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AUTORENNEN Vollgas über den Boulevard Als Manager hat erfolgreich in die Formel 1 zurückgeführt, als Lebemann verleiht er dem Rennzirkus Glamour. Die ungeklärte Vaterschaft am Ende der Liaison mit ist die erste Panne einer Playboy-Inszenierung, in der das Private auch immer Geschäft ist.

uf dem Laufsteg der Formel 1 wirkt sion würde nicht ins sorgfältig aufgebaute Flavio Briatore, 54, wie das Kli- Image des Machos passen. Aschee eines mediterranen Lebe- Der Rennstallmanager sitzt im wohl manns. Dunkler Teint, lange grau melier- klimatisierten Besprechungsraum des Re- te Locken, schlanke Figur in modisch eng nault-Motorhomes, es riecht nach feinem geschnittenen Hosen. In einer Branche, in Couchleder. Auf Briatores linker Brust ist der die Hauptdarsteller immer braver, lang- sein Name in das gelb-blaue Hemd einge- weiliger und gesichtsloser werden, enterte stickt, darunter steht das Wort „Guru“, der er mit ein paar lässigen Inszenierungen die Schriftzug eines Sponsors, der sich liest Mit Renault-Rennfahrer in Sepang/Malaysia Rolle des Stars. Er beherrschte den Klatsch. wie eine unbescheidene Selbsteinschät- Aber nun ist etwas schief gelaufen: Der zung. Schließlich hat Briatore das franzö- Klatsch beherrscht ihn. sische Automobilwerk binnen dreier Jahre Seit am 4. Mai seine Ex-Freundin Heidi zurück ins Vorderfeld der Formel 1 geführt. Klum ihre Tochter Leni geboren hat, muss Der Chef über ein 750-köpfiges Motor- sich Flavio Briatore Fragen nach der Va- sportteam wirkt ungeduldig, er nuschelt terschaft anhören. Beim ersten Rennen hastig, und gemessen an den 15 Jahren, die nach der Niederkunft, am zweiten Mai- er in London wohnt, ist sein Englisch ziem- Wochenende in Barcelona, wandte sich lich dürftig und von einem starken italie- „der triebhafte Zeugungstäter“ („Bild“) nischen Akzent geprägt. Seine Assistentin bei einem Fernsehinterview wortlos von hat vorher angemahnt, man möge mit ihm der Kamera ab, als die Sprache auf das ausschließlich über Renault und die For- Kind kam. In der offiziellen Pressekonfe- mel 1 sprechen, wie bei einem Popstar mit renz des Veranstalters verfinsterte sich sei- dunkler Kindheit, der nur zu seiner neuen ne Miene bei dem beiläufig angeschnitte- CD befragt werden soll. nen Thema, wie es denn um seine Gefüh- Den Codex bricht Briatore nach wenigen le als Papa stehe. „Wir reden hier über die Minuten. Da schiebt er den golden schim- Formel 1“, knurrte er – als hätte nicht aus- mernden Prospekt seines sardischen gerechnet er Privates und Berufliches zu- Nachtclubs „Billionaire“ über den Tisch. letzt so hemmungslos vermischt wie kein Ein orientalisch geschmückter Tanzpalast Zweiter im Grand-Prix-Zirkus. mit Restaurant, in dem im Sommer unter Jahrelang hatte Briatore die Verhaltens- 1000 Euro pro Tisch nichts geht. „Sehr er- regeln bestimmt. Doch jetzt spielte Heidi folgreich, eine sehr gute Marke“, dröhnt er. Klum, das Model aus Bergisch Gladbach, „Andere spielen in ihrer Freizeit Golf oder einen Trumpf aus, der den Italiener in die Pingpong, ich arbeite im Nightclub-Busi- Defensive zwingt: Denn ein öffentliches ness, das macht den Kopf frei, manchmal Eingeständnis, Leni gezeugt zu haben, ist die Formel 1 zu klinisch, einfach außer-

