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BERLINS MEISTGELESENES STADTMAGAZIN EXPANDED CONTENT INENGLISH APRIL 2020 • SIEGESSAEULE.DE Venus inFurs:Der MythosLederkerl Schwule undLesben inderUnion Quo vadisCDU? auf denShutdown So reagiertdieKulturszene Corona-Krise: STARK BLEIBEN WE ARE QUEERBERLIN
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08 Community
Die Corona-Krise hat Berlin fest im Griff. Clubs, Bars, Theater etc. haben dicht. Doch was be- deutet der Shutdown konkret für Kulturschaffende und die queere Infrastruktur? FOTO: IMAGO IMAGES / SABINE GUDATH
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Bühne FOTO: RONI LUGASSI
Mit seiner Figur Anali Goldberg ist der israelische Performancekünstler Ariel Nil Levy aller Voraus- sicht nach im April beim „ID Festival“ im Radial- system zu sehen. Wir sprachen mit ihm
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FOTO: MARCUS WITTE Titel
„Bleibt gesund, solidarisch und Neben der Tunte ist der Lederkerl wohl eines der HOME passt auf euch und eure Mitmen- berühmtesten und traditionsreichsten schwulen schen auf! Wir packen das!“ Stereotype. Doch welche Menschen und Bio- grafien verbergen sich hinter diesen perfekten Viel Spaß mit der Aprilausgabe Outfits in knarzendem Schwarz? Patsy l‘Amour der SIEGESSÄULE wünscht laLove hat drei gestandene Lederkerle getroffen SHOPPING Chefredakteur Jan Noll FOTO: RAINER CHRISTIAN KURZEDER
Special Media SDL GmbH SIEGESSÄULE Ritterstr. 3 10969 Berlin Themen Kultur Service brunos.de Redaktion, Tel.: 23 55 39-0 5 INTRO 28 MUSIK 43 PROGRAMM [email protected] Franziska Schulteß über queere Sopor Aeternus & The Ensemble of Sha- Das Berlin-Programm ab SIEGESSÄULE.DE Solidarität in Zeiten von Corona dows im exklusiven Interview dem 20. April Redaktionsschluss: 06.04. English calendar of events Programmtermine: -33, -46 08 COMMUNITY 32 BÜHNE (start: April 20th) [email protected] Corona-Shutdown in Berlin, Interview mit Theater zu Hause: Berliner Bühnen Terminschluss: 06.04. Alexander Vogt von den Schwulen und streamen im Netz 56 KLEINANZEIGEN Lesben in der Union, Stress beim E2H Anzeigen: -13 34 BUCH 64 FLASHLIGHTS [email protected] 18 BRANDENBURG Eileen Myles‘ Kultbuch „Chelsea Girls“ Anzeigenschluss: 10.04. Lesbische Erinnerungskultur in der 66 DAS LETZTE Kleinanzeigen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück 36 FILM Kolumne von Ralf König [email protected] Schwule Lovestory zweier Tänzer: „Als Kleinanzeigenschluss: 10.04. 26 OSTERN wir tanzten“ aus Georgien. Interview 66 IMPRESSUM brunos.de /brunos.de @brunos_de Das Leder- und Fetisch-Treffen des BLF mit Hauptdarsteller Levan Gelbakhiani Abonnement: -55 wurde abgesagt [email protected] SIEGESSÄULE 05/2020 40 ENGLISH FILME - BÜCHER - FASHION - TOYS - FETISH - PORNOS - MAGAZINE erscheint am 28.04. Solidarity with LGBTI* in Poland 4
Vor dem Shutdown: Bei „Bump!“ im SchwuZ am 7. März
Festgehalten von Sally B. INTRO 5
Solidarität Solidarity Das Coronavirus und seine Folgen haben Berlin und die Welt fest im The coronavirus and its effects have Berlin and the world firmly in Griff. In dieser schwierigen Lage plädiert SIEGESSÄULE-Redakteurin their grip. In this demanding scenario, SIEGESSÄULE editor Franziska Franziska Schulteß für „Social Caring“ statt „Social Distancing“ Schulteß pleads for social caring instead of social distancing
Eines ist klar: Die nächsten Wochen und Monate werden für uns One thing’s for sure: the next few weeks and months aren’t going alle nicht einfach. Es gibt dieser Tage aber auch Dinge, die zuver- to be easy for us. But there are things happening to give us cour- sichtlich stimmen. Bei allem Ernst, mit dem die Verbreitung des age. Although the spread of the novel coronavirus – and its conse- neuartigen Coronavirus und die in vielerlei Hinsicht noch un- quences, many of which remain to be seen – demand to be taken absehbaren Folgen genommen werden müssen, ist Optimismus seriously, optimism is just as crucial in managing this crisis. So ebenso angebracht, um diese Krise zu meistern. Konzentrieren wir let’s focus on the good news. uns also einmal auf die positiven News. It’s great how quickly neighborhood initiatives have emerged in Toll ist, wie schnell in quasi allen Stadtteilen Berlins binnen kür- pretty much every part of the city, organized by posters in stair- zester Zeit Nachbarschaftsinitiativen entstanden sind – organisiert wells, hashtags on Twitter, online forms and WhatsApp groups. via Aushang im Treppenhaus, Hashtags auf Twitter, Online-Formu- The goals: to provide targeted support to people who would be laren oder WhatsApp-Gruppen. Die Ziele: Personen zu unterstüt- at high risk if they get infected, such as the elderly or people zen, für die die Gefahr einer Ansteckung besonders bedrohlich ist, with other illnesses. Those