„Die Hoffnung Stirbt Zuletzt“
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E 25326 D Juli 2004 15. Jahrgang Mit Sonderbeilage: Wege zur Gesundheit Im Gespräch: Martin Gülich und Kai Weyand, Literaturbüro Freiburg „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ Gemeinsam leiten sie das tungs- und Informationsein- INHALT Literaturbüro Freiburg, das richtung, ein Angebot, das im- einzige seiner Art in Baden- mer stärker gerade von ange- THEATER ___________________ 7 Württemberg, und an Effekti- henden Autoren und Überset- „L´Africaine“ an der Straßburger Oper vität lassen sie nichts zu wün- zern angenommen wird. KUNST _____________________ 13 schen übrig. Aber bei knap- Joker: Doch in der Öffentlich- „Close Quarters“ im Kunstverein Freiburg pem Kulturhaushalt ist auch keit scheint vielen immer noch KULTOUR ____________________ 16 hier die Arbeit gefährdet. Wie unklar zu sein, wie die Begrif- Anton Tschechow und Badenweiler die Autoren- und Übersetzer- fe „Literaturforum Forum Süd- KULTUR _____________________ 18 werkstatt ging das Literatur- west“ und „Literaturbüro Frei- Breisacher Festspiele starten büro ebenfalls aus dem 1987 burg“ auseinanderzuhalten von Freiburger Autoren ge- sind. FILM ________________________ 19 gründeten Literatur Forum Weyand: Das eine ist der Ver- „Höllentour“ - Mythos Tour de France Südwest hervor. Martin Gü- ein, der die ganze geschilderte SPORT ______________________ 20 lich und Kai Weyand, selbst Arbeit trägt. Das andere ist der Sommerskispringen in Hinterzarten Autoren, betrachten sich als Ort, an dem die Arbeit konzi- REISEN _____________________ 22 gleichberechtigte Basisarbei- piert und durchgeführt wird. Sommerzeit - Reisezeit ter auf dem Feld der Literatur. Man könnte auch sagen, das MUSIK ______________________ 25 Peter Frömmig sprach für Literaturbüro Freiburg ist so Fest der Innenhöfe in Freiburg den Kultur Joker mit diesem etwas wie die Geschäftsstelle GESUNDHEIT _________________ 28 jungen, engagierten Team. des Literatur Forum Südwest. Die Offene Sprechstunde Joker: Wie kam es zum Litera- Gülich: Früher war das Li- VERANSTALTUNGEN __________ 37 tur Forum Südwest, damals in teraturbüro im Marienbad un- Stadtteilfest Rieselfeld den 1980ern, der glorreichen tergebracht, seit einem Jahr Zeit alternativer Kultur? ren kulturellen Institutionen in Gülich: Nun ja, für diese Frage der Stadt, z.B. die mit der sind wir möglicherweise die Stadtbibliothek Freiburg. Ex- falschen Adressaten. Als das emplarisch sei hier die Reihe Literatur Forum Südwest aus „Eine Stadt liest“ genannt, die der Taufe gehoben wurde, war mit über 200 Veranstaltungen ich gerade in Karlsruhe mit über zwei Jahre außerordent- meinem Wirtschaftsingenieur- lich erfolgreich lief, und die studium fertig; Kai Weyand, uns noch einmal stärker mit als gebürtiger Freiburger da- der Stadt verankert hat. mals immerhin schon vor Ort, Joker: Das macht schon Ein- ging noch zur Schule. Die druck. Aber wie soll man sich Schriftstellerei war damals für eure Arbeit konkret und im uns beide noch in weiter Ferne. einzelnen vorstellen? Wir kennen die Anfänge des Gülich: Wenn wir versuchen, Literatur Forum Südwest und die Arbeit des Literatur Forum die, wie du sagst, glorreiche Südwest