistischen Deutungen, die diese Ergebnisse andererseits erfahren können, zwar theoretisch immer erneut und ausdrücklich hingewiesen wird, es in praxi aber nur selten gelingt, beides voneinander zu trennen. Der eigentliche Grund dürfte in dem noch fehlenden oder nur in Ansätzen vorhandenen Verständnis für das auf die Beantwortung metaphysischer Fragen grundsätzlich verzichtende Vorgehen der Naturwissenschaften zu suchen sein, das nur zu oft vor- eilig und verachtungsvoll als Flucht vor Gott oder als Hinauswurf Gottes aus der Natur interpretiert wird. Dabei darf freilich nicht vergessen werden, daß, noch bis in die erste Hälfte des Jahrhunderts hinein, Naturwissenschaft und Naturtheologie bzw. -philosophie in engster Beziehung miteinander standen. Der Bruch, der sich hier in

31) T.Pesch in Sei Erg.Heft 1 (1876) 53 f; vgl. Berthold in NuO 23 (1877) 33 ff. — 54 —

der Zwischenzeit vollzogen hatte, scheint noch nicht in das Bewußtsein vieler dieser Autoren gedrungen zu sein. So trösten sie sich mit dem Hinweis auf die angebliche Kurzlebigkeit der Ergebnisse wissenschaft- licher Forschung, mit der stets angezogenen Betonung ihres Hypothesen- charakters, und 1879 heißt es im Kath:

"Ein großer Teil der Resultate der sogenannten exakten Forschung (ist) mehr Phantasiegebilde als Ergebnis streng logischen Den- kens ... siehe die vielen dürfte, könnte, möchte, würde, die häufigen vielleicht, wahrscheinlich .—.32

Die Hypothesen- und Theorienbildung ist überhaupt ein Punkt, der für viele - keineswegs alle - Autoren Anlaß zu starken Bedenken bietet, besonders dann, wenn sich aus ihr unwillkommene weltanschauliche Schlüsse ziehen lassen. In diesen Fällen legt man Wert darauf, die "wirkliche, exakt wissenschaftliche Arbeit" vor der sie diskredi- tierenden Hypothese in Schutz zu nehmen, denn "die Naturwissenschaft hat es nur mit vorliegenden Objekten, mit der Wirklichkeit zu tun, 33 nicht kann sie sich befassen mit Möglichkeiten" . Die Angst vor un- bequemen weltanschaulichen Folgerungen bildet auch das Motiv dafür, eine Popularisierung naturwissenschaftlicher Theorien strikt abzuleh- nen: "Theorien, wenn sie noch so geistreich sind, gehören nicht unter das Volk ... Das Volk glaubt nur zu oft, was gedruckt ist und weil es gedruckt ist. Seine Religion ist dem Volke das kostbarste und heiligste, das einzige, wodurch ein Volk wahrhaft glücklich sein kann. Wird an diesem Heiligtum ge- röttelt, wird dem Zweifel Tür und Tor geöffnet, so ist es dem Unglücke anheimgefallen"34.

Eine dekuvrierende Aussage, die in ihrer hilflosen Ungeschicklichkeit gewissermaßen als katholische Variation der hinlänglich bekannten These gelten darf, daß Religion Opium für das Volk sei. So läßt sich zusammenfassend sagen, daß sich in der Beurteilung mo-

32) ? in Kath 59 (1879) b, 368; vgl.? in HPB 35 (1855) 274; Sterneberg in NuO 25 (1879) 207: "Gewiß! Ein künftiges Geschlecht wird es kaum für möglich halten mit welch souveränem Selbstgefühl u. mit welcher Unverfrorenheit heutigen Tags Dinge gelehrt u. aufgetischt wurden, die zu jeder anderen Zeit ins Narrenhaus gehören ...". 33) Birkner in NuO 57 (1891) 549; vgl. Fohle in Kath 63 (1883)b,3;u.v.a. -55-

derner Wissenschaft eine Skepsis ausdrückt, eine Verkennung, ja Ver- neinung des offensichtlichen Fortschritts in den Naturwissenschaften, die, in dieser Form vorgetragen, nicht mehr als Kritik an den vorhan- denen Mißständen und Fehlentwicklungen, sondern als falsche Wirklich- keiteinschätzung verstanden werden müssen. Es stellt sich notwendig die Frage, was denn dann unter "wahrer" Wissenschaft zu verstehen ist. bb) Die "gläubige", "wahre" und "vorurteilslose" Wissenschaft

Ober die Art, wie "wahre" Naturwissenschaft betrieben werden, wie wirkliches naturwissenschaftliches Erkennen beschaffen sein müßte, be- steht für alle Autoren im grundsätzlichen Einigkeit. Denn mit der Maxime, daß zwischen Wissen und Glauben materiale Differenzen ausge- schlossen sind, wird auf eine alte Glaubenswahrheit Bezug genommen, auf die das offizielle Lehramt bereits mehrfach hingewiesen hatte und die auf dem Vatikanum I mit den Worten "...nulla...unquam inter fidem et rationem vera dissensio esse potest" (DR 1797) auch eine ausdrück- liche Definition fand. Weiterhin hatte das Konzil, was die Möglichkeit der natürlichen Gotteserkenntnis anging, dogmatisch gelehrt: "Si quis dixerit, Deum unum et verum, creatorem et Dominum nostrum, per ea, quae facta sint, naturali rationis humanae lumine certo cognosci non posse, anethema sit" (DR 1806).

Beide Sätze sind für das katholische Verhältnis zur Naturwissenschaft von entscheidender Bedeutung und bilden den nicht mehr zu diskutierenden Ausgangspunkt der Überlegungen zum angeschnittenen Thema. Darüber hinaus ergeben sich jedoch Nuancierungen, die ganz offensichtlich von dem Grad abhängen, in dem sich der jeweilige Autor mit dem methodischen Vorge- hen der naturwissenschaftlichen Forschung vertraut gemacht hat.

In dieser Beziehung nimmt zunächst Michelis eine gewisse Sonderstel- lung ein, die ihn von den meisten anderen Autoren seiner Zeit trennt. Er vertritt, wie schon angedeutet wurde (s.o.S. 50 ), in sehr zahlrei- chen Beiträgen eine durchaus offene, aufgeschlossene Haltung gegenüber naturwissenschaftlichen Belangen. Das läßt sich speziell an seiner Stel-

34) W.in NuO 39 (1893) 638;vgl. Baumgartner in Still 42 (1892) 123; u.a. -56- lung zur Geologie zeigen, auf deren Charakter als echte Wissenschaft er wiederholt hingewiesen hat. Sie ist ihm "nicht im Interesse des Unglaubens und des Atheismus entstanden, sondern wie die ganze neuere Naturwissenschaft aus einer den Verstand zur Reflexion zwingenden An- schauung". In ihren wesentlichen Grundzügen gilt sie ihm als "fest- stehende Erkenntnis", die allerdings, und das ist wichtig, zur Zeit 35 vom Unglauben ausgebeutet werde . Dementsprechend wird der sonst überall befeindete englische Geologe Lyell als "einer der ausgezeichnet- sten, wo nicht der ausgezeichnetste Geologe der Gegenwart" charakteri- siert, allerdings kritisch angemerkt, er sei seinem Denken nach Materia- list. Und in Lyells deutschem Kollegen Cotta sieht Michelis zwar einen als "entschiedene Autorität dastehenden Fachmann", tadelt aber dessen völlig säkularisiertenStandpunkt, dem die positive Offenbarung schon in 36 nebelgrauer Ferne liege . Michelis fordert immer wieder die volle Aner- kennung des keineswegs zu bestreitenden geologischen Fortschritts" in 37 seiner ganzen Wahrheit" . Er kann das aber nur, weil er es im Unter- schied zu anderen Autoren für möglich hält, diesen Fortschritt ohne weiteres in sein Offenbarungsverständnis zu integrieren und weil er außerdem davon überzeugt ist, daß dieser Fortschritt nicht in der Säku- larisierung der Naturwissenschaften wie bei Cotta und noch weniger im Materialismus wie bei Lyell enden muß, sondern notwendig zu einer • "christlichen" oder später auch "katholisch" genannten Naturwissen- - schaft fuhrt : Aufgabe der "christlichen Naturwissenschaft" ist die Heranbildung einer "idealen Naturauffassung". Sie resultiert nach Michelis aus einem sich in drei Stufen vollziehenden Erkenntnisprozeß. Auch für Comte, den

35) Michelis in NuO 11 (1865) 314 u. 316 36) Michelis in NuO 10 (1864) 571 ff zu Lyell u. 12 (1866) 422 ff zu Cotta 37) Michelis in NuO 8 (1862) 373 38) "Haben wir den Mut zu schaffen, was bisher noch nicht da gewesen ist: eine kathol.Naturwissenschaft!", NuO 13 (1867) 9. Zu dem im folgen- den beschriebenen Erkenntnisprozeß der "christlichen" Naturwissen- schaft s.bes. NuO 1 (1855) 149 ff; u.v.a. -57-

Hauptvertreter des Positivismus, machte naturwissenschaftliches Erken-

nen eine dreistufige Entwicklung durch: Der theologischen Stufe, die die Geschehnisse auf göttlichen Einfluß zurückführt, folgte nach Comte die metaphysische, die mit allgemeinen Wesensbegriffen und Naturkräf- ten arbeitete und schließlich die positive, die sich mit der Beschrei- bung der Tatsachen und ihrer Gesetzmäßigkeit begnügte. Comtes Dreista- diengesetz wird von Michelis variiert und fast umgekehrt angewendet: Für ihn steht auf einer ersten Stufe die "sinnliche Anschauungsweise", die der kindlichen Anschauung gleichzusetzen ist. Ihr folgt die "ver- standesmäßige Anschauung" als Überhöhung der ersten Stufe. Nach ihr geht die exakte Naturwissenschaft vor, denn sie berichtigt die sinn- liche Anschauungsweise, indem sie "die wahren Gründe der Erscheinun- gen und ihre Gesetze" sucht und sich dabei nicht von außerwissenschaft- lichen Erwägungen (!) stören läßt. Allerdings darf sie nicht zum End- zweck werden, denn dann wäre der Materialismus die Folge. Sie besitzt vielmehr nur eine vorbereitende Funktion für die "ideale Auffassung" als höchste Stufe. Diese gebraucht das auf der zweiten Stufe erarbei- tete empirische Material, um es in einen "höheren Zusammenhang", in dem die Natur im Lichte der göttlichen Idee erscheint, hineinzustellen. Dabei leistet das "richtige" - auf keinen Fall anthropomorphistische - Verständnis der Genesis eine wesentliche Hilfe. Die Natur entpuppt sich so als göttliches Kunstwerk, das sich dem "verständigen" Betrachter erst mit Hilfe der Genesis voll erschließt. Da die sich aus der Gene- sis ergebenden leitenden Gesichtspunkte sehr allgemein gefaßt sind , kann das bisher durch die exakten Wissenschaften und hier vor allem durch die Geologie erarbeitete empirische Material fast in aller Breite aner- kannt werden. Gerade in dieser umfassenden Anerkennung der empirischen Wissenschaften hat sich schon Michelis selbst in vollem Gegensatze zur zeitgenössischen katholischen Apologetik gesehen. Seine Beiträge in NuO sind reichlich gefüllt mit heftiger Polemik nicht gegen die Natur- wissenschaften, sondern gegen das Fehlverhalten der Theologie, die sich hinsichtlich der Erkenntnisfortschritte der Naturwissenschaften "seit

39) Vgl. dazu unten S.108 f. -58- 40 langem ... in einem schwabbelichten Moraste unklaren Denkens" befinde . Weil sie es versäumt habe, sich rechtzeitig auf diesen Erkenntnisfort-

schritt einzustellen, bleibe ihr jetzt nichts übrig, als sich an die scheinbare Unhaltbarkeit z.B. geologischer Ergebnisse anzuklammern und ihnen gegenüber auf die absolute Allmacht Gottes zu verweisen. Damit rei- che man zwar immer aus, trage aber der Wissenschaft und damit den realen 41 Verhältnissen keine Rechnung mehr . Auf eine sehr scharfe Ablehnung stößt in diesem Zusammenhang auch die gerade aufblühende Neuscholastik, deren "phantasierende Naturphilosophie" den Gegenwartsbedürfnissen eben- 42 sowenig genügen könne "wie die mittelalterliche Politik" . Unmittelbares Ergebnis solch kritischer Musterung des eigenen Lagers ist das oft wie- derholte Postulat, alle Theologen sollten Naturwissenschaft studieren und möglichst auch einen Zweig selbständig betreiben, denn: "Es bleibt Geschwätz, was wir vorbringen und wenns auch noch so verständig und geistreich ist: Glaubt es nur für gewiß, der Teufel und die Materialisten und vor allem die materia- listischen Professoren fürchten heute zu Tage nichts so sehr, als einen Theologen, der etwas von Naturwissenschaft weiß"43. An dieser Stelle der Michelisschen Konzeption erweist sich freilich die nur relative Bedeutung, die sowohl seiner Kritik am theologischen Fehlverhalten wie auch seinem zunächst so fortschrittlich scheinenden Verständnis für die exakten Wissenschaften zukommt. Seine an die Theologen gerichtete Aufforderung, Naturwissenschaften zu studieren, muß einen sehr zwiespältigen Eindruck erwecken, wenn man berücksich- tigt, daß der auf diese Weise anzustrebende Einblick in naturwissen- schaftliche Erkenntnisse für Michelis ja lediglich ein Durchgangs- stadium bildet, auf dem dann erst die "ideale Auffassung" als "katho- lische Naturwissenschaft" aufzubauen hat. Auf dem Umweg über eine verhältnismäßig weitgehende Anerkennung naturwissenschaftlicher Resul- tate wird somit versucht, ein naturphilosophisches, besser: naturtheo-

40) Michelis in NuO 8 (1862) 371 41) Michelis in NuO 12 (1866) 423; u.a. 42) Michelis in NuO 13 (1867) 3 f u. 8 (1862) 375; u.v.a. 43) Michelis in NuO 8 (1862) 475, vgl. 6 (1860) 9 f. -59- logisches Gebäude zu errichten, das in seiner ganzen Art als Ausläufer der zu dieser Zeit in der exakten Naturwissenschaft schon verfemten Naturphilosophie der ersten Hälfte des Jahrhunderts anzusehen ist. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung überschreiten, tiefer auf die höchst eigentümlichen und schon sprachlich oft schwer verständlichen Konstruktionen der Michelisschen Philosophie einzugehen. Wichtiger erscheint die Feststellung, daß bis zu seinem 1869 erfolgenden Aus- scheiden aus der Redaktion von NuO die Spalten dieser Zeitschrift von° seiner Naturphilosophie nahezu durchtränkt sind, so daß gerade der naturwissenschaftlich interessierte katholische Leser mit Auffassun- gen konfrontiert wurde, die - bei aller Anerkennung etwa des geologi- schen Fortschritts - von den Vertretern der exakten Forschung selbst wohl nur noch belächelt worden sind.

Dieses Lächeln dürfte allerdings nicht nur Michelis selbst gegolten haben. Auch sonst werden in NuO Anschauungen vertreten, für die sich in anderen Zeitschriften nicht in dieser Häufigkeit Parallelen heran- ziehen lassen. Es kommt dort eine Gruppe von Theologen und Laien zu Wort, deren Denken sich ebenfalls noch ganz im Rahmen der Naturtheolo- gie früherer Zeiten bewegt, ohne daß es ihnen aber wie Michelis ge- lingt, neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wenigstens zum Teil gerecht zu werden. Ist die sichtbare Schöpfung das Werk Gottes und vermag der Mensch durch die natürlichen Dinge mit Hilfe der Ver- nunft Gott zu erkennen, dann kann Naturforschung in einer sehr unmit- telbaren Weise als Gottesdienst aufgefaßt werden. Die Naturforscher erholten dabei eine quasi priesterliche Funktion. Sie sind "von Gott auserlesene Menschen ... welche die Bestimmung haben, die Allmacht des Schöpfers zu verkünden", und das Naturstudium selbst ist "seinem tiefsten Wesen gemäß eine fortgesetzte Apologie und Bestätigung der 44 christlichen Weltanschauung" . Die hier sichtbar werdende enge Kommu-

44) H. in NuO 4 (1858) 532 (1.Zitat) u.Pohle in Kath 63 (1883) a, 373 (2.Zitat); vgl. Berthold in NuO 23 (1877) 558 ff; u.v.a. - 60 -

nikation zwischen Theologie und Naturwissenschaft unterscheidet sich jedoch von der Michelisschen Konzeption durch die grundsätzliche Ab2 weisung aller mit dem eigenen Glaubensverständnis nicht zu vereinba- renden Theorien und Fakten. A priori fällt der durch die Theologie in- terpretierten Offenbarung die führende Rolle zu. Denn menschliche Forschung ist nur höchst unvollkommen imstande, die Natur, die als das sichtbare Zeichen und letztlich unausschöpfliche Geheimnis der All- macht und Herrlichkeit Gottes verstanden wird, zu entschlüsseln. Mit

dem rund 100 Jahre früher lebenden Naturdichter Albrecht von Haller darf daher gesagt werden: "Ins Innre der Natur dringt kein erschaff- ner Geist", ein gern verwandtes Zitat, das noch in den 80er Jahren mit der Abwandlung wiederkehrt: "...selbst der größte Gelehrte vermag nicht 45 den kleinsten Grashalm zu erklären" . Da alles rein menschliche Wissen mangelhaft, unvollkommen und für die Wahrheitserkenntnis ungenügend ist, die Theologie sich aber bereits im sicheren Besitz der geoffenbarten Wahrheiten weiß, kann sie dem Na- turwissenschaftler sein methodisches Vorgehen zudiktieren: "Für den christlichen Naturforscher ist die Schöpfung der Ausgangspunkt", sein alleiniges Bestreben hat es zu sein, "die großen geoffenbarten Wahrhei- ten in ihren Verzweigungen durch das gesamte Gebiet aller äußeren Er- 46 - scheinungen zu verfolgen" . Für davon eventuell abweichende Ergebnisse darf der gläubige Forscher keine absolute Gewißheit beanspruchen, ja er hat nicht einmal das Recht, hier weitere empirische Untersuchungen für seine eigene Urteilsfindung abzuwarten. "Die Wahrheit als solche ist ihm schon durch höhere Prinzipien verbürgt". Stößt er infolgedessen "auf etwas, das der Offenbarung widerspricht (so wird er) ungefähr die Gedanken haben, wie ein verständiger Schüler, der eine schwere Rechnung machen soll, dem aber der Meister das Resultat gesagt hat ... (er denkt), er habe sich irgendwo verrechnet und sucht den Fehler zu entdecken"47.

45) Reinhard in NuO 28 (1882) 137

46) Resch in NuO 21 (1875) 7 (1.Zitat) u.? in HPB 87 (1881) 480 (2.Zitat) 47) Nußberg in NuO 23 (1877) 571 (1.Zitat) u.? in Kath 45 (1865) b,415 (2. Zitat); vgl. typisch auch Handmann in NuO 22 (1876) 549; u.v.a. -61 -

Ganz entsprechend sind die Empfehlungen, die dem Laien mit auf den Weg

gegeben werden. Da es "gegen die fortwährend anwachsende Legion der Spezialgelehrten ... niemand mehr gelingen (wird), den Kampf der Ar- gumente aufzunehmen", hat sich der Katholik "auf das unantastbare Ge- biet des Glaubens zurückzuziehen", wobei er ipso fa gto weiß, daß ein der kirchlichen Glaubenslehre "direkt widerstreitendes wissenschaftli- ches Ergebnis ... unwahr sein müsse, mag er sich auch außerstande fühlen, es logisch oder dialektisch zu bestreiten"48. Die angeführten Beispiele genügen, um zu. zeigen, wie eng der Raum ist, den diese Autorengruppe der Entfaltung der Naturwissenschaften zur Verfügung zu stellen bereit ist. Es kann daher nicht wundernehmen, wenn auch in den 90er Jahren noch Überlegungen angestellt werden, die gesamten Naturwissenschaften wieder wie in alter Zeit als Teil der Philosophie zu betrachten, nicht nur weil "manche Mängel naturwissen- schaftlicher Beweise philosophisch geschulten Theologen sofort in die Augen springen" (Granderath), sondern auch, weil auf diese Weise der stets notwendig zu vollziehende Schluß auf den Schöpfer zum selbst- verständlichen Instrumentarium auch und gerade des Naturwissenschaft- - 49 lers gehören wurde .

So wird die von dieser Gruppe postulierte "wahre" Naturwissenschaft zu einer von der Theologie reglementierten Hilfsdisziplin mit der speziellen Aufgabe, die von den Theologen mit dem Anspruch auf Authen- tizität ausgelegte Offenbarung a posteriori zu bestätigen. Daß dabei das, was nun kirchliche Glaubenslehre sein soll, bei den einzelnen Au- toren eine durchaus unterschiedliche Interpretation erfahren kann, wird nicht überraschen. Wie die im nächsten Kapitel folgende Einzel- untersuchung zu beweisen haben wird, ist es vielfach nur .das sehr per- sänliche, eigene Verständnis von Offenbarung und Glaube, das sich be-

48) ? in HPB 87 (1881) 477 f. 49) Westermaier in NuO 44 (1898) 1 ff u.Granderath in Seil 41 (1891) 95 -62-

rechtigt fühlt, im Namen der kirchlichen Glaubenslehre Einsprüche ge- gen naturwissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse anzumelden. Der Naturwissenschaft wird im Grunde kein autonomer Bereich zugestanden. Das Urteil über den Sicherheitsgrad ihrer Thesen, soweit sie für die Theologie relevant erscheinen, liegt in letzter Instanz bei den Theo- logen. Sie entscheiden, was richtig und was falsch ist, und greifen da- bei vielfach mit dem Anspruch auf Sachverstand auch dort in die natur- wissenschaftliche Diskussion ein, wo er schon auf Grund der Vorbildung gar nicht vorhanden sein konnte. Das wird im einzelnen ebenfalls noch zu demonstrieren sein. Bezeichnend ist es schließlich für diese Gruppe von Autoren, daß nur die naturwissenschaftliche Methode und Argumentation auf Kritik stoßen, dagegen Zweifel an der eigenen theologischen Methode und am eigenen Offenbarungsverständnis, das mit dem traditionellen Weltbild der Bibel gleichgesetzt wird, höchst seiten auftauchen. Michelis ist in diesem Zeitraum der einzige gewesen, der auch an der Theologie massive Kritik geübt hat. Was sich sonst in dieser Hinsicht finden läßt, trägt den 50 Charakter sporadischer Äußerungen .

Nun darf allerdings nicht überseben werden, daß, im Unterschied zu der eben skizzierten Gruppe, das Gros der Autoren sich in seinen Stellung- nahmen zu den Beziehungen zwischen Naturwissenschaft und Religion sehr viel zurückhaltender äußert. Zumindest theoretisch wird von ihnen der Naturwissenschaft, bzw. der mechanischen Naturerklärung das Recht auf freie, von der Theologie unbeeinflußten Entfaltung "in ihrem eigenen Gebiet" zugestanden. Auch der Wert naturwissenschaftlicher Hypothesen - und Theorienbildung kann von einzelnen hervorgehoben werden, denn, so meint der Münsteraner Philosoph Georg von Hertling im Hinblick auf die Deszendenztheorie, "was würde aus unseren Wissenschaften werden ... wollte man aus ihnen alles verweisen, was nicht direkter Erfahrung 51 verdankt wird" . Stets zu berücksichtigen bleibe jedoch, daß die me-

50) ? in NuO 6 (1860) 143; Lorscheid in NuO 17 (1871) 246; Braun in NuO 28 (1882) 434 ff. 51) Hertling in Kath 54 (1874) a, 317; vgl.G. in HPB 92 (1883) 82; u.a. -63-

chanisch-analytische Methode der Forschung nur einen halben Erkenrt- nisgewinn mit sich bringe, denn wirkliches Wissen sei richt einfache Erkenntnis irgendeines Objektes, sondern "geistiges Durchdringen", d.h. "Erkennen der Dinge in ihrer ursächlichen Verkettung" 52 . Neben der Frage nach dem Wie gälten ebenso die Fragen nach dem Woher, Wozu und Warum, also die sogenannten "letzten Fragen" als legi- time Anliegen des menschlichen Erkenntnisdranges. Beim Versuch, sie zu lösen, stoße die mechanische Kausalanalyse an ihre Grenzen. Ober die Grenzen naturwissenschaftlichen Erkennens hatte sich bereits 1860 auf der Karlsruher Naturforscherversammlung der Chemiker Erdmann verbreitet. Seine Rede wurde von NuO sofort in großen Teilen wiederge- geben, denn hier bekannte ein nichtkatholischer Forscher vor einem Forum von Fachleuten, daß die Naturwissenschaft keine Antwort auf die Fragen nach dem Ursprung der Materie, nach dem Beginn der Bewegung und nach dem Ursprung der organischen Welt geben könne und daß für die Erklärung dieser Erkenntnislücken die Religion zuständig sei 53 . Die eigentliche und sehr ausführliche betriebene Diskussion um die Grenz- fragen aber ergab sich erst, als 12 Jahre später der Berliner Physio- loge Emil Dubois-Reymond dieses Thema erneut auf einer Naturforscher- 54 versammlung anschnitt . Einleitend definierte er Naturerkennen als "die Auflösung der Naturvorgänge in die Mechanik der Atome" und stellte dann das Wesen von Materie und Kraft und die Herleitung geistiger Vor- gänge aus materiellen Bedingungen als die beiden Grenzen hin, innerhalb deren das Naturerkennen "ewig eingeschlossen" sei (S.45). Gegenüber diesen beiden Rätseln könne der Naturforscher nicht nur ein Ignoramus

52) Dressel in S1M1 Erg.Heft 22 (1883) 196 u.H. in NuO 31 (1885) 568, 690 f; u.v.a: 53) Erdmann in NuO 6 (1860) 97 ff. 54) Dubois-Reymond, Ober die Grenzen ... aa0. In einem Berliner Akademie- vortrag, Die 7 Welträtsel, 1880, präzisierte D. seine Auffassung noch einmal: Als transzendent bezeichnete er das Wesen von Materie und Kraft, die Ursprünge der Bewegung u.der einfachen Sinnesempfindung sowie die Willensfreiheit; als nicht transzendent, d.h. als irgend- wann lösbare Probleme die erste Entstehung des Lebens, die an- scheinende Zweckmäßigkeit der Natur und die Entstehung des vernünf- tigen Denkens samt der damit eng verbundenen Sprache. - 64 -

aussprechen, sondern er müsse "ein für allemal zu dem viel schwerer abzugebenden Wahrspruch sich entschließen: Ignorabimus" (S.51). Das Ignoramus, mehr noch das Ignorabimus von so kompetenter Seite aus- gesprochen, taucht von nun an immer wieder als apologetischer Schlacht- ruf in allen katholischen Blättern auf, wobei es allerdings zu unter- schiedlichen Deutungen kommt: Daß Dubois überhaupt Grenzen aufweist, wird, obwohl man sie überall auf katholischer Seite als unzureichend 55 empfindet , von einigen Autoren dankbar begrüßt. Dubois erweise sich damit als "ehrlicher" Vertreter der "modernen" Wissenschaft und lege, wenn auch widerwillig, ein Zeugnis für die christliche Weltanschauung ab, die für alle nicht erklärbaren natürlichen Erscheinungen eine im- 56 materielle Ursache voraussetze . Hingegen vermissen andere Stellung- nahmen gerade dieses Zeugnis und stempeln Dubois wegen seines prinzi- piellen Festhaltens an der mechanischen Naturerklärung als der einzi- gen Erkenntnismöglichkeit als "Materialist" oder auch "Nihilist" ab. In diesem Sinnen kann dann sein "Geständnis" nur als "Bankrotterklä- rung des Materialismus", als "Totenklage" eines falschen Wissensbe- 57 griffs verstanden werden . Denn für "wahres" naturwissenschaftliches Erkennen gibt es keine unlösbaren Rätsel. An den Grenzen des empiri- schen Wissens angelangt, muß das Feld der Naturphilosophie überlassen 58 werden, die "Schlüssel rationaler Naturerkenntnis" sein kann . Die christliche Naturphilosophie vermag im Gegensatz zum "geistlosen Ma- terialismus" die einzige befriedigende Antwort zu geben. "Wahre" Wissen- schaft wird demnach dann verwirklicht, wenn zwei Postulate eingehalten werden:

55) Dazu bes. ausführlich Hertling in Kath 53 (1873) a, 385 ff. 56) Schlüter in NuO 21 (1875) 42 ff; ? in PBI 7 (1878) 93 f; ? in HPB 89 (1882) 840 ff; u.a. 57) T.Pesch in Seil 8 (1875) 489 f; Langhorst in StMl 21 (1881) 473 ff; Stöckl in Kath 71 (1891) b, 481 ff; u.v.a. 58) Micke in NuO 7 (1881) 379 -65-

1) Anerkennung der Grenzen der mechanischen Methode. 2) Anerkennung der Berechtigung der christlichen Naturphilosophie, die an diesen Grenzen als "übersinnliche Wissenschaft" 59 einzu- setzen hat. Was das zweite Postulat angeht, so ist damit nicht die ältere Natur- philosophie gemeint, wie sie etwa noch von Michelis vertreten wurde. Im Gegensatz zu ihr wissen sich die Autoren aller Zeitschriften im Be- sitze der "gesunden" Philosophie des Hl.Thomas: "Nur das scholastische System (ist) imstande, auf die vielen ungelösten Fragen, welche die moderne Naturforschung formuliert hat, die genügende Antwort zu geben"60.

Noch auf der Münchener Versammlung katholischer Gelehrter von 1863 war die gerade aufblühende Neuscholastik heftig umstritten gewesen. Sieht man von der schon erwähnten Michelisschen Polemik gegen sie ab, so haben diese Diskussionen keinen Niederschlag mehr in den hier unter- suchten naturwissenschaftlichen Beiträgen gefunden: Als Leo XIII mit der Enzyklika Aeterni Patris 1879 die "goldene Weisheit" des Aquina- ten zur offiziellen Kirchenphilosophie erhob, war das bereits der Schlußstrich unter eine Jahre zuvor einsetzende Entwicklung. Der Neu- thomismus ist der gültige Maßstab, an dem alle Autoren dieser Zeit die Theorien und Ergebnisse der Naturwissenschaft messen. Erst mit der Jahrhundertwende wird verschiedentlich Kritik an der scholastischen Naturphilosophie laut. Doch damit sind zugleich auch anderweitige Ver- änderungen im katholischen Verhältnis zur Naturwissenschaft verbunden.

2) Von der Jahrhundertwende bis 1914: Unterscheidung zwischen Natur- wissenschaft und Materialismus a) Die zweite Phase im Kampf gegen den Vulgärmaterialismus

Einige Jahre vor der Jahrhundertwende ist in katholischen Zeitschrif- ten die Meinung allgemein verbreitet, daß der platte Materialismus eines Vogt, Büchner und Haeckels endgültig überwunden sei. Als augen- fällige Beweise werden in dieser Hinsicht etwa das Eingehen der dar -

59) D. in NuO 27 (1881) 379 60) T.Pesch in StMI 12 (1877) 78 - 66 - winistisch-materialistischen Zeitschrift Kosmos (1888) oder die allmählich sinkenden Auflageziffern von Büchners Kraft und Stoff u.a. sorgfältig registriert. Mit Genugtuung wird vermerkt, daß die Naturwissenschaftler selbst für eine schärfere Trennung zwischen em- pirischer Wissenschaft und Weltanschauung sorgen. Als eigentlich ent- scheidender Vorgang aber wird die zunehmende naturwissenschaftliche Kritik am Kernstück der mechanistischen Naturerklärung, an der Selek- tionstheorie, empfunden, wie sie seit den 80er Jahren, von verschiede- nen Seiten aus betrieben, stärker in den Vordergrund tritt. Hier ist es namentlich der von anerkannten Naturwissenschaftlern wie Driesch und Reinke vertretene Neovitalismus, der mit seiner Forderung nach einer teleologischen Ganzheits- und Sinnbetrachtung von katholischer Seite, - wie später noch eingehend gezeigt werden soll -, als Zersti- rung des seelenlosen Materialismus und als endlich erfolgte Annäherung an die eigene naturphilosophische Position gefeiert wird. Wenn man frei- lich glaubte, daß mit der als endgültig interpretierten Oberwindung des Mechanismus in der Biologie auch schon die Oberwindung des materiali- stischen Monismus in der Weltanschauung erreicht sei, so sah man sich darin schon sehr bald getäuscht. Als Haeckel am 9.0ktober 1892 vor Naturforschern in Altenburg eine. Rede über den "Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft" hielt, markierte sie den Beginn seiner erneuten Aktivität zugunsten des Materialismus als Weltanschauung. Sie erreichte in ihren Auswir- kungen allerdings kaum noch die Naturwissenschaftler, umso stärker aber die breiten Massen, für die die 1899 erschienenen Welträtsel gedacht waren, von deren buchhändlerischem Erfolg bereits in der Ein- führung gesprochen wurde. Wie schon gesagt, waren es keineswegs neue Gedanken, die hier entwickelt wurden. Haeckel selbst betonte im Vor- wort (S.V.), daß er nur das wiederhole, was er schon vor über 30 Jah- ren vertreten habe. Aber die populäre Schreibweise, die stete Berufung auf die Naturwissenschaften, die dogmatische Selbstsicherheit, mit der Haeckel seine Lehren vertrat, und nicht zuletzt eine antikirchliche 61 Polemik, die auch vor Verbalinjurien nicht zurückscheute , sprach -67- die zeitgenössische Generation an und sicherte der darwinistisch-ma- terialistischen Lösung der Welträtsel ihren Erfolg. Stärker als bis- her bot sich der Materialismus-Monismus als Religionsersatz an.

Natürlich sind die katholischen Zeitschriften von dieser Entwicklung nicht unberührt geblieben. Schon die Altenburger Rede findet höchst polemische Rezensionen: Gruber in Kath begrüßt Haeckel ironisch als den Stifter einer neuen "Konfession" und kommt zu dem Urteil, Haeckel scheine sich "immer mehr in der Rolle eines naturwissenschaftlichen

Hanswurst zu gefallen". In NuO wirft Wasmann dem "Apostel des Monismus" vor, sein realistischer Monismus sei "Egoismus und Atheismus im höch- sten und stärksten Grade" 62 . Eingehend beschäftigen sich die Rezensen- ten damit, Haeckels naturwissenschaftliche Grundlagen als falsch zu ent- larven und ihn auf jede Weise unglaubwürdig zu machen, wobei natürlich nicht der Hinweis auf den von His entlarvten Fälscher Haeckel fehlen darf. Die Polemik gegen Haeckel schwillt in den folgenden Jahren an.

Ein Sturm der Entrüstung aber bricht in allen Zeitschriften mit der

Veröffentlichtung der Welträtsel los 63 . Dabei hat dieses Werk in kei- ner der hier untersuchten Zeitschriften eine eigentliche Rezension er- fahren. In den Stimmen erklärt Wasmann, man wolle das Buch nicht be- sprechen, weil man es damit nur noch bekannter mache, seinem Verfasser zu viel Ehre antue und sich dem Vorwurf aussetze, "zu weit auf das 64 niedrige Niveau des Gegners herabgestiegen zu sein" . Diese sich

überlegen gebende Haltung hat allerdings gerade die Stimmen, aber

61) So hieß es z.B. S.374: "Wenn man die lange Reihe der Päpste u.d. römischen Kirchenfürsten ... mustert, ergibt sich klar, daß die große Mehrzahl derselben schamlose Gaukler und Betrüger waren, viele von ihnen nichtswürdige Verbrecher"; vgl.auch S.12. 28. 363 u.v.a.

62) Gruber in Kath 73 (1893) a, 350 ff (Zitat 357); Wasmann in NuO 39 (1893) 357 ff; vgl. ? in StMI 48 (1895) 575 ff; u.a.

63) Zwischen 1899 und 1910 in allen Zeitschriften mit Ausnahme von JNW kein Jahrgang, in dem Haeckel und seine Lehren nicht mindestens einmal mehr oder weniger ausführlich thematisch würden.

64) Wasmann in Seil 60 (1901) 429 -68-

auch die übrigen Zeitschriften, nicht daran gehindert, in dem nun fol- genden Jahrzehnt alles, was von den verschiedensten Seiten aus an ab- fälligen Urteilen über Haeckel geäußert wurde, vor den katholischen Lesern auszubreiten und eineKampagne gegen Haeckel zu entfachen, die an Intensität die 30 Jahre früher geführte bei weitem übertrifft. Der Kampf gegen Haeckel und seine Weltanschauung wird damit zu einem nicht unwesentlichen Programmpunkt fast aller Zeitschriften. Als sein eigentlicher Initiator darf Wasmann gelten, der mit den Seil über ein weithin gehörtes Sprachrohr verfügt. Er gerät mit Haeckel auch schon bald in eine persönliche Kontroverse.

Den ersten Anlaß dazu bot Haeckel, der bei Vorträgen, die er 1905 in Berlin hielt, den Standpunkt Wasmanns in der Entwicklungsfrage als "kirchliche Abstammungslehre" diskreditierte und lächerlich machte. Wasmann wehrte sich gegen Haeckels "Unterstellung" mit einem offenen, polemisch abgefaßten Brief an die Berliner Germania und die Kölni- 65 sche Volkszeitung . Wenig später erhielt er selbst eine Einladung, ebenfalls in Berlin Vorträge zu halten. Ein Komitee, dem bekannte Berliner Gelehrte, darunter der Haeckel-Anhänger Prof.Plate, beitraten, übernahm die Vorbereitung für drei Vorträge, die Wasmann im Februar 1907 vor über 1000 Zuhörern hielt.

Wasmann entwickelte hier im Wesentlichen die Anschauungen, die er be- reits 5 Jahre früher in einer großen Aufsatzreihe in den Stimmen nie- 66 dergelegt hatte . An die Vorträge schloß sich an einem weiteren Abend eine "Diskussion" vor "mindestens 2000 Menschen" (Plate S.52) an, in der 10 Opponenten Wasmanns zu Wort kamen. Vorträge wie Diskussion er- 67 regten beträchtliches Aufsehen . Weit über den katholischen Raum hin-

65) Abdruck des Briefes und Vorgeschichte bei Wasmann, Moderne Biolo- gie aa0. 66) s. dazu unten S.134 f u.S.159 f dieser Untersuchung. 67) Bereits im Juli 1907 betrug die Zahl der daran anknüpfenden Presse- artikel über 500 nach Wasmann, Kampf ... aa0. 150, Anm.1. Der Dis- kussionsverlauf, bei dem sich Wasmann dupiert fühlte, weil ihm nur das Schlußwort zugesprochen wurde, gab noch Anlaß zu einer heftigen Kontroverse zwischen ihm und Plate: vgl. Wasmann, Kampf...aa0. und - 69 - aus wurde Wasmann jetzt als der auf katholischer Seite wichtigste Geg- ner Haeckels und seiner Weltanschauung bekannt. Sachlich ergab das "Ber- liner Ereignis" nichts Neues. Beide Seiten hatten einmal mehr die Un- versähnlichkeit der beiderseitigen Standpunkte demonstriert, und beide Seiten warfen sich später vor, die naturwissenschaftlich gedachte Aus- einandersetzung auf das Gebiet der religiösen Polemik übertragen zu haben. Das Echo in den katholischen Zeitschriften lief zumeist auf volle An- erkennung Wasmanns heraus, der ein "schönes Beispiel" dafür gegeben habe, "daß moderne Wissenschaft und christliche Weltanschauung sehr 68 wohl vereinbar sind" . Da3 solche Harmonie nicht für jedermann ein- leuchtend sein mußte und daß es Wasmann nicht nur um naturwissenschaft- liche Belange zu tun war, wird allerdings von Margreth in Kath indirekt zugegeben: "Wasmann hat nichts anderes getan als der Naturforscher Haeckel in den Welträtseln auf seine Weise versucht. Wenn Haecke169 Naturforscher blieb, wird es auch Wasmann noch sein dürfen" .

Kritischer noch äußert sich Hochl, das originellerweise einen Prote- stanten mit der Berichterstattung beauftragt hatte: Bei allem grund- sätzlichen Einverständnis in der naturwissenschaftlichen Bewertung der Entwicklungsprobleme sei doch zu tadeln, daß Wasmanns Darstellung "so manches Mal die scharfe Scheidungslinie für theolog. und naturwiss. Erkenntnis vermissen läßt... Diese für Berlin etwas unvorsichtigen und allzu häufigen Entgleisungen ins Theologische ... sie waren nicht am 70 Platze" . Wenn Plate, der freilich als Monist mit dem gleichen Makel

... Plate, Ultramontane Weltanschauung aa0.; s.a. die selbständig er- schienenen Schriften von Wohlgemuth (1907), Burdinski (1907) u.Dahl (1908) zum gleichen Thema. 68) Stölzle in HPB 141 (1908) 554 ff (Zitat 554); vgl. Breitung in StM1 75 (1908) 13 ff; Kathariner in NuO 53 (1907) 765 f u. Handmann in NuO 54 (1908) 52; Preysing in NuK 5 (1907 f) 641 ff. 69) Margreth in Kath 88 (1908) a, 76. 70) Klein in Hochl 4 (1907) b, 87, der Wasmann im übrigen als "liebens- würdigen, nicht bedeutend wirkenden Mann", mit einem Wort als "Dorfkaplan" den Lesern vorstellt. Mit dem gleichen Vorwurf auch Ettlinger in Hochl 5 (1908) a, 230. -70-

behaftet war, als Hauptgegner Wosmanns in der Diskussion diesen als "Doppelnatur" charakterisiert hatte, in dem "eine merkwürdige Mischung 71 von einem Naturforscher und einem Theologen gegeben" sei , so erhielt er wenigstens von Hochl. für diese Feststellung noch im Nachhinein ein Placet.

Der Kampf zwischen materialistischer und katholischer Weltanschauung,

zwischen Haeckel und Wasmann entfaltete sich zu voller Schärfe, als Wasmann zwei Jahre nach dem Berliner Ereignis auch in die Kontroverse zwischen dem Zoologen Braß und Haeckel eingreift. Braß hatte die 30 Jahre früher gegen Haeckel erhobenen Fälschungsvorwürfe erneut aufge- griffen und ihre Aktualität an Haeckels neuerem Schrifttum nachzuwei- sen gesucht. Mit einer längeren Abhandlung in den Stimmen kommt Was- 72 - mann Braß zu Hilfe , bestätigt nur vollinhaltlich dessen An- schuldigungen, sondern sucht Braß noch durch den Nachweis weiterer "Fälschungen" und Ungenauigkeiten Haeckels zu übertrumpfen. Seine An- klage gipfelt in dem Vorwurf, Haeckel habe nicht nur Tatsachen, - son- dern auch "Ideenfälschung" betrieben, indem er behaupte, Linn6 habe den Menschen schon in demselben Sinne zu den Primaten gerechnet, wie

er - Haeckel - selbst. Haeckel, so beschließt Wasmann seine Vorwürfe, "ist kein ernster Forscher mehr, der es aufrichtig mit der Wahrheit meint" (437). Das Vorgehen von Braß, hinter dem der evangelische Kep- 73 lerbund stand , und Wasmann löste neue publizistische Wogen aus. In der deutschen Professorenschaft kam es zu Resolutionen pro und contra Haeckel. Hier interessiert allein die Reaktion des katholischen 74 Lagers : Zweifellos wird man ihm die echte Sorge um eine wissenschaft-

71) Plate aa0. 54. 72) Wasmann in Seil 76 (1909) 169 ff. 73) Vgl. dazu unten S. 74 f 74) Ober die beiderseitigen Standpunkte unterrichten Teudt aa0. und Schmidt aa0. Haeckel selbst konterte reichlich spät mit der Bro- schüre Sandanon.- 1 0a). in seiner gewohnt polemischen Art. Ein Eingehen auf die Angriffe Wasmanns, den er als "kenntnisreichen Entomologen" mit "ausgedehntem zoologischem Wissen" charakteri- sierte, hielt er für "nutzlos, denn mit der aalglatten, schlangen- - 71 - lich tadellose Methode gerade auf dem Gebiet der umstrittenen Abstam- mungslehre nicht abstreiten können. Aber die seit Jahren gegen Haeckel geführte Diffamierungskampagne, die kein einziges gutes Haar mehr an ihm ließ, ebenso wie die offensichtliche Genugtuung, mit der man nun diese Affaire als günstige Gelegenheit aufgreift, um Haeckel ein für allemal als Wissenschaftler zu disqualifizieren, bezeugen doch, daß neben der Sorge um die wissenschaftliche Objektivität, gleich groß der Wunsch steht, den verhaßten Vertreter einer bekämpften Weltanschau- ung mundtot zu machen. Auch hier verdient die Haltung von Hochl beson- ders hervorgehoben zu werden: Diese Zeitschrift weist als einzige dar- auf hin, daß auch dem Ankläger Braß fehlerhafte Abbildungen in seinem

Schrifttum vorgeworfen würden 75 . Fernerhin sei zwar die "eklatante

Niederlage" Haeckels in dieser Angelegenheit offenkundig, doch blieben davon "seine Verdienste als Zoolog und Mitbegründer der Deszendenz- 76 theorie" unberührt . Diese Stellungnahme darf als geradezu revolutionär bezeichnet werden, wird doch damit zum erstenmal seit Haeckels erster

Erwähnung in den katholischen Zeitschriften im Jahre 1869 auch ein aner- kennendes Urteil über ihn gefällt. Als Haeckel zwei Jahre später seinen

80.Geburtstag feiert, benutzen auch NuK und Sch die Gelegenheit, das bisherige katholische Haeckelbild zu revidieren und bringen sachliche

Würdigungen, in denen die fachwissenschaftlichen Leistungen Haeckels ausdrücklich anerkannt und von seinem "allerdings verderblichen welt- 77 anschaulichen Wirken" abgehoben werden . Die Stimmen dagegen haben

... ähnlich sich windenden Sophistik der Jesuiten wird ein ehrlicher Wahrheitsforscher niemals fertig ..." (S.14).

75) Ettlinger in Hochl 6 (1909) b, 116; für die kritische Haltung ge- genüber Braß s. schon Merker in Hochl 4 (1907) b, 252.

76) Ettlinger in Hochl 8 (1911) a, 643; vgl. zurückhaltender in Hochl 9 (1912) b, 742.

77) Thöne in SchG 2 (1914) 70 f: "Rein als Zoologe hat er unzweifelhaft viel geleistet ... Wollte man von seinen rein fachwissenschaftlichen Leistungen absehen, dann müßte man die zoologische Wissenschaft um ein Menschenalter zurückschrauben. Leider wird in kathol. Blättern dies fast immer totgeschwiegen"; vgl. ähnlich Hoh in NuK 11 (1913 f) 289 ff. -72— sich auch zu dieser Zeit noch nicht zu derart differenziertem Urteil entschließen können. Hier überdauert der unversöhnliche Kampf gegen

Haeckel auch noch das Ende des Untersuchungszeitraumes.

Die Auseinandersetzung mit dem Materialismus—Monismus spielt sich so- mit im Wesentlichen, und das gilt bis etwa 1910, als persönliche Fehde mit Haeckel, dem eigentlichen Protagonisten ab. Mit der Gründung des

"Deutschen Monistenbundes" am 11.1.1906 unter dem Ehrenvorsitz Haeckels rückt dann allmählich diese Organisation, durch deren Wirken die katho- lischen Autoren "die höchsten Kulturgüter Wissenschaft und Religion ... 78 gefährdet" sehen, in den Mittelpunkt des Interesses . Die bald inner- halb des Bundes erkennbar werdende Vielfalt monistischer Denkformen — neben Haeckels am Darwinismus orientierten Monismus finden sich davon sehr differierende weitere Spielarten — zwingt dazu, die Kritik vom naturwissenschaftlichen Feld, auf dem die Auseinandersetzung mit

Haeckel noch vornehmlich geführt wurde, stärker auf das philosophische zu verlagern. An dieser Stelle ist darauf nicht weiter einzugehen. über die gegen den Monismus aller Schattierungen damals vorgebrachten Argu- mentationen liefert Klimke in seiner von allen Zeitschriften freudig begrüßten, umfangreichen Monographie einen guten Oberblick 79 . Klimkes

Diagnose, der gegenwärtig zwischen Monismus und Theismus entbrennende

Kampf "(überbiete) an Menge und Schärfe der Waffen sowie an Zahl der

Gegner und ihrer Anhängerschaft alle Kämpfe ... in welche der christ— 80 liche Glaube bisher verwickelt worden ist" , entspricht in dieser

78) Ude in NuK 10 (1912 f) 481 ff (Zitat 612); vgl. Gutberlet in NuK 5 (1907 f) 24 ff; Haan in StMI 72 (1907) 299 ff; Stölzle in HPB 142 (1908) 133 ff; Kiefl in Hochl 7 (1910) b, 289 ff; Thöne in Schö 1 (1913) 220 ff; ? in Kath 94 (1914) 4.F. Bd.13, 387 f; u.v.a.

79) Klimke, Der Monismus aa0.

80) ebda 11, in Anlehnung an E.G.Steude, Monistische Weltanschauung, Gütersloh 1898, 5.8 - 73 -

Zuspitzung zwar nicht ganz dem Urteil der Zeitschriftenmitarbeiter, die sich meist optimistischer geben, doch wird das kontinuierliche Wachs- tum des Monistenbundes, der 1913 bereits 7000 Mitglieder in 45 Orts- gruppen zählt 81 , wie seine ausgedehnte propagandistische Tätigkeit auch hier mit großer Beunruhigung verfolgt. Ihm gegenüber hat man sich dann auch nicht nur mit theoretischer Kritik begnügt, sondern namentlich im Hinblick auf den Haeckelschen Monismus versucht, mit einer intensive- ren naturwissenschaftlichen und -philosophischen Schulung von Klerikern und Laien ein apologetisches Gegengewicht zu schaffen. Unter diesem Ziel steht der in dieser Zeit erfolgende Aufbau einiger katholischer Verei- nigungen: Es dürfte kein Zufall sein, daß nur wenige Monate nach der Entstehung des Monistenbundes die naturwissenschaftliche Sektion der Gärres-Ge- sellschaft neu gebildet wird. Diese Sektion hatte man bereits vorge- sehen, als 1876 die "Gärres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland" begründet wurde. Da der Vorsitz vakant blieb, konstituierte sich die Sektion jedoch nicht, und auch in den folgenden 30 Jahren schlugen verschiedentliche Versuche fehl, sie zum Leben zu erwecken. Daher behalf man sich auf diesem Gebiet mit der fi- nanziellen Unterstützung einiger Fachmonographien apologetischen Cha- rakters, und späterhin erhielten auch die Zeitschriften NuO und NuK 82 eine gewisse Beihilfe . Daß dann gerade Wasmann und Ettlinger, beide profilierte Haeckel-Gegner, auf der Bonner Generalversammlung von 1906 die Neubildung der Sektion anregen, dürfte Beweis genug für die Vermu- tung sein, daß damit wohl auch an eine Reaktion auf den Monistenbund gedacht war, dessen Wirken den unmittelbaren Anstoß zur Neubegründung geboten haben mag. Nun hat sich die Sektion allerdings dem Charakter der Gärres-Gesellschaft gemäß als streng wissenschaftliche Vereini- gung verstanden und ist daher auch in den folgenden Jahren kaum in das Licht einer weiteren Öffentlichkeit getreten. Ihre praktische Arbeit

81) Nach RGG 2.Aufl. Artikel Monistenbund. 82) Nach Cardauns, Gärres I aa0. 85 erhielt NuO seit 1898 jährlich 750,- Mark, vgl. a. Cardauns, Gärres II aa0. 50. -74- beschränkte sich auf Sektionssitzungen, deren Referate teilweise in NuO 83 und NuK wiedergegeben wurden .

Populärere Ziele verfolgte ein Kreis, der sich im September 1906 um den bayrischen Landpfarrer und "Naturhistoriker" Johannes Bumüller scharte.

Die "Gesellschaft für Naturwissenschaften und Psychologie" bezeichnete als ihren Hauptzweck breite Volksaufklärung auf den für die Weltan- schauungsbildung relevanten naturwissenschaftlichen Gebieten. Praktisch dachte man an Vortragsarbeit und die Herausgabe "gediegener volkstüm- 84 licher Literatur" . NuK diente als Verbandsorgan und entfaltete sofort eine eifrige Werbetätigkeit. Bereits für 1907 wird ein Bestand von über

500 Mitgliedern angegeben, die einen Jahresbeitrag von 8 (oder einmalig

150) Mark leisteten. Auch Damen konnten, wie das Programm expressis verbis hervorhob, Mitglieder werden. Dennoch sollte der Gesellschaft kein bleibender Erfolg beschieden sein. Als Ende 1907 auf protestan- tischer Seite der "Keplerbund zur Förderung der Naturerkenntnis" als interkonfessionelle Vereinigung mit ähnlichen Zielen begründet wurde, entstand eine empfindliche und sehr bald verspürte Konkurrenz. Sumül- lers Versuch, sich die finanzielle Hilfe der Gärres-Gesellschaft zu sichern, schlug fehl, und so blieb nichts übrig, als die tief in Schul- - 85 den steckende Gesellschaft Ende 1908 aufzulosen .

Für den Kampf gegen den Monistenbund blieb somit auf christlicher Seite - 86 nur der Keplerbund ubrig , der auch Katholiken offenstand und rasch

83) Vgl. Spael, Gärres-Gesellschaft aa0. 56.

84) Handbuch, Kirchliches Bd.I, 267; vgl. Handweiser 45 (1907) 113 f.

85) s. den Bericht in NuK 6 (1908 f) 251 über die auflösende "General- versammlung" (anwesend waren 9 Mitglieder!).

86) Ein katholischer "Thomasbund" wie er noch von Hemleben aa0 131 in seiner einseitigen Haeckel-Biographie 1964 zitiert wird, hat nie- mals existiert. Hier handelt es sich um eine Erfindung Haeckels, der unter dieser Bezeichnung "die Gesamtheit der katholischen Jesuitenbünde", zu denen er u.a. auch den Borromäusverein, den Piusverein und die Leogesellschaft zählte, zusammenfassen wollte. Haeckel, Sandalion aa0 12 -75- 87 anwuchs . Sein Wirken fand mehrfach Anerkennung auf katholischer Sei- te. Die sämtlichen Schriften seines Vorsitzenden Dennert erhielten be- 88 tont freundliche Rezensionen zu einer Zeit, in der im Allgemeinen noch gegen die Protestanten eine recht spitze Feder geführt wurde. An- laß zu Beanstandungen ergab allerdings Dennerts Naturphilosophie. Was- mann warf Dennert vor, er gebe die Sicherheit der natürlichen Gottes- erkenntnis preis, mit anderen Worten, er vertrete den nicht zu billi- genden Kantschen Erkenntnisstandpunkt. Aus diesem Grunde könne der 89 Keplerbund den Katholiken nicht unbeschränkt empfohlen werden . Aus dem Vorwurf Wasmanns hat dann wenige Jahre später Johannes Thöne, der Begründer der Zeitschrift Schöpfung, die praktischen Konsequenzen gezogen, indem er es noch einmal unternahm, neben dem Keplerbund eine speziell katholische, in Organisation und Zielsetzung ähnliche Verei- nigung aufzubauen. Seine neue Zeitschrift stellte sich mit ihrem er- sten im Januar 1913 erschienenen Heft zugleich als Verbandsorgan des "Albert-Bundes" vor. Daß der Bund als Konkurrenzunternehmen zum Kepler- bund gedacht war, ließ bereits das Programm deutlich erkennen, denn Weltanschauungsfragen sollten "nicht vom Standpunkt eines für alle pas- senden Christentums aus, sondern vom speziell katholischen Standpunkte" 90 behandelt werden . Ähnlich wie der Kepler-Bund und zuvor schon die Bu- müllersche Vereinigung sah Thöne im Monistenbund den eigentlichen Geg- ner, dem man mit der Bildung von Ortsgruppen, der Abhaltung naturphi- losophischer Vorträge und der Herausgabe einschlägiger populärer Schrif- ten entgegenwirken wollte. Die Mitgliederzahl wuchs von zunächst über 91 500 auf 1200 im Jahre 1914 an . Bei Kriegsausbruch wurde das Unter- 87) Dennert aa0 234 gibt für 1909: 3422; für 1910: 6400 u. für 1913: 8200 Mitglieder an. 88) Charakteristisch Wasmann in StMl 71 (1906) 107; u.v.a. 89) Wasmann in StMl 77 (1909) 79 f; ? in Seil 83 (1912) 223; u.a. 90) Thäne in Schö 1 (1913) 2; vgl. mit präzisierter Kritik am Kepler- bund ebda 291 f. 91) Handbuch, Kirchliches Bd.IV, 379 u.V, 284. Ob die angegebenen Zah- len der Realität entsprechen, darf bezweifelt werden, wenn man ih- nen die an Hand konkreter Beispiele erfolgenden Klagen Thönes über "die große Schläfrigkeit der Katholiken" entgegenhält, Schö 1 (1913) 291 -76—

nehmen zunächst sistiert, "bis der Dreibund niedergeworfen und die Karte Europas entsprechend revidiert" sei n . Ob nach dem Krieg die Arbeit noch einmal aufgenommen wurde, ließ sich nicht ermitteln93.

Sollte es der Fall gewesen sein, dürfte es sich lediglich um einen kurzfristigen Versuch gehandelt haben, denn die Zeit für derartige apologetische Vereinigungen war vorbei.

b) Neue Aspekte im Verhältnis zur Naturwissenschaft

Bemerkenswerterweise hat die eben geschilderte zweite Phase des Kamp- fes gegen den auf naturwissenschaftlichen Ergebnissen aufbauenden Haeckelschen Nanismus das Verhältnis zu den Naturwissenschaften selbst nicht mehr nennenswert in Mitleidenschaft gezogen. Im Gegensatz zu frü- heren Jahren sind hier ehemals starre Fronten allmählich aufgeweicht. Es kommt kaum noch zu dem bisher so häufigen, pauschalen und apriori- schen Abtun der "modernen" Wissenschaft. Wissenschaft muß jetzt nicht mehr schlechthin materialistisch sein, sie steht nicht mehr unbedingt in offensichtlichem Gegensatz zu Glaubens- und Offenbarungswahrheiten, sondern es wird nun mehr Wert auf eine genaue Differenzierung zwischen

wissenschaftlichen Theorien und Ergebnissen und den materialistischen Deutungen, die sie möglicherweise erfahren können, gelegt.

Das Gesagte gilt freilich nur mit einer Ausnahme: Die Mitarbeiter der seit 1898 erscheinenden Zeitschrift NuG1 entwerfen ein Bild moderner Wissenschaft, das in seiner Einseitigkeit die naturwissenschaftsfeind- lichen Stellungnahmen früherer Jahrzehnte wieder voll aufleben läßt. Vor allem in den ersten Jahrgängen herrscht ein von naiver Ignoranz und primitiver Argumentation heraufgetragener, durchweg streitsüchti- ger Ton gegen "das marktschreierische Maul- und Federheldentum", gegen

92) Mitteilung im Septemberheft 1914. 93) Dafür spricht eine Notiz in Herders Konversationslexikon, Erg.Bd. 1919 der 3.Aufl., die für 1919 in 17 Ortsgruppen 2100 Mitglieder nennt. Dagegen spricht, daß Schä nach 1919 nicht mehr erschienen ist. Archivmaterial ließ sich nicht auffinden. -77- 94 den "unfehlbaren Gelehrtenhochmut" der modernen Naturforscher . Kon-

sequent wird rundweg alles als falsch abgelehnt, was entweder mit der eigenen religiös geprägten Naturauffassung oder aber mit dem eigenen Bibelverständnis in Widerspruch zu stehen scheint. Da beides sehr eng begrenzt ist, wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, erscheint "die sogenannte deutsche Wissenschaft" nur "mit geringen Ausnahmen" akzeptabel und kann ihr durchgängig unterstellt werden, sie handle 95 allein aus christentumsfeindlichen Motiven . Schon wegen der gerin- gen Bedeutung, die diese für einfachste Leserkreise geschriebene Zeit- schrift im katholischen Baum hatte, lohnt es sich nicht, eingehender ihre Lagebeurteilung und ihre Wissenschaftsauffassung zu behandeln. Mehr Interesse verdienen die größeren, schon längere Zeit bestehenden Zeitschriften, wie besonders dann auch die neuen nach 1900 gegründe- ten Blätter, deren Lektüre deutlich macht, daß es sich bei NuG1 nur noch um eine Kuriosität handelt. Oberall sonst ist eine zunehmende Versachlichung der Diskussion und ein besseres Verständnis für natur- wissenschaftliche Belange feststellbar.

Diese Haltung ermöglicht es erstmals, auch die Stellung der eigenen Seite kritisch unter die Lupe zu nehmen: Nicht mehr nur die Obergriffe der Naturwissenschaftler in das weltanschauliche Gebiet werden jetzt für das bisher als gespannt charakterisierte Verhältnis verantwortlich gemacht, sondern ebenso die eigenen Fehler, die in einer oft falschen Interpretation der Offenbarung, im apologetischen Kampf gegen längst veraltete Ansichten, im mangelnden Sachverstand vieler Apologeten bei der Beurteilung naturwissenschaftlicher Probleme wie schließlich in ihrer "leidigen Vorliebe", allzuschnell immer gleich endgültige Ant- worten geben zu wollen, gesehen werden. Derartige Kritik findet sich zwar nicht in konservativen Blättern, wie StMl und HPB, aber ansatz-

94) Weiß in NuGI 1 (1898) 312 u. Kreichgauer in 3 (1900) 209; u.v.a. 95) Kreichgauer in NuGI 3 (1900) 210 (Zitat); vgl. typisch Hahn in 1 (1898) 162; Hower in 9 (1906) 533; Thoma in 3 (1900) 5 ff; u.v.a. . 78 .... 96 weise doch in Kath und entschiedener dann in SchG, NuK, Hochl und auch NuO. In den drei letztgenannten Organen kommt es in diesem Zu-

sammenhang zu sehr heftigen Angriffen auf die scholastische Natur- philosophie, deren Methoden und Begriffe in wesentlichen Stöcken für 97 "rettungslos veraltet" gehalten werden . Allerdings sind es nur eini- ge Autoren, die in der Neuscholastik den eigentlichen Hemmschuh für die Verständigung mit der modernen Naturwissenschaft sehen wollen. Die überwiegende Mehrzahl steht, wie sich aus der Einzelargumentation er- gibt, fest auf neuscholastischem Boden. Aber auch für sie läßt sich ein gewisses Unbehagen an der bisher vertretenen Haltung nachweisen:

Es wird greifbar, wenn man die beachtlichen und für den naturwissen- schaftlichen Bereich durchweg positiven Reaktionen untersucht, die die aus verschiedenen Motivationen kurz vor der Jahrhundertwende aus- gelöste sogenannte "Inferioritätsdebatte" zur Folge hatte. Hier ging es, kurz gesagt, um den bei der Besprechung der Zeitschriftengeschichte bereits angedeuteten, auf vielen Gebieten von Kultur und Wissenschaft feststellbaren, offensichtlichen Bildungsrückstand der Katholiken. Hertling, inzwischen Ordinarius für Philosophie in München, hatte die- ses Thema auf den Generalversammlungen der Gärres-Gesellschaft mehr- fach aufgegriffen und dabei auch verschiedentlich das Verhältnis zu den Naturwissenschaften einbezogen. Im Einzelnen tadelte er an seinen Glaubensgenossen die Geringschätzung, in der man von der "sogenannten deutschen Wissenschaft" und ihren Vertretern spreche, die Ängstlichkeit, die man vor der Wissenschaft als angeblicher Feindin des Glaubens an den Tag lege, den übertriebenen Konservativismus, der sich in einem

Mangel an Kritik gegenüber unhaltbar gewordenen Anschauungen kundtue,

96) Hardy in Kath 73 (1893) a, 572 u. Heiner in 89 (1909) b, 165 ff. 97) Laicus in Hochl 4 (1907) b, 480 ff (Zitat- 481) u. Ettlinger in Hochl 5 (1908) a, 228 ff; Knickenberg in NuK 6 (1908 f) 598 ff; Thöne in Schä 2 (1914) 43 f; Kappes in NuO 45 (1899) 40 f; Aloys Müller in NuO 49 (1903) 379 ff u. 52 (1906) 249 ff; Günther in NuO 52 (1906) 95 ff; u.a. Besonders Einzelprobleme wie Tierpsy- chologie und Materiebegriff werden kritisiert, in NuO kommt es dabei zu sehr hart geführten Kontroversen. - 79 -

und schließlich die einseitige Vorliebe für eine streitbare Apologetik.

Nestling blieb indes bei der Kritik nicht stehen, sondern präzisierte zugleich das katholische Bildungsideal, indem er die Frage aufwarf, ob man von einer "katholischen Wissenschaft", bzw. von einer "gläubigen" und einer "ungläubigen Naturwissenschaft" reden könne. Seine Antwort zu der selbstgestellten Frage zeigt, daß der Standpunkt, der in den 70er Jahren bei der Diskussion um die Duboisschen Grenzziehungen ver- treten wurde, grundsätzlich beibehalten wird: Die Wissenschaft hat die Grenzen der mechanischen Naturerklärung anzuerkennen. Innerhalb dieser Grenzen gelten "auschließlich die strengen Normen der exakten For- schung", und es kann daher von einer Trennung zwischen gläubiger und ungläubiger Forschung nicht geredet werden. An den Grenzen der Erkennt- nis aber, dort, wo Lücken vorhanden seien, dürfe nicht nur materiali- stischer Denkweise Bürgerrecht verstattet, sondern müsse das Recht ver- langt werden, "die Natur in dem hellen Lichte zu betrachten, das über sie aus dem christlichen Glauben strömt". Demnach könne die Frage,ob es eine "katholische Wissenschaft" gebe, in dem Sinn bejaht werden, als darunter zu verstehen sei: die Wissenschaft katholischer Gelehrten, welche in allen rein wissenschaftlichen Fragen keine anderen Regeln kennen, als die des allgemeinen wissenschaftlichen Verfahrens, welche aber über- all da, wo unbeschadet dieser Regeln der Standpunkt des Forschers seinen Ausdruck finden darf oder finden muß, ungescheut die Fahne ihrer aus übernatürlichem Grunde stammenden Glaubensüberzeugung aufpflanzen, fest durchdrungen von dem Satze, daß zwischen Glaube und Wissen kein Widerspruch möglich ist ...". Hertlings Ausführungen fanden ein vielfältiges Echo und haben program- matische Bedeutung für die hier untersuchten Zeitschriften gehabt. Sie sind jedoch nicht der einzige Anlaß gewesen, sich mit dem Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Religion zu beschäftigen. Der Vorwurf, den der alte Mommsen 1901 bei der Besetzung der Straßburger Geschichts- professur mit dem Katholiken Spahn erhob, die voraussetzungslose For- schung sei bedroht, hat die Diskussion ebenso belebt wie die Rede, die

98) Sämtliche Zitate nach Reden ... des Grafen G.v.Hertling aa0 23 u. 25 f. -80-

der Chemiker Ladenburg 1903 auf der Kasseler Naturforscherversammlung über den Einfluß der Naturwissenschaften tauf die Weltanschauung hielt Mommsens Vorwurf wurde entgegengehalten, daß es infolge der Subjekti- vität allen Denkens eine wirklich voraussetzungslose Forschung gar nicht gebe. Nur eine vorurteilslose Forschung sei anzustreben, und diese werde auch von den Katholiken betrieben, denn die Offenbarung werde - für den Leser ein neuer Gesichtspunkt! - nur in der eigent- lichen Theologie als Erkenntnisquelle verwertet, und die Annahme der Existenz Gottes sei kein Vorurteil, sondern "Resultat gründlicher Prü- 100 fung und solider Beweise" . Ladenburgs Vortrag andererseits konnte als Blüte des Materialismus Haeckelscher Prägung abgetan werden, der auch von Seiten nichtkatholischer Forscher Widerspruch erfahren habe.

Doch hat sich gerade im Anschluß an diesen Vortrag eine Diskussion über das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlichen Fakten und Weltanschau- ung ergeben, die konkret auf die Frage zielte, ob diese Fakten neutral seien oder sich für eine bestimmte Weltanschauung auswerten ließen. Für den größeren Teil der Autoren ist die Antwort klar: Mit der glei- chen Entschiedenheit, mit der Ladenburgs Thesen als völlig haltlose und unberechtigte weltanschauliche Mißverständnisse verurteilt werden, nimmt man für sich selber die theistische Ausdeutung als die einzig berechtigte in Anspruch, ohne zu bemerken, daß man damit - nur von an- deren Voraussetzungen ausgehend - nichts anderes als auch Ladenburg tut. Hier wird die notwendige Konsequenz aus dem eigenen final kon- struierten Naturverständnis gezogen, das auf Gott als prima causa hin- weist. Danach sind die naturwissenschaftlichen Tatsachen in sich sel- ber so beschaffen, daß bei "richtiger" naturphilosophischer Schlußfol- gerung nur eine theistische Weltauffassung begründet werden kann. Wenn aber bereits überall in der Natur "die Spuren Gottes" (Wasmann) auf-

99) L. hob auf d. geschichtl. Gegensatz zwischen Kirche u. Naturwis- senschaften ab, sah in der Bibel das Werk phantasiereicher Men- schen u. sprach sich vom naturwiss. Standpunkt negativ über die Allmacht Gottes u.d. Unsterblichkeitsglauben aus.

100) s. bes. Frick in Seil 68 (1905) 420 ff (Zitat 429); u.v.a. - 81 -

findbar sind, dann "bildet Naturwissenschaft", um ein in den Zeit- schriften vielzitiertes Wort des protestantischen Botanikers Reinke zu gebrauchen, "den Vorhof zur Gotteserkenntnis", und "wird das letzte Wort der streng wissenschaftlichen Naturphilosophie immer ein ehr- 101 fürchtiges Gottesbekenntnis sein" (Muckermann) . Die enge Verbin- dung zwischen Naturwissenschaft und theistischer Naturphilosophie bleibt unabdingbar, auch in der Innerweltlichkeit der Naturwissen- schaften verliert das theologische Anliegen bei aller Anpassung an den methodischen Positivismus nicht an Bedeutung.

Diesen theologischen Optimismus teilt indes eine kleine Gruppe von Autoren ganz zu Ende des Untersuchungszeitraums nicht mehr so recht. Ihnen geht es um einen klaren Trennungsstrich zwischen Naturwissen- schaft und Naturphilosophie, bzw. Weltanschaung. Zwar bestreiten sie ebenfalls nicht die Berechtigung der theistischen Naturphilosophie, zwar bleibt die Anerkennung des Schöpfers "eine Urtatsache" und ist der Schöpfer im Gegensatz zu Kant auch wirklicher Gegenstand der Er-

kenntnis. Aber "die Naturwissenschaft als solche weiß nichts von Gott und kann auch nichts über ihn aussagen" (Stölzle), sie hat sich "trotz mancher gegenteiliger Behauptung nicht mit den letzten Seinsursachen zu befassen" (Baum), und "die naturwissenschaftlichen Tatsachen sind in bezug auf Weltanschauung und Religion neutral in dem Sinne, daß diese Tatsachen sich zu verschiedenen Weltanschauungen gebrauchen las- 102 sen" (Kath) . Aloys Müller, ein entschiedener Gegner der Neuschola- stik, fordert in diesem Zusammenhang für den christlichen Forscher "die Möglichkeit und das Recht des Irrens", denn "es kann ehrliche wissen- schaftliche Arbeit sein, die sogar die tiefsten religiösen Grundlagen 103 leugnen läßt" . Das bleibt zwar die Bemerkung eines Außenseiters,

101) Wasmann in StMl 77 (1909) 78 f; Muckermann in StMl 85 (1913) 65; Kathariner in NuO 48 (1902) 380 ff; Brander in NuK 6 (1908 f) 59; u.v.a. 102) Stölzle in NuO 56 (1910) 3; Baum in Schö 1 (1913) 4 (Zitat) u.NuK 8 (1910 f) 413 f; ? in Kath 94 (1914) 4.F. Bd.13, 287 f. (Kommen- tarloser Abdruck einer entsprechenden Erklärung des Keplerbundes), u.a. 103) Müller in NuO 52 (1906) 254 gewissermaßen äußerste Konsequenz einer Haltung, für die der Gottes- beweis nicht mehr zum selbstverständlichen Instrumentarium des Natur- wissenschaftlers gehört. Doch scheint, daß die letztgenannten Autoren insgesamt ein größeres Verständnis für die Eigengesetzlichkeit der profanen Sachgebiete mitbringen, rigoroser als andere bereit sind, die Trennung zwischen Naturwissenschaft und Metaphysik zu vollziehen, ohne daß letztere damit schon aufgegeben würde. Damit aber kann sich auch das apologetische Interesse am naturwissenschaftlichen Bereich redu- zieren, eine größere, im Einzelnen freilich abgestufte Versachlichung in den Beziehungen zur Naturwissenschaft an die Stelle bisheriger pau- schaler Verketzerung treten. Darin darf wohl das wesentlichste Charak- teristikum dieser Zeitspanne gesehen werden.

Ein ähnlicher Sachverhalt ergibt sich, wenn man untersucht, wie zu die- ser Zeit Persönlichkeiten und Leistungen führender zeitgenössischer Naturwissenschaftler beurteilt werden. Ein gutes Beispiel liefern in dieser Beziehung die oben schon angeführten, kurz vor 1914 endlich differenzierter werdenden Stellungnahmen zu dem gefürchteten weltan- schaulichen Gegner, aber auch großen Zoologen Ernst Haeckel, Doch möchte der nun folgende Exkurs darüber hinaus noch einige Ergänzungen allgemeiner Art bringen sowie auf einzelne besonders charakteristische Fälle aufmerksam machen.