in domestic quarantine or without a weil sie älter oder vorerkrankt sind. Menschen, die sich in häusli- good social network. And people who were already in precarious cher Quarantäne befinden, oder auch alleinstehende Personen, die living or working conditions and are now especially affected by kein gutes soziales Netz haben, mitzuversorgen. Ebenso jene, die the shutdown – which includes quite a few queers in this city. sich vorher bereits in prekären Lebens- oder Arbeitsverhältnissen Helping can mean going shopping for others, serving as a contact befanden und die vom Shutdown jetzt besonders negativ betroffen person or setting up financial support for emergencies. sind – wie nicht wenige Queers dieser Stadt. Sich in dieser Situa- We’re seeing it everywhere in the media: “social distancing” is tion bestmöglich gegenseitig zu helfen, das kann z. B. heißen, für now necessary. Chains of infection must be broken in order not andere einkaufen zu gehen, Ansprechperson zu sein oder finan- to overload the health-care system. But Berlin is already showing zielle Spritzen für Notlagen aufzustellen. that this term is somewhat misleading. Many are already rallying In den Medien lesen wir es überall: „social distancing“ ist jetzt for the concept of “social caring” instead of “social distancing”, nötig. Infektionsketten müssen unterbrochen werden, um das even if this mutual care forces us to be conscious of the physical Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Berlin distance required to stop the virus’s zeigt derzeit aber auch, dass dieser Anglizismus In der Krise spread: stay at home and keep face- etwas irreführend ist. Viele plädieren bereits ... zeigt sich Berlin aber auch von seiner besten Seite to-face socializing to a bare minimum. für ein Konzept von „social caring“ Neighborly help must be done in a way (Fürsorge) statt „social distancing“ (Dis- During this crisis that doesn’t promote transmission – because peo- tanzierung). Auch wenn diese Sorge … Berlin is showing its best side ple who didn’t know each other before are sudden- füreinander eben auch genau bedeutet, ly meeting in person. The good news is that this is dass man bewusst räumliche Distanz hält, um die Ausbreitung des entirely possible. We just need to be well informed and organized. Virus einzudämmen: zu Hause bleiben, soziale Face-to-Face-Kon- Berlin’s queer scene has already taken action: our favorite clubs takte auf das Nötigste beschränken. Und auch die Nachbarschafts- threatened with closure are receiving donations, and crowdfund- hilfe muss so stattfinden, dass sie Ansteckungen nicht erst recht ing campaigns and petitions are circulating, including one sup- begünstigt – weil Leute, die sich vorher nicht kannten, miteinan- porting an unconditional basic income. And there is a multitude der in physischen Kontakt kommen. Die gute Nachricht: das ist of other initiatives and creative ideas. For example, Queer Relief möglich. Wir müssen uns nur gut informieren und organisieren. for CoVid-19: the queer art space Karade House (karada-house.de) Die queere Szene Berlins ist hier sehr aktiv: Nicht nur unsere created an online form for people who need help and for people Clubs, denen durch den Shutdown der Ruin droht, werden durch who can offer assistance. Berlin is showing its best side right now. Spenden unterstützt, es kursieren auch Crowdfundings und Peti- Let’s keep at it – we’ll get through this difficult time together! tionen, die jetzt ein bedingungsloses Grundeinkommen fordern. Und es gibt eine Vielzahl an weiteren Initiativen und kreativen Ideen. Zum Beispiel „Queer Relief for CoVid-19“: Zur Verfügung ge- stellt wurde ein Webformular auf der Seite des queeren Berliner Kunstraums Karada House (karada-house.de), die immer mehr zu einer Anlaufstelle im Netz wird. Eintragen können sich dort Hilfe- suchende sowie potenzielle Helfer*innen. Berlin zeigt sich derzeit auch von seiner besten Seite. Machen wir weiter so, dann kommen wir durch diese schwierige Zeit! 6 MAGAZIN
Nachruf Am 14. März verstarb die queere Avantgarde-Ikone Genesis Breyer P-Orridge im Alter von 70 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. FOTO: CHRISTIAN SUHR Bekannt geworden in den frühen 70er-Jahren mit der radikalen Perfor- mancegruppe Coum Transmissions, Ort geschaffen gründete Genesis 1975 gemeinsam Mitte März eröffnete das neue Projekt mit Cosey Fanni Tutti u. a. die ein- „Oyoun – Kultur NeuDenken“ in den flussreiche Industrial-Band Throbbing Räumlichkeiten der ehemaligen Brau- Gristle, die durch schmerzvoll krachi- erei Wissmannstraße in Neukölln. Die ge Stücke mit allen Hörgewohnheiten Ziele: „Wir initiieren, konzipieren und brach. Ab 1982 war Genesis mit der realisieren künstlerisch-kulturelle