darzustellen, verwen- Zeit alternativer Kultur eher den wir gerne das Bild eines 4- vom Hörensagen. Säulen-Modells. Die 1. Säule Joker: Wie sah es aus, als ihr umfasst dabei unsere Tätigkeit angefangen habt? als Literaturveranstalter. Das Gülich: Zunächst einmal war geht von klassischen Autoren- die Mitgliedschaft noch sehr und Übersetzerlesungen bis sind wir zusammen mit dem überschaubar. Das ist sie im hin zu Veranstaltungsreihen, Kommunalen Kino unter dem Grunde auch heute noch, aber über die wir ja schon kurz ge- gemeinsamen Dach des Alten wir haben die Zahl der Mitglie- sprochen haben. Die 2. Säule Wiehrebahnhofs, wo seit jeher der in den letzten 4 ½ Jahren bildet die Werkstatt- und Semi- die meisten unserer Veranstal- mehr als verdoppeln können. nararbeit. Hier seien stellver- tungen stattfinden. Gerade eben haben wir unser tretend die monatlichen Offe- 100. Mitglied aufgenommen. nen Lesungen und Übersetzer- Fortsetzung des Inhaltlich haben wir nicht alles werkstätten genannt. Immer Interviews auf umgekrempelt, das Angebot wichtiger ist im Verlauf der letz- Seite 30 des Literatur Forum Südwest ten Jahre die Arbeit mit Kin- aber deutlich erweitert. dern und Jugendlichen ge- Joker: In welcher Form? worden, unsere 3. Säule. Und Kultur Joker Weyand: Immer wichtiger wur- die 4. Säule schließlich bildet Tel.: 0761 / 72 0 72 den Kooperationen mit ande- das Literaturbüro als Bera- www.kulturjoker.de T H E A T E R Gefühlswert von Beton Alexia Hermann dramatisiert “Kurze Interviews mit fiesen Männern” am Freiburger Theater Männer und Frauen passen Hermann sich auf eine Erzäh- Menschen und ihren Gefühlen. einfach nicht zusammen, wenn lung konzentriert und in diese Emotionen bleiben am Beton das erste Kind da ist, und die- mehrere “Kurze Interviews mit nicht haften, das aufgestylte ses - zudem ein Junge – ge- fiesen Männern” hinein ge- Girlie (Janina Sachau) rutscht auf säugt, betreut und geliebt wer- schnitten. Damit hat sie selbst ihren Highheels die Rampe her- den will. Solche kleineren oder sich keine leichte Aufgabe ge- unter, einzig die bunte Landschaft größeren Defekte sind der stellt, bieten die Texte zwar, da an der Bar vergegenwärtigt den Stoff von David Foster Wal- sie mehr dialogisch als be- Anything-Goes-Mythos von laces “Kurze Interviews mit schreibend sind, viel Freiheit. Amerika. Schaut Thiemo Schwarz fiesen Männern”. Neben krank- Sie wirken dennoch sehr mo- aus dem Sichtfenster des Las- hafter Eifersucht muss man zu nologisch, weil der Fragende tenaufzugs, in den Michele Lo- den Fiesheiten auch die Furcht ganz ausgeklammert bleibt. renzini eine Einbauwohnung ge- vor dem Sprung ins Schwimm- Hermann, die als Regieassi- setzt hat, wirkt das so bedroh- becken, Depressionen und un- stentin am Theater Freiburg ar- lich wie Highschoolschüler, entwegtes Onanieren zählen. beitet, verteilt den Text auf die die gerade vom Bowlen kom- Wallaces vor zwei Jahren ins Darsteller. Das schafft einen men. Alexia Hermann nutzt Deutsche übersetzter Erzäh- Bruch in der Hasstirade, die nicht allein den Gefühlswert lungsband fiel auf. Der Ton der Vater auf den Sohn ablässt, dieses Raumes zur Illustrierung klingt rau wie ein Rocksong, der ihn so unvermittelt um die dieser Autisten, sie schöpft