EXKURS: Führende Naturwissenschaftler im Urteil katholischer Autoren

Generell darf zunächst gesagt werden, daß bis in die 90er Jahre etwa das Urteil über Leistungen wie Persönlichkeit der Naturforscher von zwei wesentlichen Voraussetzungen abhängt: Erstens dürfen die Theorien des zu würdigenden Forschers der eigenen theologisch motivierten Auf- fassung nicht widersprechen. Zweitens muß der Forscher möglichst seine Religiosität in irgendeiner Weise explizit zum Ausdruck bringen. Man kann geradezu behaupten, daß die jeweilige religiöse Haltung das eigent- liche Kriterium für die Anerkennung der naturwissenschaftlichen Ver- dienste hergibt. Wie sehr hier enge Maßstäbe gelten, erhellt aus der - 83 -

Bemerkung Karschs, der sich 1870 in NuO zu der mahnenden Feststellung veranlaßt sieht, daß "auch Ungläubige durchaus beachtliche Leistungen 104 hervorbringen können" . Karschs Stimme verhallt ungehört. Forscher, auf die nicht eine oder gar beide der oben genannten Voraussetzungen zutreffen, dürfen nicht auf eine Anerkennung rechnen. Soweit ihre Wer- ke rezensiert werden, stößt der Leser neben dem pauschal-polemischen Abtun der jeweiligen Theorien auch auf persönliche Verdächtigungen, denenzufolge nur der Haß gegen das Christentum die Arbeit des For- 105 schers bestimmt habe u.a. .

Die große Ausnahme bildet in dieser Hinsicht der Berliner Mediziner und Anthropologe Rudolf Virchow, der bereits 1856/57 erstmals aner- 106 kennend erwähnt wird . Obwohl er als "Vertreter der ungläubigen Wis- senschaft" an sich abgewertet werden müßte und obwohl er im Kultur- kampf zu einem der bedeutendsten liberalen Gegner des Katholizismus wird, avanciert er in allen Zeitschriften zu einem hochangesehenen und gern zitierten Gelehrten. Ursache dafür sind nicht nur die methodischen Bedenken, die er bezüglich des Beweismaterials für eine eventuelle tie- rische Abstammung des Menschen hegte, - bis zu seinem Tode (1902) schätzte er alle ihm vorliegenden Fossilfunde entweder als krankhafte Entartungen oder als pongid ein -, sondern auch die heftige Kritik, mit der er erstmals 1877 auf der Münchner Naturforscherversammlung den Dogmatismus Haeckels angriff. So spielt es bei ihm auch keine Rolle, daß er "einer der wunderscheuesten, religionslosesten Gelehrten" ist, 107 denn "als Anatom (ist er) eine Kapazität ersten Ranges" . Seine are- ligiöse Haltung wird übrigens von manchen Autoren gar nicht so ungern hervorgehoben, erscheint er doch somit als Vertreter des gegnerischen Lagers, dessen naturwissenschaftliche Ansichten dennoch die katholi-

104) Karsch in NuO 16 (1870) 286 105) Die oben S.56 erwähnten positiven Würdigungen, die Michelis den Geologen Lyell u.Cotta zukommen läßt, sind daher für diese Zeit ganz ungewöhnlich. 106) Fr. in HPB 39 (1857) 315 u. Michelis in NuO 2 (1856) 521. 107) ? in PB1 11 (1882) 377; vgl. schon ? in PBI 6 (1877) 488; u.a. - 84 - sche Auffassung bestätigen. Auf solche Weise ein wertvoller Bundesge- nosse, darf sein Verhalten im Kulturkampf als zwar bedauernswerte, aber doch nur zeitweilige Verirrung gelten. Schon wenige Jahre später heißt es über ihn: "Gelehrter und Politiker zugleich, ist er beides auch in hervor- ragendem Maße ... es muß eine transmaterielle Kraft in ihm wir- ken, die ihn nicht nur zu einem großen Gelehrten, sondern auch zu einem hervorragenden Politiker gemacht hatul°°. Unverblümt wird er als "Anwalt der katholischen Theologie" gefeiert, dem man durch seine indirekte Verteidigung kirchlicher Dogmen (sic) zu dauerndem Danke verpflichtet sei, wobei freilich unterschlagen wird, daß Virchow bei seinen Stellungnahmen von ganz anderen Voraussetzungen ausging als die ihn so hoch verehrenden katholischen Apologeten.

Neben Virchow hat der Dorpater Embryologe Karl Ernst von Baer in allen Zeitschriften immer wieder als "einer der größten und ersten Naturfor- scher" eine ähnliche Rolle gespielt. Für seine Anerkennung kommt nicht nur seine Verteidigung der Teleologie und seine Gegnerschaft gegen Haeckels Thesen in Betracht, sondern auch seine religiöse Wandlung, die ihn in seinen letzten Lebensjahren aus einem Pantheisten zum Thei- sten werden läßt. Damit aber gibt er geradezu einen Paradefall für die These her, daß wirkliche Naturerkenntnis notwendig zur Gotteserkenntnis führe. Im übrigen ist die Liste führender zeitgenössischer Naturwissen- schaftler, die man der eigenen Seite zurechnen zu können glaubt, recht dürftig.

Gegenüber der materialistischen Behauptung, alle Naturforscher müßten notwendig Atheisten oder doch zumindest kirchenfeindlich sein, sieht man sich daher zunächst auf die Vergangenheit verwiesen. Von Beginn des Untersuchungszeitraumes an begegnen in allen Zeitschriften, - besonders ausgeprägt in NuO, - immer wieder religiöse Äußerungen von Naturwissen- schaftlern aller Disziplinen, bei deren Auswahl zum Teil bis ins Frühe (!) Mittelalter zurückgegriffen wird, denn wenigstens das glaubt man

108) ? in HPB 117 (1896) 750 f; vgl. Pohle in Kath 68 (1888) a, 432 ff; u.v.a. -85-

doch mit Sicherheit behaupten zu können, daß "bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts und darüber hinaus ... die großen Meister ... notorisch fromme, der Religion innigst zugethane Männer waren". Daß mit der Auf- zählung all der Naturwissenschaftler, "die ihre Stirn vor der Offen- 109 barung beugten" , weder die Wahrheit des Christentums und seiner Leh- ren bewiesen werden konnte, wie es teilweise auch versucht wird, noch überhaupt etwas gegen die oben angeführte materialistische Behauptung auszurichten war, da sich inzwischen ja auch das Weltbild grundlegend geändert hatte, scheint dem apologetischen Eifer dabei entgangen zu sein. Noch weit über die Jahrhundertwende hinaus gehört es zu den be- liebtesten Mitteln katholischer Apologeten, scheinbar vorhandene Gegen- sätze zwischen Religion und Naturwissenschaften durch den Hinweis auf die religiöse Einstellung lebender wie toter Naturwissenschaftler zu 110 entschärfen .

Andererseits aber wird es in diesen Jahren um die Jahrhundertwende erst- mals möglich, eine naturwissenschaftliche Leistung, auch wenn sie der eigenen Auffassung widerspricht, sachlich zu würdigen und unabhängig von der religiösen Einstellung des Forschers zu beurteilen. An Hand vieler Rezensionen läßt sich nachweisen, daß Männer wie Nägeli, Eimer, 111 Snell und Weismann, Kölliker, Klaatsch, Branca und Wundt , bei aller Abgrenzung von einigen ihrer Forschungshypothesen seit den 90er Jahren etwa eine im ganzen sachliche Würdigung, die durchaus auch mit persön-

109) Michelis in NuO 6 (1860) 7 (1.Zitat) u.H. in NuO 31 (1885) 565 (2.Zitat); u.v.a. 110) 1895 veröffentlicht der evangel.Apologet E.Dennert ein Werk über "Die Religion der Naturforscher" (1925 in 9.Aufl.). Der hier gege- bene statist.Nachweis, daß 92 % (sic) der bisher lebenden Natur- forscher an Gott glaubten u. davon wiederum 39 % streng kirchlich gesinnt waren, ist mehrfach auf katholischer Seite verwertet wor- den. Größere Beachtung erfährt die wiederholt aufgelegte Abhand- lung von A.Kneller S.J. "Das Christentum u.d. Vertreter d.neueren Naturwissenschaft" (1903), die speziell für das 19.Jahrhundert "ein keineswegs ungünstiges Urteil über die Gesamtlage" abgeben will.

111) Führend in dieser Hinsicht JNW mit regelmäßigen Berichten über den neueren Forschungsstand. - 86 -

licher Anerkennung gepaart sein kann, erfahren. Nach wie vor dürfen freilich die Forscher auf die größte Resonanz rechnen, die offen ihre religiöse Haltung bekennen. Es sind nicht gerade viele: Neben dem ka- tholischen Anthropologen Joh.Ranke und dem Entomologen Erich Wasmann S.J., der ja auch eifriger Mitarbeiter von NuO und Seil ist, findet der evangelische Botaniker Johannes Reinke im ersten Jahrzehnt des neu- en Jahrhunderts ein sehr lebhaftes Echo. Sein Eintreten für den auch auf katholischer Seite vertretenen Neovitalismus, seine Gegnerschaft gegen Haeckel wie seine Naturphilosophie überhaupt, lassen ihn bei al- len Einschränkungen, die hinsichtlich seines pantheistischen Gottesbe- griffs wie auch seiner Dominantentheorie gemacht werden, doch zu einer gewissermaßen symbolischen Figur werden, in der sich das ersehnte Ziel vieler katholischer Autoren, die Wiedervereinigung von exakter For- schung und christlicher Naturphilosophie beispielhaft zu verkörpern scheint.

Insgesamt bleibt das Urteil über die zeitgenössischen Forscher jedoch auch nach 1900 trotz sachlicher Besprechung ihrer Ergebnisse und per- sönlicher Anerkennung weiterhin kritisch, wobei insbesondere auf die Lage an den Universitäten abgehoben wird. Das Mißtrauen ihnen gegen- über hatte bereits eine gewisse Tradition. Schon um die Jahrhundert- mitte war das Projekt einer katholischen Universität erörtert worden, mit der man die Rechtgläubigkeit der Jugend vor den säkularisierten Staatsuniversitäten bewahren wollte. In der Folgezeit wird gerade auch in den naturwissenschaftlichen Beiträgen eine latente Abneigung gegen 112 die ganze Universitätsgelehrsamkeit spürbar , sieht man dort doch die eigentlichen Herde der Glaubens- und Kirchenfeindschaft. "Die deutschen Universitäten sind vom Gift (des Unglaubens und Materialismus) ganz durchtränkt", urteilen 1892 die HPB und empfehlen den jungen Katholiken "nicht den engeren Anschluß an den akademischen Lehrer, sondern mit weiser Auswahl den geistigen Abschluß gegen ihn, inneren Widerstand in

112) Sie schlägt sich in zahlreichen u. ironischen Bemerkungen über die "angebliche Wissenschaftlichkeit" der "Kathederpäpste" u.ä. nieder. - 87 - 113 den Fundamentalfragen" . Die oft beschriebene Ghettosituation der deutschen Katholiken gegenüber dem wissenschaftlichen und kulturellen Leben ihrer Zeit drückt sich hier aus, und in der um 1900 einsetzenden "Inferioritätsdebatte" hat Hertlings statistischer Nachweis, daß die Katholiken unter den Universitätslehrern ganz ungenügend vertreten seien, zunächst einmal dem Mißtrauen gegen die Universitäten neuen 114 Auftrieb gegeben . So bleibt bei aller Versachlichung der Bezie- hungen doch eine gewisse Entfremdung, die ebenfalls erschwerend auf die Annäherung des Katholizismus an moderne naturwissenschaftliche Theorien und Ergebnisse einwirkte.

Charles Darwin, als der Wissenschaftler, dessen Erkenntnissen die Re- volutionierung des naturwissenschaftlichen Weltbildes recht eigentlich zu danken war, hat während des ganzen Untersuchungszeitraumes eine von den bisherigen Darlegungen in mancher Beziehung abweichende Beurtei- lung erfahren, die es rechtfertigt, ihn auch hier gesondert zu behan- deln: Schon die wenigen Autoren, die sich in den 60er Jahren mit sei- nem Werk über den Ursprung der Arten beschäftigen, haben sich trotz aller Abgrenzung gegenüber seiner Theorie nicht ganz der Einsicht ver- schließen können, daß in diesem Werk eine ungewöhnliche Leistung vor- lag. So stellt z.B. Michelis den Lesern von NuO Darwin als "eine aner- kannte Autorität erster Größe" vor. Die geschickte Verflechtung eines ungeheuren Reichtums von Tatsachen, die unparteiische Ruhe, womit Grün- de und Gegengründe abgewogen würden, wie die ungemein klare und ver- ständliche Darstellung seien als "die wirklich großen Vorzüge seiner Schrift" zu bezeichnen. Aber andererseits bleibt die Abwertung doch primär, denn gerade Darwin biete ein Beispiel dafür, "wie die bloße Empirie bei der ausgedehntesten Kenntnis des einzelnen und der bewun- derungswürdigsten Kombinationsgabe ohne eine höhere Anschauung gerade

113) ? in HPB 109 (1892) 154; vgl. Dressel in StM1 Erg.Heft 22 (1883) 200; ? in PB1 7 (1878) 94; u.a. 114) s.bes. die Stellungnahmen in StM1 von Haan in 74 (1908) 131 f; Kneller in Erg.Heft 84/85 (1903) 255 u. Cothrein in 64 (1903) 490 f, während andere Zeitschriften sich zurückhaltender äußern. — 88 —

auf den Gegensatz aller echten Wissenschaft, ouf die reine Willkür hingetrieben wird" 115 . Damit ist das Urteil über Darwins Leistung ge- sprochen, wenn man es auch bis 1870 im allgemeinen noch vermeidet, ihn 116 mit den verachteten Materialisten auf eine Stufe zu stellen . Als dann aber 1871 das Buch über die Abstammung des Menschen erscheint, verliert Darwin auch den Rest an Anerkennung, den man seiner wissen- schaftlichen Leistung wenigstens formal bisher entgegenbrachte. Man wird in den der Veröffentlichung folgenden Jahren vergeblich nach einem anerkennenden Wort über Darwin suchen. Für alle Autoren steht fest, daß er nun seinen wissenschaftlichen Ruf endgültig kompromittiert und sich 117 "vollständigst in das materialistische ... Lager begeben" habe . Kaskaden von Spott und bitterer Ironie ergießen sich über die "genie- 118 reichen Forschungen des englischen Geistes—Herkules" . Sie gelten nicht nur dem Werk über die Abstammung des Menschen, sondern jetzt auch dem über den Ursprung der Arten. Ganz im Gegensatz zu früheren Beurteilungen wird nun erklärt, schon mit diesem Werk, "dem es allent- halben an klarer und präziser Darstellung fehle" (Hold), habe Darwin "sein Fiasko vor der ihn mitleidig belächelnden Wissenschaft zu erle- 119 ben" begonnen (Scheidemacher) . Eine latente Neigung, ihn der Unwis- senschaftlichkeit zu überführen, eine böswillige Sichtweise, die ihm weltanschauliche, d.h. antireligiöse Motive unterstellt, verzerren das Bild von der Persönlichkeit Darwins als Forscher und als Mensch.

Umso überraschender muten die großen Nekrologe an, die in StMl, NuO und HPB auf Darwins Tod im Jahre 1882 erfolgen. Während Jürgens in den Stimmen nur zurückhaltend die Verdienste Darwins hervorhebt und

115) Michelis in NuO 8 (1862) 208 (1.Zitat) u. NuO 7 (1861) 261 (2.Zi- tat), 385 (3.Zitat). 116) Eine Ausnahme bildet Schlüter in NuO 12 (1866) 238. 117) Scheidemacher in NuO 20 (1874) 403 (Zitat); vgl. Kemp in Seil 4 (1873) 448; u.v.a. 118) Deppe in NuO 25 (1879) 238 (Zitat); u.v.a. 119) Hold in Kath 52 (1872) b, 487; Scheidemacher in NuO 21 (1875) 480 u. PB1 2 (1873) 546. -89- sich letztlich von einer weltanschaulich begründeten Ablehnung nicht trennen kann, feiern Schütz in NuO und besonders Guttler in den HPB

Darwin als "einen der hervorragendsten Naturforscher dieses Jahrhun- derts" (Schütz), dessen Name "ein Kulturfaktor geworden" sei und den man "unbedenklich mit einem Kopernikus oder Kepler vergleichen" konne

(Güttler) 120 . Die ungemein positive Würdigung, die Darwins Forscher- persönlichkeit von Schütz wie von Güttler erfährt, hebt sich kraß von all den Anwürfen und Verdächtigungen ab, mit denen Darwin noch wenige

Jahre zuvor von katholischen Autoren bedacht wurde. Schütz wie Güttler sind bestrebt, Darwin von der Masse seiner materialistischen Anhänger zu trennen und die Behauptung zu widerlegen, Darwin habe dem Schöpfer den Stuhl vor die Türe gesetzt 121 . Die Ursache für diese Neubeurteilung liegt zweifellos in dem zu dieser Zeit erfolgenden Abbau des Kampfes gegen den Materialismus. Sie ist keineswegs bereits mit einer naturwis- senschaftlichen Akzeptierung der Darwinschen Theorie verbunden, wie noch zu zeigen sein wird. Immerhin steht Darwins wissenschaftliche

Leistung seit 1882 für nahezu alle Autoren außer Zweife1 122 . Zwar gilt das Werk über die menschliche Abstammung besonders hinsichtlich seiner psychologischen Erörterungen weiterhin als Darwins schwächste Leistung, doch möchte man das mit einem altersbedingten Nachlassen der geisti- gen Spannkraft entschuldigt wissen oder macht für die VerTfentlichung

"die Pression deutscher Fanatiker" verantwortlich, die "den guten Dar- win weit über die Grenzen hinausgeführt haben, innerhalb deren er ur- 123 sprünglich seine Lehre festhielt" (Schütz) .

120) Jürgens in Seil 23 (1882) 463 ff; Schütz in NuO 28 (1882) 375 ff; Güttler in HPB 90 (1882) 118 ff; vgl.zu Güttlers Urteil schon Schä- fer in NuO 24 (1878) 250 f; PB1 begnügt sich mit der kommentarlosen Wiedergabe einer Laudatio Virchows auf Darwin 11 (1882) 377 ff.

121) Kritisch wird nur vermerkt, daß Darwin nie gegen die "unter seinem Namen laufende atheistische und relig.-feindliche Literatur" Front gemacht habe u.daher "kann man ihn von einer moral.Mitschuld an un- seren sozialen Wirren (sic!) nicht freisprechen" Güttler S.128.

122) Erwartungsgemäß bilden die Autoren von NuG1 eine Ausnahme; vgl. ferner noch Frank in StMI 82 (1912) 250.

123) Mohnike in NuO 30 (1884) 622 u.Schütz in 27 (1881) 316; u.v.a. - 90 -

Natürlich hat auch Darwins religiöse Haltung immer wieder die Aufmerk- samkeit der Autoren auf sich gezogen. Doch ist es während des ganzen Untersuchungszeitraumes in diesem Punkte zu keiner einheitlichen Mei- nungsbildung gekommen. Nicht nur in den 70er Jahren, sondern auch noch späterhin gilt Darwin vielfach als Atheist, der sich "des destruktiven 124 Charakters der Gott ignorierenden Forschung wohl bewußt war" . Andere Autoren suchen ihn wenn nicht als Deisten (Güttler und Schütz), so doch wenigstens als Agnostiker hinzustellen, der schließlich unter den be- dauerlichen Einfluß Haeckels geraten sei. Jedenfalls könne von einer apriori vorhandenen atheistischen Tendenz Darwins nicht geredet werden. Je nach Standpunkt des Autors wird die oft herangezogene Passage über den Schöpfer, mit der Darwin sein Werk über den Ursprung der Arten ab- schloß, entweder als Phrase abgetan oder als echter Beweis für den Got- tesglauben des Verfassers gewertet. Ettlinger, der der Persönlichkeit Darwins im Jubiläumsjahr 1909 als einziger einen größeren Artikel ge- widmet hat, kommt zu dem Ergebnis, Darwins theistische Überzeugung sei seit 1859 immer schwächer geworden, ohne daß er doch jemals dem Atheis- mus verfallen sei. Im Ganzen sei er "ein Zweifler und Unentschiedener" 125 gewesen . Ettlingers nüchterne und sachlich geschriebene Würdigung weiß zwischen Darwins Theorie und Darwins persönlicher Überzeugung wohl zu unterscheiden. Bei den übrigen Autoren vertritt die überwie- gende Mehrzahl zu dieser Zeit den gleichen Standpunkt, wobei jedoch entscheidend für die Urteilsbildung die Haltung bleibt, die jeweils weniger zur Entwicklungs- als vielmehr zur Selektionstheorie eingenom- men wird. Damit aber führt das hier angeschnittene Thema unmittelbar in die eigentliche Fragestellung der Arbeit ein.

124) ? in Sel 24 (1883) 111; vgl. Gander in NuO 42 (1896) 528 u. Hochl 1 (1904) b, 448 ff; u.v.a. 125) Ettlinger in Hochl 6 (1909) a, 584 ff (Zitat 725). - 91 -

3) Zusammenfassung des II. Kapitels

Zuvor soll noch zusammenfassend folgendes festgestellt werden: Die Le- ser katholischer Zeitschriften, die sich für die Probleme interessier- ten, die durch Darwins Theorie für die Theologie entstanden waren, sto- ßen in ihren Blättern von Anfang an auf ein mißtrauisch-reserviertes, zum Teil direkt feindliches Verhältnis zur Naturwissenschaft. Darwins Werk über den Ursprung der Arten erscheint zu einer Zeit, in der die empirischen Wissenschaften ohnehin den katholischen Autoren vielfachen Anlaß zu berechtigten oder unberechtigten Verdächtigungen geben. Das beruht auf verschiedenen Ursachen: 1. Die naturwissenschaftliche Aufklärung wird in diesen Jahrzehnten wesentlich getragen durch die weit verbreiteten Schriften von Bach- ner, Vogt, Moleschott, Haeckel u.a., bei denen es sich wenigstens zum Teil um Forscher von Rang handelt, die mit dem Anspruch auf Sach- autorität auftreten. Sie popularisieren die neue Methode, wie die neuen Theorien und Erkenntnisse der Naturwissenschaft in einer Wei- se, die den weltanschaulichen Atheismus als die einzig mögliche Kon- sequenz der Forschung hinzustellen versucht. Damit enthalten ihre Schriften ein explosives Gemisch von empirischen Ergebnissen und religionsfeindlichen Ausdeutungen, das in krassem Gegensatz zu christlichen Lehren steht. Der mit empirischen Argumenten begrün- dete, rücksichtslos vorgetragene Angriff auf die Religion hat auf katholischer Seite heftigste Gegenreaktionen zur Folge, wobei die 70er Jahre und das erste Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts die Höhe- punkte bilden. Im Kampf gegen Haeckel, der zur eigentlichen Zentral- figur der Auseinandersetzung wird, fehlt namentlich in den 70er Jah- ren die Differenzierung zwischen empirischem Material und weltan- schaulicher These, eine Differenzierung, die erst nach 1900 stärker Möglich wird.In beiden Zeitabschnitten gibt die Taktik des Vorge- hens, nämlich die absolute Diffamierung des weltanschaulichen Geg- ners, zu Bedenken Anlaß, weil man erst ganz zu Ende des Untersu- chungszeitraumes einzugestehen bereit ist, daß auch dieser Gegner Verdienste aufzuweisen hat. Deren rechtzeitigere Anerkennung hätte -92-

den Kampf gegen seine Weltanschauung wohl glaubwürdiger gemacht, denn auch dem naturwissenschaftlichen Laien dürfte nicht entgangen sein, daß Haeckel als Zoologe einen überragenden Ruf besaß. In Hin- sicht auf den Laien gewinnt der Kampf gegen Haeckels Materialismus nach 1900 übrigens durch den Versuch an Bedeutung, dem von Haeckel propagierten Monistenbund ähnliche Organisationsformen entgegenzu- stellen, denen allerdings nur geringe ostensible Erfolge beschieden sind. 2. Der Zusammenbruch der idealistisch-religiösen Naturauffassung im zweiten Drittel des 19.Jahrhunderts hat sich für die katholischen Autoren zu plötzlich vollzogen, als daß es ihnen bereits möglich gewesen wäre, dem neuen kausalanalytischen Vorgehen der Naturwis- senschaften sachgerecht zu begegnen. Bereits als methodologische Arbeitsvorschrift muß das Prinzip der innerweltlichen Kausalität für ein Denken, das es bisher ganz selbstverständlich gewohnt war, überall in der Natur auf metaphysische Kategorien zu verweisen, als Zerschlagung geheiligter, religiöser Vorstellungen empfunden werden. Erst recht mußte die Verfremdung dieses Prinzips durch den weltan- schaulichen Materialismus, der an die Stelle des theistischen Got- tesbegriffs den Begriff der sich selbst genügenden Materie setzte, den Zugang zum Verständnis des Immanenzanliegen der Naturwissen- schaften erschweren, wurde doch damit die methodisch berechtigte Ausschließung zur prinzipiellen Leugnung aller Metaphysik ausgewei- tet. Daher werden auf katholischer Seite die neuen naturwissenschaft- lichen Theorien und Ergebnisse zunächst nur insoweit akzeptiert, als sie sich den alten naturtheologischen Vorstellungen unterordnen las- sen. Wissenschaft gilt nur dann als wahr, insofern sie nach herkömm- lichen Denkschemata zu Gott führt und den Bezug auf Gott auch jeder- zeit zu realisieren bereit ist. Der religiöse Glaube kann noch durch naturwissenschaftliche Ergebnisse bestätigt, bzw. verteidigt werden. Auf Grund dieser Vorstellungen wird von den katholischen Autoren eine Art Gegenaufklärung über Wesen und Aufgaben "wahrer" Natur- wissenschaft betrieben, die streng zwischen "gläubiger" und "un- -93-

gläubiger" Naturwissenschaft zu differenzieren versucht. Damit wird ein Wissenschaftsideal propagiert, dem von den Vertretern der empi- rischen Wissenschaften keine Bedeutung mehr zugemessen werden kann, weil ihre Methoden keine Aussage über Gott mehr gestatten. Erst all- mählich erwacht das Verständnis für das methodische Vorgehen der Na- turwissenschaft, und damit verlagert sich nun das Interesse der ka- tholischen Autoren darauf, die Grenzen zu bestimmen, die der Kausal- analyse gesetzt sind. An diesen Grenzen hat die thomistische Natur- philosophie einzusetzen, um die naturwissenschaftliche Aussage zu vervollständigen, denn mit den bloßen empirischen Daten ist für die Autoren nur ein halber Erkenntnisgewinn verbunden. Auf die spekula- tive Einsicht in die inneren Wesenszusammenhänge der Dinge darf nicht verzichtet werden. Ein wissenschaftliches Denken, das wert- freie Objektivität, besser: weltanschauliche Irrelevanz anstrebt, kann nicht gebilligt werden. Der Schöpfer ist und bleibt der ewige Urgrund des Seienden. Freilich zeigt sich nach der Jahrhundertwende, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wie weit natur- wissenschaftliches Material für den Aufbau der christlichen Weltan- schauung verwendungsfähig ist. Das folgende Kapitel wird zu zeigen haben, ob und inwieweit in diesem Rahmen die mit Darwins Theorie für die katholischen Autoren entstehen- de Problematik bewältigt werden kann. Im einzelnen werden dabei thema- tisch: Die Auslegung des Schöpfungsberichts in seiner Gesamtheit, die subhumane und die humane Evolution sowie die Auseinandersetzungen, die sich an Lebensentstehung, Lebenserklärung und -entwicklung und schließ- lich auch an die Erklärung der menschlichen Psyche knüpfen. Die zweck- mäßigste Form der Darstellung dürfte es sein, die genannten an sich eng zusammenhängenden Sachbereiche streng gesondert zu behandeln. Da- mit lassen sich zwar einzelne Wiederholungen nicht ganz vermeiden, doch dürfte dieses Manko durch den Gewinn an zusätzlicher Erkenntnis ausge- glichen werden. Das allmähliche Offenerwerden für naturwissenschaftli- che Fragestellungen vollzieht sich nämlich, wie hier schon gesagt wer- den kann, unterschiedlich schnell, unterschiedlich weit und wird auch verschieden motiviert. - 94 -

Kapitel III

Zentren der Diskussion

1) Das Sechstagewerk - Göttliche Belehrung über naturwissenschaftliche Fragen oder formale Einkleidung religiöser Aussagen a) Problemlage und Stellungnahme des kirchlichen Lehramts

Die Lehre von der Schöpfung alles Seienden durch Gott hat von jeher zu den Dogmen des katholischen Glaubens gehört. Die ersten Kapitel des Buches Genesis berichten ausführlich von der Verwirklichung der gött- lichen Schöpfungstat in sechs Tagewerken. Schon bei den Kirchenvätern freilich bestanden verschiedene Ansichten darüber, wie nun das, was der Hagiograph über Dauer, Art und Reihenfolge der Weltgestaltung sagte, im Einzelnen zu verstehen sei. Doch bis in die Neuzeit hinein vertraten die meisten Theologen eine buchstäbliche Auslegung, denn es bestand kein wissenschaftlicher Grund, an der Autorität des Genesisberichts auch in den auf Natur und Geschichte bezogenen Angaben zu zweifeln. Nun war es, - sieht man von der Galilei-Kontroverse ab, - keineswegs erst die Darwinsche Annahme einer Entwicklung der organischen Welt, die sich mit einem wörtlichen Verständnis der biblischen Oberlieferung nicht mehr vereinbaren zu lassen schien. Bereits lange vor 1859 hatten die Hypothesen und Theorien der als Wissenschaft noch jungen Geologie Zweifel an der naturtreuen Darstellung des Sechstagewerks aufkommen lassen, denen Exegeten, aber auch Naturforscher, für die das Weltbild der Genesis noch verbindlich war, mit der Annahme von Katastrophen- und 1 Sündflutstheorien zu begegnen suchten . Diesen Vorstellungen stand aber seit den 30er Jahren Charles Lyells Aktualismus krass entgegen, der Ge- danke nämlich von der gleichmäßigen, eine ungeheure Zeit in Anspruch nehmenden und nur durch auch noch heute tätige Kräfte beeinflußten Ent- wicklung der Erde. Dazu kamen weitere strittige Punkte: Erwähnt sei hier nur noch die schon weit vor 1859 einsetzende Diskussion um Zeitpunkt,

1) s. dazu Schwegler aa0 78. -95-

Zeitdauer und Ausdehnung (universell oder nur partiell) der biblischen Flut. Ein beliebtes und in vielen Zeitschriften aufgegriffenes Thema bildete ferner die Suche nach dem geographischen Ort des einstmaligen Paradieses, über das die Genesis doch so präzise Angaben zu machen schien.

So sieht sich die durch Darwin aufgeworfene Frage: Getrennte Schöp- fungsakte für jede Art oder Entwicklung aller Arten aus wenigen Urkei- men bereits eingebettet in einen größeren Zusammenhang, in den Problem- kreis der Glaubwürdigkeit der auf die Natur bezogenen Angaben des Schöpfungsberichtes überhaupt. Bevor daher im Einzelnen auf die Stel- lungnahmen zur Evolutions- und Abstammungstheorie eingegangen wird, er- scheint es sinnvoll, erst in einer Vorbetrachtung zu klären, welche Be- deutung dem den großen Rahmen für die Schöpfungsaussagen bildenden Sechs- tagewerk beigemessen worden ist.

Eine offizielle Äußerung der Kirche zu dieser Problematik lag zunächst nicht vor. Zwar definierte das vatikanische Konzil unter Bezug auf das IV.Laterankonzil in der constitutio dogmatica de fide catholica die Tatsache der göttlichen Weltschöpfung gegen Materialisten und Panthei- sten und wies ferner darauf hin, daß alle Bücher der hl.Schrift mit al- len ihren Teilen inspiriert seien. Doch wurde weder die zu diesem Zeit- punkt schon drängende Frage der biblischen Irrtumslosigkeit behandelt noch eine lehramtliche Entscheidung über die Zulässigkeit dieser oder jener Theorie bei der Genesisexegese gegeben. Der schon in anderem Zu- sammenhang zitierte Glaubenssatz des Vaticanums zum Verhältnis zwischen Offenbarung und profanwissenschaftlicher Erkenntnis, der die Existenz materialer Differenzen ausschloß (s.a.S. 55 ), konnte den Exegeten, die sich oft auf ihn bezogen, nur allgemeine Richtlinie sein, in concreto war ihnen nicht wesentlich damit geholfen. Denn sie schwankten sowohl, - wie noch zu zeigen sein wird -, bei der Frage, was nun als sicheres Ergebnis der Naturwissenschaften anzusehen sei, als auch stritten sie auf das heftigste miteinander, wer von ihnen denn das Wort Gottes rich- tig auslege. Erst die 1893 veröffentlichte Enzyklika Providentissimus -96-

Deus i , die erste einer Reihe von ausführlichen Stellungnahmen der Kir- che zur biblischen Exegese, suchte u.a. die inzwischen noch angewachse- nen Spannungen zwischen biblischem und modern-naturwissenschaftlichem Weltbild zu beseitigen. Leo XIII. betonte mit Nachdruck die universelle Ausdehnung der Inspiration, aus der die Irrtumslosigkeit folge. Doch sei es nicht das Ziel der biblischen Autoren gewesen, bzw. des Geistes Gottes, der durch sie sprach, naturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln. Vielmehr hätten sie die Beschreibung von Naturvorgängen in subjektiver, volkstümlicher Weise vorgenommen und sich mit der Wahrheit 2 des Augenscheins begnbgt . So gesehen bestehe weder ein Widerstreit zur prinzipiellen Inerranz der Schrift, noch könne von einem echten Zwie- spalt zwischen Theologie und Naturwissenschaft gesprochen werden. Der päpstlichen Verlautbarung folgten 1909 einige Entscheidungen der 7 Jahre früher gegründeten Bibelkommission, denen zufolge die ersten drei Kapi- tel der Genesis Berichte über wirkliche Geschehnisse enthalten, ohne daß es notwendig sei, alle einzelnen Wörter und Sätze im eigentlichen Sinne zu verstehen. Namentlich könne das Wort "Tag" auch im uneigent- lichen Sinne als längerer Zeitraum interpretiert werden. Am buchstäb- lich geschichtlichen Sinn sei bei Tatsachen festzuhalten, die die Grundanliegen der christlichen Religion berührten (u.a. Erschaffung al- ler Dinge durch Gott am Anfang der Zeit und besondere Erschaffung des 3 Menschen) . Zweifellos waren mit den angeführten Verfügungen des kirch- lichen Lehramts viele - wenn auch nicht alle - der Schwierigkeiten aus- geräumt, vor die die Naturwissenschaft die Exegeten bislang gestellt hatte. Dementsprechend nimmt die Zahl der einschlägigen Beiträge in den ein- zelnen Zeitschriften von den 90er Jahren an sichtlich ab, während bis

2) 1943 wird endlich dieses Zugeständnis auch auf die geschichtlichen Darstellungen der Bibel ausgedehnt (Enzyklika Divino afflante Spiritu). 3) s. dazu Ott aa0 111 f. - 97 -

4 zu diesem Zeitpunkt ein starkes Interesse zu verzeichnen ist . Im

Einzelnen kommt es zu recht unterschiedlichen Stellungnahmen.

b) Das Sechstagewerk als Offenbarungsquelle in natürlichen Dingen

Eine kleinere Anzahl von Schriftstellern lehnt die Berücksichtigung profanwissenschaftlicher Theorien bei der Exegese der Genesis kompro- mißlos ab. Sie tritt stattdessen für eine buchstäbliche Auslegung ein, die autoritative Geltung zu beanspruchen habe. Ein charakteristisches

Beispiel bietet in dieser Hinsicht das 1865 erscheinende Werk von

A.Bosizio S.J., dessen Grundgedanken in Kath und NuO positiv aufge- 5 nommen werden . Der Verfasser bestreitet der Geologie in sehr aggressi- ver Form jedes Recht, über die Entstehungsgeschichte der Erde Aussagen zu machen, mit der Begründung, die geologischen Theorien seien nicht empirisch nachweisbar, wohingegen die Angaben der Genesis eine histo- risch verbürgte und völlig ausreichende Erklärung gäben. Als einer der markantesten Vertreter der sogenannten Sündflutstheorie kommt Bo- sizio zu der Ansicht, daß sich die Sedimentärschichten samt den darin enthaltenen Fossilien erst seit der Sündflut, und das heißt für ihn in den letzten 4000 Jahren entwickelt hätten.

Für die Leser von NuO waren derartige Auffassungen keineswegs neu. Schon

Jahre vor Bosizio hatten der Landpfarrer Bolsmann und der Gymnasialleh- rer Mutke eine wörtliche Auslegung der Bibel verteidigt und es dabei 6 an Angriffen auf die Geologie nicht fehlen lassen . Die Auswertung

4) Mit insgesamt 50 eigenen Beiträgen - z.Teil langen Fortsetzungsar- tikeln - und 25 Rezensionen zu diesem Thema steht NuO mit an der Spitze aller anderen Zeitschriften, die mit ca. 10-26 Beiträgen aufwarten. Nach 1900 nur noch sporadisches Interesse. JNW u.PB1 be- teiligen sich überhaupt nicht.

5) A.Bosizio, Das Hexaemeron u.d.Geologie, 1865, vgl.? in Kath 45 (1865) a, 612 ff; Schlüter in NuO 11 (1865) 282 ff.

6) Bolsmann in NuO 4 (1858) 34 ff, 65 ff, 195 ff, 423 ff u.NuO 5 (1859) 49 ff, 179 ff, 289 ff, 355 ff. Mutke in NuO 8 (1862) 232 ff, 389 ff u.NuO 9 (1863) 241 ff. (Es wird hier wie überall nur der Beginn neuer Beiträge, nicht die einzelnen Fortsetzungen angeführt). -98-

ihrer Beiträge zeigt mit besonderer Deutlichkeit, wie das Bestreben, um keinen Preis vom Buchstaben der Schrift abzuweichen, oft gerade das Gegenteil zur Folge haben kann. Bei der eingehenden Lektüre be- gegnet ein in seinen Grundzügen sich immer wiederholendes typisches Verfahren: Mit höchster Akribie und streng wissenschaftlicher Attitude wird zunächst der biblische Text in seine Einzelbestandteile zerlegt und mit neueren wissenschaftlichen Theorien, aber auch eigenen Natur- beobachtungen verglichen. Bei diesem Vergleich bleiben die biblischen Angaben immer das Primäre, denen gegenüber es keinen Zweifel gibt, - auch nicht den Zweifel an der eigenen Interpretation. Das empirische Material wird ihnen untergeordnet und - soweit möglich - zur Bestäti- gung herangezogen. Was den biblischen Aussagen widerspricht, wird als unglaubwürdig angezweifelt und abgetan. Besonderer Beliebtheit er- freut sich in dieser Beziehung der Hinweis auf die angeblich willkürli- chen und sich einander widersprechenden Hypothesen der Profanwissen- schaft, deren Aufstellung sich letztlich nur aus einem glaubensfeind- 8 lichen Standpunkt erklären lasse . Genügt das vorhandene naturwissen- schaftliche Material nicht, um den Wahrheitsbeweis der biblischen An- gaben anzutreten, oder fehlt es gar völlig, so werden an seiner Stelle historische Kenntnisse wie auch mythische Oberlieferungen höchst unter- schiedlichen Wertes angeführt. Im Hintergrund steht dabei die in ortho- doxen Kreisen noch durchweg selbstverständliche Meinung, daß man ja erst 3 - 4000 Jahre, - später wurde die Zahl auf 6000 erhöht, - vom Para-

7) Wenn nach der Bibel die Tiere des Paradieses friedlich zusammenleb- ten, so darf nach Mutke "mit der größten Entschiedenheit" behauptet werden: "Die Bibel hat recht. Daß hier wieder einmal die gute Na- turwissenschaft völlig auf dem Kopfe steht - was ficht das uns an?" (NuO 9 (1863) 531 f). 8) So weist Bolsmann in NuO 5 (1859) 360, vgl. auch zuvor 356, die natur- wiss.Zeitrechnungen zur Erdbildung zurück: "Es ist ein willkürlich angenommenes Axiom, daß die Gesetze der Naturerscheinungen ewig und unveränderlich seien. Das sind nur leere Rodomontaden, wodurch die Zeitrechnung der h.Schrift gar nicht tangiert wird", erklärbar durch "den feindseligen Standpunkt der rationalist. und materialist. Natur- forschung dem Glauben gegenüber". -99-

dieseszustand entfernt sei und daß man infolgedessen die alten Völkersa- gen unbedenklich als historische Quellen für den biblischen Urzustand heranziehen kenne. Reicht weder die angeblich naturwissenschaftliche noch die angeblich historische Bestätigung der Genesisangaben aus, so greift

man als weiteres und sozusagen letztes Mittel zur "philologischen" Inter- pretation biblischer Begriffe. Hier werden dann einzelne Textstellen phantasievoll so zurechtgestutzt, bis sie den jeweils gewünschten Sinn 9 aussagen . Als gängige Begründung für ein derartiges Vorgehen dient das 10 Argument, es komme eben auf "die richtige Exegese" an . Oberhaupt bleibt eine blühende Phantasie das eigentliche Bindemittel der so von verschie- 11 denen Bereichen aus erfolgenden Ausdeutung des Schöpfungsberichtes End- resultat ist schließlich nicht nur der Nachweis, daß die biblische Ur- kunde sich bis auf die kleinsten Punkte rechtfertigen lasse, nach Art des bekannten Slogans "...und die Bibel hat doch recht", sondern darü- ber hinaus die Behauptung, daß "die Angaben der Bibel die besten Richt-

9) Für Mutke in NuO 10 (1864) 1o6 f bereitet z.B. bei der Vertreibung aus dem Paradies der "Cherubim mit dem Flammenschwert" exegetische Schwie- rigkeiten. Eine "bewaffnete Engelpolizei" kommt ihm doch "lächerlich modern" vor, da dann "der Engel ebensogut einen Revolver in der Hand hätte haben" können. Kurz entschlossen deutet er daher den Cherubim samt Flammenschwert als einen Vulkanausbruch, der das "im heutigen Armenien liegende Paradies" für die Menschen verschloß. 10) Typisch Bolsmann in NuO 4 (1858) 424 gegen die Behauptung, der Löwe habe im Paradies nur Stroh gefressen. Eine "richtige Exegese" beweise, daß Raubtiere gar nicht im Paradies gewesen seien. 11) Besonders nachzuweisen in den zahlreichen Erörterungen über Ausbrei- tung und Wirkung der Sündflut sowie über Lage und Beschaffenheit des Paradieses und seiner Insassen. Für Mutke in NuO 9 (1863) 533 ff läßt sich z.B. das friedliche Zusammenleben der Tiere im Paradies da- durch erklären, daß er das Fleischfressen als einen erst durch die Sündflut herbeigeführten "Notstand" bezeichnet, der im Grunde wider- natürlich sei und im Widerspruch zum ursprünglichen Willen des Schöp- fers stehe. Zudem seien "nur nordische Raubtiergattungen" im Para- dies gewesen, für die auch heute noch Früchte höchste Leckereien bil- deten, wie ausführlich nachgewiesen wird. Die paradiesische Schlange, die Adam und Eva "bei einem Nachmittagsspaziergang" entdeckten, wird von ihm in NuO 10 (1864) 24 f als "eine von jenen ungeheuren Baum- schlangen" identifiziert, "wie sie jetzt wohl nur noch die tropischen Urwälder Indiens ... beherbergen". Und bei der sündigen Frucht - 100 - 12 steige für die Wissenschaft" seien .

Die Beiträge Bolsmanns und Mutkes bilden fraglos einen Höhepunkt der naturwissenschaftsfeindlichen Exegese in den ersten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraumes, doch lassen sich ähnliche Verfahrensweisen und dementsprechende Ergebnisse auch weiterhin noch konstatieren. Sie beschränken sich allerdings im Wesentlichen auf NuO und StMl. Wie tief dos Bestreben, die Bibel zum naturwissenschaftlichen Lehrbuch zu ma- chen, bei einem Teil der katholischen Exegeten verwurzelt bleibt, mögen noch einige Beispiele aus späteren Jahren verdeutlichen: Bezeichnend dürfte bereits die Tatsache sein, daß es dem schon erwähnten Bosizio auch im Jahre 1877 noch möglich ist, seine alten geologiefeindlichen Behauptungen in einem neuen Werke aufzufrischen, ohne auf entschiedenen 13 - Widerspruch zu stoßen . Einer der bekanntesten zeitgenössischen Exege- ten, Franz von Hummelauer, der Bosizio seitenlang kritiklos zitiert, hält es in einer eigenen Studie zum biblischen Schöpfungsbericht sogar für möglich, daß Gott den Erdball mit all seinen Schichten und Fossi- lien, die als Usus dei aufzufassen seien, gleich fertig erschaffen 14 - habe . Für Hummelauer hat sich die Schöpfungsordnung, wenngleich in untergeordneter Weise, die Profanbelehrung des Menschen zur Aufgabe ge-

... kann es sich für Mutke nicht einfach um einen ordinairen Apfel ge- handelt haben, sondern muß es schon die "viel verführerische" Pam- pelmuse gewesen sein, zumal sie in manchen Gegenden noch heute "pom dAdamo" genannt werde. 12) Mutke in NuO 10 (1864) 110 ff. 13) A.Bosizio, D.Geologie u.d.Sündflut ..., 1877. Dazu breite und unkritische Rezensionen von ? in Kath 57 (1877) b, 90 ff; Hummel- auer in StMl 12 (1877) 63 ff; Nußberg in NuO 23 (1877) 632 ff. Kritik nur am Rande in Beiträgen anderer Autoren vgl. ? in HPB 81 (1878) 73. In NuO 24 (1878) 186 meint Schäfer, die Sündflutstheorie sei "dem Anathem des Naturforschers verfallen ... der Theologe hat keinen Grund an ihr festzuhalten, wohl aber sehr vielen, sie preis- zugeben". Ähnlich Hagens in NuO 27 (1881) 610; u.a. 14) Hummelauer, Der biblische Schöpfungsbericht ..., StM1 Erg. Heft 4 (1877) 115 f. -101 — setzt, weshalb es auch sachlich unberechtigt sei, von fachwissenschaft- lichen Irrtümern und Unrichtigkeiten der hl.Schrift zu sprechen, da das 15 inspirierte Gotteswort nur Wahrheiten und nie Irrtümer enthalte . Ganz ähnlich argumentiert auch Hummelauers Ordensgenosse Knabenbauer bezüg- 16 lich der Irrtumslosigkeit der biblischen Chronologie der Urzeit . Bei beiden Autoren verhindert die Gleichsetzung von Inspiration und absolu- ter Irrtumslosigkeit der Bibel eine Anerkennung geologischer Theorien, sobald diese biblischen Angaben zu widersprechen scheinen.

Auch in NuO sind es zunächst zwei Jesuiten, die sich zum Fürsprecher hyperkonservativer Auffassungen machen, wobei sich exegetische Selbst- sicherheit und naturwissenschaftliches Unverständnis die Waage halten. Sowohl Resch wie Handmann machen kein Hehl aus ihrer Geringschätzung der noch so jungen Geologie, denn "so subtil sind die wirklichen geologi- schen Tatsachen nicht, daß nicht auch ein Laie über die Beweiskraft - 17 geologischer Argumente urteilen konnte" . So nimmt es denn auch kein Wunder, daß Resch ebenfalls für die schon skizzierte Sündflutsthese Bosizios eintritt, die sich überhaupt als erstaunlich langlebig erweist, wird sie doch nicht nur 1891, sondern sogar noch 1900 in NuO allen Ern- 18 stes vertreten . Insgesamt gesehen spielen allerdings derart extreme

15) Hummelauer ebda 88 u. 92 sowie StMl 22 (1882) 94. H. gehört nur wegen seiner geologiefeindlichen Äußerungen in diesen Zusammenhang, vertritt im übrigen eine Mischung von Ideal- u. Konkordanztheorie u. gilt später als Progressist. 16) Knabenbauer in Seil 6 (1874) 166 u. 175. Der Umschwung erfolgt 11 Jahre später mit Wasmann in StMl 29 (1885) 389, der sich für sein Fachgebiet voll und ganz dem Aktualismus anschließt. Vgl. damit noch die vorsichtige Ausdrucksweise von Gander in NuO 38 (1892) 280. 17) Resch in NuO 20 (1874) 71; vgl. Handmann in NuO 22 (1876) 549 ff u. 594 ff. 18) Deppe in NuO 37 (1891) 722 ff; Elbert in NuO 46 (1900) 348 ff. Auch hier führt die Absolutsetzung biblischer Angaben zu den wunderlich- sten Feststellungen. -102- 19 Haltungen von den 80er Jahren an selbst in NuO kaum noch eine Rolle , und man könnte unter diese Phase katholischer Exegese einen Schluß- strich ziehen, wäre da nicht die Zeitschrift NuGl, in der seit 1898 noch einmal mit allem Nachdruck die Bibel gegen die Naturwissenschaft ausgespielt wird. Für den Herausgeber Weiß gilt es als ein Glaubens- satz der christlichen Religionen, "daß das, was in der hl.Schrift steht, wahr ist und daß an dieser Wahrheit nicht getüftelt und gezweifelt wer- ==== 20 den darf und gezweifelt werden kann" . Ein naives, die Möglichkeit und die Zuständigkeit jeder kritischen Exegese schlichtweg negierendes Schriftverständnis läßt Weiß wie einige seiner Mitarbeiter verbaltheo- retische Auffassungen vertreten, die nun selbst konservative Katholiken anachronistisch anmuten mußten. Weiß war, wie schon erwähnt, kein 21 Theologe und, wie er selber betonte, "am wenigsten Exeget" . Seine Auf- sätze zur Schöpfungslehre aber weisen ihn als dilettierenden Privat- exegeten aus, für den es bei einem Widerspruch zwischen biblischem Be- richt und modernem Forschungsergebnis nur die kurzschlüssige Alternative gibt: "Entweder der biblische Schriftsteller hat falsch berichtet, oder 22 das Forschungsergebnis ist falsch" . Die Reduzierung der Problematik einer Genesisauslegung auf diese einfache Formel stand zu dieser Zeit bereits in offensichtlichem Gegensatz zu den Grundsätzen, die Leo XIII.

19) Erwähnenswert noch Grupp, der in NuO 33 (1887) 672 ff, anhand der biblischen Angaben ein ausführliches Bild vom Anfang der Kulturent- wicklung entwirft und u.a. die subtile Frage, ob und wie der Acker- bau schon im Paradies betrieben worden sei, mit der Feststellung beantwortet: "wenn ... dann wohl nur in einer idealen, symbolisie- renden Tätigkeit " (728). 20) Weiß in NuGI 1 (1898) 85; vgl. Vendelinus in NuG1 5 (1902) 340, der den "noch meist tief religiösen Knappen" des Saarkohlenreviers als Vorbild für eine Auffassung anführt, "die den biblischen Schöpfungsbericht im alten natürlichen Sinn ohne Drehen und Deuteln" begreift, wenn auch die Männer der Wissenschaft anderer Meinung seien. 21) Weiß in NuG1 2 (1899) 6. 22) Weiß in NuGI 1 (1898) 101. Bemerkenswert auch die wehmütige Klage von A. in NuGI 4 (1901) 271: "Augustinus (korrigierte) die Wissen- schaft seiner Zeit an der hl.Schrift, während jetzt dieselbe hl. Schrift entweder als Mythe beiseitegelegt oder ihr Bericht nach den vermeintlichen Resultaten der Forschung vergewaltigt wird". - 103 -

in seiner Enzyklika 1893 den katholischen Exegeten empfohlen hatte. c) Versuche einer Harmonisierung zwischen biblischen und profanwissen- schaftlichen Aussagen.

Neben der gerade skizzierten Gruppe intransigenter Schriftsteller steht eine etwas größere Anzahl von Autoren, die sich, bei teilweiser oder völliger Anerkennung naturwissenschaftlicher Ergebnisse, um eine Harmo- nisierung zwischen Naturwissenschaft und mosaischer Kosmogenie bemühen. Auch diese Autoren halten prinzipiell an einer geschichtlichen Auslegung der Genesis fest, wie überhaupt die Grenzen zwischen beiden Gruppen im Einzelnen fließend sein können. Es überwiegt hier jedoch das Bestreben, bei scheinbaren oder tatsächlichen Gegensätzen zwischen Hexaemeron und Naturwissenschaft, die letztere nicht zugunsten einseitiger Überschät- zung des biblischen Zeugnisses a priori als falsch zurückzuweisen. Die zumeist notwendige Voraussetzung dafür bildet das nicht wörtliche Ver- ständnis des hebräischen jom, die es erlaubt, die Schöpfungstage als mehr odermindergroße Zeiträume aufzufassen, denen man die geologischen Perioden parallelisieren kann. Im Gegensatz zu der oben beschriebenen Gruppe herrscht hier also die unreflektierte, weil als selbstverständ-

lich angesehene Meinung vor, die biblischen Angaben müßten nur, wenn sie wahr sein sollten, eine entsprechende Deutung erfahren, um sie den als wahr erkannten naturwissenschaftlichen Ergebnissen zumindest anzu- passen. Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, möglichst viele Paral- lelen zwischen Bibel und Profanwissenschaft zu entdecken, um damit die Historizität und Wahrheit der Genesisaussagen a posteriori seitens der Naturwissenschaft bestätigt zu erhalten.

Der hermeneutische Grundsatz für diese Auffassung findet sich bereits

1854 in Kath, wenn dort der italienische Jesuit Pianciani mit der Forderung zitiert wird, bei der Exegese Rücksicht auf die Ergebnisse der Naturwissenschaft zu nehmen "und unter verschiedenen, dogmatisch und exegetisch zulässigen Auslegungen jene zu wählen, welche am besten 23 mit den Resultaten der natürlichen Wissenschaft harmonisiert" . Obwohl

23) ? in Kath 1854 NF 9, 405. - 104-

der Rezensent sich von Pianciani abgrenzt und nachdrücklich den hypo- thetischen Charakter aller Konkordanzversuche betont, wird in dieser Zeitschrift auch in den folgenden Jahren noch verschiedentlich zu be- weisen gesucht, daß "der Gang der Naturentwicklung ... nicht nur dem Prinzipe sondern auch der zeitlichen Entfaltung nach der Darstellung des Sechstagewerkes in der hl.Schrift" entspreche, wobei zum Teil die auftauchenden Schwierigkeiten einer Konkordanz ganz erheblich unter- schätzt bzw. übersehen werden24.

Abgesehen von diesen frühen Aufsätzen im Kath, haben sich die allge- meinen Zeitschriften verhältnismäßig wenig mit Konkordanzversuchen be- schäftigt. Weit mehr Material bieten die Beiträge von NuO, in denen auch charakteristische Unterschiede des Verfahrens im Einzelnen zu be- obachten sind, je nachdem ob eine vollkommene oder eine nur annähernde Übereinstimmung zwischen Hexaemeron und Naturwissenschaft angestrebt wird.

Eine Konkordanz strenger Art unternimmt etwa der Gymnasiallehrer Lüken 25 gleich in den ersten Bänden von Nu0 . Er möchte bis in letzte Einzel- fragen hinein zeigen, "wie wunderbar (die Bibel) selbst mit allen astro- nomischen und naturhistorischen Entdeckungen der Zeit harmoniert" (5.160), ohne daß es notwendig wäre, von einem wörtlichen Verständnis des Textes abzuweichen. Lükens Aufsätze, die sogleich auf die scharfe Kritik von Michelis stießen, bilden ein gutes Beispiel für die Verkünstelungen und Verklemmungen, die sowohl in naturwissenschaftlicher wie exegeti- scher Hinsicht notwendig waren, um die gewünschte volle Harmonie zu er- reichen.

Andere Autoren geben sich demgegenüber großzügiger und vermeiden meist ein Eingehen ins Detail. Sie gestehen gewisse Einzeldifferenzen ohne

24) ? in Kath 41 (1861) a, 52 ff (Zitat in 41 (1861) b, 715). Der Ver- fasser vertritt in Verbindung mit seiner Konkordanz auch restitu- tionistische Auffassungen, vgl. für diesen Zusammenhang Zoeckler, Geschichte...aa0, 534. Vgl. ferner ? in Kath 41 (1861) 284 ff.

25) Lüken in NuO 1 (1855) 176 ff u. NuO 3 (1857) 153 ff; u.a. - 105 - weiteres zu, erklären sie aber für unwesentlich oder versuchen, sie mehr oder minder geschickt hinwegzuinterpretieren, indem z.B. an kri- tischen Punkten auf die Symbolik des Schöpfungsberichtes abgehoben wird (Pape), die natürlich als Nothelferin immer dann zur Stelle ist, wenn ein Ausgleich unmöglich zu sein scheint. Diesen Autoren genügt es, wenn wenigstens in den großen Zügen die mosaischen Angaben durch die Naturwissenschaft "bestätigt" werden26.

Die Blütezeit derartiger Versuche, "Wissenschaft und Offenbarung in 27 ihrer Harmonie" zu schildern, hat selbst die Jahrhundertwende noch 28 überdauert , obwohl die Enzyklika Providentissimus Deus ihnen eigent- lich die Grundlage entzogen hatte. Daß eine Zeitschrift wie NuG1 neben ihrer schon skizzierten naturwissenschaftsfeindlichen Einstellung auch auf Harmonisierungsversuche nicht verzichtet, soweit sie das wörtliche Verständnis der Bibel nicht behindern, versteht sich nach dem bisher 29 über sie schon Gesagten zwar von selbst . Aber auch in progressiven Zeitschriften finden sich vereinzelt noch wohlwollende Stellungnahmen zu konkordistischen Thesen. So heißt es z.B. noch 1914 in Schö, die Bibel enthalte "verblüffende naturwissenschaftliche Kenntnisse", so daß biblischer und naturkundlicher Schöpfungsbericht aufs beste über-

26) W. in NuO 3 (1857) 252 ff; Pape in NuO 11 (1865) 433 ff; Reinhard in NuO 28 (1882) 129 ff; Braun in NuO 34 (1888) 90 ff; Waagen (Wie- ner Ordinarius für Paläontologie!) in NuO 44 (1898) 641 ff; u.v.a. 27) So der Titel eines begeistert begrüßten Werkes des spanischen Philosophen Orty y Lara, das als Gegenstück zu J.W.Draper, History of the Conflict between religion and science, gedacht war. Vgl. Dressel in Seil 21 (1881) 189 ff; ? in Kath 64 (1884) b, 438 ff; H. in NuO 31 (1885) 562 ff. Ähnlich überschwengliche Rezensionen erhält auch das dem gleichen Ziel der Harmonisierung zustrebende 7bändige Werk des Breslauer Domkapitular Lorinser, Das Buch der Natur. Entwurf einer kosmolog.Theodicee, 1876 ff. 28) Gockel in NuO 54 (1908) 638 f; Minjon in Kath 91 (1911) b, 458 ff vertritt eine interperiodistische Theorie, indem er die 7 Tage "als eigentliche historische Tage der wirklichen Weltentwicklung" ver- standen wissen will, zwischen sie jedoch Perioden von unbestimmter Zeitdauer setzt; u.a. 29) Elbert in NuG1 3 (1900) 289 ff; u.v.a. - 106-

30 einstimmten . Der Verfasser des Beitrages sieht sich mit dieser Be-

hauptung allerdings nach eigenem Eingeständnis bereits in Widerspruch

zur modernen katholischen Exegese. Er dürfte Recht gehabt haben. Die

Konkordanztheorie hatte sich überlebt. Die Wurzeln zu ihrer Kritik

aber lassen sich nicht erst im 20.Jahrhundert greifen, sondern reichen

ebenfalls tief ins 19. zurück.

d) Das Sechstagewerk als Offenbarungsquelle allein religiöser Heils-

wahrheiten. Verzicht auf wörtliche Auslegungen der naturkundli-

chen Angaben

Berücksichtigt man die heftigen Angriffe, die der Materialismus schon vor 1859 gegen die biblische Erzählung richtete, sieht man ferner, wie sehr die katholische Exegese zu dieser Zeit noch geschichtliche Ausle- gungen bevorzugte, so dürfte es bemerkenswert und geradezu unerwartet sein, daß in Zeitschriften wie Kath und NuO, die auf der einen Seite doch in so beträchtlichem Maße verbaltheoretische Anschauungen zu Worte kommen lassen, andererseits von Anfang an ganz oder ansatzweise Auffas- sungen vertreten werden, die auf eine wörtliche Exegese verzichten und statt dessen den heilsgeschichtlichen Zweck der biblischen Offenbarung in den Vordergrund stellen. Schon die 1854 in Kath erfolgende deutliche

Distanzierung von der Konkordanztheorie Piancianis (s.a.S. 103 f ) ist verbunden mit dem nachdrücklichen Hinweis auf die "statthafte Möglich- keit ... die sechs Tage in einen Zeitmoment zusammenzuziehen" (S.410) und damit jedem Widerspruch mit den Theorien der natürlichen Wissenschaft zu entgehen. Die Genesis enthalte "keine detaillierte Erzählung der Erd- bildung ... sondern nur eine Aufzählung der Hauptklassen aller von Gott in instanti wenigstens virtualiter erschaffenen Dinge, über deren aktuelle 31 Ausgestaltung nichts Näheres gesagt wird" (S.409) . Überzeugender noch

30) Annomann in Schä 2 (1914) 165.

31) ? in Kath 1854 NF 9, 402 ff. - 107 -

heißt es in einer 1857/58 erscheinenden längeren Aufsatzfolge, die zu den progressivsten zeitgenössischen Stellungnahmen gerechnet werder darf: "Man vergißt eben beim ersten Kapitel der Genesis, was man doch sonst durch die ganze hl. Schrift festhält, daß die Offenbarung uns weder Naturwissenschaft lehren noch zu Fragen darüber, mit der Aussicht, daß Gott sie löse, veranlassen will, daß sie daher überoll in dergleichen Dingen dem sinnlichen Augen- schein sich anbequemt und von Naturereignissen so spricht, daß die Menschen aller Zeiten und Bildungsstufen ihre alltogliche Sprache hören und nicht eine wissenschaftliche..." 32.

Im Einzelnen rechnet der Verfasser zu den Anthropomorphismen die ganze Darstellungsweise des Schöpfungswerkes, auch das Aufeinanderfolgen der Schöpfungsakte Gottes sowie deren Darstellung unter dem Bilde von Ta- gewerken. Eine Beachtung dieser hermeneutischen Prinzipien hätte der katholischen Exegese des Schöpfungsberichtes im 19. Jahrhundert wohl ein anderes Gesicht gegeben, doch seltsamerweise werden sie von Kath in den nächsten Jahren nicht erneut aufgegriffen 33 . Die Vermutung, daß der seit 1859 um Darwins Gedankengut bereicherte Materialismus die Exe-

geten zunächst zu einem kopflosen Rückzug auf verbaltheoretische Posi-

tionen genötigt und damit eine ruhige Weiterentwicklung modernerer Grundsätze verhindert hat, liegt hier besonders nahe.

So bleibt eine eigentliche Diskussion um das bei der Exegese anzuwen-

dende Verfahren, soweit sie über den innertheologischen Raum hinaus durch das Medium der Zeitschriften auch vor dem Laien ausgetragen wird, zu dieser Zeit allein auf NuO beschränkt. Hier entwickelt Michelis in 34 zahlreichen Aufsatzfolgen und Rezensionen eine eigene Auffassung,

32) ? in Kath 1857 NF 16, 392 ff (Zitat S.400) 33) Zwar heißt es noch in Kath 45 (1865) b, 405: "Die hl.Schrift will keine Naturwissenschaft lehren, beabsichtigt nirgends tatsächliche Angaben in dieser Richtung zu machen oder gar zum Beweis ihrer Göttlichkeit spätere Resultate der Wissenschaft prophetisch zu an- tizipieren", doch hält sich der Verfasser bei der Einzelexegese keineswegs an dieses beherzigenswerte Axiom. 34) Bis 1869 gibt es keinen Band, in dem Michelis nicht in mehr oder weniger ausführlicher Form auf ein Problem der Genesisexegese ein- gegangen wäre. - 108 -

die zumindest teilweise als idealistisch gelten kann und die die Aus- einandersetzung mit anderen Meinungen nicht scheut.

Schon im Gründungsaufruf der Zeitschrift stellen die Herausgeber fest, "daß unbestrittene Tatsachen der wissenschaftlichen Forschung mit dem Buchstaben der hl.Schrift sich in Widerspruch befinden", wobei aller- dings vorsichtigerweise gleich hinzugefügt wird, es komme eben nicht auf den Buchstaben als solchen an, "sondern auf den in der unfehlbaren 35 Kirche erklärten und verstandenen Buchstaben" . Das Zitat deutet an, worauf Michelis Wert legt. Bereits sein erster Beitrag enthält ein 36 Konzept , das in den folgenden Jahren nur noch kleinere Modifizierungen erfahren soll: Gleichermaßen verfehlt scheint ihm ein wörtliches Ver- ständnis der 6 Tage wie ihreParallelisierung mit geologischen Perioden auch größter Zeitdauer, da zu viele Einzelmomente auf beiden Seiten 37 sich nicht in Übereinstimmung bringen ließen . Der anthropomorphisti- sche Charakter der biblischen Darstellung, die ja in einem Zeitalter der Kindheit der Menschheit entstanden sei, erübrige jeden Konkordanz— versuch. Moses habe nicht das Wie der Naturprozesse schildern wollen, sondern gebe lediglich "das Resultat, (das), was Gott wirklich zu Wege gebracht habe" 38 . Daher sind für Michelis die sechs Tage nicht Zeit — sondern "Schöpfungsmomente", die nicht das Wie der Verwirklichung der 39 Schöpfung mitteilen, sondern lediglich die "Idee ihrer Realisierung" . Die Ablehnung einer jeglichen Konkordanz, der ausdrückliche Hinweis auf die Anthropomorphismen des Hexaemerons gestatten es, die Theorie Michelis bis hierher als idealistisch zu charakterisieren. Doch bleibt er bei diesem Resultat nicht stehen. Vielmehr enthält die Genesis für ihn "eine tiefere über den Buchstaben hinausgehende Wahrheit" 4°. Zwar

35) Heis u.a. in NuO 1 (1855) zu Beginn o. S. 36) Michelis in NuO 1 (1855) 1 ff. 37) Zehn Jahre später betont er "die durchgreifende Nichtübereinstim- mung des Buchstabens der hl.Schrift mit der wissenschaftl.empiri- schen Naturerkenntnis", NuO 11 (1865) 311. 38) Michelis in NuO 3 (1857) 350. 39) Michelis in NuO 1 (1855) 104. 40) Michelis in NuO 6 (1860) 167. -109-

werde keine empirische, wohl aber eine ideale Wirklichkeit wiedergege- ben, und die Aufgabe einer jeden Exegese müsse es sein, diese "höhe- 41 ren", "idealen Gesichtspunkte" zu ermitteln . Das heißt: gelingt es, die Genesis aus der anthropomorphistischen Darstellungsweise in ihren philosophischen Gehalt umzusetzen, so erhält man nach Michelis "den Grundriß einer wahren, vom Standpunkte der Offenbarung aus begründeten 42 Naturwissenschaft" . Damit wird hier die Genesis zum Ausgangspunkt einer Naturspekulation unter christlichem Vorzeichen gemacht, die zwar auf höherer Ebene steht als ein bloßer Konkordanzversuch, weil sie sich nicht an empirischen Forschungsergebnissen orientiert, die aber anderer- seits eben deshalb auch keinen Anspruch mehr darauf erheben kann, der induktiv vorgehenden naturwissenschaftlichen Forschung gerecht zu wer- den. Es bringt nicht weiter, an dieser Stelle ausführlich auf die Art und Weise einzugehen, in der Michelis den Schöpfungsbericht naturphilo- 43 sophisch ausdeutet und damit seine "ideale Naturauffassung" begründet.

Trotz des ständig wiederholten Hinweises, daß seine Ansichten nicht im Widerspruch zu den von der kirchlichen Tradition vertretenen Thesen ständen, hat er im katholischen Lager fast keine Resonanz gefunden und 44 sich darüber mehrfach bitter beklagt . Auch sein Versuch, - fast 30 Jahre vor Erscheinen der Enzyklika Providentissimus Deus -, eine Ver- einigung aller katholischen Gelehrten anzuregen mit dem Ziel, das kirch-

41) Michelis in NuO 6 (1860) 172. 42) Michelis in NuO 7 (1861) 214.

43) Unter anderem findet er in der Genesis ausgesprochen den "fundamen- talen Gegensatz zwischen Geist und Stoff", die Scheidung des Ponde- rablen und Inponderablen, die Grundentwicklungsstufen von Faune u. Flora (Gegensätze grünes Kraut: fruchtbringendes Holz; Wasser- u. Lufttiere) usw. usw. vgl. bes.NuO 1 (1855) 106 ff; NuO 8 (1862) 206 ff, 248 ff. Auf die Verwandtschaft mit der Baaderschen Kosmo- gonie weist Werner aa0 625 hin. 44) "... es befällt mich manchmal eine bittere Empfindung, wegen der Apathie und wo nicht Gleichgültigkeit, so doch Tatlosigkeit, womit so ernstgemeinte Versuche auch katholischer Seits aufgenommen werden...NuO 8 (1862) 261. - 110 - liche Lehramt um eine Äußerung zum Problem der Genesisexegese zu bit- 45 ten, trifft, soweit feststellbar, auf keinerlei Echo . Michelis bleibt, ohne Unterstützung von anderer Seite, auf die Spalten seiner eigenen Zeitschrift angewiesen und mißt hier nun in sehr aggres- siver Weise andere Auffassungen am Maße der eigenen. So wird etwa Basi- zios Versuch, die geologischen Schichten auf die Sündflut zurückzuführen, als "rhetorisches, um nicht zu sagen, rabulistisches Streben" bewertet, "durch von außen her zusammengeraffte Scheingründe die Wissenschaft im Interesse der Glaubenswahrheit zu verdächtigen". Bosizio schlage "dem ganzen Fortschritt der Naturerkenntnis geradezu ins Angesicht". Wenig besser kommen die bekannten Werke von Vasen, Schuster, Reusch und Veith 47 weg, soweit sie sich auf die Genesisexegese beziehen . Basis der Mi- chelisschen Kritik ist der immer erneute Hinweis auf die Gefährlich- keit eines jeglichen Konkordanzversuches, zumal wenn Gelehrte wie Schu- ster und Reusch eingestandenermaßen über gar kein eigenes Urteil in na- turwissenschaftlichen Dingen verfügten. So, komme es letztlich nur "zu einer Mengerei wunderlicher Vorstellungen und angeblicher Resultate der Wissenschaft auf Hörensagen von zweiter und dritter Hand hin", und "der arme Moses, ... dem in solcher Weise verzwickte Konjekturen der Theologen nach den Resultaten der neuesten Naturwissenschaft auf den Hals geladen" würden, sei zu bedauern48. Die ironische Schürfe die- ser Kritik bringt Michelis dann auch prompt Kontroversen mit Schuster

45) Michelis in NuO 10 (1864) 114. 46) Michelis in NuO 13 (1867) 233 u. 11 (1865) 315. Eine ähnliche Ab- fuhr in NuO 3 (1857) 380 ff erhält F.v.Rougemont, der als Verbaltheo- retiker "auch die Apokalypse als unmittelbarste Quelle naturwissen- schaftlicher Wahrheit" zu benutzen suchte. 47) C.H.Vosen, Das Christentum u.d.Einsprüche seiner Gegner, 1862, vgl. NuO 8 (1862) 89 ff; J.Schuster, Handb.d.bibl. Gesch.d.Alten u.Neuen Testamentes, 1862, vgl. NuO 8 (1862) 93 f; F.H.Reusch, Vorlesungen über die Mos.Urgesch., 1862, vgl.NuO 8 (1862) 473 ff u. NuO 12 (1866) 428 ff; J.C.Veith, Anfänge d.Menschenwelt, 1865, vgl. NuO 11 (1865) 238. 48) Michelis in NuO 8 (1862) 93 f. gegen Schuster. und Reusch ein, die ebenfalls in NuO ausgetragen werden. Und schließlich sind selbst die Mitarbeiter der eigenen Zeitschrift von seiner Angriffs- 49 lust nicht verschont worden . Lediglich die Bibl.Schöpfungsgeschichte von Baltzer hat als einziges Werk dieser Zeit eine insgesamt positive Würdigung erfahren, da Michelis hier verwandte Auffassungen verwirklicht sah

So darf Michelis als einer der ersten gelten, die im katholischen Raum die Unzulänglichkeit der verbal- bzw. konkordanztheoretischen Positionen innerhalb der Genesisexegese mit allem Nachdruck aufgewiesen haben, wenn auch andererseits seine altertümelnde Naturphilosophie die Bedeut- samkeit seiner Stellungnahmen erheblich mindert und wohl mit seine Iso- lierung verschuldet hat. Immerhin ist auch nach seinem Ausscheiden aus der Redaktion die Kritik an geschichtlichen Auslegungen des Hexaemerons gerade in NuO - weniger in anderen Zeitschriften - nicht ganz verstummt.

Sie äußert sich zunächst einmal in Rezensionen, wobei in späteren Jah- ren besonders auf die Selbständigkeit der biblischen Exegese gegenüber 51 der Naturwissenschaft abgehoben wird . Sie äußert sich zweitens in der allerdings nur vereinzelt erfolgenden Erörterung hermeneutischer 52 Richtlinien, wie sie z.B. 1877 der Neutestamentler Schanz vornimmt .