Band Psychic TV aktiv, deren Sound FOTO: FIONA TRETAU Projekte mit migrantischen, dekolo- zwischen experimenteller Musik und nialen und queer*feministischen Per- Sixties-Pop changierte. Gemeinsam Praxis gesucht spektiven – in Berlin und weltweit.“ mit seiner*ihrer späten Liebe Lady Im Erdgeschoss des Gebäudes soll Jaye begann Genesis ab 2000 das Gynäkologische Behandlungen kön- außerdem auch das be‘kech, Berlins
„Pandrogeny Project“, bei dem sich nen für viele Queers unangenehm wer- „erstes Anticafé“ mit Coworking FOTO: WOLFGANG MÜLLER beide durch Operationen physisch ei- den. Eine medizinische Anlaufstelle zu Spaces, warmer Küche und Events, nander annäherten, um so binäre Ge- finden, die kompetent und sensibel mit Platz finden. Aufgrund der Coro- Nachruf schlechtermodelle als Konstruktionen den eigenen speziellen Fragen und Be- na-Krise wurde die Eröffnungsfeier kenntlich zu machen und eine neue dürfnissen umgeht, ist nicht einfach. samt Programm, moderiert von Tarek Die queere Punkikone und Geschlechtsidentität zu erschaffen. Abhilfe schaffen soll das bundesweite Tesfu (Foto), als Live-Stream ins Inter- Riot-Grrrl-Vordenkerin Tabea Blumen- Die Welt verliert mit Genesis eine*n Portal gynformation.de. Betrieben von net verlegt. Das Video ist immer noch schein ist tot. Berühmt geworden queere*n Visionär*in. einem Aktivist*innenkollektiv, werden bei Facebook abrufbar: durch den Film „Bildnis einer Trinke- hier Praxis-Empfehlungen gesammelt. facebook.com/oyounberlin rin“, durchfeierte sie fortan die wilden Suchen kann man gefiltert u. a. nach 80er in Westberlin. Sie mischte mit in Bundesland oder der eigenen Perso- der Avantgarde-Punkszene der Genia- nengruppe – wie lesbisch, schwul, len Dilletanten von Wolfgang Müller trans*, asexuell, HIV-positiv, polyamourös etc. „Die Gynäkologie ist und war Teil der Gruppe Die Tödliche Doris. Außerdem drehte sie einen Film ein medizinischer Fachbereich, in dem ein einfühlsamer Umgang be- und entwarf Kleider, u. a. für Andy Warhol. Als eine der ersten lesbischen Frauen sonders wichtig ist“, so das Team auf der Website. „Denn oft geht es redete sie öffentlich über ihr Liebesleben, sogar im Magazin Stern. Seit Langem um Fragen der eigenen Identität, Sexualität und Lebensplanung und lebte Tabea zurückgezogen im Osten Berlins. Sie blieb kreativ und zeichnete bis die Untersuchungen sind häufig körperlich sensibel und intim.“ zum Schluss. Tabea starb Ende Februar im Alter von 67 Jahren. Text: Philipp Meinert MAGAZIN 7 LIVE ENTERTAINMENT
HARLEM gam lebt oder Safer Sex praktiziert – das ist dabei völlig GLOBETROTTERS egal. Kategorisch wird immer noch davon ausgegangen, German Tour 2020
dass dies eine „Risikogruppe“ in Bezug auf STIs (sexually 21.04.20 Globetrotters Harlem © transmitted diseases) sei. Max-Schmeling-Halle Eine Annahme, die im höchsten Maße diskriminierend ist, darauf weisen queere Organisationen schon sehr lange ROBERT HABECK hin. Nun könnte sich auf politischer Ebene endlich etwas Robert Habeck liest! mehr bewegen: Am 10.03. beschloss die Bundestagsfrak- 23.04.20
tion der Grünen einen Antrag, um die Diskriminierung bei Universität der Künste Williamson Dennis © der Blutspende zu beenden. Die Frist von 12 Monaten sei „sachlich unbegründet“, heißt es darin. Sie unterstelle al- SUZANNE VEGA lein aufgrund der sexuellen Identität „ein gegenüber der Tour 2020 Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungs- 08.05.20 risiko für durch Blut übertragbare schwere Infektions- Metropol krankheiten“. Sven Lehmann, Sprecher für Queerpolitik © George Holz der Grünen, erklärte dazu in einer Pressemitteilung: „Als FOTO: DRK-BLUTSPENDE, Voraussetzung für eine Blutspende ein Jahr lang auf Sex TILL BRÖNNER verzichten zu müssen ist völlig lebensfremd. Niemand & BAND Tour 2020 würde auf die Idee kommen, dies von heterosexuellen 12.05.20 Menschen zu verlangen.“ In der Richtlinie sind außerdem TOP: Philharmonie Neue Richtlinie „Transsexuelle mit sexuellem Risikoverhalten“ als geson- derte Gruppe aufgeführt. Laut Antrag der Grünen sugge- PETER WOHLLEBEN riere dies, dass auch von trans* Personen eine besondere Ein Abend für den Wald In Zeiten wie diesen, in denen das medizinische System Ansteckungsgefahr ausgehe. Die Bundesregierung solle 18.05.20 jede Unterstützung braucht, die es kriegen kann, erschei- bei der Bundesärztekammer darauf hinwirken, dass die Universität der Künste nen sie gleich noch mal absurder: die Einschränkungen bei Richtlinie endlich überarbeitet wird. Wohlleben Miriam © der Blutspende für LGBTI*-Personen. Konkret: schwule Einen ähnlichen Antrag hatte die FDP bereits letztes Jahr und bisexuelle Männer dürfen ihr Blut nur dann spenden, eingebracht. Blutspenden würden gerade jetzt dringend WHITESNAKE wenn sie ein Jahr lang keinen Sex hatten. Dies besagt die gebraucht, sagt Jens Brandenburg, queerpolitischer Spre- Special Guest: Europe Richtlinie der Bundesärztekammer, die 2017 beschlossen cher der FDP: „Es soll niemand sterben müssen, nur weil 21.05.20 wurde und bis heute Gültigkeit hat. Ob jemand mono- der mögliche Blutspender der Richtlinie zu schwul war.“ Verti Music Hall