könnte ihn eine Menge Geld kosten. halb der normalen Welt.“ PRESS / ACTION REX FEATURES Die Deutsche hat Briatore vorsorglich Offenbar hält Briatore sein Etablisse- Mit Freundin Heidi Klum (2003) in die Geburtsurkunde als Vater eintragen ment an der Costa Smeralda für die nor- Formel-1-Manager Briatore: „Er hat Zugang zu lassen, und da das Mädchen in New York male Welt. „Milliardär“ hat er den Nobel- zur Welt kam, könnte ihre Mutter in Ame- schuppen genannt, „weil es arrogant wenn du erst einmal drin bist, wirst du be- rika auf Unterhalt klagen, wo die Gerich- klingt“. Er lacht und startet ein Plädoyer handelt wie ein Milliardär.“ te eher großzügig bemessen. Oder ist er auf seine Vermarktungskunst: „Ob du es Freunde von Briatore halten es für kei- etwa gar nicht der Vater? Briatore und Club A oder B nennst, das ist doch alles das nen Zufall, dass der Geschäftsmann sich Klum hatten sich während der Schwanger- Gleiche. Den Medien kommt es auf einen zu der Zeit, als das „Billionaire“ öffnete, schaft getrennt. Weil der Formel-1-Promi in Namen an, den sie kommunizieren kön- plötzlich Begleiterinnen aus der VIP-Liga Wahrheit ein Gehörnter war? Diese Ver- nen. Es ist schwer reinzukommen, aber wählte. Hatte er sich zuvor mit unbekann-

132 der spiegel 22/2004 ich oft dominiert, aber auf die Titelseiten hat mich erst meine Freundin gebracht“, protzte Briatore einmal. Spätestens als er von verlangt hatte, sie solle schon zum Frühstückmachen in Stöckelschuhen auflaufen, war die Bezie- hung dann aber doch zerrüttet. „Wir bräuchten ein paar Leute mehr wie Flavio“, sagt Grand-Prix-Impresario . „Er macht eine gute Show mit seiner Extravaganz.“ Seit die großen Auto- konzerne die Formel 1 dominieren, hat sich der Glamour-Faktor arg reduziert. Ecclestone sitzt in seinem silbergrauen Bus eingangs des Fahrerlagers, das Hemd weiß, die Hose dunkelgrau. Vor dem Heck- fenster hängen zwei große Fernsehschir- me, auf dem aufgeräumten Schreibtisch liegen ein paar Kinderbilder auf einem Umschlag. Es sieht aus wie in einer Pfört- nerloge. Anders als der schillernde, die Sonnenbrillen beinahe stündlich wech- selnde Briatore pflegt der Engländer den Habitus des Unscheinbaren. Oft lassen sich die beiden morgens zusammen in Eccle- stones Maybach-Luxuslimousine zur Renn- strecke chauffieren, und abends fahren sie wieder gemeinsam davon. Kein anderer Teamchef ist so nah dran an dem „Godfa- ther of “ („Financial Times“). SUTTON Ecclestone und Briatore eint, dass sie den Rennsport unromantisch betrachten und immun dagegen sind, in den Ge- sprächsrunden mit den Teambossen mit Weißt-du-noch-Attitüde Ideen von gestern vorzubringen. Die Formel 1 ist für sie ein Geschäft, eine Unterhaltungsware. Beide verfechten angesichts der technischen Hochrüstung der Autos und Jahresetats der Teams von bis zu 400 Millionen Dollar eine radikale Kostenreduzierung. „Wir müssen uns wieder darum kümmern“, pre- digt Briatore, „was der Zuschauer als Kun- de von uns will. Ihm ist es egal, was für ein Motor im Auto steckt. Er will sehen, wer besiegt. Die Formel 1 ist ein Fernsehereignis und kein Spielzeug für die Ingenieure. Teams mit tausend Mann Personal sind Unsinn.“ Briatores Manager-Kollegen Frank Wil- liams oder (McLaren), die im- mer nur für den Rennsport gelebt haben und zur Betriebsblindheit neigen, sind Ecclestone inzwischen ein Gräuel: „Flavio kann besser zuhören als andere, er ist mehr Unternehmer als Rennfan.“ So hat er im Vorjahr seinen Chefkon- strukteur zu zie- ACTION PRESS ACTION KEVORK DJANSEZIAN / AP KEVORK DJANSEZIAN hen lassen, weil er keine vier Millionen Mit Topmodel Naomi Campbell Mit Partygirl Raffaela Zardo Euro Gehalt zahlen wollte, wie es die Ja- verschiedenen Welten, verbindet sie und macht damit Geschäfte“ paner dem Ingenieur boten. Längst äußern Formel-1-Autoritäten wie Frank Williams ten Mannequins blicken lassen, erschien stakste und die Kameras anzog. Dass sich ihre Bewunderung darüber, wie der Kon- er 1998 Händchen haltend mit dem die beiden des Öfteren in die Wolle krieg- kurrent Renault mit wenig Geld auskom- schwarzen Topmodel Naomi Campbell. ten und Briatore seine Lebensabschnitts- me. BMW-Williams gibt mit 360 Millionen Ein für beide Seiten vorteilhafter Deal: gefährtin einmal in Porto Cervo mitsamt Dollar über 100 Millionen mehr aus als die Briatore galt fortan als First-Class-Woma- Louis-Vuitton-Kofferset von der Yacht französische Equipe. nizer, Campbell verschaffte sich Aufmerk- schmeißen ließ, nützte der Publicity eher, Briatore, darüber besteht im PS-Gewer- samkeit, indem sie durch die Formel 1 als dass es schadete. „Die Sportseiten habe be inzwischen weitgehend Einigkeit, ist ein