49) Das gilt für Luken, Pape u.Mutke. Luken hat wohl daraufhin seine weitere Mitarbeit in NuO eingestellt. Andererseits ließ Michelis aber auch Kritik an der eigenen Auffassung zu, vgl. W. in NuO 3 (1857) 252 ff; X in NuO 3 (1857) 299 ff u.Rees in NuO 10 (1864) 327 ff. 50) Michelis in NuO 13 (1867) 232 ff. 51) Hagemann in NuO 16 (1870) 529 f u. NuO 18 (1872) 536 u.46. Siehe auch ? in HPB 73 (1874) 464, der sich dagegen verwahrt, die Bibel "in eine geoffenbarte Naturwissenschaft" zu verwandeln. Siehe spä- ter Selbst in Kath 82 (1902) b, 364; Mayer in NuO 54 (1908) 125; u.v.a. 52) Schanz in NuO 23 (1877) 668 ff; vgl. Heiner in Kath 89 (1909) b, 189; Muckermann in Seil 85 (1913) 65; u.v.a. Interessant Deppe in NuO 45 (1899) 417 ff, der damit eine völlige Änderung seiner früher eingenommenen Haltung vollzieht (vgl. o.Anm. 18). - 112 -

Unter Hinweis auf Augustinus, der ja überhaupt gerne als Paradefall für eine freiere Auslegung der Genesis zitiert wird, stellt Schanz ähnliche Grundsätze auf, wie sie bereits 20 Jahre früher in Kath nach- zulesen waren (s.a.S. 107 ). Schließlich kommt es auch zu praktischen Versuchen, eine Verbalauslegung zum Teil oder ganz durch Idealerklärun- gen zu vermeiden. Am bemerkenswertesten dürfte in dieser Hinsicht die allerdings nur mittels Rezensionen erfaßbare Theorie sein, die der Münsteraner Exeget Schäfer 1882 vorlegt 53 . Nach ihm ist das Hexaemeron durch eine Vision dem Hagiographen geoffenbart worden und enthält einen idealen Schöpfungsplan, der mit der wirklichen Schöpfung kaum reale Anknüpfungspunkte habe. Infolgedessen seien Widersprüche zwischen Bibel und Naturwissenschaft ausgeschlossen, da die Bibel nicht naturwissen- schaftliche Aufschlüsse gebe, sondern, wie ausdrücklich betont wird, den Heilsweg zeigen wolle. Das Sechstagewerk verfolge in populärer, nach dem Augenschein urteilender Einkleidung den Zweck, bestimmte reli- giöse Gesichtspunkte, wie z.B. die Bedeutung der einzelnen Teile der Welt, vor allem des Menschen und dessen Stellung zu Gott und Welt dem Bewußtsein einzuschärfen und teile dazu die Schöpfung in sechs logische, nicht aber chronologische Abschnitte. Unverkennbar zeigt sich in diesen Punkten die Nähe der Schäferschen Auffassung zu der von Michelis, ohne daß jedoch eine aufgepfropfte theosophische Naturphilosophie das Er- gebnis wieder entwerten würde. Analoge Überlegungen stellen auch andere Autoren an, wenn auch Varia- tionen anzumerken sind: Moellers in NuO möchte, ähnlich wie schon Augu- 54 stinus, die Genesis allegorisch gedeutet wissen . An ihn lehnt sich wenig später Hagens an mit einer als "Causaltheorie" definierten Deu- tung, die im Sechstagewerk lediglich den Akt der schöpferischen Ge- setzgebung dargestellt sieht, während die reale Ausgestaltung erst viel

53) B.Schäfer, Bibel u.Wissenschaft ... 1881, dazu ausführliche z.Teil kritische Rez. von Hummelauer in Seil 22 (1882) 93 ff; Güttler in HPB 89 (1882) 347 ff; ? in Kath 61 (1881) b, 546 ff; Reinhard in NuO 28 (1882) 186 ff. 54) Moellers in NuO 22 (1876) 54 ff. -113- •• 55 spater erfolgt sei . Der Kirchenhistoriker Kobler wiederum vertritt unter Berufung auf den englischen Bischof Clifford die Meinung, bei der Genesis handle es sich um einen Hymnus ritueller Natur, der nichts über eine historische Reihenfolge des Geschaffenen aussage. Diese These bringt ihm allerdings den Vorwurf ein, er nähere sich in bedenklicher 56 Weise dem Mythismus . Schließlich ist noch Güttler zu nennen, der 1877 57 in einem stark beachteten Buch die Grundzüge der concordistischen mit der idealen Auffassung zu verbinden sucht, indem er zwar die Paralleli- sierung der Schöpfungstage mit geologischen Perioden als unhaltbar auf- gibt, andererseits aber doch daran festhält, daß die Hauptmomente der tellurischen und organischen Entwicklung im Schöpfungsbericht logisch voneinander geschieden und in der richtigen Reihenfolge aufeinander- folgend dargestellt würden, womit er letztlich Konkordist bleibt58.

Insgesamt ergibt sich somit eine bunte Vielfalt von Entwürfen, deren gemeinsame Grundlage das Bestreben bildete, den leidigen Querelen mit der Naturwissenschaft durch ein nicht mehr an den unmittelbaren Wort- laut des Schöpfungsberichtes gebundenes Verständnis zu entgehen und damit eine vom Profanwissen weitgehend unabhängige Deutung vorzulegen. Derartige Auffassungen brachten jedoch immer das Problem mit sich, wo nun genau die Grenze anzusetzen sei zwischen zeitbedingter Aussageform und ewig gültigem Aussageinhalt.

Den Anstoß zur Behandlung dieser Frage gab im deutschen Sprachraum der Münsteraner Exeget Rohling mit einem damals nur wenig beachteten, 1872

55) Hagens in NuO 27 (1881) 559 ff mit allerdings falschen Zeitvorstel- lungen. 56) Kobler in NuO 27 (1881) 449 ff. Gegen ihn Westermeyer in NuO 27 (1881) 731 ff. Der Mythismus ist die einzige vom kirchl. Lehramt verworfene Erklärung des Hexaemerons. 57) K.Güttler, Naturforschung u.Bibel ..., 1877, dazu Schäfer in NuO 24 (1878) 121 ff; Hummelauer in StMl 13 (1877) 576 ff; ? in Kath 58 (1878) a, 99 ff; ? in HPB 81 (1878) 68 ff. Vgl. Güttler selbst in HPB 89 (1882) 359 ff. 58) Ähnlich später Ä. Schöpfer, Gesch.d.Alten Testaments, 1893, dazu R. in HPB 113 (1894) 313 ff. 114 59 in NuO veröffentlichten Beitrag . Rohling will der Charybdis der konkordistischen Theorie, die zum Nachteil vieler Gewissen der Wahr- heit entbehre, wie der Scylla der idealistischen Theorie, mit deren Hilfe der Interpretation des Textes keine Grenzen mehr gesetzt seien, durch die Annahme entgehen, daß vom Schöpfungsbericht nur die Schöpfung aus nichts und Adams Vaterschaft für die ganze Menschheit als res fi- dei et morum festzuhalten seien. Ober die Richtigkeit aller anderen Aussagen des Schöpfungsberichtes habe dagegen die Naturwissenschaft zu befinden, denn in rebus profanis sind die biblischen Aussagen für Rohling eine dem Irrtum unterworfene rein menschliche Darstellung. Da das Vaticanum, wie schon erwähnt, nur die Inspiration der hl.Schrift betont hatte, ohne sich über ihre Ausdehnung näher auszulassen, blieb für die Rohlingsche These einer Beschränkung der Irrtumslosigkeit auf das Gebiet der Glaubens— und Sittenlehre immerhin ein denkbarer Platz, zumal sie auf den ersten Blick den unbestreitbaren Vorzug bot, alle von Seiten der Naturwissenschaft erhobenen Einwände mit einem klaren Axiom aus dem Wege zu räumen. Doch stößt Rohlings These bereits wenige Monate später auf den scharfen Widerspruch des Paderborner Or- 60 dinarius Rebbert , der seinem Fachkollegen willkürliche Interpreta- tion vorwirft, die das Sechstagewerk auf die gleiche Stufe stelle wie die Darstellung des Ovids im Eingang der Metamorphosen. Für Rebbert erhielten die biblischen Autoren auch in profanwissenschaftlichen Din- gen so viel göttliches Licht, daß sie in keinem Fall etwas Falsches niedergeschrieben hätten. Rohling selbst sieht sich noch im gleichen Jahre gezwungen, seine Ansicht mit der Begründung zu widerrufen, er sei auf eine Entscheidung Clemens VI. von 1351 gestoßen, derzufolge kein Zweifel mehr daran bestehe, daß der Katholik die Irrtumslosigkeit der 61 Schrift auch in rebus profanis annehmen musse . Die knappe Kontroverse

59) Rohling in NuO 18 (1872) 97 ff. Rohling, wird übrigens in der Exe- gese als "sehr konservativ" bezeichnet (Hegel aa0 238). 60) Rebbert in NuO 18 (1872) 337 ff, vgl. Rohling ebda, 385 ff. 61) Rohling in NuO 18 (1872) 433. - 115 -

zwischen Rohling und Rebbert bildete nun keineswegs den Abschluß, son- dern erst den Vorläufer einer ungemein lebhaften Diskussion zur "bibli- schen Frage", die ihre Impulse namentlich aus dem französischen Sprach- raum bezog, wo der Orientalist Lenormant 1881 den Rohlingschen Stand- 62 punkt wiederholte und ausweitete . Doch ist hier nicht der Ort, der daraus entspringenden theologischen Auseinandersetzung nachzugehen, nicht zuletzt deshalb, weil der Streit um die Bewertung der auf die Natur bezogenen Angaben der Schrift nur einen Teilaspekt im Rahmen einer umfassenderen Problematik ausmachte. Erwähnenswert für die hier allein interessierende Frage nach dem Verhältnis zwischen Naturwissen- schaft und Bibel dürfte nur der Hinweis sein, daß mit den schon skizzier- ten Ausführungen von Providentissimus Deus 1893 s.o.S. 95 f ) die Rohling/Lenormantsche These dem Verdikt verfällt, gleichzeitig aber doch eine Lösungsmöglichkeit für die Schwierigkeiten auf dem Gebiete der Naturbeschreibung geboten wird.

Der Paderborner Exeget Peters hat sich dann als Sprecher einer fort- schrittlichen Richtung innerhalb der katholischen Exegese im neuen Jahrhundert mehrfach auf diese Enzyklika berufen. Mit seiner Unter- scheidung zwischen Inspiration und Offenbarung führt er aber offen- sichtlich das Ringen um den Inspirationsbegriff weiter, denn, so stellt er fest, "alles in der Bibel ist von Gott inspiriert, aber nicht alles 63 ist in ihr von Gott geoffenbart" . Wenn sich die Inspiration auch auf die nicht geoffenbarten Dinge erstreckte, so müsse doch hier der Heils- zweck der Bibel gesehen werden, "der zwar den Ausschluß irriger Be-

hauptungen nicht aber den absoluten Ausschluß irriger profanwissen- schaftlicher Formen" bedeute. Somit sei die Bibel "nicht ... eine die

62) F.Lenormant, Les origines de lhistoire daprds la bible et les traditions des peuples orientaux, 1880, dazu ablehnend Hummelauer in StMl 21 (1881) 348 ff. 63) Peters in Hochl 4 (1907) b, 282. - 116 -

Naturwissenschaften °übernatürlicherweise ergänzende Erkenntnisquelle, sondern lediglich eine Quelle für die Geschichte der Naturwissenschaft, in dem sie erkennen laßt, was die Isrealiten über diese Dinge dachten 64 - ...." . Für den Kirchenhistoriker Knöpfler besitzt die ganze Ausein- andersetzung zwischen Genesis und moderner naturwissenschaftlicher Er- kenntnis zu dieser Zeit nur noch historische Relevanz. Die Annahme, "Gott habe dem Menschen auch naturwissenschaftliche Kenntnisse auf un- fehlbare Weise mitteilen wollen", sei "wohl einer der bedauerlichsten Irrtümer, die auf religiösem oder theologischem Gebiet je gemacht wor- den sind". Verantwortlich dafür macht er nicht nur "eine engherzige° Auffassung des Inspirationsbegriffes", sondern auch eine "Verkennung der menschlichen Freiheit, die auf theologischem Gebiet schon so viel Un- heil angerichtet (hat)". "Göttliche Offenbarung", so beschließt er seine Ausführungen, "ist die Tatsache, daß Gott durch seine Allmacht alles geschaffen ... über das Wie und die Dauer des Werdeganges erhalten wir 65 keine bestimmten Angaben" . Zu sinngemäß ähnlichen Feststellungen war rund 50 Jahre früher der oben bereits zitierte (S.107 ) unbekannte Au- tor im Kath gekommen.

e) Zusammenfassung des ersten Abschnittes

Die Auslegung des Schöpfungsberichtes als Gesamtheit mit seinen zahl- reichen auf die Natur bezogenen Angaben hat die kirchlichen Autoren vor ein echtes und bis zur Jahrhundertwende viel erörtertes Problem gestellt, dessen Diskussion nicht erst 1859, sondern schon Jahre vorher als Reak- tion namentlich auf Lyells Aktualismus, aber auch auf materialistische Angriffe einsetzt. Wie auf Grund der vorausgegangenen Ausführungen über das Verhältnis zur Naturwissenschaft zu erwarten, dominieren zunächst "konservative" Stellungnahmen, die um die Jahrhundertwende zwar an Be-

64) Peters in NuK 5 (1907f) 433 f, vgl. Völler in NuK 4 (1906 f) 191 f. 65) Knöpfler in NuK 1 (19o3 f) 393 f; ebenso Kneib in Kath 82 (1902) a, 208. - 117 -

deutung verlieren, ohne indes schon aufgegeben zu werden. Um den Span- nungen mit dem neuen naturwissenschaftlichen Weltbild zu begegnen, wer-

den, je nach der Bedeutung, die man ihm beimißt, von den Konservativen zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen. Während eine kleinere Gruppe von Autoren eine geradezu erstaunliche Intransigenz gegenüber der Na- turwissenschaft an den Tag legt, ihre Autonomie verneint und in naiv- grotesker Oberschätzung der eigenen Position alle dem biblischen Wort- laut entgegenstehenden Thesen a limine als Trugschluß abweist, bemuht sich eine etwas größere Gruppe in immer seltsamer anmutenden Versuchen darum, die Angaben der Bibel mit den Theorien und Fakten der Naturwis- senschaft zu harmonisieren. Beide Gruppen stoßen auf eine entgegenge- setzte "fortschrittliche" Strömung, die sich von einer buchstäblichen Auslegung der Genesis distanziert, ihren heilsgeschichtlichen Zweck in den Vordergrund stellt und durch das Aufstellen von Idealtheorien oder - wichtiger noch - durch eine verschieden weit geführte Diskussion des Inspirationsbegriffes keine Berührungspunkte mehr zwischen biblischem und modernem Weltbild vorliegen sieht. Erstaunlicherweise lassen sich derartige Stellungnahmen, die es ablehnen, die Bibel als naturhistori- sches Lehrbuch zu interpretieren, bereits ebenfalls von 1854 an nach- weisen, wenn auch im Vergleich mit "konservativen" Äußerungen zunächst in quantitativ etwas geringerem Ausmaß.

Das katholische Lager bietet also in puncto Genesisexegese ein keines- wegs einheitliches Bild, ebenso wie auch die einzelnen Zeitschriften, - von der extrem konservativen NuGI abgesehen, - zu differierenden Äußerungen neigen. Der zeitgenössische Leser konnte darin positiv den Beweis einer fruchtbaren Diskussion sehen, die in langem Erkenntnis- prozeß zu annehmbaren Lösungen kam, er konnte die gegensätzlichen Stellungnahmen aber auch negativ als Indiz einer heillosen Zerfahren- heit werten, die es seinem eigenen Gutdünken überließ, von den ange- botenen Interpretationen die ihm passend erscheinende auszuwählen. Es bleibt die Frage, wie weit die unterschiedliche Auslegung des Hexaeme- rons als Gesamtheit auch für wichtige Einzelaussagen beibehalten wird. Den Prüfstein für diese Frage bildet Darwins Theorie, die die katholi- schen Autoren vor eine Fülle neuer Probleme stelle. - 118 -

2. Die subhumane Evolution

a) Einführung in die Problemlage

Beim Stichwort Evolution denkt der heutige Naturwissenschaftler an einen realen, historischen Prozeß, dessen materialer Umfang von der unbelebten über die belebte Materie bis zum reflex sich seiner selbst bewußt werdenden Menschen reicht. über 100 Jahre früher hatte sich Dar- win auf den Nachweis einer Entwicklung allein für "das Tier- und Pflan- zenreich" beschränkt. Aber schon in dieser Beschränkung, die zudem am Anfang der Entwicklung ausdrücklich einen schöpferischen Eingriff Got- tes vorsah, war Darwins Theorie für seine Zeitgenossen ein umwälzend neuer Gedanke. Erstens gehörte die überzeugung von der Unveränderlich- keit der Arten und Gattungen trotz Lamarck u.a. noch für viele Wissen- schaftler zu den Axiomen bisheriger Naturbetrachtung. Sie hatte philo- sophisch ihre Stütze in der platonisch-aristotelischen Begriffsphiloso- phie mit ihren Vorstellungen von Ur- bzw. Zielbildern. Sie erhielt ihre theologische Bestätigung durch den Bericht der Genesis, nach deren Wort- laut Gott alle lebenden Wesen "nach ihren Arten" (Gen. 1.21) schuf. Zwei- tens wurde durch das deutende Prinzip der Selektion dem Entwicklungsprozeß in Fauna und Flora eine befriedigende und naturimmanente Erklärung gege- ben, die für das Zustandekommen und die offensichtlich existierende Zweckmäßigkeit keine außermaterielle Ursache mehr in Anspruch nehmen mußte. Damit bestanden auch für den subhumanen Bereich einige Anhalts- punkte, die Anlaß für eine Stellungnahme von katholischer Seite sein konn- 66 ten, doch ist, wie ausdrücklich vermerkt werden soll , eine auf Fauna

66) Gegen mißverständliche Formulierungen bei Benz aa0 117 ff u.276, Anm. 29, sowie Hermelink aa0 Bd.III, 259 f. Verurteilt wurde "ein Evolutionismus, der Erkenntnisse eines bestimmten Gebietes gleichmacherisch auf alle Gebiete 177,777rägt und in einer monisti- schen oder phanteistischen Einstellung mit dem Begriff der Entwick- lung alles und jedes in der Wirklichkeit ... billig zu erklären sucht und so schließlich bei einem dialektischen Materialismus endet (DR 2305) oder die Wesensdifferenz zwischen Geist und Materie bezweifelt (DR 2318; vgl. DR 1802, 18o4)". Zitiert nach Overhage- Rahner aa0 21. - 119 - und Flora beschränkte Evolutionstheorie niemals vom kirchlichen Lehr- amt verurteilt werden.

Wiewohl sich nun schon vor 1859 mehrfach Äußerungen zum Entwicklungs- gedanken nachweisen lassen, kommt die Diskussion um Darwins Werk 67 selbst doch nur zögernd in den katholischen Zeitschriften in Fluß 68 und gewinnt erst von den 70er Jahren an ihre eigentliche Breite . Bei der Beurteilung dieser Diskussion ist sorgfältig zu unterscheiden zwi- schen den Äußerungen zur Evolution einerseits und denen zur Selektion andererseits, obwohl diese Differenzierung von manchen Autoren nicht vollzogen wird. Hier interessiert vornehmlich der erstgenannte Aspekt6 .9 Versucht man die Fülle der dazu erfolgenden Äußerungen in ein Mosaik zu bringen, so ergeben sich unterschiedliche Ausgangspunkte. Beurteilungen erfolgen sowohl hinsichtlich der theologischen wie der naturwissen- schaftlichen Bedeutsamkeit der Evolutionsannahme.

b) Biblische Aussage und Evolutionstheorie: Stellungnahmen zwischen 1854 und 1914

Theologisch gesehen ging es um die Frage, ob und inwieweit die Annahme einer Entwicklung sich mit der durch die Offenbarung bezeugten Tatsache der Schöpfung vereinbaren lasse und in welcher Weise dann der Genesis- bericht zu interpretieren sei. Ein auf den ersten Blick überraschendes

Ergebnis wird sichtbar; Nur eine Minderheit von Autoren zeigt sich von der Unvereinbarkeit der Evolutionsannahme mit dem Schöpfungsbericht

überzeugt. Ihre Stellungnahmen finden sich in den ersten Jahrzehnten von NuO, in PB1 und später dann noch in NuGl.

67) Direkte Rezension nur von Michelis in NuO 7 (1861) 261 ff; indirekt u.knapp Stöckl in Kath 47 (1867) a, 733 ff mit erstmaliger Erwähnung Darwins in dieser Zeitschrift; HPB schweigt sogar bis 1873.

68) Am ergiebigsten auch hier NuO mit 165 Stellungnahmen verschiedenster Autoren in 65 Jahren, gefolgt von StM1 mit 82 in 43 Jahren. Bei den anderen Blättern schwankt die Zahl der heranzuziehenden Äußerungen zwischen 10-50. Neben vielen symptomatischen Randbemerkungen in Rezen- sionen u.Miscellen auch sehr ausführliche Abhandlungen.

69) Zum Kampf zwischen Selektion und Teleologie s.u.S. 184 ff. - 120 -

In NuO sind es einige Vertreter verbal- bzw. konkordanztheoretischer Auffassungen, die einen Gegensatz zwischen Entwicklungstheorie und 70 Schöpfungstheorie konstatieren . Zum Teil berufen sie sich auf das übrigens schon von Darwin in der Schlußpassage seines Werkes (S.494) entkräftete Argument, eine Schöpfung, die bei Annahme einer Entwick- lung immer nur im Werden sei, sei höchst unvollkommen und könne daher der Intention Gottes nicht entsprechen. Scheidemacher, als einer dieser Autoren, hat auch die Haltung von PB1 bestimmt und hier die Meinung vertreten, Darwins Theorie sei ein Angriff gegen das Ansehen der Hl. Schrift und verstoße "in der schroffsten Weise gegen den Wortlaut des Mosaischen Schöpfungsberichtes", in dem der Terminus Art oder ein gleichbedeutender mehrmalig und nachdrücklich hervorgehoben werden. Von ähnlichen Bedenken lassen sich genau 30 Jahre später Weiß und fast alle seine Mitarbeiter in NuG1 leiten. Weiß möchte die Worte der Bibel so nehmen, "wie sie geschrieben sind". Für ihn, der sich selbst gerne als "durchaus voraussetzungslosen Forscher" bezeichnet, "... hat der Schöpfer die einzelnen Tier- und Pflanzenarten - der Begriff Art im Sinne des Schöpfers und nicht im Sinne eines in seinen -Anschauungen in jedem Momente schwankenden Geschöpfes aufgefaßt - einzeln für sich ... erschaffen, jede Art ... zur rechten Zeit und am richtigen Orte, ausgestattet mit der Konstanz (Ständigkeit) der Artmerkmale...".

Die Möglichkeit einer zielgerichteten Deszendenz unter schöpferischer Mitwirkung Gottes wird lediglich als "ein äußerstes Zugeständnis" be- 72 zeichnet, zu dessen Annahme nichts zwinge . Mit solcher Auffassung

70) Namentlich Bolsmann in 10 (1864) 318, Pape in 13 (1867) 36 ff; Scheidemacher in 21 (1875) 489; Handmann in 22 (1876) 598 f; Nußberg in 23 (1877) 503; u.a. 71) Scheidemacher in PB1 2 (1873) 289 u. 3 (1874) 2. Den gleichen Standpunkt vertrat der Herausgeber von PB1, Scheeben, in seinem Handbuch d. kath. Dogmatik, 1878, Bd.II, 94. 72) Weiß in NuG1 1 (1898) 99 f u. 6 (1903) 3, vgl. 5 (1902) 10 u. 7 (1904) 144; Typisch für NuG1 auch der Versuch, den Kirchenlehrer Augustinus zum Anhänger der Konstanztheorie zu machen, s.A. in NuG1 4 (1901) 271 ff. - 121

steht Weiß einmal mehr im Gegensatz zu den st,—. anderen katholischen Blättern seiner Zeit. Mehr noch: selbst in heren Jahrzehnten sind in angesehenen Zeitschriften wie Kath, HPB und Seil niemals ähnliche Ansichten vertreten worden.

So heißt es schon vor 1859 in Kath, eine Evolutionsannahme sei zwar "der Offenbarung gegenüber gewagt" und, da auch die naturhistorischen Beobachtungen sie nicht bestätigten, "reine Phantasie". "Doch, wenn man hier den Menschen vor der Hand aus dem Spiele läßt, was wäre mit der ganzen phantasiereichen Aufstellung gegen die Offenbarung gewonnen? Nichts, gar nichts. Ihre Worte begünstigen zwar diese verkehrte Auf- fassung keineswegs, doch liegt nichts darin ausgesprochen, als daß die organischen Wesen ihre erste Entstehung dem Willen Gottes verdanken und daß sie ebenso die Kraft der Fortpflanzung ihrer Arten von ihm haben" 73.

Die Nichteinbeziehung des Menschen und die Anerkennung der Schöpfer- tätigkeit Gottes zu Beginn der organischen Entwicklung, damit sind die beiden grundsätzlichen Vorbedingungen genannt, unter denen die Evolutionsthese auch für zahlreiche andere Autoren nicht der bibli- schen Aussage widerspricht. Selbstverständlich fehlt in diesem Rahmen nicht der Hinweis auf das augustinische Entwicklungsdenken. Aus der wirklichen Fülle sinngemäßer Stellungnahmen seien noch drei weitere

herausgegriffen: In dem Still faßt 1877 Knabenbauer eine längere gut fundierte Untersuchung mit den Worten zusammen: "Von Seiten des Glau- bens ist es nicht verwehrt, die Abstammung der gegenwärtigen Pflanzen- 74 - und Tierarten von einigen wenigen Grundformen anzunehmen" . Fünf Jahre

später läßt Güttler in den HPB Darwin sogar zum Reformator der theolo- gischen Exegese avancieren. Ihm verdanke man "eine wahre natürliche Er- kenntnis der Schöpfung", er habe "die Schöpfungslehre der Bibel nicht

73) ? in Kath 1857 NF 16, 495 u.. 497 f; vgl. ebenso in Kath: ? in 1854 NF 9, 409 f; ? in 42 (1862) a, 702; Hold in 52 (1872) b, 476 u.480; Haffner in 53 (1873) a, 21 u, 55 ( 1875 1 b, 590; Hert:ir.,! 3-, 54 ,U74" a, 312.

74) Knabenbauer in StMI 13 (8.77; 72 ry eL.,,ns; h.,7, " );.7 S", Erg. Heft 4 (1877) 14.9. - 122 -

widerlegt, sondern nur von ungesunden exegetischen Auswüchsen gerei- nigt" 75 . Zur gleichen Zeit resumiert Hagens in NuO: "Eine Entwicklungs- theorie (wird) fast allgemein theologisch für zulässig gehalten"76. Sein Fazit entspricht, von den wenigen oben angeführten Ausnahmen ab- gesehen, tatsächlich dem Bild, das die katholischen Zeitschriften die- ser Zeit ihren Lesern vermitteln, und dieses Fazit wird in den folgen- den Jahrzehnten noch oft wiederholt.

Michelis, der erste Rezensent Darwins auf katholischer Seite, wurde bisher noch nicht erwähnt, denn seine Stellungnahme unterscheidet sich doch in bestimmter Beziehung von der anderer Autoren. Zwar hatte auch er "dem Wortlaute nach ... als Theologe gegen die Theorie Darwins etwas We- sentliches nicht einzuwenden. Darwin leugnet den Schöpfer nicht ..." In einem natürlichen Entwicklungsgesetz liege sogar "die wahre Aussöhnung zwischen Theologie und Naturwissenschaft". Denn nach theologischen Be- griffen sei es klar, daß es sich in der Schöpfung nicht um Wunder, son- dern um die Setzung der natürlichen Entwicklung handle. Insofern pole- misiere Darwin gegen eine kindische Auffassung der Schöpfung, wenn er für jede einzelne Art einen persönlichen Schöpfungsakt Gottes annehme78. Dennoch bleibt für Michelis eine Entwicklung im Darwinschen Sinne "ein etwas monströser Gedanke" 79 . Das wird mit naturphilosophischen Überle- gungen begründet: Michelis begreift die Natur als Realisierung eines göttlichen Schöpfungsplanes, der sich in der Zeit vollzogen hat. Infol- gedessen kann auch er von Entwicklung, von einer Geschichte der Schöp-

75) Güttler in HPB 90 (1882) 128; vgl. ? in HPB 81 (1878) 74; R in HPB 83 (1879) 548 f. 76) Hagens in NuO 27 (1881) 619; vgl. ebenso in NuO Schlüter in 11 (1865) 263 mit Hinweis auf Veiths positive Stellungnahme; Moellers in 22 (1876) 121; Deppe in 24 (1878) 84 f; Sterneberg in 25 (1879) 204; Schütz in 28 (1882) 379 f; u.v.a. 77) Typisch Gutberlet in Kath 67 (1887) a, 600 f; Kneller in Sei. Erg. Heft 84/85 (1903) 239; Baum in NuK 8 (1910 f) 414; Thöne in Schö 2 (1914) 43; u.v.a. 78) Michelis in NuO 7 (1861) 264 u. 266. 79) Michelis in NuO 12 (1866) 160. - 123- fung, von einer Vervollkommnung der Organisation reden und sogar den 80 Kampf ums Dasein als in der Natur wirkende Realität bezeichnen . Doch ist für Michelis die einzelne Art "nicht ... etwas in der Natur mate- riell Subsistierendes, sondern ... ein in die Gestaltung des Materiel- len hineinwirkender göttlicher Gedanke". Die überall auffindbaren und mit zahlreichen Beispielen nachgewiesenen Analogien innerhalb der ver- schiedenen Formgruppen lassen sich daher nur ideell, d.h. von einer die ganze Formentwicklung überherrschenden Idee, nicht aber genetisch er- klären. Darwins Grundfehler sei es, den idealen Begriff der Analogie mit dem materiellen der Anpassung zu verwechseln. Damit könne er der natür- lichen Wirklichkeit nicht gerecht werden, und seine "voreilige Induk- 81 tionsweise" laufe letztlich auf Materialismus und Atheismus hinaus . Aufgabe des wahren Naturforschers müsse es demgegenüber sein, die aus Ordnung und Leben der Natur hervorstrohlenden Gedanken Gottes zu erfas- sen, wobei ihm, wie schon in anderem Zusammenhang erwähnt (s.o.S.108f), eine "recht", d.h. ideal verstandene Interpretation der Genesis wert- volle Fingerzeige geben kann. So muß Michelis die Darwinsche Theorie ablehnen, obwohl er andererseits den Entwicklungsgedanken, wie schon Hübner bemerkt, als "Interpretament der biblischen Oberlieferung" in 82 sein System aufnimmt .

Die von Michelis vertretene, auf Platon zurückgehende Vorstellung von den allen Organismen zugrundeliegenden und sie prägenden "göttlichen Gedanken", "Ideen" oder "Urbildern" gehört im übrigen zu den gängig- sten naturphilosophischen Einwänden fast aller Autoren gegen die Mög- lichkeit der von Darwin postulierten unbegrenzten Variabilität der Ar- ten. Damit aber führt die Darstellung zu der Frage, ob und inwieweit denn nun die in theologischer Hinsicht meist als unbedenklich erklärte Evolutionstheorie sich empirisch für die Autoren auch nachweisen läßt.

80) Michelis in NuO 7 (1861) 316 f. 81) Michelis ebda 376 ff u. NuO 12 (1866) 162. 82) Hübner 000, 58; vgl. dczu Micnelis in NuO 8 (1862) 206 248 NuO 1 (1855) 7 ff; u.a. - 124 -

c) Zur Faktizität der Evolutionstheorie: Beurteilungen bis zur Jahrhundertwende

Man wird in der ganzen Zeitspanne bis 1900 in den hier untersuchten Zeitschriften vergeblich noch einer freimütigen und vorbehaltlosen na- turwissenschaftlichen Anerkennung der Evolutionstheorie suchen. Die einzige Ausnahme bildet ein schon 1871 in NuO veröffentlichter Beitrag 83 des Kölner Astronomen Klein , der nicht nur mit guten Gründen warm für Darwins Beweismaterial eintritt, sondern auch die Selektionstheorie für katholisches Denken dadurch akzeptabel zu machen sucht, daß er auf den beschränkten Blick der Forschung hinweist, die jetzt vordergründig nur Zufälle entdecke, wo in letzter Instanz auch verborgene Gesetzmä- ßigkeiten anzutreffen seien. Kleins Stellungnahme, von der sich die Re- daktion sogleich distanzierte, bleibt ein Einzelfall zu einer Zeit, in der alle anderen Autoren noch auf Jahrzehnte hinaus mehr oder weniger fest auf dem Boden der Konstanztheorie stehen.

Die oben skizzierte theologische Freigabe hat also keineswegs schon die Anerkennung der Evolution als naturwissenschaftliches Faktum und - we- nigstens zunächst - auch nicht als naturwissenschaftlich berechtigte Hypothese zur Folge. Die Chance, die die theologische Freigabe bot, wird nicht genützt, die Chance nämlich, die ganze Diskussion um das Für und Wider einer auf Faune und Flora beschränkten Entwicklung den Natur- wissenschaftlern allein zu überlassen, sich selbst mit der theologischen Unbedenklichkeitserklärung zu begnügen und im übrigen in Ruhe den Fort- gang der Forschung abzuwarten. Statt dessen wird mit einem solchen Eifer und mit solcher Ausführlichkeit in die naturwissenschaftliche Diskussion eingegriffen, daß die Vermutung naheliegt, mit der Erweisbarkeit der Evolution habe für die Autoren mehr auf dem Spiel gestanden als nur die - für die Theologie doch an und für sich gleichgültige - Bestätigung einer neuen biologischen Theorie.

83) Klein in NuO 17 (1871) 275 ff. -125-

Es kann nun nicht die Aufgabe des Historikers sein, dieser Diskussion in extenso zu folgen und über den Wert oder Unwert der vorgebrachten Argumentationen ein Urteil zu fällen. Dafür ist allein der biologische Fachmann zuständig. Aus der Sicht des Historikers soll und kann daher nur folgendes gesagt werden:

Von den insgesamt und 40 Autoren (2/3 Kleriker; 1/3 Laien), die sich in diesem Zeitraum eingehender mit den naturwissenschaftlichen Indizien zur Evolutionsfrage beschäftigen, sind genau vier als Universitäts- bzw. Akademielehrer für Zoologie oder Botanik tätig. Zehn andere Auto- ren haben wenigstens ein naturwissenschaftliches Studium (überwiegend Chemie und Physik) absolviert, um dann als Lehrer an Gymnasien oder Do- zenten an Ordens- (hoch)schulen zu wirken. Bei vier weiteren geben die biographischen Hinweise private naturwissenschaftliche Studien an. Mit anderen Worten: Mehr als die Hälfte aller Autoren bringt überhaupt kei- ne fachlichen Voraussetzungen mit, um in eine biologische Diskussion eingreifen zu können, und der verbleibende Prozentsatz dürfte zwar auf Grund eines Fachstudium mit entsprechenden Fragestellungen zumindest ansatzweise vertraut sein, ohne indes - von den vier Universitätsleh- rern einmal abgesehen - im Allgemeinen den Anspruch auf weiterführende wissenschaftliche Arbeit erheben zu können.

Die Folgen solch mangelnder Vorbildung machen sich in den Zeitschriften- beiträgen auch für den Laien deutlich bemerkbar. Oberwiegend lebt man

vom Wissen aus zweiter Hand. Mehr oder minder intensiv hat man sich, wie eine erstaunliche Zitierfreudigkeit beweist, in das zeitgenössische ein- schlägige Schrifttum eingelesen, um dann etwa differierende Ansichten in noch ungeklärten Punkten gegeneinander auszuspielen und auf diese Art den "Beweis" für die %Jnholtbarkeit der Evolutionstheorie anzutreten, Gerne nimmt man auch seine Zuflucht zu den Vertretern einer älteren Forscher- generation, die zwar dem Darwinismus mit Ablehnung begegneten, im übri- gen aber zum Teil Anschauungen vertraten, die sich keineswegs mit kon- stanztheoretischem Denken deckten, wie es auf katholischer Seite zu die- 84 ser Zeit vertreten wurde . Diese Männer werden, wenn auch mit manchen 84) Besonders oft werden der Chemiker Liebig, der Embryologe von Baer, - 126 -

Vorbehalten, den katholischen Lesern als die "wirklich namhaften" For- scher vorgestellt, die "besonnen" und "ernst", "denkend" und "gediegen" die "Ehre der Naturforschung" gegen Materialisten und einige "jugend- 85 liche Heißsporne" verteidigten .

Bei der in aller Breite vorgenommenen Untersuchung des Materials, das Darwin und seine Anhänger zum Nachweis der Evolution vorlegten, wird von den meisten Autoren zwar "ein gewisses Quantum von Wahrheit" aner- kannt, dem aber "eine ordentliche Dosis völlig unbewiesener Annahmen" 86 beigemischt sei . So kann zwar von einer gewissen Variabilität inner- halb der Organismenwelt gesprochen werden, wofern man nicht gewillt ist, diese Variabilität a priori auf "die Konfusion" zurückzuführen, die bei den Naturforschern hinsichtlich des Artbegriffs bestehe. Aber diese Va- riabilität ist begrenzt, sie geht nur so weit, als dadurch noch die je- dem Organismus zugrundeliegende göttliche "Idee" bewahrt wird. Auch wird von einzelnen Autoren für gewisse Teilgebiete ein Kampf ums Dasein zugegeben, doch besitze er nicht die von Darwin postulierte Bedeutung. Vollends abgelehnt wird natürlich der jede Teleologie ausschließende mechanische Charakter der Selektion. Gerade in diesem Punkte sieht man sich weltanschaulich angegriffen, und daher wird hier auch der Wider- stand am härtesten. Als ungeheuerlich wird der von Darwin für die Evo-

... der Anatom Kölliker, der Geologe Pfaff sowie die Paläontologen Agassiz, Barrande u. 0.Heer zitiert. Auf nur schwache Resonanz stößt dagegen der protest. Botaniker A.Wigand, dessen Werk Der Darwinismus u.d.Naturforschung..., 1874 f, lediglich in NuO 22 (1875) 188 f eine knappe Anzeige erhält, obwohl es sich hier um die damals bedeutendste antidarwinistische Kritik handelte. 85) Dazu u.zum folgenden s.namentlich die Abhandlungen von Scheide- macher in PB1 2 (1873) 289 ff; Stöckl in Kath 47 (1867) a, 452 ff u. 54 (1874) b, 37 ff; Gutberlet in Kath 67 (1887) a, 481 ff u. HPB 100 (1887) 32 ff u. NuO 83 (1887) 577 ff; Handmann in NuO 22 (1876) 594 ff u. 29 (1883) 449 ff; Resch in NuO 21 (1875) 304 ff u. 22 (1876) 403 ff; Berthold in NuO 23 (1877) 99 ff; Kemp in StM1 5 (1873) 148 ff u. 6 (1874) 415 ff; T.Pesch in Seil 12 (1877) 77 ff; Jürgens in Sei 23 (1882) 463 ff u. 24 (1883) 337 ff; u.v.a. 86) Kemp in StM1 5 (1873) 568. - 127 -

lution angesetzte Zeitraum empfunden. Schon die urgeschichtlichen Fun-

de, wie auch die doch immerhin 3000 Jahre menschlicher Naturbeobachtung erbringen nach Ansicht vieler Autoren kein Indiz für eine Entwicklung. Leisten aber 3000 Jahre nicht den Wahrheitsbeweis der Darwinschen Hy-

pothese, "dann werden auch 30 000, 300 000 und noch mehr Generationen dafür nichts leisten. Denn wenn man Nichts mit einer Million multipli- 87 ziert, wird es immer Nichts geben" .

Sind damit schon die Voraussetzungen Darwins unzureichend und trüge- risch, so ergibt sich die gleiche Folgerung auch für sein aus Embryo- logie, Morphologie, vergleichender Anatomie und Paläontologie zusammen- gestelltes Belegmaterial. Vor allem die Paläontologie steht im Mittel- punkt der Auseinandersetzungen. Zwar ist man unterschiedlicher Ansicht darüber, ob der bisherige Fossilbestand für eine Aufwärtsentwicklung spreche oder nicht. Einigkeit herrscht jedoch darüber, daß es an eigent- lichen Zwischengliedern bzw. Obergangsformen fehle, ebenso wie auch das unvermittelte und plötzliche Auftreten neuer Arten mit dem Darwinschen Postulat eines allmählichen Artwandels nicht vereinbar sei. So gibt der

Benediktiner Gander nur die vorherrschende Meinung wieder, wenn er 1892 in NuO schreibt: "Wir sind gegen die Deszendenz eben nicht, weil die Kirche uns durch ihre Glaubenslehren etwa dazu zwingt, sondern einzig des- wegen, weil sie mit der echten, freien, vorurteilslosen Wissen- schaft nicht zu vereinigen ist"88. Die Evolutionstheorie erweist sich nicht als notwendiges Postulat der Naturforschung, sondern als Philosophem, als "unvernünftige, plan- und bodenlose Phantasieschöpfung", als "der kühnste Hypothesenbau unserer Zeit. Die Inkonsequenz ist sein Fundament und der morsche Balken des Trugschlusses ist seine elende Stütze" 89 . Letztlich gefordert wird, was eine Hypothese, eben weil sie Hypothese ist, zunächst gar nicht

87) Stöckl in Kath 54 (1874) b, 48; u.v.a.; dagegen bei Resch in NuO 25 (1879) 374 die Einsicht, "daß mit Berufung auf die ägyptischen Mu- mien nicht viel ausgerichtet ist ..." 88) Gander in NuO 38 (1892) 342; u.v.a. 89) Scheidemacher in PB1 2 (1873) 503 u. NuO 21 (1875) 491; u.v.a. - 128 -

leisten kann, nämlich der exakte Nachweis für alle aufgestellten Be- hauptungen und die sofortige Erklärung für alle Erscheinungen in der Organismenwelt. Die Tatsache, daß Darwin selbst den hypothetischen Charakter seiner Schlußfolgerungen betonte, wie auch in späteren Ver- öffentlichungen Einschränkungen einzelner von ihm aufgestellter Thesen

vornahm, dient namentlich in den 70er Jahren dazu, ihn nicht nur der Unwissenschaftlichkeit zu überführen, sondern auch dazu, ihn als Phon- tasten lächerlich zu machen. Sucht man Darwin selbst mit dem Hinweis auf seine vorsichtige und zu Korrekturen stets bereite Haltung zu dis- kreditieren, sie ist nur "ein geschickt gewähltes Mittel, unbeweisbare 90 Behauptungen unter der Hand plausibel zu machen" , so wirft man seinen Anhängern - und hier insbesonders Haeckel - gerade umgekehrt vor, sie verschwiegen unredlicherweise aus bestimmten weltanschaulichen Absich- ten heraus den hypothetischen Charakter ihrer Aufstellungen und gäben als bewiesen aus, wofür sich auch nicht die Spur eines Beweises finde.

Überzeugt von der Unwissenschaftlichkeit der gegnerischen Seite kann es nicht verwundern, daß viele Autoren bei der Behandlung der Evolutions- theorie polemisch werden, jede sich bietende Gelegenheit zu anzüglicher Ironie benutzen, aber auch vor absichtlichen Mißverständnissen nicht 91 zurückschrecken . Sachliche Auseinandersetzungen, die auch den heuri- stischen Wert der Hypothese betonen, bleiben dagegen, wenigstens bis in 92 die 80er Jahre hinein, relativ selten, wenn sie auch nicht ganz fehlen .

Ist es auch stets ausgesprochenes Ziel, Darwins Theorie allein nach ih- rer wissenschaftlichen Qualifikation zu beurteilen, so liegt doch der eigentliche Beweggrund, sich mit ihr überhaupt zu beschäftigen, in der

90) Resch in NuO 22 (1876) 413; u.v.a. 91) So zieht Stöckl in Kath 47 (1867) a, 736 den verschiedenen Körper- bau u.Instinkt von Biene und Hund als Beweis dafür an, daß niemals eine Annäherung zwischen beiden Tierarten stattgefunden habe u. un- terstellt, Darwin behaupte das. Vgl. auch Resch in NuO 20 (1874) 122 ff; u.v.a. 92) Hagemann in NuO 16 (1870) 75 ff; Hold in Kath 52 (1872) b, 455 ff; T.Pesch in Seil 4 (1873) 293; u.a. Nach 1882 häufiger. -129-

weltanschaulichen Sprengkraft, die sie in den Augen der meisten Autoren hat. Immer wieder wird auf die Verbindung zwischen Materialismus und Evolutionstheorie hingewiesen und auf den Nutzen, den dieser aus ihr ziehe. Der stets hervorgehobene, nicht akzeptierbare Zufallscharakter der Selektion verleitet dazu, auch die Entwicklungsannahme gleich mit zu verwerfen. Weil die Deszendenztheorie von daher gesehen auf dem Bo- den des Atheismus steht, "wird sie nie und nimmer im Stande sein, die Geheimnisse der Natur, als der sichtbaren Offenbarung göttlicher Weis- heit zu entschleiern", denn "das Wesen des Darwinismus ist Zurückdrän- gen des Schöpfers in der Schöpfung, die Tendenz geht geradezu auf das Hinausdrängen des Schöpfers aus der Schöpfung" 93 . Dazu gesellen sich zwei weitere Bedenken: Trotz der von Darwin noch postulierten, durch den Schöpfer geschaffenen Anfangsformen befürchtet man auch an dieser Stelle die Negierung göttlicher Tätigkeit und sieht sich in dieser Be- fürchtung durch "materialistische" Theorien, die für eine Urzeugung ein- treten, bestätigt. In noch stärkerem Maße wird die mögliche Ausdehnung der Entwicklungstheorie auf den Menschen befürchtet. So stellt z.B. Resch fest: "Wer die Transmutationshypothese für die Pflanzen und Tiere einräumt, erschwert sich den Beweis für die exzeptionelle Stellung des Menschen nicht wenig" und fordert daher ausdrücklich, konsequenterweise 94 überhaupt keine Konzession gegenüber der Entwicklungstheorie zu machen . Diese Argumentation dürfte bezeichnend sein: Weil die Deszendenztheorie auf den Menschen ausgedehnt werden könnte, muß sie a priori ganz abge- lehnt werden, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es wird auf die gerade skizzierten Punkte noch ausführlich einzugehen sein, an die- ser Stelle soll der bloße Hinweis auf die eigentliche Motivation genügen, die hinter der vordergründigen und im Ganzen doch pseudowissenschaftli- chen Auseinandersetzung steht. Eine typische Haltung wird sichtbar: Die

93) Resch in NuO 21 (1875) 350 (1.Zitat) u. Jürgens in StM1 23 (1882) 476 (2.Zitat). 94) Resch in NuO 25 (1879) 376; vgl. ? in Kath 42 (1862) a, 702: "Wir zögern keinen Augenblick ... den Verdacht auszusprechen, daß die ganze Entwicklungshypothese nur deshalb aufgestellt wurde, um schließlich die Affenhypothese daraus folgern zu können ..." — 130 —

Furcht, dem Materialismus in die Hände zu arbeiten, treibt dazu, alles, was mit Entwicklung zusammenhängt, mißtrauisch anzugehen, wenn nicht gar a priori abzulehnen, obwohl, wie gezeigt wurde, für die meisten Autoren dieser Zeit keine theologischen Bedenken gegen eine auf Fauna und Flora beschränkte Evolution bestehen. Exemplarisch macht bereits die Terminologie katholischer Autoren deutlich, wie sehr auch von ihnen das Darwinsche Gedankengut ganz im Sinne seiner materialistischen In- terpreten als untrennbarer Bestandteil der materialistischen Weltauf- fassung gesehen wird: Begriffe wie Materialismus, Darwinismus und Ent- wicklungslehre haben bis in die 70er Jahre und darüber noch hinaus95 einen relativ weiten Bedeutungsradius. Die Bezeichnung "Materialismus" kann sowohl in ihrem historisch richtigen Sinne gebraucht werden, wie aber auch als Synonym für Realismus, Empirismus und Positivismus stehen. Die enge Bindung des Materialismus an die Naturwissenschaften verführt dazu, beide als identisch anzusehen. "Darwinismus" wiederum kann sowohl den Haeckelschen Materialismus oder Monismus meinen, der kurz auch Haeckelismus genannt wird, der Begriff kann aber auch nur auf den Ent- wicklungsgedanken qua Entwicklung bezogen sein. Er findet sich ferner als Terminus für die Lehre von der tierischen Abstammung des Menschen wie als Benennung für das Selektionsprinzip. Andererseits kommen die Worte "Entwicklungslehre" und "Abstammungslehre" zum Teil in einem Sin- ne vor, der eindeutig auf den Haeckelschen Monismus hinzielt. Was je- weils wirklich gemeint ist, läßt sich oft erst aus dem Kontext, zuwei- len auch gar nicht erschließen. Die mangelnde begriffliche Klarheit ist ein deutliches Indiz für die Hilflosigkeit, mit der man neuen Fragestel- lungen in der Naturwissenschaft begegnet, sie ist auch Indiz für die Abwehrsituation gegenüber dem Materialismus, in der man nur noch zu Pau- schalurteilen fähig zu sein scheint.

95) Typisch Weiß, der in NuG1 2 (1899) 5 den Begriff Darwinismus als "allgemein verständlichen Ausdruck für den ganzen Deszendenzrummel" gebraucht; vgl. aber auch Cathrein in StMI 77 (1909) 53, der gegen die zu dieser Zeit durch Wasmann bestimmte Tendenz der Zeitschrift die Deszendenztheorie mit dem Materialismus identifiziert; u.v.a. -131 -

Diese Haltung lockert sich in einem langsamen, etwa um die Mitte der

80er Jahre einsetzenden Prozeß erst auf, als man es lernt, stärker als bisher zwischen der biologischen Evolutionstheorie und ihrer "materia- listisch-haeckelistischen" Form einerseits, zwischen der Evolution und ihrer Begründung, dem Darwinismus, andererseits zu unterscheiden. Der allmählich feststellbare Rückgang der Selektionstheorie und das Auf- kommen neuer ursächlicher Erklärungen fur die Evolution finden starke

Beachtung, vor allem dann, wenn teleologische Faktoren an die Stelle 96 des Selektionsmechanismus gesetzt werden . Damit kann nun auch die aggressive Polemik zurückhaltender werden, wenn auch die Evolution wei- terhin als Hypothese - nur selten als Theorie - angesprochen wird. Aber im Gegensatz zu früher dient nun ihr hypothetischer Charakter nicht mehr dazu, sie a priori zu diskreditieren. Im Gedanken an eine Evolu- tion liegt vielmehr, um es mit den Worten Pohles auszudrücken, "weder eine physische Unmöglichkeit, noch eine logische Absurdität". Bei allem

Mangel an Beweismaterial ist sie doch eine Denkmöglichkeit, ist sie für viele nicht mehr phantastische Konstruktion, sondern nun ein Problem,

"an dem man nur ruhig arbeiten mäge" 97 . Das prononcierteste Beispiel für die allmähliche und nicht ohne Rückschläge erfolgende Überwindung des starren Festhaltens an der Konstanztheorie im katholischen Raum bieten die Stellungnahmen, mit denen seit 1883/84 der damals gerade

24 Jahre alte Erich Wasmann, Mitglied der Gesellschaft Jesu, in die

Debatte eingreift.

d) Die Entwicklung des Wasmannschen Standpunktes

Erich Wasmann gilt in der Literatur mit Recht als geistiger Führer der

Katholiken in biologischen Fragen um die Zeit der Jahrhundertwende. Als

Autodidakt erwarb er sich auf dem Spezialgebiet der Entomologie allge- mein anerkannte, wissenschaftliche Geltung durch grundlegende Arbeiten zur Gesellschaftslehre der Ameisen und Termiten. Seine zahlreichen,

96) Typisch Schwertschlager in NuO 35 (1889) 159; u.v.a.

97) Pohle in Kath 63 (1883) a, 562 u. 582 f; u.a. -132-

lebendig und mit stilistischem Feingefühl geschriebenen Beiträge in den Zeitschriften NuO und StMI behandeln dementsprechend zumeist Probleme aus der Welt der Schmetterlinge, Käfer und Ameisen. Dabei wird von An- fang an ein starkes Engagement für deszendenztheoretische Fragen spür- 98 bar . Schon in seinen frühen Aufsätzen, die sich mit der Entstehung von Schutz-

färbungen und Instinkten bei den Insekten befassen, kann er sich der Er- kenntnis einer gewissen Verwandtschaft zwischen den Arten derselben Gat- tung und den Gattungen derselben Familie nicht entziehen, möchte diese aber nicht genetisch, sondern ideell verstanden wissen, wie mit Nach- 99 druck betont wird . Die ideelle Verwandtschaft entspringt ihm zufolge dem kunstreichen Plan eines höheren, allbeherrschenden Geistes. Und doch findet sich auch hier schon die Vermutung, daß eine natürliche Verwandtschaft ebenso denkbar sei, bei deren eventuellem Nachweis die ideelle Verwandtschaft selbstverständlich nicht ihre Berechtigung ver- lieren würde. Jedenfalls steht auch dem jungen Wasmann schon fest, daß "die einzelnen Tierarten nicht in ihrer gegenwärtigen Vollkommenheit, sondern erst mit der bestimmten, inneren Veranlagung zu derselben ge- schaffen sind", d.h. also innerhalb ihrer Art eine Entwicklung durch- 100 laufen haben . Er hält es deshalb für notwendig, von dem systemati- schen Artbegriff Linns abzugehen und statt dessen den schon von dem Geologen Neumayer verwendeten Begriff der "natürlichen Art" zu gebrau- chen. Da die natürliche Art mehrere systematische Arten umfaßt, ergibt sich für ihn auf diese Weise ein Ausgleich zwischen dem "Berechtigten der Deszendenztheorie" und der Lehre von der Konstanz der Arten. Ohne also eine Deszendenz direkt zuzugestehen, versucht Wasmann zunächst durch eine Neuformulierung des Terminus Art an konstanztheoretischem

98) Allein zur subhumanen Evolution konnten 57 Beiträge in NuO und Sei ausgewertet werden. 99) NuO 30 (1884) 198 f. 100) NuO 29 (1883) 109. -133-

Denken weiter festzuhalten. Indes wird diese anfängliche Position schon bald aufgeweicht, indem in den folgenden Jahren immer stärker auf die Möglichkeit einer Entwicklung innerhalb bestimmter Formgruppen hinge- wiesen und der Begriff der natürlichen Art schon 1886 auf alle stammes- 101 verwandten Formen ausgeweitet wird . Freilich, die Evolution bleibt für Wasmann auch in dieser Begrenzung auf das Geschehen innerhalb eines Stammes bis zur Jahrhundertwende bloße Hypothese, denn die bisherigen Forschungsresultate sprächen, - wie immer wieder betont wird, - nicht 102 für, sondern eher gegen eine Stammesentwicklung . Immerhin wird trotz solcher Bedenken damit erstmals im katholischen Bereich in größerer Breite und mit naturwissenschaftlichen Gründen die Evolutionsthese nicht völlig abgelehnt, sondern als echte Diskussionsgrundlage betrachtet. Von theologischer Seite aus ergeben sich für Wasmann sowieso keine Einwen- dungen, denn Gott liebe es, in der Ordnung der Natur durch natürliche Ursachen zu wirken, und eine Evolutionsannahme stelle seiner Weisheit 103 nur ein noch herrlicheres Zeugnis aus . Unbedingte Voraussetzung für eine solche Annahme bleibt allerdings das planvolle Wirken innerer Ent- wicklungsgesetze, und das bringt für ihn eine scharfe und immer wieder 104 vollzogene Abgrenzung von der Selektionshypothese mit sich . Gerade für den Bereich der Instinkte und Schutzfärbungen glaubt er in langen Abhandlungen nachweisen zu können, daß hier weder eine unbegrenzte Varia- bilität zugrunde liege, noch eine allmähliche Zunahme nützlicher Ab- änderungen aus einfacheren Grundformen überhaupt denkbar sei. Schutz- färbungen und Instinkte mußten bereits bei ihrem ersten Auftreten voll- kommen sein, wenn sie nicht nutzlos sein sollten. Vollends widerlegt

101) NuO 32 (1886) 326: Zu einer natürlichen Art gehört jene Gesamtheit von Individuen, die gegenwärtig aus dem selben Stamm hervorgehen, oder ehemals aus demselben Stamm hervorgegangen sind. Alle nach- weisbar bluts- oder stammesverwandten Formen gehören zu einer und derselben natürlichen Art. 102) Typisch StMl 53 (1897) 531 ff; u.v.a. 103) Seil 28 (1885) 353 u. 29 (1885) 393. 104) Besonders in seinen zahlreichen Rezensionen zu deszendenz-theore- tischen Werken wird diese Abgrenzung zum wesentlichen Kriterium für den Wert eines Buches. -134- wird ihm die Selektion durch die Paläontologie, die nicht die erforder- lichen Übergangsformen nachweisen könne. Dennoch wird die Existenz der natürlichen Zuchtwahl nicht ganz negiert, doch ist sie nicht Entstehungs- ursache, sondern kommt nur als "ganz untergeordneter Faktor", als "Er- 105 haltungsgrund" in Betracht .

Die starke Abwertung des eigentlichen Darwinismus, die sich übrigens ohne billige Polemik vollzieht, zeigt indirekt, in welch wachsendem

Maße Wasmann sich mit dem Gedanken an eine nichtdarwinistisch begründe- te Evolution vertraut macht. Als der Erlanger Zoologe Albert Fleisch- mann 1901 ein aufsehenerregendes Werk veröffentlicht, in dem er sich im

Gegensatz zu den meisten seiner Fachgenossen gegen eine jede Möglichkeit der Evolution überhaupt wandte, da sie zwar im Großen und Ganzen ver- führerisch sei, in concreto aber völlig versage, steht Wasmann bereits auf der Seite der Gegner Fleischmanns. Er hält ihm entgegen, daß man auf Theorien in der Naturwissenschaft, auch wenn sie nicht jederzeit kontrollierbar seien, nicht Verzicht leisten dürfe, da sonst "nur ein verzweifelter Skeptizismus" übrigbleibe. Zudem erweise sich die Deszen- denz gerade in Einzelfällen als begründet, denn es lasse sich nun ein- mal nicht leugnen, daß sehr viele systematische Arten und Gattungen un- tereinander bzw. mit ihren fossilen Vorfahren als stammesverwandt mit großer Wahrscheinlichkeit zu gelten hötten 106 . Wenige Monate später entwickelt er seine nun entschieden evolutionsfreundliche Auffassung unter Heranziehung umfangreichen Beweismaterials in einer größeren 107 Aufsatzserie der Se1 . Auf entschiedenen Widerspruch stößt einlei- tend Haeckels Monismus, dessen mißbräuchliche Verwendung der Entwick- lungslehre dieser überhaupt erst den Ruf eingetragen habe, eine athei- stische, dem Christentum stracks zuwiderlaufende Erfindung zu sein. In

Wirklichkeit sei die Entwicklungstheorie eine "rein naturwissenschaft- liche Theorie", eine letzte und "folgerichtige Konsequenz aus der kos-

105) StM1 28 (1885) 345 u. NuO 37 (1891) 60; u.a.

106) StM1 62 (1902) 116 ff zu A.Fleischmann, Die Deszendenztheorie..., Leipzig 1901.

107) StM1 63 (1902) 281 ff u. 64 (1903) 29 ff. -135-

mischen und geologischen Entwicklung" der Welt. Der Christ musse aL,f

eine ablehnende Haltung "gegen jede Evolution" verzichten, wolle er nicht "in dieselbe verfehlte Stellung geraten, welche einst Verteidiger des ptolemäischen Systems gegenüber der kopernikanischen Weltanschauung 108 einnahmen" . Weder Theologie noch Philosophie könnten Einwände geltend machen, solange nur an einer hinreichenden ersten Ursache festgehalten werde. Auch für die Exegese der Genesis sieht Wasmann keine Gefahr, da man lediglich den biblischen Artbegriff mit den ursprünglichen Stammfor- men der von ihm konzipierten natürlichen Arten zu identifizieren brauche. Die Feststellung von Zahl und Umfang jener natürlichen Stammes- reihen könne dann der Naturwissenschaft überlassen bleiben, die hier allein zu entscheiden habe. Sie aber lege infolge des paläontologischen Befundes die Annahme einer aszendierenden Evolution nahe. Bei den fest- stellbaren Entwicklungsreihen handle es sich allerdings nicht um winzige allmähliche Veränderungen, wie sie Darwin fordere, sondern um stufen- förmige bzw. sprungweise Übergangsreihen. Auch müsse zugegeben werden, "...daß die Gründe für eine wirkliche Stammesverwandtschaft der betref- fenden Formen umso schwächer werden, um je höhere Abteilungen des Systems es sich handelt..." 109 . Daher vertritt Wasmann eine polyphyletische Ent- wicklung und beschränkt die Nachweisbarkeit der Evolution für sein For- schungsgebiet allein auf die systematischen Arten und nur teilweise auch auf Gattungen und Familien. In den Beiträgen der folgenden Jahre wird diese Haltung weiter verfe- stigt und insbesondere auch hinsichtlich der kausalen Erklärung gegen andere Meinungen abgegrenzt. Der wiederholten Feststellung, daß allein eine entwicklungstheoretische Betrachtungsweise den Schlüssel für ein einheitliches Verständnis der Natur biete, folgt ebenso oft der Hinweis, daß die Evolution trotz der Fülle von Fakten, die für sie sprächen, nicht eine Erfahrungswissenschaft sei, es sich vielmehr im Ganzen um 110 eine Summe von unter sich sehr ungleichwertigen Hypothesen handle .

108) Sei 63 (1902) 290 u. 296 .

109) Sel 63 (1902) 303.

110) Sei 70 (1906) 517 u. 82 (1912) 567; NuO 55 (1909) 326; u.v.a. - 136 -

Fier die Begründung der Evolution nimmt Wasmann weiterhin "innere", planvoll wirkende "Entwicklungsgesetze" an, spricht aber andererseits, wie schon früher, der Selektion nicht jede Bedeutung ab, sondern akzep- tiert sie als "Hilfsfaktor" im Sinne einer "negativen Auslese", die auf Ausmerzung des Unzweckmäßigen, nicht aber auf Entstehung und Weiterent- wicklung des Zweckmäßigen gerichtet sei. Eben deshalb hält er es für verfrüht, von einem "Darwinismus auf dem Sterbelager" zu sprechen, ein bekanntes Wort, das der evangelische Apologet Dennert geprägt hatte, obwohl ein Rückzug der Selektionslehre in der Wissenschaft unverkennbar 111 sei . Interessanterweise faßt er auch den Neodarwinismus Weismanns, mit dem er sich mehrfach auseinandersetzt, als rückläufige Erscheinung auf. Weismanns Keimplasmatheorie wird abgelehnt, weil sie sich auf eine rein materialistisch-mechanische Deutung der Lebensvorgänge be- schränke. Dabei sei gerade sie extrem teleologisch, denn die feststell- bare geordnete Entwicklung der Organismen "setzt die zweckmäßige, stoff- liche Anordnung der kleinsten Teilchen des Urplasmas mit unabweisbarer 112 Notwendigkeit voraus" . Aber auch die Orthogenesistheorie des Zoologen Eimer findet keine volle Anerkennung. Ihre Annahme bestimmt gerichteter Entwicklungsgesetze wird zwar begrüßt und als Beleg für die eigene Auf- fassung gewertet. Wenn Eimer jedoch darauf bestehe, diese Gesetze allein durch die stoffliche Konstitution der Organismen und durch naturimmanente Ursachen zu erklären, so geschehe das aus dem alleinigen Bestreben, der gefürbhteten Anerkennung einer schöpferischen Weisheit zu entgehen, und 113 muß deshalb als "Schöpferscheu" gebrandmarkt werden . Trotz aller sachlich-wissenschaftlichen Begutachtung, die beiden Theorien zuteil wird, zeigen sich gerade hier auch die Grenzen, bis zu denen Wasmann zu gehen bereit ist: Wie er einerseits Extrapolationen des Evolutions- prozesses auf noch nicht überschaubare Gebiete kritisch gegenübersteht,

111) Seil 71 (1906) 105 u. 77 (1909) 564; NuO 50 (1904) 387; u.a. 112) NuO 42 (1896) 194 f. u. 50 (1904) 387; Seil 81 (1911) 60; u.a. 113) NuO 35 (1889) 44 ff u.44 (1898) 614 ff; StM1 51 (1896) 104; u.a. -137-

so wertet er andererseits spekulative Erklärungen, die das Naturge- schehen nur auf rein mechanischem Wege, einzig und allein mittels innerweltlicher Ursachen verstehen wollen, als "materialistische Vor- urteile". Ihnen gegenüber hat "die gesunde Naturphilosophie der christ- lichen Weltanschauung" auf die Gotteswirklichkeit hinzuweisen, auf die alles Naturforschen immer wieder stoße. Hinter dem kühlen Naturwissen- schaftler Wasmann steht der engagierte Theologe Wasmann, und Naturfor- schen kann dann nur Erkenntnis der der Natur zugrundeliegenden Weisheit des Schöpfers sein.

e) Zur Faktizität der Evolutionstheorie: Beurteilungen nach der Jahrhundertwende

Es bleibt noch zu fragen, ob und inwieweit Wasmanns Stellungnahmen als prototypisch für das katholische Denken nach der Jahrhundertwende an- zusehen sind. Neben Wasmann sind in den StMl wie in NuO auch andere Au- toren zu Wort gekommen, und vollends warten die weiteren hier herangezo- genen Zeitschriften mit einer Fülle von Äußerungen zur Evolution auf. Schon das bisher Gesagte läßt vermuten, daß auch diejenigen Autoren, die noch fest auf konstanztheoretischem Boden standen, zumindest zu Modifikationen ihrer Anschauungen kommen mußten, wollten sie nicht, je länger je mehr, gegenüber der stets wachsenden Beweislast zugunsten der Evolution, an Glaubwürdigkeit einbüßen. So löst sich denn auch die bisher einheitliche, mit Mangel an Beweisen begründete Frontstellung gegen die Evolution zu dieser Zeit in eine differenziertere Haltung auf. Zwei verschiedene Standpunkte heben sich voneinander ab, denen sich die einzelnen Zeitschriften ziemlich genau unterordnen lassen.

Einen extrem konservativen Standpunkt vertritt erwartungsgemäß NuGl. 4 Das oben (S.120 ) schon geschilderte eigentümliche Bibelverständnis von Weiß, das in den Begriffen Schöpfung und Entwicklung eine unaufiös- bare Alternative sieht, zwingt ihn dazu, um jeden Preis an der Konstanz- theorie festzuhalten, die er denn auch positiv zu erhärten sucht: Das für die Konstanz sprechende Material entstammt zum Teil eigenen botani- schen Studien an rezenten Arten, zum größeren Teil jedoch, - und das 138 -

gilt besonders für die Mitarbeiter von Weiß, - dem apologetischen Arse- nal, das rund 30 - 40 Jahre früher Beweise gegen die Evolution liefer- te. Dem entspricht die durchweg polemische Sprache ebenso wie die welt- anschauliche Motivierung, auf der hier jede naturwissenschaftliche Ar- gumentation aufbaut. Man versteht sich ganz offen als Verteidiger der Bibelworte gegen eine atheistische Naturwissenschaft. Die Furcht, mit der Annahme der Entwicklung würde ein Schöpfungsakt überflüssig, läßt auch eine nur auf bestimmte Formenkreise begrenzte Entwicklung als hächst bedenkliche und durch nichts begründete Hypothese erscheinen, deren Vertretung auf christlicher Seite sich nur aus Schwäche gegenüber der ungläubigen Forschung und natürlich auch aus mangelnder naturwis- senschaftlicher Bildung erkläre 114 . Moderne Forschungsresultate werden ignoriert, nur Fleischmanns Evolutionsabsage findet mehrfach Erwähnung. Über Wasmanns Stellung erfährt der Leser dieser Zeitschrift nahezu nichts. Weiß erwähnt ihn erstmals 1905 ganz im Nebenbei und versucht sogar den Eindruck zu erwecken, Wasmann werde mißverstanden, wenn man ihn als Anhänger der Evolutionstheorie betrachte 115 . Falsch informiert wird der Leser auch über die apologetischen Werke von Schanz und Gutberlet sowie über das Wirken Dennerts. Allen dreien wird von Weiß unterschoben, prin- zipielle Gegner auch einer nur beschränkten Evolution zu sein 116 . Solche Verfahrensweisen dürften die Zeitschrift hinlänglich charakterisieren, die damit ein geradezu klassisches Beispiel dafür abgibt, wie das Fest- halten an als unabdingbar angesehenen, weltanschaulich begründeten Auf- fassungen zur Ableugnung jeder Realität führen muß, wenn man nicht fä- hig oder willens ist, sein Glaubensverständnis kritisch an der Realität zu überprüfen und damit zwischen vergänglicher Form und zeitloser Sub- stanz der weltanschaulichen Aussage zu differenzieren. Blätter wie Kath,

114) Typisch Weiß in NuG1 5 (1902) 11; Hahn in NuG1 1 (1898) 160 ff; u.v.a. 115) Weiß in NuG1 8 (1905) 144. 116) Weiß in NuG1 6 (1903) 382 f, 7 (1904) 47 u.93; daß Dennert Anhän- ger der Deszendenz ist, wird erst in NuG1 9 (1906) 43 zugegeben. -139-

HPB und NuO, die ebenfalls dem konservativen Lager zuzurechnen sind, taktieren demgegenüber geschickter: Kath und HPB beschränken ihre Stel- lungnahmen zwischen 1900 und 1914 fast nur noch auf Rezensionen, weisen empfehlend auch auf Werke hin, die sich zugunsten einer beschränkten Evolution aussprechen, vergessen aber niemals, den hypothetischen Charak- ter aller mit Evolution zusammenhängenden Fragen in den Vordergrund zu stellen. Insgesamt tritt eine zögernde, vorsichtig abwartende Haltung zutage, die zwar nicht mehr offen für die Konstanztheorie optiert, wie in früherer Zeit, sich andererseits aber auch noch nicht in der Lage sieht, der Evolutionstheorie ihr volles, uneingeschränktes Placet zu 117 geben . Zhnliches läßt sich, trotz Wasmanns Mitarbeit, auch für NuO 118 sagen , die sich weit ausführlicher mit dem Problem beschäftigt. Al- lerdings erteilt die Redaktion verschiedentlich auch Anhängern einer 119 begrenzten Entwicklungstheorie das Wort .

Alle anderen Zeitschriften bekennen sich dagegen nach 1900 offen zur Evolution. In den Seil beeinflussen die Ergebnisse Wasmanns seit 1900 auch die Stellungnahmen der übrigen Mitarbeiter, sei es, daß sie auf ihn verweisen oder seine Ansichten repetieren wie z.B. Breitung, sei es, daß sie auf Grund eigener Beschäftigung mit dem Problem versuchen, sich von ihm abzugrenzen, wie Muckermann und Frank. Beide Autoren äußern sich zwar weit zurückhaltender als Wasmann, geben aber die na- turwissenschaftliche Berechtigung einer polyphyletisch gedachten Des- zendenztheorie ausdrücklich zu, "weil eben alles darauf hinweist, daß 120 es eine Entwicklung der Organismen gab und gibt" . Ebenso werden in

117) Englert in Kath 83 (1903) a, 443 u. Becker in Kath 88 (1908) b, 414; u.a. - Stölzle in HPB 125 (1900) 572; 132 (1903) 285; 142 (1908) 695 f.; u.a. 118) Typisch Handmann in NuO 51 (1905) 571 f u.55 (1909) 442 ff; u.v.a. 119) Schmitz in NuO 51 (1905) 467 ff; Rick in 52 (1906) 408 ff; Staeger in 54 (1908) 32 ff. 120) Frank in StM1 Erg. Heft 106 (1907) 160 (Zitat) u. Seil 82 (1912) 246; Muckermann in 76 (1909) 43 ff; Breitung in StM1 75 (1908) 14 f. - 140 -

JNW, das zwar nur selten auf Evolutionsprobleme eingeht und sich - sei- nem Charakter gemäß - in der Beurteilung völlig zurückhält, wenn über- haupt, stets für die Evolution sprechende Forschungsergebnisse refe- . 1 21 riert .