RANDY NEWMAN An evening Stellungnahme. Darin sagt er zwar, dass Polen ein Land sei, with Randy Newman „in dem es nach dem Gesetz keine ausgewiesenen Zonen 25.05.20 (...) geben darf, die in irgendeiner Weise zu sozialer Aus- Admiralspalast grenzung führen würden“. Zugleich rechtfertigt er aber das Vorgehen der Gemeinden: „Man muss betonen, dass der LONG DISTANCE Großteil der polnischen Bevölkerung katholischen Glaubens CALLING ist, was bedeutet, dass die LGBT-Ideologie für einen Teil die- Seats & Sounds Tour 2020 ser Glaubensbekenner nicht zu billigen ist.“ Die Beschlüsse 13.09.20 der Kommunen hätten „nur einen symbolischen Charakter“. Passionskirche Die Kennzeichnung von „Städten und Gemeinden mit den Zeichen LGBT-freie Zonen, auch wenn sie Ausdruck einer FEUERHERZ Tour 2020 FOTO: DEUTSCHER BUNDESTAG/ ACHIM MELDE künstlerischen Provokation oder eines Protests ist“, müsse dagegen als rechtswidrig angesehen werden. Hier bezog 17.10.20 Columbia Theater Przyłębski sich auf eine Protestaktion des LGBTI*-Aktivisten Bartosz Staszewski, der tatsächlich Schilder mit der Aufschrift FLOP: „LGBT-freie Zone“ an den Ortseingängen der betreffenden DEACON BLUE Bullshit reden Gemeinden angebracht hatte, um auf die queerfeindlichen Tour 2020 Erklärungen aufmerksam zu machen. 24.10.20 Hä? Die wirre Stellungnahme, die der polnische Botschafter Deutliche Kritik am Botschafter folgte z. B. von Grünen-Re- Metropol in Berlin, Andrzej Przyłębski, vor Kurzem abgab, musste man ferent Jerzy M. Szczesny: Es sei bemerkenswert, welche zweimal lesen – um dann zu dem Schluss zu kommen, dass Tatsachenverdrehungen die Erklärung beinhalte. „Nicht die er sie wohl genauso LGBTI*-feindlich gemeint haben dürf- homosexuellen- und transsexuellenfeindlichen Resolutionen JOEY KELLY te, wie sie klingt. Der Hintergrund: Immer mehr Kommunen (...) seien daran schuld, dass Polen weltweit in der Kritik Abenteuer Leben 2020 Polens haben sich in den vergangenen Monaten als frei von steht. Es seien die Aktivist*innen, die diese Städte und Ge- 28.11.20 einer angeblichen „LGBT-Ideologie“ erklärt. Nachdem es in meinden im Rahmen einer künstlerischen Provokation mit Huxleys Berlin eine Aktion von queeren Aktivist*innen vor der polni- den Zeichen ,LGBT-freie Zonen‘ aus Protest kennzeichnen. schen Botschaft gegeben hatte, um gegen diese „LGBT-frei- In Wahrheit sind nicht die Schilder das Problem, sondern die TICKETS AN DEN BEK. VVK-STELLEN. WEITERE INFOS UNTER WWW.CONCERT-CONCEPT.DE en Zonen“ zu protestieren, veröffentlichte Przyłębski eine Resolutionen mit ihren Hassbotschaften.“ 8 COMMUNITY
Dragqueen und Szenestar Gloria Viagra, eine der Organisator*innen des Berliner Tunten- balls: „Wir mussten den Termin am 18. April in den Herbst verschieben. Das Ganze ist na- ABGESAGT! türlich für uns äußerst schwierig, wir rech- nen mit Verlusten in fünfstelliger Höhe.“ Immerhin werden einige Verträge mit Sponsor*innen davon nicht tangiert, Gloria fürchtet aber, dass dennoch Sponsor*innen abspringen werden, sollte das Coronavirus auf die ganze wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr katastrophale Auswirkungen haben. „Ich bin auch sonst davon betroffen, FOTO: GUIDO WOLLER mir sind im März gleich eine ganze Reihe von Aufträgen weggebrochen, auf der ITB, im KitKat und an weiteren Orten.“ Gloria erzählt, dass sie schon überlegt habe, sich Geschlossene kurzzeitig beim Sozialamt zu melden, weil sie so wenig verdient habe im März. Damit Gesellschaft ist sie sicher kein Einzelfall in der Szene. Etwas besser sieht es natürlich in den Insti- Berliner Clubs, Bars und Kulturbetriebe wurden geschlossen, um die tutionen aus, die staatlich gefördert werden, Verbreitung des Coronavirus zu stoppen. Doch was bedeutet das kon- zum Beispiel die Komische Oper. Doch nur kret für die Community und die Zukunft der queeren Infrastruktur? weil große Institutionen besser dastehen, Michael G. Meyer sprach mit Leuten aus Szene und Politik heißt das nicht, dass hier keine Kollateral- schäden entstehen würden, etwa bei freien Vernetzung und b in der Motzstraße in Schöneberg, in Kreuzberg oder Mitarbeiter*innen. Andrea Röber, Presse- Hilfe für Berliner Friedrichshain, überall zeigt sich das gleiche Bild: Bars sprecherin der Komischen Oper fasst das Queers u. a. unter: und Clubs sind dicht. Und nicht nur die: Theater, Galerien, so zusammen: „Wir sind uns unserer pri- karada-house.de O Konferenzen – all das liegt derzeit brach, der Coronavirus vilegierten Stellung als öffentlich finan- macht es notwendig. Berlin und seine queere Szene leiden unter zierter Kulturbetrieb bewusst und werden den temporären Schließungen mehr als andere, immerhin gibt es uns dafür einsetzen, dass auch Lösungen in kaum einer anderen Stadt eine solche Dichte von LGBTI*-Clubs, für die zahlreichen freien Künstler*innen -Events, -Bars, -Theatern, -Galerien und anderen Kultureinrichtun- und Mitarbeiter*innen gefunden werden. gen. Und längst nicht alle haben es finanziell so dick, dass sie län- Dafür machen wir uns auch beim Kultur- gere Zeit über die Runden kommen. senator Klaus Lederer stark, der ja eben- Auch ein so großer, bekannter queerer Club wie das SchwuZ verfügt falls schon signalisiert hat, dass ihm das nur über bescheidene finanzielle Polster. Schon bevor das SchwuZ wichtig ist.