seine Figuren sind Mani- Aufmerksamkeit seiner Frau auch dessen Möglichkeiten ganz pulationskünstler, die sich an gebracht hat. Hornbrille, wei- aus und erweitert ihn durch Vi- ihren nicht weniger deformier- ßes Unterhemd und das fettige, Fieser Mann im Bademantel mit kleinem Defekt (Thiemo deoeinspielungen. Ihre “Kur- ten Mitmenschen ausprobie- strähnige Haar machen aus Schwarz) zen Interviews mit fiesen Män- ren. In der Biographie des 1962 Thiemo Schwarz den klassi- nern” sind temporeich und geborenen Amerikaners, die schen Vorstadtspießer. Ange- mit den Augen. Rennt sie zwi- den Beine aus dem Etuikleid in nah am Zeitgefühl, eigentlich sich in früheren Jahren zwi- widert erträgt er das Surren des schen Kochtopf und den die Luft strecken wird und sich theatralisch sind sie nicht. schen Werbespots und Ten- Panzers, den der Sohn (Manu- hungrigen Mäulern ihrer Män- der Irrsinn ihrer mahago- niscourt abspielte, wollen viele el Krstanovic) ihm wiederholt ner hin und her, wirkt dies wie nifarbenen Lockenpracht ge- Weitere Vorstellungen:1./3./4./ das Zeug zur Authentizität er- ans Bein manövriert. Die Mut- die Parodie auf das glückliche legt hat (Kostüme: Michele 9./10./11./15./16. und 17. Juli in kannt haben. ter und Ehefrau (Janina Sa- Hausfrauendasein im Werbe- Lorenzini). Wo ansonsten Büh- der Ladezone des Theaters je- Für ihre erste Inszenierung am chau) entschuldigt hier und fernsehen. Es ist nur eine Fra- nenbilder und Material verladen weils um 22 Uhr. Theater Freiburg hat Alexia zwinkert dort verschwörerisch ge der Zeit, wann sie die mü- werden, geschieht dies nun mit Annette Hoffmann Menschen auf Spieldosen Stephan Rottkamp schickt “Hedda Gabler” in die Warteschleife Stephan Rottkamp hat im “Fe- auf Heddas Nase kein gelber ten an “Hedda Gabler”. Seine aufziehmännchen trollt er sich ihm in Erinnerung an freund- gefeuer von Ingolstadt” wohl Notizzettel pappt. So richtig le- titelgebende Frauengestalt ist durch Situationen, die mehr schaftlich verbundene Zeiten, das retardierende Moment für bendig wirkt aber auch sie das Kind einer Zeit, in der die von ihm verlangen als er lei- entgegenstreckt, führt er sich sich entdeckt. In seiner Insze- nicht in diesem Archiv, in dem Töchter nicht mehr dumm ge- sten kann. Fällt sein Blick be- gleich mal in den Mund ein. Es nierung von Henrik Ibsens jede Wand, jedes Möbelstück halten wurden, in der ihnen gehrend auf seine Frau (Chri- muss aber an der allgemeinen “Hedda Gabler” für das Thea- bis auf General Gablers Büste aber auch keine bedeutende stiane Roßbach), wird er noch Langeweile liegen, dass die ter Freiburg steht es gleich am von einer gelben Papierschicht Aufgabe in der Gesellschaft ein bisschen treudoofer, schweigt beiden Frauen ausgerechnet Anfang. Denn Jörgen Tesmans bedeckt ist. Selbst das Bären- zustand. und schreibt weiter Zettel voll. um diesen blässlichen Schwär- Leben ist ein einziges Sammeln fell vor dem Kamin wurde nicht Der norwegische Autor stellt Kein Wunder, dass seine Frau mer konkurrieren. Unermüdlich und Ordnen, auf die Katastro- verschont. (Bühne: Robert sich solche Frauen als hinrei- bei soviel Ladehemmung gerne raucht Hedda Gabler in dieser phe oder Katharsis braucht Schweer) Als sonderlich origi- chend borniert