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Platz vor, so wenig Affinität hatte er zum Renngeschäft. Benetton übertrug ihm trotzdem die Leitung des konzerneigenen Teams, das bis dahin nur mäßig erfolgreich mitfuhr. Benetton bat Ecclestone, sich um den Novizen zu kümmern. Und Briatore war clever genug, auf den kleinen, allmächtigen Mann zu hören. 1991 schanzte Ecclestone dem Benetton-Team den Debütanten Michael Schumacher zu; seitdem haftet Briatore der Ruf an, ein begnadeter Ta- lentspäher zu sein. In einer Art privatem Profit-Center ver- fügt er stets über eine feine Auslese hoff- nungsvoller Rennfahrer. Auch Alonso und Trulli hat Briatore als persönlicher Mana- ger mit langjährigen Verträgen an sich ge- kettet, in die Formel 1 gebracht, zuerst bei anderen Teams fahren lassen und vor zwei

LACI PERENYI LACI Jahren zu Renault geholt. Zwar trat er die Netzwerker Briatore (2. v. l.)*: „Wir bräuchten ein paar Leute mehr wie Flavio“ Managementrechte vor einiger Zeit zur Hälfte an Renault ab, doch weil Briatore Meister des Delegierens, der Organisation tilunternehmer Luciano Benetton kennen, von der Pariser Zentrale in sämtlichen und der Synergie – gern auch zum eigenen der ihn 1977 in die USA schickte, um dort Formel-1-Angelegenheiten sowieso freie Vorteil. Seine 43-Meter-Yacht „Lady in eine Ladenkette für die modischen Strick- Hand bekommen hat, bleiben die Ge- Blue“ verchartert er samt Dienstpersonal waren aufzuziehen. Mehr als 600 Bou- schäfte mit den Fahrern unter seiner Kon- an solvente Kunden, wenn er sie nicht tiquen entstanden, und „das Erste, was ich trolle. selbst nutzt – ebenso wie seinen keniani- installiert habe, war die Kasse“, tönte Bria- Er kann Karrieren machen, das hat sich schen Strandpalast „Lion in the Sun“. tore. Mit dem Projekt qualifizierte er sich unter aufstrebenden Piloten längst herum- Um dessen Auslastung anzukurbeln, bei Benetton für höhere Aufgaben. gesprochen. Der Australier beorderte Briatore voriges Jahr die beiden Doch zwischendurch musste der wert- etwa hatte vor vier Jahren Schulden, weil Renault-Piloten , 22, und volle Helfer verschwinden. Italienische er mangels Sponsorengeld in einer Nach- Jarno Trulli, 29, sowie den Testfahrer Staatsanwälte ermittelten gegen einen wuchsserie teilweise auf Pump gefahren zum Fitnesstraining nach Ostafrika. Und Glücksspielring, Mitte der Achtziger wur- war. Er sprach bei Briatore vor, der beglich die Fotografen bestellte er gleich dazu, galt es doch, die Schönheit des Anwesens als