Entschieden evolutionsfreundlich sind schließlich auch die neu ent- stehenden Zeitschriften Hochl, NuK und Schö. Als Novum darf hier ge- wertet werden, daß in NuK auch mehrfach evangelische Mitarbeiter wie Dennert und Reinke zu Worte kommen. Reinkes Postulat, die Entwicklungs- lehre als "ein Axiom", d.h. als "eine unerläßliche Forderung des wis- senschaftlichen Zeitbewußtseins" gelten zu lassen, wird allerdings noch als erkenntnistheoretisch unhaltbar zurückgewiesen 122 . Für die Mitarbei- ter von Hochl hat naturwissenschaftlich sicher eine Entwicklung "von Art zu Art stattgefunden und findet heute noch statt", so daß die Des- zendenztheorie als "ein 1000fach bewährtes und nach menschlichem Ermes- sen unveräußerliches Erkenntnisgut" bezeichnet werden kann 123 . Zu solch eindeutigen Äußerungen gesellt sich in Hochl verschiedentlich Kritik an der bisherigen Haltung zum Deszendenzproblem bei einem Teil der katholi- 124 schen Apologeten . Ähnlich wie in den Sel hält man auch in Hochl und NuK dafür, daß allein eine polyphyletische Entwicklungsannahme von den bisher bekannt gewordenen Tatsachen nahegelegt werde. In dieser Hinsicht kommt es jedoch in Sch zu einer interessanten Variante, als der Heraus- geber Thöne sich in einer Kontroverse mit seinem Mitarbeiter Baum sehr

121) Weinschenk in JnW 17 (1902) 326 ff u. 21 (1906) 210 ff; u.a. 122) Reinke in NuK 4 (1906 f) 17 ff (Zitat 17), vgl. 417 ff; dazu Hoh in NuK 10 (1912 f) 254; Dennert in NuK 2 (1904 f) 306 ff u. 3 (1905 f) 360 ff; u.a. 123) Bumüller in Hochl 4 (1907) b, 393 (1.Zitat); Ettlinger in Hochl 6 (1909)a, 584 (2. Zitat); vgl. Merker in Hochl 4 (1907) a, 367 u. Dürken in 6 (1909) b, 24; u.v.a. 124) Bezeichnend die vernichtende Abfuhr, die Ettlinger in Hochl 5 (1908) a, 228 ff dem gerade in 3. Aufl. erschienenen Werk, Die großen Welträtsel, des angesehenen Neuscholastikers T.Pesch er- teilt, dessen biologische Teile "oft durch ihre Rückständigkeit verblüfften" (230); ähnlich abwertend auch Kathariner in NuO 53 (1907) 762 ff. - 141 - energisch zum Befürworter einer monophyletisch verlaufenden Entwicklung macht, derzufolge nur der allererste Organismus und die menschliche 125 Seele durch Gott unmittelbar geschaffen sind . Thöne, für den die Evolution auch in dieser Interpretation ein rein naturwissenschaftliches Problem bleibt, weist für seine These auf den Wert des Wahrscheinlich- keitsschlusses hin, der es erlaube, von der bisher begrenzt nachweisba- ren Entwicklung auf eine allgemeine zu schließen. Seine These steht am Ende des hier zu behandelnden Untersuchungszeitraumes. Mehr noch als bei Wasmann zeigt sich bei Thöne, wie weit katholisches Denken bereits kurz nach der Jahrhundertwende den Forderungen der Naturwissenschaft entgegenkommen konnte. Thöne bildet mit seiner Zeitschrift Schöpfung sicherlich nur eine Randerscheinung innerhalb des deutschen Katholizis- mus und darf in keiner Weise repräsentative Bedeutung beanspruchen. Da- rin ähnelt er Weiß und dessen Zeitschrift NuGl, in der nur wenige Jahre zuvor eine gerade entgegengesetzte Meinung vertreten wird. Thöne wie Weiß sind damit Randfiguren in einem doppelten Sinn: Beide gläubige Katholiken, verkörpern sie gewissermaßen die Pole, zwischen denen sich die katholische Stellungnahme zur Evolution kurz nach 1900 bewegt, wo- bei es nicht der Ironie entbehrt, daß Weiß ausgebildeter Naturwissen- schaftler ,Thöne aber Theologe war.

Nur der Vollständigkeit halber muß schließlich noch darauf hingewiesen werden, daß in dieser Zeit, die als die Blütezeit des Neovitalismus gilt, die klassische Selektionslehre kaum noch einer ausführlichen Be- 126 achtung für wert befunden wird . Allgemein wird die Annahme innerer Entwicklungsursachen für die Evolution als berechtigt hingestellt, und im Gegensatz zu Wasmann herrscht überwiegend die Auffassung vor, daß der

125) Thöne in Schö 1 (1913) 68 ff u. Baum/Thöne 194 ff; u.a. 126) Zahlreich allerdings die Empfehlungen der gegen die Selektionshypo- these gerichteten Bücher und Broschüren, und die Aufzählung all der Naturwissenschaftler, die sich gegen die Selektion aussprechen, bildet ein immer wieder gern aufgegriffenes Thema. - 14 2 - 127 Darwinismus sich doch "auf dem Sterbelager" befinde . Nur wenige Au- toren negieren das Wirken der Zuchtwahl nicht völlig, sondern gestehen ihr einen gewissen Einfluß zu. Ihre Meinung gibt Ettlinger im Hochl wieder: "Der Darwinismus im engeren und eigentlichen Sinn ist heute augenscheinlich auf den meisten Punkten im Rückzug begriffen und darf als eine verlorene Gesamtposition bezeichnet werden, wenn auch die Selektionstheorie auf vielen Einzelgebieten keines- wegs des Erklärungswertes entbehrt und daher als Hilfshypothese voraussichtlich fortleben wird"128. f) Zusammenfassung des zweiten Abschnitts

Die gesonderte Behandlung der katholischen Stellungnahmen zur subhu- manen Evolution, wie sie hier erfolgt ist, hat sich als vorteilhaft erwiesen. Es ergibt sich nämlich, daß das in der Literatur vielfach an- zutreffende Klischee von der insgesamt negativen Haltung katholischer Autoren zur Evolution bis in die letzten Jahrzehnte hinein in dieser Ver- allgemeinerung nicht aufrecht erhalten werden kann. Als das bemerkens- werteste Resultat sei hervorgehoben, daß theologische Bedenken gegen eine auf Fauna und Flora beschränkte Evolution nur bei einer Minder- zahl von Autoren bis in die 70er Jahre hinein noch eine Rolle spielen. Insofern muß die Haltung von NuGl um die Jahrhundertwende bereits als Anachronismus gelten. Kritisch wäre allerdings zu fragen, warum bei der Energie, mit der man sich zu dieser Zeit gegen modernistische Strö- mungen auf dem Gebiet der Bibelexegese wandte, nicht mit gleicher Ent- schiedenheit gegen derartige Fehlinterpretationen, wie sie Weiß vertrat, von kirchlicher Seite ein Veto eingelegt wurde. Stand diese Zeitschrift nicht in krassem Gegensatz zu der Auffassung, wie sie von der Mehrzahl aller Autoren schon von 1854 an vertreten wurde? Mit der Bibel wurde

127) Typisch Frank in Seil 82 (1912) 241 ff. 128) Ettlinger in Hochl 6 (1909) a, 584 (Zitat) u. 2 (1905) a, 235; vgl. Schmitz in NuO 51 (1905) 475; u.a. - 143 -

jedenfalls nur in der Minderzahl aller Fälle gegen Darwin operiert. Dennoch bleibt die theologische Freigabe merkwürdig blaß, weil nahezu einmütig bis etwa zur Jahrhundertwende versucht wird, die Evolution naturwissenschaftlich ad absurdum zu führen. Bei näherem Zusehen ent- puppt sich dieser Versuch als Scheinargumentation: Denn erstens be- saßen die meisten Autoren nicht die genügende fachwissenschaftliche Qualifikation, die es ihnen erlaubt hätte, über den Sicherheitsgrad der Evolutionshypothese ein Urteil abzugeben, so daß ihnen auch gar nicht bewußt wurde, daß das Wie der Evolution vorläufig im Dunkel bleiben mußte, ohne daß damit schon die Möglichkeit ihres Vorgangs widerlegt war. Und zweitens steht ganz offensichtlich die Angst vor dem Materialismus, die Angst vor der Ausweitung der Evolution auf Gebiete, die zu unbequemen weltanschaulichen Folgerungen Anlaß sein konnten, als eigentliches Agens hinter der vordergründig naturwissen- schaftlichen Gegnerschaft.

Erst mit den Stellungnahmen Wasmanns bahnt sich hier ein allmählicher Umbruch an, der zudem durch den als endgültig aufgefaßten Niedergang der Selektionstheorie erleichtert wird. So verharrt nur ein Teil der Autoren nach 1900 noch auf dem bisherigen Standpunkt und zögert mit der Anerkennung, während namentlich in den neuentstehenden Zeitschrif- ten die Evolution als weltanschaulich irrelevante naturwissenschaftliche Theorie akzeptiert wird. Läßt sich eine ähnliche Entwicklung nun auch auf dem Gebiet der humanen Evolution nachweisen?

3. Die humane Evolution

a) Problemlage und Stellungnahme des kirchlichen Lehramts

In einem ganz anderen Maße als die Theorie von der Evolution der Arten in Tier- und Pflanzenwelt schien die Theorie der Abstammung des Menschen von tierischen Vorfahren geeignet, das christliche Schöpfungs- dogma ad absurdum zu führen. Darwin hatte in seinem Werk von 1859 die Abstammungsfrage nur andeutungsweise erwähnt mit der Bemerkung: "Viel Licht wird auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte fol- - 144 - 129 len" , und sein erster deutscher Obersetzer Bronn gab sich noch vor-

sichtiger, indem er diesen Satz ganz einfach ausließ. Dennoch war die Vorstellung einer natürlichen Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier bereits vor 1859 keineswegs unbekannt. Der deutsche Vulgärmaterialismu, hatte in ihr bereits eine willkommene Waffe gegen den Bibelglauben ent-

deckt, ohne indes über eine spekulative Begründung für seine These hin- auszukommen. Versuche eines wissenschaftlichen Nachweises erfolgten

erstmals 1863, als zu gleicher Zeit Forscher wie Huxley und Haeckel, \iogt und Schleiden mit im Einzelnen unterschiedlichen Hypothesen den tieri- schen Ursprung des Menschen behaupteten. Eine stetig anwachsende populär- wissenschaftliche Literatur, an der auch Haeckel und Vogt ihren wesent- lichen Anteil hatten, bemühte sich in der Folgezeit mit dem simplifizie- renden Schlagwort Der Mensch stammt vom Affen ab, diese noch im Sta- dium erster und vorläufiger Untersuchung befindlichen Ansichten als bereits völlig nachgewiesen hinzustellen. Das geschah nicht ohne hefti- ge Angriffe gegen die Kirchen, die damit von vornherein in eine Verteidi- gungsposition gedrängt wurden. Darwin selbst nahm erst 1871 Stellung. In seinem Werk Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl führte er aus, daß der Mensch sich aus einem "alten Gliede" (S.172) der Menschenaffengruppe entwickelt habe, oder konkreter formu- liert: "...daß der Mensch von einem behaarten Vierfüßer ab- stammt, welcher, mit einem Schwanze und zugespitzten Ohren versehen, wahrscheinlich in seiner Lebensweise ein Baumtier und ein Bewohner der alten Welt war" (S.343).

Demgegenüber konnte der Genesis entnommen werden, daß der Mensch seine Entstehung einem unmittelbaren Schöpfungsakt Gottes verdankte, denn Gott der Herr "bildete den Menschen aus dem Staub der Erde und hauchte ihm den Odem des Lebens ins Angesicht. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen" (Gen.2,7). Der nächstliegende Sinn des biblischen Be- richtes schien damit "eine ... direkte und ausschließlich schöpferische

129) Zitiert nach Heberer-Schwanitz aa0 398. Hier wurde die Bronnsche Übersetzung benutzt. - 145 - 130 Intervention Gottes zu besagen" , und in dieser Weise hatte auch eine vielhundertjährige exegetische Tradition die Entstehung des Menschen in- terpretiert. Die Behauptung, der Mensch sei nicht unmittelbar der Hand Gottes entwachsen, sondern nur letztes Glied einer Säugetierreihe, wider- sprach zudem auf den ersten Blick hin in unerhöttem Maße der durch Theo- logie und Philosophie postulierten traditionellen Vorstellung von der einzigartigen Besonderheit des Menschen als Mittelpunkt des geschaffenen Universums, als "Krone der Schöpfung", als "Ebenbild Gottes". Der proble- matischste Punkt für theologisches Denken mußte aber die Einbeziehung der geistigen Fähigkeiten in den natürlichen Entwicklungsprozeß sein, wie sie mit Selbstverständlichkeit von naturwissenschaftlicher Seite vorgenom- men wurde. Die Geistseele als Prinzip reflexen Selbstbewußtseins und freier Selbstverfügung wurde damit nach katholischer Auffassung zu einem Produkt der Materie gemacht, und das hieß den Wesensunterschied zwischen Geist und Materie negieren und zugleich auch die unmittelbare Erschaffung 131 jeder einzelnen Seele aus nichts in Frage zu stellen . Selbst der schon bald von Einzelnen auf beiden Seiten unternommene Versuch, zwischen Leib und Seele bzw. geistigen Fähigkeiten zu differenzieren und nur für die Seele an der unmittelbaren Erschaffung durch Gott festzuhalten, den Leib hingegen als mögliches Ergebnis einer Evolution aus tierischen Vorfahren anzusehen, barg beträchtliche theologische Schwierigkeiten in sich: Nach definierter Lehre der Kirche sind materieller Leib und geistige Seele nicht bloß zu einer äußerlich zusammengesetzten Einheit, sondern zu einer inneren substantiellen Einheit verbunden, so daß die Geistseele durch sich selbst und wesenhaft die Form des Leibes ist. Die Seele ist also das konstitutive Prinzip, das das Wesen des Menschen bestimmt. So gesehen kann von katholischer Seite gefragt werden, ob es überhaupt möglich ist, die im geistigen Bereich wurzelnde Sonderstellung des Men- schen durch eine auf der biologischen Ebene liegende Kausalanalyse zu erfassen. Weiterhin stellt sich für die Theologie die Aufgabe, mit dem

130) Rahner in Overhage-Rahner aa0 32. 131) Sogenannter Kreatianismus, der nicht definiert ist, jedoch den theolog.Gewißheitsgrad einer sententia certa hat; vgl. Ott aa0 121. - 146 -

primitiven Erscheinungsbild, das die Naturwissenschaft vom ersten Men- schen zeichnet, die traditionelle kirchliche Lehre vom übernatürlichen Urstand, von den Gnadengaben, mit denen Gott den Adam ausstattete, zu vereinbaren. Auf diese Probleme braucht hier nicht näher eingegangen zu 132 werden . Es genügt, sie anzudeuten, um damit auf einige der Schwierig- keiten aufmerksam zu machen, denen die Theologie gegenüberstand und steFt, auch dann, wenn man nur den Leib evolutiv zu erklären sucht, für die See-

le dagegen einen unmittelbaren Schöpfungsakt annimmt.

Die mit der obigen Skizze keineswegs schon erschöpfend dargestellte Problematik gab mehrfach Anlaß zu Verlautbarungen des offiziellen kirchlichen Lehramts. Sie werden in der einschlägigen Sekundärlitera- 133 tur ausführlich repetiert und kommentiert , so daß hier nur wenige Stichworte notwendig sind: Von der Entscheidung "einigermaßen offiziel- 134 ler Art" des Kölner Partikularkonzils im Jahre 1860, die für eine unmittelbare Erschaffung des Menschen votierte, führt die Linie der offiziellen kirchlichen Äußerungen über die kurz vor 1900 erfolgenden Zensurierungen der evolutionsfreundlichen Werke der Theologen Leroy und Zahm und die Entscheidung der Bibelkommission von 1909, die die "peculiaris creatio hominis" zu den Glaubenstatsachen rechnet, an de- ren buchstäblichem, geschichtlichem Sinn festzuhalten sei, hin zur Enzyklika Humani Generis. Mit ihr gestand Pius XII. 1950 zu, daß die Frage nach dem Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits be- stehenden, lebenden Materie Gegenstand der freien Forschung sein könne, wofern man an der unmittelbaren Schöpfung der Seele durch Gott fest- halte. Er warnt jedoch vor einer Haltung, die die Abstammungstheorie

als "iam certa omnino ac demonstrata" hinnimmt. Kam es damit auch zu keiner Zeit zu einer definitorischen Verurteilung der Theorie der leib- lichen Abstammung, so läßt sich doch andererseits nicht übersehen, daß

132) s. dazu ausführlich Rahner in Overhage-Rahner aa0 16 ff u.Feiner, Ursprung, Urstand u. Urgeschichte aa0.

133) vgl. z.B. Brinktrine aa0 257 ff; Bodem aa0 4o f u.v.a. 134) So Rohner in LThK 2.Aufl. Artikel Abstammung, weil eine Diözesan- synode nicht den Gesamtepiskopat verkörpere und damit ihre Ent- scheidungen auch nicht von gleicher Bedeutung seien. - 147 -

die Kirche in ihren offiziellen Verlautbarungen während des ganzen Un-

tersuchungszeitraumes eine antievolutionistische Tendenz vertrat und

erst in jüngster Zeit zu einer immer noch vorsichtig gehaltenen, posi-

tiveren Beurteilung fand. Wenn es also den Theologen theoretisch auch

immer frei stand, gegensätzliche Ansichten zu entwickeln, so lehrte doch

das Beispiel von Leroy und Zahm, daß ein allzu offenes Eintreten für

die Mäglichkeit der humanen Evolution eine eventuelle Zensurierung zur

Folge haben konnte.

Schon von daher gesehen darf die Haltung, die die Mitarbeiter der hier

ausgewerteten Zeitschriften vertraten, besonderes Interesse in Anspruch

nehmen. Die Zahl der in Frage kommenden Beiträge ist auffälligerweise 135 geringer als die Zahl der Beiträge zur subhumanen Evolution . Vor allem macht sich hier noch stärker als dort der Trend bemerkbar, die

jeweilige Stellungnahme in Rezensionen, Miszellen und thematisch anders- artige Aufsätze zu verlagern. Große Auseinandersetzungen, die auf alle

Aspekte des Problems eingehen, bleiben relativ selten. Die Schwerpunkte der Diskussion liegen in den 70er Jahren und in der Zeit nach der Jahr- hundertwende.

b) Zur Mäglichkeit der humanen Evolution aus theologisch-philo-

sophischer Sicht: Stellungnahmen bis 1900

Auf Grund des bisher Gesagten darf eine Frage gleich vorweg beantwor- tet werden: Von allen Autoren kategorisch ausgeschlossen wird eine auch die Seele oder den Geist einbeziehende Abstammung des Menschen von tierischen Vorformen. Immer wieder wird während des ganzen Unter- suchungszeitraumes betont, daß ein qualitativer Unterschied zwischen

Geist und Materie bestehe und diese wesentliche Dualität es nicht zu- lasse, die Seele, bzw. "die geistigen Fähigkeiten", - beide Begriffe werden in diesem Zusammenhang undifferenziert gebraucht, - aus der

135) NuO und StMl stehen mit insgesamt 109/69 quantitativ sehr unter- schiedlichen Stellungnahmen wieder an der Spitze, während in den anderen Zeitschriften die Zahl der zu verwertenden Äußerungen ?mischen 43 und 3 schwankt. -148-

Materie abzuleiten. Für Gutberlet etwa "kann selbst die Macht des

Schöpfers nicht die Naturkräfte befähigen„aus den Stoffen oder aus 136 einer sinnlichen Seele den Menschengeist zu erzeugen" . Weitere Ein- zelnachweise erübrigen sich, ebenso ein näheres, hier nicht zu leisten- des Eingehen auf die dahinterstehende theologisch-philosophische Be- gründung. Die negative Stellungnahme in dieser Frage ist so einmütig, daß alle Spekulationen und Versuche, die darauf abzielen, den Geist aus tierischen Vorformen herzuleiten, a priori als materialistische These und philosophische Absurdität gebrandmarkt werden137.

Damit kann sich die weitere Untersuchung auf die theologisch-philoso- phische Beurteilung der Möglichkeit einer nur leiblichen Abstammung konzentrieren. Sie scheint jedoch bis 1870 noch gar nicht im Blickfeld der Autoren zu stehen, zumindest fehlen bis zu diesem Zeitpunkt in den herangezogenen Zeitschriften Gedankengänge, die eine Differenzierung zwischen Leib und Seele vornehmen, um damit die Möglichkeit einer nur 138 leiblichen Evolution zu erörtern . Daß eine solche Differenzierung für die katholischen Autoren noch nicht in den Kreis des Erwägenswerten gehört, zeigt sich, als 1863 der Botaniker Schleiden eine entsprechende

These vertritt und dabei für die Erschaffung des Geistes ausdrücklich den göttlichen Odem zu Hilfe nimmt. Er erhält statt sachlicher Aus- einandersetzung nur eine höchst polemische, aber bezeichnende Abferti- gung. Schlüter, als sein Rezensent, unternimmt gar nicht erst den Ver- such, auf Schleidens These näher einzugehen, er charakterisiert ihn

136) Gutberlet in HPB 100 (1887) 206.

137) Zu dem Widerstand, der aus dieser Haltung gegen die darwinistische Tierpsychologie entspringt s.u.S.192 ff.

138) Ausnahme nur bei dem Naturwissenschaftler Karsch in NuO 5 (1859) 17f anläßlich einer Auseinandersetzung mit der Büchnerschen Me- tamorphosenlehre: "Warum hätte der Schöpfer nicht ebenso leicht ... den Menschenleib aus einem Affen, als aus einem formlosen Erden- kloß ... sollten bilden können. Wir sehen wahrhaftig keinen Grund und finden in dieser Ansicht nichts Widersprechendes und Unnatür- liches". Allerdings zeigt sich für Karsch "nirgends die leiseste Andeutung, welche diese Möglichkeit zur Wirklichkeit zu erheben geeignet wäre". - 149 - vielmehr als einen Mann, dem es "an Scham, Sittlichkeit und Religion samt dem Herzen" fehle, und empfiehlt ihm, als "Affenmissionör" in den 139 Urwald zu gehen . Derartige emotionell-polemische Äußerungen stehen nicht vereinzelt, sondern sind typisch für diesen Zeitraum. Kath kon- statiert bereits 1857 mit sittlicher Entrüstung: "Welch eine Verkommenheit gehört dazu, in dem Menschen, der da ist die Krone der Schöpfung und das Ebenbild Gottes, nichts 140 anderes erblicken zu wollen, als einen potenzierten Orang-Utang"

Einige Jahre später bezeichnet Michelis, der übrigens für seine Darwin- Rezension die Bronnsche Übersetzung benutzte und sich vielleicht des- halb erst relativ spät mit dem Thema beschäftigt, die "Affenabstammungs- theorie" als "Selbstschändung des menschlichen Bewußtseins" und "wissen- schaftliche Bestialisierung des Menschen". Er stellt die düstere Prog- nose auf: "Ergibt sich Deutschland dem Affentum, so bricht die sittliche 141 Entwicklung der Menschheit ab" . In den meisten Fällen erschöpft sich in den Jahren bis 1870 bereits mit derartigen Sentenzen die Stellung- nahme zur Abstammungsfrage. Das traditionelle Bild von der Einzigartig- keit des Menschen läßt die Hypothese der humanen Evolution nur als ten- denziöse, materialistische Behauptung erscheinen, aufgestellt, um den Menschen mit dem Tiere gleichzusetzen und damit einem praktischen Ma- terialismus Tür und Tor zu öffnen. Nur vereinzelt kommt es auch zu be- gründeteren Urteilen. Dabei fällt auf, daß auch Autoren, die sich im Gan- zen gegen ein verbales Verständnis des Genesisberichts aussprechen, in Bezug auf den Menschen doch an dem unmittelbaren biblischen Wortlaut

139) Schlüter in NuO 9 (1863) 473 ff. 140) ? in Kath 1857 NF 15, 227, vgl. ebda 499 f. u. 543 141) Michelis in NuO 11 (1865) 554 f u. 12 (1866) 8 ff. Interessant auch die hier sich aussprechende Leibfeindlichkeit, die als Motivation für die Ablehnung der humanen Evolution nicht unter- schätzt werden darf: Die Naturwissenschaft sei nicht zu tadeln, wenn sie "dem wirklichen Bestande des empirischen Menschen so schonungslos auf den Grund gehe". Sie zeigte schließlich "stau- nenerregende Wunder ... in diesem Körper, dessen wir als sittli- che Menschen uns schämen ... Aber diese Wunder verblendeten sie. Sie verlor dabei den Schöpfer aus dem Auge und den wahren Gedanken des Menschen". (S.4 ff). - 150 -

festhalten zu müssen glauben. Als einziges Zugeständniswäre der Hin- weis auf die anthropomorphistische Form der biblischen Darstellung bei der Erschaffung des Menschen zu werten, denn man dürfe sich Gott 142 dabei nicht "mit körperlichem Finger wirkend" vorstellen .

Eine Intensivierung der Diskussion ergibt sich für die 70er Jahre, verursacht einmal durch das Erscheinen von Darwins Werk über die Ab- stammung, zum anderen durch die zu gleicher Zeit vertretene Auffas- sung des zum Katholizismus konvertierten englischen Zoologen Mivart. Mivart, der vom kirchlichen Lehramt nicht zensuriert wurde, differen- zierte zwischen Seele und Leib, ließ die Seele durch Schöpfung, den Leib durch Entwicklung entstehen und sah darin keinen Widerspruch zur katholischen Lehre. Seine These stößt in den katholischen Zeitschriften auf vielfaches Echo. Kein Autor wagt es freilich, sich uneingeschränkt hinter Mivart zu stellen. Doch gestehen einige wenige seiner Lösung zu, theologisch-philosophisch immerhin denkbar zu sein. Im Wesentlichen spitzt sich das Problem für sie auf die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem biblischen Text zu. Für die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Vereinbarkeit spricht sich neben Hold deutlicher noch Haffner im Kath aus: "Die Erschaffung des Menschen insbesondere wird in den Worten des Kap. 2,7 so allgemein erzählt, daß selbst der Darwinismus (gemeint ist die leibliche Abstammung, d.Verf.) - wenn es sein müßte, - sich mit ihm vereinigen ließe"143.

Zum gleichen Ergebnis gelangen einige Jahre später J.Kuhl, der in der leiblichen Evolution vor allem einen Beweis für den Monogenismus sieht, . 144 und B.Schafer . Ebenfalls erscheint dem Fuldaer Philosophen Gutber- let Mivarts Auffassung zu Ende der 80er Jahre nicht so verwerflich, zu-

142) ? in Kath 1858 NF 17, 28; vgl. Michelis in NuO 1 (1855) 104 f u. 3 (1857) 227. Daß auch Michelis später einen Formwandel der Organis- men bis hin zum Menschen für möglich hält, kann Hübner aa0 47 für 1876 nachweisen. 143) Haffner in Kath 53 (1873) a, 25; Hold in Kath 52 (1872) b, 573. 144) Vgl. zu Kuhl Hummelauer in StMl 4 (1875) 96 u. zu Schäfer ? in Kath 61 (1881) b, 550; s.a. ? in HPB 81 (1878) 74 mit Hinweis auf Augustin. -151-

mal auch Augustinus den menschlichen Leib aus den Urpotenzen hervor- gehen lasse. Gutberlet, der für NuO zahlreiche Beiträge verfaßt hat, vertritt jedoch im Ganzen eine lavierende Haltung. Auf der einen Seite bejaht er die Möglichkeit einer tierischen Abstammung unter der Voraus- setzung, daß hier eine zielgerichtete Entwicklung auf den Menschen hin 145 vorliege , auf der anderen Seite betont er jedoch ebenso stark, daß eine Abstammung schon durch die geistige Organisation des Menschen ausgeschlossen sei l ". Abweisender noch als Gutberlet verhält sich Knabenbauer in den StMl. Obwohl er ausdrücklich für die theologische Zulässigkeit einer auf Fauna und Flora beschränkten Evolution eintritt (s.a.S. 121 ), ist ihm die These Mivarts nicht nur wegen der untrenn- baren Einheit von Seele und Körper, sondern namentlich aus exegetischen Gründen unannehmbar, obwohl er zugibt, sie könne als "absolute Möglich- keit" ... "vielleicht nicht schlechthin bestritten werden" (5.137). Aber die ausdrückliche Erwähnung des Schöpfungsmaterials in der Genesis ("Staub von der Erde ist doch kein Ausdruck für tierischen Organismus" S. 126), die Erzählung von der Bildung Evas, die Namensgebung, die Art der Begrüßung Evas durch Adam usw., all diese im Laufe einer langen Tra- dition mit philologischer Gründlichkeit erarbeiteten Momente lassen ihm die unmittelbare Erschaffung des ganzen Menschen zu einer "res fidei

145) Anlaß ist die ausführliche Besprechung der orthogenetischen Theorie des Physikers Karl Snell, die als erste Theorie aus dem naturwissenschaftlichen Lager eine sachliche Rezension erfährt, da sie die Sonderstellung des Menschen, "seine geistige Hoheit" wahre. Gutberlet in NuO 34 (1888) 788 u. 35 (1889) 39 u. 702; vgl. zu Gutverlet auch Birkner in NuO 43 (1897) 62 : "Sollte aber, was nach den bisherigen Funden nicht zu erwarten ist, ... eine stetige chronolog. Reihe von dem niedrigsten Protoplasmaklümpchen bis hinauf zu dem Menschen dargelegt sein, dann werden wir vor die- ser Tatsache nicht erschrecken, sondern im Gegenteil in der Des- zendenz jenes Gesetz anerkennen, durch welches der Schöpfer den Reichtum seiner Schätze ... deutlicher zum Ausdruck gebracht, als wenn er den jetzigen Bestand der organischen Welt auf einmal durch unmittelbares Eingreifen oder durch Urzeugung ins Dasein gesetzt hätte." 146) Gutberlet in HPB 100 (1887) 207; u.a. - 152 -

et morum" werden, die zum Glauben gehöre ("spectat ad fidem" 5.135 f.)147 Knabenbauers sehr sachlich geschriebener Beitrag unterscheidet sich in seiner Argumentation stark von dem wenige Jahre später im Kath erschei- nenden Aufsatz Pohles. Pohle hat Mivart, dem er vorwirft, die Bibel "mit gewalttätiger Accomodation" anzupacken, in der Hauptsache nur ein emo- tionales Argument entgegenzusetzen: Mivarts These widerspreche "dem christlichen Glaubensgefühl in so beleidigender Weise, daß selbst der kühnste Wortklauber und freisinnigste Exeget nicht wagen würde, die mosaische Schöpfungsurkunde im Mivartschen Sinne zu deuten oder vielmehr zu entstellen" 143 .

Weder Knabenbauer noch Pohle gehen allerdings trotz ihrer Ablehnung so weit, die Annahme der leiblichen Abstammung ausdrücklich als haere- 149 tisch zu verurteilen . Pohle zumindest ist jedoch bereits ein Re- präsentant des großen Lagers derjenigen, für die eine solche Annahme absolut undenkbar ist. Die Stellungnahmen dieses Lagers sind beson- ders in NuO nachweisbar, wobei auffällt, daß eine eigentlich theolo- gisch-philosophische Beweisführung meist im Hintergrund steht. Dort, wo sie erfolgt, z.B. bei Handmann und Resch, geht es vor allem um die Begründung der einzigartigen Sonderstellung des Menschen, der nun ein- mal "kein bloßes Naturerzeugnis (sei), nicht einmal dem Körper nach", ein "dogmatischer Satz", für den nach Handmann der klar und authentisch 150 erklärte hl. Text bürge . Im Allgemeinen aber beschränkt man sich wie in der Zeit vor 1870 darauf, den materialistischen Charakter der Theorie zu unterstreichen, um damit zugleich ihre atheistische Tendenz, die den Menschen der Schöpferhand Gottes entreiße, herauszustellen. Die beredte

147) Knabenbauer in Seil 13 (1877) 121 ff. 148) Pohle in Kath 63 (1883) a, 564. 149) So Scheeben in seinem Handbuch d.kath.Dogmatik, 1878 Bd.II, 144. 150) Handmann in NuO 22 (1876) 552. H.spricht von einer "4.Vollkommen- heitsstufe", auf der der Mensch sich befinde u. Resch in NuO 21 (1875) 350 denkt an eine "sphärische Ordnung", in der sich alle Organismen peripherisch um den Menschen ordnen. Vgl. Woker in Kath 57 (1877) a, 99,1ff, der für die Menschen ein eigenes "regnum humanum" postuliert. - 153 -

Klage über die durch die Abstammungstheorie ungerechtfertigterweise in Frage gestellte "Würde" des Menschen wiederholt sich daher auch in fast 151 allen einschlägigen Äußerungen immer wieder . Sie verbindet sich mit aggressiver Polemik gegen jene "Naturforscher, (die) den traurigen Mut haben, ihre sinnlosen Affentheorien der Öffentlichkeit zu übergeben und mit dummdreister Frechheit die religiösen Gefühle ihrer Leser zu ver- 152 höhnen" . c) Zur Frage der empirischen Erweisbarkeit der humanen Evolution: Stellungnahmen bis 1900

Ähnlich wie bei der Beurteilung der subhumanen Evolution sehen es die katholischen Autoren auch bezüglich der Abstammungsfrage als ihre wich- tigste Aufgabe an, die Leser der Zeitschriften über den "wahren" Stand des zeitgenössischen Wissens zu unterrichten. Das gilt für die Zeit bis 1870 allerdings nur ansatzweise, was nicht zuletzt daran liegen mag, daß entsprechendes Material noch nicht in ausreichendem Maße zur Ver- fügung stand und die Befürworter der Abstammung sich mehr oder weniger in - zum Teil sehr willkürlichen - Thesen ergingen. Dementsprechend ist die Reaktion im katholischen Lager. Insgesamt wird die sich hauptsäch- lich auf anatomische Ähnlichkeiten beziehende Beweisführung kaum ernst genommen und unter Hinweis auf ihren spekulativen, "tendenziösen" Cha- 153 rakter polemisch abefertigt . Darwins Werk über die Abstammung und

151) Typisch Scheidemacher in PB1 2 (1873) 546 u. NuO 20 (1874) 407; Sterneberg in NuO 21 (1875) 555; Stöckl in Kath 72 (1892) b, 97 ff; u.v.a. 152) V. in NuO 27 (1881) 570. 153) Eins der vielen Kuriosa in der "naturwissenschaftl." Diskussion dieser frühen Jahre ist der Streit um den angeblich geschwänzten und damit für die Tierabstammung sprechenden Negerstamm der Niam- Niam u.a., denen Mohnike noch 1877 einen 9 Folgen umfassenden Artikel in NuO 23, 610 ff widmet; s.auch ? in Kath 1857 NF 16, 499.; Michelis in NuO 8 (1862) 186 f; u.a.;für die kathol.Auto- ren handelt es sich bei den angeblichen Schwänzen um krankhafte Auswüchse der Wirbelknochen oder auch, wie ein anderer Autor zu berichten weiß, um eine fächerförmige Unterleibsbekleidung. - 154 -

die wenig später erscheinende Haeckelsche Anthropogenie bieten dann eine fundiertere Basis, um sich ausführlicher mit dem von dieser Seite vorgebrachten Belegmaterial zu beschäftigen.

Einige Autoren bestreiten allerdings der Naturwissenschaft ausdrück- lich das Recht, überhaupt zu Aussagen über den Menschen und seine Her- kunft berechtigt zu sein, indem sie entweder auf die Sonderstellung des Menschen verweisen, die es nicht erlaube, ihn nur anatomisch zu be- 154 urteilen , oder indem sie sich auf den Vorrang der Geschichtswissen- schaft in dieser Frage berufen. Denn würde wirklich das Menschengeschlecht vom Tiere abstammen, so wäre gewiß zu erwarten, daß "wenigstens seine äl- testen Repräsentanten eine blasse Idee oder einen Rest ihres ursprüng- lichen Heimatscheines bewahrt hätten" 155 . Im übrigen gilt für alle Autoren weiterhin, daß es sich bei dem, was zugunsten einer Abstammung vorgebracht wird, nur um einen "atheistischen Phrasenschwall", um eine "Anhäufung von leeren und unhaltbaren Vermutungen" handelt

Die solchermaßen vorhandene Praejudizierung zeigt sich exemplarisch etwa bei der Behandlung der paläontologischen Beweisgruppe. Hier befanden sich die Evolutionisten zunächst in einer sehr schwachen Position, da eine nennenswerte und beweiskräftige Fossilüberlieferung sich erst im 20.Jahr- hundert hat auffinden lassen. Zur Zeit Darwins konnte lediglich auf den

154) Noch 1899 bezeichnet Kohlhofer in NuO 45, 725 "die Behauptung, der Mensch gehöre wenigstens seiner Leiblichkeit ... nach in die Klasse der Säugetiere" als unwissenschaftlich und meint: "Ob die Zoologen, welche die Menschen zu den Säugetieren rechnen, der Sippe sapiens beizuzählen sind, ist erst noch eine Frage". Wenn man den Menschen- leib überhaupt an die Tierwelt anreihen wolle, "so müßte man ihn am füglichsten an den Köhig der Tiere, den Löwen, anschließen, dessen Gestalt noch am meisten von allen Tieren das Majestätische und Königliche des Menschenleibes darstellt ..." (S.734) 155) H. in NuO 26 (1880) 123 f; vgl. Westermeyer in NuO 20 (1874) 175; u.a. 156) Granderath in StM1 48 (1895) 379; u.v.a. - 155 -

1856 gefundenen Neandertaler hingewiesen werden, dessen systematische Stellung jedoch kontrovers war. Weder für Darwin noch für Haeckel bilde- te indes der Fossilienmangel einen nennenswerten Einwand. Haeckel sah in der Fossilüberlieferung ohnehin "nur eine Bestätigung der in den Grundzügen bereits anderweitig erschlossenen Phylogenese" 157, die auch nachträglich gesichert werden konnte. Er stellte daher schon in der Natürlichen Schöpfungsgeschichte einen 22 Ahnenstufen umfassenden Stammbaum auf, der von der Monere über die hypothetischen Zwischenglie- der Menschenaffen und Affenmenschen bis hin zum homo sapiens führte.

Dagegen postulierte daskatholische Lager einmütig, erst müsse ein voll- ständiger Fossilnachweis vorliegen, bevor man sich überhaupt mit dem Ab- stammungsproblem näher beschäftigen könne, und ließ keine Gelegenheit vorübergehen, ohne nicht in mehr oder weniger triumphierender Form auf das Fehlen eines jeglichen fossilen Bindegliedes hinzuweisen und die "morschen und faulichten Stammbäume Haeckels" zu attackieren. Daß hier einzukünftiger Fund alle bisherigen derartigen Triumphe gegenstandslos machen konnte, scheint dem Eifer der katholischen Autoren entgangen zu sein. Erstmalig ergab sich diese Situation, als 1894 der holländische Militärarzt Dubois eine Schrift mit dem Titel Pithecanthropus erectus, eine menschenähnliche Obergangsform von Java veröffentlichte und damit schon im Titel ausdrückte, welche Bedeutung er den von ihm zwei Jahre zuvor auf Java gefundenen Fossilresten beimaß. Während der Pithecanthro- pus heute allgemein als fossiler Hominide anerkannt ist, blieb seine Zuordnung damals lange Zeit umstritten. Für die katholischen Autoren war es indessen sofort eindeutig, auf wessen Seite man sich zu stellen hatte. Noch 1894 erklärt der Münsteraner Privatdozent für Zoologie, Westhoff, den Lesern von NuO, die Untersuchungen von Dubois entbehrten der Zuver- lässigkeit, das Beweismaterial sei zu gering. Dieser Umstand hindert ihn selbst aber nicht, im gleichen Aufsatz gelehrt nachzuweisen, daß es sich . 158 bei dem Fund nur um einen echten Affen handeln konne . Befremdlich ist

157) Heberer, Zur Geschichte ... aa0 11; Haeckel, Natürl.Schöpfungsge- schichte aa0 577; Darwin, Abstammung aa0 175. 158) Westhoff in NuO 40 (1894) 21 ff. - 156 -

auch das Verfahren , das etwa die HPB wählen: Hier geht man erstmals 1895 auf den Pithecanthropus ironisch-abwertend ein, nennt aber, wie man offen zugesteht, weder seinen Namen noch den seines Entdeckers, "um nicht zu unverdienter Berühmtheit zu verhelfen" (5. 863). Schon im fol- genden Jahre scheint man wohl das Unzweckmäßige einer derartigen Vogel-Strauß-Politik erkannt zu haben. Namen und nähere Fundumstände werden jetzt mitgeteilt, doch geschieht das in so geringschätziger Form, daß dem Leser die Bedeutsamkeit des Fundes, von dem Dubois glaube, 159 es sei sein "Urgroßvater", kaum aufgehen konnte . Wie wichtig indesi diese Entdeckung war und wie sehr sie der katholischen Apologetik zu schaffen machte, erhellt daraus, daß in fast allen Zeitschriften, weit aber die Jahrhundertwende hinaus, Pithecanthropus thematisch wird. Im Allgemeinen wird dabei nie ohne Polemik gearbeitet, und in dem Streit um die Einordnung des Fundes steht man wie selbstverständlich immer auf Seiten der Wissenschaftler, die sich für einen pongiden Status ausspre- chen. Entgegengesetzte Meinungen werden oft gar nicht referiert oder kurz als unbedeutend abgetan. Diesem Verfahren erliegt auch das sonst nicht wertende JNW, wo ebenfalls Westhoff, später auch Birkner sich mit Pithe- canthropus beschäftigen.

Eine prinzipielle, von vornherein existente Ablehnung ist auch für die Behandlung anderer Beweisgruppen wie auch für die Frage nach der ursäch.. lichen Begründung der menschlichen Evolution (Darwins geschlechtliche Zuchtwahl und andere Erklärungsversuche) kennzeichnend. Weil ein aus- reichender Fossilnachweis fehlte, hat damalige Forschung ihren Haupt- nachdruck auf die vergleichendeAnatomie und Morphologie gelegt. Daneben ist das in immer größerer Fülle bekannt werdende ethnologisch-anthropolo- gische Material ausgewertet worden. Für Haeckel lieferte weiterhin die Embryologie wichtige Indizien, während Vogt lange Zeit in der Mikrocepha- lie einen ersten Nachweis für die tierische Abstammung gefunden zu ha- ben glaubte. Es wurde zu sehr ins Einzelne führen, wollte man auf die Fülle von Thesen und Theorien eingehen, die damals aufgestellt wurden und eine Resonanz auch auf katholischer Seite gefunden haben. Vieles davon verdankte seinen Ursprung vorschneller Entdeckerfreude, aber auch

159) ? in HPB 116 (1895) 863 f u. 117 (1896) 561 ff. — 157 —

tendenziöser Meinungsmache und war bald wieder vergessen. Einiges war geradezu phantastisch und wurde auch auf Seiten der Befürworter einer tierischen Abstammung nicht ernst genommen. Doch gerade hier ergab sich ein Ansatzpunkt für die katholischen Kritiker. Man mokierte sich über die Vielfalt der aufgestellten, oft einander widersprechenden und unter- einander auch sehr ungleichwertigen Hypothesen. Man konnte darauf ver- weisen, daß diese oder jene Ansicht nun endgültig aufgegeben sei, und versäumte es nicht, auf immer wieder neue Resultate der Forschung hinzu- weisen, die angeblich ebenso endgültig gegen eine tierische Herkunft sprachen. Die stereotyp erfolgende Berufung auf "Autoritäten" wie von Baer, Virchow und in späteren Jahren den katholischen Anthropologen J.Ranke, die eingehende Erörterung des gesamten empirischen Belegmaterials kann jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß allen Autoren das Resultat ihrer Untersuchungen von Anfang an feststeht. Sehr viel stärker noch als bei der Diskussion um die Möglichkeit einer subhumanen Evolution wird hier eine Haltung demonstriert,die es am liebsten gesehen hätte, wenn jede Forschung in dieser Frage aufgegeben worden wäre, weil man von ihrer Aussichtslosigkeit überzeugt ist. Natürlich waren die da- mals vorgetragenen Beweise schwach, natürlich ließen sich berechtigte Gegenargumentationen vorbringen, natürlich waren oft auch - wie beispiels- weise bei Haeckel - weltanschauliche Folgerungen, die eigenem Denken to- tal widersprachen, in die empirische Beweisführung verwoben, was ihre Re- zeption zusätzlich erschwerte. Aber es muß bedenklich stimmen, daß kein einziger Autor in dieser Zeit es für nötig hält, der Forschung das Be- rechtigte ihrer Fragestellung überhaupt zuzugestehen, ganz gleich, wie nun das Resultat auch ausfallen mochte. Kaum einmal läßt sich die Beobach- tung machen, daß diese oder jene These oder Theorie als eine immerhin mögliche, zugunsten einer Abstammung sprechende hingestellt, oder auch nur als Erkenntnisgewinn verbucht wird. Statt dessen mußte sich beim Le- ser der katholischen Blätter die Oberzeugung bilden, daß eigentlich alles, was bisher seitens der Naturwissenschaft für eine Abstammung vorgebracht wurde,tendenziös, kritikwürdig und nicht beweiskräftig sei. So kann es kein Wunder nehmen, wenn NuO "am Ende des naturwissenschaftlichen Jahr- hunderts", - schon die Kennzeichnung des Adjektivs durch Anführung.- - 158 -

striche ist symptomatisch, - mit dürren Worten konstatiert: "Unsere Kenntnis vom Ursprunge des Menschen ist im Laufe des verflossenen Jahr- 160 hunderts von der Naturwissenschaft nicht gefördert worden" .

d) Die Situation nach 1900

Kurz nach 1900 gewinnt die Abstammungsfrage in den katholischen Zeit- schriften wieder stärkeres Interesse. Den äußeren Anlaß dazu geben nicht nur neue Theorien und Entdeckungen auf naturwissenschaftlichem Gebiete, sondern auch der Aufschwung, den der Haeckelsche Monismus um diese Zeit nahm. Namentlich Haeckels "Welträtsel" von 1899, für die das Problem der Menschwerdung bereits gelöst war, zwangen zur Auseinandersetzung. Der apologetische Bezug auf Haeckels Thesen ist daher auch in vielen Beiträgen nachweisbar. Wichtiger noch dürfte die Neuorientierung auf dem Gebiete der subhumanen Evolution sein, die zu dieser Zeit, wie im vori- gen Abschnitt gezeigt werden konnte, bei vielen Autoren zur Überzeugung von ihrer naturwissenschaftlichen Berechtigung oder Erweisbarkeit führt.

Von daher gesehen lag es nahe, die eigene Position auch zur Frage einer eventuellen Entwicklung des menschlichen Leibes erneut zu überprüfen, denn es versteht sich von selbst, daß erst einmal die Tatsache der Evo- lution im Tier- und Pflanzenreich akzeptiert werden mußte, bevor man dem Gedanken an eine humane Evolution nähertreten konnte. Schließlich und letztlich erleichterte aber auch die fortschreitende Erkenntnis der Ei- genart biblischer Geschichtsschreibung den Zugang zu einer Neuinterpre- tation der Genesisaussage. Bemerkenswerterweise knüpft die nun einsetzen- de Diskussion jedoch nicht an die kurz vor 1900 zensurierten Werke von Leroy und Zahm an, obwohl sie im deutschen Sprachraum wohl kaum unbeach- tet geblieben sein dürften. Von den für das Laienpublikum bestimmten 161 Zeitschriften werden sie mit einer unbedeutenden Ausnahme stillschwei- gend übergangen.

Auf zahlreiche Reaktionen stößt dagegen die von Erich Wasmann vertretene Haltung, der wie schon bei der subhumanen Evolution, so auch in dieser

160) W. in NuO 45 (1899) 360. 161) Förster in NuGI 1 (1898) 170 ff abwertend zu Zahm. - 159 -

Frage, zu einem der bekanntesten Wortführer des deutschen Katholizismus nach der Jahrhundertwende wird. Auch Wasmann, der sich seit 1888 sowohl in NuO wie in den StMI mit dem Problem beschäftigt, widmet der natur- wissenschaftlichen Seite weit mehr Raum als der philosophisch-theologi- 162 schen Argumentation . Was diese angeht, so bleibt selbstverständlich auch für ihn eine Leib und Seele umgreifende totale Evolution absolut ausgeschlossen. Seine Begründung dafür unterscheidet sich in nichts von der schon oben (S. 147 ) skizzierten Haltung aller anderen Autoren. Im Gegensatz zu den meisten von ihnen tritt er jedoch 1896 in NuO noch sehr vorsichtig formulierend, bestimmter dann 1903 in den StMl für die Möglich,. keit der schon von Mivart vertretenen These ein und entwickelt damit ei- nen Ansatz weiter, der in den 70er Jahren noch keinen rechten Boden 163 fand . Philosophisch gesehen hält er die Annahme, Gott habe den ersten Menschen gleich fertig geschaffen, für ebenso möglich wie die Annahme, Gott habe sich dabei der natürlichen Ursachen bedient. Aber auch die theologische Seite des Problems dünkt ihm nicht unlösbar. Anders als sein Ordensgenosse Knabenbauer, der rund 25 Jahre früher exegetische Gründe als das Haupthindernis angeführt hatte, erwähnt Wasmann solche Gründe gar nicht einmal, sondern faßt nur summarisch zusammen, man dürfe das Problem vom theologischen Standpunkt aus ruhig offenlassen. Der Katho- lik brauche hierin nicht ängstlich zu sein. Wasmanns "Offenlassen vom theologischen Standpunkt" impliziert ganz eindeutig, daß ihm die hier 164 - entstehenden Schwierigkeiten nicht unüberwindbar sind . Für ihn ver-

162) s. dazu Wasmann in NuO 42 (1896) 362 ff u. in StMl 65 (1903) 387 ff, die im folgenden verwertet werden. 163) Daß Wasmann ursprünglich konservativere Auffassungen vertrat, ver- rät noch eine Rezension in NuO 39 (1893) 684, wo die Snellsche These als theologisch und philosophisch unannehmbar bezeichnet wird, die er dann 3 Jahre später in NuO 42 (1896) 370 f bereits positiver beurteilt. 164) Gegen Hübner aa0 50 wäre zu betonen, daß gerade nicht die kirchliche Tradition, sondern allein der Mangel an empirischen Beweisen Wasmann vorläufig nur erst von der Möglichkeit und nicht schon von der Fak- tizität einer leiblichen Entwicklung sprechen läßt. Nicht umsonst weist er mehrfach auf Augustinus hin. -160-

lagert sich damit der Schwerpunkt, soweit es um die somatische Seite der Frage geht, primär auf die Naturwissenschaft, deren kritische Musterung er dann auch in den Vordergrund stellt.

Eigentümlicherweise wird bei der Sichtung der naturwissenschaftlichen Indizien jedoch eine Haltung spürbar, die sich auf den ersten Blick kaum von der bisher auch von allen anderen Autoren eingenommenen unter- scheidet. Dies gilt nicht nur für die bis 1900 erfolgenden Beurteilungen, auch später läuft die Tendenz der Wasmannschen Beiträge auf eine Ab- wertung aller einschlägigen naturwissenschaftlichen Hypothesen heraus. Hinter dieser Abwertung steht freilich nicht mehr die prinzipielle Ne- gation aller naturwissenschaftlichen Resultate, nicht mehr das allzu sichere Bewußtsein von der Unangreifbarkeit der eigenen Stellung. Für Wasmann ist es vielmehr durchaus denkbar, daß sich eines Tages proevo- lutionistische Beweise finden lassen. Aber, - und darin liegt das eigent- liche Motiv für seine ablehnende Haltung, - er befürchtet dabei eine Grenzüberschreitung der Naturwissenschaft, die zum Teil schon als er- folgt angesehen wird und die in seinen Augen verderblich wirkt. Das Den- ken der meisten Naturwissenschaftler charakterisiert nach Wasmann die fehlende qualitative Unterscheidung zwischen Körper und Geist, das man- gelnde Verständnis für die Besonderheit des menschlichen Geistes, der sich eben rein biologisch-zoologisch nicht zureichend erklären lasse. Daher ist es sein immer wieder erneutes Anliegen, auf die notwendige Trennung zwischen Körper und Geist hinzuweisen, die für alle Forschung Voraussetzung bleibe. Nur der Vollzug dieser Trennung gebe philosophisch- theologisch die Möglichkeit, eine Abstammung des menschlichen Leibes in Erwägung zu ziehen. Da die Naturwissenschaft, obwohl er ihr die Beweis- last für den somatischen Teil des Problems ausdrücklich überträgt, diese Unterscheidung jedoch nicht sehen will, da sie nicht bereit ist, sich auf den ihr zugewiesenen Bereich zu beschränken und in unzulässiger Weise bereits als unbedingtes Postulat aufstellt, was vorderhand noch jedes Anhaltspunktes ermangelt, kann ihren Thesen auch nur mit höchstem Mißtrauen begegnet werden. Trotz des damit gestörten Verhältnisses zur Naturwissenschaft darf jedoch nicht übersehen werden, daß mit Wasmann — 161 —

die katholische Position, was die Möglichkeit einer leiblichen Abstam- mung angeht, neu formuliert wird. Er bleibt darin freilich nicht der ein- zige zu dieser Zeit.

1900 vertrat der Würzburger Theologe und Philosoph E.L.Fischer die Mei- nung, alle Dinge seien zwar von Gott geschaffen, aber er habe ihre Ent- wicklung dann ihnen selbst überlassen. Auch die Entstehung des Menschen gehe nicht auf einen besonderen Schöpfungsakt zurück, verlange jedoch wegen des Gegensatzes von Mensch und Tier ein spezifisch menschliches Organisationsgesetz, das von Anfang an in der Welt vorhanden, doch erst 165 spät zur Geltung kommen konnte . Was Fischer philosophisch formulierte, suchte zu gleicher Zeit der bayerische Landpfarrer Bumüller empirisch zu erhärten. Ausgestattet mit umfangreichem Belegmaterial, wollte er, wohl in Anlehnung an Theorien der Naturwissenschaftler Aeby und Fraas, den Menschen in anatomischer Hinsicht als eigene systematische Gruppe mit selbständiger Entwicklung aus menschlichen, aber nicht pongiden 166 Vorformen von den Primaten scharf abgegrenzt wissen . Schließlich sind noch die Theologen Götteberger, Sawicki und Schmitt zu erwähnen, für die die These Mivarts sich mit den Aussagen der Bibel durchaus vereinbaren ließ

Die Aufmerksamkeit, mit der man zumindest in einem Teil des katholischen Lagers die gerade skizzierten Ansichten zur Kenntnis y nahm und diskutier- te, ist kaum zu vergleichen mit der nur matten Resonanz, die Mivarts These noch 30 Jahre früher fand. Wie bei der Frage der subhumanen Evolu- tion lassen sich auch hier wieder konservative und fortschrittliche Stel...

165) E.L.Fischer, Der Triumph der christlichen Philosophie... 1900. 166) These wird erstmals in J.Bumüller, Mensch oder Affe ..., 1900 vertreten, vgl. Bumüller in NuK 4 (1906 f) 609 ff u. Hochl 4 (1907) b, 369 ff. 167) J.Göttsberger, Adam u.Eva, Münster 1911, hier sogar der Hinweis, auch die tastenden Versuche, die menschliche Seele durch Deszendenz abzuleiten, scheiterten zunächst nicht am biblischen Text, der die Seele nicht direkt nenne, s.dazu Völler in NuK 9 (1911 f) 189; F. Sawicki, Die Wahrheit des Christentums, Paderborn 1911; A. Schmitt, Der Ursprung des Menschen, Freiburg 1911. - 162 - lungnahmen unterscheiden, wobei die Gruppierung der einzelnen Zeitschrif- ten fast die gleiche bleibt.

NuG1 steht wieder auf einem völlig intransigenten Standpunkt. Von der durch Mivart und erneut durch Wasmann und Fischer aufgeworfenen Unter- scheidung zwischen Schöpfung der Seele und Entwicklung des Leibes er- fährt der Leser dieses Blattes absolut nichts. Mehr noch: Es findet sich überhaupt keine eingehende Erörterung der philosophischen und theologi- schen Problematik. Statt dessen begnügen sich Weiß und seine Mitarbeiter neben einer nicht nur veralteten und unzulänglichen "naturwissenschaft- lichen" Argumentation mit einer rüden Polemik, für die auch in den 70er 168 Jahren nicht so leicht eine Parallele gefunden werden kann . 169 Auch in HPB, Kath und NuO dominieren ablehnende Stellungnahmen, wenn auch auf anderem intellektuellem Niveau. Bezeichnenderweise erhält Fi- schers These in HPB und NuO keine Rezensionen. Nur Kath geht ernsthaft gleich mehrmals auf sie ein: Im Ganzen kommt es dabei jedoch zu kühler Distanzierung, die teils mit dem Hinweis auf "die Glaubenslehre" (!) der Kirche (Kölner Partikularkonzil von 1860), teils mit philosophischen Bedenken (unteilbare Einheit der menschlichen Natur, Seele als forma 170 substantialis corporis humani) begründet wird . Auch der Schell-Schü- ler Kneib, der Fischers Buch zwar als Beweis für die Freiheit katholi- schen Denkens gewertet wissen möchte und ferner betont, daß der Schöp- fungsbericht seinem Wortlaut nach nicht ohne weiteres Glaubenssatz sei, 171 zögert aus exegetischen Gründen, Fischers These zu akzeptieren . Eben- so reserviert bleibt die Haltung einige Jahre später gegenüber Wasmann, wenigstens was die humane Evolution angeht. Entweder wird seine dies- 168) Typisch Weisbach in NuG1 4(1901) 295 ff; Rosenbeck in NuG1 7 (1904) 540 ff; u.v.a. Die Zeitschrift machtnoch Front gegen eine Abstam- mung von rezenten Affen. Die benutzte Literatur weist in die 60er u.70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. 169) Wasmann hat seine Mitarbeit an NuO nach 1900 stark eingeschränkt. - Außerdem gehört hierhin auch JNW, das sich allerdings nur mit der naturwiss.Seite des Problems befaßt, dabei aber ein partei- isches Auswahlprinzip sichtbar werden läßt. 170) Bellesheim in Kath 80 (1900) b, 46; Kirstein in Kath 80 (1900) a, 361 ff. 171) Kneib in Kath 82 (1902) a, 207 f. - 163 -

bezügliche Position nicht erwähnt, oder die von ihm angeführten natur- wissenschaftlichen Bedenken einseitig hervorgehoben, sein Eintreten für die prinzipielle Möglichkeit dagegen verschwiegen, oder schließlich sei- ne These schlicht abgelehnt, weil, - wie z.B. Margreth im Kath meint, - sie der Würde des Menschen nicht entspreche und "moralisch unmöglich" .1 72 se i . Über solche aus Anlaß von Rezensionen entstandenen Stellung- nahmen hinaus kommt es in dieser Zeit in den genannten Blättern kaum zu 173 eigenen Auseinandersetzungen , obwohl man sie doch bei der Bedeutung des Problems mindestens in NuO erwarten dürfte. Wie weit darin ein ge- wisses Unterspielen der ganzen Fragestellung zum Ausdruck kommt, sei dahingestellt.

Eine Art Mittelstellung nehmen die Stimmen ein. Die sich neben Was- mann zu Wort meldenden Mitarbeiter gehen nicht so weit wie er. Nicht nur wird 1900 die von Fischer vorgetragene Meinung als "geistreiche, 174 hochfliegende Hypothese" im Grunde abgelehnt . Auch Wasmann selbst findet keinen vollen Beifall. Für Breitung etwa, der mit ihm in allen anderen Punkten einer Meinung ist, läßt sich die Lehre von einer nur leiblichen Abstammung kaum mit der allgemeinen kirchlichen Anschauung . 1 75 vereinen . Wenn Breitung außerdem meint, Wasmann hätte seine spekula- tiven Exkurse über die philosophische Möglichkeit einer Entwicklung des menschlichen Körpers kürzer ausfallen, bzw. ganz weglassen sollen, weil die Naturwissenschaft immer deutlicher die Aussichtslosigkeit der ganzen Hypothese zeige, so bringt er damit ein klassisches Argument, das bei vielen Autoren unausgesprochen hinter ihren Stellungnahmen steht. Statt der Theologie durch solche Überlegungen, wie z.B. Wasmann sie vor- nimmt, die Möglichkeit zu geben, eine Position unabhängig von jedem na- turwissenschaftlichen Ergebnis zu beziehen, macht man sich in der stil- len Hoffnung, daß diese Ergebnisse möglicherweise negativ seien und man 172) Margreth in Kath 88 (1908) a, 75. 173) Dort wo sie erfolgen, erstaunt die Selbstsicherheit, mit der man als Theologe naturwiss.Fragen beurteilt, s. z.B. Stölzle in HPB 125 (1900) 871 ff. 174) ? in StMl 59 (1900) 103. 175) Breitung in StMl 75 (1908) 23 u.27. - 164 -

dann am Altvertrauten festhalten könne, von den weiteren Fortschritten der Naturwissenschaft abhängig und zögert die theologische Neubesinnung hinaus. Mit Breitungs Äußerungen wird auch bereits die Haltung zur na- turwissenschaftlichen Seite des Problems innerhalb des konservativen Lagers angeschnitten, die sich mit wenigen Worten umreißen läßt: Die Tendenzen der Jahre vor 1900 werden im großen und ganzen weitergeführt. In diesem Zusammenhang wird die These Bumüllers mehrfach rezensiert, ohne daß es zu einheitlicher Meinungsbildung kommt: Während einige Auto- ren mit ihr sympathisieren, weil sie den Nachweis bringe, daß der Mensch nicht zu den Primaten gehöre und die von der Theologie postulierte Son- 176 derstellung einnehme , lehnen andere - unter ihnen Wasmann - sie ab, weil es "ein gefährliches Manöver" sei, "den Menschen ... zu einem eige- nen Stamm des Tierreichs zu erheben ..., um die Stammesverwandtschaft 177 des Menschen mit den Primaten zu widerlegen . Beide Stellungnahmen lassen das theologische Interesse an der menschlichen Sonderstellung in gleicher Weise transparent werden. - Insgesamt gesehen geht die frü- her anzutreffende Polemik gegen alle Versuche, eine Entwicklung nachzu- weisen, jetzt jedoch zurück. An ihre Stelle treten z.B. in den StMl in den letzten Jahren vor dem Krieg sachlich gehaltene Überblicke über den neuesten Forschungsstand. Das Ergebnis bleibt jedoch ebenso negativ wie früher. Frank, der übrigens ebenso wie Wasmann die Möglichkeit einer tierischen Abstammung des Menschenleibes nicht für völlig ausgeschlos- sen hält, gibt sicher nicht nur seine Meinung wieder, wenn er betont: "Wir sind der Meinung, daß die Zeit niemals kommen wird, da wir wirklich durch Beweise gezwungen sein werden, auch nur diese be- schränkte tierische Abstammung zuzugeben; die Ergebnisse der hier zuständigen Wissenschaften sind nicht dazu angetan"178.

176) Dressel in StMl 59 (1900) 337; Stölzle in HPB 142 (1908) 297 ff; u.a. 177) Wasmann in NuO 48 (1902) 123 (Zitat); vgl. Birkner in NuO 50 (1904) 184 f; u.a. Ähnlich kontrovers auch die Haltung im fortschrittli- chen Lager, vgl. Baum in NuK 9 (1911 f) 573 ff mit Gander in Hochl 6 (1909) b, 252 f. 178) Frank in StMl 80 (1911) 431. - 165 -

Im Gegensatz zu den bisher genannten Blättern werden die Leser der auf- lagenstarken Zeitschriften NuK, Hochl und Schö in einem sehr viel posi- tiveren Sinne beeinflußt. Zwar wird auf Fischers Buch nicht mehr einge- gangen, wohl deshalb, weil es zur Zeit der Gründung dieser Zeitschriften seine Aktualität bereits verloren hatte. Wasmanns theologisch-philoso- phische Beurteilung erhält dagegen mehrfach ein günstiges Echo. Auch finden sich relativ häufiger als in den anderen Blättern eigene dezi- dierte Stellungnahmen. Hierbei wird nicht nur die völlige Vereinbarkeit einer eventuellen leiblichen Abstammung mit dem Schöpfungsbericht betont, denn: "Wer (in der Genesis) ... eine naturwissenschaftliche Aufklärung sucht über das Wie der Bildung des Menschenleibes durch den all- mächtigen Gott, speziell über die rein spekulative Frage, ob der Menschenleib direkt oder indirekt aus Erde gebildet sei, der ver- kennt völlig die literarische Art der Erzählung und ihre massiven Anthropomorphismen"179. Es wird außerdem ausdrücklich der Naturwissenschaft als allein zuständi- ger Wissenschaft die Frage nach dem Wie der Entstehung des menschlichen Leibes - nicht der Seele - überantwortet und damit eigentlich Gedanken- gänge der Enzyklika Humani Generis antizipiert. Allerdings scheint die Entscheidung der Bibelkommission von 1909 eine zunächst hemmende Wirkung gehabt zu haben, denn es fällt auf, daß in den unmittelbar auf sie folgenden Jahren das Thema von Hochl gar nicht mehr berührt wird und es in NuK nach 1909 plötzlich auch zu reaktionären Äußerungen 180 . kommt . Immerhin findet sich daneben jedoch weiterhin in NuK und spa-

179) Peters in NuK 5 (1907 f) 471; vgl. Bumüller in Hochl 4 (1907) b, 394; Thöne in Sch 2 (1914) 71; u.a. 180) Typisch Ude in NuK 10 (1912 f) 612 ff; ? in NuK 12 (1914 f) 48. Auch im konservativen Lager scheint durch die Entscheidung ein positiver Ansatz zerstört worden zu sein, wie am Beispiel von Ka- thariner in NuO 53 (1907) 572 u. 56 (1910) 699 f belegt werden kann: Während K. 1907 das neue Herdersche Konversationslexikon tadelt, weil es im Artikel Mensch nicht die Wasmannsche Auf- fassung berücksichtige, obwohl die kirchl. Lehre hier volle Frei- heit lasse und sich deshalb ironisch über die "beati possidentes" ausläßt, die nichts mehr hinzulernen wollten, beruft er sich drei Jahre später gerade auf dieses Lexikon als Beweis dafür, daß die These auch einer nur leiblichen Abstammung von der Theologie ab- gelehnt werde. - 166 - ter auch in Thönes Schöpfung die Meinung vertreten, es handle sich um 181 ein weltanschaulich irrelevantes Problem . eine solche Sichtweise ermöglicht nun natürlich auch ein neues Verhält- nis zur Naturwissenschaft. So ergibt z.B. eine Durchsicht der in Frage kommenden Rezensionen von NuK, daß die anthropologische Literatur nicht- katholischer Autoren stärker vertreten ist als die katholischer Autoren

- ein für eine katholische Zeitschrift dieser Zeit überraschendes Er- gebnis. Es zeigt sich außerdem, daß es dem Herausgeber Völler bei der

Rezension dieser Werke primär auf den wissenschaftlichen Wert, nicht aber auf den weltanschaulichen Standpunkt des jeweiligen Verfassers an- kommt. Zwar wird dieser Standpunkt nicht übersehen, doch ist er für die

Empfehlung eines Buches ganz im Gegensatz zu der Praxis konservativer 182 Blätter keineswegs entscheidend . In Hochl wiederum werden wie schon bei der Frage der subhumanen Evolution einige einschlägige katholische 183 Werke einer kritischen Revision unterzogen . Auch in der Bewertung der für die Evolution sprechenden Thesen und Theorien zeigt sich ein grundsätzlich größeres Entgegenkommen. Greift man als Beispiel wieder die paläontologische Beweisgruppe heraus, so überrascht hier z.B. die

Feststellung, daß aus dem noch vorhandenen Mangel unzweideutiger Zwi- schenglieder nicht etwa die Schlußfolgerung gezogen werden dürfe, daß

181) Typisch Baum in NuK 8 (1910 f) 509: "Für die Weltanschauung völlig belanglos (ist) die deszendenztheoretische Frage der eventuellen Abstammung des menschlichen Körpers und seiner eventuell fort- schreitenden Entwicklung zum Wbermenschen". Die These bleibt nicht unbestritten.

182) Vgl. z.B. Völler in NuK 9 (1911 f) 126 ff. Dazu in dieser Zeit- schrift auch mehrfach eingehende Berichte über neue paläontolo- gische Funde.

183) Bezeichnend Ettlinger in Hochl 8 (1911) b, 367 f, der dem Nestor der kath. Apologetik Gutberlet vorwirft, er sei "nicht mehr im- stande, die neuesten einschlägigen Forschungen noch ausreichend zu überblicken und veraltete Auseinandersetzungen mit einem über- wundenen Populärdarwinismus auf das rechte Maß zurückzuführen". Seine negative Wertung deszendenztheoret. Aufstellungen entspreche nicht mehr dem gegenwärtigen Stand des anthropolog. u. psycholog. Wissens. — 167 — 184 sie niemals zu finden seien . Als "denkbare Arbeitshypothese" begrüßen einige Autoren die von dem Anthropologen Klaatsch vertretene Ansicht, derzufolge die Gattung Homo nicht Endprodukt, sondern Urtypus der Pri- 185 matenevolution ist . Derartige Äußerungen dürfen indes nicht darüber hinwegtauschen, daß auch für die Mitarbeiter von Hochl, NuK und SchG eine eventuelle Evolution des menschlichen Körpers noch nicht stichhal- tig bewiesen ist, und das wird auch mit Nachdruck betont. Im Unterschied zum konservativen Lager begegnen sie indes den einschlägigen Thesen und Theorien der Naturwissenschaftler mit viel größerer Gelassenheit und Aufgeschlossenheit, weil sie aus theologisch-philosophischer Sicht in einer eventuellen Abstammung keine Gefährdung des Glaubens mehr sehen.

Die Jahre nach 1900 zeigen damit erstmals deutlich divergierende Tenden- zen bei der Beurteilung der Mäglichkeit einer humanen Evolution. Dement- sprechend differieren auch die Stellungnahmen zur Einbeziehung der Evolu- tionstheorie in den biologischen Unterricht, ein zu dieser Zeit heftig umstrittenes, wenn auch nicht zum erstenmal diskutiertes Thema: Über 30 Jahre früher hatten die katholischen Autoren unisono mit derber Polemik reagiert, als Haeckel 1877/78 die offizielle Einführung der Ent- 186 wicklungslehre als wichtigstes Bildungsmittel in die Schule forderte . Die aufsehenerregende Affaire um den Oberlehrer Müller in Lippstadt, der seinen Schülern Passagen aus der darwinistischen Kosmologie Werden 187 und Vergehen von Carus Sterne vorgelesen hatte , schien ihnen treff- lich zu demonstrieren, was im Eigentlichen hinter den "Absichten des

184) Bumüller in NuK 4 (1906 f) 685 u. in Hochl 4 (1907) b, 401. 405; Ettlinger in Hochl 4 (1907) a, 635. 185) Baum in NuK 10 (1912 f) 30; Thöne in SchG 1 (1913) 290 f u. Hapich in SchG 2 (1914) 156. Vgl. damit die negative Wertung bei Mucker- mann in StMl 84 (1913) 266: "Wissenschaftliches Märchen"; u.a. 186) E.Haeckel, Die heutige Entwicklungslehre im Verhältnis zur Gesamt- wissenschaft, 1877 u. Freie Wissenschaft u. freie Lehre, 1878. Dazu ? in PB1 6 (1877) 488; Mohnike in NuO 24 (1878) 364 u. Schei- demacher ebda 493 ff; u.a. 187) Dazu ausführlich Depdolla aa0 u. Bolle aa0 249 ff. -168- 188 Neuheidentums auf Erziehung und Unterricht" stand .

Als es nach 1900 um die Wiedereinführung des 1882 von den Oberstufenlehr- 189 plänen der preußischen höheren Schulen abgesetzten Biologieunterrichts geht, kann von einer einheitlichen Stellungnahme nicht mehr geredet wer- den. In NuGI spricht sich Weiß in einem groß aufgemachten Offenen Brief gegen die Wiedereinführung aus, denn sie "bezwecke die Darwinisierung unserer gesamten gebildeten Jugend". Wie nach Meinung seiner Zeitschrift der biologische Unterricht auszusehen hat, wird wenig später mit dem Po- stulat formuliert: "Der naturkundliche Unterricht muß dienstbar gemacht 190 werden der Ausbildung des religiösen Gemüts" . Auch für Wasmann über- wiegen weltanschauliche Bedenken. Er opponiert zwar nicht gegen die Wie- deraufnahme der Biologie in die Lehrpläne, hält aber eine Behandlung der Deszendenztheorie im Unterricht "nicht für zeitgemäß" und begründet das mit dem "zu hypothetischen Charakter der Theorie", über deren Tragweite "ein selbständiges Urteil ... auch bei Gymnasiasten noch kaum angenommen 191 werden kann" . Andere Autoren teilen indes seine Bedenken nicht mehr. Gerade umgekehrt meint z.B. Kathariner: "Eine Vogel-Strauß-Politik (könne) auch hier nur Unheil stiften", und einige Jahre später setzt

188) Boetzkes in StMl 36 (1889) 406; vgl. zuvor schon Pachtler in StM1 17 (1879) 430, der sich mit der Gymnasialreform beschäftigt u. es dabei als "Endabsicht bei der Überfüllung der Gymnasien mit Realien u. Naturkenntnissen" bezeichnet, "die Jugend im Kreis des rein Na- türlichen festzubannen und so das ganze Volk zu materialisieren". 189) Als offizielle Begründung wurde angegeben, "dem Lateinischen die unerläßliche Verstärkung zu geben" (Bolle aao 256), doch ist die Affaire Müller, die auch vor dem preuß. Abgeordnetenhaus disku- tiert wurde, ebenfalls ein Grund für die Streichung des Biologie- unterrichts gewesen. 190) Weiß in NuGI 5 (1902) 3 (1.Zitat); Steeger in NuGI 7 (1904) 306 (2. Zitat) 191) Wasmann in StMl 69 (1905) 95, vgl. schon StM1 53 (1897) 154 ff mit scharfer Kritik der österr. Schulzustände, wo "ein nicht unbeträcht- liches Häuflein österr. Schullehrer ... im Darwinismus das beste Mit- tel erblicke, um gegen Verpfoffung der Schule anzukämpfen"; s. auch Gander in Hochl 1 (19o4) a, 495; u.a. - 169 -

sich Thöne nicht nur für eine stärkere Berücksichtigung des biologi- schen Unterrichts an Gymnasien ein, sondern beklagt darüber hinaus geradezu, daß von der Abstammungslehre, wenn überhaupt, nur im Reli- gionsunterricht geredet werde, "obwohl sie doch mit der Religion höch- 192 stens in zweiter Linie etwas zu tun hat" .