“ Mitte März geschlossen wurde, habe man einen 20-prozentigen Neben den rein finanziellen Ausfällen, die Besucher*innenrückgang verzeichnet, sagt Marcel Weber, einer die staatlichen Bühnen noch eher stemmen der Geschäftsführer und Mitglied im Vorstand der Clubcommission können, stellt sich auch die Frage, wann der (Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter Betrieb wieder normal funktionieren kann: e. V.) „Wir haben für das SchwuZ errechnet, dass bei einer Schließ- „Das ist alles Work in Progress. Wir versu- dauer bis zum 19. April ein Schaden in Höhe von mindestens 250.000 chen natürlich, irgendwie spielfähig zu sein, Euro entstehen wird. Das halten wir maximal vier Wochen durch. wenn es wieder losgeht. Abgesehen davon, Die Hochrechnung der Clubcommission sieht in diesem Zeitraum dass wir unsere Mitarbeiter*innen nicht einen Verlust bei den Clubs zwischen 10 und 15 Millionen Euro.“ Die unnötig gefährden wollen, ist es aber un- Zahl ist nur eine Schätzung, am Ende wird man noch einmal genau möglich, größere Proben, zum Beispiel mit nachrechnen müssen, aber in jedem Fall sind solche Summen nicht Chor oder Orchester, abzuhalten, solange die ohne Weiteres zu stemmen. aktuellen Verbote in Kraft sind. Und je län- Die Schließungen diverser Clubs haben auch Auswirkungen auf die ger die Schließung dauert, desto schwieriger finanzielle Lage von Künstler*innen, die dort auftreten, wie etwa wird die Reaktivierung des Spielbetriebs.“ COMMUNITY 9
Dass vor allem die Situation der Kleinkünstler*innen schwierig ist, ist mittlerweile wohl allen bewusst. Auch altehrwürdige Institu- tionen wie der Deutsche Kulturrat fordern einen Notfallfonds für Künstler*innen und Einrichtungen, die vor der Pleite stehen. „Das kann sehr schnell existenzielle Auswirkungen haben“, stellt der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, fest. Immerhin: Kulturstaatsministerin Monika Grütters will sich ebenfalls für in Not geratene Künstler*innen einsetzen: „Wir erkennen in dieser Situa- tion: Kultur ist nicht ein Luxus, den man sich in guten Zeiten gönnt, sondern wir sehen jetzt, wie sehr sie uns fehlt, wenn wir für eine gewisse Zeit auf sie verzichten müssen“, sagte sie. „Wir lassen Sie nicht im Stich!“ Große Worte – ob dem auch Taten folgen, muss man sehen. Zu befürchten ist, dass das Geld längst nicht für alle reicht und es vor allem lange dauert, bis es wirklich bei den Betroffenen ankommt. Die Aufschiebung und Reduzierung von Vorauszahlun- gen beim Finanzamt wird da sicher nicht ausreichen. Eine solidarische Initiative hat das Berliner Karada House gestartet, ein temporärer queerer Art Space in der Greifswalder Straße, der u. a. Seminare anbietet. Über ein Online-Formular auf der Website sol- len Leute, die Unterstützung brauchen, mit denen vernetzt werden, die Support anbieten können. Organisiert werden soll damit eine „Ad hoc Hilfe für queere und anderweitig marginalisierte Menschen in Berlin, die Hilfe brauchen, weil sie ein schwaches Immunabwehr- system haben, chronisch krank, asthmatisch oder älter sind“, so das Karada House. Dabei geht es um Hilfestellungen wie einkaufen oder das Vorbeibringen von Mahlzeiten. Vorbild für die Aktion war die britische Initiative „QueerCare“. Ähnliche Initiativen sind in Köln, Bordeaux und Paris gestartet. Doch trotz solcher lobenswerter Hilfsaktionen: die Berliner LGBTI*- Szene trifft der „Corona-Shutdown“ hart. Marcel Weber vom SchwuZ hofft jedenfalls auf eine finanzielle Entschädigung seitens des Lan- des oder des Bundes: „Banken wurden damals in der Finanzkrise Finden Sie sofort als systemrelevant eingestuft. Wir finden, dass auch Begeg- nungsorte wie das SchwuZ und andere Clubs systemrelevant sind, Ihren passenden weil sie erheblich zum sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft beitragen.“ Wer selbst tätig werden und sich solidarisch zeigen will: Partner über Das SchwuZ hat neben anderen Clubs wie dem SO36 die Community um Spenden gebeten, um die finanzielle Notlage zu lindern. Bei alldem darf man nicht vergessen: die Folgen der mehrwöchigen Schließungen gehen weit über die Clubs und Kultureinrichtungen hinaus. Caterer, Szenerestaurants, Servicekräfte, Geschäfte, absolut alle sind betroffen. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Ausbreitung des Virus gestoppt und das Kulturleben wieder auf „back to normal“ um- geschaltet werden kann. Allerdings sind Veranstaltungen wie das „Myfest“ oder der „Karneval der Kulturen“, der Ende Mai stattfinden sollte, bereits abgesagt worden, weil nicht davon auszugehen ist, dass bis dahin das Problem gelöst sein wird. Das Ende der Coro- na-Krise, und damit auch das Ende des Shutdowns der LGBTI*-Szene in Berlin, ist offen. Jetzt parshippen 10 POLITIK