Werbemotiv in eigener Sache zu nut- zen. „Er hat Zugang zu verschiedenen Welten, verbindet sie und macht damit Geschäfte“, sagt der Ex-Rennfahrer Ger- hard Berger, ein Freund und ehemaliger Pilot Briatores. Alles ist bei dem Italiener miteinander verwoben. Förderer für sich zu gewinnen, sich in Netzwerke einzuklinken, neue auf- zubauen und voranzukommen – das hat er immer schon verstanden. Den einzigen Beruf, den der Piemon- teser aus dem Dorf tatsächlich gelernt hat, ist der eines Landvermessers, doch lange ausgehalten hat er es in dem

Job nicht. Nach Intermezzi als Kellner, Ver- / DPA GERO BRELOER sicherungsagent und Skilehrer geriet er an Briatore-Yacht „Lady in Blue“: Samt Dienstpersonal von solventen Kunden zu chartern die Seite eines regionalen Baulöwen, der allerdings nicht lange genug lebte, um Bria- de Briatore verdächtigt, der „Gruppo di die Außenstände, nahm im Gegenzug das tore zu helfen: Er starb, als sein Auto von Milano“ anzugehören und den organisier- Talent als Klient unter Vertrag und hievte einer Bombe zerrissen wurde. ten Zockern betuchte Mitspieler zuzu- Webber schon 2002 in die Formel 1. „Ich Anfang der Siebziger zog Briatore nach führen, die mit gezinkten Karten ausge- brauchte damals jemanden mit Macht und Mailand, was sich als entscheidender nommen wurden. Briatore wurde in zwei Respekt im Fahrerlager“, sagt Webber. Glücksfall in seinem Leben herausstellen Verfahren in Mailand und Bergamo zu ins- Inzwischen fährt der Australier bei Ja- sollte. Über alte Kontakte landete er in den gesamt viereinhalb Jahren Haft verurteilt, guar, wechselt für die kommende Saison Finanzkreisen der Metropole, arbeitete an doch vor dem Richterspruch setzte er sich höchstwahrscheinlich zu BMW-Williams der Börse und verschaffte sich Zugang zur auf die Amerikanischen Jungferninseln ab. und gilt mit 27 Jahren als ein Champion der Partywelt der Society. Er lernte den Tex- Zwei Jahre blieb er dort, eine Amnestie Zukunft. Für Briatore hat sich das Invest- öffnete ihm den Rückweg nach Italien. ment in Webber längst gelohnt: Als Mana- Als ihn Luciano Benetton 1988 zum ger kassiert er seine Prozente – auch wenn * Mit Automobil-Weltverbandspräsident Max Mosley, Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone und Brasiliens Grand Prix im australischen Adelaide mit- der Pilot bei Konkurrenz im Fußballstar Ronaldo 2003 in Monte Carlo. nahm, kam sich Briatore zunächst fehl am Cockpit sitzt. Detlef Hacke

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