EXKURS: Das Alter des Menschengeschlechts und sein einheitlicher Ursprung

Zwei Fragen sind in Zusammenhang mit der Theorie von der tierischen 193 Abstammung des Menschen auf breiteres Interesse gestoßen : die Frage nach dem Alter des menschlichen Geschlechts und die Frage nach seinem einheitlichen Ursprung von dem einen Paar Adam und Eva. Was zunächst die Altersfrage angeht, so schien hier das Alte Testament mit seinen Geschlechtsregistern Zeitangaben zu bieten, die eine annähernde Berech- nung erlaubten. Allerdings mußte ein Unsicherheitsfaktor von etwa 1500 Jahren einkalkuliert werden, je nachdem ob man der Berechnung der Zeit zwischen Adam und Christus den masoretischen Text mit einem Ergebnis von 4 128 oder die LXX mit einem Ergebnis von 5 608 Jahren zu Grunde 194 legte . Die Diskrepanz zwischen den beiden Summen ließ sich mit Kor- rumpierung der Texte wie mit Fehlern beim Abschreiben leicht erklären. Eine lehramtliche Äußerung zu diesem Problem ist nie erfolgt.

Obgleich nun schon Voltaire und die EnzyklopGdisten die biblischen An- gaben auf Grund der ägyptischen Geschichte bezweifelt hatten, sah man auf Seiten der Theologen zunächst keinen Grund, von den genannten Zahlen abzugehen, zumal auch die profane Wissenschaft vielfach noch die bibli- 195 sche Chronologie zugrunde legte . Radikaler in Frage gestellt wurden die biblischen Angaben erst mit Darwins Theorie, die die Schätzungen

192) Kathariner in NuO 48 (1902) 382 f; Thöne in SchG 1 (1913) 173 f. 193) Für beide Themen wurden insgesamt 59 bzw. 51 Stellungnahmen ausge- wertet, die sich namentlich in die Zeit vor 1900 konzentrieren. NuO bietet mit 23/22 Äußerungen das meiste Material. 194) Zahlenangaben nach Brinktrine aa0 279 195) Vgl.z.B.K.v.Rotteck:Allg.Geschichte 1812 ff, 1866 in der 25.Aufl. - 170 - nicht nur für das Alter der Organismen im Allgemeinen, sondern auch für das mutmaßliche Alter des Menschen gleich um Zehntausende von Jah- ren in die Höhe schnellen ließ. Damit lag hier eine weitere Differenz zwischen der Bibel und den Thesen vieler Naturwissenschaftler vor. Die Entscheidung katholischer Autoren in diesem Punkte kann nicht zwei- felhaft sein: Bis etwa in die 90er Jahre hinein wehren sich nahezu alle entschieden gegen jeden Versuch, das Alter des menschlichen Geschlechts über das als äußerste Grenze zugestandene Limit von ca. 5000 bis höch- stens 7000 Jahren hinaus zu erhöhen. Zwar wird gelegentlich zugegeben, die Angaben der Bibel seien in dieser Hinsicht keine Offenbarungsleh- 196 ren , aber das schließt nicht auch schon die Folgerung ein, daß sie dann in Bezug auf dastatsächliche Alter des Menschen überhaupt keine Auskunft geben könnten. Vielmehr geht es im Grunde immer wieder darum, die Bibel mit ihrem spezifizierten Geschlechtsregister als die allein authentische Quelle heranzuziehen, da ihre Angaben, - abgesehen von den geringfügigen und "verständlichen" Korrumpierungen etc., - letztlich irrtumslos seien. Konnte man sich in den 50er Jahren dafür noch der Zu- 197 stimmung der Geologie versichern, indem man Cuvier zitierte , so war das nach dem Erscheinen von Lyells Werk über die Vergangenheit des Men- schen (1863) nicht mehr möglich. In den folgenden Jahrzehnten sehen es daher die Apologeten als ihre eigentliche Aufgabe an, alle Berechnungen, die der eigenen Auffassung entgegenstehen, als zumindest zweifelhaft, wenn nicht gar unwissenschaftlich, abenteuerlich oder noch unmißverständ- licher als "tendenziösen Humbug" hinzustellen. Hummelauer, der dem Thema in den Seil zu Ende der 70er Jahre gleich mehrere umfangreiche Beiträge widmet, konstatiert als Ergebnis seiner Untersuchungen apodiktisch: "Die Wissenschaft hat mit den so gründlich verleideten 6000 Jahren als Maximum vorlieb zu nehmen. Mit der Widerlegung der Bibel durch die Wissenschaft hat es gute Wege" 198.

196) Cornely in Seil 4 (1873) 402; überzeugender schon Michelis in NuO 10 (1864) 571. 197) Lüken in NuO 2 (1856) 247 u. 3 (1857) 154. 198) Hummelauer in StMl 17 (1879) 151; vgl. Handmann in NuO 22 (1876) 550; ? in Kath 45 (1865) b, 415 f; u.v.a. - 171 -

Natürlich wird gerade in diesem Punkte der Primat historischer Unter- suchungen - selbstverständlich nur insoweit, als sie die biblischen Angaben bestätigen, - stark betont, denn "die Geschichte ... braucht 199 sich vor keiner naturwissenschaftlichen Hypothese zu beugen" . Solch unversöhnlicher Standpunkt konnte jedoch auf die Dauer kaum durchgehal- ten werden. Etwa von den 90er Jahren an verschwindet wenigstens der Hinweis auf die Historie als Hilfsdisziplin der Exegese aus den ein- schlägigen Beiträgen, und die Berechtigung naturwissenschaftlicher Methoden bei der Altersbestimmung wird zunehmend anerkannt. Aber auch in diesen Jahren kann man sich nur zögernd von den 6000 Jahren der Bibel trennen. Die Hoffnung, daß sich schließlich doch noch die biblischen Angaben als wahr und naturwissenschaftlich bestätigt erweisen könnten, steht hinter dem gegen hohe Berechnungen stets mißtrauischen Abwarten- 200 wollen, auf das in vielen Beiträgen Wert gelegt wird . Ein bezeich- nendes Beispiel bietet die Beurteilung der um die Jahrhundertwende neu belebten Eolithenforschung. Bei Nachweis des künstlichen Charakters die- ser archaischen Funde aus der Tertiärzeit hätte für den Menschen ein Alter angenommen werden müssen, das auch mit einer sehr frei interpre- tierten biblischen Chronologie nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Die fachwissenschaftliche Diskussion um die Eolithen wird nun von JNW, aber auch von anderen Blättern verhältnismäßig breit 201 aufgegriffen, dies jedoch, von Ausnahmen abgesehen , in einer Weise, die den Leser nur einseitig informiert. In der Berichterstattung über den jeweiligen Stand der Frage sympathisieren die katholischen Autoren von Anfang an mit denjenigen Forschern, die sich für die natürliche Entstehung der Eolithen aussprechen, während entgegengesetzte Meinungen 202 keineswegs in gleicher Ausführlichkeit referiert werden . Die theolo-

199) Hummelauer in StM1 15 (1878) 177; vgl. Knabenbauer in Seil 6 (1874) 167; u.a. 200) Teurad in NuG1 2 (1899) 115 ff; Peters in HPB 124 (1899) 712 ff zu Hoberg; ? in Kath 92 (1912) a, 299 f und b, 299; u.a. 201) Springer in NuK 10 (1912 f) 577 ff; u.a. 202) Typisch Weinschenk in JNW 21 (1906) 212 ff u. Scheuffgen ebda 237 f; u.v.a. - 172 - gische Überzeugung, daß das Alter des Menschen sich auf keinen Fall bis in die Tertiärzeit zurückdatieren lasse, zwingt apriorisch dazu, alle Thesen als nicht beweiskräftig anzusehen, die die Eolithen als mensch- liche Artefakte deuteten. Andererseits bricht sich allerdings von den

90er Jahren an bei dem größeren Teil der Autoren zunehmend das Bewußt- sein Bahn, daß "die Hl.Schrift keinerlei Anhaltspunkte zur Bestimmung 203 des Alters gibt" , daß es sich dabei um eine rein naturwissenschaft- liche Frage handele. Wasmann, der hier stellvertretend für viele zi- tiert werden darf, hat diese neue Haltung mit den Worten umrissen: "Wir dürfen in aller Ruhe wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet ihren Weg weitergehen lassen. Falls es ihr gelingt, zu wirklich gesicherten Resultaten über das Alter des Menschen zu gelangen, wird unser Glaube darunter keinen Schaden leiden204.

Wasmann spricht damit genau das Gegenteil von dem aus, was Hummelauer über 30 Jahre früher behauptet hatte. Dem ständigen Leser katholischer Zeitschriften bot sich damit ein gutes Beispiel, wie eine anfänglich mit großer Emphase aus Glaubensgründen verteidigte theologische Posi- tion binnen weniger Jahrzehnte vollständig aufgegeben werden mußte.

Ein ähnlicher Wandel der Ansichten läßt sich für die Frage nach dem ein- heitlichen Ursprunge des ganzen Menschengeschlechts, der eine ganz an- dere theologische Relevanz zukommt, keineswegs konstatieren. Auch hier handelte es sich um ein Problem, das man schon vor Darwin zu enträtseln gesucht hatte. Der französische Geschichtsphilosoph Gobineau beispiels- weise glaubte in seinem Essai sur linegalite des races humaines (1853/55) eine polygenistische Antwort geben zu müssen. Extremer noch meinte der amerikanische Zoologe Agassiz, die Menschen seien nationen- 205 weise erschaffen worden . Ebenso sah die Mehrzahl der deutschen Ma-

203) Kreichgauer in NuO 52 (1906) 50 204) Wasmann in StMl 87 (1914) 80; vgl. Rompel in NuO 46 (1900) 175 f; Stölzle in HPB 125 (1900) 880 ff; Baum in NuK 10 (1912 f) 257 ff; u.v.a. 205) Diese Behauptung trug dem sonst sehr geschätzten Agassiz auf katho- lischer Seite den Vorwurf ein, er wolle mit ihr nur die südstaatl. Sklaverei rechtfertigen, s.Woker in Kath 57 (1877) a, 110 u. 207. - 173 -

terialisten in der Verschiedenheit der menschlichen Rassen einen Beweis für ihren polygenistischen Ursprung und verwandte diese Annohme ols Argument gegen den christlichen Glauben von Adam und Eva als den einzi- gen Ureltern aller Menschen.

Die Reaktion auf katholischer Seite ließ nicht auf sich warten. Bereits das Kölner Partikularkonzil von 1860 verurteilte den Polygenismus als Haeresie. Eine ähnliche Einschätzung war auch in einer Konstitutions- vorlage des Vaticanums I vorbereitet, jedoch infolge des Abbruchs des 206 •• Konzils nicht weiter behandelt worden . Rund 40 Jahre später hatte das schon erwähnte Dekret der Bibelkommission (1909) gelehrt, die gene- ris humani unitas gehöre zu den Tatsachen, die die Grundlagen der christlichen Religion berührten und die deshalb in buchstäblichem, ge- schichtlichem Sinne aufzufassen seien. In neuester Zeit bezeichnete die Enzyklika Humani generis Pius XII. von 1950 den Polygenismus als eine nicht mit der Lehre der Kirche zu vereinbarende Auffassung. Wiewohl diese Äußerungen nicht schon definitorisch den Polygenismus mit dem Anathem be- 207 legen , so ist doch die Lehre von der Geschichtlichkeit Adams als des einzigen Stammvaters des ganzen Menschengeschlechts die logische Voraus- setzung für die Dogmen von der Erbsünde und der Erlösung.

Diese dem Monogenismus zukommende Bedeutung wird denn auch von mehreren Autoren schon zu Beginn des Untersuchungszeitraumes stark hervorgehoben. So meint etwa Woker in Kath: "Auf der Lehre von der Einheit des Menschengeschlechtes beruht die Erlösung durch Christus, die Idee der Humanität, die Gleich- berechtigung aller Menschen, die Möglichkeit aller Zivilisation und Bruderliebe"208.

Andere Autoren gehen noch weiter und sprechen der "naturhistorischen Tat-

206) Hübner aa0 45 hat diesen wesentl.Unterschied übersehen; vgl. K.Rah- ner, aa0 273: "inoffizielle Theologenarbeit". 207) So nach K.Rahner aa0 261. 208) Woker in Kath 57 (1877) a, 211; u.a. - 174 - sache ... der Abstammung aller Menschen von einem Paar" bereits direkt 209 dogmatischen Charakter zu . Damit geht Hand in Hand eine strikte Kon- zessionslosigkeit gegenüber jedem Versuch, mit naturwissenschaftlichen Argumenten Zweifel an der monogenistischen Theorie anzumelden. Soweit man dabei nicht polygenistische Theorien a priori verdächtigt, aus sach- fremden, d.h. christentumsfeindlichen Motiven aufgestellt zu sein, und 210 sie damit schon hinreichend widerlegt zu haben glaubt , greift man auch hier wieder zur Bibel als dem allein kompetenten Auskunftsmittel. Wie auch sonst wird dabei weniger auf ihre eigentlich theologische als vielmehr auf ihre angeblich naturwissenschaftliche Aussage Wert gelegt: Umfangreiche Beiträge gelten dem Nachweis, daß die Differenzierung aller Völker und Rassen erst von der Sündflut ihren Ausgang nehme und sich be- reits in Genesis 10 "bei richtigem Verständnis", wie Westermeyer über- zeugt hinzufügt, "in radice der Grundriß aller haltbaren Ethnographie" 211 finden lasse . Ablehnung erfährt auch das Unternehmen Haeckels und anderer, die Ergebnisse sprachwissenschaftlicher Forschung im Sinne des Polygenismus zu verwerten. Entweder versucht man positiv darzule- gen, daß sich die verschiedenen Sprachfamilien aus einem ursprünglichen Sprachzusammenhang erklären ließen, wobei man freilich, dem Stand des damaligen Wissens gemäß, Größe und Ausdehnung der Welt und die Zahl der 212 übrigen Völker übersieht, bzw. unterschätzt . Oder aber man betont das derzeitige, zum Teil aber auch als absolut charakterisierte Unver- mögen der Linguistik, etwas über die ursprünglichen Sprachwurzeln auszu- sagen, so daß sie als Zeugnis für oder gegen den Monogenismus ausscheide.

209) Nußberg in NuO 23 (1877) 571; vgl. ? in Kath 1857 NF 16, 544; u.a. 210) Roh in StMl 1. Serie Heft 2 (1865) 40; vgl. Hammerstein in Still 12 (1877) 452; u.a. 211) Westermeyer in NuO 20 (1874) 172 ff (Zitat 241); vgl. Bolsmann in NuO 4 (1858) 34 ff; Mutke in NuO 8 (1862) 389 ff; u.a. 212) Lüken in NuO 2 (1856) 97 ff; 1893 versucht d.kath.Autor A.Gieß- wein in seinem vielfach rezensierten Werk, Die Hauptprobleme der Sprachwissenschaft, den apologet.Nachweis für die Möglichkeit einer einheitl. Ursprache zu führen. - 175 -

Doch auch hier wiederum erweist sich die Bibel als letzte Instanz: denn selbst wenn es gelingen sollte, einen vielheitlichen Ursprung der Sprachen zu belegen, so würde das lediglich eine Bestätigung des Berichtes von der babylonischen Sprachverwirrung, nicht aber auch schon ein Beweis gegen den viel früher liegenden einheitlichen Ursprung der 213 Menschen sein . Neben diesen und ähnlichen Erörterungen findet sich besonders häufig auch das Argument, die unbeschränkte Zeugungsfähigkeit aller menschlichen Rassen untereinander spreche gegen einen polygenisti- schen Ursprung. Im Übrigen aber verliert das Thema in den späteren Jahr- zehnten zunehmend an Aufmerksamkeit, eine Entwicklung, für die in erster Linie Darwin selbst verantwortlich gemacht werden darf. Schon die 70er Jahre sind voll von Hinweisen, Darwins Theorie habe wenigstens den Vor- teil gebracht, daß sie die aus der Rassenverschiedenheit gegen die ur- sprüngliche Einheit des Menschengeschlechts sprechenden Bedenken außer Kurs gesetzt habe. Die Mehrzahl der Naturforscher befürworte jetzt eben- falls den Monogenismus. Darin ist nach Ansicht der Autoren nicht nur ein Symptom für die Kurzlebigkeit wissenschaftlicher Theorien zu sehen, de- nen daher, wenigstens soweit sie biblischen Angaben widersprächen, prinzi- piell mit Vorsicht zu begegnen sei. Vielmehr darf der plötzliche Sinnes- wandel der Naturwissenschaftler zugleich auch als weiteres Indiz für die Richtigkeit biblischer Angaben gewertet werden. Der so feststellbare Konkordismus enthebt einer weiteren apologetischen Arbeit in diesem Punkte, denn Darwins Lehre hat den Monogenismus "gegen alle ferneren An- 214 griffe gefeit" . Wo noch in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende der einheitliche Ursprung des Menschen thematisch wird, begnügt man sich mit der knappen Feststellung, daß der Polygenismus "ein wissenschaftlich 215 überwundener Standpunkt" sei. Nur vereinzelt findet sich daneben die Erkenntnis, daß die christliche Lehre vom Monogenismus durch die Natur- . 216 wissenschaft weder pro noch contra entschieden werden kbnne .

213) Knabenbauer in Seil 2 (1872) 406 ff (bes.532); Gutberlet in NuO 39 (1893) 740 f; u.a. 214) Güttler in HPB 90 (1882) 182. 215) H.Pesch in Seil 51 (1896) 16 ; u.v.a. 216) Birkner in NuO 57 (1891) 550; u.a. - 176 -

e) Zusammenfasssung des dritten Abschnitts

Vergleicht man die Stellungnahmen zur Möglichkeit einer humanen Evolu- tion mit denen zur subhumanen, so fällt eine deutliche Phasenverschie- bung in der Beurteilung auf. Generell gesagt: was zunächst nur für die subhumane Evolution zugestanden wird, wird in einem Abstand von mehre- ren Jahrzehnten dann schlielich auch für die humane Evolution zögernd eingeräumt. Im Einzelnen verläuft der Annäherungsproze wie folgt: Kurz nach 1870 hält die Mehrzahl aller Autoren eine auf Pflanzen und Tiere beschränkte Entwicklung zwar für theologisch-philosophisch zulässig, lehnt sie aber aus angeblich empirischen Gründen noch ab. Zur gleichen Zeit wird eine Entwicklung des menschlichen Leibes aus tierischen Vor-

formen - und allein in dieser Beschränkung auf den Leib ist ja die Evo- lution für die katholischen Autoren überhaupt diskussionswürdig - nicht nur aus naturwissenschaftlichen Gründen strikt abgelehnt, sondern von der überwältigenden Mehrzahl aller Autoren auch und vornehmlich aus theologisch-philosophischen Erwägungen scharf bestritten. Was in diesen Jahren zugunsten von Mivarts These geäuert wird, bleibt lediglich An- satz, bleibt äuerstes Zugeständnis, denn noch versteht man nicht, zwi- schen genetischer Frage und Seinsfrage, zwischen natürlicher Entwick- lung des Menschen und seinem davon unberührt bleibenden Persönlichkeits- wert zu differenzieren. Kurz nach 1900 ändert sich das Bild: Auf dem Gebiet der subhumanen Evolution zeigt man sich nicht nur von ihrer theo- logisch-philosophischen Zulässigkeit, sondern jetzt auch zu einem groen Teil von ihrer naturwissenschaftlichen Faktizität überzeugt. Auf dem Ge- biet der humanen Evolution andererseits tritt insofern eine Xnderung ein, als nun ein kleiner Teil der Autoren die theologisch-philosophische Möglichkeit entschieden zugesteht, aber weiterhin auf das Fehlen natur- wissenschaftlicher Indizien verweist und damit genau die Haltung reprodu- ziert, die 30 Jahre früher bezüglich der subhumanen Evolution eingenom- men wurde.

Verfolgt man die weitere Entwicklung in die Jetztzeit, so ergibt sich - 177 -

an Hand der eingesehenen Sekundärliteratur: Mit der subhumanen Evolu- tion hat man sich voll und ganz abgefunden, obwohl auch heute noch die Feststellung nicht fehlt, daß "die Annahme einer Gesamtevolution mit zahlreichen Dunkelheiten und bedeutsamen Schwierigkeiten zu kämp- 217 fen (hat)" . Bezüglich der humanen Evolution aber steht man - etwas überspitzt formuliert - auf dem Standpunkt, den man kurz nach 1900 ge- genüber der subhumanen an den Tag legte, d.h.: Theologisch-philosophisch

wird die Zulässigkeit der Möglichkeit einer leiblichen Entwicklung aus tierischen Vorformen kaum noch bestritten, naturwissenschaftlich zeigt sich ein Teil der Autoren von den bisher vorliegenden Indizien über- 218 zeugt, ein anderer Teil wartet noch ab . In historischer Sicht gewinnt damit die Stellungnahme zur Möglichkeit einer humanen Evolution tatsäch- lich den Charakter eines lang andauernden Rückzugsgefechtes. Das muß nicht unbedingt schon als Vorwurf aufgefaßt werden, denn die Theologie als von Menschen betriebene fehlbare Wissenschaft braucht ebenso Zeit für den wachsenden Erkenntnisgewinn auf ihrem Gebiet, wie die Biologie Zeit braucht, um die Naturzusammenhänge aufzuhellen. Der Vorwurf kann allein der Tatsache gelten, daß sich dieser Erkenntnisgewinn in wesentlichen Teilen nur unter dem Druck der profanwissenschaftlichen Forschung voll- zogen hat. Statt eine theologische Lösung zu erarbeiten, hat man sich zu- mindest während des Untersuchungszeitraumes mit dem Hinweis auf die un- sicheren Ergebnisse der profan-wissenschaftlichen Forschung begnügt und die Tendenz des Forschungsfortschrittes nicht sehen wollen bzw. als materialistisch verteufelt, eine Einschätzung, zu der man allerdings nicht zuletzt auch durch einen Teil der Naturwissenschaftler (Haeckel u.a.)

217) Overhage in Haas, Stammesgeschichtl.Werden aa0 201. Andererseits gilt die "Evolution der Organismen (als) eine durchaus begründete Auffassung vom Werden der Welt des Lebendigen, vor allem für en- ger umgrenzte Tier- u. Pflanzengruppen" (S.203); vgl. auch die Skepsis der Enzyklika Humani Generis von 1950 hinsichtlich der Evolution, die Rauh aaO 76 als "heute nicht mehr berechtigt" charakterisiert. 218) Vgl. dazu Feiner, Ursprung, Urstand u.Urgeschichte ... aa0 237 f; Hübner aaO 114 ff. - 178- provoziert wurde. Der Exkurs über Alter und Einheit des Menschengeschlechts bestätigt diese Einsicht: In der theologisch an sich uninteressanten Altersfrage zwingen die empirischen Indizien binnen weniger Jahrzehnte zu völliger Aufgabe der zunächst eingenommenen, auf dem naiv-wörtlichen Verständnis des Bibeltextes fußenden Haltung. Eine ähnliche Kurskorrektur bleibt bei der ungleich wichtigeren Monogenismusfrage aus, muß auch - abgesehen von der theologischen Argumentation - ausbleiben, weil man sich in den letzten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraumes im eigenen Urteil durch die Naturwissenschaft bestätigt glaubt. Heute hingegen bildet gerade diese Frage eines der brennendsten Probleme in der Begegnung zwischen naturwissenschaftlichem Weltbild und christlicher Lehre, denn "wenn es auch wenige Naturwissenschaftler gibt, die einen Polyphyletismus ... vertreten, so denkt andererseits kaum ein von der Evolution überzeugter 219 Naturwissenschaftler monogenistisch" . Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit es der Theologie gelingt, auch hier zu einem noch tieferen Verständnis der biblischen Aussage über Adam und Eva vorzustoßen. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit könnte sie lernen, daß ein Neudurch- denken alter theologischer Vorstellungen bei Bewahrung der Glaubens- substanz möglich ist, ohne sich in eine fruchtlose Polemik gegen die von naturwissenschaftlicher Seite unternommenen Bemühungen zur Lösung des Problems zu verlieren, ohne aber auch sich mit einem ebenso nutz- losen Anzweifeln der aus diesen Bemühungen resultierenden Hypothesen zu begnügen.

4) Umstrittene Grenzprobleme

Der Fortschritt naturwissenschaftlicher Forschung einerseits, die Ver- wendung ihrer Ergebnisse und Theorien zum Aufbau einer materialistischen Weltanschauung andererseits hat neben den schon behandelten Problemstel- lungen zu einer ganzen Reihe weiterer Kontroversen geführt, in denen sich katholische Autoren durch die Naturwissenschaft, bzw. durch den Materialismus in ihrem religiösen Denken angegriffen sahen. Es würde

219) Feiner, Ursprung des Menschen aa0 573. - 179 - 220 zu weit führen, dieee Fragen sämtlich aufgreifen zu wollen , obwohl sie in den herangezogenen Zeitschriften einen breiten Raum eingenommen 221 haben . Die vorliegende Untersuchung möchte jedoch - in einer aller- dings sehr gedrängten Form - wenigstens diejenigen Probleme skizzieren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Deszendenzlehre diskutiert worden sind. Gemeint sind der Streit um den Ursprung des Lebens, der Streit um Mechanismus oder Vitalismus, sowie auf dem Gebiet der Lebens- entwicklung um Selektion oder Teleologie und schließlich der Streit um den qualitativen oder quantitativen Unterschied zwischen tierischer und menschlicher Psyche.

a) Der Streit um den Ursprung des Lebens

Auch die Frage nach der Erstentstehung lebender Wesen hatte sich nicht erst mit Darwin ergeben. Schon im Altertum und Mittelalter hatte man der Überzeugung gehuldigt, daß sich niedere Lebewesen jederzeit durch eine generatio spontanea aus lebloser Materie bildeten, eine Auffassung, die schon von Augustinus und anderen Kirchenvätern ohne theologische Beden- ken vertreten wurde. Darwin hingegen hielt eine jetzt noch stattfindende generatio spontanea für unmöglich, verlegte die Biogenese in die Früh- zeit der Erdgeschichte und nahm für ihr Zustandekommen ausdrücklich ei- 222 nen göttlichen Schöpfungsakt in Anspruch . Das war eine Annahme, mit der sich ein zeitgenössischer gläubiger Natur- betrachter ohne weiteres zufrieden geben konnte, denn auch noch Aner- kennung der Entwicklungslehre blieb doch der Schöpfer maßgebend, wenn auch nur noch an diesem einen Anfangspunkte der organischen Entwicklung

220) Lediglich erwähnt seien hier folgende Themen: Existenz und Beweis- barkeit Gottes; Existenz und Möglichkeit göttlicher, die Naturkausa- lität durchbrechender Wunder; Schöpfung oder Ewigkeit der Materie; Verhältnis von Materie und Geist. 221) Mit Ausnahme von JNW u. HPB, die wenig Material bieten, gibt es im Schnitt in allen Zeitschriften fast keinen Jahrgang, in dem nicht wenigstens ansatzweise (z.B. Miszelle, Rezension, Einlagerung in andere Themen) eine der genannten oder im folgenden behandelten Fragen angesprochen worden wäre.

222) Darwin, Entstehung d. Arten aa0. 135, 488. - 180 - in den Naturprozeß eingeschaltet. Ob man sich dann diesen Schöpfungsakt unbedingt unmittelbar oder nur mittelbar vorzustellen hatte, hätte theo- logischer Reflexion überlassen bleiben können. Auf alle jene aber, die von der Existenz eines Schöpfers nicht überzeugt waren oder die es aus methodischen Überlegungen ablehnten, zur Erklärung eines natürlichen

Geschehens metaphysische Faktoren direkt oder indirekt in Erwägung zu ziehen, mußte eine solche Auffassung unbefriedigend wirken. Waren schon, wie Darwin gerade bewiesen hatte, die einzelnen Arten der Organismen nicht gesondert durch Gott geschaffen, so konnte mon nach ihrer Ansicht auch für den Anfang der Entwicklung auf einen göttlichen Akt ganz ver- zichten und annehmen, das Leben habe sich aus eigener Kraft aus der Ma- terie herausgebildet. Wenn es gelang, für Vergangenheit oder Gegenwart einen solchen Vorgang nachzuweisen, hatte man dann nicht bei der Fe- stigkeit, mit der christliche Apologeten zu dieser Zeit noch an der un- mittelbaren Erschaffung der Arten durch Gott festhielten, eine weitere

Bestätigung für das Nichtvorhandensein eines Schöpfers in der Hand? In diesem Sinne bildete deshalb für Haeckel die Urzeugung ein logisches

Postulat, weil man sonst gezwungen sei, zum Wunder einer übernatürlichen

Schöpfung seine Zuflucht zu nehmen 223 . Indem Haeckel mit dieser Alterna- tive die Art und Weise der Entstehung des Lebens mit der Frage nach der direkten Wirksamkeit eines schöpferisch tätigen Gottes verknüpfte, machte er aus einer naturwissenschaftlichen Frage ein Problem, dessen Lösung von der weltanschaulichen Haltung abzuhängen schien, mit der man ihm be- gegnete. Diese Ausgangslage bestimmt die Stellyngnahme katholischer Au- toren zur Urzeugung.

Die überwiegende Mehrzahl von ihnen übernimmt unbesehen die Haeckelsche

Alternative, hebt also auf den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Ur- zeugung und Schöpfung ab. Natürlich wird dann die Urzeugung zur "materia- listischen Behauptung, die da an die Stelle der schöpferischen Allmacht 224 Gottes die chaotische Materie setzen will" . Selbst Autoren, die den

Entwicklungsgedanken schon bejahen, sehen mit der Urzeugungsthese doch

223) Haeckel, Natürl. Schöpfungsgeschichte ao0 309.

224) ? in Kath 1857, NF 15, 230; u.v.a. -181-

ein letztes Residuum des göttlichen Eingreifens in die Welt, an dem unabdingbar festzuhalten sei, bedroht. Bei der Argumentation gegen diese 225 "holtlosestealler Hypothesen" glaubt man sich gerade in den ersten Jahrzehnten des hier behandelten Zeitraums in vollem Einklang mit neue- sten Forschungsergebnissen: Pasteur hatte nachgewiesen, daß an ein gegenwärtiges Vorkommen der Ur- zeugung auch bei Kleinstlebewesen nicht zu denken sei. Haeckels allzu vorschnell angeführte Beweise für ihr Vorhandensein (Eozoon canadense; Bathybius Haeckelii) erwiesen sich schon noch kurzer Zeit als Fehlbeob- achtungen. Ebenso leisteten die Amöben nicht das, was Haeckel von ihnen erwartete. Schon bald stellte sich heraus, daß es sich um höchst kompli- zierte Naturgebilde handelte, die keineswegs, wie Haeckel meinte, am 226 Anfang der Lebensentwicklung standen . Das waren unbestreitbare Fakten, die immer und immer wieder der Urzeugungshypothese entgegengehalten %for» den sind. Aber während nun die katholischen Autoren angeblich im Interes- se der Naturwissenschaft diese Fakten gegen die "materialistische" Be- hauptung von der Urzeugung ausspielen, zeigt sich, daß es ihnen auch in dieser Froge nicht so sehr um die Sauberkeit des naturwissenschaftli- chen Beweisverfahrens, sondern primär um die Bestätigung der eigenen Überzeugung von der Faktizität eines persönlichen Eingreifens Gottes am Anfang des Lebensprozesses geht. Als nämlich im Gefolge Darwins die Naturwissenschaftler und keineswegs Materialisten zwar die Möglichkeit einer aktuellen Urzeugung fallen lassen, diese aber nun als das Ergeb- nis eines sich durch lange Zeiträume hinziehenden und heute nicht mehr beobachtbaren Prozesses aufgefaßt wissen wollen und deshalb versuchen, durch die Erforschung des Zellaufbaus und durch die Aufstellung hypothe- tischer Elementareinheiten, die noch niedriger als die Zelle organi- siert sein sollten, (z.B. Rouxs Metestrukturteilchen, Weismanns Biophoren, Altmanns Granulas usw.) der Biogenese modellartig auf die Spur zu kommen, wird mit Heftigkeit schon gegen solch methodisches

225) Klein in NuO 17 (1871) 417, vgl. damit seine Haltung zur Evolu- tion s.o.S. 124 ; u.a. 226) Dazu Jürgens in StMI 22 (1882) 282 ff; u.a. - 182 -

Vorgehen a priori Einspruch erhoben. Autoren wie Dressel, Jürgens und Handmann, die sich sehr ausführlich mit diesen Forschungstendenzen be- 227 228 schäftigt haben , aber auch Wasmann , sehen hier nur den atheisti- schen Materialismus am Werk und bringen keinerlei Verständnis für die neue Forschungsrichtung auf. Für sie ist eine angeblich in grauer Vor- zeit stattgefundene Urzeugung nicht mehr beobachtbar, weshalb auch alle Versuche, der Lebensentstehung näher zu kommen, nur als "unnütze Speku- lationen" (Handmann) und "tändelnde Kunststücke" (Dressel) zu bewerten sind. Ganz offen wird der Verzicht auf eine naturwissenschaftliche Ur- sachenanalyse gefordert, weil sie zwecklos sei. Mit den Axiomen Harveys Omne vivum ex vivo (ovo), Virchows Omnis cellula ex cellula und Stras- burgers Omnis nucleus ex nucleo bezeuge die Biologie den ununterbroche- nen Fortgang des Lebens, ohne das Geringste über dessen Anfang aussagen zu können. Da die genannten Axiome ergäben, daß die Biogenese naturwis- senschaftlich ein ewiges Rätsel bleiben werde, kann im gleichen Atemzug das Postulat aufgestellt werden, "die Naturwissenschaft (habe) die Pflicht, eine Schöpfungskraft wie die Resultate einer jeden anderen Wissenschaft zu berücksichtigen" 229 . Der angeblich unmögliche Nachweis einer Entstehung belebter Wesen aus anorganischer Materie dient somit ganz unmittelbar als Beweis für den göttlichen Schöpfungsakt, der hier eine Lücke in der natur- wissenschaftlichen Erkennbarkeit der Welt auszufüllen hat.

Die extremsten Beispiele für derartige Schlußfolgerungen bietet wie stets NuGl, deren obsoletes Wissenschaftsverständnis ja bereits mehrfach Erwäh- nung gefunden hat. Weiß und seine Mitarbeiter machen aus der Ablehnung der Urzeugung geradezu die Kardinalfrage ihrer Glaubens- und Schöpfungs- vorstellung und widmen ihr sehr umfangreiche Ausführungen. Wie dabei ar- gumentiert wird, möge eine Feststellung verdeutlichen, die Weiß bereits

227) Dressel in Seil 34 (1888) 32 ff; Jürgens in NuO 30 (1884) 404 ff; Handmann in NuO 49 (1903) 504; u.v.a. 228) Wasmann möchte allerdings die Möglichkeit einer nur mittelbaren Einwirkung des Schöpfers nicht ganz außer Betracht lassen, wenn sie ihm auch "über unser Vorstellungsvermögen hinausgeht", StMl 63 (1902) 70, vgl. 80 (1911) 295; u.v.a. 229) Handmann in NuO 55 (1909) 546; vgl. ebenso Pohle in Kath 63 (1883) b, 39; Granderath in StMl 44 (1893) 155; u.v.a - 183 -

im ersten Heft seiner Zeitschrift trifft: "Wenn ... durch die Naturwissenschaft in unwiderleglicher Weise der Beweis dafür erbracht werden könnte, ... daß sogenannte an- organische Körper zu Organismen sich umbildeten, dann hätte die Theologie ihre Existenzberechtigung verloren" 230.

Aber eine Urzeugung streitet, wie einige Jahre später bemerkt wird, "wi- der positives und wider spekulatives Wissen" und wäre "ein metaphysisches 231 Absurdum ... Gott muß im Spiele sein" . Daß Gott im Spiele sein mußte, meinte freilich auch eine nur kleine Gruppe von Autoren anderer Zeit- schriften, ohne daß sie es deshalb für nötig befunden hätte, einen Ge- gensatz zwischen Schöpfung und Urzeugung zu konstruieren. Für sie steht fest, "daß diese Lehre durchaus harmlos ist und ganz und gar nichts Un- christliches enthält". Schon die Geschichte der Urzeugung lehre im Hin- blick auf die Ansichten Augustins und anderer Kirchenväter "wie gewalt- sam man erst mit dem heil.Text verfahren muß, um diese Frage in sein Be- 232 . reich und gar in die Zahl seiner dogmatischen Sätze zu ziehen" . Für den Standpunkt des Glaubens genügt es, wenn "die Existenz der Organismen in ihrem letzten Grund auf dem göttlichen Schöpferwillen beruht", wobei es gleichgültig erscheint, ob Gott nun unmittelbar bei Entstehung der lebenden Wesen eingriff, oder ob er bereits im Uranfang "in die Erde die 233 Fähigkeit zur Hervorbringung oder zur Erzeugung der Organismen legte" . Die Urzeugung besitzt also keine weltanschauliche Relevanz, wenngleich das nicht schon heißt, daß sie damit als existent anerkannt würde. Viel- mehr legen auch diese Stellungnahmen Wert darauf, daß die Urzeugungsthese durch die biologische Forschung zumindest vorläufig eindeutig widerlegt sei. Aber hier zeigt sich doch eine grundsätzlich andere Beurteilung, und es ist aufschlußreich, daß derartige Äußerungen noch bis in die 70er

230) Weiß in NuGI 1 (1898) 18, vgl. 8 (1905) 3; u.v.a. 231) Gotzes in NuG1 6 (1903) 118. 232) Karsch in NuO 16 (1870) 287 (1.Zitat) u. ? in Kath 1857 NF 16, 482; u.a. 233) Hold in Kath 52 (1872) b, 469 (1.Zitat); Dippel in PBI 6 (1877) 466. - 184 -

Jahre hinein häufiger anzutreffen sind, in den beiden nächsten Jahrzehn-

ten dagegen fast völlig versiegen. Hier hat im hart geführten Kampf gegen den Materialismus ganz offensichtlich die Gruppe derjenigen die Oberhand gewonnen, die mit solchen Thesen bereits den Schöpfungsbericht preisge- geben sahen. Erst nach der Jahrhundertwende melden sich - freilich nur vereinzelt - wieder Stimmen zu Wort, die die Ungefährlichkeit der Ur- 234 zeugungsannahme für den religiösen Schöpfungsgedanken betonen . Weiter noch geht Pozdena in NuK, der die von der konservativen Gruppe als ab- surd abgetanen Forschungen von Lodge, Pflüger und 0.Lehmann als "kleine Schritte auf dem Wege zur Lösung des Problems" ausdrücklich begrüßt und feststellt, daß, wenn es der Forschung einmal gelingen sollte, selbst Lebewesen zu erzeugen, damit keineswege die Existenz Gottes, sondern nur 235 eine anthropomorphe Gottesvorstellung in Frage gestellt würde . Vollends für Thöne, den entschiedenen Verfechter einer monophyletischen Entwick- lungsannahme, ist "die Entstehung der ersten Lebewesen ... eine rein na- 236 turwissenschaftliche Frage, die mit der Religion nichts zu tun hat" . Der Ansatz für eine von weltanschaulichen Gesichtspunkten unabhängige Beurteilung des Problems ist damit wenigstens bei einigen Autoren zu Be- ginn des Jahrhunderts wieder gegeben. Die Frage, wie sich der Übergang von anorganischer zu organischer Materie vollzogen habe, mußte nicht un- bedingt ein materialistisches Postulat sein.

b) Der Streit um Mechanismus oder Vitalismus, um Selektion oder Teleologie

Konnte schon die erste Entstehung des Lebens als ein zwar überaus schwie- riges mechanisches Problem gelten, das aber zu seiner Lösung keineswegs supernaturalistischer Eingriffe bedurfte, so mußte es für eine mechani- sche Naturerklärung methodologische Forderung sein, auch die Lebensvor-

234) Peters in NuK 5 (1907 f) 470; Dürken in Hochl 6 (1909) b, 27 f. 235) Pozdena in NuK 6 (1908 f) 437 f; sehr viel zurückhaltender Schmitt in NuK 5 (1907 f) 545 ff. 236) Thöne in Schö 2 (1914) 84 geht davon aus, daß Gott nur im Uranfang die Atome zusammenstellte, die dann irgendwann einmal die Biogenese - 185 - gänge selbst auf chemisch-physikalische Ursachen zurückzuführen und da- mit ebenso die Lebensentwicklung als Ergebnis rein mechanischer Kräfte hinzustellen. Das Ziel der völlig durchschaubaren Begreifbarkeit der organismischen Welt hatte lange Zeit an dem geheimnisvollen Lebensphänomen eine Grenze gefunden. Ein wichtiger Schritt zur Aufhellung lag 1828 mit Wählers Harn- stoffanalyse vor, denn damit war die Annahme widerlegt, daß die in den lebenden Organismen vorhandenen chemischen Verbindungen nur unter Mitwir- kung einer die Lebensvorgänge lenkenden geheimnisvollen Lebenskraft, die man sich als feine und unwägbare Materie dachte, zustande kommen könnten. Das war ein Nachweis, der - in sich keineswegs materialistisch - einer materialistischen Naturauffassung sehr gelegen kommen mußte, durfte man sich doch nach Beseitigung der "mystischen" Lebenskraft von einem wei- teren Fortschreiten der Forschung erhoffen, daß es ihr gelingen würde, mit der Zeit den ganzen Lebensprozeß nur als komplizierten Bewegungspro- zeß, einzig und allein beherrscht von den Kräften der unbelebten Natur, hinzustellen.

Freilich lag damit noch keine Erklärung für die in wie zwischen den Or- ganismen offensichtlich vorhandene Zweckmäßigkeit vor, die sich einer mechanischen Deutung zu entziehen schien. Hier brachte erst Darwins Se- lektionsprinzip die Lösung. Schienen die organischen Lebensprozesse bis- her nur erklärbar, indem man der vitalistischen Theorie gemäß eine sie stetig leitende Lebensseele annahm, und boten sie in ihrer Zweckmäßigkeit einen ganz unmittelbaren Beweis für das Vorhandensein eines weisen upd vorsorgenden Schöpfers, so vertrieb Darwins Theorie den letzten Rest des Staunenswerten und Unberechenbaren aus der Welt zugunsten der absoluten Autarkie einer mechanisch determinierten Naturordnung. Die organischen

Gestaltungen und Zweckmäßigkeiten waren Darwin zufolge nicht gewollt, nicht auf ein vorgegebenes Ziel hin entwickelt, sondern zufällige Pro- dukte, die ebensogut hätten anders ousfallervkönnen.

... zustandebrachten: "Damit war die erste Pflanze da. Sie ist also rein natürlich entstanden, ohne besondere Schöpfung, überhaupt ohne jeden weiteren göttlichen Eingriff, rein auf Grund mechanischer Verursachung" (S.86). - 186 -

Bei fehlender Zielstrebigkeit aber existierte auch keine Sinngebung in den organischen Prozessen, die Annahme eines transzendenten Faktors er- wies sich als überflüssig. Darwin wollte mit seiner Hypothese weder einer mechanistisch-materialistischen Weltanschauung zu Hilfe kommen noch über- haupt christliche Lehren angreifen. Ihm ging es darum, die überall zu beobachtende Zweckmäßigkeit der Natur durch erfahrungsmäßige, inner- weltliche Ursachen zu erklären. Sein deutscher Popularisator Haeckel aber wandte sich nicht ohne tendenziöse Absicht gegen "die teleologische

Phrase vom Plan und Zweck" und versicherte seinen Lesern: "Die Zweck- mäßigkeit existiert nicht, so wenig als etwa die vielgerühmte Allgüte des

Schöpfers... vielmehr finden Sie überall einen schonungslosen, höchst- erbitterten Kampf Aller gegen Alle"237

Gegenüber der mechanisch-materialistischen Naturauffassung war die christliche Naturphilosophie teleologisch ausgerichtet. Sie sah (und sieht) in der Zweckmäßigkeit, die ihren letzten Grund im überweltlichen, persönlichen Gott hat, ein objektiv gültiges Prinzip der Welterklärung.

Dazu wurden, auf Aristoteles und der Scholastik fußend, für die Lebens- vorgänge vitalistische Auffassungen vertreten. Damit war ein doppelter

Gegensatz zur mechanistischen Naturauffassung gegeben: Auf dem Gebiete der Lebenserklärung stand dem Mechanismus der Vitalismus gegenüber, auf dem Gebiete der Lebensentwicklung befeindeten sich Darwinismus (Selek- tion) und Teleologie.

Bei den weltanschaulichen Folgerungen, die sich in damaliger Sicht aus dem Siege der einen oder der anderen Naturauffassung ziehen ließen, ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich die Mehrzahl der hier untersuch- ten Zeitschriften in starkem Maße engagiert hat.

Das gilt allerdings, quantitativ gesehen, weniger für den Gegensatz zwi- schen Mechanismus und Vitalismus. Der ältere Vitalismus war durch die

Naturforschung eindeutig widerlegt, und auch die katholischen Autoren haben sich von ihm abgegrenzt. Das hat sie jedoch nicht daran gehindert, im Gegensatz zu den Materialisten weiterhin an dem wesentlichen Unter- schied zwischen Organischem und Anorganischem festzuhalten, der es nicht

237) Hoeckel, Notäil.Schöpfungsgesch. oa0 XXIII u. 18. - 187 - erlaube, die Vitalprozesse auf chemisch-physikalische Verbindungen zu- rückzuführen. Um die Lebenserscheinungen zu erklären, müsse eine "innere Triebkraft" angenommen werden, wenn auch nicht empirisch nachgewiesen werden könne, was sie im Einzelnen sei238 . Ihre Existenz erweise sich jedenfalls als unerläßlich. Seit den 70er Jahren führen denn, insbeson- dere in Seil und NuO Gedankengänge der scholastischen Naturphilosophie zu einer genaueren Definition. T.Pesch, Dressel, Jürgens und später Ha- sert vertreten übereinstimmend die aristotelisch-scholostische Lehre vom Hylemorphismus, wonach sich die Dinge außer aus dem Stoff, dem Trä- ger der Ausdehnung und Bewegung, auch noch aus der Form, der dem Stoff "eingeprägten" Idee, zusammensetzen als zwei zu einer Natureinheit ver- bundenen Wesensbestandteilen. Diese dem Stoff "eingeprägte" Idee ist als ein in jedem Naturwesen liegendes Formalprinzip anzusehen: beim Menschen die geistige Seele, beim Tier ein mit Empfindungsvermögen begabtes Le- bensprinzip, bei den Pflanzen ein bloß vegetables Prinzip, im Leblosen ein Formal- bzw. Bestimmungsprinzip 239 . Als dann mit dem sinkenden An- sehen derSelektionstheorie in den 90er Jahren der Neovitalismus langsam aufblüht, stößt er in den katholischen Blättern auf eine starke positive Resonanz. In Driesch, der - bezeichnenderweise für die katholischen Au- toren - den Begriff der Entelechie verwendet, in Reinke, den NuK mehr- fach diesbezüglich zu Wort kommen läßt, aber auch in dem 40 Jaime frü- her noch angefeindeten Naturphilosophen E.v.Hartmann begrüßt man die "wahre" Wissenschaft, die im Wesentlichen doch das endlich bestätige, 2 was die scholastische Naturphilosophie immer schon vertreten habe .

238) Hagemann in NuO 16 (1870) 211; vgl. Karsch in NuO 6 (1860) 19; Stöckl in Kath 47 (1867) a, 452 ff; u.a. 239) T.Pesch in StM1 12 (1877) 361 ff, 524 ff; Dressel in StM1 Erg.Heft 22 (1883) 98 ff u. NuO 28 (1882) 277 ff; Jürgens in StM1 28 (1885) 27 ff; Hasert in NuO 45 (1899) 265 ff; u.v.a. Für abweichende Vor- stellungen vgl. z.B.Wasmann in StM1 69 (1905) 453 zu Gander. 240) Zu Hartmann s.Merker in Hochl 3 (1906) b, 495 ff; Knauth in NuK 12 (1914 f) 78 u. vgl. damit T.Pesch in StM1 5 (1873) 229 ff. Als einziger Autor steht Thöne in SchG 2 (1914) 87 u. 142 dem Vi- talismus kritisch gegenüber. - 188 -

Gegenüber der mechanistischen Naturauffassung scheint nun die Autonomie der Lebensvorgänge durch die Naturwissenschaft gesichert und damit dem Postulat von der geschlossenen Naturkausalität an einem wesentlichen Punkte der Boden entzogen. Der Vitalismus erweist sich, wie Wasmann 241 . formuliert, als "die einzige vernunftgemäße Theorie des Lebens"

Die Vorstellung, daß in den Organismen eine eigene vitale Gesetzlich- keit anzunehmen sei, die die chemisch-physikalischen Faktoren beherr- sche und zur Bildung eines lebensfähigen Organismus zielstrebig hinlen- ke, durfte zugleich auch als Verstärkung der katholischen Position im Streit um Teleologie oder Selektion angesehen werden, der die Autoren ungleich stärker als der Gegensatz zwischen Vitalismus und Mechanismus beschäftigt hat.

Wie ein breiter Strom durchzieht die katholischen Zeitschriften während des ganzen Untersuchungszeitraumes die Überzeugung, daß es sich bei der Natur um ein Ganzes von erstaunlich zweckmäßiger Einrichtung handle, das in seiner planvollen Ordnung, in seiner schönen Harmonie unverkennbar auf eine hervorleuchtende weise Absicht, auf einen intelligenten Urhe- ber hinweise. Gerade die naturwissenschaftlichen Organe legen großen Wert darauf, ihren Lesern die teleologische Struktur der Natur detail- liert am einzelnen Objekt zu demonstrieren. Zu nennen sind die zahlrei- chen und zum Teil sehr umfänglichen Abhandlungen, die Altum, Berthold und Rodenstein in den 60er und 70er Jahren für NuO geschrieben haben, ebenso auch die Beiträge, mit denen namentlich Gander, Staeger und Tümler, aber auch andere noch bis weit nach 1900 gleichzeitig NuO, NuK und NuGl versorgen. Die genannten Autoren verfahren sämtlich in der gleichen charakteristischen Weise: In ihre zunächst durchaus auf ein- gehender Naturbeobachtung gründenden Studien werden an geeigneter Stelle immer wieder Betrachtungen eingeflochten, die auf nichts anderes als Naturtheologie hinauslaufen, wobei eine sehr vordergründige, anthropo- morphe Gottesauffassung die Basis bildet. Für sie besteht eine natür- liche Offenbarung, die durch die sinnenfällige Schöpfung unmittelbar und objektiv vermittelt wird. Das Dasein, aber auch die verschiedenen

241) Wasmann in StM1 67 (1904) 538. - 189 -

Eigenschaften Gottes sind aus derNaturerkennbar, die ein beredtes Zeug- nis für "die Glorie des allmächtigen Schöpfers" bietet 242 . Als Werk des Schöpfers aber ist sie nicht nur höchst zweckmäßig eingerichtet, sondern sie gilt auch als ein Reich der Schönheit, das Gott erschaffen hat, um den Menschen zu erfreuen 243 . Dementsprechend wird Gott charakterisiert als "der großartige Komponist" (Staeger), "der weise Werkmeister" (Altum), "der unsichtbare Mathematiker, der den Differential- und Integralcalcul in meisterhafter Weise zu handhaben versteht ..." (Fohle) 244. Naturbe- trachtung verschmilzt mit Gottespreis zu einer unlösbaren Verbindung245. Dem "verständigen" Naturwissenschaftler wird es nicht nur darum gehen, den Stoff und die ihn beherrschenden Gesetze zu erforschen, sondern er hat stets auch nach dem Zweck zu fragen, der hinter den Naturerschei- nungen steckt. Erst die finale Deutung der Dinge eröffnet das richtige Verständnis der Natur, die kausale Analyse trägt ihr gegenüber nur vor- bereitenden Charakter. Nur allzuoft nimmt der fromme Sinn dieser Autoren noch ein direktes Eingreifen der göttlichen Ursächlichkeit in das Ge- triebe der Natur an, nur allzuoft verleitet das Bestreben, überall in der Natur an Hand dessen, was als harmonisch oder zweckmäßig empfunden wird, den Finger Gottes aufzuspüren, dazu, naturimmanente Erklärungen beiseite zu schieben. Zwei Beispiele, wie hier der Finalnexus den Kau- salnexus absorbiert, mögen genügen: Für Altum singt die Nachtigall des- halb meist allein, weil es eine Abweichung von dem durch den Schöpfer in die Natur gelegten Harmoniegesetz wäre, wenn zahlreiche Nachtigallen zugleich ihr herrliches Lied vortragen würden. Nach Gander ist es "ein schöner Zug der allweisen und allgütigen Vorsehung und Fürsorge Gottes", 2 daß er das Dünengras schuf, um die dahinterliegenden Fluren zu schützen 46.

242) Typisch Berthold in NuO 23 (1877) 422 ff, 483 ff; Gander in NuO 42 (1896) 70 ff; Tümler in NuGl 9 (1906) 107 (Zitat); u.v.a. 243) Berthold in NuO 12 (1866) 19 ff; Rodenstein in NuO 25 (1879) 305 ff; u.v.a. 244) Altum in NuO 12 (1866) 19 ff; Staeger in NuK 2 (1904 f) 623; Fohle in Kath 63 (1883) b, 348. 245) "Sehr euch nur um in dem herrlichen Dome des Weltbaumeisters und lernt seine Schönheit und Pracht kennen und schätzen und dann - fal- let nieder und betet an den Herrn der Welten", M. in NuGl 3 (1900)272. - 190 -

Es hat schon in damaliger Zeit nicht an Kritikern auf der eigenen Seite gefehlt, die auf das Unzureichende dieser in den katholischen Zeitschrif- ten durchaus im Vordergrund stehenden Teleologie aufmerksam gemacht ha- ben: angefangen von Michelis, der Moleschott ausdrücklich darin beipflich- tet, daß die gangbare teleologische Auffassung "tatsächlich große wissen- schaftliche Gefahren" in sich berge und "der Forschung Hemmungen und Nachteile bereite", ist das Verfahren "alles und jedes... teleologisch zu erklären", mehrfach bis 1914 hin als "Mißbrauch" (Scholz) angepran- 247 gert worden . Derartige Kritik fruchtete freilich in praxi, wie gezeigt werden konnte, nicht viel, zumal auch die Kritiker keineswegs schon auf eine teleologische Naturauffassung verzichten, sondern nur Auswüchse

anprangern wollten. Doch hat sie immerhin dazu geführt, - wobei die Aus- einandersetzung mit der Selektionstheorie meist den akuten Anlaß bildet, - theoretisch das Verhältnis von Teleologie und Mechanismus zu beleuch- ten, denn "alles geschieht mechanisch und alles geschieht teleologisch", wie es der bedeutendste katholische Naturphilosoph dieser Zeit T.Pesch einmal ausgedrückt hat 248 . Die scholastische Naturphilosophie bildet 249 für Pesch, Hertling, Wasmann, Stöckl u.a. den Boden für ihre zum Teil sehr differenzierten Analysen zu Teleologie und Wirkursächlichkeit, die hier grob wie folgt zusammengefaßt werden können: Obwohl der Zweck- begriff subjektiv ist, wird die Zweckmäßigkeit nicht erst durch den Men- schen in die Natur hineingetragen. Die Zweckmäßigkeit in der Natur ist vielmehr unverkennbar ein greifbares Erfahrungsphänomen. Es kann durch- aus zugegeben werden, daß daneben auch Zwecklosigkeiten in der Natur exi-

246) Altum in NuO 2 (1856) 121 ff; Gander in NuO 35 (1889) 468; u.v.a. 247) Michelis in NuO 8 (1862) 277; Scholz in NuO 16 (1870) 564 ff; u.v.a.; bes. scharf auch Müller gegen Hasert in NuO 52 (1906) 252. 248) Dressel in NuO 27 (1881) 380 zu T.Pesch. 249) s.f.d.folgende bes. T.Pesch in StMl 11 (1876) 292 ff, StMl 9 (1875) 411 ff zu Hertling; Hertling in Kath 53 (1873) a, 385 ff; Wasmann in NuO 32 (1886) 321 ff; Stöckl in Kath 65 (1885) a, 113 ff. u.v.a. - 191 -

stieren. Diese sind nur anthropomorph gesehen Unzweckmäßigkeiten, passen sich aber in Wirklichkeit in die allgemeine Ordnung ein, indem sie erst in größeren Zusammenhängen ihren Sinngehalt enthüllen. Die erwiesene Zweckmäßigkeit setzt mit Notwendigkeit eine Zweckerstrebung voraus, denn ein sich selbst überlassenes Wirken mechanischer Kräfte würde nicht unter vielen möglichen Entwicklungswegen den passendsten einschlagen und trotz aller Hemmnisse beibehalten. Von hier aus ist das Darwinsche Selektions- prinzip abzuweisen, das lediglich als untergeordneter Hilfsfaktor (Was- mann) eine gewisse Bedeutung beanspruchen kann. Zu begrüßen ist, daß auch die Darwinisten, im Gegensatz zu den Materialisten, die Zweckmäßigkeit anerkennen und nachweisen. Unmöglich kann aber der Zufall als ateleologi- sche Voraussetzung das Vorhandensein der ausgefeilten Zweckmäßigkeit und Harmonie des Naturgeschehens erklären. Gerade auf den Gebieten der Instinkttheorie und der Mimikry, denen zahlreiche Abhandlungen in NuO und StM1 gewidmet sind, läßt sich die Unzulänglichkeit einer Erklärung

im Sinne Darwins am leichtesten zeigen. Anzunehmen sind innere ziel- strebig vorgehende Entwicklungsgesetze. Damit soll die Möglichkeit und Tatsächlichkeit mechanischer Wirkursachen keineswegs geleugnet werden: "Kein einsichtiger Vertreter der teleologischen Auffassung" - meint Wasmann 1886 - "wird der Zweckursache eine physische Wirksamkeit zuschreiben und sie mit den Wirkursachen ver- wechseln. Die ganze Ausführung des natürlichen Werdens ... kommt auf Rechnung der Wirkursachen, nur die ursprüngliche Anordnung, wodurch die Wirkursachen die Richtung ihrer Wirk- samkeit auf ein bestimmtes Ziel erhalten haben, wird von der Zweckursache bestimmt" (S.344).

Die in der Natur voll anzuerkennenden, mechanisch und notwendig wirken- den Ursachen schließen den Zweck nicht nur nicht aus, sondern schließen ihn ein. Offensichtlich tritt in den Naturgesetzen eine Notwendigkeit auf, die sich als Mittel zum Zweck offenbart. "Der Mechanismus der Na- tur trägt eine Teleologie in sich selber" (Pesch), indem der Naturlauf ein System von Mitteln ist, hingeordnet zur Verwirklichung ursprüngli- cher Ideen. Diese Erkenntnis leitet - und das ist der letzte, aber auch der wichtigste Schritt dieser Überlegungen - zur Überzeugung von der Existenz einer intelligenten Erstursache, zum teleologischen Gottes- beweis. - 192 -

"Es gibt kaum einen überzeugenderen, leichteren, allgemein ver- ständlicheren Beweis für einen persönlichen Gott, als die Zweck- mäßigkeit der Natureinrichtung". Daher wäre es "eine sehr starke Zumutung ... von der Kirche (zu) verlangen, sie solle sich um kos- mologische und biologische Spekulationen nicht kümmern, sondern auf Herzenserfahrungen sich stützen" 250 .

Hier, im religiösen Anliegen, liegt der eigentliche Impetus für die praktischen wie theoretischen Darlegungen zur Zweckmäßigkeit. Ganz ohne Gott, wie es nicht nur die Materialisten, sondern auch eine "anmaßende" Naturwissenschaft will, kann die Natur nicht gedeutet werden. Und wenn man sich auch Gottes Wirken nicht so unmittelbar und so äußerlich vorzu- stellen hat, wie es in den Beiträgen von Altum u.a. geschieht, so weisen doch Gesetzmäßigkeit und Ordnung der geschaffenen Welt auf Gott als ihren Erstverursacher.

Vitalismus und Teleologie sind damit für die katholischen Autoren dieser Zeit in erster Linie von der Weltanschauung her gefordert. Was die exakte Wissenschaft dafür anzubieten hat, wird gerne verwertet, Entgegenstehen- des a priori abgelehnt. Bei der Entscheidung zwischen Mechanismus und Vi- talismus, zwischen Selektion und Teleologie geht es für sie letztlich um das "Sein" der Natur, um die Entscheidung zwischen Gott oder blindem Zu- fall.

c) Der Streit um den qualitativen oder quantitativen Unterschied zwi- schen tierischer und menschlicher Psyche

Neben Lebenserklärung und Lebensentwicklung hat die Frage nach der ur- sächlichen Erklärung für die geistige Verhaltensweise des Menschen be- sondere Bedeutung in der Auseinandersetzung mit dem monistischen Materia- lismus gehabt. Bestand zwischen Mensch und Tier in Bezug auf die Psyche ein grundsätzlich unüberbrückbarer, qualitativer oder nur ein gradueller Wesensunterschied? Für den Materialismus, der die psychischen Eigenschaf- ten ohnehin ausschließlich aus der Natur, und das heißt den Eigenschaften der Materie erklären zu können glaubte, existierte, wie Haeckel formu- lierte, "zwischen den höchst-entwickelten Tierseelen und den tiefstent- wickelten Menschenseelen... nur ein geringer quantitativer, aber kein

250) ? in HPB 112 (1893) 585 gegen Paulsen. -193-

251 qualitativer Unterschied" . Auch hier lieferte Darwin mit seinem Werk

über die Abstammung des Menschen eine wertvolle Hilfestellung, indem er an Hand zahlreicher Beispiele nachzuweisen suchte, daß schon bei den

Tieren seelische und geistige Eigenschaften vorhanden seien, die sich im Laufe einer langsamen Evolution bis zur heutigen Höhe des Menschen entwickelt hätten. Der genetische Gesichtspunkt, den Darwin damit in die

Debatte einbrachte, führte zu Begründung und Aufschwung einer Tierpsycho- logie, die die ausgesprochene Tendenz verfolgte, möglichst viele Gemein- samkeiten zwischen Mensch und Tier zu entdecken, um damit das menschli- che Seelenleben als phylogenetisches Entwicklungsprodukt hinstellen zu können. Nun ist schon im Abschnitt über die Stellungnahme zur humanen

Evolution auf den weltanschaulich fundierten Widerstand der katholischen

Autoren gegen jeden Versuch, die geistige Seele in die Entwicklung ein- zubeziehen, aufmerksam gemacht worden. Die Geistigkeit des Menschen muß nach dieser Auffassung als besondere schöpferische Tat Gottes verstan- den werden, sie kann nicht lediglich als Ausformung der Materie gelten.

Von diesem Hintergrund aus erklärt sich die namentlich in den ersten

Jahrzehnten bei NuO feststellbare, sehr umfangreich betriebene, hier aber nur zu streifende Diskussion um die Frage, ob man denn, um die 252 "anscheinend bewußten Tätigkeiten" der Tiere zu erklären, überhaupt eine Tierseele anzunehmen habe. Die Mehrzahl der sich mit dieser "im 253 Augenblick brennenden Frage der Philosophie" beschäftigenden Autoren, an ihrer Spitze Michelis, lehnen die Existenz einer Tierseele rundweg ab, um damit einen Vergleich zwischen Tier und Mensch von vornherein unmöglich zu machen. Sterneberg drückt das ganz offen mit den Worten aus: "Die Leugnung der Tierseele (ist) die Rettung der Menschenseele in 254 der heutigen Naturwissenschaft und zugleich deren Erhöhung" . Infolge

251) Haeckel, Natürl.Schöpfungsgesch. aa0 652.

252) Michelis in NuO 5 (1859) 473.

253) Michelis in NuO 1 (1855) 208; u.v.a.

254) Sterneberg in NuO 11 (1865) 23. - 194 -

dieser Vorentscheidung können alle Erscheinungen des Tierlebens als physiologisch, nicht als psychisch bedingt aufgefaßt werden, die mensch- lichen Seelenfähigkeiten bleiben unvergleichbar, wenn auch andererseits das Tier selbst damit trotz gegenteiliger Beteuerungen fast zum bloßen Automaten herabgedrückt wird.

Einen anderen Weg schlagen - in den Zeitschriften von Ende der 60er Jahre an nachweisbar - die Vertreter der scholastischen Naturphilosophie ein. Sie warnen davor, dem Tier mehr abzuerkennen, als beweisbar sei, weil man dadurch auch wieder dem Materialismus Vorschub leiste. Wolle 255 man daher die Tiere nicht zu Automaten erniedrigen , wie es bei Des- cartes der Fall sei, so müsse man die Existenz eines besonderen seeli- schen Prinzips im Tier vertreten. T.Pesch und Wasmann, deren Ausführungen 256 hier gefolgt werden kann , schreiben dem Tier ein wirkliches Seelenle-° ben zu und legen der Tierseele ein sinnliches Erkenntnis- und Begehrungs- vermögen bei. Das Tier besitze Sinnesempfindung, Gefühl, Gedächtnis, wahrscheinlich eine reproduktive Einbildungskraft sowie die Fähigkeit, danach seine Handlungsweise zu modifizieren. Alle diese Eigenschaften gehören nach Wasmann in den Bereich des Instinktes, den er definiert als "Trieb des sinnlichen Strebevermögens zu bestimmten Objekten und Tätigkeiten, deren Zweckmäßigkeit außerhalb des Erkenntnisbereiches des 257 handelnden Subjekts liegt" .

Damit bildet für Wasmann die unbewußte Zweckmäßigkeit das wesentliche Kriterium der instinktiven Handlung gegenüber der intelligenten. Dem

255) Auf scharfen Widerspruch stoßen die mechanischen Theorien von J.Loeb und 0. zur Strassen. 256) Neben T.Pesch in Seil 5 (1873) 229 ff u. 20 (1881) 205 ff s.bes. die großen Abhandlungen von Wasmann, Instinkt und Intelligenz im Tierreich, Seil Erg.Heft 69 (1897) und, Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und d.höheren Tiere, StMl Erg. Heft 70 (1897), die in allen Zeitschriften als Standardwerke der "christlichen Tierpsychologie" gelten. Daneben noch zahlreiche klei- nere Beiträge Wasmanns u. weiterer Autoren in NuO u. StMl. Vgl. auch Stöckl in Kath 47 (1867) a, 706 ff; u.a. 257) Wasmann in StMl Erg. Heft 69 (1897) 20. - 195 -

Tier fehlt ihm zufolge absolut Abstraktionsvermögen und Überlegungsfähig- keit, die zu Selbstbewußtsein und freiem Handeln führen und damit den Menschen qualitativ und nicht nur quantitativ vom Tier unterscheiden. Der scholastische Instinktbegriff, der mit seiner strengen Scheidung zwischen Tier und Mensch die Sonderstellung des Menschen unterstreicht, hat fast unbestritten während des ganzen Untersuchungszeitraumes allen Stellungnahmen zur Tierpsychologie als Grundlage gedient. Lediglich in NuK kommt es im Zusammenhang mit dem schon früher erwähnten Aufbegehren gegen die scholastische Naturphilosophie auch zu scharfen Angriffen in diesem Punkt. Während es sich bei Gredler dabei offenbar nur um termino- 258 logische Abgrenzungen handelt , wird -Knickenberg einige Jahre später 259 sehr viel offensiver , wenn er gegen den "Absolutheitsanspruch" der scholastischen Lehre polemisiert und ihr vorwirft, sie sei "künstlich und mit Gewalt aufgestellt, um ja nicht eine Übereinstimmung zwischen Tier und Mensch aufkommen zu lassen" (S.599). Knickenberg lehnt die An- nahme einer Tierseele ab und bekennt sich zu einer mechanischen Tierauf- fassung, die mit der christlichen Lehre "wohl vereinbar"sei (S.633).Der artige Stellungnahmen bleiben jedoch Ausnahmen, die an den führenden Einfluß der scholastischen Naturphilosophie nichts ändern.

Deren Überzeugung von dem wesentlichen Unterschied zwischen Tier und Mensch hat von 1870 an den Ausgangspunkt gebildet für eine sehr massive und ungemein polemische Bekämpfung der sogenannten vulgärmaterialistischen

Tierpsychologie mit ihrer Tendenz, das Tierleben zu anthropomorphisieren. In diesem Kampf tritt man die Nachfolge der frühen Autoren von NuO an, die die Annahme einer Tierseele ablehnten, um eben damit einem Vergleich zwischen Mensch und Tier zu entgehen. Schon die kurz nach der Jahrhundert-

258) Gredler,in NuK 1 (1903 f) 33 ff: "Man faselt so viel von Instinkt und alles sei Instinkt und nur Instinkt ... Überlegung und Verstand, sage ich, nicht geistige Vernunft ... ist tierisches Denkvermögen". Dazu abwehrend ? in StMl 67 (19o4) 588. Vgl..noch Wasmann in NuO 48 (1902) 124 ff u. Dressel in StMl 59 (1900) 338 gegen Bumüller. 259) Knickenberg in NuK 6 (1908 f) 598 ff. - 196 -

mitte überall erfolgende Gründung von zoologischen Gärten erregt Miß- trauen. Bolsmann z.B. möchte ihren Nutzen nicht ganz verneinen, unter- streicht aber die "oft mehr als zweifelhafte(n) Erfolge" dieser Gärten, in denen er ein Werk des Materialismus sieht, der damit den angeblich nur 260 graduellen Unterschied zwischen Tier und Mensch zu beweisen suche . In der Folgezeit konzentriert sich die katholische Kritik auf dos mehrbändige Illustrierte Tierleben Alfred Brehms, dessen verschiedene Auflagen geradezu mit permanentem Sperrfeuer bedacht worden worden sind. Brehm, der mit Ausfällen gegen Kirche und "Pfaffen" nicht sparte, wird neben Haeckel zu einer Zentralfigur des kirchenfeindlichen Materialismus 261 stilisiert , Sein Werk, so meint Wasmann, sein erbittertster Gegner einmal "ist ein gefährliches Produkt der materialistischen Literatur, das unter wissenschaftlichem Deckmantel Propaganda macht für Sittenlosigkeit und Unglauben. Es ist umso gefährlicher, da es im einschmeichelnden, glatten Stil einer Salonlektüre sein Gift beibringt" 262.

Die von diesem "materialistischen Schwätzer" (Wasmann ebda 491) durch- gängig betriebene Anthropomorphisierung, die zudem noch - folgt man seinen katholischen Rezensenten - der Schilderung des tierischen "Lie- beslebens" eine besonders detaillierte und höchst anzügliche Aufmerk- samkeit widmet, wird in doppelter Weise als bedrohlich empfunden: Indem sie die Grenze zwischen Tier und Mensch verwischt, zerstört sie einer- seits die Würde und einzigartige Stellung des Menschen und hat anderer- seits auch dessen moralische Pervertierung zur Folge, denn "wenn der Mensch sich ... nicht wesentlich unterscheidet vom Tiere, so darf er 263. auch leben wie das Tier" An dieser Schlußfolgerung zeigt sich sehr

260) Bolsmann in NuO 10 (1864) 306 ff; u.a. 261) Nur für die ersten Lieferungen rühmt Altum noch "scharfe Beobachtungs- gabe" und "eine lebensvolle mit Notwendigkeit anziehende Frische" nach, NuO 9 (1863) 381. Alle späteren Rezensionenäußerstabschätzig. Erst die von 0.zur Strassen herausgegebene 4.Aufl. wird milder beur- teilt, zumal der Herausgeber die Ausgabe "teilweise" von Anthropo- morphismen u, weltanschaulichen Angriffen gereinigt hatte, vgl.Was- mann in Seil 82 (1912) 311 ff; Völler in NuK 8 (1910 f) 605 ff; Ettlinger in Hochi 8 (1911) b, 355 ff. 262) Wasmann in StM1 36 (1889) 492. - 197 -

deutlich der Zusammenhang in der Beurteilung der vulgärmaterialistischen Tierpsychologie mit der Beurteilung der weiter unten noch abzuhandelnden "darwinistischen Ethik". Die Annäherung zwischen Tier und Mensch würde zu unhaltbaren moralischen Konsequenzen führen. Aus diesem Grunde besteht auch ein sehr gespanntes Verhältnis zur deutschen Tierschutzbewegung. Die in ihren Broschüren festzustellende Vermenschlichung der Tiere, un- verblümter gesagt, die sich hier breitmachende "perverse Sentimentali- 264 tät" hat wiederholt Anlaß zur Warnung der katholischen Leser geboten . Oberhaupt sind die damals sehr üppig ins Kraut wuchernden vulgärpsycho- logischen Schriften mit ihren Beispielen für tierische Intelligenz, wie auch die echten Sendationen, die angeblich sprechende Affen, dichtende 265 Hunde und rechnende Pferde noch weit nach der Jahrhundertwende hervor- riefen, dankbare, stets erneut zitierte Objekte für die katholischen Autoren gewesen, um an ihnen Unwissenschaftlichkeit, Phantasie und Bor- niertheit der Vulgärdarwinisten zu demonstrieren.Darwin selbst ist in dieser Beziehung verhältnismäßig wenig angegriffen worden. Zwar sind die ersten Rezensionen zur Abstammung des Menschen gerade in Bezug auf die Thesen hinsichtlich des geistigen Ursprungs mit einer Fülle von Pole- mik getränkt, zumal Darwin oft Brehm als Gewährsmann benutzt hatte. Spä-

263) Wasmann in Seil 45 (1893) 104. 264) Zitat bei Buchholz in NuGl 5 (1902) 375; u.v.a. Besonderen Anstoß erregte eine vom Verband der Tierschutzvereine des deutschen Rei- ches 1889 preisgekrönte Schrift des Landgerichtsrates .!.Bregenzer, in der dieser nicht nur die Existenz hochentwickelter, sittlicher und rechtlicher Normen bei den Tieren nachzuweisen suchte, sondern auch vom Staat ihre Emanzipation forderte. Cathrein als Rezensent in StMI 48 (1895) 163 ff, vg1.74 (1908) 30 ff hat neben heftiger Polemik ein ausführl. Bild d.christl.Tierauffas- sung gezeichnet, derzufolge das Tier als vernunftloses Sinnenwesen zum Dienst u. Gebrauch des Menschen bestimmt ist u. in keiner Weise ihm gleichgestellt werden kann. 265) Ein besonders berühmtes Beispiel war der "kluge Hans" des Herrn von Osten, ein Pferd, das 1904 mit seinen Rechenkünsten (Multiplizieren, Dividieren, Quadratwurzeln ziehen) ganz Berlin in Erstaunen setzte. Dazu negative Stellungnahmen (Signaltiere) in fast allen kathol. Blättern, Hochl nicht ausgeschlossen, s.Ettlinger in Hochl 2 (1905)o, 221 ff, 499 u. öfter. - 198 -

tere Stellungnahmen aber suchen für seine "Fehlschlüsse" vor allem die Unbestimmtheit seiner psychologischen und philosophischen Begriffe verant- 266 wortlich zu machen, ohne ihn persönlich zu attackieren .