Foto: Er hat sich in den letzten Jahren in vielen LSU-Bundesvorsitzen- Dingen positiv hervorgetan, unliebsame der Alexander Vogt Themen aufgegriffen wie die Homo-Hei- lung oder die Finanzierung der HIV-Pro- phylaxe. Da muss ich sagen: Hut ab! Das sind Themen, von denen alle wussten, dass sie kommen müssen, aber keiner hat sich herangetraut. Und Armin Laschet kann sich als Ministerpräsident in NRW jetzt in der Corona-Krise beweisen. Und das hoffe ich auch, weil er sicherlich für den CDU-Vorsitz mein Favorit ist. Sind Laschet und Spahn das Favori- tenteam nur für den LSU-Vorsitzen- den oder für die gesamten Lesben und Schwulen in der Union? Definitiv Letzteres, wobei es einzelne Ausnahmen geben mag. Wir hatten schon bei der Wahl im letzten Jahr den Kandidat*innen einen Fragebogen geschickt und natürlich hatte Jens Spahn am ehesten unsere Meinung widergespiegelt. Aber auch AKK hatte er- staunlich gut und konkret geantwortet. Nur von Herrn Merz kamen, das muss ich leider sagen, überwiegend Gemeinplätze. Vor allem was den Status der LSU betrifft, sieht uns Merz nicht als eine Vereinigung innerhalb der Partei. Das Beispiel AKK zeigt aber auch, dass es mit dem Liberalsein innerhalb der CDU so eine Sache ist. Auf die „Ein schwarzer Fleck“ Fragen der LSU mag sie gefällig ant- worten, zur Fastnacht holt sie dann doch zum Tiefschlag gegen sexuelle Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus wurde der geplante Minderheiten aus. Mit der Faschingsrede Sonderparteitag der CDU am 25. April abgesagt. Damit wurde auch wollte sie Menschen nicht bewusst diskri- die Wahl zum neuen Parteivorsitz auf unbestimmte Zeit verschoben. minieren, und ich fand es gut, dass sie auf Dessen ungeachtet wollten wir wissen: Wie stehen die Lesben und unserem Empfang letztes Jahr auch gesagt Schwulen in der Union (LSU) eigentlich zu den Kandidaten Friedrich hat, wenn sie jemanden verletzt habe, dann Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen? Und wo verorten sie ihre tue ihr das leid. Die Hasskappe gegen AKK Verantwortung innerhalb der Partei im Kontext von zunehmender war mir immer zu extrem, solche Gefühle LGBTI*-Feindlichkeit, Thüringer Demokratiekrise und Rechtsterroris- würde ich mir manchmal wünschen, wenn mus? Wir sprachen mit dem LSU-Bundesvorsitzenden Alexander Vogt Namen aus der AfD fallen. Dass AKK in der Partei viel für uns getan hat, fällt dabei unter den Tisch. Sie hat uns in viele Gremi- lsu-online.de lexander, wir sprechen zwei Tage, nachdem der en geholt – auch in den Kern der Partei und cdu.de CDU-Sonderparteitag aufgrund der Coronakrise hat auch die „Ehe für alle“ den Mitgliedern auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, mit- in der Partei vermittelt, obwohl sie persön- A einander. Was bedeutet dieser Aufschub für die lich dagegen war. andauernde Führungskrise innerhalb der CDU? Da gibt es Vielleicht entwickelt sich einfach das verschiedene Szenarien. Es könnte die Chance geben, dass der ge- Verständnis von gruppenbezogener meinsame „Feind“ die Leute wieder etwas mehr zusammenbringt. Menschenfeindlichkeit z. B. durch Nicht nur in Bezug auf die Partei, das kann man auch gesamt- Intersektionalität immer weiter und deutsch sehen. Aber die Grabenkämpfe werden weniger wichtig, viele innerhalb der CDU hinken zu- hoffe ich. Es kann natürlich auch dem einen oder anderen Kandi- nehmend hinterher? Das liegt ja bei daten zum Vorteil gereichen, und dann sind meist die im Vorteil, Konservativen in der Natur der Sache. die derzeit in Amt und Würden sind. Viele kommen erst sehr spät mit solchen So wie Jens Spahn. Ja, und im Moment macht er auch einen Themen in Berührung und viele, die heute guten Job, ein sehr offenes Krisenmanagement, er beruhigt die zu unseren vehementesten Unterstützern Leute, versucht Panik zu vermeiden. Das gefällt mir sehr gut. gehören, hatten früher auch Vorbehalte. Nun ist Jens Spahn ja Teil eines Teams, als Vorsitzender Selbst eine Rita Süssmuth war nicht von steht er gar nicht zur Wahl. Sehen wir mal, was die Zeit bringt. Anfang an in allen Dingen auf dem Wagen. POLITIK 11