Auch fällt auf, daß man zwischen "vulgärer" und "wissenschaftlicher" Tierpsychologie, wie sie im Anschluß an Darwin etwa von Emery, Forel, Lubbock, Morgan und Romanes entwickelt wurde, um Unterscheidung bemüht ist. Natürlich wird das Forschungsziel, das menschliche Geistesleben aus dem tierischen Sinnesleben abzuleiten, als völlig irriges Postulat ange- sehen. Eine gewisse Anerkennung findet aber, daß sich "die wissenschaft- liche Tierpsychologie" von der "bedenkenlosen Anthropomorphisierung", wie sie sich bei "Brehm und Gesinnungsgenossen" niederschlage, distanziert und damit wenigstens in dieser Hinsicht eine gewisse Nähe zur eigenen 267 Haltung vorliegt . Solche Anerkennung darf indes nicht darüber hinweg- täuschen, daß ein scharfer Trennungsstrich bestehen bleibt: Die Beachtung der "unüberbrückbaren Kluft" zwischen Tier und Mensch, gemessen an der nur in neuscholastischem Sinn zulässigen Anwendung der Begriffe Intelli- genz und Instinkt, bleibt, wie sich an zahlreichen Rezensionen ablesen läßt, das wichtigste Kriterium, das über Wert oder Unwert eines die Tierwelt behandelnden Werkes entscheidet, gleich von welcher Seite es kommt. Es würde Aufgabe eines Biologen sein nachzuprüfen, wie weit damit wertvolle Forschungsansätze in der aufblühenden Verhaltensforschung aus Angst vor eventuell weltanschaulichen Folgerungen nicht gesehen, bzw. verkannt wurden. Damit sollen die Verdienste, die sich gerade Wasmann auf dem Gebiet der Tierpsychologie erworben hat, in keiner Weise geschmä- lert werden. Daneben aber muß doch auch gesagt werden: Für die Autoren dieser Zeit durfte schon die Frage, ob sich überhaupt die psychische Seite des Menschen aus tierischen Verhaltensweisen ableiten lasse, eigentlich nur dann zum Gegenstand empirischer Analyse gemacht werden, wenn sie mit einem apriorischen Nein beantwortet wurde.

266) Vgl. z.B. Kemp in StMI 8 (1875) 548 ff mit Wasmann in StM1 28 (1885) 342 ff; s.auch oben S. 89 dieser Untersuchung. 267) Besonders typisch Wasmann in Still Erg.Heft 69 (1897) 2, 76. - 199 -

In diesen Zusammenhang gehören nun noch abschließend die Stellungnahmen zur Entstehung und Entwicklung der menschlichen Sprache und Kultur. In einem offenen Sendschreiben an Haeckel hatte der Jenaer Linguist A.Schlei- cher 1863 - und ihm folgend auch andere - die Sprachen als reines Natur- produkt bezeichnet, die, auf einer bestimmten Beschaffenheit des Gehirns und der Sprechorgane beruhend, sich nach den Gesetzen der Natur, und das hieß für ihn mit Hilfe der Selektion, entwickelt hatten und noch entwickeln. Gegen die These eines Selektionsprozesses innerhalb der Sprachentwicklung ließen sich philologische Argumente anführen 268 . Als bedrohlicher wurde auf katholischer Seite die Behauptung vom natürlichen Ursprung der Sprachen empfunden, bedeutete sie doch nichts anderes als, auf welche Weise auch immer, die menschliche Sprachfähigkeit auf tieri- sche Kommunikationsformen zurückzuführen. Darin aber konnten katholische Autoren nur das Unterfangen sehen, die tierische Abstammung des Menschen, die ihnen biologisch schon absolut unbeweisbar erschien, nun auf dem Um- weg über die Sprachwissenschaft zu bestätigen. Von daher erklärt sich das konzessionslose, höchst polemische Abtun aller Bemühungen, tierische Lautäußerungen in irgendeine Beziehung zur menschlichen Sprache zu setzen. Die Sprache, so erklärt Hagemann pathetisch, "ist unser Rubikon und kein 269 Tier wird wagen, ihn zu überschreiten" . Eigentlicher Kernpunkt der Kritik ist der Hinweis auf die menschliche Vernunft, deren Wirken über- haupt erst die Sprachfähigkeit ermöglichte. Behaupteten die Darwinisten, daß die Sprache "die zureichende Ursache der Vernunft" (Haeckel) gewesen sei, so vertraten die katholischen Autoren den qualitativen Unterschied zwischen tierischen Lauten und menschlicher Sprache, den sie mit der "Hegemonie der Vernunft" begründeten. Wasmann drückte das mit der Fest- stellung aus: "Ohne Intelligenz fehlt die logische Möglichkeit und das 270 psychologische Bedürfnis einer Sprache" . Sprache wird als besonderes göttliches Geschenk gesehen, und demnach konnte der erste Mensch auch nicht Haeckels "homo alalus" sein, sondern Adam, dem im Vollbesitz seiner

268) Die These wurde nach Rddl aa0 543 schon um 1880 wieder fallen gelas- sen. Zur Widerlegung s.Knabenbauer in StMl 5 (1873) 193 ff; Gutber- let in NuO 39 (1893) 658 f; u.a. 269) Hagemann in NuO 16 (1870) 141; vgl. Schlz in NuO 16 (1870) 525 ff; Baumgartner in StMl 32 (1887) 130 ff; u.a. - 200 - körperlichen und geistigen Kräfte auch bereits die reine Ursprache zur Verfügung stand, aus der sich erst nach dem Turmbau von Babel alle an- 271 deren Sprachen entwickelten .

Wie die menschliche Sprache keinerlei Analogie zu tierischen Lautauße- rungen bot, so gaben auch die sogenannten "wilden Naturvölker" in katho- lischer Sicht keinerlei Anhaltspunkte ab, um sie als rezente Restbestän- de der öbergangsstufe zwischen tierischer Psyche und vollmenschlicher Geistigkeit zu werten, wie es eine vielfach vertretene darwinistische These wollte: Die Begründung dieser These beruhte auf einem doppelten methodischen Fehler: erstens glaubte man, an rezentem Material zeitlich ungeheuer weit zurückliegende Zusammenhänge bestimmen zu können. Zweitens beurteilte man die damals in immer reicherer Fülle bekannt werdenden ethnologischen Funde nach subjektiven, d.h. der Kultur- und Moralauffas- sung des 19.Jahrhunderts entlehnten Wertmaßstäben und deutete dabei alle primitiv bzw. fremdartig anmutenden Erscheinungen auch schon als primäre, die an den Anfang der Kulturentwicklung zu stellen seien. In geradliniger Aufwärtsentwicklung konnte dann z.B. die Monogamie der Kulturvölker aus angeblich ursprünglicher und tierhafter Promiskuität und Polygamie, der Monotheismus aus angeblich ursprünglichem Fetischismus u.ä. abgeleitet werden.

Der Protest der katholischen Seite auf diese von Haeckel, Morgan, Hell- wald, Münsterberg und anderen vorgetragenen Theorien, wie er namentlich in den StMl und NuO während der 80er und 90er Jahre artikuliert worden ist, hat vor allem der hier involvierten Minderbewertung des "Naturmen- schen" als Halbtier bzw. Halbmensch gegolten. Auch auf der niedrigsten Stufe seines Daseins bleibt der Mensch nach übereinstimmender Auffassung

270) Wasmann in StMl Erg.Heft 69 (1897) 73; vgl. zuvor schon ? in Kath 70 (1890) b, 380 u. ausführlich Knabenbauer in Sei_ 1 (1871)405ff;u.a. 271) Dahlmann in Seil 45 (1893) 80 f; zum einheitlichen Ursprung vgl. oben 5.172 ff dieser Arbeit. -201 -

aller Autoren vollwertiger und wirklicher Mensch, begabt mit einer geisti- gen Seele und durch sie absolut vom Tier getrennt. Nirgends habe man bis- her völlig kulturlose Menschen gefunden, und dementsprechend liegt das Schwergewicht aller einschlägigen Beiträge im diffizil geführten Nach- weis der Kulturfähigkeit und -ausübung der Naturvölker272 . Hinter dem den Naturmenschen als Mensch degradierenden Bild der Deszendenztheoretiker vermuten einige Autoren übrigens kolonialpolitische Spekulationen273. Wird nun auch einerseits die Vollmenschlichkeit der Naturvölker, die es nicht gestatte, sie als Zwischenglieder hinzustellen, immer erneut in das Bewußtsein der Leser gerückt, so können sich doch andererseits die katho- lischen Autoren nicht verhehlen, daß es tatsächlich gerade auf sittlichem Gebiet bei diesen Völkern Erscheinungen gibt, die auch in ihren Augen tierhaften Charakter tragen. Zur Erklärung dieser Eigentümlichkeiten wird die darwinistische Theorie von der geradlinig aufwärts strebenden mensch- lichen Kulturentwicklung allerdings angelehnt, schon deshalb, weil ihr Schluß vom Naturmenschen auf den Urmenschen sich als empirisch nicht ge- sicherte, bloße Konstruktion erweise. Statt dessen wird versucht, unter Berufung auf "die Zeugnisse der Geschichtswissenschaft", und das heißt 274 hier unter Berufung auf den Bericht der Genesis ‚eine "historisch" beleg- bare Dekadenz- oder Degenerationstheorie aufzustellen. Ihr zufolge sind bei den Naturvölkern "die Keime eines höheren psychischen, speziell ethi- schen und intellektuellen Lebens, welche dem ersten Menschenpaar angebo- ren waren", verkümmert, wobei der freie Wille der Völker wie der Indivi- duen, aber auch klimatische und geographische Verhältnisse eine beeinflus- 275 sende Rolle spielten . Demnach müssen die Naturvölker als "durch Leiden-

272) Nostitz-Rieneck in Seil Erg.Heft 43 (1888) 62 ff; u.v.a.; s.bes.die Rezensionen zu W.Schneider, Die Naturvölker, Paderborn 1885 f in HPB 98 (1886) 605 ff, Seil 31 (1886) 321 ff u. NuO 35 (1889) 60 ff. 273) Schneider in NuO 37 (1891) 79; Cathrein in Seil 77 (1909) 48; u.a. 274) Grupp in NuO 33 (1887) 684 u.726 ff; Wasmann in NuO 35 (1889) 410 ff; u.a. 275) Mohnike in NuO 30 (1884) 287; u.a. - 202 -

schaft und Aberglauben tief gefallene Abkommen Adams" (Spillmann) gel- ten, die "auf der tiefen Stufe eines nach abwärts führenden Verfalls" 276 (Nostitz-R.) stehen . Ihre negativ bewerteten Kulturäußerungen lassen sich als "Entartungs-" oder "Verwilderungserscheinungen" erklären, ohne daß es deshalb notwendig wäre, eine tierische Abstammung anzunehmen, denn die Bibel kann hier den Profanwissenschaften wieder einmal als Quelle dienen. In diesem Zusammenhang wird auch die Vorstellung abgelehnt, als habe bei Entstehung und Entwicklung der ethischen, religiösen und sozialen Erscheinungen der Daseinskampf eine Rolle gespielt. Darauf wird jedoch im nächsten Kapitel näher einzugehen sein. d) Zusammenfassung des vierten Abschnittes

Die Auswertung des im Obigen überblickartig zusammengetragenen Materials zu verschiedenen Grenzproblemen ergänzt in einigen Punkten die bisher schon gewonnene Einsicht, daß der weltanschauliche Kampf gegen eine ma- terialistische Metaphysik vielfach dazu geführt hat, auch weltanschaulich neutrale naturwissenschaftliche Methoden und Forschungsziele als falsch abzulehnen, oder sie doch zumindest in ein Zwielicht geraten zu lassen.

Evident wird dies schon beim Streit um die Biogenese. Im Bestreben, die materialistische Gottesleugnung zu widerlegen und trotz der theologischen Einsicht, daß Gott die einzelnen Arten nicht unbedingt gesondert erschaf- fen habe, möchte man doch wenigstens für den allerersten Anfang der orga- nischen Entwicklung die Realität der göttlichen Schöpfung beweisbar ma- chen. Daher wird der Bereich der Biogenese für die biologische Forschung tabuisiert, d.h. es wird für die Entstehung des Lebens die Insuffizienz aller empirischen Erklärungsversuche hervorgehoben, die deshalb den Schluß auf einen unmittelbaren, metaphysischen Schöpfungsakt notwendig mache. Der schon in der katholischen philosophischen Tradition auffindbare Gedanke, daß es sich bei der Biogenese um die Realisierung der von Gott ursprüng- lich in die Materie gelegten, schöpferischen Potenzen handle, ein Gedanke, der es erlaubte, das vorläufig noch ungeklärte Wie der Entstehung des

276) Spillmann in StMl 31 (1886) 322; Nostitz-Rieneck in StMl Erg. Heft 43 (1888) 66; vgl. ? in HPB 111 (1893) 334 ff; u.v.a. - 203 -

Lebens, unberührt von weltanschaulichen Konsequenzen, den weiteren Fort- schritten der Naturwissenschaft zu überlassen, wird nur von einer Min- derzahl der Autoren angeführt.

Was für die Entstehung des Lebens gilt, gilt sinngemäß auch für die Frage, ob das Lebensphänomen mechanistisch oder vitalistisch zu erklären sei. Das entschiedene Eintreten für den Vitalismus ist ebenfalls von einem religiösen Anliegen inspiriert, denn mit der Einführung eines immateriel- len, durch die biologische Methodik nicht erfaßbaren Vitalfaktors zur Er- klärung der Lebensvorgänge sehen die katholischen Autoren das Geheimnis- volle, das Inkommensurable an entscheidender Stelle wieder in den Natur-

prozeß eingeschaltet. Von hierher ist es ihnen möglich, eine Gegenposition zu der materialistischen Behauptung von der angeblich lückenlosen, mecha- nischen Determiniertheit des Naturgeschehens zu beziehen. In diesem Sinne begrüßen sie das Wiederauftauchen vitalistischer Erklärungsversuche sei- tens einiger Naturwissenschaftler als erfahrungsmäßige Bestätigung einer immer schon vertretenen theologisch-philosophischen Konzeption. Solche Haltung birgt allerdings die Gefahr in sich, dem methodischen Anliegen naturwissenschaftlicher Forschung keine Rechnung mehr zu tragen, dem An- liegen nämlich, Kausalanalyse zu betreiben, die potentiell bis ins Unend- liche gehen kann und nicht an unübersteigbare Grenzen stößt, welche die Einführung einer außerhalb der naturwissenschaftlichen Methodik liegenden Endursache notwendig machen würden. Die wie selbstverständlich erfolgen- de Parteinahme für den Vitalismus versteht sich auch daraus, daß die Eigen- gesetzlichkeit des Lebens, der zielstrebige Aufbau der Organismen, den die immateriellen Vitalfaktoren zu leisten scheinen, den katholischen Au- toren ein starkes Argument für den teleologischen Gottesbeweis an die Hand gibt. Die teleologischen Bezüge in der Natur nachzuweisen, wird zu einem der wesentlichsten Anliegen der katholischen Naturbetrachtung im untersuchten Zeitabschnitt. Eine starke Gruppe von Autoren erschöpft sich weit über die Jahrhundertwende hinaus in immer neuen Versuchen, überall in der Natur planvolle und zweckmäßige Einrichtungen und Vorgänge auf das unmittelbare Wirken Gottes zurückzuführen, wobei in zum Teil grotesker Weise an Stelle der Kausalstruktur ein Finalzusammenhang gesetzt wird. - 204 -

Dieses Verfahren bleibt zwar nicht ohne Kritik auf der eigenen Seite, denn andere Autoren bejahen die mechanistische Methode der biologischen Forschung durchaus als fruchtbares heuristisches Prinzip. Doch verliert mit dieser Anerkennung eine ganzheitliche, teleologische Naturbetrachtung für sie keineswegs an Berechtigung. Denn wenn es auch der Naturwissen- schaft unbenommen bleibt, die biologischen Vorgänge durch causae secundae, d.h. durch chemisch-physikalische Ursachen immer weiter aufzuhellen, so bleibt Gott doch causa prima der Welt, und ist die Welt in all ihren Ge- schehensabläufen durchwaltet von seinem allmächtigen Werdewillen. Von die- ser Sicht aus muß dann allerdings die Selektionstheorie, insofern sie aus ihrem als äußerst begrenzt definierten Bereich extrapoliert und zum Seins- prinzip schlechthin erhoben wird, d.h. insofern versucht wird, die offen- sichtliche Zweckmäßibkeit der Natur ganz und ausschließlich aus der zufäl- ligen Verknüpfung mechanischer Ursachen weltimmanent zu erklären, kate- gorisch abgelehnt werden.

Auf kategorische Ablehnung stößt schließlich auch der Versuch, die gei- stig-seelischen Qualitäten des Menschen als evolutive Produkte tierischer Vorformen aufzufassen. Der von theologisch-philosophischen Erkenntnissen her dogmatisch bestimmte Ausgangspunkt katholischer Autoren ist hier der Leitsatz, daß der Mensch in geistiger Hinsicht eine absolute und unver- gleichbare Sonderstellung einnehme, seine Geistseele unmittelbar von Gott erschaffen sei. Um diesen Satz gegen alle "materialistischen Spekulationen" zu sichern, verneinen einige Autoren zu Beginn des Untersuchungszeitraumes die Existenz einer Tierseele, während ein anderer scholastisch geschulter größerer Teil sie bejaht, um dann mit sehr eingehenden philosophischen Überlegungen den qualitativen Unterschied zwischen tierischer und mensch- licher Psyche festzulegen. Von diesem Hintergrund aus kommt es zu einem energischen Kampf einerseits gegen die darwinistische, anthropomorphi- sierende Tierpsychologie, die das Tier mit menschenähnlicher Intelligenz ausstattete, andererseits gegen die darwinistische Einschätzung der Na- turvölker als Halbmenschen, bzw. Übergangsformen. Dieser ohne jede Kon- zession geführte Kampf verfolgt das Ziel, die besondere Würde des Men- schen zu verteidigen und alle Hypothesen abzuwerten, die im tierischen - 205 -

Verhalten Vorstufen verstandesmäßiger Einsicht, wie sie beim Menschen vorliegt, sehen möchten. Damit wird allerdings a priori der Zugang zu der Überlegung verstellt, ob und inwieweit es nicht doch legitime Aufgabe der Forschung sein kann, Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zwischen Tier und Mensch auch hinsichtlich der Psyche herauszufinden bzw. menschliche Ver- haltensformen im weitesten Sinn evolutiv zu deuten. Mit diesem letzten

Aspekt hat sich ein Teil des folgenden Kapitels noch näher zu beschäfti- gen. - 206 -

Kapitel IV: Darwinistische Ethik und Gesellschaftstheorie

1) Zur Einführung

In der Natürlichen Schöpfungsgeschichte hatte Haeckel Entwicklung als "das Zauberwort" bezeichnet, "durch das wir alle uns umgebenden Rätsel 1 lösen, oder wenigstens auf den Weg ihrer Lösung gelangen können" . Die Erkenntnisfortschritte, die man dem Entwicklungsgedanken wie dem Selektionsprinzip in der Biologie verdankte, regten nicht nur die Materia- listen dazu an, den heuristischen Wert dieser Prinzipien auch anderweitig zu erproben. Für kürzere oder längere Zeit kam es zu qualitativ sehr un- terschiedlichen Versuchen, das, was Darwin für den biologischen Bereich konzipiert hatte, als Maxime auch für andere Zweige der•Naturwissenschaft wie für viele Gebiete der Geisteswissenschaften zur Geltung zu bringen. Der Darwinismus prägte, wie Bolle es formuliert hat, "nicht nur das Ge- sicht der biologischen, anthropologischen, bald auch der psychologischen, ethnologischen und anderer Wissenschaften, sondern mehr oder minder stark popularisiert und vulgarisiert, mehr oder minder stark interpretiert, mehr oder minder stark umgedacht und umgedeutet, ja vergewaltigt, das Gesicht der Zeit"2.

In einigen der hier untersuchten Zeitschriften ist diese Entwicklung nicht unbeachtet geblieben. So haben insbesondere die Seil verschiedentlich und - wie vorweg gesagt werden darf - durchwegs ablehnend ihre Leser mit evolutionistischen und darwinistischen Tendenzen in Astronomie, Physik 3 4 5 6 und Chemie , in Philosophie , Religion , Literatur , Sprach- und Kultur-

1) Haeckel, Natürl. Schöpfungsgesch. aa0 XVIII. 2) Bolle aa0 280 . 3) Größere Beachtung fand das Unternehmen des Schriftstellers Carl du Prel, das Ausleseprinzip schon für die Entstehung der Sternensysteme nachzuweisen. (Der Kampf ums Dasein am Himmel, 1874). Es rief eine eigene kathol. Gegenschrift auf den Plan: J.Epping, Der Kreislauf im Kosmos, StM1 Erg. Heft 18, 1882. Noch 1896 wird du Prels These auch ausführlich in NuO 42, 129 ff von Gutberlet kritisiert; u.a. 4) In der Philosophie drehte es sich um die Widerlegung des sogenannten "erkenntnistheoretischen Darwinismus", wie man ihn besonders in der rgenetisch-spekulativen Religionsphilosophie" des protestant.Theologen - 207 -

geschichte sowie Pädagogik 7 bekannt gemacht. Doch hat es sich, gemessen an der Vielzahl und Vielfältigkeit derartiger Versuche, für die Zeit- 5 schrift mit Ausnahme des Moddrnismus nur um Randthemen behandelt, denen

0.Pfleiderer vertreten sah, der, eine absolute Wahrheit bestreitend, die These von der Allgemeingültigkeit der sich entwickelnden, relati- ven Wahrheit aufstellte. Dazu Langhorst in Seil 32 (1887) 292 ff; Frick in StMl 43 (1892) 358 ff; Pfeifer in NuO 45 (1899) 223 ff. 5) Die Diskussion entzündete sich zunächst an Darwins, Abstammung des Menschen, wo die Religion als Entwicklungsprodukt aus niederen Anla- gen, die schon beim Tiere zu beobachten seien, zu erklären versucht wurde. Charakteristische Stellungnahmen bei Stöckl in Kath 54 (1874) b, 292 ff; Scheidemacher in NuO 21 (1875) 509 ff; u.a. - In späteren Jahren -wandte sich das Interesse der namentlich auf protestant.Sei- te betriebenen vergleichenden Religionswissenschaft zu, die die na- türliche Entwicklung der Religionen auseinander nachweisen wollte. In einem quantitativ ungleich größeren Ausmaß gewann das Thema um die Jahrhundertwende im apologetischen Kampf gegen den Modernismes erneu- te Aktualität, als dessen "Quintessenz der Entwicklungsgedanke in sei- ner verkehrten Anwendung auf die Religion" bezeichnet wurde. Becker in Kath 88 (1908) b, 401; vgl. Beßmer in StMl 74 (1908) 286 ff; Droege in HPB 149 (1912) 23 ff; u.v.a. Eine Erörterung dieses Fragekomplexes würde den Rahmen der Arbeit überschreiten. 6) 1885 beschäftigt sich Kreiten in StMl 29, 181 ff sehr ausführlich mit W.Jordan, der als "der Dichter des Darwinismus" apostrophiert wird u. seinem Roman, Die Sebalds, ("Man fragt sich wirklich, ob nicht ein Narr diesen Blödsinn geträumt...!", S.184). Zwei Jahrzehnte später bezieht sich in der gleichen Zeitschrift 70 (1906) 315 ff Baumgartner auf 1899 erschienene Vorträge des ital. Literaten Foggazaro, dem er eine "unendliche Oberschätzung der Entwicklungslehre in ihrer Bedeutung für Religion, Kunst und Literatur" (S.325) vorwirft. Der Vorwurf ist auf dem Hintergrund der Literaturfehde mit Hochl zu sehen, in dessen Spalten zur gleichen Zeit Foggazaros "modernistischer" Roman, Il Santo, Aufnahme fand. - Weiter sei hingewiesen auf W.Schneider in NuO 44 (1898) 219-222, der scharf ablehnend auf die darwinistisch beeinflußte sog. "Obermensch-Dichtung" mit ihren Vertretern eingeht; s.schließlich noch Ettlinger in Hochl 3 (1906) b, 113 gegen den österreichischen Novellisten W.Fischer. 7) Zu Sprach u.Kulturgesch. vgl. S. 199 . Der Philosoph Hans Vaihinger wollte das biogenetische Grundgesetz als psychogenetisches Gesetz auf die Pädagogik angewandt wissen, demzufolge die geistige Entwicklung des einzelnen menschlichen Individuums die kulturhistorischen Stufen der Menschheit rekapitulieren müsse. Dazu polemisch Boetzkes in StMI 36 (1889) 410 ff - Zur Behandlung der Entwicklungstheorie im biologi- schen Unterricht s.schon oben S.167ff - 208 --

man im Grunde den Anspruch auf ernste Wissenschaftlichkeit bestreiten zu können glaubte, ohne sich sonderlich engagieren zu müssen.

Dagegen haben die Bestrebungen, die sogenannten "sittlichen Tatsachen" entwicklungsgeschichtlich zu erklären, nicht nur in den Stimmen, son- dern auch in anderen Blättern größere Aufmerksamkeit erregt, denn hier gerieten die Evolutionisten in einen direkten Kontrast zur Glaubenslehre.

2) Zur Kritik an Darwin, Spencer u.a. vornehmlich in ethischer Hinsicht

Die katholische Sittenlehre erklärt und begründet die sittlichen Normen aus der übernatürlichen Offenbarung. Der wesenhaft vom Tier getrennte Mensch, bei dem zumindest für die Seele die unmittelbare Erschaffung durch Gott angenommen werden muß, ist in seinem Sein, Tun und Lassen letztlich ausgerichtet auf die lex oeterna, die auch das Gesetz der na- 8 türlichen humanitas in sich einbegreift . Sieht man dagegen den Menschen in seiner Totalität, d.h. nach seiner körperlichen wie geistigen Seite als höchstes Produkt eines rein natürlichen Entwicklungsprozesses an, so . mussen an die Stelle einer transzendenten Motivation und Grundlegung des Sittlichen weltimmanente Erklärungsversuche treten. Dann kann es folge- richtig erscheinen, auch das sittliche Handeln des Menschen aus den all- gemeinen Gesetzen des Entwicklungsprozesses herzuleiten. Es war der eng- lische Philosoph Herbert Spencer, der die biologische Evolutionslehre zur Grundlage seiner Philosophie machte und in seiner Ethik Auslese und Anpas- sung als die Prinzipien proklamierte, die durch Vererbung und Vertiefung aus den schon beim Tier ansatzweise vorhandenen sittlichen Instinkten die Moralität des Menschen hervorbringen und leiten sollten. Von seiner utili- taristischen und hedonistischen, vom Glauben an die Aufwärtsentwicklung bestimmten Laienmoral hatte sich auch Darwin beeinflussen lassen, als er im 5. Kapitel seines Werks über die menschliche Abstammung die intellek- tuellen, moralischen und sozialen Fähigkeiten des Menschen aus tierischen Ursprüngen heraus zu erklären versuchte und die Wirksamkeit des Auslese-

8) Dazu ausführlich Th.Steinbüchel, Die philosophische Grundlegung d. kathol. Sittenlehre, Düsseldorf 1951 (4.Aufl.) 61 ff. - 209 -

prinzips in der menschlichen Gesellschaft am Beispiel der Naturvölker verwirklicht fand, bei den Kulturvölkern dagegen durch Zivilisation bzw. Mitleid mit den körperlich Schwachen verhindert sah. Damit war bei Darwin keimhaft bereits angesprochen, was für spätere Sozialdarwinisten die Vor- aussetzung ihrer Theorien werden sollte: Die Vorstellung vom Wirken der Selektion als regulatorischem Prinzip der gesellschaftlichen Entwicklung.

Es ist diese Vorstellung gewesen, die schon den katholischen Autoren der 70er Jahre als besonders geeignet erschien, um an ihr die Inhumanität und Immoralität der darwinistischen Ethik nachzuweisen. Bereits 1871 erscheint in den Stimmen ein kleiner Beitrag Cornelys, in dem davor gewarnt wird, sicn einem darwinistisch gesinnten Arzt anzuvertrauen, da man nie wissen könne, ob dieser nicht, um Schaden von der menschlichen Gesellschaft fern- zuhalten, seine Patienten und namentlich schwache Kinder ins Jenseits be- 9 fördere, damit sie ihre Art nicht fortpflanzen . Ist dem Ton dieser Mis- zelle auch anzumerken, daß dem Verfasser derartige Konsequenzen noch un- denkbar vorkommen, so glaubt doch wenig später T.Pesch auf eine Realisie- rung der darwinistischen Ethik aufmerksam machen zu können: Die Ausrottung nordamerikanischer Indianer gehört für ihn zu dem, was die moderne Kultur 10 in ihrer heuchlerischen Humanität "Kampf ums Dasein" nenne . Das Thema Vernichtung lebensunwerten Lebens klingt hier also bereits in aller Deutlichkeit als eine der Konsequenzen an, auf die eine darwinistische Moralauffassung unvermeidlich hinsteuere. Es wird eingehender aufgegriffen, als fast gleichzeitig um die Mitte der 70er Jahre Stöckl im Kath und Kemp in den Still Darwins Werk über die Abstammung des Menschen einer ausgedehn- 11 ten Kritik unterziehen . Die Einwendungen von Kemp, dem hier näher ge-

9) Cornely in StMI 1 (1871) 545 f. 10) Pesch in StM1 5 (1873) 301 ff; vgl. damit Westermeyer in NuO 20 (1874) 173, der für die Ausrottung anderer Rassen und die Sklaverei den Poly- genismus verantwortlich macht. 11) Kemp in Seil 9 (1875) 174 ff; Stöckl in Kath 54 (1874) b, 37 ff, vgl. mit Stöckl in Kath 70 (1890) a, 97 ff; s.ansatzweise auch ? in HPB 72 (1873) 626 ff, der durch Darwins Lehre den skrupellosen Erfolgsmen- schen herangezüchtet sieht: "Humanität und Moralität lassen sich nicht mit den Prinzipien des Darwinismus vereinbaren" (5.627). - 210 -

folgt werden soll, an der Darwinschen Ethik und der damit verbundenen Gesellschaftsauffassung lassen sich in drei Thesen zusammenfassen: Er- stens öffnet Darwins Ethik der staatlichen Willkür Tür und Tor, während individuelle Rechte und Ansprüche demgegenüber ihre Bedeutung einbüßen. Sind nämlich als Beurteilungsnormen für menschliches Tun lediglich der von biologischen Gesichtspunkten her zu bewertende soziale Nutzen, der mit dem allgemeinen Besten gleichgesetzt werde, sowie der Consensus om- nium zulässig, so wird der Staatsführung eine unkontrollierbare Machtbe- fugnis zugestanden, die es im einzelnen ganz ihrem Belieben überläßt, welche Maßnahmen für das allgemeine und alle Staatsangehörigen verpflich- tende Beste zu treffen sind. Ist zweitens der soziale Nutzen dann gegeben, wenn denkbar viele und gesunde Individuen im Staat herangezogen werden, damit diese einen möglichst hohen Beitrag zum allgemeinen Besten leisten, dann wird der Staat "auf dieselbe Stufe gestellt mit einem Viehzüchter...... da darf kein gesundes Individuum ohne Nachkommen bleiben wollen; da darf von einer Ehe nach den heutigen Begriffen keine Rede sein: die eheliche Verbindung muß nach dem jeweiligen Gut- dünken der Behörde eingegangen, wieder aufgelöst und von Neuem geschlossen werden; kurz, jeder Staat ist eine Herde von Thieren, sonst Menschen genannt, für deren Vermehrung der Eigentümer, d.h. die souveräne Behörde, ganz ebenso sorgt, wie der glückliche Be- sitzer einer Schafherde für Vervielfältigung derselben" (S. 529)

Aus dem Züchtungsprozeß ergibt sich drittens die Notwendigkeit einer Aus- lese unter den einzelnen Individuen, da das allgemeine Beste die volle Kraft und Gesundheit aller erfordert. Sie beinhaltet nach Kemp unvermeid- lich die Tötung lebensunfähiger Kinder, abgenutzter Individuen, unheilbar Kranker und Greise sowie die Nichtduldung von Invaliden- und Irrenhäusern, und es kann nur als "Niederträchtigkeit und Heuchelei Darwins" gewertet werden, wenn er die zweifellos schlechte Wirkung des überlebenbleibens und Vermehrens der Schwachen klaglos ertragen wolle (S.529 ff). Sieht man 12 von der ungerechtfertigten Kritik an Darwins Persönlichkeit ab , so

12) Andere Autoren betonen in späteren Jahren nachdrücklich, Darwin habe die vollen Konsequenzen seines Systems nicht übersehen: Ettlinger in Hochl 6 (1909) a, 726; Bellesheim in HPB 109 (1892) 61; Schneider in NuO 44 (1898) 139; u.a. - 211 -

überrascht doch die Klarheit und Folgerichtigkeit, mit der hier die ge- sellschaftlichen Konsequenzen einer biologischen Auffassung menschlichen Seins und Tuns vorausgesehen und radikal verworfen werden. Zu dieser Zeit kann man von einem Sozialdarwinismus im eigentlichen Sinne noch nicht spre- 13 chen , aber das, was die katholische Seite auch in den folgenden Jahrzehn- ten dazu zu sagen haben wird, erhält bei Kemp wie bei Stöckl seine erste Präzisierung.

Zunächst freilich geht es den Autoren sehr viel mehr um die kritische Beur- teilung und Widerlegung der gedanklichen Voraussetzungen einer Ethik, die zu solchen Konsequenzen führen kann. Daneben wird die praktische Anwendung der Grundsätze dieserEthik auf den gesellschaftlichen Bereich mehr oder weniger als absurd und niemals realisierbar empfunden und bleibt daher we- nig beachtetes Randphänomen. Kemp wie Stöckl verwenden den größeren Raum ihrer Ausführungen zur Widerlegung der Darwinschen Ansichten über die Entstehung des Gewissens, des Gottesglaubens und der Normen der Sittlich- keit. Auch als mit den 80er Jahren die einzelnen Teile des Spencerschen Werkes nach und nach ins Blickfeld geraten, liegt der Nachdruck auf der Ethik, während eine eigentliche Beurteilung seiner "bio-organismischen" Sozialtheorie praktisch nirgends erfolgt. Am ausführlichsten hat sich Cathrein in den Sel mit Spencer beschäftigt, nur ansatzweise sind auch die Leser von HPB, Hochl und NuO mit den Prinzipien seiner Ethik vertraut 14 gemacht worden . Die kleinen Überblicke, die in den letztgenannten Zeit- schriften gegeben werden, sind im Allgemeinen bei aller Ablehnung doch sachlich gehalten, verschiedentlich finden sich auch anerkennende Worte. So rühmt HPB die "gründliche, philosophische Bildung, die interessante Gruppierung fleißig gesammelten Materials und die bestechende Darstellung" Spencers, und Ettlinger hebt 20 Jahre später im Hochl "eine Fülle von ein- zelnen Anregungen und klugen Gedanken" hervor, die Spencer auch denen gebe, 15 die seine allgemeinen Gesichtspunkte ablehnten . Ist somit Spencers Werk

13) Zur Definition s.Zmarzlik ad° 250. 14) In Form von Hinweisen im Rahmen anderer Themen u. in knappen Zusam- menfassungen der Thesen Spencers anläßlich der Rezension einschlägi- ger Werke. 15) ? in HPB 91 (1883) 303; Ettlinger in Hochl 1 (1904) a, 739. - 212 -

auch einerseits "zweifellos der großartigste Versuch ... den modernen biologischen Entwicklungsgedanken zum Grundsatz einer allumfassenden Philosophie zu machen", so gilt doch andererseits ebenso, daß dieser Ver- such mißlungen ist und nur als "fantastische öbertragung willkürlich aus- gedeuteter naturwissenschaftlicher Begriffe auf ein schablonenmäßig ein- . 16 gezwangtes Weltbild" gesehen werden kann . In dieser letzten Beziehung trifft sich Ettlingers Urteil nun durchaus mit dem von Cathrein, der sich allerdings in sehr viel polemischerer Weise mit Spencer, dem "Aristoteles von Derby", wie er ihn spöttisch apostrophiert, auseinandergesetzt hat. 17 In Cathreins Beiträgen, wie in denen seiner Ordensgenossen , überwiegen Entrüstung und Abscheu vor einer Ethik, deren eigentliche Quelle allein im bewußten Atheismus liege und die den Menschen zu einem "Orang-Utang 18 in Frack und Zylinder" degradiere. Spencers Vorstellungen von Wert und Zweck des Lebens, von Pflicht und Gewissen, von Altruismus und Egoismus und so weiter, auf die hier nicht im Einzelnen einzugehen ist, werden zi- tatenreich angeführt und vom Boden der christlichen Sittenlehre her pole- misch abgefertigt. Besonders stark wird der hedonistische Zug der Spencer- schen Ethik betont, deren Ideal "ein kerngesunder, raffinierter Lebemensch" sei, dem "pudelwohl ist". Damit aber versage die neue Sittenlehre gerade in den entscheidendsten Augenblicken des Lebens, in denen es nicht um Befrie- digung der Lust, sondern um sittliche Selbstbeherrschung gehe. Insgesamt erweist sich Spencers "Laienmoral" philosophisch gesehen als "eine Ver- quickung von Bentham und Epicur", politisch als "industrielle Sittenlehre der liberalen Bourgeoisie", deren fortschrittsfreudiger Optimismus das 19 Elend des IV. Standes nicht zur Kenntnis nehmen wolle .

16) Ettlinger in Hochl 1 (1904) a, 499. 17) Zunächst eingehende monographische Behandlung unter dem Titel: "Die Sittenlehre des Darwinismus" StMl Erg.Heft 29 (1885). Daran schließt sich eine Serie weiterer Aufsätze an. In StMl 28 (1885) 225 ff; 46 (1894) 469 ff; 76 (1909) 479 ff; 77 (1909) 42 ff u. Erg. Heft 75 (1900) unter dem Titel: "Religion u.Moral oder: Gibt es eine Moral ohne Gott"; s. ferner Gruber in Erg. Heft 52 (1891) 112 ff; Granderath in Sei 48 (1895) 502 ff; u.a. 18) Cathrein in Stell 76 (1909) 485. 19) Cathrein in StMl Erg.Heft 29 (1885) 106 u. in StMl 28 (1885) 243. -213-

Daß die Moral, früher eine spezifische Domäne der Religion, jetzt von der weltlich-atheistischen Wissenschaft für sich reklamiert werde, ist ein nur als bedauernswert zu charakterisierender Vorgang einer ungerecht- fertigten Säkularisierung, dem die katholischen Autoren nicht nur bei Spencer zu begegnen glauben. So hat sich Cathrein in den Stimmen aus- führlich mit dem ethischen Subjektivismus des evolutionistischen Anthro- pologen E.A.Westermarck beschäftigt, der, stark von Spencer beeinflußt, den natürlichen Ursprung und die Entwicklung der Moral von der Instinkt- psychologie her zu erklären suchte 20 . In NuO wiederum hat Gutberlet dem Werk des Freiburger Philosophen und Neukantianer Hugo Münsterberg über den Ursprung der Sittlichkeit zwar "geistvolle Originalität" testiert, es im übrigen aber als darwinistische Tendenzschrift eingeordnet und sehr 21 eingehend kritisiert . Ablehnung, weil nach Gutberiet darwinistisch inspi- riert, fand auch Münsterbergs These, die Willenshandlungen des Menschen als mechanische Vorgänge zu betrachten, bei deren Zustandekommen auch die Selektion eine Rolle spiele

Überhaupt bildet die Willensfreiheit, wie in diesem Zusammenhang schließ- lich noch gesagt werden muß, ein Thema, dem in der ganzen Diskussion um die darwinistische Ethik besondere Bedeutung beigemessen worden ist. Schon Kemp hatte Darwin vorgeworfen, er umgehe "die Kernfrage nach der Freiheit des Willens", wenn er die Handlungen des moralischen Wesens nur - 23 von utilitaristischen Erwägungen abhängig mache . Dieser Vorwurf richtete sich natürlich im eigentlichen Sinn gegen Spencer und findet sich dann auch in der Polemik gegen ihn und andere darwinistisch beeinflußte Ethiker stets wieder. Darüber hinaus sah man auch in der Moralstatistik und Kriminali-

20) E.A.Westermarck, Ursprung u.Entwicklung d.menschl.Moralbegriffe, 1907- 09; dazu Cathrein in Seil 75 (1908) 290 ff u.78 (1910) 388 ff. Auf Westermarcks Hauptwerk, Geschichte d.menschl. Ehe, 1891, ist nicht nä- her eingegangen worden, doch ist seine These von der Monogamie als der ursprünglich vorherrschenden Form der Ehe verschiedentlich als Bestäti- gung der christlichen Auffassung in Anspruch genommen worden. 21) H.Münsterberg, Der Ursprung d.Sittlichkeit, 1889; dazu Gutberlet in NuO 36 (1890) 293 ff u.NuO 35 (1889) 787 f, vgl. in HPB 100 (1887) 85 ff gegen ähnliche Auffassungen bei H.Spitzer. 22) H.Münsterberg, Die Willenshandlung, 1888; dazu Gutberlet in NuO 38 (1892) 141 ff. -214-

stik die ethische Würde der menschlichen Persönlichkeit durch eine von darwinistisch-materialistischen Gesichtspunkten getragene Leugnung der Willensfreiheit bedroht. So hat Lehmkuhl 1882 der Theorie des italieni- schen Moralstatistikers E.Morselli eine längere Abhandlung gewidmet, nicht nur weil dieser in der Selbstmordstatistik konstante Gesetzmäßigkeiten aus- gedrücktfand und damit, wie Lehmkuhl feststellte, die moralische Welt de- terminieren wollte, sondern auch weil Morselli im Selbstmord die zivilisa- torische Form des Daseinskampfes sah, der vor allem die Intelligenz aus- gesetzt sei, weil sie mit dem Gehirn den Kampf führe, es frühzeitig ver- . 24 brauche und dadurch zum Selbstmord gezwungen sel . Waren Morsellis Lehren mit,der christlichen Sittenlehre unvereinbar, weil es ohne Willensfreiheit keine Sittlichkeit gebe, so galt dasselbe auch für die kriminal-anthropolo- gische Schule des italienischen Anthropologen und Juristen C.Lombroso. Wenn er das Verbrechen als das notwendige Ergebnis der physiologisch-psycho- logischen Eigenart des Täters hinstellte und den Verbrecher selbst als ata- vistischen Rückschlag in frühere Entwicklungsstufen der Menschheit deutete, so beseitigte er nach dem Urteil katholischer Autoren gleichermaßen Ver- 25 antwortlichkeit und Schuldbegriff . Lombrosos Theorie hat Cathrein mehr- fach als Beispiel gedient, um an ihr die Unvereinbarkeit der Abstammungs- lehre mit der christlichen Sittenordnung zu demonstrieren: Ist der Mensch nur ein höher entwickeltes Tier und sind seine moralischen Handlungen durch seine biologische Konstitution determiniert, so ist das menschliche Leben im wesentlichen nicht mehr wert als das Leben des Tieres. Das war eine der 26 "absurden Folgerungen" , die die naturalistische Ethik für die katholi- schen Autoren unvermeidbar im Gefolge haben mußte. Absurde Folgerungen er- gaben sich für sie aber auch dort, wo sie sich der Anwendung darwinisti- scher Prinzipien auf die Gesellschaftstheorie gegenübersahen.

23) Kemp in StMl 9 (1875) 525. 24) E.Morselli, Il suicido, 1879; dazu Lehmkuhl in StMl 22 (1882) 345 ff. 25) Cathrein in Seil 45 (1893) 391 f; 64 (1903) 174; 66 (1904) 21 ff; 77 (1909) 50; s. auch Gutberlet in NuO 36 (1890) 513 ff; Scheuffgen in JNW 13 (1898) 334 f u. 15 (1900) 361 ff.

26 ) Cathrein in Stil 48 (1895) 176. - 215 -

3) Die Beurteilung der darwinistischen Gesellschaftslehre und der Rassenfrage

Der Sozialdarwinismus hat - wie vorausgeschickt werden darf - in den 27 katholischen Zeitschriften nicht die Resonanz gefunden , die eigentlich zu erwarten wäre, überblickt man die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der einschlägigen Theorien. Auch die Brisanz, die dieses Thema für die christlich-soziale Ethik und Gesellschaftsauffassung barg, hat katholi- sche Autoren nicht zu stärkerer Aktivität veranlaßt. Das zeigt sich schon daran, daß, wie schon erwähnt, Spencers bioorganismische Sozial- theorie, die nach Zmarzlik immerhin als der "weitaus bedeutendste" Versuch zu gelten hat, "die Gesellschaftslehre in eine monistische Synthese auf 28 - darwinistischer Grundlage einzubeziehen" , für die katholischen Autoren weithin uninteressant geblieben ist. Sie haben ihr Augenmerk allein auf die Spencerschen Anschauungen über die Entwicklung des moralischen Lebens gerichtet.

Allerdings sind ähnliche Versuche, wie sie Lilienfeld, Bärenbach und ins- besondere Schäffle unternommen haben, verschiedentlich aufgegriffen und kritisiert worden. Die Konzeptionen der beiden Erstgenannten werden 1883 in den HPB knapp referiert, ihre Abhängigkeit von Spencer, mit dem sie sich weder nach Form noch nach Inhalt messen könnten, festgestellt und im übrigen ihr Fußen auf dem Darwinismus mißbilligend hervorgehoben 29 . Eine wahre Sozialwissenschaft läßt sich für den Rezensenten "nur auf den Grund- wahrheiten des Christentums aufbauen". Auf dem Boden der Theorie von Zucht- wahl und Auslese aber gebe es nur den Kommunismus (sic) als ernsthafte Soziologie (5.308). Für dieses zunächst befremdliche Urteil wird jedoch nicht auf die wenige Jahre zuvor zwischen Virchow und Haeckel entbrannte Kontroverse verwiesen über die Bedeutung, die der Darwinismus für den So-

27) In den meisten Zeitschriften nur vereinzelt knappe Hinweise, bei StMl, HPB und NUO daneben einige größere Beiträge, auf die im folgen- den näher eingegangen wird. 28) Zmarzlik aa0 S.249. 29) P.v.Lilienfeld, Gedanken über d.Socialwissenschaft d.Zukunft, 1873-81; F.v.Bärenbach, Die Socialwissenschaften, 1882; dazu ? in HP8 91 (1883) 301 ff. - 216 -

30 zialismus habe . Zur Begründung wird vielmehr der von Bärenbach neben

dem Darwinismus nachdrücklich propagierte Staatssozialismus herangezogen,

der in den HPB zu dieser Zeit heftig bekämpftund als Vorstufe des Kommunis- mus bezeichnet wird.

Anders als Lilienfeld und Bärenbach hat Schäffle größere Beachtung gefun- den. Sein Hauptwerk Bau und Leben des sozialen Körpers ist 1880 in den HPB durch einen Anonymus und um vieles knapper dann noch einmal 1902 durch 31 Grupp rezensiert worden . Bei einem Vergleich der beiden Rezensionen läßt sich eine Bewertungsdifferenz nicht übersehen: 1880 gilt sein Werk im Gan- zen als "eine Leistung ersten Ranges" (S.843). Schäffle, der sich dem Re- zensenten insbesondere durch seinen Bruch mit dem ökonomischen Liberalis- mus empfiehlt, erhält hier eine Besprechung, der es neben mancher Einzel- kritik im wesentlichen doch darum geht, die Verdienste dieses "so bedeuten- den Gelehrten" (S.842) ans Licht zu stellen. Daneben wird seine "geniale Analogisierung des sozialen Körpers mit dem animalen Organismus" (S.834) fast im Nebenbei behandelt und offensichtlich noch nicht ganz durchschaut. Sie berge allerdings, bei aller Bequemlichkeit der bildmäßigen Demonstra- tion, die hier zu Gunsten Schäffles spreche, die Gefahr, daß die Geschichte fast als Fortsetzung des Naturprozesses erscheine und damit der freien Tat kein Raum mehr gewährleistet werde (S.752). Ist damit der Kritik Ge- nüge getan, so bleibt schließlich auch Schäffles These unbeanstandet, der zufolge im Daseinskampf der sozialen Auslese gewisse Rassen siegreich her- vorgehen müßten. Ganz anders Grupp im Jahre 1902: Er beurteilt Schäffles Werk ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der von Schäffle vorgenommenen Analogisierung zwischen Gesellschaft und biologischem Organismus und ver- wirft sie, weil er die Selbständigkeit des individuellen Lebens auf Kosten der molochartig anwachsenden Staatsgewalt zerstört sieht. Der einst so hoch geschätzte Schäffle hat hier seinen Kredit verloren, denn mit den 90er Jah- ren geht den katholischen Autoren erst eigentlich die Gefährlichkeit der sozialdarwinistischen Theorien auf. Was in den 80er Jahren gewissermaßen noch als milde belächelter eigenwilliger Einfall galt, wird jetzt - für

30) Vgl. dazu unten S. 233 dieser Arbeit. 31)-A.E.Schäffle, Bau und Lehre des sozialen Körpers 1875-78; dazu ? in HPB 85 (1880) 745 ff; Grupp in HPB 130 (1902) 256 f. - 217 -

wenige Jahre allerdings nur - zum energisch bekämpften, gesellschafts- und religionsfeindlichen System. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre häufen sich speziell in den Seil die scharfen Auseinandersetzungen mit sozialdarwinistischen Theorien.

Auch hier macht ein Werk Schäffles den Anfang. Seine Deutschen Kern- und Zeitfragen werden von Lehmkuhl bereits einleitend als "Erniedrigung 32 der Sozialwissenschaft" charakterisiert . Schäffles Annahme einer Ent- wicklung des geistig-sozialen Lebens aus tierischen Vorformen wird mit dem auch bei anderen Autoren immer wiederkehrenden Standardargument abge- fertigt, hier handele es sich um eine nicht beweisbare Voraussetzung, die zudem vernunftwidrig sei, weil sie das Geistige aus der Materie zu erklären versuche. Eben deshalb kann aber auch eine Übertragung der Gesetze der bio- logischen Evolution auf die soziale und kulturelle Entwicklung nicht hinge- nommen werden. Als durch die Wirklichkeit widerlegt hat Schäffles evolu- tionistischer Fortschrittsoptimismus zu gelten, denn der übergroße Teil der Menschheit habe bittere Not und Leiden aller Art zu erdulden, auch dies ein Argument, mit dem andere Autoren ebenfalls arbeiten, Wie sehr allerdings die Soziologie für die Autoren dieser Zeit noch auf christlich- theologischer Grundlage aufzubauen hat, erhellt, wenn Lehmkuhl ein eigenes Fortschrittsprinzip aufstellt, das in der These gipfelt, Entwicklung lasse sich nur da feststellen, wo der Bezug einzelner Völker auf Christus unter- sucht werde: "Völker und Reiche, welche nach dem Erscheinen Christi ... sich Christo anschlossen, sind aufgeblüht und mächtig geworden; die von ihm abfielen oder ihm nicht dienen wollten, sind in Bälde vom Erdboden verschwunden" (S.121). Klugerweise vermeidet es Lehmkuhl, seine These mit Beispielen zu belegen; schon um den Aufschwung der eigenen Zeit zu recht- fertigen, muß er einen scheinbaren Sieg des Atheismus konstatieren, über dessen endlichen Sturz jedoch kein Zweifel bestehen könne. Schließlich kommt Lehmkuhl auch auf die Schäfflesche Sitten- und Rechtsauffassung zu sprechen, der er vorwirft, sie sehe allein in der Macht der Stärksten die Erzeugerin der sich angeblich entwickelnden Sitten- und Rechtsnormen und

32) A.E.Schäffle, Deutsche Kern- und Zeitfragen, 1894 f; dazu Lehmkuhl in Still 48 (1895) 113 ff. - 218 -

beschwöre damit "ungeheuerliche Konsequenzen" (S.125). Schafft nämlich ausgeübte Macht neue Sitten- und Rechtsnormen, dann können auch die Aus- schreitungen der ärgsten Tyrannen zur bleibenden Norm werden, womit Lehm- kuhl den gleichen Vorwurf wiederholt, der sich schon in der Kempschen Philippika gegen Darwin findet. Lehmkuhl hat auch bereits ein konkretes Beispiel zur Hand: Nach der Schäffleschen Auffassung müßten die wider- rechtlichen und sittenlosen Forderungen der Sozialdemokraten im Falle ih- rer Machtergreifung zu bindendem Recht werden. Der Hinweis auf die Ge- fährlichkeit der Sozialdemokratie an dieser Stelle ist kein Einzelfall. Er gehört, vielfach variiert, zum apologetischen Arsenal fast aller Auto- ren, die sich mit darwinistischem Gedankengut zu befassen haben. Darauf wird noch einzugehen sein.

Waren Schäffles Gedankengänge aus den genannten Gründen nicht akzeptabel, so galt dasselbe auch für die Theorien des englischen Soziologen Benjamin Kidd und des französischen Volkswirts Gustave de Molinari, die ebenfalls in den Stimmen diesmal durch Heinrich Pesch eine mit zahlreichen Zita- 33 ten durchsetzte, detailfreudige Kritik erfahren haben . Beide benutzten zur Erklärung der gesellschaftlichen Entwicklungen Darwins Theorie vom Daseinskampf. Für Kidd bildete die Soziologie geradezu einen Zweig der allgemeinen Biologie. Das Eigenartige seiner Theorie bestand darin, daß er, um die nach ihm wachsende Wirksamkeit des Altruismus zu erweisen, neben und über dem Daseinskampf in der Religion den eigentlich entscheidenden Faktor der sozialen Entwicklung sah. Je mehr ihre Bedeutung zunehme, je stärkeren Einfluß sie habe, um so sozialer mußten nach seiner Ansicht auch die menschlichen Gruppen sein und um so besser ihre Aussichten zu überleben. Es ist bemerkenswert, daß Pesch diese Hauptthese Kidds zwar referiert, indessen nicht die Ansatzpunkte zu sehen scheint, die sich hier vielleicht für eine gegenseitige Verständigung anboten. Kidd ist für ihn ganz einfach "ein strenggläubiger Darwinist" (S.461), und deshalb

33) B. Kidd, Soziale Evolution, 1895 u.G. de Molinari, Notions fondsmenta- les dEconomie politique, 1891; dazu H.Pesch in StM1 51 (1896) 341 ff u. 1 ff. - 219 -

geht es in Peschs Stellungnahme nach bewährtem Schema in der Hauptsache darum, die Unhaltbarkeit der der Biologie entlehnten Kiddschen Voraus- setzungen darzutun. Daß eine soziale und kulturelle Evolution überhaupt existiert, wird auch von Pesch nicht bestritten, ihre Gesetze - spezifisch verschieden von den Gesetzen der allgemeinen Biologie - seien jedoch aus- schließlich in der menschlichen Natur begründet, wobei im Einzelnen auf thomistische Überlegungen zurückgegriffen wird (5.465 ff). Auch bei Moli- nari, einem Vertreter der liberalen Ökonomie, sind primär die biologischen Voraussetzungen angegriffen worden, die ihn zu einer "verzerrten Vorstel- lung vom Menschen und vom gesellschaftlichen Leben" (S.20) geführt hätten. Daß seine Theorie, die schon wegen des von Pesch heftig attackierten Frei- handelspostulates nicht auf Zustimmung rechnen konnte, nicht auf wahrer Humanität, sondern "auf der pursten Brutalität" gründete, glaubt Pesch besonders an dem von Molinari aufgestellten Gesetz der Konkurrenz nach- weisen zu können: Die Stärkeren erringen beim Erwerb der Unterhaltsmittel den Vorrang und überleben schließlich allein. Pesch hält ihm entgegen: "Eine Lehre, die es offen ausspricht, daß das Überleben des Passenden Endziel der Kulturentwicklung sei, ... bedeutet ... die Rückkehr zu den brutalsten Formen der Konkurrenz. Die Überlebenden merkantilen Raubnationen aber würden schließlich mit den Waffen in der Hand sich verteidigen müssen gegen die unglücklichen, verzweifelnden Völker, deren Wohlstand sie ver- nichtet haben. Das Ende vom Liede wäre internationaler Todschlag und völliges Versinken der Menschheit in Barbarei" (S.173).

Auch auf dem Gebiete des philosophischen Staatsrechts sah man darwinisti- sche Tendenzen zu Unrecht wirksam werden. Als Beispiel für "unzählige andere" (S.109) hat Cathrein den Lesern der StMl 1898 die Theorie des 34 Staatsrechtslehrers Ludwig Gumplowicz vorgelegt . Gumplowicz ging von der Annahme des polygenistischen Ursprungs des menschlichen Geschlechts aus, der die Entstehung vieler und heterogener sozialer Gruppen zur Folge hatte. Der sich nach ihm notwendig weil naturhaft ergebende Daseinskampf zwischen diesen Gruppen führte zur Entstehung der Staaten, in denen sich die siegreich gebliebenen Gruppen mit den zunächst unterjochten Verlierern

34) L. Gumplowicz, Allgemeines Staatsrecht, 1897 (2.Aufl.); dazu Cathrein in StMI 55 (1898) 109 ff. - 220 - zusammenfanden. Auf der Grundlage der Gewohnheit entwickelten sich schließlich, ausgehend von den Anschauungen der herrschenden Klasse,

Sitte- und Rechtsnormen, die zunächst den Beherrschten aufgezwungen und schließlich angenommen wurden. Cathreins Rezension bleibt im we- sentlichen nur ein breites und polemisches Referat der Gumplowiczschen

Anschauungen. An zwei Punkten übt er jedoch heftige Kritik: Der erste betrifft den von Gumplowicz vertretenen und nur aus atheistischen Motiven erklärbaren Polygenismus, der aus naturwissenschaftlicher wie religiöser

Sicht unannehmbar ist. Der zweite trifft sich mit den schon bei Lehmkuhl gegen Schäffle geäußerten Bedenken: Wird die Gewohnheit (bei Schäffle die

Macht) zur Quelle aller sittlichen und rechtlichen Normen gemacht, so ver- lieren diese ihren absolut bindenden Charakter. Dann aber kann der Sozial- demokratie nicht verdacht werden, wenn sie diese Normen radikal umzuge- stalten beabsichtigt. So darf Gumplowiczs Werk als Beweis dafür gelten, wie sehr der glaubenslose Liberalismus dem Sozialismus in die Hände ar- beitet und wie innig verwandt beide in ihren Grundanschauungen sind (5.110).

Neben Gumplowicz hatte sich Cathrein schon zu Anfang des gleichen Jahres 35 1898 mit dem Berner Soziologen Ludwig Stein beschäftigt . Stein ging es anders als den bisher hier erwähnten Sozialdarwinisten nicht so sehr um die Aufhellung der Vergangenheit zur Erklärung des Bestehenden, sondern vielmehr um die Sicherung der Zukunft des Menschengeschlechts, die er be- droht sah. Er hielt nämlich den sozialen Fortschritt nicht für automatisch gegeben und forderte daher eine Sozialisierung des Rechts, das von seinem individuell-egoistischen Zug befreit und den Interessen der Gesamtheit angepaßt werden sollte. Auf diese Weise sollte ein neues "höheres so- ziales Milieu" geschaffen werden, in dem ein neuer Menschentyp, der

"Sozialmensch", heranzubilden sei. Die bewußte und planmäßige Unterord- nung des Individuums unter die ewigen Gesetze der menschlichen Gattung, wobei an eugenische Maßnahmen gedacht wurde, proklamierte Stein in schar-

35) L. Stein, Die soziale Frage im Lichte der Philosophie, 1897, dazu Cathrein in Still 54 (1898) 237 ff. - 221 -

fer Frontstellung gegen die Jenseitsideale der alten Kirchen als die neue "soziale Diesseitsreligion". Ähnlich wie bei Gumplowicz hat sich Cathrein in der Hauptsache auf ein polemisches Referat der Steinschen Anschauungen beschränkt. Dem Großteil der Steinschen Verstaatlichungs- vorschläge steht er ganz offensichtlich mißtrauisch bzw. direkt ablehnend gegenüberf da er in ihnen nur eine Hilfestellung für die verwerflichen Ziele der Sozialisten sehen will. Steins "Diesseitsreligion", die ohne Gott und Unsterblichkeit auskommen wolle, wird als "verschwommener Humanii. tätsdusel" (S.251) charakterisiert und damit ein Terminus gebraucht, mit dem andere Sozialdarwinisten gerade umgekehrt die christliche Ethik be- dachten. Keine Stellung nimmt Cathrein ein zu den von Stein geforderten eugenischen Maßnahmen. Dabei war die "Höherbildung des Typus Mensch" durch eugenische Maßnahmen, wenn man Cathrein folgen darf, der Stein hier ausführlich zitiert, eins der ersten Gebote der neuen "Religion". Steins Gedankengänge trafen sich in dieserHinsicht mit denen der "jüngeren Sozial- 36 darwinisten" , die den innerhalb der Gesellschaft wirkenden natürlichen Ausleseprozeß durch die moderne Zivilisation und andere Ursachen in Frage gestellt sahen und eine Verschlechterung der biologischen Substanz mit negativen Folgen in kultureller und politischer Hinsicht befürchteten. Sie stellten "Rezepte für eine künftige Neuordnung des sozialen Gemein- wesens" (Zmarzlik S.251 f) auf, mit denen auf die Erhaltung des wertvol- len biologischen Erbgutes bzw. auf die "Ausmerze" des minderwertigen Ein- fluß genommen werden sollte.

Wilhelm Schneider, bekannter Verfasser mehrerer Werke zur Kulturgeschichte der primitiven Völker und seit 1900 Bischof von Paderborn, ist - erst- mals im Rahmen der hier untersuchten Zeitschriften - 1898 in einem größe- 37 ren Oberblick in NuO ausführlicher auf diese Bestrebungen eingegangen . Für ihn hat sich der Streit um den Darwinismus in der neueren Zeit immer

36) Zum Gebrauch dieses Terminus u. zum folgenden s.Zmarzlik aa0 S.251 f. 37) Schneider in NuO 44 (1898) 138 ff. Der Aufsatz berührt sich nur teil- weise mit der 1895 erschienen Broschüre des Verfassers: "Die Sittlich- keit im Lichte der Darwinschen Entwicklungslehre". — 222 —

mehr zu einem Kampf um die Sittlichkeit gestaltet (S.138). An die Stelle echter Menschlichkeit, als höchstem und nächstem Ziel des Sittlichen, setze man nun die Höhergestaltung der Menschengattung und verdränge die "Nächstenmoral" durch die "Gattungsmoral". Nun gibt es auch für Schnei- der keinen Zweifel daran, daß "die Hebung des Menschengeschlechtes... ohne Frage ein berechtigter und begehrenswerter Zweck (ist). Darwins Forderung, daß ihm soviel Aufmerksamkeit und Fürsorge gewidmet werde, wie der Gärtner auf seine Blumen und der Viehzüchter auf seine Herde zu verwenden pflegt, ist gewiß vernünftig und verdienstlich. Menschen mit an- geborenem Siechtum oder Blödsinn sind zum Ehestande nicht beru- fen ..." (S.143)

Als Problem ergibt sich für Schneider jedoch, ob bei der angestrebten Verbesserung der Gattung Mensch die körperliche, die geistige oder die sittliche Tüchtigkeit des Menschen den Vorzug verdiene. Die Steigerung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten liegt für ihn schon im wohl- verstandenen Selbstinteresse des Menschen. Wenn der Darwinismus jedoch die Steigerung dieser Fähigkeiten nicht nur einseitig in den Vordergrund stelle, sondern die gesellschaftlichen (sc. sittlichen) Tugenden sogar als rassenschädlich verwerfe, verdiene er den Vorwurf der Sittengefähr- lichkeit (S.145). Die sittlichen Tugenden dürfen dem Gattungsinteresse nicht aufgeopfert werden. "Wie ... niemand berechtigt, geschweige verpflichtet sein kann, auf sein selbstständiges Sein und Wesen, auf sein persönliches Wohl, insbesondere auf seine sittliche Vervollkommnung derart zu verzichten, daß er sich als bloßes Mittel oder Werkzeug für fremdes Wohlergehen gebrauchen oder verbrauchen läßt, so darf noch weniger für die Kräftigung der Menschengattung das Opfer von Menschenglück und Menschenleben gefordert werden" (5.146).

Von diesem Standpunkt aus lassen sich "die Darwinianer" für Schneider in drei Gruppen einteilen. Eine erste größere Gruppe will "die Mensch- lichkeit, diese eigentümliche Zierde der menschlichen Natur, in keiner Weiseverkürztwissen" (5.153). Zu ihr gehören, wie mit ausgedehnten Zitaten nachzuweisen versucht wird, Wallace, Ammon, Huxley, Balfour, Spitzer und auch Spencer nebst Darwin selbst. Eine mittlere Stellung nehmen Galton und der ausführlicher besprochene Haycraft ein. Der letztere befürworte zwar die künstliche Auslese, gehe aber bei seinen - 223 -

praktischen Vorschlägen mit anerkennenswerter Vorsicht zu Werke, wenn- gleich nach Schneider zu befürchten ist, "daß eine Gesellschaft , die den Entwicklungsgedanken zu Ende gedacht ... haben würde, viel unmensch- licher verfahren müßte, als er (Haycraft) zu ahnen oder auszusprechen wagt" (S.207). Demgegenüber hat eine dritte Gruppe der "Jungdarwinianer" die Unmöglichkeit, den unverfälschten Darwinismus mit der geltenden Sitte und Sittlichkeit in Einklang zu bringen, offen betont. Schneider rechnet zu ihnen neben anderen Ploetz, Tille, Hirschberg und vor allen Dingen Nietzsche, dessen sagenannte "Herrenmoral" seitenlange Auszüge erhältn. Allerdings meint Schneider, der Glaube an die allgemeine Menschenwürde sei noch zu lebendig und die Menschenliebe noch zu tief eingewurzelt, "als daß die harten, grausamen und unmenschlichen Maßnahmen", die von dieser Gruppe propagiert würden, schon "allgemeinen Anklang finden kann- ten" (S.146). Nichtsdestoweniger weist er warnend auf die sich mehrenden Kundgebungen dieser Art hin, deren Sittenrichtschnur "den besseren Teil der Menschennatur verneint und vernichtet" (S.222).

Schneiders Warnung hat indes nicht den Anlaß geboten, sich in der Folge- zeit intensiver mit sozialdarwinistischem Gedankengut zu befassen. Ganz im Gegenteil bricht mit dem Jahre 1898 eine weitere ausführlichere Beschäf- tigung damit fast völlig ab, obwohl diese Seite der darwinistischen Theo- rie gerade in den Stimmen, wie oben geschildert werden konnte, seit 1895 starker unter die Lupe genommen wurde. Allerdings zeigt ein Vergleich mit der einschlägigen Sekundärliteratur, daß hier schon die älteren Sozialdar-

38) Nietzsche wird auch von anderen Autoren als Sozialdarwinist angespro- chen, s.Gutberlet in NuO 42 (1896) 216 ff; u.a. Für Gotzes, der in NuGl 7 (1904) 337 ff eine mit innerem Abscheu geschriebene Zitaten- lese aus dem Zarathustra bietet, ist der Übermensch "die konsequen- te Durchführung des durch Darwin zuerst in wissenschaftliche Formen gefaßten Entwicklungssystem ... übertragen auf ethisch-soziales Gebiet". Vorsichtiger äußert sich schon Meyer in NuK 11 (1913 f) 1 ff: Nietz- sches Darwinismus sei nur eine Episode in seinem Leben gewesen, die freilich "zu einer haarsträubenden Theorie auf dem Gebiete der Ethik" geführt habe, "zu einer Theorie, die er gedacht und zwar nur gedacht, niemals aber in die Praxis umgesetzt hat" (S.4). Vgl. zur Beurtei- lung Nietzsches in dieser Hinsicht auch Zmarzlik aa0 261. 224 -

winisten nicht sämtlich Erwähnung gefunden haben. Bekannte Namen fehlen. Vollends ist der jüngere Sozialdarwinismus, die Rassenanthropologen und -hygieniker, in der Zeit bis 1914 kaum noch auf Resonanz gestoßen. Was zwischen 1898 und 1914 hier noch in das Blickfeld der Autoren gerät, läßt sich mit wenigen Sätzen beschreiben. In den HPB geht Grupp 1902 39 auf ein schon älteres Werk Otto Ammans ein , dessen mit dem Ausleseprin- zip argumentierenden Ausführungen zur Berufs- und Ständebildung reser- viert dargestellt und als widerspruchsvoll und einseitig beurteilt wer- den. Amman selbst wird als Vertreter einer "engherzigen Bourgeoisphilosow phie" (5.812) vorgestellt. Zwei Jahre später fordert Wesmann in NuO zur größten Vorsicht gegenüber Versuchen auf, die eine, wie er sagt, "Vertie- rung der menschlichen Gesellschaftsordnung" beabsichtigen, wobei er nament- lich auf das gerade von Ploetz gegründete Archiv für Rassen- und Gesell- 40 schaftsbiologie hinweist . In Hochl werden wenig später die Thesen, die Ludwig Woltmann in seiner Politischen Anthropologie" aufgestellt hatte, 41 von Gander farb- und kommentarlos wiedergegeben . Ganz generell meint Gander lediglich, es handle sich um eine Gesellschaftslehre von rein na- turalistischem Standpunkt, die fälschlicherweise die kulturelle Entwick- lung als bloß organische fasse, ohne sich jedoch auf eine nähere Kritik einzulassen.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß alle Zeitschriften wenigstens ein- mal in diesen Jahren vor dem Krieg das Problem der Euthanasie aus im Ein- zelnen unterschiedlichen Anlässen knapp aufgegriffen haben. Verstand Her- ders Konversationslexikon noch 1904 unter Euthanasie "ärztlicherseits die Pflicht, den bevorstehenden Tod eines Patienten so milde als möglich zu 42 gestalten, ohne das Bewußtsein direkt zu trüben" , so scheint sich hier binnen weniger Jahre unter dem Eindruck monistischer und sozialdarwinisti- scher Äußerungen eine Bedeutungswandlung vollzogen zu haben. Jedenfalls wird im Kath 1913 Euthanasie als "neueste Kulturerrungenschaft des Monis-

39) 0. Ammon, Die Gesellschaftsordnung u. ihre natürl. Grundlagen, 1895; dazu Grupp in HPB 130 (1902) 808 ff. 40) Wasmann in NuO (1904) 390 f. 41) L.Woltmann, Politische Anthropologie, 1903; dazu Gander in Hochl 2 (1905) a, 617 ff. 42) Herders Konversationslexikon 3. Aufl. III (1904) Sp. 326. - 225 -

mus" bezeichnet und mit der Bemerkung kommentiert, hier verberge ein schöner Name eine häßliche Sache. Auch auf mgliche Folgen wird aufmerk- sam gemacht, denn "nur noch ein kleiner Schritt" sei es, "von der Euthana- sie ... zur gewaltsamen Beseitigung von Individuen, die der Gesellschaft keinen Nutzen bringen, sondern lästig fallen" 43 . Auf die gleichen Folgen

als Ergebnis einer Übertragung des Zuchtwahlprinzips auf die menschliche Gesellschaft hatte auch Kemp fast 40 Jahre früher hingewiesen.

So ergibt sich mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit ein inhaltlich geschlossener Kreis katholischer Stellungnahmen zu den mit dem Sozial- darwinismus zusammenhängenden Fragen, wenn man auch vielleicht ein quan- titativ stärkeres Engagement erwartet hätte. Aber eine solche Erwartung geht von Erfahrungen aus, die erst eine jüngere Generation zu machen hatte, und diese in einer Weise, die die schwarzseherischen Prognosen der katho- lischen Autoren um die Jahrhundertwende noch um ein Unvorstellbares über- treffen sollte. Diese Autoren sahen zwar die christlich-humanitäre Ethik bedroht, sie schilderten auch plastisch die Konsequenzen, die sich bei einer Übertragung des Ausleseprinzips auf die menschliche Gesellschaft ergeben mußten, aber keiner von ihnen hat wohl mit ihrer jemaligen Reali- 44 sierung gerechnet . Und darin darf wohl auch die Erklärung für die so spärliche Beschäftigung mit den Theorien gerade auch der jüngeren Sozial- darwinisten gesucht werden. Das, was Tille, Ploetz u.a. zu sagen hatten, erschien zu obskur, vielleicht auch zu ephemer, als daß es sich gelohnt hätte, intensiver darauf einzugehen. Allenfalls mochten ihre Thesen und Postulate dazu dienen, an Hand der Verwerflichkeitwmöglicher Konsequen- zen auch auf die Brüchigkeit des Darwinismus, auf den sie sich beriefen, hinzuweisen.

43) ? in Kath 93 (1913) 4. F.Bd. 12, 74 f.; vgl. ähnlich ablehnend Sticker in Hochl 1 (1904) b, 616 ff; Kathariner in NuO 54 (1908) 701; Cathrein in Seil 77 (1909) 51 ff, wo Haeckels Haltung in den Lebenswundern eine "Empfehlung des Massenmordes" genannt wird; Völler in NuK 8 (1910 f) 62 f; Thöne in Schö 1 (1913) 220 ff.

44) s. dazu die oben S. 223 zitierte Stellungnahme von Schneider zum Glauben an die Menschenwürde. - 226 -

Infolge dieser Sachlage findet sich auch nur wenig Material, das über die Haltung katholischer Autoren zu der von Anfang an in der Diskussion 45 um den Darwinismus mitschwingenden Rassenbewertung Auskunft geben könnte . Hier handelte es sich zunächst um die bereits oben (5.2000 geschilderte Frage, ob alle Menschen gleich seien oder ob, wie es z.B. der amerikanische Paläontologe Agassiz behauptete, die Neger eine minderwertigere Rasse bil- deten, aus einem besonderen Adam entstanden. Wenn man auch eine persönli- che Polemik gegen den oft zitierten Agassiz vermieden hat - sein Votum ge- gen den Darwinismus war zu wichtig, als daß man es durch eine gegen ihn gerichtete Polemik in Einzelfragen hätte entwerten wollen - so hat man doch der These selbst entschiedenen Widerstand entgegengesetzt. Ablehnung hat auch der rassisch begründete Antisemitismus gefunden, wobei sich allerdings für den ganzen Zeitraum nur ein einziger Beleg heranziehen läßt: 1887 hat sich in den HPB ein längerer Aufsatz 46 gegen "die abenteuerlichen Vor- schläge" der österreichischen, die Rassenfeindschaft vertretenden Antise- miten gewandt, deren Vorschläge als "wahnsinnig und gefährlich" kommen- tiert werden (S.379). Dabei muß freilich hinzufügt werden, daß hier wie in anderen sich mit dem Judentum beschäftigenden Beiträgen katholischer Zeitschriften das Bild der Juden mit starken Vorurteilen, besonders was das Wirtschaftsleben angeht, belastet bleibt. Einer rassischen Motivierung der immer spürbaren Abneigung gegen die Juden wird dagegen auch deshalb nicht das Wort geredet, weil dann auch, wie der ungenannte Verfasser des erwähnten Aufsatzes nicht vergißt hinzuzufügen, konvertierte Juden verfolgt werden müßten und damit die Rasse höher als die Wirkung des Taufsakramen- tes gesetzt würde.

Gegenpol zur rassisch begründeten Judenfeindschaft war die Verherrlichung der germanischen Rasse, wie sie in Chamberlains 1899 erscheinenden Grund- lagen des 19.Jahrhunderts ihren exemplarischen Ausdruck fand. Soweit das Werk in den hier herangezogenen Zeitschriften überhaupt rezensiert worden

45) Erst nach dem 1.Weltkrieg ist die Rassenbiologie eingehender erörtert worden, s. die einschlägigen Verweise in den Registern von Hochl u. StdZ. 46) ? in HPB 100 (1887) 358 ff. — 227 —

ist47, sind die Versuche Chamberlains, überall in der Geschichte germa- nische Einflüsse oufzuspGren,als "nietzscheanisch überspannt" (Kath) oder deftiger als "tendenziöse Phantastereien ohne jeden wissenschaftlichen Wert" (StML S.424) zurückgewiesen worden. Eine ablehnende Kritik wegen ähnlicher Auffassungen erfuhr zur gleichen Zeit auch Seecks Untergang der antiken Welt 48, und schon 1885 hatte sich Kreiten in den Seil über den in dem Roman Die Sebalds von W.Jordan vertretenen "Sohlen- und 49 Leistenadel der Germanen" amüsiert ausgelassen . Trotz der wenigen Be- lege, die angeführt werden können, ergibt sich ein eindeutiges Bild: Die um die Jahrhundertwende in voller Blüte befindliche Germanenapotheose stößt bei den katholischen Autoren nicht auf Beifall, schon deshalb nicht, weil, wie Nostitz-Rieneck aphoristisch in den HPB ausführt, bei der Bestim- mung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse es "kein einziges Merk- 50 mal (gebe), das nicht im Einzelfall trügerisch wäre" . Mausbach hat dann 51 1912 im Hochland das Thema noch einmal angeschnitten und auf die Gefahr hingewiesen, die der Menschheit durch das Emporwuchern eines überspannten, völkertrennenden Nationalismus und einer noch inhumaneren, naturalistischen Rassentheorie erwachse (S.402). Der Katholizismus gilt ihm freilich in

47) Laut HPB 129 (1902) 619 f sind "die meisten führenden katholischen Organe"nicht mit Rezensionsexemplaren bedacht worden: HPB u. Kath 82 1902) b, 361 f begnügen sich wohl daher mit knappen Bemerkungen, wo- bei auffällt, daß Baumgarten, der auf die Germanenthese übrigens nicht eingeht, in HPB dem Verfasser zumindest für Teilbereiche deutliche Sympathien entgegenbringt. Völlig ablehnend u. sehr viel ausführlicher dagegen Dunin-Borkowski in StMl 60 (1901) 409 ff. 48) 0. Seeck, Untergang der antiken Welt, 1897 (2.Aufl.); dazu Grupp in HPB 129 (1902) 146 f; Anerkennung fand dagegen Seecks Entwicklung der antiken Geschichtsschreibung ..., 1898. Zwar übertrage er dar- winistische Grundsätze auf die Geschichte, aber selten geschehe das mit so viel Geist, Frische u.Klarheit wie bei ihm, G. in HPB 124 (1899) 646 ff.

49) Kreiten in StMl 29 (1885) 194 f; vgl. oben Anm. 6. 50) Nostitz-Rieneck in HPB 129 (1902) 10 . 51) Mausbach in Hochl 9 (1912) a, 401 ff. - 228 -

dieser Hinsicht als immun: Die Erkenntnis der Geistseele und der Willens- freiheit, wie der katholische Universalismus, die umfassende Erfahrung, die dem Katholizismus seine eigene Entwicklung unter den verschiedensten Völkern und an den hervorragendsten Persönlichkeiten geliefert habe, be- wahre ihn vor den phantastischen Übertreibungen der modernen Rassenschwär- mer (5. 597).

4) Praktischer Materialismus und politische Anarchie als Folgen darwini- stischer Ethik und Gesellschaftslehre

Bei sehr vielen der gegen die Thesen des Materialismus und gegen den Sozialdarwinismus gerichteten Beiträge fällt die starke Betonung auf, mit der man die praktischen Folgen dieser Systeme hervorhebt. Dies gilt in der Hauptsache für NuO, Seil und PB1, deren einschlägige Beiträge geradezu stereotyp mit dem Hinweis auf die potentiellen Konsequenzen en- den. Dabei steht zunächst einmal ein apologetischer Gesichtspunkt im Vor- dergrund, denn "eine Theorie (gemeint ist der Darwinismus im engeren Sinne, nicht die Entwicklungstheorie)... aus welcher die konsequent denkenden Anhänger die haarsträubenden dsten praktischen und theore- tischen Folgerungen ziehen, eine Hypothese, welche jedenfalls, konsequent durchgeführt, in Ungeheuerlichkeiten ausmündet, deren Prinzipien auf das sittliche, religiöse, intellektuelle und wis- senschaftliche Gebiet übertragen, zum vollkommensten Skeptizismus, Nihilismus und Umsturz führen, muß in ihrem inneren Wesen durch und durch faul sein"52.

Derartige Argumentationen finden sich häufig. Sie lassen außer acht, daß die eventuellen Konsequenzen einer Theorie über diese selbst noch nichts aussagen, versuchen vielmehr gerade im Gegenteil die Theorie selbst durch den Hinweis auf möglicherweise aus ihr zu ziehende Folgerun- gen„ganz gleich, ob diese nun berechtigt oder unberechtigt sind, zu diskreditieren.

52) Gutberlet in NuO 42 (1896) 226; u.v.a. - 229 -

Neben solch unzureichender, aus apologetischem Interesse heraus zu ver- stehender Zielsetzung wird sehr viel stärker jedoch die echte Besorgnis spürbar, mit der man einer Entwicklung entgegenschaut, die das herkömm- liche Weltbild radikal umzugestalten droht. Hier wird nicht nur, wenn man es einmal so ausdrücken darf, die zu allen Zeiten vorhandene Sorge der Mutter Kirche um die ihr anvertrauten Schäflein spürbar, die in der steten seelsorglichen Ermahnung und in der Anprangerung eventueller Ge- fahren den Ihren einen wirksamen Schutz bieten möchte. Hier sieht man sich viel existentieller angegriffen, ist bestürzt über einen breite Massen der kirchlichen Obhut entreißenden Säkularisierungsprozeß, der die Welt in ein - wie es scheint - unvorstellbares Chaos zu stürzen droht. Zwei Gebiete sind es, auf denen Materialismus und Darwinismus nach Ansicht der Autoren unabsehbare Gefahren mit sich bringen: das sittliche und das sozialpolitische Gebiet.

Schon die Äußerungen der 50er und 60er Jahre charakterisierten den Ma- terialismus als eine "Ekels- und Verderbensflut", die unter dem Namen exakte Wissenschaft dem Geiste Grenzen setze, somit zur Barbarei des 53 Geistes, zum vollständigen Nihilismus und Atheismus führe • Schon hier wurde prophezeit, die notwendige Folge des naturwissenschaftlichen sei der praktische Materialismus, der Sittenlosigkeit, bzw. Verherrlichung der Sinnlichkeit in sich schließe. Denn ohne den Glauben an Gott kann es keine wahre Sittlichkeit geben. Auf eine erschreckende Weise scheint dann die Entwicklung der 70er Jahre die düsteren Prophezeiungen fr jherer Jahrzehnte zu bestätigen. Wenn ein Ungenannter 1871 in einer Betrachtung zum deut- schen Sieg über Frankreich dieses Land als den "Hort des Materialismus und Atheismus und der sittlichen Fäulnis" charakterisiert und ihm "das gesunde, kernige Wesen der Deutschen" gegenüberstellt, so klingt hier ne- ben der nationalistischen Hochstimmung doch schon die verhaltene Besorgnis 54 an, das eigene Land

53) Michelis in NuO 2 (1856) 568; ? in Kath (1858) NF Bd.18, 518; ? in HPB 55 (1865) 546; u.v.a. 54) ? in NuO 17 (1871) 1 f. - 230 -

kehrtheit unserer Jugendn... immer größer werdende Mißachtung der elter- lichen und priesterlichen Autorität ... fortschreitende Mißachtung aller bürgerlichen und staatlichen Einrichtungen ... täglich sich mehrende Blasphemien und Sakrilegien" sind nach Scheidemacher Symptome einer Ent- wicklung, die "die alte deutsche Treue und Zuverlässigkeit ganz aus dem Leben entschwinden" ließ und die "gerade unser einst so frommes und christliches Deutschland", wie Sterneberg hinzufügt, "zur breitesten Brutstätte dieses Gewürms (sc. des Materialismus) in seiner ekelhaftesten 55 Gestalt, des Haeckelschen Darwinismus" machte . Kaum ein Autor dieser Jahre unterläßt es, auch in Beiträgen, die an sich naturwissenschaftlichen Problemen gewidmet sind, breit ausgemalte Bilder von der "wachsenden De- moralisation" einfließen zu lassen. An Beispielen mangelt es nicht: Sind auf dem Gebiet des praktischen Lebens "roher Sinnestaumel" und "vertierte Genußsucht" anzuprangern, so entspricht dem die "sittliche Verschlammung", wie sie "in der Nudität einer klassisch genannten Literatur und Kunst" glorifiziert wird. Auf wirtschaftlichem Gebiete sind Börsenspekulationen und Gründerkrach, wie überhaupt die zu Konkurrenz und Bankerott führende liberale Wirtschaftspolitik ebensowenig mit christlicher Moralauffassung zu vereinbaren, wie auf politischem Gebiete die massive Realpolitik, die 56 - in schrankenlosem Egoismus Gewalt zu Recht werden lasse . Die Grundsätze des Materialismus und Darwinismus haben zu dieser "Korrumpierung der Mensch- heit" (Löffler) geführt. Sie können auch "als tiefster Grund des augen- 57 blicklich schwebenden (Kultur)-kampfes" angesehen werden . Dieser wird freilich in den hier herangezogenen Beiträgen äußerst selten thematisch. Zwar wird einmal hervorgehoben, Darwins Theorie rechtfertige erst eigent- 58 lich die gesetzgeberische Praxis der Liberalen , andererseits aber wird z.B. Haeckels Versuch, den Kulturkampf propagandistisch für sich auszuwer-

55) Scheidemacher in NuO 22 (1876) 76 f; Sterneberg in NuO 25 (1879) 637. 56) Typisch Löffler in Still 8 (1875) 25 ff u. Rädler in Seil 10 (1876) 357 f; Scheidemacher in NuO 22 (1876) 72 ff u. Berthold in NuO 23 (1877) 361 ff; u.v.a. 57) ? in PB1 4 (1875) 288. 58) So Sterneberg in NuO 25 (1879) 637, der hier in einer Rezension Pfaff, Ober den Einfluß des Darwinismus auf unser staatl.Leben, 1879, beipflichtet. -231-

ten, als Anbiederung an die Kulturkämpfer verstanden, denn "selbst manche großen Kulturkämpfer (werden) sich vor einem derartigen Bundesgenossen ent- 59 setzen" . Damit sind bereits alle Belege angefbiet, die ausdrücklich eine Verbindung zwischen Darwinismus und Kulturkampf ziehen. Er bleibt in die- sem Zusammenhang durchaus Randphänomen, wenn auch das Bewußtsein, in einer Zeit der Krise zu leben, in einer Zeit, die durch und durch unchristlich, ja aggressiv antichristlich ist, sich für alle Zeitschriften nachweisen läßt.

Neue Nahrung finden die Warnungen vor den Konsequenzen des Materialismus und Darwinismus, als man in den 80er Jahren mit Spencer und seiner Schule bekannt wird. Spencers Versuch, die ethischen Gebote als Ergebnisse natür- licher Entwicklung zu deuten, beinhaltet nach Ansicht der Autoren nicht nur den Verzicht auf die göttliche Sanktion des Sittengesetzes, sondern stellt den Menschen auch in seinen Lebensäußerungen genau wie der Materia- lismus ganz in die Nähe des Tieres. So handelt es sich denn auch für Was- mann bei darwinistischer Ethik und sittlichem Materialismus um "ein und 60 dieselbe Pest des menschlichen Geschlechts" . Nahezu jeder Beitrag, der in den folgenden Jahrzehnten auf die darwinistische Ethik und auf die Thesen der Sozialdarwinisten eingeht, spricht in zum Teil sehr ausgedehnten Schilderungen von der "Pervertierung der sittlichen Ordnung", von dem "Ni- hilismus in der Moral", die eine der übernatürlichen Begründung entbehrende, den Menschen nur als "höhere Bestie" begreifende naturalistische Moralauf- 61 fassung mit sich bringen musse .

Sind auf sittlichem Gebiet die Folgen von Materialismus und Darwinismus verheerend, so gilt das nicht minder auch für das sozialpolitische Gebiet. Mit zunehmender Besorgnis wird seit den 70er Jahren der Einbruch der materia-

59) Im Vorwort zu der 1874 erschienenen Anthropogenie hatte Haeckel die kämpfenden Parteien wie folgt charakterisiert: "Auf der einen Seite unter dem schlichten Banner der Wissenschaft: Geistesfreiheit und Wahrheit, Vernunft und Kultur, Wissenschaft und Fortschritt; auf der anderen Seite unter der schwarzen Fahne der Hierarchie: Geistesknecht- schaft und Lüge, Unvernunft und Rohheit, Aberglauben und Rückschritt", s. dazu Scheidemacher in PB1 6 (1877) 293 ff (Zitat 297) u. ? in PB1 4 (1875) 288. 60) Wasmann in NuO 30 (1884) 374, - 232 -

listisch-atheistischen Lebensauffassung in das Bewußtsein gerade der un- teren Volksschichten registriert. Sie führt nach Ansicht der Autoren zu einem Autoritätsverlust nicht nur von Kirche und Religion, sondern auch des Staates und seiner Einrichtungen, Zwei Faktoren werden dafür im be- sonderen verantwortlich gemacht: Erstens verweist die materialistische Lebensauffassung die Menschen unter Negierung religiöser Jenseitshoff- nungen ausschließlich auf das irdische Leben und fordert geradezu dazu auf, sich dieses Leben möglichst angenehm und genußreich zu gestalten, wobei die christlichen Prinzipien der Lebensgestaltung keine Rolle mehr spielen. Der von Materialisten wie Büchner und Haeckel angebotene Ersatz für Religion und Jenseitsglaube wie Fortschrittsoptimismus, Nachruhm der persönlichen Verdienste und Verehrung der Prinzipien des Wahren, Guten und Schönen erscheint gerade für die breiten Massen als unzureichend, denn "an solchen schönen Dingen ergötzen sich Herren, welche in ihrem mit allem Komfort ausgestatteten Studierzimmer ungestört ihre Bücher schrei- 62 ben" . Der Arbeiter aber, der trotz härtester Arbeit bittere Not zu er- dulden hat, denkt anders. Er wird nur dann mit seinem Los zufrieden sein, "wenn er mit lebendigem Glauben das kurze Leben auf Erden nur für eine Vorbereitung auf ein Leben ohne Ende im Jenseits hält. Dann kann er sich in den bescheidensten Verhältnissen zufrieden und glücklich fühlen. Der überaus herrliche Lohn im Jenseits für geduldig ertragenes Leiden tröstet ihn in seiner schweren Arbeit" (Granderath ebda)

Die durch die materialistische Lebensauffassung somit erzeugte gärende Unzufriedenheit mit den bestehenden sozialen Verhältnissen bei den ihrem Glauben entfremdeten Massen erhält zweitens eine gefährliche Sprengkraft durch das von den Materialisten und Darwinisten auch auf das menschliche Leben übertragene Kampf-ums-Dasein-Prinzip. Als angeblich wissenschaft- liche Erkenntnis propagiert, werden mit seiner Hilfe die Massen dazu auf- gestachelt, sich ihren Anteil an den Lebensgenüssen selber zu holen.

61) Besonders charakteristisch die Beiträge Cathreins in StMI 46 (1894) 469 ff; 64 (1903) 164 ff; 76 (1909) 479 ff; 77 (1909) 42 ff; u.v.a. 62) Granderath in StMI 48 (1895) 511 f; u.v.a. - 233 -

Furchtbare soziale Revolutionen werden die Folgen sein. Damit aber erhält der Materialismus Haeckelscher Prägung den Charakter der Staatsfeindlich- keit. "Mit seinen rohen Fäusten rüttelt er", um stellvertretend für viele andere Scheidemacher zu zitieren, "an Thron und Altar ... wirft die Brand- fackel der Empörung gegen die göttliche Einrichtung unserer Staaten und ihrer Obrigkeiten in immer weitere Kreise zum Ruine der Völker"63.

Es braucht kaum betont werden, daß damit das Programm der Sozialdemokra- tie für viele Autoren exemplarische Bedeutung besitzt. Virchows 1877 geäußerter Hinweis" auf die bedenkliche Fühlungnahme zwischen Sozialis- mus und Darwinsche Lehre wird dankbar als Bestätigung der eigenen An- sicht aufgenommen und in den folgenden Jahrzehnten immer wieder kolpor- tiert. Die sozialdemokratische Theorie setzt, den katholischen Autoren 65 zufolge, die monistisch-materialistische Weltanschauung voraus . Sie baut auf den dem Darwinismus entlehntenVorstellungen auf,naoh denen der Mensch nichts weiter als ein höher entwickeltes Tier sei und die ganze soziale Weltordnung sich bloß aus den Instinkten der höheren Säugetiere entwickelt habe. Bebels Frau und der Sozialismus und Engelä"Ursprung der Familie sind in dieser Hinsicht mehrfach scharf angegriffen worden, denn hier werde "die Unwissenheit von armen Arbeitern auf das schändlichste mißbraucht, um ihnen das letzte Gut, ihren Glauben, ihre Religion zu rauben und sie 66 dann in den Tod zu hetzen" . Dieses Zitat legt den inneren Bezugspunkt offen, der Sozialismus bzw. Sozialdemokratie und Haeckelschen Monismus untrennbar aneinanderkoppelt. Es ist, wie Cathrein schreibt, "die Soli- darität des sozialdemokratischen Atheismus mit dem Bourgeoisatheismus", mit dem gemeinsam verfolgten Ziel, "den ungeheuren Kulturkampf! zu schüren, das Christentum in Grund und Boden zu schelten, insbesondere

63) Scheidemacher in NuO 20 (1874) 516 u.NuO 22 (1876) 222; u.v.a. 64) Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat, Rede auf d.50. Vers. dt. Nat.Forscher u. Ärzte zu München, 1877.

65) Typisch Cathrein in StM1 70 (1906) 34 ff.

66) H.Pesch in Sei_ 41 (1891) 485 ff; u.a. -234— — 67 Katholizismus und Papsttum aus der Welt zu verwünschen" . Die katholi- sche Beurteilung der Beziehungen zwischen Darwinismus und Sozialismus legt also das Schwergewicht ihrer Kritik auf die Stellung beider Systeme zu Religion und Sitte. Damit erscheinen einerseits die Sozialdemokraten als Maie wahrhaft konsequenten Haeckelianer" und kann andererseits der "Dünkel", mit dem sich Heeckelund andere Vertreter der "ungläubigen Wis- senschaft" von den Sozialisten zu distanzieren suchen, als unberechtigt 68 abgetan werden . Eine gewisse Schadenfreude spielt mit, wenn in den Stimmen auf "die erdrückende Konkurrenz" aufmerksam gemacht wird, der sich nun Haeckel "seitens der Aufgeklärten in der Blouse" sehr wider sei- 69 nen Willen zu erfreuen habe . Die Fixierung der Kritik auf die gemeinsame ideologische Grundlage, d.h. den militanten Atheismus, scheint nun aller- dings ein Eingehen auf den eigentlichen Kern der Diskussion über die Be- ziehungen zwischen Darwinismus und Sozialismus verhindert zu haben. Die Frage nämlich, wie sich das Prinzip vom Kampf ums Dasein mit der soziali- stischen Auffassung vereinbaren lasse, ist in den hier herangezogenen Zeit- schriften nicht aufgegriffen worden, obwohl schon Haeckel seinem Gegner Virchow entgegengehalten hatte, der Darwinismus habe keine demokratische, am wenigsten eine sozialistische Tendenz, sondern leiste aristokratischen 70 - Bestrebungen Vorschub . Für die katholischen Autoren steht fest, daß die Sozialdemokratie das Prinzip vom Kampf ums Dasein auf die Beziehungen der sozialen Gruppen projiziert und damit zum größten Feind der bestehenden Ordnung wird. Diese These bildet die Leitlinie aller in diesem Rahmen er- folgenden Stellungnahmen zur Sozialdemokratie, wobei ein näheres Eingehen auf die Diskrepanz im praktisch sozialen Programm, die Sozialdarwinisten und Sozialisten voneinander trennt, nicht erfolgt. Die durch die Virchow- Haeckelsche Kontroverse hervorgerufene Diskussion bleibt ohne Beachtung, und auch die 1894 erschienene Schrift des Freiburger Zoologen Ziegler über das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und sozialdemokratischer Theorie

67) Cathrein in StMl 60 (1901) 33 f. 68) Wasmann in Sel 60 (1901) 433 f; u.v.a. 69) Gruber in Still Erg.Heft 52 (1891) 186. 70) Freie Wissenschaft u.freie Lehre (Entgegnung auf R.Virchows Münche- ner Rede), 1878, Vorwort. - 235 -

bildet für den Rezensenten Wasmann keinen Anlaß, speziell auf die gegen- sätzliche Interpretation des Kampf-ums-Dasein-Prinzips näher einzugehen. Zwar hält Wasmann Zieglers Buch für "den bedeutendsten Versuch" von dar- winistischer Seite, die "sozialdemokratische Verwandtschaft" zurückzu- weisen (S.99), referiert auch ganz knapp Bebels und Haeckels gegen- sätzliche Standpunkte, doch scheint ihm die Zieglersche Beweisführung gegen Bebel unbefriedigend. Wenn Ziegler die tatsächliche Unveränderlich- keit der psychischen Naturanlage des Menschengeschlechts gegen Bebel ins Feld führe, so sei das ein Argument, das sich genauso gut gegen den Darwi- nismus gebrauchen ließe. Wasmann hält sich aber, wie gesagt, nicht mit einer näheren Begründung seiner Auffassung auf. Ihm kommt es wesentlich mehr darauf an, einmal Zieglers "in vielen Punkten gelungene" naturwis- senschaftliche Kritik an den sozialistischen Vorstellungen besonders hin- sichtlich Frauenemanzipation und Eheauffassung darzustellen, zum anderen aber - wie alle anderen Autoren auch - auf die innere Seelenverwandtschaft zwischen Sozialismus und Darwinismus als Folge der gemeinsamen weltan- schaulichen Voraussetzungen aufmerksam zu machen. Von dieser Seite aus betrachtet, kann Zieglers Buch "trotz mancher Vorzüge" schließlich doch nur "als eine traurige Bankerotterklärung des Darwinismus gegenüber dem Sozialismus" gewertet werden (S.103).

Die Sozialdemokratie erweist sich als das legitime Kind der Haeckelischen Weltanschauung, der von ihr angestrebte "Umsturz" als die unvermeidliche Folge evolutionistischer Ethik und Gesellschaftstheorie. Für Völler gibt es dafür bereits ein praktisches Beispiel, denn "die wilden Exzesse der russischen Revolution in den Jahren 1905/06 ... (sind) ... größtenteils 72 ein Werk des Haeckelismus" . Der Kampf gegen die "anarchistische Umsturz- partei" hat daher einzusetzen als Kampf gegen die glaubensfeindlichen und autoritätszerstörenden Lehren Haeckels und anderer Darwinisten73.

71) H.E.Ziegler, Die Naturwissenschaft u. die sozialdemokratische Theorie, 1894; dazu Wasmann in NuO 41 (1895) 97-103. 72) Völler in NuK 9 (1911 f) 607. 73) Wasmann in StMI 60 (1901) 433 (Zitat); vgl. Weiß in NuGI 1 (1898) 9: "Die energische Bekämpfung des Darwinismus und des in engster Be- ziehung damit stehenden, die von Gott gewollte Weltordnung umstürzen- - 236 -

Nun bilden die hier angesprochenen Beziehungen zwischen Sozialismus und Darwinismus nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus einer umfassenderen Thematik: die Haltung katholischer Zeitschriften zur sozialen Frage überhaupt. Es konnte nicht in der Absicht dieser Untersuchung liegen, 74 darauf näher einzugehen . Allerdings muß doch folgendes dazu gesagt werden: Auch derjenige Leser katholischer Blätter, der, wie hier fiktiv angenommen wird, sich nur für die um Darwinismus und Vulgärmaterialismus entstehenden Probleme interessierte, erhielt zumindest ansatzweise einen Einblick in die Art, wie katholische Autoren seiner Zeit die soziale Frage beurteilten. Würde er seinInformationsbedürfnisausschließlich auf die Bemerkungen und Hinweise beschränkt haben, die ihm in diesem Zusam- menhang angeboten wurden, so hätte sich für ihn ein bemerkenswertes Bild ergeben: Der Masse der Arbeiterschaft steht man sehr distanziert- herab- lassend, zum Teil geradezu abschätzig gegenüber, wobei sich diese Haltung - bezeichnend für eine innere Unsicherheit - mit latenter Beunruhigung paart. Scheidemacher spricht verächtlich von der "rohen und ungebildeten Arbeiterklasse", Dressel von den "Mittellosen", die "mit dem Kampf ums Dasein ... früher oder später Ernst machen(würden)", Baumgartner vom "Pöbel, (der) aus der natürlichen Zuchtwahl die unausbleiblichen prakti- 75 schen Folgen zieht" . Cathrein sieht voll tiefer Besorgnis das Proleta- riat riesengroß heranwachsen und, durch die Sozialdemokratie aufgeputscht, den Himmel auf Erden und die gleichmäßige Verteilung aller Güter und Ge- 76 nüsse fordern . Solchen Äußerungen läßt sich nicht gerade ein tieferes Verständnis für den Kampf der Arbeiter um soziale Gerechtigkeit entnehmen.

.... den Sozialismus ist unsere erste und heiligste Aufgabe"; u.v.a. 74) Zur Stellung der HPB in dieser Hinsicht s.ausführlich Stegmann aa0. 75) Scheidemacher in NuO 24 (1878) 556; Dressel in NuO 31 (1885) 246; Baumgartner in StMI 42 (1892) 124. 76) Cathrein in Seil 77 (1909) 199. - 237 -

Der Gegensatz zwischen Arm und Reich, Hoch und Nieder wird vielmehr als unaufhebbar angesehen. Was diese Autoren den Arbeitern unmittelbar anzu- bieten haben,bleibt sicherlich aufrichtig gemeinte, seelsorgliche Ver- tröstung auf die überaus herrliche Zukunft, die den christlichen Menschen im Paradies erwarte. Und was mittelbar zur Beseitigung des sozialen Elends, zur Neuformung der Gesellschaftsordnung als conditio sine qua non bezeich- net wird, beschränkt sich in den hier eingesehenen Beiträgen auf die For- mel: "Rückkehr zu Gott und Christus, Freiheit und Anerkennung seiner Kirche" 77 . Um Jenseitshoffnung, wie um christliche, aus dem Geiste echter Caritas sich vollziehende Daseinsgestaltung aber sind die Arbeiter nach An- sicht der Autoren von einer gottentfremdeten liberalen Wissenschaft,bzw. von einer darwinistisch-sozialistischen Pseudowissenschaftlichkeit betro- gen worden. Deren Atheismus, der jede sittliche Ordnung durch die Predigt vom Kampf ums Dasein untergraben habe, rücke nun die Anarchie in greifbare - 78 Nahe . Denn fehlen dem Volke einmal Pflichtbewußtsein und der Glaube an eine Vergeltung im Jenseits, dann werden die gärenden Massen sich nicht länger am Gängelband herumführen lassen, und Staat und Kirche werden glei- chermaßen die Verlierer sein. Aus dieser Argumentation verstehen sich die oft versteckten, dennoch unüberhörbaren Hinweise an den Staat, daß der 79 Darwinismus-Monismus auch an seinen Grundfesten rüttele . Sie enthüllen zugleich die enge Verflechtung mit dem herrschenden monarchisch-autoritä- ren System, wie das unbedingte Interesse, den Fortbestand der überkommenen Gesellschafts- und Eigentumsordnung zu sichern. Kein Zweifel, die hier ausgewerteten Bemerkungen genügen nicht, um ein zutreffendes Bild der Hal- tung katholischer Autoren zur sozialen Frage zu zeichnen. Sie sagen, weil sie knapp gehalten sind und meist als Schlußabrundung von Auseinander- setzungen mit dem darwinistischen Zeitgeist erfolgen, nichts aus über die soziale Neuorientierung des deutschen Katholizismus, wie sie sich in lang-

77) Lehmkuhl in Seil 39 (1890) 136. 78) Berthold in NuO 23 (1877) 361; Cathrein in StMl 28 (1885) 243; M. in NuGI 2 (1899) 40 ff; u.v.a. 79) Typisch Ude in NuK 10 (1912 f) 615; u.v.a. - 238 -

samem Wachsen im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts vollzieht. Die Ver- engung der Perspektive auf die aus der darwinistisch-sozialistischen Sym- biose angeblich resultierenden Gefahren, die als Zerstörung der bestehenden Werte und Ordnungen im gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Be- reich empfunden werden, läßt zu vergröberten Wertungen kommen, die gleich- wohl nicht atypisch für die Mentalität weiter Kreise gewesen sein dürften.

5) Zusammenfassung des IV. Kapitels

Die Übertragung der Prinzipien Entwicklung und Auslese auf außerbiologi- sche Bereiche hat für die katholischen Autoren dieser Zeit nicht gerade einen Programmpunkt ersten Ranges gebildet. Zahlenmäßig schwach vertreten ist auch die Auseinandersetzung mit dem Sozialdarwinismus, namentlich mit den etwa seit der Jahrhundertwende virulierenden rassenanthropologischen und rassenhygienischen Strömungen. Dort, wo man überhaupt auf die These einer biologisch begründeten Ungleichwertigkeit einzelner Rassen zu spre- chen kommt, erhebt sich allerdings entschiedener Widerspruch.

In diesem somit quantitativ stark eingeschränkten Rahmen konzentriert sich das Interesse der Autoren vornehmlich auf Versuche, die ethischen Maßstäbe und sittlichen Akte des Menschen durch evolutive Herleitung gewissermaßen zu säkularisieren. Diese Bestrebungen werden als ein aus atheistischen Motiven erklärbarer Subjektivismus gedeutet, der zur Leugnung der Apriori- tat, der Objektivität und der Universalität des Sittengesetzes führe. Sitt- liche Wahrheiten seien weder kumulierte Gattungserfahrungen noch Fortsetzung der Naturgesetze im humanen Bereich, womit jedoch nicht schon bestritten wird, daß es auch eine Entwicklung im sittlichen Bereich gebe. Großen Wert legen die Autoren auf die Moralapologie, d.h. auf die Verteidigung der katholischen Sittenlehre. Der zitatenreichen, polemischen Darstellung der gegnerischen Theorie wird meist ausführlich die katholische Auffassung entgegengestellt. Die Besorgnis um die unverkürzt zu bewahrende Willensfreiheit des Menschen läßt allerdings, z.B. auf dem Gebiete der Moralstatistik, auch zu enge Gren- zen ziehen. Determinierende Faktoren für menschliche Verhaltensweisen gerade in sittlich relevanter Hinsicht werden nicht anerkannt, die - 239 -

Naturgebundenheit des Menschen noch unterschätzt. Das läßt sich vor allem mit der konzessionslosen Kampfstellung gegen die monistisch-darwinistische, rein biologische Einschätzung des Menschen erklären.

Bei der Beurteilung der Versuche, mit dem Selektionsprinzip das Werden und die Gestaltung der Gesellschaftsordnung zu deuten, geht es den Au- toren primär darum, das Unhaltbare der Basis, d.h. die Unhaltbarkeit des Selektionsprinzips bereits in biologischer Hinsicht darzutun, so daß schon deshalb eine Analogisierung zwischen biologischer und sozialer Entwicklung für sie nicht in Frage kommt. Als der eigentliche Grundfehler derartiger Theorien gilt die Leugnung des wesenhaften Unterschiedes zwischen Mensch und Tier. Damit entstehe ein falsches Menschenbild, bei dem in Verkennung der eigentlichen Normen menschlichen Daseins die biologische Höherent- wicklung zum allein entscheidenden absoluten Prinzip gemacht werde. Sehr klar und überzeugend wird auf die daraus entstehenden Konsequenzen hinge- wiesen. Individuelles Recht und personale Würde des Menschen verbieten es, das Wohl des Einzelnen dem Gattungsinteresse aufzuopfern. Damit wollen einzelne Autoren nicht bestreiten, daß eugenische Maßnahmen in besonders begründeten Fällen von allgemeinem Nutzen sind, sofern sie humane Ansprüche nicht verletzen. Auf starken Widerspruch stößt in diesem Zusammenhang auch ein Rechtspositivismus, der dem Einzelnen keinerlei Schutz gegen die Will- kür einer omnipotenten Staatsgewalt gewährt, die selbst die Kriterien für Recht und Unrecht festlegt. Insgesamt ergibt sich ein mit kräftigen Linien gezeichnetes Bild hinsichtlich der Gefahren, die Materialismus und Darwi- nismus für den Einzelnen wie für die Gesellschaft mit sich bringen. Ver- fall aller bindenden Sittennormen und damit zusammenhängende politische Anarchie, wie sie für die zeitgebundene Sicht der Autoren namentlich in Praxis und Programm der Sozialdemokratie transparent werden, führen die ihrer Fundamente beraubte Gesellschaft, die nicht mehr um die Freiheit und Würde des Menschen weiß, in ein unentrinnbares Chaos. Bleibt auch das quantitative Engagement katholischer Zeitschriften hinsichtlich des Sozialdarwinismus bis 1914 nicht gerade eindrucksvoll, so entschädigt dafür doch die kompromißlose und klarsichtige Stellungnahme, mit der eine Biologisierung des Menschenbildes kategorisch abgelehnt wird. - 240 -

V. Rückblick

Diese Untersuchung ging von der Frage aus, was, wann und wie seitens katholischer Zeitschriften getan wurde, um den gebildeten und (oder) naturwissenschaftlich interessierten Laien über ihr Verhältnis zu Dar- wins Theorie und dem davon profitierenden Vulgärmaterialismus zu infor- mieren und damit meinungsbildend zu wirken. Bewußt wurde davon Abstand genommen, die eigentlich theologische Literatur in die Quellenbasis mit einzubeziehen, weil der theologiegeschichtliche Aspekt, konkreter gesagt: die Entwicklung theologischer Lehrmeinungen zu den anstehenden Fragen nicht primär interessierte. Die Quellenauswahl beschränkte sich daher lediglich auf das Material, von dem angenommen werden durfte, daß es sich der Intention nach auch oder sogar ausschließlich an den Laien wandte. Ging es einerseits darum, den Verlauf des meinungsbildenden Prozesses zu dokumentieren, so andererseits darum, zeittypische, möglicherweise aber auch noch weit über den Untersuchungszeitraum hinauswirkende Denk- und Verhaltensweisen aufzudecken, die vielleicht erklären können, warum der katholische Laie in heute aktuellen Fragen Lehrmeinungen seiner Kirche bezw. ihrer Vertreter auch dann, wenn sie autoritativ vorgetragen werden, nicht mehr so blindlings und vertrauensvoll hinnimmt, wie das noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen sein mag. Der Sturm, den die Enzykli- ka Humanae Vitae Pauls VI. in jüngster Zeit heraufbeschworen hat, legt dafür unübersehbares Zeugnis ab. Ihre Erwähnung in diesem Zusammenhang erscheint schon deshalb nicht unangebracht, weil das von ihr erörterte Problem der Geburtenregelung ebenfalls in den Grenzbereich zwischen Theolo- gie und Naturwissenschaft fällt. Darüber hinaus verdient sie besondere Beachtung, weil hier eine Lehrmeinung offiziell und mit dem Anspruch auf innere Zustimmung seitens aller Gläubigen vorgetragen wurde, von der bekannt ist, daß sie in der Theologie selbst noch zu den heiß umstritte- nen Themen gehört.

Von diesem konkreten Anlaß her gesehen legitimiert sich Sinn und Ziel geschichtlicher Rückbesinnung, die sich nicht in der Konstatierung und Konservierung bloßer Fakten erschöpfen, sondern das Vergangene fruchtbar - 241 -

werden lassen möchte zum besseren Verständnis, aber auch zur besseren Bewältigung der Gegenwart. Welches Fazit also ergibt sich im Rückblick auf die in den vorausgegangenen Kapiteln gewonnenen Einzelergebnissen von der Öffentlichkeitsarbeit katholischer Autoren bezüglich Evolution und Vulgärmaterialismus?

Zweifellos wurde dem Leser ein breites Programm angeboten, wenn sich auch die einzelnen Zeitschriften unterschiedlich stark engagierten. Deutlich stellte sich heraus, daß nicht erst Darwins Werk über den Ursprung der Arten den ersten Anlaß bot, sich mit den auf die Natur bezogenen Genesis- aussagen zu beschäftigen. Teils als Reaktion auf materialistische Angriffe, teils aber auch als Folge innertheologischer Reflexion wurden die meisten der in dieser Untersuchung angeschnittenen Fragen bereits vor 1859 zumin- dest ansatzweise debattiert, wenn dann auch erst Darwins Gedankengut die weitere Diskussion erheblich intensivieren sollte. Eine Vielzahl von Au- toren, überwiegend Kleriker, insgesamt mit sehr unterschiedlichem Bil- dungsgrad und auch sehr differierendem Verständnis für naturwissenschaft- liche Belange kommentierte und kritisierte die anstehenden Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln. Schon aus diesen Gründen ergab sich innerhalb bestimmter Grenzen ein durchaus differenziertes Bild, das mit der pau- schalen Charakteristik "konservativ-dogmatisch" wohl doch nicht scharf genug umrissen wäre. Diese Feststellung gewinnt namentlich dann an Ge- wicht, wenn man dem zeitlichen Verlauf der Diskussion folgt. Einer im Zu- schnitt unbestreitbar konservativen, d.h. durch die traditionelle Natur- theologie bestimmten Phase, der es gleichwohl an optischen Aufhellern, und das heißt realistischeren Stellungnahmen im Hinblick auf naturwissen- schaftliche Theorien und Ergebnisse, nicht ganz fehlt, folgt etwa um die Jahrhundertwende eine auf vielen Gebieten unübersehbare Neuorientierung. Diese hat ihre Ursachen sowohl in den inzwischen erzielten Fortschritten theologischer Exegese, wie in den trotz Haeckels erneuter Aktivität sel- tener werdenden Obergriffen der Naturwissenschaftler in den weltanschau- lichen Bereich, wie namentlich auch in der Krise der Selektionstheorie, die ein Wiederaufleben vitalistischer Auffassungen zur Folge hat. Eine - 242 -

jüngere Generation von Autoren, die vor allem - aber nicht ausschließlich - in den neugegrüdddoten Zeitschriften zu Wort kommt, bemüht sich um einen tragbaren Modus Vivendi mit der Naturwissenschaft. In dieser zweiten Phase katholischer Stellungnahmen steht somit klar abgrenzbar einem konservati- ven Lager, das weiterhin in Intransigenz verharrt (NuGl), oder sich nur zu geringen Modifikationen der bisher eingenommenen Haltung veranlaßt glaubt, eine etwa gleichstakke Gruppe gegenüber, die sich mehr oder weni- ger progressiv zeigt. Sie lehnt bei der Gesamtexegese des Schöpfungsbe- richts Verbal- und Konkordanztheorien gleichermaßen ab, sieht in der subhumanen Evolution ein weltanschaulich irrelevantes Problem und meldet auch hinsichtlich der leiblichen Abstammung des Menschen keine unüber- windbaren theologisch-philosophischen Bedenken mehr an, wenn auch daneben auf das Fehlen sicherer naturwissenschaftlicher Indizien sehr nachdrück- lich hingewiesen wird. Davon unberührt bleibt allerdings das Bestreben, der Kausalanalyse auch weiterhin ihre Grenzen aufzuweisen, d.h. noch vor- handene historische Erkenntnislücken als absolute zu definieren und mit religiösen Antworten aufzufüllen (Gott als Lückenbüßer). Diese Haltung wird jedoch verschiedentlich schon durchstoßen, wie sich beispielsweise an dem Außenseiter Thöne aber auch anderen Autoren punktuell nachweisen ließ. Im noch einmal mit aller Leidenschaft geführten Kampf gegen Haeckel und den Monistenbund engagieren sich Konservative und Progressive glei- chermaßen, in ihren Wertungen und in der Kampfesweise freilich abgestuft. Katholisch-thomistische steht gegen materialistisch-monistische Natur- philosophie. Bemerkenswert bleibt in diesem Zusammenhang die Tendenz eini- ger Autoren, schärfer als bisher zwischen theologischen und naturwissen- schaftlichen Erkenntnissen zu differenzieren.

Unabweislich wird also um die Jahrhundertwende - von gelegentlichen frü- heren Ansätzen einmal abgesehen - im Zuge einer Neubesinnung von dem progressiven Teil der Autoren eine Revision im Verhältnis zur Naturwis- senschaft eingeleitet. Vergleicht man deren Ergebnisse mit den Äußerun- gen, die Hübner für die katholischen Autoren der Jetztzeit gesamdielt 1 hat , so wird man ihnen in mehrfacher Weise den Charakter einer relativen

1) Hübner aa0 114 ff. — 243 —

Modernität nicht absprechen können. Wie weit mit ihnen im einzelnen ein zureichendes Verhältnis zum methodischen Atheismus oder Positivismus der

Naturwissenschaft gefunden wird, bleibt freilich eine Frage, deren Reante- wartung nicht mehr zu den Anliegen dieser Arbeit gehört. Hier wird letzt- lich an grundsätzliche weltanschauliche Vorentscheidungen gerührt2.

Die unverkennbaren Wandlungen im Verhältnis zur Naturwissenschaft, wie sie die Jahrhundertwende für einen größeren Teil der Autoren mit sich bringt, haben freilich nicht verhindern können, daß dem Katholizismus bis heute der Ruf der Rückständigkeit, überspitzter noch, der Ignoranz in naturwissenschaftlichen Dingen nachgeht, und zwar nicht nur im Urteil 3 seiner Gegner oder indifferenter Geister , sondern auch im Bewußtsein vieler seiner Anhänger. Das führt noch einmal auf die Frage, in welcher

Art und Weise sich die katholischen Autoren im Untersuchungszeitraum mit den Problemen beschäftigt haben, die ihnen sowohl durch den Fortschritt naturwissenschaftlicher Forschung wie durch die bedrohliche Aggressivi- tät des sich dieses Fortschritts bemächtigenden Vulgärmaterialismus auf- gegeben wurden. Das eigentlich Typische, der Grundzug ihrer Verhaltens- weise dürfte wohl in einer konservierenden Denkweise zu suchen sein, die sich nur zögernd und schwerfällig von traditionellen Vorstellungen zu lö- sen vermag, die es bevorzugt, auch dann noch am Bisher—doch—immer—schon-

Gesagten festzuhalten, wenn neue akzeptable, mindestens aber diskutierba- re Lösungen bereits vorliegen, und die darüber hinaus zum Teil sogar da- hin tendiert, das Traditionelle unter Außerachtlassen alles Entgegenste- henden autoritär zu verabsolutieren. Komplementär dazu ergibt sich wenig- stens bis zur Jahrhundertwende ein weithin unbeholfener, falscher Reak- tionsstil, der streckenweise, wie leider, aber auch nachdrücklich gesagt werden muß, an Unwahrhaftigkeit grenzt. Die vorliegende Dokumentation

2) Dazu Hübner aa0 25 f, Rauh aa0 71 ff.

3) s.neuestens und typisch der Karlsruher Kybernetiker Karl Steinbuch in: "Falsch programmiert...", Stuttgart 1968, S.56 im Hinblick auf die christlichen Kirchen überhaupt: "Die Fortschrittlichkeit der christlichen Kirchen ist die Fortschrittlichkeit des vorhergehenden Jahrhunderts. Man tut das Richtige immer zu spät...". -244-

dürfte zum Erweis dieser These genügendes Material an die hand ge- geben haben, so daß hier einige abrundende Bemerkungen ausreichen.

Vor einem allzu vorschnellen Urteil sollte allerdings ein Blick auf die geschichtlichen und geistigen Voraussetzungen des 19.Jahrhunderts bewahren, die zu Beginn dieser Untersuchung bereits angedeutet wurden. Bis weit ins 19...Jahrhundert hinein hatte die Naturwissenschaft als Hilfsdisziplin der Theologie dazu beigetragen, Glaubenswahrheiten und das, was man darunter verstand, mit profanen Argumenten zu stützen. Umgekehrt waren die autoritativen Quellen des Glaubens auch die auto- ritativen Normen für die Erkenntnis der Natur. Wenn auch erstmals mit Galilei eine Entzweiung zwischen traditionellem christlichen Glaubens- verständnis und profaner Welterkenntnis offenkundig wurde und seither latent das Verhältnis zwischen beiden Bereichen belastete, so kam doch die Säkularisierung der bisher durchgängig religiös geprägten Vorstel- lungswelt zu unvermittelt, als daß es möglich gewesen wäre, sie mit einem Schlage zu akzeptieren. Auch die Theologie ist als Wissenschaft Kind der jeweiligen Zeit und trägt keine vorfabrizierten Lösungen in der Tasche, die sie beim Aufkommen neuer Fragestellungen schon vorwei- - sen könnte. Sie muß sich vielmehr in der Konfrontation mit diesen Frage- stellungen neue Lösungen erst mühsam erarbeiten. Hinzu kommt, daß der plötzlich aufbrechende Zwiespalt zwischen der traditionell-dominieren- den und bislang unreflektierten Verbalexegese und den neuen empirischen Erkenntnissen den Angriff kirchen- und glaubensfeindlicher Kräfte ge- radezu provozieren und antikirchliche Ressentiments aufleben lassen mußte. Indem Haeckel Darwins Theorie zur Basis seiner Weltanschauung machte, konnte diese selbst anrüchig und als Feindin christlicher Welt- anschauung interpretiert werden. Der Anspruch, die sogenannten Welträt- sel dank lückenloser Kausaldetermination durch die naturwissenschaftliche Forschung im atheistischen Sinne lösen zu können, drängte die katholi- schen Autoren von Anfang an in eine Verteidigungsposition auch gegenüber der Naturwissenschaft selbst und erschwerte eine unvoreingenommene Be- schäftigung mit ihr. Diese Umstände sollten gesehen werden.

4) Dazu ausführlich Bröker aa0 78 f. - 245 -

Aber so sehr sie auch manches zu rechtfertigen vermögen, so ist doch mit ihrer Berücksichtigung nicht auch schon olles entschuldigt. Denn die vorliegende Arbeit hat nur allzu offenkundig gemacht, daß viele Autoren dieser Zeit gar nicht erst das Bedürfnis zu einer positiv-kon- struktiven Auseinandersetzung, zu einem freimütigen Dialog mit den neuen Theorien haben. Die Frage nach der eventuellen Revidierbarkeit der eige- nen Position tritt als Problem doch nur für eine Minderzahl ins Bewußt- sein. Zu fest verwurzelt ist noch die Überzeugung, den Schlüssel zur Welterklärung nicht nur in toto, sondern auch in partibus in Händen zu halten, eine Gewißheit, die jede Selbstkritik unterdrückt und dazu ermun- tert, die Naturwissenschaft vor den Richterstuhl der Theologie zu ziehen. Weil man sich bereits im sicheren Besitz der Wahrheit weiß, glaubt man auch das Recht zu hoben, unmittelbar in den naturwissenschaftlichen Be- reich einzugreifen, um dort die Weichen "richtig" zu stellen und das "Wahre" vom "Falschen" zu sondern. Von vornherein auf Abwehr alles des- sen eingestellt, was mit dem eigenen vorwissenschaftlichen Weltbild nicht übereinstimmt, entartet die notwendige weltanschauliche Auseinandersetzung mit dem Materialismus in einen keineswegs notwendigen Kampf gegen den na- turwissenschaftlichen Fortschritt schlechthin. Der religiöse Eifer, sich gegen materialistische Grenzüberschreitungen zur Wehr zu setzen, verführt dazu, den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen zu wollen, d.h. alles, was man als materialistisches Theorem ansieht - und wie weit war dieser Bereich! - naturwissenschaftlich zu widerlegen. Damit aber fixieren die katholischen Autoren ihre Verteidigung auf ein Terrain, auf dem die mei- sten von ihnen nur ungenügende fachliche Voraussetzungen besaßen. Sie erschöpfen sich in der ermüdenden Abwehrreaktion auf einen wirklichen oder vermeintlichen Gegner, der schon auf Grund des Forschungsfortschritts um stets neue Argumente für seine Thesen nicht verlegen zu sein brauchte. Solch defensive Haltung läßt unbeweglich werden, liefert sich dem Gegner aus und erreicht früher oder später den Punkt, an dem sich die Glaub- würdigkeit der eigenen, mit den falschen Mitteln verteidigten Position auf ein Minimum reduziert. Subjektiv nicht einsehbare Forschungstendenzen werden dann als intellektuelles Unvermögen der gegnerischen Seite klassi- - 246 -

fiziert oder als böswillige materialistische Masche abgetan. An die Stel- le sachlicher Argumentation tritt dann Polemik und Diffamierung, an die Stelle offener Diskussion tritt dann Informationsreduktion, die den Stand des tatsächlich in der Naturwissenschaft schon Erreichten verschweigt oder nicht wahr haben will, um den Absolutheitsanspruch der eigenen These weiterhin behaupten zu können. Beispiele für derartige Praktiken sind mehrfach gegeben worden. L Es wäre möglich gewesen, auch anders vorzugehen. Dazu sei noch einmal an die oben schon erwähnten "optischen Aufheller" erinnert, die auch für das 19.Jahrhundert schon echte Alternativen anboten. Es gab auch zu dieser Zeit schon profilierte Einzelgänger, die sich sowohl um ein sach- liches Verhältnis zu den Naturwissenschaften bemühten, wie auch zwischen Glaubenssubstanz und bloßer Formulierung im Schöpfungsbericht unterschie- den—und zwar ebenfalls unter Berufung auf die theologische Tradition (Augustinus!). Unerwartet stark war sogar die Gruppe derjenigen, die aus genuin theologischem Denken heraus die Evolutionsannahme im subhumanen Bereich relativ schnell mit ihrer Weltanschauung zu vereinbaren wußten. Aber gerade in diesem Punkte hat auch die Kritik wieder anzusetzen. Die Auffassung, daß man mit der Anerkennung selbst einer begrenzten Evolution dem Materialismus Vorschub leiste, treibt dazu, lieber weiterhin auf die noch bestehenden Lücken, Unsicherheiten und Mängel im naturwissenschaft- lichen Erkenntnisprozeß zu verweisen, als die Diskussion darüber den Na- turwissenschaftlern zu überlassen und die theologische Relevanz des Evo- lutionsbegriffes herauszuarbeiten. Diese Haltung konnte nicht wegweisend erscheinen in einer Zeit, die von den Fortschritten der Naturwissenschaft zutiefst beeindruckt war. So haben schon früh vorhandene Alternativen - auch hinsichtlich der humanen Evolution und der Biogenese bei einzelnen Autoren nachweisbar - lange, allzulange, keine Konsequenzen gezeitigt, sind nicht breit aufgegriffen und diskutiert worden, sondern in der Masse entgegengesetzter Stellungnahmen mehr oder weniger untergegangen. Der Durchbruch nach vorn ist nicht gewagt worden.

So gesehen gewinnt der um 1900 nach langer Stagnation endlich einsetzende, an sich eindrucksvolle und redliche Prozeß der Neuorientierung den Charak- - 247 -

ter des längst Oberfälligen. So gesehen kann auch ein Wasmann weniger als zukunftsweisender Wegbereiter gelten - eher schon der ganz am Rande ste-

hende Thöne -, sondern mehr als ein Mann, der gerade noch in zwölfter 5 Stunde eine längst nötige Revision vollzieht . Nicht zu übersehen ist schließlich, daß er und andere evolutionsfreundliche Autoren trotz aller Aufgeschlossenheit nur partielle Zugeständnisse machen, nur das unum- schränkt zuzugeben bereit sind, was ohnehin nicht mehr bestritten werden kann. Der Tendenz des Forschungsfortschritts steht man weiterhin miß- trauisch gegenüber und setzt sich damit auch weiterhin dem Verdacht der Wissenschaftsfeindlichkeit aus.

So bleibt trotz aller redlichen Neubesinnung, trotz aller sachlichen Klärung, trotz aller Grenzen, die zwischen der Zeit vor und nach der Jahrhundertwende zweifellos gezogen werden müssen, der Gesamteindruck negativ. Die seelsorgliche Hilfe, die der Laie in der Zeitspanne zwischen 1854 und 1914 mit auf den Weg bekam, erwies sich in der Wahl ihrer Mit- tel, wie in der Substanz ihrer Aussagen überwiegend - nicht ausschließ- lich, wie namentlich auch im Hinblick auf die entschiedene Frontstellung gegen eine biologistische Auffassung des Menschen gesagt werden muß, - als unzureichend, zum Teil als direkt falsch. Sie genügt nicht, weil sie den Eindruck der Realitätsfremdheit erweckte, weil sie das Wissen um die geschichtlichen Bedingtheiten und die Grenzen ihrer Aussagemöglichkeiten verloren hatte. Wen überrascht es, daß bei solcher Vorgeschichte der Laie

5) Analoge Feststellungen gelten auch für die einschlägigen offiziellen kirchlichen Lehräußerungen: Hinsichtlich der Aussagen zu den auf die Natur bezogenen Angaben der Genesis wirkt "Providentis simus Deus" (1893) reichlich verspätet. Mit sicherem Gespür für die Aktualität der Frage hatte Michelis eine derartige Äußerung bereits 30 Jahre früher angeregt. Auch "Humani Generis" (1950), mit der die leibliche Abstammung des Menschen als legitimer naturwissenschaftlicher For- schungsgegenstand anerkannt und die theologische Diskussion darüber freigegeben wirf, kann für sich in Anspruch nehmen, auf Überlegungen zu reagieren, die bereits kurz nach der Jahrhundertwende in katholi- schen Zeitschriften keinen Seltenheitswert mehr haben. Die Zwischen- zeit mußte im öffentlichen Bewußtsein für die Kirche schädlich sein. -248- in einer heute freilich gewandelten Problemlage ein kritisches, oft miß- trauisches Abwägen an die Stelle gläubigen Vertrauens gesetzt hat. Der

Tübinger Theologe Hans Küng widmet seine neueste Schrift dem Thema der

Wahrhaftigkeit in der Kirche, die er gerade in der jüngeren Vergangen- heit keineswegs verwirklicht sieht. Neben vielen anderen Symptomen berührt er auch "das Trauerspiel, welches sich zwischen Kirche und Na- turwissenschaften in den vergangenen Jahrhunderten abgespielt hat", und kommt zu dem fast schon amüsant klingenden Schluß: "Nur von der

Wissenschaft anderer gezwungen, nur äußerst ungern, nur mit vielen Wenn und Aber geben wir schließlich dann, wenn für die Welt das Problem sehr oft gar nicht mehr aktuell ist, zu, daß wir zwar nicht sicher, aber 6 vielleicht, zwar nicht geirrt, aber doch nicht ganz recht hatten" .

Zutreffender kann das Verhältnis eines Großteils - wenn auch nicht al- ler - der hier näher behandelten Autoren zu den anstehenden Fragen gar nicht umschrieben werden.

6) Küng aa0 40 ff. - 249 -

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1. Q u e l l e n (vgl. dazu Anhang I)

B lätter, Historisch-PoLitisch e. München 33 (1854) - 154 (1914) B lötter, Periodisch e. Regensburg 1 (1872) - 11 (1882) Kochlan d. München 1 (1903/04) - 12 (1914/15) J ahrbuch der Naturwissenschafte n. Freiburg 1 (1886) - 29 (1914) K a t h o 1 i k, D e r. 34 (1854) - 94 (1914) N atur und G l a u b e. München, später Leutkirch 1 (1898) - 9 (1906) N atur und Kultur. München1(1903/04) - 12 (1914/15) N atur und Offenbarung. Münster 1 (1854) - 56 (1910) Schöpfung, Die. Elberfeld1 (1913) - 2 (1914) Stimmen aus Maria Laach. Freiburg 1 (1871) - 87 (1914)

2. L i t e r a t u r

A 1 t n e r, Günter: Schöpfungsglaube und Entwicklungsgedanke in der protestantischen Theologie zwischen Ernst Haeckel und Teilhard de Chardin. Zürich 1965 A r n o 1 d, Franz Xaver: Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft und religiöser Glaube. In: Universitas. Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur. (Stuttgart) 20 (1965) 1269-1278 B a c h e m, Karl: Joseph Bachem. Seine Familie und die Firma J.P. Ba- chem in Köln ... Zugleich ein Versuch der Geschichte der katholischen Presse und ein Beitrag zur Ent- wickelung der katholischen Bewegung in Deutschland. Bd.1.2. Köln 1912 B a r n e s, Harry Elmer: Soziologie der Geschichte. Theorien zur Ent- wickelungsgeschichte der menschlichen Gesellschaft. Stuttgart 1951 B auer, Clemens: Deutscher Katholizismus. Entwicklungslinien und Profile. Frankfurt 1964 - 250 -

B e n z, Ernst: Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung. Antwort auf Teilhard de Chardins Theologie der Evolution. München 1965 B e r g n e r, Günther: Geschichte der menschlichen Phylogenetik seit dem Jahre 1900. Ein Überblick. In: Menschliche Abstammungslehre: Fortschritte der Anthropogenie 1863 - 1964. Hg.v. Gerhard Heberer. Stuttgart 1965, S.20 - 59 B e u m e r, Johannes: Die katholische Inspirationslehre zwischen Vati- canum I und II. Stuttgart 1966 B i h 1 m e y e r, Karl, T ü c h l e, Hermann: Kirchengeschichte. Teil III: Die Neuzeit und die neueste Zeit. 16.Aufl. Paderborn 1959 B i o g r a p h i e, Allgemeine Deutsche: Hg. durch die Historische Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissen- schaften (München) Bd.1 - 56, Leipzig 1875 - 1912 (Zitiert: ADB) B i o g r a p h i e, Neue Deutsche: Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd.1 ff Berlin 1953 ff (Zitiert: NDB) B o d e m, Anton: Die Auseinandersetzung der Theologie mit der Ent- wicklungslehre. In: Trierer theologische Zeit- schrift 74 (1965) 37 - 57 B o 1 1 e, Fritz: Darwinismus und Zeitgeist. In: Zeitgeist im Wandel. Hg. von Hans Joachim Schoeps. Bd.I: Das Wilhelmini- sche Zeitalter. Stuttgart 1967, 5.235 - 287 B o r n k a m m, Heinrich: Die Staatsidee im Kulturkampf. In: Histori- sche Zeitschrift. 170 (1950) 41 - 72, 273 - 306 B o r s t, Arno: Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völ- ker. Bd.3: Umbau. Teil 2. Stuttgart 1961 B r a e u n i g, Karl: Mechanismus und Vitalismus in der Biologie des 19.Jahrhunderts. Ein geschichtlicher Versuch. Leipzig 1907 Breuer, Winand: Die Auseinandersetzung mit den Theorien des Darwi- nismus im deutschen Protestantismus, dargestellt an ausgewählten Beispielen aus der Publizistik der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Ungedruckte Zulassungsarbeit für d.Wiss.Prüfung f.d.Lehramt an Gymnasien in Bd.-Wttbg. August 1964 (Univ.Freiburg) B r i n k t r i n e, Johannes: Die Lehre von der Schöpfung. Paderborn 1956 - 251 - B röker, Werner: Der Sinn von Evolution. Ein naturwissenschaftlich- theologischer Diskussionsbeitrag. Düsseldorf 1967. Patmos Paperback Brück, Heinrich: Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19.Jahrhundert. Bd.3: Von der Bischofsversamm- lung in Würzburg 1848 bis zum Anfang des sog.Kul- turkampfes 1870. Mainz 1896. Bd.4: Vom Vaticon. Concil bis zur Gegenwart. 2.Abteilung. Hg. und fortgesetzt von J.B.Kißling. Münster 1908 B üchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Naturphilosophische Untersuchun- gen auf tatsächlicher Grundlage. 14.Aufl. Leipzig 1876 B üchner, Ludwig: Die Darwinsche Theorie von der Entstehung und Umwandlung der Lebewelt ... In sechs Vorlesungen ollgemeinverständlich dargestellt. 4.Aufl. Leipzig 1876 Cardauns, Hermann: Die Gärres-Gesellschaft 1876 - 1901. Denk- schrift zur Feier ihres 25jährigen Bestehens ... Köln 1901 (Zitiert: Gärres I) Cardauns, Hermann: Die Gärres-Gesellschaft 1901 - 1916. In: Schriften der Gärres-Gesellschaft. 3.Vereinsschrift 1916. Köln 1917, S.45 - 72 (Zitiert: Gärres II) C h a u c h a r d, Paul: Naturwissenschaft und Katholizismus. Einheit und Widerspruch von Geist und Materie. Olten, Frei- burg 1962 C 1 a r k, Robert E.D.: Darwin und die Folgen. Zur Geschichte und Kritik der Entwicklungslehre. Wien, München 1954 Conrad-Mortius, Hedwig: Utopien der Menschenzüchtung. Der Sozialdarwinismus und seine Folgen. München 1953 Conrod-Martius, Hedwig: Abstammungslehre. München 1949 D o m p i e r, William Cecil: Geschichte der Naturwissenschaft in ihrer Beziehung zu Philosophie und Weltanschauung. Wien 1952. Sammlung: Die Universität Bd.25 D a r w i n, Charles: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Übersetzt von J.V.Carus. Bd.1,2., 2.Aufl. Stuttgart 1871 D arwin, Charles: Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflan- zenreich durch natürliche Züchtung ... Übersetzt von H.G.Bronn. 2.Aufl. Stuttgart 1860 D e n n e r t, Eberhard: Hindurch zum Licht! Erinnerungen aus einem Le- ben der Arbeit und des Kampfes. Stuttgart 1937 - 252 - D enzinger, Heinrich; R a h n e r, Karl: Enchiridion Symbolorun, Definitionum et Declarationum de rebus fidel et morum ... 30.Aufl. Freiburg 1955 D e p d o 1 1 a, Philip: Hermann Müller-Lippstadt (1829-1883) und die Entwicklung des biologischen Unterrichts. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 34 (1941) 261 - 334 D i 1 1 e n b e r g e r, John: Protestant Thought and Natural Science. A Historical Interpretation. New York 1960 D r a p e r, John Williom: History of the Conflict between Religion and Science. 22.Aufl. London 1896 D r i e s c h, Hans: Geschichte des Vitalismus. 2.Aufl. Leipzig 1922. Natur- und kulturphilosoph. 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In: StdZ 164 (1958/59) 356 - 370 H a e c k e 1, Ernst: Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien über biologische Philosophie. 2.Aufl. Stuttgart 1904 H a e c k e 1, Ernst: Sandalion. Eine offene Antwort auf die Fälschungs- anklagen der Jesuiten. Frankfurt 1910 H a e c k e 1, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständ- liche wissenschaftliche Vorträge über die Entwicke- lungslehre. 2.Aufl. Berlin 1870 H a e c k e 1, Ernst: Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. Bonn 1899 H a n d b u c h, Kirchliches: (ab Bd.2: für das katholische Deutschland) Hg.von H.A.Krose. Bd.1 - 10. Freiburg 1908 - 1920 - 254 -

H a n d w e i s e r, Litterarischer zunächst für das katholische Deutsch- land. Hg.v. Franz Hülskamp und Hermann Rump. Mün- ster 1862 ff (zitiert Handweiser) H a r t m a n n, Eduard von: Die Abstammungslehre seit Darwin. In: Anna- len der Naturphilosophie. 2 (1903) 285 - 355 H artmann, Eduard von: Das Problem des Lebens. Biologische Studien. Bad Sachsa 1906 H a u s m a n n, Marianne: Münchener Zeitschriften von 1870 bis 1890. Phil.Diss. Würzburg 1938 H e b e r e r, Gerhard: Die Abstammung des Menschen. In: Handbuch der Biologie. Bd.IX. Konstanz 1962, 5.245 - 328 H e b e r e r, Gerhard: Zur Geschichte der Evolutionstheorie, besonders in ihrer Anwendung auf den Menschen. Von Darwin bis zum Ende des 19.Jahrhunderts. In: Menschliche Abstammungslehre. Fortschritte der Anthropogenie 1863 - 1964. Hg.von Gerhard Heberer. Stuttgart 1965, 5.1 -19 H e b e r e r, Gerhard: Was heißt heute Darwinismus? 2.Aufl. Göttingen 1960 H e g e 1, Eduard: Geschichte der katholisch-theologischen Fakultät Münster 1773 - 1964. Erster Teil, Münster 1966. Münsterische Beiträge zur Theologie. Heft 30,1 H e m 1 e b e n, Johannes: Ernst Haeckel in Selbstzeugnissen und Bild- dokumenten. Reinbek b. Hamburg 1964. Rowohlts Mono- graphien 99 Hennemann, Gerhard: Naturphilosophie im 19.Jahrhundert. Freiburg, München 1959 H e n n e m a n n, Gerhard: Naturwissenschaft und Religion. Berlin 1963. Erfahrung und Denken. Schriften zur Förderung d. Beziehungen zwischen Philosophie und Einzelwissen- schaften 11 Hermelin k, Heinrich: Das Christentum in der Menschheitsgeschich- te von der Französischen Revolution bis zur Gegen- wart. Bd.II: Liberalismus und Konservativismus 1835 - 1870. Tübingen, Stuttgart 1953. Bd.III: Nationalismus und Sozialismus 1870 - 1914. Tübin- gen, Stuttgart 1955 H e r t 1 i n g, Georg von: Das Prinzip des Katholizismus und die Wissen- schaft. Grundsätzliche Erörterungen aus Anlaß einer Tagesfrage. 4.Aufl. Freiburg 1899 -255-

H e r t 1 i n g, Ludwig von: Stimmen aus Maria Laach - Stimmen der Zeit. In: Benedikt und Ignatius. Maria Laach als Colle- gium maximum der Gesellschaft Jesu 1863 - 1872 - 1892. Gesammelte Aufsätze. Hg.von Th.Bogler OSB. Maria Laach 1963, 5.67 - 77. Liturgie und Mönch- tum. Laacher Hefte 32 H i m m e 1 f a r b, Gertrude: Darwin and the Darwinian Revolution. New York 1959 H i r s c h, Emanuel: Geschichte der neuern evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens. Bd.V, Gütersloh 1954 H o c e d e z, Edgar: Histoire de la Theologie au XIXe Siede. Bd.2: Epanouissement de la Theologie 1831 - 1870. Brüssel, Paris 1952. Bd. 3: La regne de Leon XIII, 1878 - 1903. Brüssel, Paris 1947 H o d g s o n, P.E.: The and Science. In: The Hibbert Journal 54 (1955/56) 15 - 28 H ö r g 1, Charlotte; R a u h, Fritz: Dualität und Einheit von Materie und Geist. In: Grenzfragen des Glaubens. Theolo- gische Grundfragen als Grenzprobleme. Hg.von Char- lotte Hörgl und Fritz Rauh. Einsiedeln, Zürich, Köln 1966, 5.43 - 52 H ü b n e r, Jürgen: Theologie und biologische Entwicklungslehre. Ein Beitrag zum Gespräch zwischen Theologie und Natur- wissenschaft. München 1966 H ürzeler, Johannes: Evolution und Monogenismus, Polygenismus. In: Orientierung. Kathol.Blätter für weltanschauliche Information. Zürich 28 (1964) 196 f H u r t e r, Hugo: Nomenclator literarius theologiae catholicae Theo- logos exhibens aetate, natione, disciplinis distinc- tos. Bd.V 1.2. - 3.Aufl. Oeniponte 1911/13 J a h r b u c h, Biographisches und Deutscher Nekrolog. Hg.von Anton Bet- telheim. Bd.1 - 13, Berlin 1897 - 1917 J ahrbuch, Deutsches Biographisches. Hg.vom Verband der deutschen Akademien. Bd.1 - 5. 10.11. Stuttgart, Berlin, Leipzig 1925 - 1932 J o r d a n, Pascual: Der Naturwissenschaftler vor der religiösen Frage. Abbruch einer Mauer. Oldenburg, Hamburg 1963 K ä 1 i n, Joseph: Evolutionstheorie und katholische Weltanschauung. In: Divus Thomas. Jahrbuch für Philosophie u. spe- kulative Theologie. III.Serie 27 (1949) 5 - 16 -256-

K e i t e r, Heinrich: Handbüchlein der katholischer Presse Deutsch- lands, Österreich, der Schweiz und der Vereinig- ten Staaten fur Redakteure, Verleger, Sc-rift- steller und Inserenten. Regensburg 1895 (Zitiert- Keiter I) K e i t e r, Heinrich: Handbuch der katholischen Presse Deutsc"lands, Österreichs, der Schweiz, Luxemburgs und der ver- einigten Staaten von Nordamerika fJr Redakteure, Verleger, Schriftsteller und Inserenten. 2.- 5.Auf- lage. Essen 1900, 1908, 1909 u. 1913 (Zitiert: Keiter II - V) K i e f 1, Franz Xaver: Charles Darwin und die Theologie. In: Katholi- sche Weltanschauung und modernes Denken. Gesammelte Essays über die Hauptstationen der neueren Philoso- phie. Regensburg 1922, 5.205 - 231 K irchner, Joachim: Das deutsche Zeitschriftenwesen. Seine Ge- schichte und seine Probleme. Teil II: Vom Wiener Kongreß bis zum Ausgang des 19.Jahrhunderts. Wies- baden 1962 K i r s c h, Johann Peter: Kirchengeschichte. Bd.IV: Die Kirche im Zeit- alter des Individualismus 1648 bis zur Gegenwart. Abt.II: Im Zeichen des herrschenden Individualis- mus 1800 bis zur Gegenwart. Bearb.v. Ludw.Andr.Veit. Freiburg 1933 K i r s c h k e, Siegfried: Die Entstehung des Menschen im Spiegel der Ansichten zeitgenössischer katholischer Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftler. Analyse und Kritik. Phil.Diss. Halle 1964 (Masch.) K linke, Friedrich: Der Monismus und seine philosophischen Grundla- gen. Beiträge zu einer Kritik moderner Geistes- strömungen. Freiburg 1911 K 1 o h r, Olof: Naturwissenschaft, Religion und Kirche. Berlin 1958 K o c h, Ludwig: Jesuiten-Lexikon. Die Gesellschaft Jesu einst und jetzt. Paderborn 1934 K öberl e, Adolf: Die religiösen und weltanschaulichen Auswirkungen des Darwinismus. In: Wege zum Menschen. 11 (1959) 257 - 265 K olping, Adolf: Katholische Theologie. Gestern und Heute. Thematik und Entfaltung deutscher katholischer Theologie vom I.Vaticanum bis zur Gegenwart. Bremen 1964 K o s c h, Wilhelm: Das katholische Deutschland. Biographisch-biblio- graphisches Lexikon. Bd.1.2. (-Schlüter) Augsburg 1933 ff — 257 —