Heute wird sie in der gesamten Szene das sicher zu wenig. Ziel muss es darum anerkannt und verehrt. Es gibt natürlich sein, dass wir als LSU endlich auch dort auch Leute, bei denen ist Hopfen und Malz mitreden können, wo die Entscheidungen verloren, mit denen rede ich darüber nicht fallen, im Vorstand und auf den Partei- mehr. Das ist Zeit- und Kraftverschwen- tagen, dass wir dort Anträge stellen und dung. Aber alles in allem hat die LSU in reden dürfen. Ich denke, das wäre eine den letzten 15 Jahren innerhalb der Partei Chance für die Partei als Ganzes. große Fortschritte gemacht, und warten Aber handelt es sich denn überhaupt wir mal ab, vielleicht haben wir ja irgend- noch um eine ganze Partei? Gerade wann sogar einen schwulen CDU-Kanzler! in Ostdeutschland stehen doch viele In Polen erleben wir aktuell einen CDU-Mitglieder inhaltlich der AfD echten Rollback. Dabei hätte eine näher als der LSU. Wie kann das EU-Direktive aus dem Jahr 2008 die denn zusammengehen? Im Osten gibt Ausbreitung von „LGBTI*-freien es ein Gefühl der Angst. U. a. auch davor, Zonen“ verhindern können, aber aus- dass bisher erworbener Wohlstand und gerechnet die deutsche Regierung momentane Sicherheit wieder verloren unter einer CDU-Kanzlerin hat diese gehen könnten. Auf diese Angst wuss- Direktive als einziges Land der EU ten wir, aber auch andere Parteien keine jahrelang blockiert. Damals hätten alle richtige Antwort. Das betrifft nicht nur die in der EU zugestimmt – außer Deutsch- CDU, denn die AfD-Wähler speisen sich land. Das bleibt ein schwarzer Fleck und ja bei Weitem nicht nur aus enttäuschten jetzt ist der Zug abgefahren. Das ärgert CDU-Wählern. Ich denke, es muss gelin- mich bis heute, aber damals waren wo- gen, das „Wirgefühl“ wieder zu stärken. möglich die Wirtschaftslobbyisten stärker. Wenn ich „Wirgefühl“ höre, denke Als LSU machen wir derzeit über unsere ich gleich an die Angst meiner Landes- und Kreisverbände konkret auf Freund*innen, die nicht so aus- die Lage in Polen aufmerksam. Das heißt: sehen, als ob sie zu diesem „Wir“ Wir schreiben die Stadtoberen in deut- dazugehören. Ich meine das natürlich schen Kommunen an und sprechen zum auf einer rein menschlichen Basis und Teil auch persönlich mit ihnen über die nicht ausgrenzend. Wir haben aber den Situation für LSBTI in ihren polnischen Menschen Entscheidungen oft nicht Partnerstädten. Ziel ist dabei, die Vielzahl ausreichend vermittelt, auch nicht, an partnerschaftlichen Beziehungen zu was 2015 passiert ist. Leider sind viele Städten und Gemeinden in Polen zu nut- mittlerweile Argumenten gar nicht zen, für Verständnis zu werben, aber ganz mehr zugänglich. Ich gebe zu, da habe klar auch Druck auszuüben und über die- ich auch keine Patentlösung. Aber eins sen Weg möglicherweise eine Umkehr zu weiß ich, wenn ich mir die Kandidaten bewirken. Ich kann unser Vorgehen in der angucke, dann wäre Merz sicher einer, Sache auch nur allen empfehlen, egal wel- der eher polarisiert und nicht vermit- cher Partei sie nahestehen. Wir überlegen telt. Das ist aber nicht die Meinung der darüber hinaus auch, mit einer LSU-Dele- gesamten LSU. Wir haben auch Mitglie- gation zum Warschauer Pride zu fahren, der, die mit einem Merz leben können, um Flagge zu zeigen. weil z. B. Wirtschaftsthemen für sie Auch in Deutschland erleben wir wichtiger sind. einen starken Anstieg des Rechts- Es gibt ja auch durchaus die Mei- extremismus und auch des Rechts- nung, Merz könne ein paar Prozent- terrorismus wie in Hanau. Wir hatten punkte von der AfD zurückholen und die Demokratiekrise in Thüringen. so Demokratie wieder spannender Welche Rolle siehst du vor diesem machen. Vielleicht hätten wir dann aber Hintergrund für die LSU in der Par- auch 2021 einen grünen Kanzler. Klar, falls tei? Reicht es da noch, für die PrEP zu Merz gewählt wird, werden wir uns als sein und gegen die Homo-Heilung? LSU mit ihm arrangieren, aber auch unse- Oder muss auch die LSU die Dinge in re Forderungen klar formulieren. Das wird einem größeren Zusammenhang be- dieses Jahr besonders wichtig werden, trachten? Das muss man, da gebe ich dir denn im Dezember wird es auf dem Partei- völlig recht. Und darum muss die LSU auch tag darum gehen, welchen Status wir als im Herzen der Partei sein, weil wir für Viel- LSU bekommen und ob wir offiziell aner- falt werben. Wir beschäftigen uns auch mit kannt werden. Interview: Dirk Ludigs Themen wie Migration und Integration. Ich selbst bin im Bundesfachausschuss für ge- sellschaftlichen Zusammenhalt, und wenn ich da nur über LSBTI reden würde, wäre
Unbenannt-1 1 10.12.19 17:14 12 COMMUNITY