K r a m e r, Wolfgang: Zeitkritik und innere Auseinandersetzung im deut- schen Katholizismus um die Jahrhundertwende im Spie- gel der katholischen Zeitschriften. 1885 - 1914. Phil.Diss. Mainz 1955 (Masch.) K raus, Gelasius: Bernhard Altum als Naturphilosoph. Ein Beitrag zur Geschichte der Naturphilosophie im 19.Jahrhundert. Paderborn 1914. Studien zur Philosophie und Reli- gion Heft 15 K ü n g, Hans: Wahrhaftigkeit. Zur Zukunft der Kirche. Freiburg, Basel, Wien 1968. Ökumenische Forschungen. Hg.von Hans Küng und Josef Ratzinger. Ergänzende Abt. Kleine ökumenische Schriften 1 K ürschner, Joseph: Deutscher Gelehrtenkalender. 1.Aufl. Berlin 1925 - 10.Aufl. 1966 K u p i s c h, Karl: Bürgerliche Frömmigkeit im Wilhelminischen Zeital- ter. In: Zeitgeist im Wandel. Hg.v. Hans Joachim Schoeps. Bd.I: Das Wilhelminische Zeitalter. Stutt- gart 1967, S.40 - 59 L a d e n b u r g, Albert: Ober den Einfluß der Naturwissenschaften auf die Weltanschauung. Vortrag gehalten auf der 75. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Kassel am 21.Sept.1903. Leipzig 1903 L a i s, Hermann: Probleme einer zeitgemäßen Apologetik. Wien 1956 L a n d m a n n, Michael: Der Mensch als Evolutionsglied und Eigentypus. In: Menschliche Abstammungslehre. Fortschritte der Anthropogenie 1863 - 1964. Hg.v. Gerhard Heberer. Stuttgart 1965, S.426 - 443 L a n g e, Friedrich Albert: Geschichte des Materialismus und Kritik sei- ner Bedeutung in der Gegenwart. Buch II: Geschichte des Materialismus seit Kant. 8.Aufl. Leipzig 1908 L a v o c a t, Rene: Kirche und Naturwissenschaft. Um den Dialog beider Gemeinschaften. Paderborn 1968 L exikonfür Theologie und Kirche. Begr.v.Michael Buchberger. 1.Aufl. Freiburg 1932 - 1938. 2.Aufl. Freiburg 1957 - 1967 (Zitiert: LThK) L ienart, A.: Der Christ und die Entwicklungslehre. In: StdZ 142 (1948) 83 - 90 L iteraturkalender, Katholischer. Begr.v. Heinrich Keiter, fortgeführt von Josef Jörg u.a. Regensburg (später Essen a.d.Ruhr u. Freiburg) Jg.4 (1894) - 15 (1926) L o c h n e r, Hansmartin: Die katholischen Zeitschriften Bayerns 1900 - 1918. Phil.Diss. München 1954 (Masch.) — 258 —

L öffler, Klemens: Geschichte der katholischen Presse Deutschlands. Mönchen-Gladbach 1924 L o r t z, Joseph: Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Be- trachtung. 21.Aufl. Münster 1962 L ü t g e r t, Wilhelm: Das Ende des Idealismus im Zeitalter Bismarcks. Gütersloh 1930 M a s o n, Steffen F.: Geschichte der Naturwissenschaft in der Entwick- lung ihrer Denkweisen. Stuttgart 1961. Kroners Taschenausgabe Bd.307 M a y, Eduard: Das Vitalismusproblem und die Erklärung der Lebens- phänomene. In: Philosophie naturalis 2 (1953) 231 - 257 M a y, Walther: Ernst Haeckel. Versuch einer Chronik seines Lebens und Wirkens. Leipzig 1909 M e n n: Friedrich Michelis (1815 - 1886) In: Internationale kirchliche Zeitschrift 1 (1911) 300 - 322 M e s c h k o w s k i, Herbert: Das Christentum im Jahrhundert der Na- turwissenschaften. München 1961 M e u r e r s, Joseph: Die Frage nach Gott und die Naturwissenschaft. München 1962 M e y e r, Hans: Die Weltanschauung der Gegenwart. Paderborn, Würz- burg 1949. 5.8d. der Geschichte der abendländischen Weltanschauung. M o h r, Hans: Wissenschaft und menschliche Existenz. Vorlesungen über Struktur und Bedeutung der Wissenschaft. Frei- burg 1967 rombach hochschul paperback M u h s, Karl: Geschichte des abendländischen Geistes. Grundzüge einer Kultursynthese. Bd.II: Die Entfaltung des Weltbildes und die Antiphonie der Werte. Berlin 1954 M u s c h a 1 e k, Hubert: Urmensch Adam. Die Herkunft des menschlichen Leibes in naturwissenschaftlicher und theologischer Sicht. Berlin 1963 (Niedermeyer, Andreas:) Die katholische Presse Deutschlands. 2. Aufl. Freiburg 1861 O e s t e r r e i c h, Traugott Konstantin: Die deutsche Philosophie des XIX.Jahrhunderts und der Gegenwart. Tübingen 1951. Friedrich Ueberwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie. Vierter Teil. 13.Aufl. - 259 -

O t t, Ludwig: Grundriß der katholischen Dogmatik. 4.Aufl. Frei- burg 1959 O v e r h a g e, Paul:Um das Erscheinungsbild des ersten Menschen. Frei- burg 1959. Quaestiones disputatae 7 O v e r h a g e, Paul;Rahner, Karl: Das Problem der Hominisation. Ober den biologischen Ursprung des Menschen. 2.erg. Aufl. Freiburg, Basel, Wien 1963 Quaestiones dispu- tatae 12/13 P a s t o r, Ludwig Freiherr von: Der Mainzer Domdekan Dr.Joh.Bapt.Hein- rich 1816 - 1891. Ein Lebensbild nach originalen Quellen und persönlichen Erinnerungen. Freiburg 1925 P e s c h, Rudolf: Die kirchlich-politische Presse der Katholiken in der Rheinprovinz vor 1848. Mainz 1966. Veröffent- lichungen der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in Bayer., Hg.v. Konrad Repgen. Reihe B: Forschungen. Bd.2 P e t e r s, Hans M.: Grundfragen der Tierpsychologie. Ordnungs- und Ge- staltungsprobleme. Stuttgart 1948 P 1 a t e, L(udwig): Ultramontane Weltanschauung und moderne Lebenskunde. Orthodoxie und Monismus. Die Anschauungen des Jesui- tenpaters Erich Wasmann und die gegen ihn in Berlin gehaltenen Reden. Jena 1907

R EI d 1, Em.: Geschichte der biologischen Theorien. II.Teil: Ge- schichte der Entwicklungstheorien in der Biologie des 19.Jahrhunderts. Leipzig 1909 Rahner, Karl: Theologisches zum Monogenismus. In: Rahner, Karl: Schriften zur Theologie. Einsiedeln, Zürich, Köln 1954, S.253 - 322 Rahner, Richard: Überblick über die Geschichte der Abstammungslehre im Kampfe mit der Schöpfungsgeschichte. München 1919. Monistische Bibliothek. Kleine Flugschriften Nr.8 Raßmann, Ernst: Nachrichten von dem Leben und den Schriften Münster- löndischer Schriftsteller des 18. und 19.Jahrhun- derts. Münster 1866 und NF 1881 R a u h, Fritz: Theologische Grenzprobleme der Evolutionstheorie. In: Grenzfragen des Glaubens. Theologische Grund- fragen als Grenzprobleme. Hg.von Charlotte Hörgl und Fritz Rauh. Einsiedeln, Zürich, Köln 1968 S.53 - 76 R e d e n, Ansprachen und Vorträge des Grafen Georg von Hertling. Mit eini- gen Erinnerungen an ihn. Gesammelt von Adolf Dryoff. Köln 1929. Schriften der Gärres-Gesellschaft 1929,2, - 260 -

Reichensperger, A.: Erich Wasmann. In: Zoologischer Anzei- ger. 82 (1929) 1 -10 "Wasmann-Festband" R e i c h m a n n, Matthias: Zum Gedächtnis der Heimgegangenen. In: StdZ 101 (1921) 251 - 260 Religionin Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theolo- gie und Religionswissenschaft. 3.Aufl. Hg.von Kurt Galling. Tübingen 1957-1962 (Zitiert: RGG) R i e c k m a n n, Lieselotte: Charles Darwins Abstammungslehre als Aus- druck der englischen Weltanschauung des 19.Jahrhun- derts. Nat.math.Diss. Hamburg 1938 R i e g e r, Isolde: Die Wilhelminische Presse im überblick. 1888 - 1918. München 1957 R o b e r t s, Windsor Hall: The Reaction of American Protestant Churches to the Darwinian Philosophy, 1860 - 1900. Chicago 1936. (Abstract of dissertation, 1938) S a s s, Hans-Martin: Daseinsbedeutende Funktionen von Wissen und Glauben im Jahrzehnt 1860 - 1870. In: Zeitschrift für Reli- gions- und Geistesgeschichte. 20 (1968) 113 - 138 5 c h a x e 1, Julius:Ernst Haeckel und die Biologie seiner Zeit. In: Na- turwissenschaftliche Wochenschrift 35 NF 19 (1920) 49 - 52 S c h e e b e n, Josef M.: Handbuch der katholischen Dogmatik. Bd.II. Freiburg 1878 S c h e f f c z y k, Leo: Ausblicke und Folgerungen einer Geschichte des Schöpfungsdogmas. In: Theologische Quartal-Schrift 144 (1964) 69 - 89 S c h e f f c z y k, Leo: Schöpfung und Vorsehung. Freiburg 1963. Hand- buch der Dogmengeschichte. Hg.von Michael Schmaus und Alois Grillmeier. Bd.II: Der Trinitarische Gott. Die Schöpfung. Die Sünde. Fascikel 2 a: Schöpfung und Vorsehung. S c h e r e r, Robert: Religion und Naturwissenschaft. In: Der Katholi- zismus in Deutschland und der Verlag Herder. Frei- burg 1951, S.234 - 241 S c h 1 a w e, Fritz: Literarische Zeitschriften. 1885 - 1910. Stuttgart 1961 Schlitzer, Albert L.: The Position of Modern Theology an the Evo- lution of Man. In: Laval Thieologique et Philoso- phique (Fac de theol. et de philos. de lUniv. Laval de Quebec) Quebec 8 (1952) 208 - 229 - 261 -

Schmaus, Michael: Katholische Dogmatik. Bd.II, 1.Teil: Gott der Schöpfer. 5.Aufl. München 1954 S c h m i d t, Heinrich: Haeckels Embryonenbilder. Dokumente zum Kampf um die Weltanschauung in der Gegenwart. Frankfurt 1909 S c h m u c k e r, Theodor: Geschichte der Biologie. Forschung und Lehre. Göttingen 1936 Schnabel, Franz: Deutsche Geschichte im 19.Jahrhundert. Bd.IV: Die religiösen Kräfte. Freiburg 1949 S c h n a b 1, Wolfgang: Hochland. Geistige Kämpfe und Leistungen der ersten 10 Jahrgänge. Phil.Diss. Wien 1937 S c h n e i d e r, Burkhart: Die Kirche in der Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist. 100 Jahre nach dem Syllabus (1864) In: Wort der Päpste. Hg.von Wilhelm Sandfuchs. Würz- burg 1965. S.18 - 29 S c h n i t k e r, Werner: Konsequenzen der Veränderung des Verhältnisses von Theologie und Naturwissenschaft. In: Neue Zeit- schrift für systematische Theologie und Religions- philosophie. 8 (1966) 374 - 380 Schöpfungsglaube und biologische Entwicklungslehre. Hg.von Karl Forster. Würzburg 1962. Studien und Berichte der katholischen Akademie in Bayern. Heft 16 Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie. Eine Vortrags- reihe. Stuttgart 1955 5 c h u 1 t e, Wilhelm: Westfälische Köpfe. 300 Lebensbilder bedeutender Westfalen. Biographischer Handweiser. Münster 1963 S c h w e g 1 e r, Theodor: Die biblische Urgeschichte. Im Lichte der Forschung. München 1960 S c h w i d e t z k y, Ilse: Das Menschenbild der Biologie. Ergebnisse und Probleme der naturwissenschaftlichen Anthropo- logie. Stuttgart 1959 S e i d e 1, Hans Werner: Die Erforschung des Alten Testaments,in der katholischen Theologie seit der Jahrhundertwende. Ev.theol.Diss. Hamburg 1962 (Masch.) S i e r p, Heinrich: Fünfzig Jahre Stimmen. In: StdZ 101 (1921) 241 - 250 S i m o n s s o n, Tord: Face to Face with Darwinism. A Critical Analysis of the Christian Front in Swedish Discussion of the Later Nineteenth Century. Doctoral diss. Lund 1958 S o r o k i n, Pitirim: Soziologische Theorien im 19. und 20.Jahrhundert. München 1931 -262-

S p a e 1, Wilhelm: Das katholische Deutschland im 20.Jahrbundert. Seine Pionier- und Krisenzeiten 1890 - 1945. Würzburg 1964 S p a e 1, Wilhelm: Die Gärres-Gesellschaft 1876 - 1941. Grundlegung. Chronik. Leistungen. Paderborn 1957 Sperlings Zeitschriftenadressbuch. Hand- und Jahrbuch der deut- schen Presse. Hg.v. H.O.Sperling. 48.Aufl. Stutt- gart 1914 Spülbeck, Otto: Der Christ und das Weltbild der modernen Natur- wissenschaften. 4.Aufl. Berlin 1957 S t e g m a n n, Franz Josef: Von der ständischen Sozialreform zur staat- lichen Sozialpolitik. Der Beitrag der Historisch- Politischen Blätter zur Lösung der sozialen Frage. München, Wien 1965. Beiheft 4 der Zweimonatsschrift Politische Studien. Steinbüchel, Theodor: Die Abstammung des Menschen. Theorie und Theologie. Frankfurt 1951 Stimmen aus Maria Laach - Stimmen der Zeit 1865 - 1965. In: StdZ 175 (1965) 401 - 415 S t r a u ß, David Friedrich: Der alte und der neue Glaube. Ein Bekennt- nis. 3.Aufl. Leipzig 1872 T e u d t, Wilhelm: "Im Interesse der Wissenschaft!" Haeckels "Fäl- schungen" und die 46 Zoologen etc. Die wichtigsten Dokumente zum Fall Braß-Haeckel nebst Erläuterungen und Ergebnis. Godesberg 1909 W a s m a n n, Erich: Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie. 3.Aufl. Freiburg 1906 W a s m a n n, Erich: Der Kampf um das Entwicklungsproblem in Berlin. Ausführlicher Bericht über die im Februar 1907 ge- haltenen Vorträge und über den Diskussionabend. Freiburg 1907 (Zitiert: Kampf) W a s m a n n, Erich: Die Überwindung des Materialismus in den biologi- schen Wissenschaften. In: StdZ 101 (1921) 305 - 314 W a s m a n n, E(rich): Der biologische Unterricht an den höheren Schulen. Köln 1906 W erden, Das stammesgeschichtliche der Organismen und des Menschen. Hg.von Adolf Haas. Freiburg 1959 W er ists? Begründet und hg.von Hermann A.L.Degener. Ausgabe 1 - 10 Berlin 1905 - 1935 -263-

W e r n e r, Karl: Geschichte der katholischen Theologie. Seit dem Trienter Concil bis zur Gegenwart. 2.Aufl. München, Leipzig 1889. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland Bd.6 W h i t e, Andrew Dickson: Geschichte der Fehde zwischen Wissenschaft und Theologie in der Christenheit. Bd.1.2. Über- setzt n.d.verb.16.Aufl. v. C.M.v.Unruh. Leipzig 0.J. (1911) W i d m a n n, Simon Peter: Die Aschendorffsche Presse 1762 - 1912. Ein Beitrag zur Buchdruckergeschichte Münsters. Münster 1912

W i e s e, Leopold von: Soziologie. Geschichte und Hauptprobleme. 6.Aufl. Berlin 1960 W o e r 1, Leo: Die Katholische Presse in Europa zu Neujahr 1877. Würzburg 1877. (Zitiert: Woerl I) W o e r 1, Leo: Weltrundschau über die katholische Presse zu Neu- jahr 1878. (Zitiert: Woerl II) W o e r 1, Leo: Die Publizistik der Gegenwart. Eine Rundschau über die gesamte Presse der Welt. Heft 1-3 Würzburg 1879 (Zitiert: Woerl III) W o e r 1, Leo: Statistik der katholischen Zeitungen und Zeitschrif- ten in Deutschland, Österreich-Ungarn, Luxemburg und der Schweiz zu Neujahr 1882. Würzburg 1882 (Zitiert: Woerl IV) Z i e g 1 e r, Heinrich Ernst: Der Begriff des Instinktes einst und jetzt. Eine Studie über die Geschichte und die Grundlagen der Tierpsychologie. 2.Aufl. Jena 1910 Z i m m e r m a n n, Walter: Die Auseinandersetzung mit den Ideen Darwins. Der Darwinismus als ideengeschichtliches Phänomen. In: 100 Jahre Evolutionsforschung. Das wissenschaft- liche Vermächtnis Charles Darwins. Hg.von Gerhard Heberer und Franz Schwanitz. Stuttgart 1960, S.290 - 354 Z i m m e r m a n n, Walter: Evolution. Die Geschichte ihrer Probleme und Erkenntnisse. Freiburg 1953 Z m a r z 1 i k, Hans-Günter: Der Sozialdarwinismus in Deutschland als ge- schichtliches Problem. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 11 (1963) 246 - 273 Z öckler, Otto: Geschichte der Apologie des Christentums. Gütersloh 1907 Z öckler, Otto: Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft mit besonderer Rücksicht auf Schöpfungsgeschichte. II.Abteilung: Von Newton und Leibniz bis zur Gegenwart. Gütersloh 1879

-264-

ANHANG I

Daten zur Geschichte der ausgewerteten Zeitschriften.

Vorbemerkungen: Die Zeitschriften werden in der in Kapitel I eingehalte- nen Reihenfolge ihres Erscheinens aufgeführt. Die Daten sind im allgemeinen nur für die Zeit des Berichtszeit- raumes ermittelt worden.

1) DER KATHOLIK Titel: 1821 - 1858: Der Katholik - Eine religiöse Zeitschrift zur Be- lehrung und Warnung. 1859 - 1918: Der Katholik - Zeitschrift für katholische Wissen- schaft und kirchliches Leben. Erscheinungsdauer: Januar 1821 - 1918 Verlag: Seit 1844 Kirchheim, Mainz Redaktion: Begründet und redigiert durch Andreas Räß und Nikolaus Weis

1851 - 1890/91: Christoph Moufang u. Johann Baptist Heinrich 1891 - 1907 : Johann Michael Raich 1907 - 1918 : Josef Becker u. Josef Selbst Folge: 1850 - 1858 : Halbmonatlich 1859 - 1918 : Monatlich (1859, 1890 und 1908 jeweils Beginn einer neuen Folge) Format und Umfang: Oktav, 120 - 96 S. pro Heft Auflage mit Quellenangabe: 1825 : 1800 (Löffler 21); 1847 : 900 (Pesch 199); 1868 : 1100 (Handweiser 73 (1868) 487); 1878 : 1200 (Woerl 11,21); 1888 : 1000 (Frizenschaf 27); 1900 : 1000 (Keiter II, 50f); 1908 : 800 (Keiter III, 68 f); 1913 : ? (Keiter V). Register: Stillbauer, Johannes: Generalregister des Katholik vom Jahre 1821 - 1889, Mainz 1892 Literaturhinweis: Pesch 140 ff, 199 f mit weiterführender Literatur

2) HISTORISCH-POLITISCHE BLÄTTER

Titel: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland Erscheinungsdauer: April 1838 - 1923 (Fortsetzung 1924 - 1933 durch Gelbe Blätter) Verlag: In Kommission der Literarisch-artist.AnstaltL, München (später Theodor Riedel, Buchhandlung (München)) -265-

Redaktion: 1838 - 1852: Guido Gärres u. Georg Philipps 1852 - 1857: Edmund Jörg 1858 - 1901: Edmund Jörg u. Franz Binder 1902 : Franz Binder 1903 - 1914: Franz Binder u. Georg Jochner

Folge: Halbmonatlich ( . 2 Bde) Format und Umfang: Oktav, 85 - 70 S. pro Heft Auflage mit Ouellenon2abe: 1850 : 2000 (Kirchner 91); 1868 : 2000 (Hand- weiser 73 (1868) 488); 1878 : 1500 (Woerl II, 281); 1888 : 1200 (Frizenschaf 15); 1900 : 1480 (Keiter II, 46 f); 1909 : 3000 (Keiter IV, 62 f). Davon abweichend Hausmann 100, die für die Jahre 1871 - 1887: 1000 - 500 Exemplare angibt. Register: Register zu den Histor.-Polit.Blättern, München 1859 (Bd. 1-34); 1864 (Bd. 35-50); 1879 (Bd 51-81); 1893 (Bd 82-111); 1903 (Bd 112-130) Literaturhinweis: Fesch 166 f u. Stegmann aa0, beide mit weiterführender Literatur

3) STIMMEN AUS MARIA-LAACH Titel: 1865 - 1869: Die Encyclica Papst Pius IX. vom 8. Dezember 1864. Stimmen aus Maria Laach 1869 - 1871: Das ökumenische Concil. Stimmen aus Maria Laach. Neue Folge 1871 - 1914: Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter Oktober 1914 ff: Stimmen der Zeit. Monatsschrift für das Geistes- leben der Gegenwart. Erscheinungsdauer: März 1865 (1871) - (1914) Verlag: Herder, Freiburg Redaktion:1865 - 1869 : Florian RieB S.J., u.a. 1869 - 1871 : Florian RieB S.J. u. Karl von Weber S.J. 1871 : G.Michael Pachtler S.J. 1872 - 1879 : Rudolf Cornely S.J. 1879 - 1885 : Gerhard Schneemann S.J. 1885 - 1889 : Jacob Fäh S.J. 1889 - 1899 : Augustin Langhorst S.J. 1899 - 1903 : Joseph Blötzer S.J. 1904 - 1909 : Karl Frick S.J. 1909 - 1913 : Hermann Krase S.J. 1913 - 1916 : Hermann Muckermann S.J.

Folge: 1865 - 1869 : 12 Hefte unregelmäßig 1869 - 1871 : 12 Hefte unregelmäßig 1871 - 31.6.1874: Monatlich 1.7.1874 - Sept.1914: 10 Hefte jährlich (Reaktion auf das Pressegesetz vom 7.5.1874) - 266 -

Format und Umfang: Oktav; 1865 - 1871: unterschiedlich 70 - 200 S. pro Heft. Seit 1871 : 110 - 120 S. pro Heft

Auflage mit Quellenangabe: 1878 : 5000 (Woerl II, 278); 1885 : 3360 (Hert- ling, Stimmen, 74); 1888 : 4000 (Frizenschaf 4); 1895 : 4700 (Keiter I, 34 f); 1900 : 5000 (Keiter II, 46 f); 1908 : 5100 (Keiter III, 64 f); 1914 : 6000 (Sperling 189) Register: Register zu den Stimmen aus Maria Laach Bd 1-3, Freiburg 1886, 1899, 1913. - Viertes Register zu den Stimmen der Zeit umfas- send Bd 76-156 (1909-1955), Freiburg 1960 Literaturhinweis: Stimmen aus Maria Laach - Stimmen der Zeit 1865 - 1965 in StdZ 175 (1965) 401 ff; Sierp aa0; Koch aa0.

4) PERIODISCHE BLÄTTER

Titel: 1869 - 1871: Das oekumenische Concil. Periodische Blätter zur Mitteilung und Besprechung der Gegenstände, welche sich auf die neueste allgemeine Kirchenversammlung beziehen. 1872 - 1882: Periodische Blätter zur wissenschaftlichen Bespre- chung der großen religiösen Fragen der Gegenwart Erscheinungsdauer: 1869 (1872) - 1882 Verlag: Pustet, Regensburg Redaktion: Matthias Joseph Scheeben Folge: 1869 - 1871: 37 Hefte in 3 Bden, unregelmäßig (Zählung nach Handweiserangaben) 1872 - 1882: Monatlich Format und Umfang: Oktav; 1869 - 1871 unterschiedlich 1872 - 1882 : 48 S. durchschnittlich Auflage mit Quellenangabe: 1871 : 5000 (Handweiser 110 (1871) 519); 1878 : 2400 (Woerl II, 74); 1882 : 2400 (Woerl IV, 20). Register: Gesamtregister zu Bd. 1-11 in Bd 11 (1882) 568-576 Literaturhinweis: Löffler 71

5) HOCHLAND Titel: Hochland, Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und der Kunst Erscheinungsdauer: Oktober 1903 ff Verlag: Kösel, München Redaktion: Karl Muth Folge: Monatlich Format und Umfang: Oktav; 128 S. pro Heft -267-

Auflage mit Quellenangabe: 1906 : 10 000 (Schlaue 80); 1908 : 10 000 (Keiter III, 64 f) 1913 : 10 000 (Keiter V, 60). Register: Generalregister zur Monatsschrift Hochland I. mit XXV. Jahrgang. Oktober 1903 mit September 1928. Redigiert von Karl Schaezler, München 1929 Literaturhinweis: Schlaue 80 f u. Lochner 27 ff beide mit weiterführen- der Literatur

6) NATUR UND OFFENBARUNG Titel: Natur und Offenbarung. Organ zur Vermittlung zwischen Natur- forschung und Glauben für Gebildete aller Stände Erscheinunjsdauer: Februar 1855 - 1910 Verlag: Aschendorff, Münster Redaktion: 1855 - 1867; Friedrich Michelis 1868 - 1869: Bernhard Altum (abweichend Handweiser 83 (1869) 380, wonach Altum bereits seit 1863 die Redak- tion führte) 1870 : Jacob Lorscheid 1871 : Georg Hagemann 1872 - 1873: Eduard Heis 1874 - 31.9.1884: Carl Berthold 1.10.1884 - 31.9,1885: Friedrich Weber 1.10.1885 - 31.6.1899: Aloys Westrick 1. 7.1899 - 30.9.1899: Heinrich Hovestadt 1.10.1899 - 31.4.1901: Joseph Piamann 1. 5.1901 - 1910: Carl Forch Folge: Monatlich Format und Umfang: Oktav; 48 später 64 S. pro Heft Auflage mit Quellenangabe: 1868 : 950 (Handweiser 73 (1868) 488); 1877 : 1300 (Woerl I, 144); 1878 : 1200 (Woerl II, 123); 1888 : 1100 (Frizenschaf, 52); 1900 : 1000 (Keiter II, 72); 1908 : 950 (Keiter III, 102 f); 1909 : 900 (Keiter IV, 86f). Register: Repertorium zur Monatsschrift Natur und Offenbarung Raab 1875, 1.Aufl., Münster 1889, 2.Aufl. (für Bd 1-10); Groll-Kanicza 1880 (für Bd 11-25); Münster 1909 (für Bd 26-50) Literaturhinweis: Widmann 146, Löffler 46

7) JAHRBUCH DER NATURWISSENSCHAFTEN Titel: Jahrbuch der Naturwissenschaften Erscheinungsdauer: 1886 - 1915 (Fortsetzung 1919-1929 durch Jahrbuch der angewandten Naturwissenschaften) -268-

Verlag: Herder, Freiburg Redaktion: 1886 - 1908 : Max Wildermann 1909 - 1920 : Joseph Plaßmann Folge: Jährlich Format und Umfang: Oktav (seit 1908 Großoktav); 500 - 600 S. Auflage mit Quellenangabe: 1919 : 5300 (Frdl.Hinweis von Dr.J.Dorneich, Freiburg) Frühere Auflageziffern lassen sich nicht mehr er- mitteln. Register: Generalregister in den Jahrgängen 1891, 1895, 1900 u. 1905 Literaturhinweis: Scherer 236 f

8) NATUR UND GLAUBE

Titel: Natur und Glaube. Naturwissenschaftliche Monatsschrift zur Be- lehrung und Unterhaltung auf positiv-gläubiger Grundlage Erscheinungsdauer: März 1897 - 1906 (Jahrgangszahlung ab 1898) Verlag: 1898 - 1899: Rudolf Abt, München 1900 - 1906: Josef Bernklau, Leutkirch Wttbg. Redaktion: 1898 - 1906: Johann Ev.Weiß (Davon abweichend gibt Keiter III, 102 f für die letzten Jahrgänge F.Franziß, Munchen an) Folge: Monatlich Format und Umfang: Kleinoktav; 1898 - 1903: 32 S. pro heft 1904 - 1906: 48 S. pro Heft Auflage mit Quellenangabe: 1900 : 2000 (Keiter II, 72 f); 1906 2 : 2000 (Keiter III, 102 f) Register: - Literaturhinweis: -

9) NATUR UND KULTUR Titel: 1903/04 : Natur und Kultur. Zeitschrift für Jugend und Volk 1904/05 - 1905/06 : Natur und Kultur. Zeitschrift für Schule und Leben 1906/07 ff : Natur und Kultur Erscheinungsdauer: Oktober 1903 ff Verlag: 1903/04 - 1908/09 : Verlag Natur und Kultur, Munchen 1909/10 - 1911/12 : Isaria-Verlag, Munchen 1.7.1912 ff : Verlag Natur und Kultur, Munchen Redaktion: 1903 - 1922: Franz Josef Völler

Folge: Halbmonatlich Format und Umfang: Großoktav; 32 S. pro Heft -269-

Auflage mit Quellenangabe: Vor 1907 : 2500 (Lochner 83); 1909 : 4000 (Kelter IV, 86 f); 1914 : 3500 (Sperling 203) Register: - Literaturhinweis: Lochner 82 ff; Löffler 95

10) DIE SCHÖPFUNG

Titel: 1913: Die Schöpfung. Amtliches Organ des Albert-Bundes. Gemeinverständliche, naturwissenschaftlich-philosophische Monatsschrift für die gebildeten Katholiken Deutschlands 1914: Die Schöpfung. Monatsschrift für Naturkunde. Amtliches Organ des Albert-Bundes Erscheinungsdauer:Januar 1913 - September 1914 (Heft 9) Verlag: Wuppertaler Aktien-Druckerei Elberfeld Redaktion: Johannes Thöne Folge: Monatlich Format und Umfang: Oktav; 24 S. pro Heft Auflage mit Quellenangabe: 1914 : 10 000 (Sperling 204) Register: - Literaturhinweis: - - 270 -

ANHANG II

Biogramme und Register der wichtigeren in Text und Anmerkungen genannten Autoren.

Vorbemerkungen: Als Quellen für diesen Anhang dienten - sofern nicht an- ders vermerkt - die im Literaturverzeichnis zitierten Werke von Frie- drichs, Hurter, Koch, Kosch, Raßmann, Reichmann und Schulte, ferner ADB und NDB, das Biographische Jahrbuch von Bettelheim und das Deutsche Bio- graphische Jahrbuch, sowie die verschiedenen Auflagen des von Keiter be- gründeten Katholischen Literaturkalenders, des von Kürschner begründeten Deutschen Gelehrtenkalenders, des Wer ists von Degener, des Lexikons für Theologie und Kirche und der Konversationslexika von Brockhaus und Herder. In diesen Werken finden sich meist auch Werkverzeichnisse und eventuell vorhandene Sekundärliteratur, auf deren Aufführung daher hier verzichtet werden konnte. Soweit ermittelbar wurde in den folgenden An- gaben besonderer Nachdruck auf den Nachweis der Berufstätigkeit während des Untersuchungszeitraumes gelegt. Ein Kreuz vor dem Namen macht darauf aufmerksam, daß der Genannte Kleriker ist.

+ A L T U M, Bernhard. Dr.theol. et phil. 1824 (Münster) - 1900 (Eberswal- de) /1849 Priesterweihe/ 1856 Reallehrer in Münster / 1857 Vikar an der Domkirche in Münster / 1859 Habilitation f.beschreibende Natur- wiss. in Münster / 1869 o.Prof.d.Zoologie an der kgl. Forstakade- mie Eberswalde / Später: Dirigent d.zoolog.Abteilung f.d.forstl. Versuchswesen in Preußen u. Präsident der Allgem.Dtsch.Ornitholog. Gesellschaft. S. 188-190. 192. 196.

+ BAUM, H.P. Dr.phil. 1866 (Kirdorf/Hessen) - nach 1926 / Katholischer Geistlicher in verschiedenen Orten der Schweiz/ Mehrere naturwiss. u. philosoph.Publikationen. S. 81. 122. 140f. 164. 166 f. 172.

+ B A U M G A R T N E R, Alexander S.J. 1841 (St.Gallen) - 1910 (Luxem- burg)/ 1860 Ordenseintritt / Seit 1873 Mitarbeiter der StM1 / Füh- render kathol.Literatur-Historiker. S.55. 199. 207. 227. 236.

+ B E C K E R, Josef Blasius Dr.theol.et.phil. 1857 (Gonsenheim) - 1926 (Mainz) / 1877-85 Studium am Coll.Germanicum Rom / 1889 Assistent am Mainzer Priesterseminar / 1895 Prof.f.Moral ebda / 1900 Prof.f. Dogmatik ebda / 1904-20 Regens des Seminars / Seit 1907 Domkapitu- lar. S.139. 207.

+ B E L L E S H E I M, Alfons. Dr.theol.et jur.utr. 1839 (Monschau) - 1912 (Aachen) / 1862 Priesterweihe / Seit 1865 Domvikar / 1886 Wirkl.Stiftsherr in Aachen / Seit 1902 Stiftsprobst des Kollegiats- stifts am Aachener Münster. S.162. 210. -271-

B E R T H 0 L D, Carl Adam. 1835 (Münster) - 1884 (Bocholt) / 1859 Staats- examen "Philologie" / 1861 Gymnasiallehrer in Brilon / Seit 1868 Lehrer an der höheren Bürgerschule in Bocholt / Verfasser mehrerer naturkundlicher Werke. S.52f. 59. 126. 188f. 230. 237.

+ B I R K N E R, Ferdinand. Dr.phil. 1868 (München) - nach 1930 / 1893 Priesterweihe / 1895 naturwiss.Promotion / 1898 Assistent d. anthro- polog.-prähistor. Staatssammlungen in München / 1904 Privatdozent und 1909 o.Prof.f.Anthropologie in München / Seite 1920 Hauptkon- servator u.Direktor d.prähistor.Staatssammlungen ebda. S.54. 151. 156. 164. 175.

+ BOETZKES, Christian S.J. 1844 (Breyell) - 1930 (Valkenburg) / 1860 Ordenseintritt / Theolog.philosoph.u.naturwiss.Studien / Do- zent d.naturwiss.Fächer an verschiedenen Ordensanstalten mit dem Spezialgebiet Kristallographie. (Frdl.Mitteilung von P.O.Simmel S.J., München). S.48. 168. 207. + BOLSMANN, Heinrich. 1809 (Rheine) - 1880 (Gimbte) / 1832 Prie- sterweihe / Seit 1845 Pfarrer in Gimbte bei Greven/ Private natur- wiss.Studien, namentlich Ornithologie. S.13. 42. 97-100. 120. 174. 196.

+ BRAUN, Karl S.J. Dr.theol.et phil. 1831 (Neustadt/Hessen) - 1907 Radegund/Steiermark) / 1856-61 Lehrer d.Mathematik u.Physik am bischöfl.Knabenseminar Fulda / 1861 Ordenseintritt / Schüler des Astronomen Secchi S.J. / 1878 Direktor d.bischäfl.Sternwarte Ka- locza (Ungarn) / Seit 1884 am Jesuitenkolleg Mariaschein (Böhmen) / Verfasser mehrerer astronom.Abhandlungen. S.62. 105.

+ B R E I T U N G, Amandus S.J. 1850 (Fulda) - 1933 (bei Kopenhagen) / 1870 Ordenseintritt / Dozent d.Apologetik u.Naturgeschichte am Je- suitenkolleg in Charlottenlund, Dänemark. (Frdl.Mitteilung von P.O.Simmel S.J.,MUnchen) S.69. 139. 163f.

+ BUMOLLER, Johannes. Dr.phil. 1873 (Ravensburg) - nach 1930 / 1896 Priesterweihe / 1906 Pfarrer in Aufhausen (Obb.) u.später in Großfaitingen bei Augsburg / Begründer d.Gesellsch.f.Naturwiss.u. Psychologie u. Verfasser mehrerer Abhandlungen z.Entwicklungsge- schichte d.Menschen. S.74f. 140. 161. 164f. 167. 195.

+ C A T H R E 1 N, Viktor S.J. 1845 (Brig/Schweiz) - 1931 (Aachen) / 1863 Ordenseintritt / Seit 1882 Prof.d.Ethik an den Studienanstalten des Ordens/ Einflußreicher Vertreter der neuthomist.philos.Ethik. S.87. 130. 197. 201. 211-214. 219-221. 225. 232-234. 236f. -272-

+ C 0 R N E L Y, Rudolf S.J. 1830 (Breyell) - 1908 (Trier) / 1852 Ordens- eintritt / 1867 Prof.f.Exegese in Maria Laach / 1872 Redakteur der StMl / 1879 Prof.f.Exegese an d.Gregorian.Univ.,Rom / Seit 1889 in Kloster Blijenbeek, Holland. 5.170. 209.

D E N N E R T, Eberhard, Dr.phil.et theol.h.c. 1861 (Putzerlin,Pommern) - 1942 (Godesberg) / Protestant / Studium d.Biologie u.Chemie / 1884 naturwiss.Promotion / 1885-88 Assistent bei A.Wigand u.K.Goe- bel / 1889-1907 Lehrer u.Heimerzieher am Ev.Pädagogium Bad Godes- berg / 1907 Begründer u.bis 1920 wiss.Leiter des Keplerbundes. S.37. 75. 85. 136. 138. 140.

+ DEPPE, Bernhard. Conggr.Sacror.cord. 1845 (Salzkotten,Westf.) - 1900 (Ehrenbreitstein) / 1873 Priesterweihe / - 1890 Abbe in Nizza, Frankr. / 1891 Rektor am Hospital Ehrenbreitstein / Verfasser meh- rerer Schriften zur Homiletik. S.88. 101. 111. 122.

+ DRESSEL, Ludwig S.J. 1840 (Waldburg) - 1916 (Valkenburg) / 1856 Ordenseintritt / Studiert in Bonn 1862-64 Chemie u.Geologie / Seit 1871 Prof.d.Chemie u.Physik an verschiedenen Ordensanstalten. S.51f. 63. 87. 105. 164. 182. 187. 190. 195. 236.

D ORKEN, Bernhard Heinrich, Dr.phil. 1881 (Geeste,Ems) - 1944 (Bres- lau) / Studium d.Naturwissenschaften in Münster, Würzburg u.Göttin- gen / 1907 biolog.Promotion / 1911 Habilitation f.Zoologie in Göt- tingen/ Seit 1921 o.Prof.f.Entwicklungsmechanik u.Vererbung in Bres- lau. S.140. 184.

+ DUNIN-BORKOWSKI, Stanislaus von S.J. 1864 (Lemberg) - 1934 (München) / 1883 Ordenseintritt / Seit 1896 Sprach- u.Reli- gionslehrer / 1909-20 Wiss.Arbeiten / Verfasser kirchengeschichtl. pädagog.u.philos.Abhandlungen. S.48. 227.

E L B E R T, Johannes (vielleicht: Elbert, Johannes Eugen Wilhelm 1878 (b.Hameln) - 1915 (Granada) / 1904 Promotion über ein geolog.Thema in Greifswald / Später mehrere geolog.Expeditionen.) S.101. 105.

E T T L I N G E R, Max, Dr.phil. 1877 (Frankfurt/M.) - 1929 (Ebenhausen/ München) / 1899 Promotion / 1903-1917 Redakteur bei Hochl mit den Fachgebieten Philosophie, Psychologie, Pädagogik u.Literaturge- schichte / 1914 Habilitation f.Philosophie in München / 1917 o. Prof.f.Philosophie u.seit 1921 Leiter des Deutschen Instituts f. wissenschaftl.Pädagogik in Münster. 5.69. 71. 73. 78. 90. 140. 142. 166f. 196f. 207. 210-212. - 273 -

+ F R A N K, Karl S.J. 1875 (Horrenbach/Baden) - 1950 (Pullach) / 1893 Ordenseintritt / Seit 1909 Prof.f.Naturphilosophie an den Ordens- anstalten Valkenburg u. Pullach. (Frdl.Mitteilung von P.O.Simmel S.J.,München). 5.89. 139. 142. 164.

+ F R I C K, Karl S.J. 1856 (Feldkirch,Vorarlberg) - 1931 (ebda) / 1872 Ordenseintritt/ Seit den 90er Jahren Prof.f.Philosophie in Pullach u.Feldkirch. S.80. 207.

+ G A N D E R, Martin O.S.B. 1855 (Beckenried/Schweiz) - 1916 (Schwyz) / 1875 Ordenseintritt / 1880 Priesterweihe / Seit den 80er Jahren Gymn.Prof.f.Naturwissenschaften (Autodidakt) in Einsiedeln,Schweiz / Verfasser zahlreicher naturwiss.Schriften / Gründer u.Hrsg.der bei Benzinger erscheinenden Naturwiss.Bibliothek. (Nekrolog in Stud.u.Mitt.z.Gesch.d.Benediktinerordens 38 (1917) 138 f). S.90. 127. 164. 168. 187-190. 224.

+ GOTZES, Heinrich. 1877 (Krefeld) - nach 1926 / Religionslehrer in Eichwald b.Teplitz u.später Wien / 1926 Referent im kathol.Volks- bund f.österreich / Interessengebiete: Apologetik u.Literaturge- schichte. S.183. 223.

+ G R A N D E R A T H, Theodor S.J. 1839 (Giesenkirchen, Rhld.) - 1902 (Valkenburg) / 1860 Ordenseintritt / Seit 1874 Dozent f.Theologie in Ditton Hall, England, später Prof.f.Kirchenrecht u.Dogmatik / 1893-98 Spiritual am Germanikum zu Rom. 5.61. 154. 182. 212. 232.

+ G R E D L E R, Vincenz Maria Q.F.M. 1823 (Telfs/Tirol) - 1912 (Bozen) / 1841 Ordenseintritt / 1846 Priesterweihe / Seit 1849 Lehrer d. Naturgeschichte am Gymnasium d.Franziskaner zu Bozen, seit 1872 Gymnasialdirektor / International bekannter Fachmann f.Malakologie u.Entomologie. 5.195.

+ GRUBER, Hermann S.J. 1851 (Kufstein) - 1930 (Valkenburg) / 1868 Ordenseintritt / 1876 Seelsorgetätigkeit f.Auslandsdeutsche / 1887 Mitarbeiter der Still / Abhandlungen zum Positivismus u.bes.zur Freimaurerei. S.52. 67. 212. 234.

+ G R U P P, Georg Dr.jur. 1861 (Böhmenkirch,Württ.) - 1922 (Maihingen) /Theolog.,philosoph.,jurist.u.staatswissensch.Studien / 1885 Pro- motion / 1886 Priesterweihe / Seit 1887 Bibliothekar des Fürsten zu öttingen-Wallerstein / Zahlreiche Schriften z.Kulturgeschichte. S.102. 201. 216. 224. 227.

+ OTTLER, Karl Dr.phil. 1848 (Reichenstein/Schlesien) - 1924 (Mün- chen) / Studium d.Theologie (ohne Weihen) u.Paläontologie / 1884 Habilitation f.Philosophie in München / 1898 o.Prof.f.Philos. ebda (Kosch aa0: "gemäßigter Neukantianer"). S.89f. 112f. 121f. 175. - 274 -

+ G U T B E R L E T, Konstantin Dr.theol.et phil.h.c. 1837 (Geismar) - 1928 (Fulda) / 1861 Priesterweihe / 1862 Repetent d.Dogmatik u. Prof.d.Philosophie in Fulda / 1874 Prof.am Fuldaneum in Würzburg / Seit 1886 Prof.d.Dogmatik in Fulda / Seit 1900 Domkapitular ebda / Verfasser philosophischer u.apologetischer Lehrbücher. S.72. 122. 126. 138. 148. 150f. 166. 175. 199. 206. 213f. 223. 228.

+ H A A N, Heinrich S.J. 1844 (Köln) - 1909 (Luxemburg) / 1862 Ordens- eintritt / Später Dozent d.Naturphilosophie in Blijenbeck / 1894- 1900 Provinzial d.deutsch.Ordensprovinz / 1900-1904 Rektor d.Kol- legs in Feldkirch. S.72. 87.

+ H A F F N E R, Paul Leopold Dr.phil. 1829 (Horb/Neckar) - 1899 (Mainz) / 1852 Priesterweihe / 1854 Repetent u.Privatdozent d.Philosophie in Tübingen / 1855 Prof.d.Philosophie (seit 1864 auch d.Apologetik) am Priesterseminar Mainz / 1866 Domkapitular / Seit 1886 Bischof von Mainz / Philosoph.u.apologet.Schriften. S.45f. 121. 150.

+ H A G E M A N N, Georg Dr.phil. 1832 (Beckum) - 1903 (Münster) / 1856 Priesterweihe / 1862 Habilitation f.Philosophie in Münster / 1881 a.o.Prof.f.Philosophie ebda / Seit 1884 o.Prof.f.Philos.ebda. S.111. 128. 187. 199.

+ A G E N S, J.von S.100. 112f. 122.

H A H N, Wilhelm Lt.NuGl: Prof.Dr. S.77. 138.

+ H A N D M A N N, Rudolf Michael S.J. 1841 (Wien) - 1929 (Kärnten) / 1858 Ordenseintritt / Lehrer d.mathemat.u.naturwiss.Gymnasialfächer an verschiedenen Orten / Seit 1880 am Observatorium Stonyhurst, England tätig / Seit 1899 Kustos in Linz an d.Donau. S.60. 69. 101. 120. 126. 139. 152. 170. 182.

+ H A S E R T, Constantin 1851 (Bunzlau i.Pr.) - 1923 / 1874 Priester- weihe / Seit 1901 Benefiziat in Maria-Grün bei Prag / Apologeti- scher Schriftsteller. 5.187. 190.

+ HEINER, Franz Xaver Dr.theol.et iur.can. 1849 (Atteln/Westf.) - 1919 (Buldern/Westf.) / 1876 Priesterweihe / 1883 Pfarrer in Dessau / 1887 Prof.f.Kirchenrecht in Paderborn u.seit 1889 in Freiburg i. Br. S.78. 111.

H E I S, Eduard Dr.phil.h.c. 1806 (Köln) - 1877 (Münster) / 1827-1852 Gymnasiallehrer in Köln u.Aachen / 1852 Dr.phil.h.c.d.Universität Bonn/ Seit 1852 Prof.d.Mathematik u.Astronomie an der Akademie Mün- ster / Zahlreiche mathemat.u.astronom.Abhandlungen. S.31. 32. 41. 108. -275-

H E R T L I N G, Georg Freiherr von, Dr.phil.et rer.pol.h.c. 1843 (Darm- stadt) - 1919 (Ruhpolding) / 1867 Habilitation f.Philosophie in Bonn / 1880 a.o.Prof.in Bonn / 1882 o.Prof.in München / Seit 1875 mit kurzer Unterbrechung Reichstagsabgeordneter des Zentrums / 1891 Lebenslängl.Reicherat der Krone Bayerns / 1899 Ord.Mitglied d.Bayer. Akad.d.Wiss. / Mitbegründer u.Präsident d.Görres-Gesellschaft / 1912 bayer.Ministerpräsident / 1917-18 preußischer Ministerpräsi- dent u.deutscher Reichskanzler. S.62. 64. 78f. 87. 121. 190.

+ H 0 H, Engelbert 0.S.B. S.71. 140.

+ H 0 L D, Christian - ca.1890. S.88. 121. 128. 150.

+ H U M M E L A U E R, Franz von S.J. 1842 (Wien) - 1914 (Emmerich) / 1860 Ordenseintritt / Führender kothol.Exeget / 1903 Mitglied d. päpstl.Bibelkommission / Zahlreiche Abhandlungen zur Exegese. S.100f. 112f. 115. 121. 150. 170-172.

+ JÜRGENS, Hermann S.J. 1847 (Münster) - 1916 (Bombay) / 1864 Or- denseintritt / Studium d.Naturwissenschaften in Bonn / 1876-86 Prof.d.Naturwiss.an verschiedenen Ordensanstalten / Seit 1886 Missio- nar in Ostindien / Seit 1907 Erzbischof von Bombay. S.88f. 126. 129. 181f. 187.

K A R S C H, Anton Dr.phil. et med. 1822 (Münster) - 1892 (Münster) / 1842-46 Studium d.Medizin u.Naturwissenschaften / 1846 Promotion in beiden Fächern / 1847 Habilitation f.beschreibende Naturwissen- schaften in Münster / Seit 1848 praktischer Arzt u.Privatdozent ebda / 1853 ao.Prof.u. 1859 o.Prof.f.beschreibende Naturwissenschaf- ten ebda / 1873 Ernennung zum Medizinalrat. 5.32. 42. 83. 148. 183. 187.

K A T H A R I N E R, Ludwig Dr.phil. et med. 1868 (Fulda) - 1920 (Frei- burg/Schweiz) / Seit 1896 Prof.d.Zoologie u.vgl.Anatomie in Frei- burg,Schweiz. S.69. 81. 140. 165. 168f. 225.

+ K E M P, Heinrich S.J. 1841 (Münstereifel) - 1909 (Köln) / 1865 Ordens- eintritt / 1869-74 Dozent d.Naturgeschichte u. -philosophie in Feld- kirch / 1874-79 Theolog.Studien / 1879-1907 Dozent d.Naturgeschichte, Naturwissenschaften u.Mathematik in Bombay u.Poona. (Frdl.Mitteilung von P.E.Bücken S.J.,Köln). S.88. 126. 198. 209-211. 213f. 218. 225.

K L E I N, Hermann Josef 1844 (Köln) - 1914 (Köln) / Astronom u.Meteoro- loge / Besitzer einer Privatsternwarte in Köln / Populärwiss.Schrift- steller. S.124. 181. -276-

+ KNABENBAUER, Joseph S.J. Dr.theol.h.c. 1839 (Deggendorf/ Bayern) - 1911 (Maastricht) / 1857 Ordenseintritt / Seit 1872 Prof.d.Exegese an verschiedenen Ordensanstalten / Bekannt durch seine Kommentare zum Alten u.Neuen Testament. S.101. 121. 151f. 159. 171. 175. 199f.

+ K N E I B, Philipp Dt.theol. 1870 (Mainz) - 1915 (Wurzburg) / 1895 Prie- sterweihe / 1900 Dozent f.Kirchengeschichte u.Moralphilosophie am bischäfl.Seminar in Mainz / 1902 o.Prof.ebda / 1906 als Nachfolger Schells o.Prof.d.Apologetik an der Univ.Würzburg. 5.116. 162.

+ K N E L L E R, Karl Alois S.J. 1857 (Köln) - 1942 (Pullach) / 1877 Or- denseintritt / Verfasser mehrerer histor.Abhandlungen. S.85. 87. 122.

KNICKENBERG, F. S.78. 195.

+ K R E I T E N, Wilhelm S.J. 1847 (Gangelt/Rhld.) - 1902 (Kerkrade) / 1863 Ordenseintritt / Bekannter kathol.Literaturhistoriker u. -kri- tiker. 5.207. 227.

+ LANGHORST, Augustin S.J. 1846 (Münster) - 1909 (Düsseldorf) / 1862 Ordenseintritt / Zahlreiche kleinere Abhandlungen namentlich zur Apologetik. 5.64. 207.

+ LEHMKUHL, Augustin S.J. 1834 (Hagen/Westf.) - 1918 (Valkenburg) / 1853 Ordenseintritt / Seit den 60er Jahren Dozent d.Moraltheolo- gie an verschiedenen Ordensanstalten / Zahlreiche Abhandlungen zur Moraltheologie u.zur sozialen Frage. 5.214. 217f. 220. 237.

+ LÖFFLER, Philipp S.J. 1834 (Heiligenstadt) - 1902 (Luxemburg) / 1850 Ordenseintritt / 1867-72 Domprediger in Regensburg / 1872-75 Erzieher d.Erbprinzen v.Thurn u.Taxis / 1876-82 Rektor d.Erziehungs- anstalt Stella matutina in Feldkirch, dann in Holland. 5.45. 230.

+ LUKEN, Heinrich Dr.theol. 1815 (Brual/Aschendorf) - 1882 (Meppen) / 1839 Priesterweihe / Dann Gymnasiallehrer später Konrektor in Mep- pen / Mehrere Abhandlungen zur Religionsgeschichte. S.104. 111. 170. 174.

+ M A R G R E T H, Jakob Dr.phil.et theol. 1873 (Hamburg) - 1925 (Mainz) / 1899 Priesterweihe / 1900 Repetent in Münster / 1903 Habilitation in Münster / Seit 1906 Prof.f.Moraltheologie am bischofl.Priester- seminar Mainz. 5.69. 163. - 277 -

+ M A U S B A C H, Josef Dr.theol.et phil.h.c. 1861 (b.Wipperfürth) - 1931 (Ahrweiler) / 1884 Priesterweihe dann Seelsorgetätigkeit / 1889 Religions- u.Oberlehrer am Gymnasium Mönchengladbach / Seit 1892 o.Prof.f.Moral u.Apologetik in Münster / 1917 Domprobst von Münster / 1919/20 Mitglied der dtsch.Nationalversammlung / Zahl- reiche Schriften. S.227f.

M E R K E R, Hubert Dr. = Deckname für Ettlinger, Max (siehe dort). (Frdl.Mitteilung des Kösel-Verlag, München). S.71. 140. 187.

+ M I C H E L I S, Friedrich Dr.phil. 1815 (Münster) - 1886 (Freiburg i. Br.) / 1838 Priesterweihe / Von 1838 an botan.Privatstudien / 1849- 54 Dozent f.Geschichte u.Philologie an d.philos.-theol.Lehranstalt in Paderborn / 1855-64 Pfarrer in Albachten,Westf. / 1864 ao.Prof. d.Philos.am Lyzeum in Braunsberg / 1866 Mitglied d.preußischen Ab- geordnetenhauses / 1867 Mitglied d.Norddeutschen Reichstags / 1869 o.Prof.d.Philos.am Lyzeum in Braunsberg / 1871 Altkatholik / Seit 1874 altkathol.Pfarrer in Freiburg i.Br. S.13. 32f. 41-44. 49f. 55-60. 62. 65. 83. 85. 87f. 104. 107-112. 119. 122f. 149f. 153. 170. 190. 193. 229.

M I C K E, Julius S.52. 64.

M OHNIKE, Otto Gottlieb Johann Dr.med. 1814 (Stralsund) - 1887 (Bonn) / Seit 1840 Arzt in der niederländ.-ostindischen Armee / 1870 Ab- schied als Generalarzt u.Beginn "literarischer Arbeiten" (NuO 53 (1887) 126.) S.89. 153. 167. 201.

+ M U C K E R M A N N, Hermann S.J. Dr.phil. 1877 (Bückeburg) - 1962 (Ber- lin) / 1896 Ordenseintritt / 1900-1906 Prof.d.Mathematik u.Natur- wissenschaften an verschiedenen Ordenshochschulen / 1907 ff biolog. Studien in Löwen / 1913-1916 Redakteur d. StdZ / 1927-33 Leiter d. Abteilung Eugenik am Kaiser-Wilhelm-Institut f.Anthropologie,Berlin / Seit 1948 Prof.f.angewandte Anthropologie u.Sozialethik an d. Technischen u.Freien Universität Berlin. S.81. 111. 139. 167.

+ MOLLER, Aloys Dr.phil. 1879 (Euskirchen) - 1952 (Buschdorf bei Bonn) / 1903 Priesterweihe / Anschließend Seelsorgetätigkeit / 1913 Promotion als Mathematiker u.Physiker / 1921 Habilitation f. Philosophie in Bonn / 1927 ao.Prof.f.Philos. ebda / 1939-45 Entzug der Venia Legendi / Nach 1945 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit u. Seelsorge in Buschdorf b.Bonn. S.78. 81. 190.

M U T K E, S. - 1864. / Lehrer am kathol.Gymnasium zu Neisse. S.97-100. 111. 174. -278-

+ N 0 S T I T Z-R I E N E C K, Robert von S.J. 1856 (Prag) - 1929 (Frei- sing) / Studium d.Rechtswissensch.u.Theologie / 1881 Priesterweihe u.Ordenseintritt / Anschließend geschichtl.Studien mit Staatsexa- men / Seit 1891 Prof.f.Geschichte an der Ordensanstalt in Feld- kirch. S.201f. 227.

N USSBERG, M.R.von S.52. 60. 100. 120. 174.

+ P A C H T L E R, Georg Michael S.J. 1825 (Mergentheim) - 1889 (Exoten) / 1848 Priesterweihe / 1856 Ordenseintritt / Später Seelsorger in Essen, seit 1872 in Holland / Pädagog.u.apologet.Tätigkeit. S.52. 168.

P A P E, Josef 1831 (Eslohe,Westf.) - 1898 (Büren) / Seit 1861 Rechtsan- walt in Westfalen,/ Mystischer Nachromantiker vor allem in Lyrik und Epik. S.105. 111. 120.

+ P E S C H, Heinrich S.J. Dr.theol.h.c. et rer.pol.h.c. 1854 (Köln) - 1926 (Valkenburg) / 1872-75 Studium der Rechts- u.Staatswiss.in Bonn / 1876 Ordenseintritt / Später Studien bei R.Meyer u.A.Wagner / 1892-1900 Spiritual am Priesterseminar in Mainz / Seit 1903 an d. Ordensanstalt in Luxemburg / Zahlreiche volkswirtschaftliche Ab- handlungen. S.175. 218f. 233.

+ P E S C H, Tilmann S.J. 1836 (Köln) - 1899 (Valkenburg) / 1852 Ordens- eintritt / 1867-69 Prof.d.Moralphilosophie in Maria Laach / 1869-72 Kanzelredner u.Seelsorger in Aachen / 1876-84 Prof.d.Moralphiloso- phie in Blijenbeck / Einer der bekanntesten Erneuerer der Schola- stik. S.45. 52f. 64f. 126. 128. 140. 187. 190f. 194. 209.

+ PETERS, Norbert Dr.theol. 1863 (Allensdorf b.Arnsberg) -1938 (Pa- derborn) / 1887 Priesterweihe / Seit 1892 bischöfl.Professur f.alt- testamentl.Exegese an d.Akademie Paderborn / 1921 Domkapitular ebda. S.115f. 165. 171. 184.

+ P 0 H L E, Josef Dr.theol. 1852 (bei Koblenz) - 1922 (Breslau) / Stu- dium der Theologie u.Philosophie / 1878 Priesterweihe, anschlie- ßend Sekundarlehrer in Baar / 1883 Prof.f.Dogmatik am Priesterse- minar in Leeds,England / 1886 Prof.f.Philos.am Priesterseminar Ful- da/ 1889 Prof.f.Apologetik in Washington / 1894 Prof.f.Dogmatik in Münster u.seit 1897 in Breslau. S.51. 54. 59. 84. 132. 152. 182. 189.

P 0 Z D E N A, Rudolf Franz 1874 (Wien) - / Ingenieur u.Philosoph / k.k.kommissär im k.k.Handelsministerium in Wien. 5.184. - 279 -

R E I N H A R D, Franz 1814 (Werden a.d.Ruhr) - 1893 (Ehrenbreitstein) / Studium der Philologie u.Jura in Bonn / Bis 1848 Regierungs- u.Ober- gerichtsrat in Braunfels b.Wetzlar / Seit 1848 Justizrat beim Ju- stizsenat in Ehrenbreitstein / Schriftsteller, Dichter uftaientheo- loge n . S.60. 105. 112.

R E I N K E, Johannes von Dr.phil. 1849 (Ziethen/Mecklenburg) - 1931 (Preetz/Holstein) / Protestant / 1873 ao.Prof.d.Botanik u. 1879 o.Prof.in Göttingen / Seit 1895 o.Prof.d.Botanik in Kiel / Seit 1894 Mitglied des preußischen Herrenhauses. 5.37. 66. 81. 86. 140. 187.

+ R E S C H, Franz S.J. 1842 (Obernberg am Inn) - 1901 (Kalksburg b.Wien) / 1862 Ordenseintritt / Studium der Philosophie u.ihrer Grenzwissen- schaften nebst Naturwissenschaften an der Ordenshochschule in Preß- burg / 1872 Priesterweihe / 1873-88 Gymnasiallehrer für Naturge- schichte in Linz-Freinberg / 1888-96 Lektor für Naturwissenschaften an der Ordenshochschule in Preßburg / 1896-1901 Bibliothekar am Jesuitengymnasium Kalksburg bei Wien. S.60. 101. 126-129. 152.

+ ROHLING, August Dr.theol.et phil. 1839 (Neuenkirchen b.MUnster) - 1931 (Salzburg) / 1863 Priesterweihe / 1865 Habilitation f.alt- und neutestamentl.Exegese in Münster / 1870 ao.Prof.f.Exegese ebda / 1876-99 o.Prof.f.Altes Testament an der Deutschen Universität in Prag / Bekannt durch antisemitische Schriften, namentlich Der Tal- mudjude 1871, 1924 in 7.Aufl. S.113-115.

+ SCHÄFER, Bernhard Dr.phil.et theol.h.c. 1841 (Stetten,Hohenzollern) - 1926 (Beuron) / 1866 Priesterweihe / 1867 Promotion zum Dr.phil. / 1866-75 Lehrtätigkeit in Sigmaringen, Altbreisach u.Waldkirch / 1876 ao.Prof.f.alt- u.neutestamentl.Exegese in Münster / 1893-1904 o.Prof.in Wien / 1902 Konsultor der Kommission f.biblische Studien. 5.89. 100. 112f. 150.

+ SCHEIDEMACHER, Karl Dr.phil. 1840 (Derendorf/Düsseldorf) - nach 1888 / Priesterweihe 1866 u.Kaplan an St.Nikolaus in Aachen / Seit 1870 Lehrer am Stiftsgymnasium in Aachen / Beschäftigte sich "in seinen Mußestunden angelegentlichst mit anthropologischen u. insbesondere mit metaphysisch-psychologischen Studien" (Zitat aus einem Brief Scheidemachers vom 16.2.1869 nach frdl.Mitteilung des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen). S.46f. 88. 120. 126f. 153. 167. 207. 230f. 233. 236.

+ S C H E U F F G E N, Franz Jakob Dr.theol. 1842 (Soller b.Düren) - 1907 (Bonn) / 1865 Priesterweihe / 1866-70 Oberlehrer an der Rhein.Ritter- akademie Bedburg / 1871-80 Gymnasialdirektor in Saargemünd und -86 in Montigny / Seit 1886 Domprobst zu Trier / Anthropolog.u.ethnolog. Studien. S.171, 214. -280-

SCHLOTER, Christoph Bernhard Dr.phil.h.c. 1801 (Warendorf) - 1884 (Münster) / 1819-22 Studium d.Philologie u.Philosophie in Münster u.Göttingen / 1827 Privatdozent f.Philosophie an d.Akademie Münster / Seit 1848 00.Prof.d.Philos.ebda / Seit 1828 erblindet. 5.64. 88. 97. 122. 148f.

+ SCHNEIDER, Wilhelm Dr.theol. 1847 (Gertingen b.01pe) - 1909 (Paderborn) / 1872 Priesterweihe / 1887 Prof.f.Moraltheologie an d.philos.-theolog.Akademie Paderborn / 1892 Domkapitular u.1894 Domprobst ebda / Seit 1900 Bischof von Paderborn. S.201. 207. 210. 221-223. 225.

SCHOTZ, Damian Freiherr von 1825 (Camberg,Nassau) - 1883 (Bensheim a.d.Bergstr.) / Staatl.geprüfter Forstwissenschaftler / 1846-54 Ansiedlung von Kolonisten in Texas u.seit 1854 in Südamerika / 1865 Rückkehr nach Deutschland / Seit 1870 freier Schriftsteller für mehrere kathol. Blätter. (Nekrolog in NuO 29 (1883) 574 f). S.89f. 122.

S T A E G E R, Robert Dr.med. 1867 (Villmergen i.Aargau) - nach 1941 / Prakt.Arzt (Internist) in Bern mit botan.u.entomolog.Interessen / Mitglied verschiedener naturwiss.Gesellschaften / Zahlreiche Zeit- schriftenartikel zu Botanik u.Entomologie. (Neue Schweizer Biographie, Basel 1938 u.Nachtrag 1941/42). S.139. 188f.

S T E R N B E R G, Wilhelm Dr.med. 1808 (Münster) - 1888 (Bocholt) / Kreis-Wundarzt in Bocholt. (Todesanzeige in NuO 34 (1888) 256). S.51. 54. 122. 153. 193. 230.

+ S T Ö C K L, Albert Dr.theol. 1823 (Mähren,Bayern) - 1895 (Eichstätt) / 1848 Priesterweihe / 1850 Lyzeallehrer in Eichstätt / 1862 Prof. d.Philosophie an der theol.-philos.Akademie Münster / Seit 1872 Prof.f.Ethik u.Philosophiegeschichte an d.philos.-theolog.Hoch- schule in Eichstätt u.Domkapitular ebda / Bauer aa0 62 : "gewich- tigster Philosophiehistoriker aus d.deutschen Umkreis der Neu- scholastik der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts". 5.44. 52. 64. 119. 126-128. 153. 187. 190. 194. 207. 209. 211.

STÖLZLE, Remigius Dr.phil. 1856 (Ob,Schwaben) - 1921 (Würzburg) / 1880-86 Gymnasiallehrer in Augsburg u.Würzburg / 1886 ao.Prof.u. 1894 o.Prpf.f.Philosophie in Würzburg / Seit 1913 auch Prof.f.Pä- dagogik. S.69. 72. 81. 139. 163f. 172.

+ T H Ö N E, Johannes Dr.phil. 1884 (Düsseldorf) - 1945 (Mechernich) / 1907 Priesterweihe / 1911 Kaplan in Wipperfürth / 1913-20 Geistli- cher Rektor in Oberelvenich b.Euskirchen / Seit 1920 Pfarrer in Mechernich. (Frdl.Mitteilung von OStR Bockes, Oberelvenich). S.38f. 71f. 75. 78. 122. 140f. 165-167. 169. 184. 187. 225. 242. 247. - 281 -

+ TUMLER, Bernhard 1832 (Münster) - 1916 (Veltern b.Beckum) / 1856 Priesterweihe, dann Rektor an der Rektoratsschule in Stadtlohn u. Kaplan ebda / Seit 1886 Pfarrer in Vellern b.Beckum Populär-na- turwiss.Schriftsteller. S.188f.

+ U D E, Johannes Dr.phil.et theol.et rer.nat. et rer.pol. 1874 (Kärnten) - 1965 (Grundelsee,Steiermark) / 1900 Priesterweihe / 1905 Dozent, 1910 ao.Prof.u. 1917 o.Prof.d.Theologie in Graz / 1908 Promotion über ein biologisches Thema. 5.72. 165. 237.

3 ö L L E R, Franz Josef Dr.phil. 1876 (Unterhausen,Schwaben) - 1922 (München) / Studium d.Altphilologie mit bayer.Staatsexamen / 1902 Promotion über ein geschichtl.Thema / Anschließend Studium der Phi- losophie, Nationalökonomie u.Naturwissenschaften / Seit 1903 Her- _ ausgeber von NuK. S.37-39. 116. 161. 166. 196. 225. 235.

+ W A 5 M A N N, Erich S.J. Dr.h.c.d.Univ.Freiburg,Schweiz 1859 (Meran) - 1931 (Valkenburg) / 1875 Ordenseintritt / Schüler von T.Pesch S.J. / Seit 1884 autodidaktische Beschäftigung mit der Lebensweise d.Ameisen u.ihrer Gäste / 1888 Ptiesterweihe / 1890-92 Zoolog.Stu- dien in Prag / International bekannter Entomologe / Mitglied zahl- reicher in- u.ausländ.Fachvereinigungen f.Zoologie u.Entomologie. S.13. 48. 52. 67-70. 73. 75. Wf. 86. 101. 130-139. 141. 143. 158- 165. 168. 172. 182. 187f. 190f. 194-201. 224. 231. 234f. 247.

W E I N S C H E N K, Ernst, Dr.phil. 1865 (Eßlingen) - 1921 (München) / Seit 1900 ao.Prof.d.Petrographie an d.Univ.München. 5.139. 170.

W E I S 5, Johann Evangelist Dr.phil. 1850 (Weihmichl,Bayern) - 1918 / 1875 Lehramtsexamen f.Chemie u.Mineralogie / 1876 Assistent b.Prof. v.Naegeli in München / 1877 Lehrer an d.Stadtschule Hattingen / 1881 erneut Assistent b.Prof.v.Naegeli / 1882 Habilitation f.Botanik in München / 1887 Assistent am Staatsherbarium u.1889 Kustos am Bo- tan.Garten, München / 1896 ao.Prof.f.Botanik,Zoologie u.Anthropolo- gie am Lyceum Freising / Seit 1904 o.Prof. ebda / Ehrenpräsident d. bayer.Botan.Gesellschaft z.Erforschung d.heimischen Flora. 5.35f. 77. 102. 120f. 130. 137f. 141f. 162. 168. 182f. 235.

+ W E S.T E R M E Y E R, Anton Bernhard - 1902 / Pfarrer zu Haarbrück S.113. 154. 174. 209.

W ESTHOFF, Friedrich Dr.rer.nat. 1857 (Münster) - 1896 (Münster) / 1882 Promotion zum Dr.rer.nat. in Münster, anschließend Lehrer an den Realgymnasien Münster u.Bochum / Seit 1891 Privatdozent f.Zoo- logie an d.Akademie Münster / Vorsitzender d.westfäl.Gruppe d.dtsch. anthropolog.Gesellschaft. (Nekrolog in NuO 42 (1896) 768). 5.155f. — 282 —

W I L D E R M A N N, Max Dr.phil. 1845 (Olfen,Westf.) - 1908 (Metz) / Studium d.Mathematik u.Naturwissenschaften in Münster u.Berlin / 1870 Staatsexamen in Physik u.Promotion zum Dr.phil.in Rostock / Seit 1872 Lehrer an den Realgymnasien Diedenhofen u.Saargemünd / Seit 1889 Direktor d.Realschule Rappoltsweiler u,seit 1903 d.Ober- realschule Metz. S.33-35. 37.

+ W 0 K E R, Franz Wilhelm Dr.theol. 1843 (Brilon) - 1921 (Paderborn) / 1869 Priesterweihe / 1874 Pfarrer in Halle / Seit 1892 Domkapitular in Paderborn u.seit 1913 Domprobst ebda. S.152.172f. LEBENSLAUF

Am 9.August 1937 wurde ich, Hermann Josef Dörpinghaus, Sohn des Hoteliers Mathias Dörpinghaus (gefallen 1943) und seiner Ehefrau Julia, geb. Belle- fontaine, in Wipperfürth/Rheinland geboren. Ich bin römisch-katholischer Konfession. Nach dem Besuch der Volksschule (1944 - 50) und des staatl. neusprachl. Aufbaugymnasiums (1950 - 57) in meiner Heimatstadt bestand ich dort am 15.März 1957 die Reifeprüfung. Anschließend nahm ich an der Universität Köln für zwei Semester an Vor- lesungen und Übungen der rechtswissenschaftlichen Fakultät teil. Mit dem Sommersemester 1958 wechselte ich zur philosophischen Fakultät über und belegte die Fächer Geschichte und Deutsch. Im Sommersemester 1959 imma- trikulierte ich mich an der Universität Freiburg. Hier bestand ich im Sommersemester 1961 das Pädagogikum und das Philosophikum und im Sommer- semester 1964 das Staatsexamen in den Fächern Geschichte und Deutsch. Seit Juli 1964 war ich wiss.Hilfskraft und seit April 1966 Verwalter einer wiss.Assistenten-Stelle beim Lehrstuhl f. neuere und neueste Ge- schichte an der Universität Freiburg. Nach dem Abschluß der vorliegenden Arbeit wurde ich im Februar 1969 wiss.Angestellter der Universitätsbib- liothek, an der ich seit Oktober 1969 als Referendar ausgebildet werde. Als meine Lehrer in Köln und Freiburg möchte ich dankbar nennen die Her- ren Professoren und Dozenten: Aubin, Cl.Bauer, Baumann, Binder, Emrich, Fink, J.Fleckenstein, Gutenbrunner, E.Hassinger, Hessen, Lakebrink, Liebrucks, F.G.Maier, Maurer, M.Müller, Müller-Seidel, Nesselhauf, Rehm, Ritter, Rombach, Ruprecht, Schieder, Schieffer, Tellenbach, Volkmann, Wandruszka, Wickert, Wilpert und Zmarzlik. Von Herrn Prof.Zmarzlik er- hielt ich die Anregung zu dieser Arbeit. Ihm bin ich in mehrfacher Hin- sicht zu Dank verpflichtet.