Geschlechtergerechtigkeit passé?“ und der Juristin Gunda Schu- mann als Referentin hätte am 17. März stattfinden sollen. Im ur- sprünglichen Einladungstext wurde trans Identität u. a. als ein „vom biologischen Körper abstrahierender Irrweg“ bezeichnet. Die „Queer Lectures“ werden von der Initiative Queer Nations e. V. (IQN) orga- nisiert. Die Moderation des Events sollte Feddersen übernehmen, der, außer im Vorstand des „Freund*innen des E2H“-Vereins, auch im Vorstand von Queer Nations sitzt. Der Ankündigungstext sorgte für Empörung: U. a. der Kultursenator Klaus Lederer bezeichnete ihn in einem Statement gegenüber dem Tagesspiegel als „denun- ziatorisch“. Die taz löschte den Text später von ihrer Website und bat „insbesondere trans* und nichtbinäre Personen“ um Entschuldigung für die „Wortwahl“. „Das E2H war einst ein Projekt, das dezidiert für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt eintreten und somit sämtliche exkludierende Positionen, z. B. gegen Trans*, ausschließen wollte“, sagt die Histo- rikerin Katja Koblitz vom Spinnboden gegenüber SIEGESSÄULE. Neben der inhaltlichen Position und Ausrichtung sei auch die Art und Weise der Zusammenarbeit ein Grund für den Ausstieg aus dem E2H gewesen. Ursprünglich „als basisdemokratisches Projekt aller Einrichtungen“ gedacht, habe die Einbindung der Einrichtungen in Entscheidungsprozesse oder Projektplanung jedoch „kontinuierlich FOTO: SALLY B. abgenommen“, resümiert Koblitz. Jan Feddersen reagiert gegenüber SIEGESSÄULE auf diese Kritik mit Unverständnis: „Wir haben un- entwegt um Augenhöhe gebeten, etwa durch leidenschaftliche Ein- Streit ums ladungen, sich an der Vorstandsarbeit mit zu beteiligen. Wir haben damit wenig Resonanz geerntet.“ Das sehe der Spinnboden anders, E2H erwidert Koblitz. „Expertise oder Impulse“, sowohl vom Lesbenar- chiv als auch von anderen Einrichtungen, seien „nicht aufgegriffen Das vom Berliner Senat geförderte „queere und eingebunden“ worden. Ähnlich äußert sich Daniel Sander, Pres- Kulturhaus“, das Elberskirchen-Hirsch- sesprecher des Schwulen Museums, im Gespräch mit SIEGESSÄU- feld-Haus (E2H), verliert zunehmend Unter- LE: „Im Jahr 2017 verfestigte sich der Eindruck, dass das Museum stützer*innen. Kürzlich sorgte ein geplanter in wichtige Entscheidungsprozesse nicht mit einbezogen wurde.“ Event zu „Transgender“ für viel Kritik, das Ebenso hätten sich politische Differenzen verschärft. Das betreffe Spinnboden Lesbenarchiv stieg daraufhin etwa Jan Feddersens Artikel von 2019 im Magazin Mannschaft, in aus dem Projekt aus. SIEGESSÄULE-Autorin dem er von einer „Queergida“ schrieb. Oder auch eine vergangene Amanda Beser berichtet Veranstaltung namens „Queer Thinking“, bei der Christiane Härdel „mit offen transfeindlichen Positionen zu Wort kam“, so Sander. Den Vorwurf der Transfeindlichkeit möchte Feddersen nicht gelten spinnboden.de Nichts weniger als ein „queerer Leuchtturm lassen. Zur Debatte um die „Queer Lecture“ hält er fest: „Transfragen queereskulturhaus.de für Berlin“ sollte das E2H werden. Benannt sind zwingend wichtige Fragen, auch und gerade für ein Projekt wie nach den LGBTI*-Vorkämpfer*innen Johan- E2H (und IQN ohnehin). Wir müssen als IQN-Vorstand jedoch darauf na Elberskirchen und Magnus Hirschfeld beharren, dass auch radikalfeministische Perspektiven zur Geltung Foto: sollte es unter seinem Dach viele queere In- kommen können – ohne dass dies einem inhaltlichen Zuspruch Im ehemaligen Ge- stitutionen und Archive vereinen. Soweit die gleichkommen müsste.“ Die Position, die die „Queer Lecture“ nahe- bäude der taz soll Idee. Doch bereits 2017 verließ das Schwule legte, und die Feddersen hier als „radikalfeministisch“ bezeichnet, 2022/23 das Elberskir- Museum das Projekt und vor Kurzem nun geht davon aus, dass das bei der Geburt zugewiesene „biologische chen-Hirschfeld-Haus auch das Spinnboden Lesbenarchiv und Geschlecht“ wichtiger sei als die selbst empfundene Geschlechts- eröffnet werden Bibliothek e. V. Ein Grund für die Entschei- zugehörigkeit. Trans Personen wird ihre Identität somit im Grunde dung des Spinnbodens, laut Stellungnahme abgesprochen. Offene Diskussionen: ja bitte, findet Katja Koblitz vom auf seiner Website: die politischen Posi- Spinnboden. Diese müssten aber „auf einer respektvollen Art und tionen von Jan Feddersen und Christiane Weise“ laufen. „Über Differenzen ins Gespräch kommen – jedoch Härdel, im Vorstand des „Freund*innen des nicht mittels Anfeindungen oder Diskriminierungen“, wie sie etwa Elberskirchen-Hirschfeld-Hauses – Queeres in dem Text zur „Queer Lecture“ gegenüber trans Personen formu- Kulturhaus“ e. V., „wie sie mit der transfeind- liert worden seien. lichen Ankündigung“ einer sogenannten Voraussichtlich 2022/23 soll das E2H laut Feddersen öffnen. Wie der Queer Lecture „beispielhaft deutlich“ ge- Vorstand weiter auf die Kritik reagieren wird und wie und ob die worden seien. Was war passiert? Die Ver- Idee eines „queeren Mammutprojekts“ für Berlin vor diesem Hinter- anstaltung mit dem Titel „Transgender: grund noch umsetzbar ist, bleibt allerdings abzuwarten. 13
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